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Die Überlieferung der ‚Interrogatio St. Anselmi de Passione Domini, deutsch‘
– Eine methodische und methodologische Herausforderung *
Klaus-Peter Wegera, Bochum
Die Interrogatio St. Anselmi ist in außergewöhnlich großer Zahl überliefert.1 Neben einer
großen Zahl lateinischer Textzeugen2 sind inzwischen 64 deutschsprachige und 4 mnl.
3
Exemplare bekannt, und man kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass sich noch
weitere finden lassen. Das Besondere der deutschsprachigen Überlieferung, die sich aus 54
Hss. und 10 Druckexemplaren zusammensetzt, liegt einerseits in der zeitlichen Dichte der
Überlieferung zwischen der 2. Hälfte des 14. und dem beginnenden 16. Jh. mit einem
deutlichen Schwerpunkt im 15. Jahrhundert und andererseits in der besonderen Art der
Textvariation. Die Handschriftenüberlieferung verteilt sich über das gesamte
deutschsprachige Gebiet, die Drucke finden sich mehrheitlich im Ripuarischen (Köln) und im
Niederdeutschen (Lübeck); im hochdeutschen Raum finden sich nur zwei Augsburger Drucke
– beide mehr oder weniger fragmentarisch. Die Überlieferung umfasst neben verschiedenen
Prosaformen auch mehrere Versfassungen: eine mit 10 Handschriften- und 8
Druckexemplaren aus Köln und dem niederdeutschen Raum, eine mit nur einem überlieferten
Textexemplar aus dem ostmitteldeutschen Raum (D3) und eine weitere mit nur einem
überlieferten Fragment (b1) ebenfalls aus dem ostmitteldeutschen Raum.4
* Der Beitrag bezieht sich auf den Forschungsstand von Dez. 2012. Zu diesem Zeitpunkt waren einige Hss.
noch nicht zugänglich, so hk1, Hz1, Kn1. Der Beitrag wird regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht und
versteht sich insofern als dynamisch. 1 Die Literatur zu diesem ‚Text‘ ist durchaus überschaubar und basiert auf unterschiedlichen, immer aber
unvollständigen Textsammlungen: Bergmann (1986); Cepkova (1969), (1982); de Haan (1968); Eggers
(1955), (1978); Graffunder (1893); Jellinghaus (1882); Lisch (1858); Lübben (1869a), (1869b), (1893);
Patera (1886); Ruh (1956); Stammler (1953a), (1953b); Schade (1870); Schröder (1871); (1872); Steer
(1977); Traunbauer (1955); Zeller (1943). Die leider kaum noch zugängliche Dissertation von Zeller bietet
die bisher solideste Darstellung.
Das Bochumer DFG-Projekt zur Edition und Erschließung der Überlieferung basiert auf einer Sammlung des
früh verstorbenen Detmar Grubert im Vorfeld seiner nicht fertiggestellten Dissertation in den 1980er Jahren.
Die Sammlung wurde erweitert, insbesondere um die Hss., die Grubert seinerzeit nicht zugänglich waren,
Lokalisierung und Datierung neu vorgenommen und mit den neueren Forschungsergebnissen in Einklang
gebracht. Die Hss. und Drucke wurden diplomatisch transkribiert, digitalisiert, lemmatisiert und – zumindest
teilweise – grammatisch annotiert. Sie stehen demnächst unter www.rub.de/wegera/sanktanselmus für
weitere Forschungen zur Verfügung. 2 Die Sammlung von Grubert, erweitert um die Angaben bei Cardelle de Hartmann (2007) sowie eigene
Recherchen, ergeben eine vorläufige Zahl von 162 Überlieferungsträgern im (ehemaligen) deutschsprachigen
Raum. 3 Prosa: Le1 Leiden Ms. Ltk. 226 (15. Jh.); Am1 Amsterdam UB IG 41 (14. Jh.); B1523 Druck Utrecht 1523
bei Jan Berntsz (Den Haag Kgl. NB). Vers: ma1 Maastricht Rijksarchief Manuscripten collectie nr. 167-III-
13 (15. Jh.). Das von De Haan (1968) als weitere St. Anselmus-Hs. transkribierte Fragment Groningen UB.
hs. 405 ist kein Exemplar der Interrogatio St. Anselmi. 4 Da die Überlieferung bisher nicht komplett aufgearbeitet ist und im o.g. Forschungsvorhaben zum ersten Mal
eine auf Vollständigkeit bedachte Sammlung angelegt wurde, konnten neue einheitliche Siglen vergeben
werden: Großbuchstaben (nach dem aktuellen Aufbewahrungsort) für vollständig überlieferte Hss.
(Volltexte), Kleinbuchstaben für Fragmente; die Drucke werden (abgekürzt) nach dem Drucker und dem
Druckjahr angeführt (etwa KJ 1499 für den Kölner Druck von 1499 des Druckers Johann Koelhoff d.
Jüngeren).
2
Übersicht über die deutschsprachige (bekannte) Überlieferung5
Handschriften: au1 Staats- und StB Augsburg 2° Cod 438 (Federprobe); B1 Staatsbibliothek
zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz Ms germ. octav 183; b1 Staatsbibliothek zu Berlin -
Preußischer Kulturbesitz Fragm. 4; b2 Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
Ms. germ. fol. 736; B2 Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz Ms. germ. qu.
2025; b3 Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz Ms. germ. fol. 1714; Ba1
Staatsbibliothek Bamberg Msc. Lit. 176; Ba2 Staatsbibliothek Bamberg Msc. Lit. 176; Be1
Burgerbibliothek Bern Mss.h.h. X.50; D1 Anhaltische Landesbücherei Dessau Hs. Georg.; D2
Anhaltische Landesbücherei Dessau Hs. Georg 73.8°; D3 Anhaltische Landesbücherei Dessau
Hs. Georg. 24.8° (4°); D4 Anhaltische Landesbücherei Dessau Hs. Georg. 65.8°; f1
Dombiblithek St. Marien Fürstenwalde [Fgmt.o.Sgn.]; H1 Universitäts- und Landesbibliothek
Sachsen-Anhalt Halle Qu. Cod. 141; hb1 Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Cod. in
scrin. 17, Frgm. 15; Hk1 Bibliothek des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz Cod. 339; hk1
Bibliothek des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz Cod. 541; Hz1 Stiftsbibliothek
Herzogenburg Cod. 69; Ka1 Badische Landesbibliothek Karlsruhe Cod. Donaueschingen
116; Kh1 Det Kongelige Bibliotek Kopenhagen Cod. Thott. 109,4°; Kn1 Stiftsbibliothek
Klosterneuburg Cod. 1242; M1 Bayerische Staatsbibliothek München Clm 23371; M2
Bayerische Staatsbibliothek München Cgm 839; M3 Bayerische Staatsbibliothek München
Cgm 485; M4 Bayerische Staatsbibliothek München Cgm 484; M5 Bayerische
Staatsbibliothek München Cgm 4698; M6 Bayerische Staatsbibliothek München Cgm 486;
M7 Bayerische Staatsbibliothek München Cgm 473; M8 Bayerische Staatsbibliothek
München Cgm 134; M9 Bayerische Staatsbibliothek München Cgm 4701; M10
Staatsbibliothek München Clm 14945; Me1 Stiftsbibliothek Melk Cod.55 (178; D 15); (N1
Stadtbibliothek Nürnberg Cent. VI, 44)6; n1 Stadtbibliothek Nürnberg Cent. VII, 55; N2
Stadtbibliothek Nürnberg Cent. VI, 46f; N3 Stadtbibliothek Nürnberg Cent. VI, 86; N4
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg Hs. 23212; O1 Landesbibliothek Oldenburg Cim.
I.74; Sa1 Benediktiner-Kollegium Sarnen Cod. chart. 125; sa 1 Benediktiner-Kollegium
Sarnen Cod. membr. 33; Sb1 Bibliothek der Bendiktinerinnenabtei Nonnberg Cod. 23 A 22;
s1 Landeshauptarchiv Schwerin [Fgmt.o.Sgn.]; SG1 Stiftsbibliothek St. Gallen Cod. Sang.
1006; sl1 Pfarrarchiv St. Leonhard, Passeiertal/Südtirol [Fgmt.o.Sgn.]; SP1 Russische
Nationalbibliothek St. Petersburg Fond 955 op. 2 Nr. 51; St1 Bibliothèque Nationale et
Universitaire de Strasbourg Ms. 2267; St2 StB Straßburg Cod. A 100 (Ms 489 Abschrift aus
dem 18. Jh.); Stu1 Württembergische Landesbibliothek Stuttgart Cod. bibl. 2° 35; T1 Slezské
Museum Opava (Troppau) RA-6; W1 Österreichische Nationalbibliothek Wien Cod. 2969;
We1 Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar Cod. Oct. 4; Wo1 Herzog August Bibliothek
Wolfenbüttel Cod. Guelf. 1082 Helmst.; Verluste: Br1 StB Wroclaw Cod. M 1374; fb1
Andreas-Möller-Bibliothek Freiberg VIII 2° 72
Drucke: StA1495 Lübeck 1495 bei Steffen Arndes (Exemplar Halle ULB Ink Il 2196, 4º (7),
ehemals Quedlinburg Stifts-und Gymnasialbibliothek o.Sg.) und HA1521 Lübeck 1521 bei
Hans Arndes (Exemplar Hamburg SuUB Inc. App. A/106); KÄ1492 Köln 1492 bei Johann
Koelhoff d. Älteren (Exemplar Paris BN Res-D 9903); KJ1499 Köln 1499 bei Johann
Koelhoff d. Jüngeren (Exemplar Darmstadt ULB Inc. I/2); N1509 Köln 1509 bei Heinrich von
Neuss (Exemplar Göttingen SUB 8° Poet. Germ. II, 2019 Inc. Rara); N1514 Köln 1514 bei
5 Bei dem von E. Schröder (1931) abgedruckten Frgm. aus dem 13. Jh.s handelt es sich nicht wie Schröder
vermutet um eine frühe Anselmus-Hss., sondern wohl um ein Fragm. des Planctus Bernhardi (vgl. Zeller
1943, I). Zeller weist a.a.O., IIf. auf die Nähe des Anselmus-Stoffes zum Planctus Bernhardi hin, der nicht
nur in der modernen Forschung, sondern bereits „auch im Mittelalter zur Verwechslung (und eben auch zu
Kompilation und Kontamination) geführt hat.“ (II). 6 S. dazu die Ausführungen weiter unten.
3
Heinrich von Neuss (Exemplar Köln UStB ADbl
155); N1500 Köln nach 1500 bei Heinrich
von Neuss (Exemplare Berlin SBBPK Inc. 709 Nr. 5 und Kopenhagen Kgl. NB 21,274);
s1495 Augsburg 1495 bei Hans (Fro)schaur T1 (Goslar Marktkirchenbibliothek Nr. 1606; T2
Abtei Maria Laach Bibliothek der Abtei FF 14); s1496/7 Augsburg 1496/97 bei Johann
(Fro)schaur (Basel ÖBU Wack 562 Nr. 2); verschollen: K1522 Köln 1522 bei Servais
Kruffter (Aachen Stiftsbibliothek, Nr. 163).
Die überlieferten deutschsprachigen Textzeugen verteilen sich über das gesamte Sprachgebiet
vom Ripuarischen bis zum Schlesischen, vom lübischen Mittelniederdeutschen bis zum
Südbairischen (vgl. Karte 1 im Anhang; dazu auch weiter unten zur Lokalisierung).
Schieb7 fasst – allerdings noch ausgehend von einer Überlieferung von etwa „zwei Dutzend“
lateinischer und „etwa ebenso zahlreichen deutschsprachigen Handschriften des 14. und 15.
Jahrhunderts“ (IX) – diese Überlieferungssituation im Vorwort zur Dissertation von Cepkova
(1982, IXf) zusammen: „Es wird wohl kaum jemand den Mut aufbringen, den gesamten so
ungeheuer weit verzweigten Komplex der „Interrogatio Anshelmi“ aufzuarbeiten, der
verschiedene Sprachen und mehrere Jahrhunderte überspannt, so notwendig das auch wäre.“
Ihr ist nur zuzustimmen: Ohne die Sammlungen von Grubert8, ohne finanzielle Unterstützung
durch die DFG9 und ohne die heutigen Möglichkeiten der Internet-Recherche wäre es nahezu
unmöglich gewesen, in einer überschaubaren Zeit wenigstens erste Ergebnisse für die weitere
Forschung zur Verfügung zu stellen. Zudem bietet die Digitalisierung einen ganz anderen
Zugriff auf Texte, als dies früher möglich war. Dabei konzentriert sich die Arbeit auf die
deutschsprachigen Textzeugen, bezieht die ndl. nur am Rande ein und berücksichtigt einen
Teil der lateinischen Hss. nur dort, wo es für das Verständnis der deutschsprachigen
notwendig erscheint. Mit anderen Worten, die Erschließung der riesigen lat. Überlieferung
bleibt noch zu leisten.10
Die Überlieferung bietet eine Reihe von Herausforderungen, von denen im Folgenden die drei
aus Sicht der historischen Sprachwissenschaft bedeutendsten unter methodologischen
Aspekten beleuchtet werden sollen.
7 Gabriele Schieb, Vorwort zur Dissertation von Cepkova (1982, IX-XX) [vgl. Anm.1]. 8 Vgl. Anm.1. 9 Geschäftszeichen SCHU 2524/2-1. An dieser Stelle möchte ich mich bei Simone Schultz-Balluff und den
Mitarbeiterinnen für die Grundlagenarbeit der mühevollen Digitalisierung bedanken, ohne die der Artikel
nicht hätte geschrieben werden können. 10 Die (uns bekannte) engl. Hss. (Oxford, Bodleian Library MS. Laud. Misc. 38 (ehem. 549)) spielt ebenfalls
nur am Rande eine Rolle.
4
I Die Herausforderung der Textüberlieferung
Radikaler noch als in anderen Fällen stellt sich bei der beschriebenen Überlieferungslage die
Frage nach dem ‚Text‘. Gemeinsam ist allen Hss. und Drucken das Grundgerüst: Es handelt
sich um einen virtuellen Dialog (eigentlich ein ‚Interview‘)11
zwischen Anselm von
Canterbury und Maria zur Passion Christi. Dabei geht es nur vordergründig um das
eigentliche Passionsgeschehen – das kann als hinlänglich bekannt vorausgesetzt werden –
sondern vielmehr um die compassio Mariae als subjektive Leidenserfahrung und
Trauerarbeit. Dieser allen Texten gemeinsame ‚Plot‘ wird immer wieder neu ‚erzählt‘, in je
eigener regionaler Schreibsprache niedergeschrieben und mit jeder Niederschrift neu in Worte
gefasst. Der lateinische Text (auch dieser zeigt Variation) geht zeitlich voran, aber nur die
frühen deutschsprachigen Hss. dürften stärker durch die lateinischen beeinflusst sein. Exakte
wörtliche Übersetzungen eines kompletten lat. Textes finden sich nicht12
, wohl aber
Übersetzungen kompletter lateinischer Passus. Bei der Entstehung der meisten, insbesondere
der späteren Hss. sowie der Drucke kann man davon ausgehen, dass immer ein
deutschsprachiges Exemplar oder mehrere deutschsprachige Exemplare und/oder ein
Exemplar oder mehrere Exemplare der lateinischen Überlieferung als Grundlage zur
Verfügung stehen, eingebettet in ein weites literarisches und religiöses Umfeld von
Marianklagen, Passionsliteratur und Passionsspielen, wobei dem Planctus Bernhardi eine
wichtige Bedeutung zukommt.13
Manche Klöster verfügen gleich über mehrere Exemplare
des St. Anselmus, wie etwa das St. Katharinenkloster in Nürnberg.
11 Zur Typisierung von Dialogen s. Cardelle de Hartmann (2007, 29ff). Die deutschsprachigen Hss. verzeichnen
im Titel keinen Genre-/Gattungsbegriff. Zumeist steht hier nur ' (Anselmus) frage' bzw. unspezifisch
buoch/buechel. In den lateinischen Hss. dagegen findet sich eine breite Variation von inhaltlichen oder
formalen Spezifikationen: interrogatio, dyalogus, questiones, tractatus, sermo, colloquium, lamentatio,
planctus Anselmi, visio et reuelacio. In der mittelenglischen Hs. steht dyalog. 12 Rebecca Wache hat in ihrer Masterarbeit (Überlieferungs- und literaturgeschichtliche Untersuchungen zur
Interrogatio Sancti Anselmi de Passione Domini, masch. Bochum 2010) gezeigt, dass auch der
deutschsprachige Textzeuge M1, der zusammen mit einem lat. Exemplar in der gleichen Hs. (Bayerische
Staatsbibliothek Clm 23371) steht und den Vermerk des Schreibers trägt: Daz pch hat gemacht Latein v
Deutze ein brder der hait brder Fridreich (138v,32f), keine Übersetzung des deutschen Textes aus dem
lateinischen darstellt. 13 Vgl. Zeller (1943, Xf). Die nd. Prosa-Hs. Wo1 vermischt beide Texte auffällig stark (vgl. ebd.).
5
Der jeweilige Text wird nicht schlicht abgeschrieben, sondern immer ein Stück weit neu
erzählt und variiert.14
Die Geschichte wird je nach Bedarf oder Vorlieben gekürzt, erweitert,
verändert; die Textexemplare unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Länge erheblich (zwischen
rund 4500 und über 9000 Wortformen). Die Motive für die Veränderung sind vielfältig und
nicht immer leicht zu erkennen. Neben schlichten Regionalismen werden zahlreiche
theologisch motivierte Varianten eingebracht.15
Noch nicht hinreichend erhellt ist die Frage
nach der Rezeption des ‚Textes‘ (Lesetext für das stille Lesen, Tischlektüre im Kirchenjahr,
Grundlage von Predigten16
) sowie der Zusammenhang anderer Marienklagen und der
Passionsliteratur mit der Interrogatio St. Anselmi.17
Die Variation des Textes erinnert an
Muster mündlicher Texttradierung, die hier vielleicht im Hintergrund wirksam gewesen sein
kann. Kein Textzeuge entspricht exakt einem anderen, doch alle verfügen sie über eine
gewisse Familienähnlichkeit im Sinne der Prototypentheorie. Die Merkmale der Ähnlichkeit
werden damit zu Signalen für Handschriften- und Überlieferungszusammenhänge, eventuell
sogar für Abhängigkeiten und Zuordnungen zu bestimmten Ordens- bzw. Klosterkulturen.
Über eine große Ähnlichkeit verfügen die gedruckten und die handschriftlichen
niederdeutschen Versformen, die man – trotz gelegentlicher inhaltlicher Variation – mit
einigen Bedenken durchaus als sehr eng miteinander verwandt ansehen kann, deren einzelne
Exemplare sich allerdings durch eine starke regional bedingte graphische Variation
voneinander unterscheiden. Die übrige Textüberlieferung, insbesondere die
Prosaüberlieferung, funktioniert dagegen auf weiten Strecken modular. Auf der oben
beschriebenen Basis des gemeinsamen ,Plots‘ können verschiedene Elemente – aus anderen
deutschsprachigen oder lateinischen Versionen der Interrogatio St. Anselmi oder anderer
Passionsliteratur – wie Bausteine eingefügt werden, die dann wiederum selbst modifiziert
werden können.
Eine so geartete Überlieferung lässt sich nur schwer mit dem Repertoire bisheriger
mediävistischer Methoden, Kategorien und Begrifflichkeiten wie Fassung, Redaktion,
Bearbeitung, Version fassen. Die Art der Überlieferung legt eine Anwendung von
Begrifflichkeiten der Typologie und der Varietätenforschung nahe. Typologisch handelt es
sich um einen ‚Text‘, der in unterschiedlichen Varietäten18
vorliegt, die wiederum jeweils
eine unterschiedlich ausgeprägte Variationsbreite aufweisen: Einige stehen sich näher und
können zu Überlieferungsbündeln zusammengefasst werden, andere stehen isoliert und zeigen
nur hie und da Anklänge an andere Gruppen, einige scheinen unikal überliefert.
14 Schiewer (2005, 41) bezeichnet solche Wiedererzählungen als sage. 15 Hierzu sind noch detailliertere Ergebnisse durch die inhaltlichen Auswertungen im Forschungsvorhaben zu
erwarten. 16 Zeller (1943, IVf) verweist auf eine nd. Passionspredigt des 15. Jh.s, die die Interrogatio St. Anselmi
verarbeitet. 17 Eine Auflistung der Herkunft und Bedeutung einzelner Motive findet sich in Zeller (1943, XXXVIIff). 18 Der Begriff bezeichnet ein System (hier einen Text), das mehrere/ zahlreiche Abweichungen (Varianten) von
anderen, vergleichbaren Systemen aufweist. In der Linguistik stellen etwa Dialekte je eigene Varietäten des
Deutschen dar.
6
Problematisch erscheint die Abgrenzung: Wie weit darf sich ein Exemplar von den übrigen
entfernen, um nicht mehr als Exemplar der Interrogatio St. Anselmi zu gelten? Ernsthaft in
Frage gestellt wird in diesem Sinne bei der vorliegenden Überlieferung lediglich die
Nürnberger Hs. N1 (Stadtbibliothek Nürnberg Cent. VI, 44), die stark von der übrigen
Überlieferung abweicht. In summa kann man zu dem Schluss kommen, dass es sich um einen
nah verwandten, aber doch um einen anderen Text handelt, einen Hybridtext mit einem
einmaligen Umfang von über 13000 Wortformen aus Passion, Marienklage und einigen
Bausteinen der Interrogatio St. Anselmi. Allerdings folgt der Text dem zentralen definiens der
Interrogatio St. Anselmi, dem Dialog zwischen St. Anselmus und Maria über die Passion
Christi. Die Hs. wird unter (N1) als möglicher Überlieferungsträger, jedenfalls aber als
entfernter Verwandter, mitgeführt.
Die Überlieferung soll im Folgenden – entsprechend dem oben formulierten Ansatz – nicht
(primär) genealogisch, d.h. stemmatisch, sondern typologisch anhand verschiedenr
typenunterscheidender Merkmale betrachtet werden.19
Dies sind 1. die Gestaltung des
Schlusses, 2. die Textlänge (gemessen in Wortformen) und 3. markante Erweiterungen in
deutschsprachigen Handschriften, die die lat. Hss. so nicht aufweisen und die jeweils
mehreren Hss. gemeinsam sind (lexikalische Marker); hierbei beschränkt sich die Analyse auf
die Formulierung des Beginns des Berichts Marias. Eine weitergehende Verfeinerung dieser
Methode der philologischen Abstandsmessung kann in naher Zukunft noch zu (leichten)
Veränderungen bei der Gruppenbildung führen.
*
Zeller (1943)20
unterscheidet zwei Haupttypen aufgrund des unterschiedlichen Schlusses.21
- Typ I endet mit der Zerstörung Jerusalems durch Titus und Vespasian und den
Verkauf von 30 Juden zu je einem Pfennig als Rache für die 30 Pfennige, die Judas für
seinen Verrat erhalten hat (sog. Rache-Schluss wie in B2 oder ähnlich), häufig in
Verbindung mit der Josephus-Legende:
[…] Da
qwamen zwen heren von Rome der eyne hieze
Titus der ander hieze Verperianüs die zu to(=)
reten jherüalem vnd fingen da alo viel jüden
daz man ye dryzig jüden gap vmb eynen phen(=)
nig Alo ie drizig phennige vmb myn kint
hatten gegeben vnd da mydde rachen ie my=
nes kindes doid vnd yne martele etc. (B2 66r,11-18)
19 Dies schließt Aussagen zu vermuteten Stemmabildungen keinesfalls aus. Die stemmatischen Zusammen-
hänge werden – soweit dies möglich ist – an anderer Stelle vorgestellt. 20 Vgl. S. XIXff, bes. XXXII. 21 Der Schluss ist nicht erhalten in den Fragm. au1, b1, b2, b3, f1, hb1, s1, sa1, s1495, s1496/7, sl1.
7
- Bei Typ II fehlt dieses Motiv; die Darstellung endet (mit wenigen Ausnahmen) mit
dem sog. Mitleidmotiv, bei dem alle Umstehenden in das Klagen Marias einstimmen
und Johannes Trost spendet (so wie in N3 oder ähnlich):
Do nam
mich Johes uber mein
danck furt er mich in die
tat do mich nu daz volcke
alo betrebt mit dem plut
ach als mir was gechech vnder
dem crewcz do chrir ie
alle mit lauter gemaner
tie /o/ we vnrecht heut
hiezu Jherualem geche(=)
chen it an der chonten
frawn vnd an irem liben
kind vnd hulffen mir alle
clagen Amen Amen (N3 47r,12-47v,11)
Zu Typ I gehören:
B1, B2, Be1, D4, H1, Hk1, Ka1, M1, M2, M3, M4, M6, N2, N4, SG1, St2, Stu1, T1, W1,
We1 sowie die mnl. Exemplare Am1, Le1 und der Druck B1523.
Zu Typ II gehören:
Ba1, Ba2, D1, D2, D3, SP1, Kh1, M5, M7, M8, M9, M10, Me1, n1, N3, O1, Sa1, St1,
Wo1 und Kölner und nd. Drucke.22
Zur Verteilung der beiden Schluss-Typen s. Karte 2 im Anhang.
Die Unterscheidung nach dem Schluss ist jedoch mit nur zwei Typen viel zu ungenau, um die
Textvielfalt zu erfassen. Grubert23
geht einen Schritt weiter und unterscheidet (mit einem
noch unkritischen Fassungsbegriff)24
verschiedene Fassungen: Neben den Versfassungen
zwei Prosafassungen eine sog. Prosa-Langfassung und eine sog. Prosa-Kurzfassung,
dazwischen eine Fassung mittlerer Länge (Prosa-Mischfassung), die sich nicht nur durch ihre
Länge, sondern auch inhaltlich stark unterscheiden. Auch diese Gruppenbildung ist noch viel
zu ungenau, da die Umfänge auch bei gleichen Fassungen stark variieren. Keine zwei
Textzeugen sind bezüglich der Anzahl der Wortformen exakt gleich lang. Die Länge der
einzelnen Exemplare25
differiert zwischen knapp 4500 und über 9000 Wortformen. Es lassen
22 Auch die lat. Hss. zeigen etwa jeweils zur Hälfte den einen bzw. den anderen Schluss. 23 Vgl. Anm. 1. 24 Zur Diskussion des Begriffs im Anschluss an Bumke (1996) vgl. Schiewer (2005). 25 Gezählt werden alle vollständig bzw. nahezu vollständig erhaltenen Textzeugen.
8
sich jedoch einige Gruppen hinsichtlich der Länge mit zumindest ähnlich langen Textzeugen
finden, die den von Grubert festgestellten ‚Fassungen‘ recht nahe kommen.
Über ~ 4500 WF verfügen:
M5, M6, M7, M9, M10, B1, Me1, N3; dies entspricht mehr oder weniger genau der 'Prosa-
Kurzfassung' sowie die mnd. Prosa-Hs. Wo1, die Grubert als 'Prosa-Kurzfassung' mit Zusatz
der Marienklage wertet (PKF/M).
Über ~ 6000 WF verfügen:
b3, Ba1, Ba2, D4 und M4; dies entspricht der von Grubert angesetzten Mischform.
Über ~ 7000 WF verfügen:
die Vers-Hss. D1, D2, Kh1, O1, SP1 sowie die Drucke, die allerdings eine Streuung
zwischen ~ 6400 und ~ 7500 zeigen;
die Prosa-Hss. N2, Sb1, St1, We1.
Zwischen ~ 8000 und ~ 9000 WF verfügen:
B2, Be1, H1, Hk1, Ka1, M1, M2, M3, M8, N4, n1, W1, Sa1, sa1, SG1, St2, Stu1; dies
entspricht mehr oder weniger der 'Prosa-Langfassung'.
D3 ist mit knapp 6000 WF ist solitär.
Vgl. dazu die Karte 3 im Anhang.
Grubert hat die stemmatischen Abhängigkeiten der verschiedenen ‚Fassungen‘ der
volkssprachlichen Überlieferung von den verschiedenen Formen der lateinischen
Überlieferung gut herausgearbeitet.
9
Für die Unterscheidung der deutschsprachigen Überlieferung bedarf es jedoch eines noch
feineren Instrumentariums. Mit Hilfe sog. lexikalischer Marker soll versucht werden, einen
ersten Zugriff auf die verschiedenen Varietäten und deren Bündelungen zu Untergruppen zu
erhalten. Allen Textzeugen ist gemein, dass der eigentliche Beginn des Berichts Marias zur
Passion Christi mit dem Abendmahl eröffnet wird, und zwar mit wenigen Worten, die eine
starke Variation aufweisen, aber doch zugleich deutliche Gruppenbindungen zeigen.
In den meisten lateinischen Hss. beginnt der Bericht der Passion mit den Worten Marias:
Qando filius meus a cena ((iam) (facta)) cum diciplis uis urrexit […]. Dieser (Teil-)Satz
wird (mit wenigen Ausnahmen) nur geringfügig variiert:
(Respondit maria).
Qando dilectus filius meus a cena (facta) cum diciplis uis urrexit […]
Qando filius meus a cena facta urrexit cum diciplis uis […]
Qando filius meus urrexit a cena facta cum diciplis uis […]
Qando filius meus urrexit a cena cum diciplis uis (iam) (facta) […]
Der (Teil-)Satz in den deutschsprachigen Hss. ist in einigen wenigen Fällen sehr nahe an der
lat. Version, so in B1, Sb1, B2, Wo1, D4 und sl1.
B1 do myn ly=|bes kynt das obent brot | hatte geen myt ynen | iungeren vf getanden | was
noch dem een (2v,08-12)26
Sb1 do mein kindt mit einen Iungern | das abent e vol pracht het vnd do i von dem | tich af
tnd. (97v,19-21)
B2 Da myn kint hatte gezen | mit ynen jungern daz jungte maze daz da | heizet daz abend
ezen vnd da ie von dem | die vff tünden (48v,08-11)
Wo1 Do m leue one de auent pie gheten hadde | mit inen iungher (72r,13-14)
D4 Do mein lieber n genomen | het das nach mal / Vnnd | aüff tund mit einen Jungern
(110v,11-13)
sl1 Do mein kind mi[t] [sein]en iungeren von dem abentessen auf=|s<...>27 (01,11-12)
Von den genannten zeigen B1, Sb1 und Wo1 den ‚Mitleid‘-Schluss und B2 und D4 den
Rache-Schluss (in sl1 fehlt der Schluss). Diese Varietäten scheinen jeweils einer lat. Version
nahe zu stehen.
26 Die Zeilenschreibung wurde zur besseren Vergleichbarkeit mit dem lat. Text aufgelöst und das jeweilige
Ende durch eine senkrechten Strich markiert. 27 Zählung nach Ottenthal (1890).
10
Während diese Handschriften mithilfe dieser Sequenz kaum mit anderen Textzeugen/
Gruppen in Beziehung gesetzt werden können, um sie damit bestimmten
Überlieferungszusammenhängen zuzuordnen, ist dies bei Hss., die vom lat. Text durch
vergleichbare Erweiterungen abweichen, weitaus einfacher. Es lassen sich jeweils
verschiedene Varietäten zu Bündeln zusammenführen.
- Varietätenbündel Mnd. V (= mittelniederdeutsche Versüberlieferung)
Alle Exemplare haben in dem eröffnenden Satz einen nahezu gleichen Wortlaut und zeigen
die gleichen Reimwörter sat : at (u.ä.). Die Lübecker und Kölner Drucke zeigen einen eng
verwandten Wortlaut; es ist anzunehmen, dass die Kölner und die Lübecker Drucke auf einer
(oder mehreren?) nd. Vers-Hs(s). beruhen. Die Einheitlichkeit wird durch die Abweichung
vom lateinischen Text mit einem temporalen Adverbials guden donnerstag unterstrichen, die
fast alle nd. Exemplare aufweisen (Kh1 und HA1521 haben nur donerstag).28
Alle weisen
zudem das Adv. lefliken29
auf.
Kölner Drucke (mit leichter graphischer Varianz der Nachdrucke gegenüber dem Druck von
1492):
KÄ1492 Idt gechach vp eynen gueden donredage
Dat he by ynen dicipelen as
Ind liefflichen mit yn as
He gaff yn yn vleich vnd ouch yn bloit
Durch yrre alre goit
He dede me durch yne guede
He woie yn allen yr voee
(AIIIr,14-20)
Lübecker Drucke (mit stärkerer graphischer Varianz des Nachdrucks 1521 gegenüber dem
Druck von 1495):
StA1495 Dat chach an eynem guden donredaghe
Do he myt ynen iungheren at.
Lefliken dat he dar myt en at
He gaff en yn vlech vnde yn blodt
Dat he odder vor e godt.
He dede noch mher dorch yne ghute
He woch en alle ere vte
(AIIIv,06-12)
28 Neben guter Donnerstag sind für der ‚Gründonnerstag‘ allgemein Bezeichnungen wie Antlastag (vgl. dazu
weiter unten), grüner Donnerstag, hoher Donnerstag und Mendeltag, Mandeldonnerstag üblich. Mendeltag,
aus ahd. mend, mhd. mende ‚Freude‘ oder diminuierend zu mandat; vgl. engl. mounty-thursday; dazu
Schäfer 1956, bes. 107ff). Zu Gründonnerstag s. auch Wanzeck (2003, bes. 168f). 29 Vgl. Schiller/ Lübben (1876), s.v. lêfliken.
11
HA1521 yd chach an ei=
ne dornedage.
Do he myt inen
yngeren ath
Leefliken dat he dar mit en ath
He ghaff ene in flech vnd in bloet
Dat he odder vor vnz goet
He dede noch meer dorch ine gte
He woech ene alle ere vte
(AIIIr,20-AIIIv,04)
Bei den Drucken ist der stemmatische Zusammenhang der einzelnen Exemplare etwas
deutlicher als bei den Hss. erkennbar: Der Druck 1492 bei Johann Koelhoff d. Ä. ist der
älteste, der von seinem Nachfolger Johann Koelhoff d. J. 1499 mit leichter Überarbeitung
nachgedruckt wird. Die Drucke von Heinrich von Neuss, der einen Teil der Koelhoffschen
Offizin übernimmt, basieren auf den Drucken Koelhoffs und stellen lediglich spätere
Nachdrucke dar, wobei der letzte stärker abweicht. Die Lübecker Drucke folgen den Kölnern
wohl, unterscheiden sich von diesen jedoch hinsichtlich der graphischen Präsentation, einigen
Lexemen und sonstigen inhaltlichen Abweichungen. Möglicherweise liegen hier weitere Hss.
als Quelle zugrunde.
Bei den Handschriften wird die gegenseitige Abhängigkeit zwar ebenfalls deutlich, ist jedoch
schwer stemmatisch nachzuzeichnen.
D1 Id chude an deme guden duerdage
dar he mit in t
lifliken mit em At
(3r,19-21)
D2 dit chach an deme guden dunerdaghe
dar he mit ynen at
lipliken met em at
(69r,13-15)
O1 dat chude an dem guden donerdaghe
dat he mit inen jgheren aat
Lepliken dat he mit on aat
(2r,16-18)
Kh1 id chach an deme dnersdage
Dat he mit inen jungeren at
lefliken he mit en at
(233r,26-233v,01)
12
SP Id chude an deme gud donner dage
Dat he mid ynen igheren $ad
Lefliken dat he mid ene ad
(143r,14-16)
f1 Dath cach an den guden donredaghe
Dath he meth ynen iüngheren ath
De leffliken meth em ath
(2,15-17)
Zeitlich werden D1, D2 und O1 noch in das 14. Jh. datiert, SP1, f1 und Kh1 in das 15. Jh.
- Varietätenbündel Mnl (= mittelniederländische Prosaüberlieferung)
Die drei vollständig erhaltenen mnl. Textzeugen30
bilden wohl eine eigene Redaktion. Sie
verfügen über einen nahezu gleichen Wortlaut und wiederholen den Begriff für ‚Abendmahl‘
in der Fußwaschungsszene noch einmal, im Druck B1523 mit der Unterscheidung von auont
maeltijt (AIIv,01) und auont mael (AIIv,13f). Alle Textzeugen mit erhaltenem Schluss zeigen
den Rache-Schluss. Grubert vermutet, dass diese Überlieferung auf eine lat. 'Prosa-
Langfassung' zurückgeht.
Am1 Doe miin alre
liefte kint vp tont met
inen iongheren e dat
auontmael was gheda
doe […]
(296va,28-32)
Le1 Doe mijn alre
liefte kint optont mit inen i=
gheren e t|auont mael ghedaen
was Doe […]
(58v,05-08)
30 Bei dem Versfragment (ma1) fehlt der Beginn. Das Fragment bildet eine eigene Varietät, die auch nicht von
den nd. Hss. abhängig ist (vgl. dazu de Haan (1968)). Grubert vermutet, dass die Hs. auf eine lat. Prosa-
Kurzfassung zurückgeht.
13
B1523 do mijn alder lyefte
kijnt op tont e den auont maeltijt was
gedaen. doen […]
(AIIr,21-AIIv,02)
- Varietäten md. R (= mitteldeutsch, gereimt D3 und b1)
Bei D3 handelt es sich um eine nicht in Versform, sondern fortlaufend geschriebene, hd.
(ostmitteldeutsche) Vers-Hs. Diese zeigt einen weit geringeren Umfang als die mnd. Hss. (~
6000 Wortformen, aufgelöst = 977 Verse). Eine von Cepkova vermutete wmd.
(niederrheinische) Vorlage von D3 ist nicht überliefert.31
D3 do
m kint mit der gemeyne Sy(=)
nir igir gemeyne das abint
ein as Czu hant Judas das
nicht vorgas […]
(104v,07-11)
b1 ist als Fragm. überliefert, in dem die Beschreibung der Abendmahlstelle als Verlust fehlt.
Auch b1 unterscheidet sich erheblich von der mnd. und der gedruckten Fassung und steht in
keinem erkennbaren Zusammenhang mit D3.
Bei den oberdeutschen Prosa-Hss. ist die Gruppenbildung schwieriger, aber durchaus
möglich. Die meisten zeigen mehr oder weniger enge verwandtschaftliche Beziehungen
(Familienähnlichkeit). Alle Hss. verfügen in der Abendmahlstelle eine Erweiterung durch
temporale Adverbiale. Dabei lassen sich zwei Großgruppen unterscheiden. Eine Gruppe nennt
das Datum an dem antlaz tag, das dem (guden) donerstag der mnd. Textzeugen entspricht,
ansonsten aber keine Verwandtschaft begründet. Die andere Gruppe nennt den Zeitpunkt
direkt vor der eigentlichen Passion: vor siner marter.
- Varietätenbündel A (temporale adverbiale Erweiterung an dem antlaz tag)
Das Varietätenbündel A zeichnet sich durch einen sprachlich einheitlichen Beginn der
Ausführungen Marias aus:
31 Vgl. dazu die Edition von Cepkova (1982) und weiter unten.
14
Do (Konj. = linke Klammer) mein kind (Subjekt) + Temporaladverbial an dem antlaz tag.32
Es
folgt eine geringe Variation, wobei alle Hss. das Abendmahl mit das letzte ezzen bezeichnen,
lediglich in M7 findet sich abent ezzen. Es folgt eine Variation der Informationsstruktur durch
die Abfolge der PP (Modaladverbial) mit seinen Jüngern und dem Verb(komplex): Die
Abfolge Modaladverbial + Verb(komplex) zeigen Ba1, Ba2, M10, N2, Me1, N3, b3; die
Abfolge Verb + Modaladverbial zeigen M5, M9; in M7 fehlt dieses Modaladverbial. Der
Verbteil besteht entweder aus einem finiten Verb: het (M5, M9), tet (N3, M10) oder aus
einem Komplex aus Part.Prät. geezzen + het (Ba1, Ba2, b3, Me1, N2).33
Alle Hss. außer N2 ergänzen den Folgesatz und von dem tisch gieng. N2 hat erkennbar
mehrere Vorlagen: Neben dem antlaz-Typ gibt es mindestens eine weitere Quelle, da die Hs.
als einzige des Varietätenbündels den Rache-Schluss zeigt, während alle anderen den Mitleid-
Schluss aufweisen.
An späterer Stelle benutzen Ba1, Ba2, Me1, b3, N3, M5 und M9 den Begriff mandat34
für die
Zeremonie der Fußwaschung. In b3 ist die Stelle verderbt; es ist nur noch das m zu erkennen,
der Kontext legt aber mandat nahe. Die Hss. mit der Erweiterung an dem antlaz tag und dem
Begriff mandat scheinen als Gruppe (auch räumlich) besonders eng zusammen zu gehören. In
M10 und M7 fehlt die Fußwaschung.
Anhand des Merkmals mandat, des Umfangs, des Schlusses und der Topologie35
lässt sich
eine Kerngruppe ausmachen von M5, M9, M10, N3 und Me1, wobei sich N3 und Me1 von
den drei anderen Überlieferungsträgern hinsichtlich der Topologie unterscheiden. Entfernter
stehen M7 (ohne mandat), N2 (mit Rache-Schluss) sowie Ba1, Ba2 und b3, die jeweils einen
größeren Umfang aufweisen.
M5 Do me
chint an dem antliz tag das letz een het
mit einen jungeren vnd von dem tich
gien do […] (1r,21-24)
32 Kirchenrechtlich gilt der Tag vor Karfreitag (Gründonnerstag) als Ablasstag, Tag des Schulderlasses, vgl.
ahd. antlzen (‚erlassen‘). 33 B3 zeigt eine interessante Verschreibung: Hinter das leczt een will der Schreiber/die Schreiberin das Verb
setzen und beginnt mit g und einem unleserlichen halben Buchstaben (hier hätte geen stehen können), lässt
dies stehen und fährt fort mit ein Jungern. 34 Mandat erscheint als Neutr. das mandat (lat. mandatum; mhd. mandt) in Ba1 und (b3), als Fem. die mandat
~ mantat (lat. mandata; mhd. mandte) in Ba2, N3, M5 und M9 für die Fußwaschung am Gründonnerstag
(vgl. auch Lexer, Mhd. Wb, s.v. mandâte. Dazu ausführlich Schäfer (1956). 35
Die Bedeutung der Satztopologie zur Bestimmung der Verwandtschaft der einzelnen Hss. ist unklar. Da die
Satz(glied)topologie einer diachronen Entwicklung unterliegt, könnte eine jeweils ältere bzw. modernere
(d.h., der nhd. näher stehende) Abfolge Hilfe bei der Datierung und damit zur Bestimmung potentieller
Abhängigkeiten bieten. Der gewählte Textausschnitt ist hierfür zu klein. Erst eine auf der Basis kompletter
Hss./Drucke statistisch ermittelte Verteilung von Varianten könnte hier zu gesicherten Ergebnissen führen.
15
M9 Do mein chind an dem ant=
loz tag daz leczt ezzen het
mit ein iungern vnd von
dem tich gie Do […]
(254v,12-15)
N3 do mein kind an d
Antlaz tag das leczt e
mit einen jungern thet
vnd von dem tich gieng
do […]
(18r,04-08)
M10 do mein kint an
dem antlaz tag daz leczt
ezzen mit ein Jungern
tet vnd v d tich gie
Do […]
(60r,06-10)
Me1 do
mein chind an dem Antlas tag daz let e=
en mit einen jüngern geeen het vnd v
dem tich gie do […]
(347,19-347,22)
N2 da meint (!) kint an dem antlaz tag
das leczt een mit enen iungern geen
het / do […]
(195r,22-24)
Ba1 do mein kind an dem ant=
lastag das letzt een mit
einen iungern geen ht
vnd von dem tich gieng
Do […]
(14v,03-07)
Ba2 do mein kind an dem antlaz tag
das leczt een mit einen iunger<n>
ge een het vnd vom dem tich
ging Da […]
(92v,03-06)
16
b3 do mein kint an dem antlatag
das leczt een ge mit ein Jungern geen het
vnd von dem tich ging do […]
(119r,20-22)
M7 Do mein kind
an dem antloz tag das abent
een geeen het vnd von d
tich gieng Do […]
(01v,08-11)
Diese Gruppe zeigt noch eine weitere Gemeinsamkeit: St. Anselm wird in allen Hss. dieser
Gruppe (und darüber hinaus in W1, D3 und We1)36
im Implicit als hoher lerer
(Kirchenlehrer), in W1 nur lerer, bezeichnet – im Gegensatz zu den anderen Hss. und
Drucken, in denen er mit dem Amtstitel ‚Bischoff‘ bzw. als ‚heiliger Mann‘ bezeichnet wird
oder Sanct Anselm(us) genannt wird (vgl. Karte 5 im Anhang).37
- Varietätenbündel M (temporale adverbiale Erweiterung vor iner marter)
Die Varietät M ist weit weniger deutlich ausgeprägt, zeigt jedoch ebenfalls auffällige
Gemeinsamkeiten. Alle Hss. dieser Gruppe flechten das Temporaladverbial vor iner marter
ein. Alle Hss. (außer Sa1und M4) beginnen mit dem gleichen Wortlaut: do min kint hat38
gezzen […] (Konj. = linke Klammer + Subjekt = Mittelfeld + Vfin + Vinfin = rechte
Klammer). Sa1 und M4 ziehen das Modaladverbial in das Mittelfeld. Der nachfolgende (Teil-
)Satz ist bei allen (mit leichter Variation) gleich: vnd (do) y von dem tich auf tunden
(tund, tundent).
Variation besteht hinsichtlich der Bezeichnung des gemeinsamen Essens (jüngest maz Be1,
Ka1, sa1, Stu1, St2), jüngest mal (Hk1, M1, M2, N4, T1), iüngte een (M3, M4), let mal
36 Vgl. dazu unten. 37 Vgl. dazu auch Zeller (1943, XXXVIIff). Die Oxforder Hs. (Merton College, Ms. 13, 191ra-194vb) weist
eine komplexe Bezeichnung auf: Sanctus Anselmus Cantuariensis Archiepiscopus Doctor theologie eximius. 38 hatt ~ hatte ~ het ~ hette ~ hiet.
17
(W1) sowie in der Stellung der Satzglieder im Nachfeld: 1. PP1 = Modaladverbial mit einen
jüngern; 2. PP2 = Temporaladverbial vor iner marter und 3. Akk.Obj. = die jeweilige
Bezeichnung für das ‚Abendmahl‘. Die Abfolge 3,1,2 zeigen lediglich Be1 und Ka1. Die
Abfolge 1,2,3 haben N4, s1496/7, Hk1, M1, M2, W1, Stu1, St2, T1, We1 und M4. Eine
Abweichung zeigt die Hs. We1, die den gleichen Wortlaut wie die übrigen hat, aber das
gemeinsame Essen durch das, was gegessen wird, das oterlamp, ersetzt. Im Falle von M3
und St1 ist unklar, ob es sich um eine Verschreibung von maz oder um einen Relativsatz
handelt. Beide Hss. ähneln sich hier, obgleich sie räumlich weit auseinander liegen.
Die Abfolge 1,3,2 hat Sa1. Die Abfolge 3,2 ohne 1 zeigt sa1.
Be1 Do min kint hatt
geen das jung maz mit
inen jungren vor iner
marter vnd do von dem
tich tůndent do […]
(20a,24-28)
Ka1 […] Do min
kint hatte gezen daz ivngete
maz mit inen ivngern vor iner
marter. v do vo dem tihe
vf tvnden. Do […]
(138v,03-07)
N4 do min kint het geen mit inen Jungern
vor iner marter daz iungt mal v i von dem
tich vff tnd do […]
(56r,23-56v,01)
18
s1496/7 Do mein
kind hat geeen mit ein iungern
vor einer marter das iüngt ma(=)
le vnd do y von d tich auff ton(=)
den do […]
(AIIv,09-13)
Hk1 da mein kind het geen mit
einen iunger vor einer
marter des iungten mal
vnd da y von dem tich auf(=)
tund da […]
(118v,15-19)
M1 Do mein chind
hiet geezzen. mit einen Jungern. Vor einer marter.
daz iungit mal. v daz i v dem tiche ouf tunden.
Do […]
(126v,22-25)
M2 Do
mein chind het geen mit einen jgern
vor einer marter daz jungte mal vnd
da i von dem tiche auff tünden
Do […]
(199v,08-12)
T1 Do mein chint het geezzen
mit einen igern. vor einer
marter daz iungit mal vnd
daz i von dem tiche auff tuen-
den. do […]
(122r, 11-15)
W1 da mein libs chind het geeenn
mit einen Jungern vor einer marter daz
let mal und da y von tich auf tunden
da […]
(154v,22-155r,03)
Stu1 do min kint het geen
mit inen iungern vor iner marter daz
Jungt ma daz er nam vnd do i von
dem tich vff tnden do […]
(96va,25-28)
19
St2 da min kint hette gesen mit inen
ivngern vor iner martel daz ivngeste maz
vnn da i von dem tiche vftundent da […]
(37r,19-21)
We1 Do
mein kint het gegeßen mit ein=
en yungern vor einer martter
das oterlamp vnd do y von dem
tich auf tunden do […]
(01v,11-15)
St1 Do m kynt hatte gezen myt yn jungeren
vor yner marter das Jungete was Vnd y v dem dyche vff
tunden Do […]
(32r,27-29)
M3 Do mein chind het
geeen mit einen Jungern das
vor der marter das Jwngit was
vnd do y von dem tiche tnd
do […]
(89v,11-15)
M4 Do me
kint mit ein iunger het ge een vor
einer marter das iüngt een vnd do
ie von dem tiche auf tunden do […]
(2v,03-06)
Sa1 do min kind m<...>
iungren a da iungt m<...>
vor iner marter vnd <do i>
von tichi vf tnden <...>
(2r,01-04)
sa1 do min kind hatt geen das
iüngt maz vor iner marter. Vnd
y von dem tisch vff tndent. Do[…]
(1v,14-16)
Der überwiegende Teil der Hss. zeigt das Rache-Motiv; lediglich Sa1 und St1 haben das
Mitleid-Motiv. Der Umfang der Hss. bewegt sich zwischen 8000 und 9000 Wortformen.
20
- Varietäten J (lieber Sohn Jesus (Christus))
Nicht eindeutig ist der Zusammenhang von M8, H1, und SG1. Diese Hss. zeigen keine
räumliche Nähe, sondern verteilen sich über den hd. Sprachraum. Auffällig ist lediglich die
Gemeinsamkeit der von der übrigen Überlieferung abweichenden Phrasen mein lieber on
(Jesus (Christus)) und der Variante nacht mal (die H1 und SG1 nur noch mit D4 gemein
haben). H1 und SG1 wiederholen den Begriff für das Abendmahl (nacht mal) in der
Fußwaschungsszene, was ansonsten außerhalb der Gruppe nur noch in D4, B1 und in den ndl.
Textzeugen belegt ist. H1 und SG1 haben zudem als einzige den Hinweis auf den heiligen
grün donerstag gemeinsam, der ansonsten typisch für die mnd. Überlieferung ist. Die Hss.
dieses Varietätenbündels zeigen in der Abendmahlszene einen ‚modernen‘ voll ausgebauten
Satzrahmen.
H1 Do mein lieber Son Jheuz
Daz nachtmal mit ienen iün(=)
gern am heiligen grün dorn
tage geen hatte v ie von
dem tiche vf waren getan(=)
den Do […]
(2r,02-07)
21
SG1 do m lieber
ün Iheus dz nacht mal mitt in
iungeren am hailgen grnen
dontag geen hett vnd y von
dem tich vff warend getanden
do […]
(408,03-08)
- Varietät M8 (liebe Jünger)
Die auf 1494 datierte Prachthandschrift M8, geschrieben für Herzog Sigmund von Bayern,
weist einige Besonderheiten auf, die sie als Hybridhandschrift ausweisen. Der Beginn lautet
zwar wie bei den Varietäten J, weist aber abweichend abent een auf. Die Hs. zieht zudem
die Beschreibung des gemeinsamen Essens und der Fußwaschung – wie die nd. Hss. –
zusammen und steht so deutlich abseits der übrigen hd. Überlieferung. Während H1 und SG1
das Rache-Motiv teilen, zeigt M8 das Mitleid-Motiv. Außerdem erweitert M8 das modale
Adverbial mit einen jüngern um das Adjektiv lib.
M8 do mein liber on
jhesus Christus das abent e=
en mit einen lib ig=
ern geen het vnd yn yr
fz gewach. do […]
(07v,09-08r,02)
- Varietät M6 (er)
M6 ergänzt als einzige Hs. die temporale Konj. da im Vorfeld durch An der zeit und spricht
über Jesus als er (auf die Frage Anselmus‘: wie was dem anfang der marter deins liben kinds).
M6 An der zeit da
er het geen mit ei
jungern da […]
(215v,07-09)
Zur Verteilung der lexikalischen Marker auf die Textexemplare s. Karte 4 im Anhang.
22
- Der verwandte Text (N1)
N1 hat einen Sonderstatus innerhalb der Überlieferung inne. Dieser Text verbindet ein
Passionstraktat, das bereits am Palmsonntag mit der Interrogatio St. Anselmi beginnt.
Dadurch hat die Hs. nicht nur einen erheblich größeren Umfang als die übrigen, sondern
verfügt auch über die meisten inhaltlichen Besonderheiten. Der Text erwähnt in der
Abendmahlstelle als einziger den Ort des Abendmahls (muz huz) und kombiniert letzt und
abent ezzen. Auch der sprachliche Befund ist nicht eindeutig: Neben nordbair.-nürnbergischen
Elementen finden sich md.-thüringische wie her (‚er‘) und häufigeres Nebensilben-i.39
N1 min kint ging mit ein igern in daz muz h=
uz daz her in hatte gewizit v do az her ein lecztiz obt
ezen wen her az dez elbigin molez vleich daz her vor
ny mer geen hatte (167v,02-05)
Führt man dies alles zusammen, ergeben sich folgende Familienähnlichkeiten:
Sehr eng beieinander stehen alle mnd. Versexemplare; sie lassen sich jedoch weiter mehreren
Unterformen zuordnen. Bei den übrigen Textzeugen gibt es jeweils engere und weitere
Familienähnlichkeiten. Bei dem Varietätenbündel A ergibt sich ein engerer Kern mit N3,
M10, M5, M9, Me1; mit etwas Abstand folgen Ba1, Ba2, M7, N2, b3.
Das Varietätenbündel M bildet einen engen Kern mit M1, M2, M3, N4, Hk1, s1496/97, Stu1,
St2, T1, Be1, Ka1, W1 und wohl sa1; mit etwas Abstand folgen We1, M4, Sa1, St1, n1 und
mit größerem Abstand Hs. B2, die nicht in diese engere Gruppe gehört. Die Varietät J wird
gebildet von H1 und SG1. Solitär sind (vorerst) die mnd. Prosaversion Wo1 und die md.
Versversion D3. Textzeugen, deren Zusammenhang mit anderen noch genauer zu prüfen sein
wird, sind B1, B2, M6, M8, sl1, Sb1, D4. Auch die mnd. Prosafragmente b2 und s1 sowie das
nd. Versfragment f1 lässt sich noch nicht genau zuordnen.
Das gewählte Verfahren zur Bestimmung von Familienähnlichkeiten muss nun noch durch
weitere inhaltliche Elemente ergänzt und Zuordnungen gegebenenfalls korrigiert werden.
Dass das gewählte Verfahren erfolgreich arbeitet, zeigt sich u.a. in der Tatsache, dass Zeller
(1943) auf der Basis von 22 Hss. aufgrund genauer und detaillierter inhaltlicher Analysen
‚Fassungen‘ herausarbeitet, die die oben angeführte Gruppenbildung weitgehend bestätigen. 40
39 Interessant ist in diesem Zusammenhang der Hinweis von Schneider (1965, 139), dass die vermögende
Nürnberger Witwe Katharina Niklasin (Schreiberin) bei ihrem Eintritt in das Nürnberger Katharinenkloster
die Hs. als privaten Besitz mitgebracht hat. 40 vgl. bes. Zeller (1943, XXXIVff, LXVIII).
23
24
II Die editorische Herausforderung der Überlieferung
Ein solches Überlieferungskonvolut zu edieren stellt eine weitere Herausforderung dar. Bisher
sind sieben vollständig erhaltene Exemplare und einige Fragmente des Textes ediert.41
Da die
Editionen veraltet und schwer zugänglich sind, liegt es nahe, eine moderne kritische und
kommentierte Edition herauszugeben. Dies soll in absehbarer Zeit in Form einer Print-Edition
realisiert werden. Eine digitale Präsentation im Internet bietet gegenüber einer Buchedition
eines Textexemplars oder auch mehrerer Textexemplare vielfältigere Möglichkeiten. Das o.g.
Bochumer Editions- und Erschließungs-Projekt42
wird alle deutschsprachigen und die vier
bekannten mnl. Exemplare vorerst in verschiedenen ‚Aggregats‘-Zuständen im Internet
präsentieren: Es wird jeweils eine handschriftennahe Transkription und ein edierter Lesetext
eingestellt. Die Digitalisate werden mithilfe von Metatexten (sog. Headern) erschlossen und
mit den Scans ihrer Originale verlinkt, sofern diese bereits online zugänglich sind und die
Bibliotheken/Archive die Erlaubnis erteilen. Es wird die Möglichkeit eröffnet, mehrere
Textzeugen parallel nebeneinander anzusteuern.
Zur maschinellen Weiterverarbeitung wird zunächst ein kodierter Transkriptionstext
hergestellt. Dieser enthält u.a. Kodierungen von Elementen der Makrostruktur wie
Überschriften, Rubrizierungen, Unterstreichungen, Marginalien etc. sowie Kommentierungen
zu Besonderheiten der Hs. wie Streichungen, Ergänzungen, etc.
M1_126v,04 +Ü Daz i$t An$helmus Deutze @Ü M1_126v,05 *(S*3)and An$helm der pat vn$er vrowe\- vo\- himelreich lan= M1_126v,06 ge zeit. mit grozzer gier. mit va$ten vn\- mit wachen M1_126v,07 Vnd mit andechtigem gepet. Vn\- mit h'tzenleichen M1_126v,08 trechten. Daz $i im chund#te\^t. ir%es aingepornes chindes mar= M1_126v,09 ter. Wie ez vo\- dem anegenge ergienge. Vntz an daz ende. M1_126v,10 Vn\- do er des lange het gepeten. do wart er gew't. Do M1_126v,11 er$chain im vn$er vrowe ze|einem mal. vn\- $prach. zv\e M1_126v,12 im An$helme. Mein liewes chind. hat als manichvaltige M1_126v,13 vn\- als grozze marter erliten. Daz ez niement vollechliche\- M1_126v,14 ge$agen chan Die ougen mu\ezzen mit $einen zechern M1_126v,15 des h'tzen pitt'chait erwainen. Ich pin auer $o gro\ezleich M1_126v,16 gehochet. mit meinem chind. Vber allez himeli$ches M1_126v,17 her. Vn\- vber die creatur. die got i\^e pe$chu\ef. So en= M1_126v,18 mag ich noch en|$chol nicht mer wainen. Vn\- dar#nach M1_126v,19 allz du mich frage$t. da#nach $ag ich di\er wie ez ergie. M1_126v,20 *(S*2)and An$helm +K An$helm: < {An$halm} @K waz vo\- h'tzen vro. Vn\
$p%%ach $ag mi\er lie= M1_126v,21 weu vrow. wie waz d' aneuanch der marter deines M1_126v,22 liewen chindes […]
41 Schade (1854) = N1514; Lübben (1869b) = O1; Ottenthal (1890) = sl1; Walther (1890) = HA1521; Zeller
(1943) = Wo1 und Ka1; Cepkova (1969) = T1 und D3; Cepkova (1982) = D3. Zu O1 gibt es eine
normalisierende Abschrift von 1817 (Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Halle Cod. Stolb.-
Wernig. Zb 3m.); diese ist lediglich aus fachgeschichtlicher Sicht von einigem Interesse. Zu den mnl.
Handschriften De Haan (1968) = ma1. Textproben von W1 in Traunbauer (1955). 42 Vgl. Anm. 1.
25
Aus dieser Version wird u.a. automatisch eine handschriftennahe Transkription erzeugt.43
Textprobe: handschriftennahe Transkription
M1_126v,04 Daz iſt Anſhelmus Deutze
M1_126v,05 an An elm e at nſe himel ei h lan=
M1_126v,06 e zeit mit zze ie mit a en mit a hen
M1_126v,07 n mit an e hti em e et mit h
tzenlei hen
M1_126v,08 t e hten Daz ſi im hun t t i s ain e nes hin es ma =
M1_126v,09 te ie ez em ane en e e ien e. Vntz an daz ende.
M1_126v,10 e es lan e het e eten a t e e t. Do
M1_126v,11 e ſ hain im nſe e ze einem mal a h z
M1_126v,12 im Anſhelme Mein lie es hin hat als mani h alti e
M1_126v,13 als zze ma te e liten Daz ez niement lle hli h
M1_126v,14 eſa en han Die u en mu zzen mit ſeinen ze he n
M1_126v,15 es h
tzen itt hait e ainen h in aue ſ zlei h
M1_126v,16 gehochet. mit meinem chind. Vber allez himeliſ hes
M1_126v,17 her. e ie eatu ie t e eſ hu . So en=
M1_126v,18 ma i h n h en ſ h l ni ht me ainen a nach
M1_126v,19 allz u mi h a eſt. da na h ſa i h ie ez e ie.
M1_126v,20 an An elm az h
tzen
a
h ſa m lie=
M1_126v,21 eu ie az
aneuan h e ma te eines
M1_126v,22 liewen chindes
Es bleibt ein Desiderat, auch wenigstens einen Teil der lat. Textzeugen zu edieren. Im o.g.
Portal44
wird exemplarisch eine lat. Hs. (Clm 23371, 120v,30-126v) in kodierter Form und
einer Lesefassung mit aufgelösten Kürzel- und Abbrechungszeichen präsentiert.45
Textprobe Latein (kodierte Transkription)
Clm23371 +Ü *h*oc e$t an$elmus%. @Ü
*(S*5)anctus *a*n$helmus cu\- lac%%imis &7 or\-onib%9 ac ieiuniis
rogabat bt%-am v%%igi\-em Mariam ut ei reuelaret
qual\/r pa$$us e$t fili%9 ei%9. Tand\/e bt%-a v%%igo ap_p\_uit
$ibi &7 dixit. Tanta &7 talia pa$$us e\- fili%9 m\-s di=
lectus qd\/ nll\/s $ine lac%%ima&4 effu$ione exp%%im'e pt%-. Tame\-
q%ia gl\/ificata $um. ampli%9 flere no\- po$$u\-. tn\- pa$$ione\- vnici
mei p\_ordine\- tibi ex#planabo. Bt%-s g%i *a*n$helm%9 p\_|$ingula
que$iuit. &7 bt%-a v%%igo ad $ingl\/a rn\-dit. Que$iuit g%o $ic. Dic dn\-a +K arR:
von anderer Hand{dn\-e ih\-u xp\-e} @K
mea kari$$ima qual\/r fuit pa$$io filii tui inchoata. Rn\-dit *m*%a.
(120v,30-121r,02)
43 Stefanie Dipper and Martin Schnurrenberger (2011). OTTO: A Tool for Diplomatic Transcription of
Historical Texts. In: Zygmunt Vetulani (ed.): Human Language Technology: Challenges for Computer
Science and Linguistics. 4th Language and Technology Conference, LTC 2009. Revised Selected Papers, pp.
456-467. Lecture Notes in Computer Science. Springer PDF. 44 Vgl. Anm. 1. 45 Transkription und editorische Umsetzung verdankt sich Rebecca Wache und Daniel Pachurka.
26
Leseversion mit aufgelösten Kürzel- und Abbrechungszeichen:
Clm23371 Hoc est Anselmus
Sanctus Anshelmus cum lacrimis et orationibus ac ieiuniis
rogabat beatam virginem Mariam ut ei reuelaret
qualiter passus est filius eius. Tandem beata virgo apparuit
sibi et dixit. Tanta et talia passus est filius meus di-
lectus quod nullus sine lacrimarum effusione exprimere potest. Tamen
quia glorificata sum. amplius flere non possum. tamen passionem vnici
mei per ordinem tibi explanabo. Beatus igitur Anshelmus per singula
quesiuit. et beata virgo ad singula respondit. Quesiuit ergo sic. Dic domina
mea karissima qualiter fuit passio filii tui inchoata. Respondit Maria.
(120v,30-121r,02)
Jede Edition beruht ein Stück weit auf Interpretationen und beinhaltet u.a. auch eine
Einstellung zur historischen Sprachentwicklung. Die Diskussion der Editionsphilologie ist in
diesem Punkt breit geführt worden und soll hier nicht erneut referiert werden. Eine Edition ist
auch immer unter dem Aspekt der antizipierten Zielgruppe zu reflektieren. Aus der Sicht der
historischen Linguistik gibt es Bedingungen für eine brauchbare Edition, die in der
Vergangenheit in aller Regel nur unzureichend erfüllt wurden.
Einmal abgesehen davon, dass die graphische Präsentation frühneuzeitlicher Hss. und Drucke
mit modernen Schrifttypen bereits einen – meist unreflektierten, aber dennoch tiefgreifenden
– Eingriff darstellt, hat jede editorische Entscheidung Einfluss auf die historiolinguistische
Brauchbarkeit einer Edition.
Kaum Probleme bereitet die Aufgabe des bei Editoren umstrittenen Schaft-, das – bes. in
älteren Editionen – häufig durch das runde s ersetzt wird. Obgleich es sprachhistorisch eine
nicht uninteressante Verteilung der verschiedenen s-Formen gibt, hat die Variation der
Graphien bisher keine erkennbare sprachfunktionale Bedeutung gezeigt. Dies gilt ebenso für
die Aufhebung der Verteilung v und u (in geringerem Maße auch w) als Schriftzeichen für /u/
/u:/ bzw. /f/ und /v/ und i, j und y als Schriftzeichen für /i/ /i:/ bzw. /j/ durch einheitliche
Schriftzeichen. Ihre editorische Überführung in einheitliche Zeichen kann als mehr oder
weniger störender, die Authentizität des Textes schmälernder Schönheitsfehler angesehen
werden.
Kürzelzeichen werden in Editionen häufig aufgelöst und die Auflösung in besseren Fällen als
Eingriff kursiviert oder kommentiert. Im Falle des er-Kürzels, das weit überwiegend für <er>
steht, seltener für <r> oder für <re>, ist dies zum Zwecke besserer Lesbarkeit vertretbar, doch
beruht jede Entscheidung bereits auf einer Interpretation. Schwieriger gestaltet sich die
Auflösung des Nasalstrichs, da er für verschiedene, jeweils häufig vorkommende Graphien
27
und Kombinationen stehen kann: für n, en, ne, m oder den möglichen Vokal in Verbindung
mit einem Nasal bzw. für d (in u).
Superskribierte Vokalzeichen sollten beibehalten werden: , , , , , , etc. Sie sind
sprachhistorisch wichtig, da sie Lautmodulationen (Umlaut, Diphthongierungen) markieren
(können), zugleich aber zum Teil vieldeutig sind, so dass ihre Auflösung einen zu starken
Eingriff bedeuten würde.46
Vielfach sind die Superskripte nicht eindeutig zu erkennen (etwa e
und halboffenes o). Hier wird häufig das graphisch wahrscheinlichste Zeichen gewählt – auch
dies ist eine Interpretation. Ehrlicher ist hier der Verzicht auf eine Festlegung zugunsten eines
allgemeinen Zeichens (im o.g. Projekt als \* kodiert).
Eine besondere Herausforderung stellt die Groß-/Kleinschreibung dar. Eine Vereinheitlichung
nach einem bestimmten Muster (etwa alle Namen mit nhd. Majuskeln zu versehen oder gar
nach einer modernen Orthographie zu entscheiden) erscheint aus sprachhistorischer
Perspektive nicht zulässig. Da die Großschreibung als Hervorhebung bis in das 17. Jh. hinein
als schreiberintentional genutzt wird, verbietet sich ein vereinheitlichender bzw.
modernisierender Ansatz. Ein besonderes Problem stellen dabei großgeschriebene oder
anderweitig (etwa durch Rubrizierung) hervorgehobene Minuskeln dar. Sie sollten nicht
einfach in Majuskeln überführt werden.47
Vielmehr sollte ihr Hervorhebungscharakter in
irgendeiner Form (evtl. durch Fettdruck) berücksichtigt werden. Allerdings besteht hier eine
große Unsicherheitsmarge.
Das wohl größte Problem aus sprachhistorischer Sicht stellen modernisierende Eingriffe in die
Interpunktion dar. Die Interpunktion vieler frühneuzeitlicher Hss. folgt nicht modernen
satzlogischen Gesichtspunkten, sondern ist weitgehend – wenn auch keinesfalls ausschließlich
– noch rhetorisch (nach dem sog. rhythmisch-intonatorischen Prinzip) organisiert, das
zusätzlich auch durch Großschreibung mitgestaltet werden kann. Diese Form der Alterität
durch eine moderne satzlogische Interpunktion zu überdecken, verändert einen Text in
unzulässiger Weise. Auch diese vorsichtigen Veränderungen stellen streng genommen einen
starken Eingriff dar, da die autor- bzw. schreiberintentionale Informationsstruktur des Textes
bei der Wahrnehmung durch den modernen Leser aufgelöst, verdeckt oder verdreht und eine
andere suggeriert wird.48
Hier bietet sich das Verfahren an, dass die Originalinterpunktion
privilegiert erhalten bleibt und diese – als Zugabe für das erleichterte Leseverstehen heutiger
Rezipienten – um eine nhd. modernisierte Interpunktion, z.B. durch Klammern als Eingriff
markiert, ergänzt wird.
46 So können Superskripte über u Umlaut oder einen Diphthong markieren oder lediglich dazu beitragen, das u
von anderen Buchstaben der Umgebung (vor allem n) zu unterscheiden. 47 Bisher fehlt in der historischen Sprachforschung ein akzeptiertes theoretisches Konzept zur Beschreibung der
Groß-/ Kleinschreibung in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hss. 48 Es wäre durchaus lohnend, einmal zu prüfen, inwieweit editorische Eingriffe in mhd. Ausgaben die
Interpretation der Texte (unzulässig) beeinflusst haben.
28
Die Gestaltung der Spatien und der Worttrennung ist ein weiteres Problemfeld editorischer
Eingriffe. Auch hier verbietet sich die einfache modernisierende Umgestaltung aus
sprachhistorischer Sicht. Für die Entwicklung der Wortbildung ist die Getrennt- bzw.
Zusammenschreibung von Lexemen (abent brot) bzw. von Präfixen und Verben (vff gap)
erheblich. Sie sagt viel über die jeweils zeitgenössische kognitive Verankerung bestimmter
Worteinheiten aus. Für die automatische Textverarbeitung und ihre Programme ist es häufig
wichtig, durch Spatien getrennte Einheiten zusammenzufassen und (künstlich) durch
Sonderzeichen wie etwa ein Rautengitter zu verbinden (abent#brot, vff#gap); in den
Versionen einer Edition können (sollten) diese wieder ersatzlos wegfallen. Ähnlich verhält es
sich auch bei Einheiten, die umgekehrt eine Trennung in zwei oder mehrere Einheiten
nahelegen (ober czugemich ‚überzeuge mich‘). Solche Zusammenschreibungen sind oft
einfache Schreiberversehen oder sind auch nur durch etwas engeres Schreiben bedingt. Sie
werden für die maschinelle Verarbeitung durch einen senkrechten Strich getrennt
(ober#czuge|mich), der ebenfalls in Editionsfassungen wegfallen und durch ein Spatium
ersetzt werden kann.
Die Worttrennung kann in frühneuzeitlichen Hss. an jeder Stelle eine Wortes erfolgen:
ou=gen, Johan=nes, na=ch. Sie wird in den Hss. entweder durch ‚=‘ markiert oder bleibt
unmarkiert. Um das Textlesen und -verstehen zu erleichtern, bietet sich in Fällen unmarkierter
Trennung allerdings eine editorische Markierung der Trennung mit Hilfe eines
Interpretationszeichens (=) an.
Online-Editionen können abweichend verfahren, da die Voraussetzungen grundlegend anders
als bei einer Print-Edition sind. Die als didaktisch notwendig angesehenen Eingriffe in der
‚Leseversion‘ sind aus sprachhistorischer Perspektive unbedenklich, da jederzeit sowohl auf
die textnahe Transkription (beide Varianten lassen sich parallel anzeigen) als auch auf die
verlinkten Scans der Original-Hss. zurückgegriffen werden kann.49
49 Der sog. Ordnungsteil vor den Texten (Textsigle, Seiten-, Zeilenzahl) bezieht sich zeilengenau auf die
Hss./Drucke.
29
Textprobe Lesetext:
M1
126v,04 Daz ist Anshelmus Deutze
126v,05 Sand Anshelm, der pat vnser vrowen vom himelreich lan=
126v,06 ge zeit mit grozzer gier, mit vasten vnd mit wachen
126v,07 vnd mit andechtigem gepet vnd mit hertzenleichen
126v,08 trechten, daz si im chund têt ires aingepornes chindes mar=
126v,09 ter, Wie ez von dem anegenge ergienge vntz an daz ende.
126v,10 Vnd do er des lange het gepeten, do wart er gewert. Do
126v,11 erschain im vnser vrowe ze einem mal vnd sprach z
126v,12 im: „Anshelme, mein liewes chind hat als manichvaltige
126v,13 vnd als grozze marter erliten, daz ez niement vollechlichen
126v,14 gesagen chan. Die ougen mzzen mit seinen zechern
126v,15 des hertzen pitterhait erwainen. Ich pin auer so grzleich
126v,16 gehochet mit meinem chind vber allez himelisches
126v,17 her vnd vber die creatur, die got îe peschf. So en=
126v,18 mag ich noch enschol nicht mer wainen. Vnd dar nach
126v,19 allz du mich fragest, da nach sag ich dr, wie ez ergie.“
126v,20 Sand Anshelm waz von hertzen vro vnd sprach: „sag mr lie=
126v,21 weu vrow, wie waz der aneuanch der marter deines
126v,22 liewen chindes. [...]
III Die sprachhistorische Herausforderung der Überlieferung
Die Form der Überlieferung macht den Text in seiner Vielfalt zu einer herausragenden
Grundlage für sprachhistorische Analysen.50
Das Frühneuhochdeutsche wurde in raum-
/zeitlichen Gesamtdarstellungen bisher vornehmlich anhand von Drucken, Editionen oder
über das Material, das die Sekundärliteratur bietet, erarbeitet. Das Mnd. ist umfassend bisher
nur anhand einer Textsorte (Urkunden) aufgearbeitet. Das räumlich breit gestreute, zeitlich
quasi synchrone und unmittelbar in die vorreformatorische Zeit datierte Material der
Interrogatio St. Anselmi ist gut geeignet, hier eine große Lücke auszufüllen.
Die sprachhistorische Herausforderung beginnt bereits mit der Lokalisierung und Datierung
der einzelnen Exemplare. Bei der Lokalisierung ist zusätzlich zu unterscheiden zwischen dem
vermuteten Entstehungsort/-raum und der sprachräumlichen Einordnung, was nicht
deckungsgleich sein muss.
50 Die Variationsbreite der Texte ist gewaltig. Allein der Name Anselm wird in über 20 verschiedenen
graphischen Varianten wiedergegeben: anhelm, anhelmus, anelm, anelmus, anzhelmus, ancelme,
elmus, aunhalm, Anhelmüs, Anzhelmus, Anylmus, Anzhelme ANcelmus etc.
30
Bei den Drucken ist die Lage überschaubar; sie sind entweder datiert oder können anhand der
Offizinen einigermaßen gut datiert und lokalisiert werden.51
Für die Handschriften lagen
bisher nur für einen kleineren Teil Vorschläge einer Lokalisierung vor. Die Münchner und
Nürnberger Hss. sind insbes. durch Karin Schneiders Arbeiten52
recht zuverlässig verortet; der
sprachliche Befund stimmt – bis auf wenige Fälle53
– mit dem jeweils angegebenen
vermuteten Entstehungsort überein. Zu anderen Hss. gibt es lediglich Angaben zu
Großräumen. Die Lokalisierungen wurden überprüft und konnten, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, zumindest für den jeweiligen Großraum bestätigt werden;54
einige
Überlieferungsträger konnten aufgrund des sprachlichen Befundes kompletter Hss.
computergestützt genauer lokalisiert werden; nur in wenigen Fällen wurde die bisherige
Lokalisierung angezweifelt.55
Die mnd. Textzeugen wurden von Robert Peters (Münster) und
zusätzlich mit Hilfe eines automatischen Lokalisierungsprogramms für niederdeutsche Texte
lokalisiert.56
Die in Karte 1 im Anhang symbolisierten Textexemplare sind alle raumgenau
verortet: Die Hss. gehören sprachlich in den angegebenen Großraum (oobd., wobd., wmd.,
omd., nd.) und bis auf wenige Ausnahmen auch in den angegebenen Unterraum (mbair.,
hochalem., nordbair.-nürnb., thür., ofäl. etc.). Die Lokalisierungen sind allerdings nicht
ortspunktgenau. Die genauere Verortung der Hss. in der Karte erfolgt mithilfe
außersprachlicher Kriterien auf der Basis der Sekundärliteratur, die in einigen Fällen relativ
gut gesicherte Provenienzen angibt, wie z.B. das Nürnberger Katharinenkloster, das
Regensburger Kloster St. Emmeram, Kloster Tegernsee oder das Kloster Hermetschwil. In
einigen wenigen Fällen wurde der Ortspunkt auf den rezenten Aufbewahrungsort (etwa Me1
nach Melk) gelegt, sofern dieser in dem für die Hs. festgestellten engeren Sprachraum liegt.
Hier könnten sich bei besserer Datenlage noch unbedeutendere Verschiebungen der Symbole
in der Karte ergeben. Schwierig ist die Verortung der Münchner Hs. M7, die von der
Forschung nur ganz allgemein ins Mbair. lokalisiert wird. Er wurde kartographisch in das
Zentrum des Mbair. platziert. Ähnlich wurde auch mit einigen Hss. verfahren, die nur
51 Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Johann Koelhoff d. Ä. aus Lübeck stammt, in
Köln den ersten Anselmus-Druck herstellt, der dann in Lübeck wenige Jahre später mit einigen
Veränderungen ebenfalls gedruckt wird. Die übrigen Kölner Drucke gehen auf den ersten zurück. Etwas
schwieriger ist die sprachliche Beurteilung der Augsburger Drucke, da Schauer (alias Froschauer) als
Wanderdrucker aus München zuzieht. Inwieweit dies die sprachliche Form beeinflusst, ist schwer
auszumachen. 52 Schneider (1973), (1983), (1984), (1994), (1996). 53 Der von Schneider (1996, 359) nach St. Emmeram lokalisierte Text M9 weist sprachliche Merkmale des
südlicheren Mbair. auf, was auch auf einen Schreiber/eine Schreiberin aus diesem Raum deuten könnte. M3
ist wohl in den südlichsten Teil des Mbair. zu platzieren. 54 Für tatkräftige Unterstützung bei der Lokalisierung danke ich Nina Bartsch und Cornelia Johnen. 55 Die von Cepkova (1982) edierte und sprachlich analysierte Dessauer Hs. (D3) ist wohl eher in das südliche
Thüringische einzuordnen. Eine von Cepkova vermutete wmd. (niederrheinische!) Vorlage erscheint mehr
als fraglich, da alle von ihr als wmd. angesehenen Eigenheiten sich so auch im Omd. finden, echte wmd.
Merkmale wie nit, unverschobene Konsonanten, fehlende Diphthongierung u.a. aber niemals erscheinen.
Auch der starke Anteil von Nebensilben-i deutet eher in das Thüringische. 56 Das Programm wurde von Sarah Kwekkeboom (Bochum) und Christian Fischer (Münster) entwickelt. Es
basiert auf den Daten des Atlas spätmittelalterlicher Schreibsprachen des niederdeutschen Altlandes und
angrenzender Gebiete (= AsnA) und bestätigt die traditionell vorgenommenen Lokalisierungen von Peters.
31
allgemein in das Nordbair. lokalisiert werden wie We1 und M8. Hier können sich bei
verbesserter Datenlage noch größere Verschiebungen der Symbole in der Karte ergeben. Bei
einigen wenigen Hss. ergibt sich ihre ungefähre Stellung in der Karte durch sprachliche
Grenzlinien; dabei lässt sich etwa N4 nahe an der alem.-bair. Sprachgrenze platzieren, vertikal
ist die Verortung aber schwieriger. St1 wiederum lässt sich gut an die rhfrk./mfrk. Grenze
platzieren, nicht aber genau auf einer West-/Ostlinie; ebenso D4, die in den schwäb./rhfrk.
Übergangsraum gehört, deren genaue Position aber nicht ausgemacht werden konnte. Auch
hier können sich noch Verschiebungen ergeben.
Nur wenige der Textexemplare enthalten eine eigene Datierung: Hz1 (1462), Be1 (1465), O1
(1427), SG1 (1516), M8 (1491), M7 (1487); einige lassen sich in einen kurzen begrenzten
Zeitraum einordnen: M4 (1458-62), M3 (um 1458), M5 (1459/1469), sl1 (um 1465), Be1 (um
1450), hk1 (1478/1482). Die meisten der übrigen Hss. können zumindest in eine
Jahrhunderthälfte eingeordnet werden, bei einigen wenigen Hss. des 15. Jh.s reicht es nur zur
Angabe des Jahrhunderts. Auf der Basis genauerer sprachlicher Analysen der Gesamttexte
wird man vereinzelt noch etwas genauer datieren können.
*
Das sprachliche Potential und die methodologischen Probleme der Überlieferung der
Interrogatio St. Anselmi sollen im Folgenden anhand der Übersetzung des lateinischen Wortes
cena (‚Abendmahl‘)57
dargestellt werden. Das lat. Wort cena wird mit 12 verschiedenen
lexikalischen Varianten übersetzt bzw. wiedergegeben. Diese wiederum finden sich jeweils in
unterschiedlicher graphischer Variation.
abent-ezzen
abent een M7, M8
abint ein D3
abent e Sb1
jüngest ezzen iünst een M4
letzt ezzen
letzt een Ba1
leczt een Ba2, b3
leczt een N3
leczt ezzen N2, M10
letz een M5
let een Me1
jüngest mal
iungt mal N4, T1
iungeten mal HK1
jungte mal M2
iüngit mal M1
iüngtmale s1496/7
jüngest maz jüngt maz sa1
ivngete maz Ka1, St2
57 Die genauere Bedeutung des lat. Wortes als Bezeichnung für die Hauptmahlzeit bleibt hier unberücksichtigt.
32
Jungt ma Stu1
iung maz Be1
jungte maze B2
nacht mal
nach(t) mal (2x) D4
nachtmal (2x) H1
nacht mal (2x) SG1
letzt mal let mal W1
abent brot obent brot (2x) B1
abent spise auent pie Wo1
abent mal auontmael (2x)
auont mael (2x)
Am1
Le1
abent malzit auont maeltijt/auont mael B1523
letzt abent ezzen lecztiz obt ezen (N1)
Die Verteilung auf die einzelnen Textexemplare zeigt regionale Schwerpunkte (vgl. Karte
5).58
Kombinationen mit ezzen sind vermehrt im Oobd. (bairisch, nürnbergisch) belegt;
Kombinationen mit maz sind ausschließlich wobd. (hochalemannisch bis in Rheinfränkische
auf der Höhe von Mainz) vertreten. Die Kombination von abent und mal, die sich später
durchsetzt, ist (noch) ausschließlich in den mnl. Textzeugen belegt. Die Kombination jungest
und mal ist mbair., die Kombination naht und mal ist (in nur drei Textzeugen) räumlich
verstreut belegt; andere wie abentbrot oder abent spise finden sich nur vereinzelt.59
Dieser Befund dürfte einmalig sein. Besch (1967, 134ff mit Karte 31) belegt für 68 Hss. der
nahezu gleichzeitigen Überlieferung der Vierundzwanzig Alten Ottos von Passau lediglich
zwei Varianten: Im gesamten Sprachraum abentessen (abentessen, aventeten) und – nur
viermal in drei ndl. Hss. des 16. Jh.s und einer Kölner Hs. von 1483 – abentmal (avent mail,
avontmael, avontmale). Die weitestgehend einheitliche Form zeigt einen völlig anderen
Verbreitungsweg der Vierundzwanzig Alten, eine andere Gebrauchssituation und eine andere
Art von ‚Text‘ als die Interrogatio St. Anselmi.
Die Verteilung der verschiedenen Formen stimmt nur zum Teil mit der (rezenten) regionalen
Verteilung der verschiedenen Varianten60
überein. Die Kombinationen mit ezzen in bair. und
Nürnberger Hss. passen gut zur heutigen Verbreitung von Abendessen. obent brot in B1 passt
ebenfalls gut in das Abendbrot-Gebiet. Die Kombinationen mit mal passen einigermaßen gut
zur heutigen Verteilung von Nachtmahl. Die drei Belege nacht mal (H1, D4, SG1) allerdings
stehen regional weit außerhalb dieses Gebiets. Auffällig abweichend verhalten sich die
hochalem. Hss., die alle (bis auf SG1) das im Mhd. gut belegte, zum Nhd. hin aber
schwindende maz (für Mahlzeit)61
verwenden. Die heute im Alem. üblichen Varianten Znacht
58 (N1) Stadtbibliothek Nürnberg Cent. VI,44 hat an der entsprechenden Stelle lecztiz obt ezen. 59 Zu anderen Bezeichnungen s. Macha (2012, 103). 60 Vgl. Eichhoff (1977, Karte 38 ‚Abendmahlzeit‘). 61 Ahd. maz, n., mhd. maz (Speise, Essen); vgl. got. mats m. (Speise), vgl. dazu auch Grimm, DWB, 12,
Sp.1721; http://woerterbuchnetz.de/DWB s.v. masz. Zeitgenössisch zu den Anselmus-Hss. finden sich
Belege etwa in Sebastian Brandt ‚Narrenschiff‘. Druck Basel 1495, 110a, 211; Michael Vehe Gesangbuch 67
33
und Nachtessen erscheinen dagegen nie. Inwieweit maz in den beiden wmd. Hss. noch eine
sprachhistorische Basis hat, bleibt offen. Während St1 maz wohl aus der/einer Vorlage
übernimmt, kommentiert B2 das fremde Wort und fügt das vertrautere (und regional
passende) ezzen an: daz Iungte maze daz da heizet daz abend ezen.62
Die Bedeutungsverschiebung von ‚Abendmahl‘ als (gemeinsames) Abendessen hin zum
Altarsakrament ist anhand des Materials nicht einfach nachzuzeichnen. Die meisten Hss.
trennen die Erwähnung der letzten gemeinsamen Abendmahlzeit (Agape) Jesu mit seinen
Jüngern von der eigentlichen Abendmahlszene mit Fußwaschung, Brotbrechen und Predigt,
die die Grundlage des Altarsakraments (Eucharistie) darstellen. Allerdings steht das
zeitgenössische Wissen um dieses Sakrament einer völlig wertfreien (d.h. religiös
unmarkierten) Verwendung entgegen. Die Wortwahl scheint jedoch unterschiedlich stark
durch das Wissen um das Sakrament beeinflusst. Abendbrot und Abendspeise zeigen eine eher
alltägliche Bedeutung. Der nl. Druck unterscheidet abendmahlzeit von abendmahl. Interessant
ist in diesem Zusammenhang, dass die drei Hss., die nachtmal verwenden, dies an beiden
Stellen tun, ebenso die beiden nl. Hss., die das Wort abendmahl in der Fußwaschungsszene
wiederholen. Die Versfassungen kombinieren das gemeinsame Essen und die Fußwaschung
zu einer Textstelle; durch die Verwendung des Adv. lêfliken wird jedoch eine sprachliche
Vordergrundierung von Agape ( ursprünglich Liebesmahl) nahegelegt.
Das ältere aus dem Germ. stammende Substantiv maz und das substantivierte ezzen können
sowohl ‚die Tatsache, dass jmd. isst‘ als auch ‚das, was jmd. isst‘ (Speise) bedeuten. Der
verbale Kontext mit gessen, genommen verweist eher auf die Speise. Dies ist in der Mehrzahl
der Fälle so; besonders deutlich bei der Ersetzung von ‚Abendessen‘ durch Osterlamm (We1).
Das Ereignis des Essens liegt näher im Kontext mit thet (M10) het (N3, M9, M5) oder
volbracht (Sb1). mal verweist eher auf das Ereignis, da mal im Spätmhd., ausgehend von der
Bedeutung ‚Zeitpunkt‘ über den ‚Zeitpunkt des Essens‘ (mal zeit), zunächst auf das Ereignis
selbst und von da auf ‚Speise‘ übertragen wird. Es ist schwer auszumachen, wie stark die
Bedeutung ‚Zeitpunkt‘ in den Belegen noch durchscheint. Die Verwendung von maz betont
möglicherweise die Gemeinsamkeit beim Essen.63
Die Kombination von ezzen, mal und maz mit letzt und jüngst ist ebenfalls nicht eindeutig,
obwohl hier der Zeitpunkt noch deutlich zutage tritt. letzt und jüngst können beide synonym
zu abend/nacht verwendet werden, im Sinne von ‚letzte Mahlzeit des Tages‘, sie können aber
auch bereits auf das ‚letzte gemeinsame Essen Jesu mit seinen Jüngern vor seinem Tod‘
(Belege vgl. Grimm, DWB, 12, Sp. 1721). Das Wörterbuch der elsässischen Mundarten von Ernst Martin
und Hans Lienhard, Straßburg 1899-1907 kennt masse (Speise) nur noch in einem Phrasem (vgl. s.v.). 62 Man könnte in dieser Formulierung allerdings auch eine Unterscheidung von Agape und Eucharistie sehen. 63 Vgl. Grimm, DWB, 12, Sp.1721 „[…] die zugemessene ausgetheilte kost für die herdgenossen bezeichnende
wort,“ Für die angelsächsische Entsprechung mete belegt Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen. Halle
1903, 186, den Rechtscharakter des Wortes als gemeinsames Mahl einer Rechts- bzw. Hausgemeinschaft.
Vgl. dazu auch http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/ s.v. mass.
34
referenzieren. jungestez maz in der Bedeutung ‚letzte Mahlzeit vor dem Tode‘ ist mhd. in
Meier Helmbrecht64
belegt.
Die Verwendung eines einheitlichen deutschsprachigen Begriffes für das Sakrament wird erst
im Zuge der Reformation und der entsprechenden reformatorischen Abendmahldiskurse
bedeutsam. Werner Besch hat anhand seines Materials bereits zeigen können, dass das spätere
lutherische ‚Dominanzwort‘ Abendmahl aus dem Westen übernommen wurde. Die Belege bei
Besch (1967, 134ff) und das Material der Interrogatio St. Anselmi legen einen Import aus dem
Nl. nahe. Zur weiteren Entwicklung – insbesondere das Nebeneinander von Nachtmahl und
Abendmahl s. Kretschmer (1918, 600); Besch (2008, 212f); Macha (2012,103).
64 Wernher der Gartenaere: Helmbrecht. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung. Hrsg., übersetzt und mit
einem Anhang versehen von Helmut Brackert, Winfried Frey, Dieter Seitz. Frankfurt am Main 1972. Vers
1572.
35
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Nach der Dessauer Hs. Cod. 24,8°. Mit einem Vorwort von Gabriele Schieb. Berlin.
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