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.SIAK-Journal – Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis
Baier, Dirk/Patrik Manzoni
Die Einstellungen von Polizistinnen und
Polizisten zu Bodycams. Veränderungen
im Zeitraum eines Pilotprojekts
SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1/2019),
23-38.
doi: 10.7396/2019_1_C
Um auf diesen Artikel als Quelle zu verweisen, verwenden Sie bitte folgende Angaben:
Baier, Dirk/Patrik Manzoni (2019). Die Einstellungen von Polizistinnen und Polizisten zu
Bodycams. Veränderungen im Zeitraum eines Pilotprojekts, SIAK-Journal − Zeitschrift für
Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1), 23-38, Online:
http://dx.doi.org/10.7396/2019_1_C.
© Bundesministerium für Inneres – Sicherheitsakademie / Verlag NWV, 2019
Hinweis: Die gedruckte Ausgabe des Artikels ist in der Print-Version des SIAK-Journals im
Verlag NWV (http://nwv.at) erschienen.
Online publiziert: 5/2019
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1/2019 .SIAK JOURNAL
Die Einstellungen von Polizistinnen und Polizisten zu Bodycams Veränderungen im Zeitraum eines Pilotprojekts
Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten ist sowohl in Deutschland als auch in Österreich und der Schweiz ein aktuelles Thema. Als Maßnahme gegen diese Gewalt wird zunehmend der Einsatz von Bodycams diskutiert. Im deutschsprachigen Raum gibt es inzwischen verschiedene Modellprojekte, in denen der Einsatz der Bodycams getestet und wissenschaftlich begleitet wird. Der vorliegende Beitrag stellt Ergebnisse eines solchen Modellprojekts vor, das im Jahr 2017 in der Stadt Zürich durchgeführt wurde. Untersucht werden dabei die beiden Fragen, wie verbreitet verschiedene Einstellungen zu Bodycams unter Polizistinnen und Polizisten sind und wie sich diese im Zeitraum des Pilotprojekts verändern. Die Ergebnisse zeigen, dass Bodycams sehr unterschiedlich bewertet werden. Die technischen Eigenschaften und die erweiterten Möglichkeiten der Beweismittelsicherung werden von fast allen Polizistinnen und Polizisten geschätzt. Dass sie vor Gewalt schützen, meinen hingegen deutlich weniger Befragte. Alles in allem befürworten dennoch mehr als die Hälfte der Polizistinnen und Polizisten die Bodycams. Im Vergleich der beiden Befragungszeitpunkte, die etwas länger als ein halbes Jahr auseinanderlagen, sinkt die Zustimmung zu Bodycams signifikant.
1. einleitung Sicherheit gesag t werden. Die wissenGewalt gegen Polizistinnen und Polizis schaftliche Forschung hierzu ist noch recht ten ist sowohl in Deutschland als auch ju ng; bislang liegen nu r wenige Evaluain Öster reich und der Schweiz ein aktu tionsstudien vor, die auf dem Wege eines elles Thema. Als Maßnahmen gegen die experimentellen Vorgehens geprüft haben, a n schei nend st eigende G ewalt werden welche Folgen der BodycamEinsatz tateinerseits u.a. St raf verschärf u ngen dis sächlich hat. Da d iese St udien bisla ng kutier t. Andererseits erhalten Bodycams vornehmlich im angelsächsischen Raum zunehmend Aufmerksamkeit, wobei mit durchgef ühr t w urden u nd da in diesen diesen die Hoffnung verbunden wird, dass Ländern primär die Reduktion von Gewalt sie Gewaltübergriffen vorbeugen können durch Polizistinnen und Polizisten Anlass bz w. dan n, wen n es z u Gewalt kom mt, f ür die Einf ühr ung von Bodycams war, bessere Beweismittel zur Strafverfolgung konzentrieren sich die vorliegenden Studer Täterinnen und Täter zur Verfügung dien auf diesen Wirkbereich. Die Studienstellen. ergebn isse sprechen der Tenden z nach
Ob diese erhofften Wirkungen tatsäch dafür, dass Bodycams Gewalt durch Polilich eintreten, kann derzeit noch nicht mit zistinnen und Polizisten reduzieren können
Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Patrik Manzoni, Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
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(vgl. Baier/Manzoni 2018). So belegen bspw. Ariel u.a. (Ariel et al. 2015) anhand eines Experiments in Rialto (Kalifornien), dass der Einsatz von Bodycams die Anzahl an Gewalt verhaltensweisen von Polizistinnen und Polizisten signifikant senkt. In einer Studie von Ready und Young (Ready/ You ng 2015) in Mesa (A rizona) w u rde z udem eine sig nif ikante Redu k tion von Bevölkerungsbeschwerden bei Bodycams t ragenden Polizisti n nen und Polizisten festgestellt. Auch i m Exper i ment von Jen nings u.a. (Jennings et al. 2015) in Orlando (Florida) ergaben sich Hinweise auf eine Wirkung des BodycamEinsatzes: Die Autoren berichten, dass eine signifikant geringere Häufigkeit von Gewalteinsätzen und Beschwerden in der BodycamGruppe im Vergleich zur NichtBodycamGruppe vorhanden war. Entsprechende Ergebnisse z u r Wirksamkeit von Bodycams f inden sich daneben in den Studien von Katz u.a. (Katz et al. 2015) oder White u.a. (White et al. 2017).
Bef unde daz u, ob Bodycams geeignet sind, das Gewaltverhalten der Bevölker ung zu reduzieren, finden sich dagegen seltener als Befunde zum Gewaltverhalten der Polizistinnen und Polizisten. Maskaly u.a. (Maskaly et al. 2017) berichten in ihrer Übersichtsdarstellung zu Bodycams, dass die wenigen vorliegenden Forschungsbef unde die A nnah me nicht st ützen, dass Bodycams das Verhalten der Zivilbevölkerung positiv beeinflussen. Eine Studie von Hedberg u.a. (Hedberg et al. 2016) aus Arizona zeigt ebenfalls, dass Bodycams widerständiges Verhalten nicht reduzieren. Ariel u.a. (Ariel et al. 2016) berichten sogar, dass das Gewaltverhalten von Seiten der Bürgerinnen und Bürger zunimmt, wenn Polizistinnen und Polizisten Bodycams tragen.
Jenseits der Wirksamkeit von Bodycams stellt sich die Frage, wie Polizistinnen und Polizisten die Einführ ung von Bodycams
sehen.1 Die Einstellungen der primär von der Einführung von Bodycams betroffenen Personengruppe wurden bislang kaum systematisch empirisch untersucht. Es wird, insbesondere im kontinentaleuropäischen Raum, implizit davon ausgegangen, dass allein der Anspruch, Bodycams könnten vor Ü bergr iffen schützen, ausreichend ist, dass Polizistinnen und Polizisten der Einf üh r ung dieses neuen Einsatzmittels mehrheitlich positiv gegenüber stehen. Die internationale Forschung belegt allerdings, dass eine Zustimmung zu Bodycams nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann:
Jennings u.a. (Jennings et al. 2014) berichten Ergebnisse einer Polizeibefrag u ng in O rla ndo, Flor ida. I n dieser zeigte sich, dass nur etwa die Hälfte der Befragten bzw. noch weniger die Ansichten teilten, dass Bodycams für alle Polizistinnen und Polizisten der Einheit eingef ü h r t werden sollten bz w. d ass Bodycams das Verhalten der Bevölker u ng verbesser n. Dass die Bodycams das eigene Verhalten verbessern, meinten nur etwa 20 % der Befragten. Nur sehr wenige Polizistinnen und Polizisten (3 %) gaben an, dass das Tragen der Bodycams die eigene Ausübu ng von Zwang und Gewalt reduziert. In der Bef rag ungsstudie von Smykla u.a. (Smykla et al. 2016), in die Polizistinnen und Polizisten in Leitungsfunktion einbezogen wurden, befürworteten ebenfalls nur etwa 50 % der Befragten die Einführ ung von Bodycams. Mehr als die Hälfte der Befragten stimmten allerdings zu, dass Bodycams der Beweismittelsicher ung dienen – in dieser Hinsicht also durchaus hilf reich sein können. Katz u.a. (Katz et al. 2014) berichten Ergebnisse einer Befragung von Polizistinnen und Polizisten in Phoenix, wobei e s sich u m ei ne Wiederholu ngsbe fragung vor und nach Einführung von
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Bodycams handelt. Generell belegt die Bef ragung, „that there was resistance a mong of f icers towa rd wear i ng the BWC’s“ (ebd., 40). Nur ein kleiner Teil der Befragten stimmte bspw. der Aussage zu, dass Bodycams auch in anderen Polizeidepar tementen eingef üh r t werden sollten – über die Zeit hinweg steigt dieser Anteil etwas an. Die technischen Eigenschaf ten der Bodycams werden von der Meh rheit als g ut eingestuft. Ebenso war eine Mehrheit der Meinung, d ass die Beweismit telqualit ät du rch Nutz u ng von Bodycams steig t. Hi nsichtlich möglicher Wirkungen der Bodycams auf die Bürgerinnen und Bürger sind die Polizistin nen und Polizisten eher skeptisch, wobei sich diese Skepsis über die Zeit hinweg sogar noch vergrößert: „By the end of the study period, for example, only 25.7 % of target group officers believed BWC result in citizens being more cooperative, 28.6 % agreed that citizens will be more respectf ul“ (ebd., 23).
Aus dem deutschsprachigen Raum liegen derzeit keine Ergebnisse zu Einstellungen von Polizistinnen und Polizisten zu Bodycams vor. Dies war Anlass dafür, im Rahmen eines Pilot projekts z u r Einf ü h r ung von Bodycams in der Stadt Zürich neben einer Wirkungsevaluation auch eine Befragungsstudie durchzuführen. Diese Studie sollte sich u.a. folgenden Fragen widmen: 1. Wie verbreitet sind verschiedene Einstel
lungen zu Bodycams unter Polizistinnen und Polizisten? Gibt es diesbezüglich Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen an Polizisten, z.B. zwischen männlichen und weiblichen bzw. jungen und älteren Polizisten?
2. Wie verändern sich diese Einstellungen im Zeitraum eines Pilotprojekts? Wie lassen sich diese Veränder u ngen erklären?
2. Die StuDie Um die Einstellungen z u Bodycams zu u ntersuchen, w u rde zusammen mit der Stadtpolizei Zürich ein Pilotprojekt durchgeführ t.2 Dabei kamen im Zeitraum vom 1. März 2017 bis 1. November 2017 Bodycams zum Einsatz, und zwar derart, dass in geraden Wochen die Einsatzteams der Stadt polizei mit Bodycams ausgestat tet wa re n, i n u nger ad e n Wochen je doch nicht. Hierbei handelt es sich um ein randomisiertes TreatmentKontrollgr uppenVerfahren, anhand dessen Aussagen zur Wi rk u ng von Bodyca ms möglich si nd. Im Vordergrund stand dabei die Frage, ob Bodycams Gewalt gegen und durch Polizistinnen und Polizisten zu reduzieren helfen. Auf die Ergebnisse dieses Experiments wird nachfolgend in einem Exkurs kurz eingegangen; diese w u rden auch bereits an anderer Stelle veröffentlicht (Manzoni/ Baier 2018; Baier/ Man zoni 2018) . Vor Durchführung des Experiments und nach dessen Absch luss w u rden z ugleich die Polizistinnen und Polizisten dar um gebeten, einen kurzen Fragebogen zu ihren Einstellungen zu Bodycams und angrenzenden Themen zu beantworten.
Das Pilotprojekt wurde nicht in der gesamten Stadt Zürich umgesetzt, sonder n nur in drei von fünf Regionalwachen (City, Aussersihl, Industrie) sowie in der Wache Sonderkom missariat. Hierbei handelt es sich um all jene Wachen, die in Zü r ich ein vergleichsweise erhöhtes Gewaltaufkom men aufweisen. Allen Polizistin nen u nd Polizisten d ieser Wachen w u rden ein schriftlicher Fragebogen und ein verschließbarer Rück u mschlag z ugestellt. Die au sgef ü l lt en Fr a ge b ögen w u rd en nach Abschluss des Befragungszeitraums von einem Projekt mitarbeiter abgeholt. Insgesamt wurden 350 Polizistinnen und Polizisten in das Pilotprojekt einbezogen. Hier von nah men 306 Polizistin nen u nd Polizisten an der ersten Bef ragung teil,
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was einer sehr guten Rücklaufquote von 87,4 % entspricht. Nix u.a. (Nix et al. 2017) berichten unter Bezugnahme auf 497 Befragungen in der Polizei von einer durchschnittlichen Rücklaufquote von 64 % .
An der zweiten Befragung haben sich 273 Polizistinnen und Polizisten beteiligt, was einer Rücklaufquote von 78 % entspricht. Die Rücklaufquoten schwanken zwischen den einbezogenen Organisationseinheiten (vgl. Manzoni/Baier 2018): In den Regionalwachen City und Aussersihl fiel die Rücklaufquote bei beiden Befragungen am höchsten aus. In allen Organisationseinheiten war es der Fall, dass die Rücklaufquote der zweiten Befragung niedriger lag als die Rücklaufquote der ersten Befragung. Besonders deutlich unterscheiden sich die Rücklaufquoten der Wache Sonderkommissariat (87,5 zu 60 %). Ein Grund für die niedrigere Rücklaufquote dieser Wache zur zweiten Befragung dürfte darin gelegen haben, dass bei der ersten Befragung junge Polizistinnen und Polizisten an der Befragung teilgenommen haben, die nach einer viermonatigen Pflichtzeit in verschiedene Regionalwachen gewechselt sind und daher zur zweiten Befragung, zumindest zum Teil, nicht mehr erreichbar waren – insofern sie in Regionalwachen wechselten, die nicht Teil des Pilotprojekts waren.
Die Stichproben setzen sich wie folgt zusammen: In der ersten Befragung zu Beginn des Pilotprojekts waren 15,8 % der Teilnehmer weiblich, entsprechend 84,2 % männlich. In der zweiten Befragung lag der Anteil weiblicher Befragter bei 14,8 %. Das Durchschnittsalter lag in der ersten Befragung bei 34,3 Jahren, in der zweiten Befragung bei 34,6 Jahren. Eine Leitungsfunktion hat ca. jeder fünfte Befragte inne (21,3 bzw. 20,6 %).
Obwohl die Befragung innerhalb eines kurzen Zeitraums wiederholt wurde, sind die Teilnehmenden beider Bef ragungen
nur teilweise identisch. Insgesamt liegen für 212 Polizistinnen und Polizisten Bef ragungsergebnisse z u r ersten u nd zur zweiten Befragung vor; hierbei handelt es sich also um Längsschnittdaten bzw. um eine sog. „Panelstichprobe“. Die Verbindung zwischen der ersten und der zweiten Befragung wurde mittels eines Kurzcodes hergestellt (erster Buchstabe des eigenen Vornamens, Tag des Geburtstags der Mutter, erster Buchstaben des Vornamens des Vaters). Leider machten einige Befragte keine Angaben zum Kurzcode, wahrscheinlich deshalb, weil sie die zugesicherte Anonymität dadurch gefährdet sahen. Die Verbindung von Fragebögen der ersten und der zweiten Bef rag u ng erlaubt es, Veränder ungen bei ein und denselben Personen zu untersuchen und damit mögliche Ursachen von Einstellungsänder ungen. Die Panelstichprobe weist folgende soziodemografische Merkmale auf: 13,2 % der Befragten sind weiblich; das Durchschnittsalter zum ersten Befragungszeitpunkt beträgt 34,5 Jahre; 21,4 % haben eine Leitungsfunktion inne.
3. ergeBniSSe
3.1. Einstellungen zur Bodycam I n der ersten u nd z weiten Bef rag u ng sollten die Polizistinnen und Polizisten insgesamt 36 Aussagen über Bodycams beantworten, wobei ihnen sechs Antwortvorgaben zur Verfügung standen, die von „1 – stimmt gar nicht“ bis „6 – stimmt völlig“ reichten. Alle 36 Aussagen können an dieser Stelle nicht vorgestellt werden. Stattdessen präsentiert Abbildung 1 (siehe Seite 28) elf Items, die z.T. übergeordneten Einstellungsdimensionen (Skalen) zugeordnet werden konnten (vgl. Manzoni/ Baier 2018) . Diese Sk alen bei n halt en zwischen zwei und acht Items und weisen eine ausreichende Reliabilität auf.3 In Abbildung 1 ist pro Skala ein Item darge
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stellt, das charakteristisch für die Skala ist (bspw. auf Grund einer hohen Trennschärfe). Zusätzlich sind zwei Items aufgeführt, die keiner Skala zugeordnet werden konnten, zugleich aber typische Ansichten über Bodycams abbilden. Ausgewiesen wird dabei der Anteil an Befragten, der sich zustimmend geäußert hat, wobei die Antworten „4 – stimmt eher“, „5 – stimmt größtenteils“ und „6 – stimmt völlig“ zusammengefasst wurden.
Erkennbar ist zunächst, dass nahezu alle Befragten die Ansicht ver treten haben, dass die technischen Eigenschaften der Bodycams gut sind. Der Aussage, dass Bodyca ms einfach z u benut zen si nd , stimmten in der ersten Befragung 97,3 %, in der zweiten Befragung 97,8 % zu. Die kon k reten Erfah r ungen mit Bodycams während des Pilotprojekts haben damit die Einstellungen bzgl. der technischen Eigenschaften nicht verändert. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die Stadtpolizei Zürich Kameras eingesetzt hat, die im Brustbereich zu tragen waren. Auch die Batterielaufzeit dieser Bodycams wurde von der deutlichen Mehrheit der Befragten als ausreichend bewertet (ohne Darstellung): In der zweiten Befragung stimmten 97,4 % der Aussage zu, dass die Batterielaufzeit angemessen ist – und dies selbst in der Wache Sonderkommission, in der der durchschnittliche Streifendienst deutlich länger (ca. acht St unden) dauer t als in den anderen Wachen (Zustimmung hier: 97,9 %).
Ebenfalls hohe Zustimmung erhielten Aussagen, die sich auf die Eigenschaft der Beweismittelsicherung bezogen. In der ersten Befragung gaben 93,7 % der Polizistinnen und Polizisten an, dass Bodycams die Qualität des Beweismaterials verbessern würden, in der zweiten Befragung waren es mit 90,7 % etwas weniger Befragte. Ob die Bodycam allerdings tatsächlich diese Eigenschaf t hat, konnte
im Pilotprojekt nicht untersucht werden: Während des gesamten Projektzeitraums wurde die Bodycam nur 57mal derart eingesetzt, dass Videomaterial aufgezeichnet wurde. Bei keinem einzigen dieser Einsätze erfolgte anschließend ein Strafverfahren, in dem die BodycamAufnahmen eine Rolle spielen können. Ob die Bodycam damit die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft vereinfacht, wie dies zur zweiten Befragung 72,1 % der Befragte meinten (erste Befragung: 75,8 %; ohne Darstellung), kann auf Grund des Pilotprojekts nicht gesagt werden. Insgesamt belegen die Auswertungen, dass die Zustimmung dazu, dass Bodycams gute Beweismittel liefern, über den Pilotprojektzeitraum tendenziell sinkt.
Neben diesen Einschätzungen gibt es insgesamt vier Einstellungsdimensionen, zu denen sich jeweils etwa die Hälfte der Befragten zustimmend geäußert hat: 1. Dass Bodycams vor Angriffen schützen –
eines der Kernargumente in der Diskussion um deren Einführung – meinten zur ersten Befragung 55,1 % , zur zweiten Befragung 45,2 %; die Zustimmung sinkt signifikant (p < .05). Auch bei allen anderen Aussagen zu dieser Skala sinkt die Zustimmung, so dass letztlich der Anteil an Befragten, der den Bodycams eine Schutzwirkung attestiert, signifikant von 48,4 auf 38,5 % fällt (p < .05; ohne Darstellung).
2. Zur ersten Befragung meinten 48,2 % der Polizistinnen und Polizisten, dass Bodycams zur Folge haben, dass Polizisten im Einsatz zurückhaltender sind; zur zweiten Befragung lag der Anteil mit 47,0 % vergleichbar hoch. Ein nicht geringer Anteil der Befragten vertritt damit die Ansicht, dass Bodycams auch problematische Implikationen für die Arbeit haben können. Ein Interviewpartner – im Projekt wurden auch insgesamt zwölf qualitative Interviews mit
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Quelle: Baier/Manzoni
Schutzwirkung: „Der Einsatz von Bodycams ist 55,1 sinnvoll, um Polizisten vor Angriffen zu schützen.“ 45,2
gute technische Eigenschaften: 97,3 „Bodycams sind einfach zu benutzen.“ 97,8
gutes Beweismittel: „Bodycams verbessern 93,7 die Qualität von Beweismaterial.“ 90,7
Beeinträchtigung im Einsatz: „Das Tragen von Bodycams hat 48,2zur Folge, dass Polizisten zurückhaltender sind, im Einsatz 47,0die notwendigen Massnahmen zu ergreifen.“
missbräuchliche Nutzung: „Die Videoaufnahmen der Bodycams 52,8 können genutzt werden, um Polizisten bloßzustellen.“ 59,6
positiver Einfluss auf Polizei: „Bodycams verbessern das 23,0 Verhalten der Polizisten gegenüber dem Bürger.“ 21,0
erhöhen Ansehen in Bevölkerung: „Bodycams 38,0 40,4
Reduzierung Beschwerden: „Bodycams verringern
erhöhen das Vertrauen der Bürger in die Polizei.“
34,5 die Anzahl an Beschwerden gegen Polizisten.“ 23,7
Befürwortung allgemein: „Alles in allem 67,5 befürworte ich den Einsatz von Bodycams.“ 58,5
„Bodycams stellen einen Eingriff in die 24,1 Privatsphäre des Bürgers dar.“ 20,4
„Bodycams tragen zu einer erhöhten 24,5 Arbeitszufriedenheit bei.“ 14,3
0 20 40 60 80 100
1. Befragung (März 2017) 2. Befragung (November 2017)
Abb. 1: Zustimmung zu verschiedenen Aussagen zu Bodycams (in %)
Polizistinnen und Polizisten geführt4 – formulierte dies wie folgt: „Das heißt, dass die Polizei weniger durchsetzungsstark ist, sich weniger durchsetzt, weil nachher der Polizist das Gefühl hat, diese Videoaufnahmen werden angeschaut und dann wird es kritisiert. (…) Und genau das (…) sehe ich auch bei der Bodycam. Also dass die Polizisten gehem mt sind, mehr durchzusetzen, sich durchzusetzen und dass sich das dann wahrscheinlich auch rumsprechen wird. Wenn sich die Polizei weniger durchsetzen wird, dass man sich somit mehr erlauben kann.“5
3. Ebenfalls die Hälfte der Befragten sieht es als problematische Implikation an, dass Bodycams prinzipiell dazu geeignet sind, missbräuchlich im Sinne des Bloßstellens des einzelnen Polizisten verwendet zu werden; die Zustimmung zu dieser Aussage steigt im Pilotprojektzeitraum von 52,8 auf 59,6 % (nicht signifikant bei p < .05). Die zweite Aussage dieser Skala lautete „Bodycams können von Vorgesetzten genutzt werden, um nach Hinweisen zu suchen, die gegen einen Polizisten verwendet
werden kön nen“ (oh ne Darstellung). Die Zustim mung zu dieser Aussage steigt im Vergleich beider Befragungen von 46,4 auf 60,1 % signif ikant an (p < .01). Zusammengefasst ergibt sich damit ein Anstieg der Zustimmung zur missbräuchlichen Nut z u ng von 41,0 auf 53,7 % (signif ikant bei p < .01). Mögliche Hintergründe für diese Veränderungen werden nachfolgend noch diskutiert.
4. Zu Beginn des Pilotprojekts äußerten sich 67,5 % der Befragten zustimmend zu der Aussage, dass sie alles in allem den Einsatz von Bodycams befürworten, am Ende des Pilotprojekts waren es noch 58,5 % (signifikant bei p < .05). Auch zu den anderen Items der zugehörigen Skala ergibt sich eine rückläufige Zustimmung, so dass sich in Bezug auf die Skala „Bef ürwortung allgemein“ zeigt, dass der Anteil zustimmender Polizistinnen und Polizisten von 66,1 auf 55,3 % fällt (signifikant bei p < .01; ohne Darstellung). Dies bedeutet zugleich dennoch, dass auch nach Durchführung des Pilotprojekts noch mehr als die Hälfte der Polizistinnen und Polizisten positiv gegenüber Bodycams eingestellt waren.
Den weiteren, in Abbildung 1 dargestellten, Einstellungsdimensionen stimmt jeweils nur eine Minderheit der Befragten zu. Dass Bodycams einen Eingriff in die Privatsphäre der Bürgerin bzw. des Bürgers darstellen, meinten 24,1 bzw. 20,4 %. Der Ansicht, dass sie einen positiven Einf luss auf die Arbeit der Polizei hätten, insofern sie das Verhalten der Polizei gegenüber dem Bürger verbessern würden, stimmten 23 bzw. 21 % der Befragten zu. Von einem positiven Einfluss der Bodycams auf das Vertrauen der Bürger in die Polizei gehen immerhin 38 bzw. 40,4 % der Befragten aus. Zu allen drei Einstel
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lungen ergeben sich im Zeitvergleich keine signifikanten Veränderungen.
Diese zeigen sich aber zu zwei weiteren Einschätzungen: Einerseits sinkt der Anteil an Bef rag ten signifi kant, die Bodyca ms als Mit tel der Verbesser u ng der Arbeitszufriedenheit einstufen, von 24,5 auf 14,3 % (signifikant bei p < .01). Andererseits sin k t die Zustim mung z u der Ansicht, dass Bodycams zu einer Reduktion der Beschwerden gegen Polizistinnen und Polizisten führen, von 34,5 auf 23,7 % (signifikant bei p < .01).
Da die Skala „Befürwortung allgemein“ ein Maß für die generelle Einstellung zu Bodycams darstellt, soll sich im Folgenden auf diese Skala konzentriert werden. Diese besteht aus insgesamt fünf Items. Die zusätzlich zum in Abbildung 1 (siehe Seite 28) aufgef ü h r ten Item in die Skalenbildung integrier ten Aussagen lauteten: „Alles in allem macht die Ausstattung der Polizisten mit Bodycams die Arbeit einfacher“, „Die Vorteile von Bodycams überwiegen deren Nachteile“, „Bodycams sollten auch in anderen Polizeikorps der Schweiz eingeführt werden“ und „Ich unterstütze den Einsatz von Bodycams“. Die Reliabilität der Skala ist zu beiden Befragungszeitpunkten als sehr gut einzustufen (Cronbachs Alpha = .93 bzw. .94). Wie bereits erwähnt, sinkt die Zustimmung zu dieser Skala im Pilotprojektzeitraum von 66,1 auf 55,3 % signifikant. Abbildung 2 berichtet die Höhe der Zustimmung und deren Veränderung über die Zeit für verschiedene demografische Gruppen.
Zwischen män nlichen und weiblichen Befragten unterscheidet sich demnach die Zustimmung zu Bodycams zu beiden Befragungszeitpunkten nicht signifikant, auch wenn bei der zweiten Befragung der Anteil zustimmender Personen bei den Polizistinnen niedriger ausfällt als bei den Polizisten. Bei beiden Geschlechtern sinkt die Zustimmung; dabei wird allerdings nur die Verän
Quelle: Baier/Manzoni
66,8
65,2
53,5
67,6
90,4
62,8
79,4
57,3
51,3
51,2
54,5
74,5
52,4
72,2
0 20 40 60 80 100
männlich
weiblich
bis 30 Jahre
31 bis 40 Jahre
41 Jahre und älter
nein
ja
Ges
chle
cht
Alt
erLe
itung
sfun
ktio
n
1. Befragung (März 2017) 2. Befragung (November 2017 )
Abb. 2: Befürwortung der Bodycam durch verschiedene Gruppen (in %)
derung bei den männlichen Befragten als signifikant ausgewiesen (p < .05).6
Hinsichtlich des Alters zeigt sich, dass zu beiden Befragungszeitpunkten ältere Befragte eine signifikant höhere Zustimmung aufweisen als jüngere Befragte. Bei den jüngeren Befragten hat sich dabei die Zust im mu ng über den P rojek tzeit rau m nicht verändert, bei den 31 bis 40jährigen sowie bei den ab 41jährigen hingegen schon: Bei beiden Gr uppen sinkt die Zustimmung signifikant (bei p < .05).
Relevant für die Einstellung zu Bodycams ist daneben die Funktion eines Befragten: Zu beiden Befragungszeitpunkten gilt, dass Befragte in Leitungsfunktion der Bodycam gegenüber positiver eingestellt sind. Ein signifikanter Rückgang der Zustimmung (bei p <. 05) ist zugleich nur bei Befragten feststellbar, die keine Leitungsfunktion innehaben.
3.2. Erklärung der Veränderung der Einstellungen
3.2.1. Trendauswertungen Entsprechend der vorgestellten Auswertungen ist die Zustimmung zu Bodycams
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(Skala „Befür wor tu ng allgemein“) im Vergleich der ersten und zweiten Befragung signif ikant gesunken. Dies f ühr t zu der Frage, welche Variablen für diese Veränderung relevant sein könnten. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass zu keiner Befragung die tatsächlichen Erfahr ungen mit Bodycams erhoben worden sind. Inwieweit der Rückgang mit der Häufigkeit des Einsatzes von Bodycams, mit spezifischen Erlebnissen beim Einsatz u.a.m. in Zusammenhang steht, kann daher nicht geprüft werden. Stattdessen kann der Rückgang nur mit Variablen aus zwei Bereichen erklärt werden: 1. andere bodycambezogene Einstellungen, 2. weitere Einschätzungen und Erfahrungen.
Die anderen bodycambezogenen Einschätzungen w urden im vorangegangenen Abschnitt berichtet. In Tabelle A1 im Anhang (siehe Seite 37) sind diese noch einmal aufgeführt sowie die Skalenmittelwerte der beiden Befragungen. Für d rei Einstellungen ergeben sich keine signifikanten Veränderungen der Skalenmittelwerte (Beeinträchtigung im Einsatz, positiver Einf luss auf Polizei, erhöhen Ansehen in Bevölkerung). Diese Einstellungen müssen daher nicht darauf hin geprüft werden, ob sie für einen Rückgang der Zustimmung zu Bodycams allgemein verantwortlich sind, insofern ausbleibende Veränderungen keine Veränderung erklären können. Die anderen fünf Einstellungsskalen (Schutzwirkung, gute technische Eigenschaften, gutes Beweismittel, missbräuchliche Nutzung, Reduzier ung Beschwerden) werden hingegen in der nachfolgenden Analyse berücksichtigt.
In Tabelle A1 sind zusätzlich weitere Einschätzungen und Erfahrungen aufgeführt. Eine ausführliche Vorstellung dieser Messinstrumente findet sich bei Manzoni u nd Baier (Man zoni / Baier 2018) . A n dieser Stelle ist insbesondere von Interesse, ob sich z u diesen Variablen Ver
änderungen im Zeitverlauf ergeben. Dies ist nur für drei Variablen der Fall:
Der Anteil an Befragten, die mindestens einmal pro Woche organisationale Anforderungen erleben (z.B. Aufgaben in sehr kurzer Zeit erledigen, bei eigentlicher Arbeit immer wieder unterbrochen) steigt von 69 auf 77 %. Die soziale Kohäsion geht zurück. Um diese zu messen, sollten die Polizistinnen und Polizisten Aussagen wie „Die Kollegen unserer Wache/Einheit stehen füreinander ein“ oder „Wir halten hier in der Wache/Einheit zusammen“ beantworten. Die Forderung nach harten Strafen ist rückläufig. Hier waren Aussagen wie „Die Gerichte sollten Personen härter bestrafen, die Gewalt gegen Polizisten ausüben“ oder „Gewalt gegen Polizisten muss konsequenter bestraft werden“ zu bewerten.
Damit die verschiedenen Variablen eine Erklär u ng f ü r den r ückläuf igen Trend darstellen können, muss es nicht nur eine signif ikante Veränder ung im Vergleich der beiden Befragungszeitpunkte gegeben haben. Notwendig ist daneben, dass diese Variablen mit der allgemeinen Einstellung zu Bodycams zusammenhängen. Anhand linearer Regressionsanalysen lässt sich prüfen, ob entsprechende Zusammenhänge bestehen. Gleichzeitig kann geprüft werden, ob der Rückgang mit den Variablen erklärt werden kann. Tabelle 1 (siehe Seite 31) präsentiert insgesamt drei Modelle. Die präsentierten Koeffizienten stellen standardisierte Koeffizienten dar, die Werte zwischen 0 und 1 bzw. 1 annehmen können. Je stärker ein Koeffizient Richtung 1 bzw. 1 strebt, umso stärker ist ein Zusammenhang ausgeprägt.
Modell I zeigt zunächst, dass es einen Rückgang in der Zustimmung zu Bodycams allgemein gibt; der entsprechende Koeffizient ist negativ und bei p < .05 sig
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nifikant. Bei Ber ücksichtigung weiterer bodycambezogener Einstellungen wird der Rückgang vollständig erklärt; der Koeffizient zur zweiten Befragung ist nunmehr sogar positiv. Dies bedeutet, dass, wenn es zu keinen Veränder ungen in den anderen Einstellungen gekommen wäre, die allgemeine Zustimmung zu Bodycams sogar gestiegen wäre. Die Koeffizienten aus Modell II belegen dabei, dass es vor allem d rei bodyca mbezogene Ei nstellu ngen sind, die sich negativ auf die Entwicklung der allgemeinen Zustimmung ausgewirkt haben: die Einschätzung zur Schutzwirkung, zur Beweismittelqualität und zur missbräuchlichen Nutzung. Befragte, die eine hohe Schutzwirkung attestieren, eine hohe Beweismittelqualität oder eine geringe missbräuchliche Nutzung, sprechen sich allgemein für Bodycams aus. Die Einschätzung der technischen Eigenschaften und der Möglichkeiten der Beschwerdereduktion stehen hingegen nicht mit der allgemeinen Einstellung zu Bodycams in Zusammenhang.
Modell III schließlich zeigt, dass die weiteren Einschätzungen bzw. Erfahrungen ebenfalls keinen Zusammenhang mit der allgemeinen Einstellu ng z u Bodycams aufweisen. Dies bedeutet zusammengefasst, dass sich die Entwicklung der allgemeinen Einstellung zu Bodycams einzig und allein mit der Entwicklung anderer bodycambezogener Einstellungen erklären lässt. Weil die Polizistinnen und Polizisten ihr seltener eine Schutzwirkung attestieren, seltener eine gute Beweismittelqualität und häufiger eine missbräuchliche Nutzung, geht die Zustimmung zu Bodycams zurück.
Diese Befunde können an dieser Stelle noch etwas weiter ausgef üh r t werden. Warum die Einschätzung, dass die Bodycams gute Beweise liefern, im Pilotzeitraum sinkt, kann kein Ergebnis der Er
Quelle: Baier/Manzoni
Modell I Modell II Modell III 2. Befragung -.09 * .05 * .06 * Schutzwirkung .49 *** .49 *** gute technische Eigenschaften .04 .03 gutes Beweismittel .28 *** .28 *** missbräuchliche Nutzung -.29 *** -.28 *** Reduzierung Beschwerden .02 .02 mind. einmal pro Woche allg. organisationale Anforderungen .01 soziale Kohäsion .02 Forderung nach härteren Strafen .00 N 560 560 560 R2 0.006 0.647 0.645 * p .05, ** p .01, *** p .001
Tab. 1: Einflussfaktoren der Einstellungen zu Bodycams allgemein (OLS-Regression, standar-disierte Koeffizienten; paarweiser Ausschluss fehlender Werte)
fahrungen des Pilotprojekts darstellen, in dem, wie ausgeführt, keine Fälle auftraten, bei denen ein Strafverfahren unter Verwendung von BodycamAufnahmen durchgeführt worden wäre. Generell ist zu dieser spezifischen bodycambezogenen Einschätzung auch z u sagen, dass der Rückgang eher gering ausfällt (Mittelwert der Zustimmung von 4,44 auf 4,28; vgl. Tabelle A1 im Anhang, Seite 37).
Der Rückgang bzgl. der Zustimmung zur Schutzwirkung ist dagegen deutlicher (von 3,44 auf 3,14; vgl. Tabelle A1). Hierf ü r dürf ten die Erfah r ungen im Pilotprojektzeitraum durchaus relevant gewesen sein. Diese fielen ambivalent aus, wie die zusätzlich durchgeführten qualitativen Inter views belegen. In den Inter views zeigt sich, dass die Polizistinnen und Polizisten die Bodycams ca. 15mal getragen haben, also ca. einmal pro Woche. Einige Befragte berichteten von einem deeskalierenden Effekt der Bodycam. Allerdings müsse das Gegenüber noch ansprechbar sein, d.h. nicht zu stark betrunken oder in einem psychischen Ausnahmezustand sein, damit solch eine Wirkung eintreten kann. Ein Befragter formulierte seine Erfahrungen wie folgt: „Die Leute reagieren schon sehr gut auf die Kamera. Also sie
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kommen dann wirklich runter.“ Ein anderer Befragter merkte an: „Ich weiß, dass wir ein paar Mal gesagt haben, schauen sie, wenn es jetzt so weitergeht, dann stelle ich die Kamera ein. Und auf Grund dieser Androhung hat sich die Situation ein bisschen beruhigt.“ Obwohl kein Befragter von einem eskalierenden Effekt der Bodycam berichtete, so wurde aber wiederholt in den Inter views mitgeteilt, dass der Hinweis auf das Mitführen der Bodycam ergebnislos blieb. Ein Polizist schilderte einen solchen Fall wie folgt: „Da habe ich es angedroht und wollte es einsetzen (…) Da hat es nichts genützt und der ist nicht unter Drogen gestanden (…) Aber den hat das gar nicht beeindruckt, dem war das eigentlich scheißegal.“ Dass die Zustimmung zur Schutzwirkung zurückgeht, könnte daher damit erklärt werden, dass die Hoffnungen, die die Polizistinnen und Polizisten zu Beginn des Pilotprojekts an dieses Einsatzmittel gek nüpft haben, an die Realität angepasst wurden, in der sich teils schützende Wirkungen gezeigt haben, teils aber auch nicht.
Für die Veränderung der Einschätzung zur missbräuchlichen Nutzung (Mittelwert von 3,47 auf 3,78; Tabelle A1, Seite 37) lässt sich ebenfalls eine Begründung auf Basis der qualitativen Interviews liefern. Ei n spezif isches Vorkom m n is dü r f te hierfür eine entscheidende Rolle gespielt haben. Kurz nach Beginn des Pilotprojekts wurden irrtümlich mit der Bodycam getätigte Aufnahmen, auf denen sich ein Fehlverhalten eines Polizisten zeigte, von Vorgesetzten gesichtet und zum Anlass für eine Aussprache genutzt. Dieses Vorkommnis wurde in allen beteiligten Wachen diskutiert und führte dazu, dass mögliche Nachteile des Einsatzes von Bodycams verstärkt in Betracht gezogen wurden, wobei sich konsequenter Weise, wie bereits angesprochen, vor allem die Einschätz u ng zur Aussage „Bodycams
können von Vorgesetzten genutzt werden, um nach Hinweisen zu suchen, die gegen einen Polizisten verwendet werden können“ verändert hat. In einem Interview w u rde das Vorkomm nis wie folgt beschrieben: „Es wurde ja gesagt, diese Videos werden nicht angeschaut. Es wurden aber dann diese Videos angeschaut und man hat diese Polizisten dann quasi mehr oder weniger zur Rechenschaft gezogen wegen einem privaten Gespräch, das vorgängig auf dieser Kamera war. Und das hat natürlich sehr für Unmut gesorgt. (…) Die, die natürlich schon negativ darauf eingestellt waren, für die war es natürlich bestätigend, und die anderen haben das natürlich auch nicht goutiert (…) [Interviewer: ,Aber es wurde zum Thema in der ganzen Wache?‘] Ja, in der ganzen Stadt.“
Auch wenn letztlich die Aussage, dass eine Polizistin bzw. ein Polizist wegen auf der Bodycam festgehaltener Äußerungen „zur Rechenschaft“ gezogen worden ist, nicht stimmt – es kam zu einer Aussprache, die keine Sanktionen nach sich zog –, so hat sich die Erzählung über dieses Vorkommnis rasch ausgebreitet und die Einstellungen der Polizistinnen und Polizisten geprägt. Zugleich scheinen nicht nur die Einstellungen betroffen zu sein. Berichtet wurden auch Verhaltensänderungen dahingehend, dass die Bodycam nicht mehr bei Verlassen der Wache angeschaltet wurde, sondern erst dann, wenn es auf Gr u nd der Situation als nötig erachtet wurde. Ein Befragter teilte bspw. mit: „Also ich stelle sie ein, sobald ich sie anschnalle, also noch auf der Wache. Ich habe jetzt aber schon bei Kollegen beobachtet, dass sie sie draußen auf der Streife noch nicht eingeschaltet hatten, sondern erst, wenn sie zum Einsatz gehen. Wahrscheinlich aus dem Grund, dass halt alles aufgezeichnet wird, was man redet.“ Diese veränderte Praxis könnte sich in mindestens zweifacher Weise negativ auswirken: Einerseits müssen die
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Polizistinnen und Polizisten die Bodycam im Einsatz doppelt einschalten (erstens die Ringspeicheraufnahme und zweitens die Aufnahme, die dauerhaft gespeichert wird), was wichtige Zeit für andere Maßnah men kosten kön nte. A ndererseits könnten dadurch wichtige Beweise verloren gehen. Die Bodycams waren mit Ringspeichern ausgestattet, d.h. sie machten, sobald sie angestellt wurden, sowohl Bildals auch Tonaufnahmen. Diese wurden allerdings alle 30 Sekunden überspielt. Erst wenn das Speichern der Aufnahme durch den Polizisten angestellt wurde, wurden die (vorherigen) 30 Sekunden sowie alle darauffolgend aufgezeichneten Informationen dauerhaft gespeichert (bis zum Ausstellen der Aufzeichnung). Wenn in einer Situation zunächst die Ringspeicheraufnahme aktiviert werden muss, fehlen Aufzeichnungen zu den 30 Sekunden vorher.
3.2.2. Panelauswertungen Die Panelstichprobe von 212 Polizistinnen und Polizisten erlaubt es ebenfalls, die Frage der Erklärung der Veränderung zu untersuchen, wobei anhand dieser Stichprobe sogar Kausalanalysen möglich sind. In der Stichprobe sinkt die allgemeine Einstellung zu Bodycams (Mittelwert) signifikant von 3,80 bei der ersten Befragung auf 3,57 bei der zweiten Befragung (p < .01). Gleichzeitig korreliert die Einschätzung zur ersten Befragung mit der zur zweiten Befragung zu r = .64. Die allgemeine Einstellung zu Bodycams ist damit ein recht zeitstabiles Merkmal.
Anhand der Panelstichprobe soll an dieser Stelle nur geprüft werden, ob sich die drei identifizierten Einflussvariablen der allgemeinen Einstellu ng z u Bodycams (Schutzwirkung, gutes Beweismittel, missbräuchliche Nutzu ng) auch im Längsschnitt als relevante Faktoren erweisen, was die oben berichteten Ergebnisse der Trendauswer t ungen stützen w ürde. In
Tabelle 2 (siehe Seite 34) sind hierfür die Ergebnisse von zwei linearen Regressionsanalysen abgebildet. Modell I geht der Frage nach, inwieweit die drei genannten bodycambezogenen Einstellu ngen zum Zeitpunkt der ersten Befragung die allgemeine Bef ür wor tung von Bodycams zur zweiten Befragung vorhersagen. Auf Grund des zeitlichen Abstands zwischen beiden Befragungen wird damit die Frage beantwortet, ob diese Einstellungen tatsächlich Einflussfaktoren darstellen. Die Ergebnisse bestätigen dies: Befragte, die zur ersten Befragung Bodycams eine hohe Schutzwirkung attestierten, die darin ein Mittel der besseren Beweissicherung sahen und die eine geringe Gefahr der missbräuchlichen Nutzung wähnten, äußerten zur zweiten Befragung mehr Zustimmung zu Bodycams allgemein. Insbesondere die vermutete Schutzwirkung und die Beweismitteleigenschaft erweisen sich dabei als relevant für die ein halbes Jahr später geäußerte allgemeine Einstellung zu Bodycams.
Das Modell II untersucht die Zusammen hänge zwischen Differen zmaßen. Obwohl die allgemeine Einstellung zu Bodycams zeitlich stabil ist, gibt es doch intraindividuelle Veränderungen. Für die Analyse wurde die Einstellung zur ersten Befragung von der Einstellung zur zweiten Befragung abgezogen. Gleiches wurde für die anderen drei Einstellungsmaße getan. Mit diesen Variablen kann untersucht werden, ob die Veränder ung der allgemeinen Einstellung mit gleichgerichteten Veränderungen bei den anderen drei Einstellungen einhergeht. Dies ist wiederum deutlich der Fall: Wenn die Einstellung zur Schutzwirkung bzw. zur Beweissicherung zurückgeht, geht auch die Einstellung zu Bodycams allgemein zu r ück; daneben geht diese Einstellung zurück, wenn die Einstellung zur missbräuchlichen Nutzung steigt. Beide Analysen unterstreichen da
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Quelle: Baier/Manzoni
Modell I: Befürwortung
allgemein Befragung 2
Modell II: Differenz
Befürwortung allgemein
Befragung 1 und 2
Schutzwirkung/Differenz Befragung 1 und Befragung 2 .35 *** .38 ***
gutes Beweismittel/Differenz Befragung 1 und Befragung 2 .26 *** .27 ***
missbräuchliche Nutzung/Differenz Befragung 1 und Befragung 2 -.15 * -.30 ***
N 211 209
R2 0.328 0.359
* p .05, ** p .01, *** p .001
Tab. 2: Einflussfaktoren der Einstellungen zu Body-cams allgemein (OLS-Regression, standardisierte Koeffizienten)
mit, dass die d rei bodycambezogenen Einstellungen bzw. deren Veränder ung bedeutsam sind für die Einstellungen zu Bodycams allgemein.
exkurS: ergeBniSSe zuM gewalteinSatz auf BaSiS DeS ranDoMiSierten exPeri-MentS Tabelle A1 im Anhang (siehe Seite 37) macht bereits darauf aufmerksam, dass es im Rahmen des Pilotprojektzeitraums zu einem Rückgang des Gewaltauf kommens gekommen ist: Der Anteil an Befragten, die mindestens einmal pro Woche verbale Gewalterfahrungen berichtet haben ( jeweils bezogen auf die letzten sechs Monate vor der Befrag ung), ist von 21 auf 19 % gesunken, der Anteil an Bef rag ten m it physischen Gewalterfahrungen von 42 auf 36 % . Dass ein Polizist einen Bürger angezeigt hat, bestätigten zur ersten Befragung 45 % , zur zweiten Befragung 42 %; dass ein Bürger Beschwerde erhoben bzw. Anzeige erstattet hat, ist ebenfalls seltener berichtet worden (von 12 auf 9 %). Obwohl all diese Indikatoren auf einen Rückgang der Gewalt hindeuten, werden diese nicht als signifikant ausgewiesen. Im Zeitraum des
Pilotprojekts, der mit der zweiten Befragung abgedeckt wurde, ist es also nur der Tendenz nach zu einem Gewaltrückgang gekommen.
Die Befragungsdaten liefern jedoch nur einen ersten Hinweis auf mögliche Veränderungen durch den BodycamEinsatz. Um den Einfluss der Bodycams über solch eine Befragungsstudie zu untersuchen, wäre es notwendig gewesen, in vergleichbaren Wachen Zürichs oder anderer Städte, in denen keine Bodycams zum Einsatz kamen, zu den gleichen Zeitpunkten Befragungen durchzuführen. Denkbar ist, dass es einen generellen Trend des Gewaltrückgangs gibt, der sich auch in anderen Wachen zeigen würde. Auf solch eine Vergleichsbefragung wurde jedoch zu Gunsten eines echten experimentellen Tests des Einsatzes von Bodycams verzichtet.
Dieses Experiment war derart angelegt, dass in denselben Wachen, in denen Befragungen durchgeführt wurden, in geraden Wochen Bodycams von den Streifen eingesetzt wurden, in ungeraden Wochen nicht. Am Ende eines Streifendiensts waren von den Polizistinnen und Polizisten des Einsatzteams Kurzfragebögen auszufüllen, in denen u.a. die erlebte Gewalt wäh rend möglicher Einsätze sowie die eingesetzten polizeilichen Maßnahmen (inkl. körperliche Maßnahmen) berichtet werden sollten. Der Vergleich der geraden mit den ungeraden Wochen und damit der Vergleich von Einsätzen mit und ohne Bodycams ermöglicht eine Aussage über die Wirksamkeit der Bodycams. Insgesamt können in diesen Vergleich 8.108 Einsätze einbezogen werden, die ohne Bodycams durchgeführt wurden; demgegenüber stehen 7.727 Einsätze mit Bodycams.
Die Ergebnisse des Vergleichs belegen erstens, dass Gewalt ein sehr seltenes Ereignis ist: In 0,5 % aller Einsätze kam es bspw. zu physischer Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten (Schubsen /Stoßen
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bzw. Schlagen /Treten). Zweitens ergibt sich für die Einsätze mit Bodycams eine insgesamt etwas niedrigere Gewaltrate: So berichten die Polizistinnen und Polizisten seltener vom Erleben physischer Gewalt (0,38 % mit Bodycam vs. 0,58 % ohne Bodycam); zum anderen werden in diesen Einsätzen seltener polizeiliche Maßnahmen angedroht (2,52 zu 2,96 %). Auch kommt es in BodycamEinsätzen seltener zu verbaler Gewalt gegenüber den Polizistinnen und Polizisten wie diese selbst seltener zum Einsatz bestimmter Maßnahmen greifen. All diese Unterschiede werden aber bei p < .05 als nicht signifikant ausgewiesen, weshalb auch die Ergebnisse des Experiments nur der Tendenz nach auf eine Reduktion der Gewalt durch BodycamEinsatz hindeuten.7 Die Unterschiede sind zugleich nicht trivial: Auf Basis einer Hochrechnung lässt sich bspw. schätzen, dass durch Einsatz von Bodycams ca. 47 Gewaltübergriffe jährlich auf Polizistinnen und Polizisten verhinder t werden könnten.
4. DiSkuSSion Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass Bodycams sehr unterschiedlich bewertet werden. Die technischen Eigenschaften und die erweiterten Möglichkeiten der Beweismittelsicherung werden von fast allen Polizistinnen und Polizisten geschätzt. Dass sie vor Gewalt schützen, meinen hingegen deutlich weniger Befragte; einen positiven Einfluss auf das eigene Verhalten sieht die deutliche Mehrheit der Befragten nicht. Alles in allem befürworten dennoch mehr als die Hälfte der Polizistinnen und Polizisten die Bodycams. Männliche und weibliche Bef ragte u nterscheiden sich bzgl. dieser Einschätzung nicht. Festzustellen ist aber, dass ältere Befragte und Befragte in Leitungsfunktion signifikant positiver eingestellt sind. Warum jüngere, eigentlich gemeinhin als technikaff iner
eingestufte Polizistinnen und Polizisten kritischer gegenüber Bodycams eingestellt sind, kann an dieser Stelle nicht mit Sicherheit gesagt werden. Denkbar ist, dass sie noch weniger Einsatzroutine, ausgebildet haben und befürchten könnten, dass durch die BodycamNutzung häufiger Fehler im Einsatz sichtbar werden.
Im Vergleich der beiden Befragungszeitpunkte, die etwas länger als ein halbes Jahr auseinanderlagen, sinkt die Zustimmu ng z u Bodycams sig nif i k ant. Ei ne mögliche Erklärung hierfür ist, dass die im Pilot projek tzeit raum gesam melten Erfahrungen nicht immer den ursprünglichen Hoffnungen entsprochen haben und bspw. die gewaltreduzierende Wirkung im Handeln des polizeilichen Gegenübers nicht immer festgestellt werden konnte. Zu beachten ist daneben, dass es im Verlauf des Pilotprojekts ein für die Einstellungen der Polizistinnen und Polizisten relevantes Vorkommnis gegeben hat, welches dadurch gekennzeichnet war, dass irrtümlich getätigte Videoaufnahmen8 Anlass für eine Aussprache eines Polizisten mit dem Vorgesetzten waren. Dieses Vorkommnis bestätigte die Sorge, dass Bodycams primär der Kontrolle des Verhaltens der Polizistinnen und Polizisten dienen.
Gleichwohl ist zu beachten, dass sich trotz dieses Vorkommnisses und insbesondere trotz der Erzählungen, die sich dazu verbreiteten9, noch immer mehr als die Hälfte der Befragten nach Abschluss des Pilotprojekts für Bodycams aussprachen: Der Aussage „Alles in allem befürworte ich den Einsatz von Bodycams“ stimmten 58,5 % der Befragten zu. Es kann also keinesfalls gefolgert werden, dass es eine generelle Skepsis gegenüber Bodycams gibt, motiviert dadurch, dass sich die Polizistinnen und Polizisten nicht kontrollieren lassen möchten.
Was die Polizistin nen und Polizisten beschäftigt, ist damit weniger, dass ihr
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Verhalten durch Einsatz der Bodycams kontrolliert werden kann. Festzustellen ist vielmehr eine Unsicherheit darüber, wie sich Privatheit und soziales Miteinander unter Einf luss der Bodycam veränder n könnten. Für ihr berufliches Handeln haben die Polizistinnen und Polizisten geschulte Praktiken; d.h. sie wissen, wie sie das Gegenüber ansprechen, wie sie sich in gefährlichen Situationen verhalten usw. – mit dem Filmen dieser Praktiken haben sie weniger Probleme. Wenn es aber um das weitere alltägliche Handeln geht, bspw. die private Unterhaltung mit dem Kollegen, erscheint die Möglichkeit, dass diese gefilmt werden könnten, für Polizistinnen und Polizisten problematisch. Ein Vergleich mit anderen Berufsgruppen kann dies illustrieren: Würden es bspw. Lehrerinnen und Lehrer sicher zu einem nicht geringen Anteil als Zumutung ansehen, dass ihr Unterrichten in der Klasse gefilmt wird, so würden sie der Aufzeichnung von Gesprächen im Lehrerzimmer höchstwahrscheinlich unisono widersprechen. Genau dieser Bereich ist durch die Bodycams aber betroffen: „Es ist allgemein, auch mit diesen 30 Sekunden vorher, die totale Überwachung von einem selbst, wir sind ja dann auch total über wacht, soz usagen. Und wir haben keine Privatsphäre mehr“, wie sich ein Befragter in sicherlich übertriebener Weise ausdrückt. Und dies hat bereits Folgen für das soziale Miteinander: In der Befragung hat sich gezeigt, dass die soziale Kohäsion im Pilotprojektzeitraum sinkt. Und ein Befragter for muliert: „Also das Soziale hat sich soweit verändert, dass wenn die Bodycam dabei ist und egal wo sie ist, auch wenn sie ganz ausgeschaltet ist, man zurückhaltender geworden ist. Man fühlt sich unsicher, man fühlt sich beobachtet.“
Darauf hin hat sich teilweise bereits eine neue Praxis herausgebildet, nach der die Bodycams nicht mehr angestellt werden, wenn die Wache verlassen wird, sondern erst dann, wenn sie tatsächlich im Einsatz benötigt wird.
An dieser Stelle soll nicht weiter darüber diskutiert werden, ob die Sorge der Polizistinnen und Polizisten berechtigt ist, ob es während des Polizeidiensts überhaupt Privatheit gibt oder geben kan n bzw. diese ein schützenswertes Gut darstellt; ebenso wenig kann es hier weiter darum gehen, Vor und Nachteile der beobachteten Änderungen der Praxis zu bewerten. Entscheidend ist, dass das Verhältnis von Privatheit und Berufsausübung durch die Bodycams neu bestimmt wird und dies für die Polizistinnen und Polizisten augenscheinlich wichtig ist und daher bei der Implementation von Bodycams ausreichend Aufmerksamkeit erhalten sollte. In welcher Form dies geschehen kann, lässt sich den Interviews entnehmen. So äußert ein Befragter: „Dass man ganz klar nochmal tiefer darauf eingehen müsste, was passiert wirklich mit den Aufnahmen. Wer schaut sie an, wofür werden sie gebraucht, was wird nicht angeschaut, von welcher Stufe wird es angeschaut, wer darf es wie, wo und wann anschauen.“ Eine anderer Befragter for muliert ähnlich: „Aber es müsste dann eigentlich klar geregelt sein, dass etwas, das nicht zum Delikt gehört, in einem gewissen überwachten Stadium weggeschnitten werden würde, sodass das dann gar nicht als Beweismittel zugelassen werden würde.“ Insgesamt geht es damit um klarere Regelungen zum Umgang mit Videomaterial, letztlich also darum, dass einem „Polizisten kein Nachteil entstehen [darf ], nur weil er eine Bodycam hat“.
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Anhang Quelle: Baier/Manzoni
Mittelwert 1. Befragung
Mittelwert 2. Befragung
Signifikanz Unterschied
Befürwortung allgemein 3.73 3.52 * Schutzwirkung 3.44 3.14 *** gute technische Eigenschaften 4.94 5.06 * gutes Beweismittel 4.44 4.28 * Beeinträchtigung im Einsatz 3.28 3.20 missbräuchliche Nutzung 3.47 3.78 ** positiver Einfluss auf Polizei 2.77 2.61 erhöhen Ansehen in Bevölkerung 3.18 3.08 Reduzierung Beschwerden 3.36 3.15 * mind. einmal pro Woche verbale Gewalterfahrungen 0.21 0.19 mind. einmal physische Gewalterfahrungen 0.42 0.36 Polizist hat Bürger angezeigt 0.45 0.42 Bürger haben Beschwerde erhoben/angezeigt 0.12 0.09 Gewalteinstellungen 3.14 3.15 mindestens einmal pro Woche allgemeine organisationale Anforderungen 0.69 0.77 * mindestens einmal pro Woche Zusatzdienstanforderungen 0.86 0.88 mindestens einmal pro Woche operative Anforderungen 0.68 0.75 Depersonalisation 2.83 2.86 reduziertes Wirksamkeitserleben 2.84 2.80 soziale Kohäsion 5.29 5.17 * organisationales Commitment 4.83 4.87 Befürwortung bürgerorientierte Polizeiarbeit 4.79 4.81 Wahrgenommener Anstieg der Gewalt 4.99 4.93 Furcht vor Übergriffen 3.29 3.22 Forderung nach härteren Strafen 5.54 5.39 ** gute Zusammenarbeit mit Staatsanwaltschaft 3.62 3.69 * p < .05, ** p < .01, *** p < .001
Tab. A1: Mittelwerte verschiedener Erhebungsvariablen
1 Eine ebenfalls wichtige Frage ist, wie die
Bevölkerung die Einführung von Body
cams sieht. Da im Rahmen des nachfolgend
vorgestellten empirischen Forschungspro
jekts hierzu keine repräsentativen Daten
erhoben wurden – befragt wurde nur eine
kleine Stichprobe an Gewerbetreibenden
in zwei Stadtteilen Zürichs – wird auf die
se Frage hier nicht weiter eingegangen.
USamerikanische Studien zeigen, dass
ein Großteil der Bevölkerung für die Ein
führung von Bodycams ist (vgl. u.a. Sousa
et al. 2015). Auch in einer im Jahr 2016
durchgeführten Bevölkerungsbefragung in
Zürich hat sich gezeigt, dass die Einwoh
nerinnen und Einwohner relativ offen ge
genüber dem BodycamEinsatz eingestellt
sind (Stadt Zürich 2016).
2 Für die Möglichkeit, eine solche Studie
durchzuf ühren, ebenso wie für die Fi
n a n z ie r u ng, d a n k e n die Au to re n de r
S ta d t p oli z e i Z ü r ich , n a m e n tli ch d e m
Kommandanten Daniel Blumer und dem
d a m alige n Polize ivor steh e r / S ta dt rat
Richard Wolff. Zeitgleich wurde von der
SBB Transportpolizei an den Standorten
Zürich und Lausanne ein vergleichbares
Pilotprojekt umgesetzt, welches ebenfalls
von den Autoren evaluiert wurde. Die Er
gebnisse dieses Projekts werden an die
ser Stelle nicht vorgestellt (vgl. Manzoni/
Baier 2018 ), da sich die polizeilichen
Au fga be n z wi sc h e n S ta dt p oli zei u n d
Transportpolizei z.T. unterscheiden. An
dieser Stelle bedanken sich die Autoren
aber auch bei der SBB Transportpolizei,
namentlich beim damaligen Komman
danten Jürg Monhart, für die Durchfüh
rung der Evaluation dieses Pilotprojekts. 3 Cronbachs Alpha als Maß der Reliabili
tät liegt zwischen .57 und .94. 4 Hierbei handelt es sich um Leitfaden
int e r v ie ws. D ie se fa n d e n i n d e n be
t reffenden Wachen stat t und da uerten
durch schnit tlich ca. 45 Minuten . D ie
Audio Aufzeichnungen w urden t rans
k r ibiert und inhaltsanalyt isch zu sam
m e n fa s s e n d a u sge we r t e t . In sge sa m t
wurden 12 Polizistinnen und Polizisten
interviewt, davon neun der Stadtpolizei.
Unter den Inter viewteilnehmern waren
elf Polizisten und eine Polizist in . D ie
Altersspanne reichte von 27 bis 56 Jahre. 5 Ein weiteres Zitat zu diesem Punkt lau
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tete: „Was ich gemerkt habe, ist, dass
wenn man weiß, dass die Bodycam da ist,
dass man viel aktiver auf die Wortwahl
achtet. Das ist nicht zwingend positiv, das
kann auch verkrampfend sein.“ 6 Dass bei weiblichen Befragten trotz
insgesamt stärkeren Rückgangs die Ver
änderung als nicht signif ik ant ausge
wiesen wird, ist der deutlich geringeren
Fallzahl geschuldet. 7 Es ist zugleich darauf hinzuweisen,
dass dem Kriterium der Signifikanz auf
Grund der Untersuchungsanlage eine
geringere Bedeutsamkeit zufällt. Bei den
untersuchten Einsätzen handelt es sich
nicht um eine Stichprobe aus allen Ein
sätzen – in solch einem Stichprobenfall
wäre die Signifikanz von entscheidender
Bedeutung. Erhoben wurden stattdessen
mehr oder weniger alle Einsätze im Pilot
projek tzeit raum , so da ss der Unter
schied in der Grundgesamtheit ermittelt
und k ein Stichprobenunterschied mit
mehr oder weniger großer Irrtumswahr
scheinlichkeit in der Grundgesamtheit
geschätzt wurde. 8 Irrtümlich waren die Aufnahmen, weil
keine „straf bare Handlung“ vorlag bzw.
„eine physische oder verbale Eskalation
unmittelbar“ bevorstand (Stadt Zürich
2016a). 9 Eine Schilderung in den Inter views
zum Vork ommnis lautete bspw. „Ich
habe mitgekriegt, dass einer scheinbar
etwas Falsches geäußert hat. Was sonst
noch vorgefallen ist, weiß ich nicht, und
darum den Job verloren hat“ – was eine
de utliche Ü bert reibu ng des tatsäch
lichen Geschehens darstellt.
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