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Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhangigkeit von der verfahrenstechnischen Durchfuhrung der Vor- und Erstarrungskristallisation" Von M. Bueb, K. Becker und R. Heiss"" Die unerwiinschte Fettreifbildung von' Schokolade ist auf eine Namkristallisation des Kakaofettes wahrend der Lagerung zu- riickzufiihren. Durch systematische Versuche wurde geklart, in welder Weise die Fettreifbildung von der Durchfiihrung der Vor- und Erstarrungskristallisation abhiingt. Es wurde gefun- den, daD die Schokolade umso fettreifbestandiger ist, je grober der bereits wahrend der Vorkristallisation auskristallisierte Fettanteil ist. Die erhohte Fettreifbestandigkeit stark vorkristal- lisierter Schokoladen laDt sich dadurch erklaren, daJ3 bereits wahrend der Vor- und Erstarrungskristallisation das Kakao- fett in einen stabilen Kristallzustand iibergefiihrt wurde. Dependence of Bloom-Formation in Chocolate from TeBnical Operation of Pre-Crystallization and Solidification The undesired bloom-formation in chocolate is caused by post-crystallization of cocoa fat during storage. Experiments were carried out systematically in order to reveal, in what manner the bloom-formation is dependent on pre-crystallization and solidification operations. It was found that chocolate is more resistent to bloom-formation, higher the amount of fat that crystallizes out during pre-crystallization. Increased stabi- lity of strongly pre-crystallized chocolate with respect to bloom- formation is due to transformation of cocoa fat into a stable crystalline state, already during pre-crystallization and solidi- fica tion. 1. P r o b l e m s t e l lung Es ist eine bekannte Tatsache, dai3 dunkle Schoko- laden (Bitterschokoladen) dam neigen, wahrend der Lagerung einen hellgrauen, unschonen Oberflachenbelag zu bilden, den sogenannten Fettreif l. Diese Erscheinung tritt besonders haufig bei schokoladenuberzogenen, z. B. nuflfetthaltigen Kernen (Pralinen) auf, die in Raumen iiberhohter Temperatur gelagert wurden. Der Fettreif stellt einen Qualitatsverlust des Schokoladenproduktes dar, weil der Kaufer den negativen Eindrudr gewinnen kann, da5 die Ware ,,alt" oder ,,verschimmelt" sei. Fur den Schokoladenverarbeiter ergibt sich damit der Wunsch, eine moglichst fettreifbestandige Schokolade herzustellen. Seit langem weifl man, dai3 die Neigung zur Fettreif- bildung von der Art der Schokoladenverarbeitung ab- hangt. Bekanntlich besteht dunkle Schokolade im auf- geschmolzenen Zustand aus flussigem Kakaofett (Kakao- Auszug aus der von der Fakultat fur Maschinenwesen und Elektrotechnik der Technischen Universitat Munchen zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktor-Ingenieurs genehmigten Dissertation uber .Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhangigkeit von der verfahrenstechnischen Durchfuhrung der Vor- und Erstarrungskristallisation' des Dip1.-Ing. Hans Michael Bueb. Berichterstatter: Prof. Dr.- Ing. habil. R. Heiss und Prof. Dr.-Ing. A. Mersmann. Die Dissertation wurde am 11. 5. 71 bei der Technischen Uni- versitit Munchen eingereicht und d u d die Fakultat fur Maschinenwesen und Elektronik am 4. 7. 71 angenommen. Tap der Promotion: 9. 7. 71. "'Arkhrift der Verfasser: Dr. M. Bueb, Dr. K. Beder und Prof. Dr.-Ing. habil. R. Heiss, Institut fur Lebensmittel- technologie und Verpadcung an der Technischen Universitat Miinhen, 8 Miinchen 50, SchragenhofstraBe 35. H. Fin&, Handbuch der Kakaoerzeugnisse, 2. Aufl., Sprin- ger-Verlag, Berlin 1965. FETTE . SEIFEN . ANSTRICHMITTEL 74. Jahrgang Nr. 2 19f2 Le blan&ient gras du chocolat en fonction de la tedmique de r6alisation de la cristallisation pr6limineire et de eolidifi- cation L'indksirable blanchiment gras du chocolat est attribuable 1 une post-cristallisation du beurre de cacao pendant le stockage. Par des essais systematiques, on a elucide la question de savoir comment le blanchiment gras depend de la realisation de la cristallisation preliminaire et de solidification. On a trouve que le chocolat Btait d'autant plus resistant au blan- chiment gras que la proportion de graisse cristallisee d& la cristallisation preliminaire Btait plus grande. XupoBoe nocefieme molconafia B ~~BNCUMOCTU OT TexHulcu npu ~~CT~IBB~HUU. HexcenaTenmoe xupoaoe nocefieHue uroKonaAa BLI~~I- BaeTca fiOIIOJIHUTeJIbHOft lcpnc~annwsaquef4 Kalcao-Mama BbIscHeHo, lcan ~~BUCUT xcupoBoe noceAeHue OT cnoco6a npepapwTenbHofi 3a~sep~esamqefi ~puc~anna3aqwu. mupoBoro noceAeHus, YeM 6onbrue AOJM mepa, BbrnaAalo- 4asl yxce B xofie npe,qsapuTenbHofi ~puc~annuaaquu. ~OBMIJJ~HHY~ CTO~ICOCT~ molconafia c nosmueHHofi npeA- llpefiBapUTenbH0fi lcpUCTajrJlU3aqUU W KpUCTaJlJlU3aqUU BO BpeMsI CKJlaAUpOBaHUsl. CUCTeMaTWBeCKUMU OnblTaMU YCTaHOBJleHO, rITO luOKOJlafi TeM 6onee YCTOf49UB n p 0 T U B BapUTeJIbHOfi KpUCT~JIU3aqUefi n p O T U B XCUPOBOI'O nOCe- AeHUSl MOXHO 06'6SICHUTb TeM, YTO yXf3 BO BpeMsI npeaBa- PUTenbHOfi KpUCTWInU3aqliU €4 KpUCTajrJIU3aqU n p U 3aCTbl- BaHUU KaKaO-MaCJIO IlepeBOAUTCsI B yCTOfiqUBOe IcpUCTa.1- mrIecuoe CocToaHne. butter), in dem Kakao- und Zudterteilchen suspendiert sind. Der Wechsel der Schokolade vom fliissigen in den festen Zustand ist dadurch moglich, dai3 das Kakaofett bei Abkuhlung auskristallisiert und die Masse erstarrt (Erstarrungskristallisation). Da die Kristallisation des Kakaofettes sehr gehemmt verlauft, ist es nicht moglich, die Schokolade beispielsweise einfach in eine Form zu vergieflen und darin abzukuhlen. Sie wurde erst nach sehr langer Zeit zu einer inhomogen auskristallisierten, unansehnlichen Masse erstarren. Deshalb mu5 die Er- starrungskristallisation durch das Verfahren der soge- nannten Vorkristallisation eingeleitet werden. Das Ziel der Vorkristallisation besteht darin, in entsprechender Verteilung in der Schokoladenmasse eine genugend groi3e Zahl von Fettkristallkeimen zu erzeugen, damit nach dem VergieBen die Erstarrungskristallisation rela- tiv ungehemmt einsetzt und ablauft. Der Kristallzustand des Kakaofettes in der erstarrten Schokolade ist einer- seits davon abhangig, in welcher Weise und mit wel- chem Ergebnis die Vorkristallisation durchgefuhrt und andererseits davon, mit welder Geschwindigkeit die vorkristallisierte Masse gekuhlt, d. h. zum Erstarren gebracht wurde. Die Neigung der Schokolade zur Fett- reifbildung ist unmittelbar mit dem Kristallzustand des Kakaofettes gekoppelt, da die Entstehung des Fettreifes - allgemein gesprochen - darauf zuriidcgefuhrt wer- den kann, dai3 sich das Kakaofett nach dem Erstarren noch nicht in einem thermodynamisch stabilen Zustand befindet und wahrend der Lagerung nachkristallisiert. In der Literatur wurde bereits mehrfach die Frage behandelt, wie die Vorkristallisation und die Kiihlung (Erstarrungskristallisation) der Schokolade durchgefuhrt werden mussen, um einen stabilen Kristallzustand des Kakaofettes bzw. eine fettreifbestandige Schokolade zu 101

Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhängigkeit von der verfahrenstechnischen Durchführung der Vor- und Erstarrungskristallisation

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Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhangigkeit von der verfahrenstechnischen Durchfuhrung der Vor- und Erstarrungskristallisation"

Von M . B u e b , K . B e c k e r und R . H e i s s " "

Die unerwiinschte Fettreifbildung von' Schokolade ist auf eine Namkristallisation des Kakaofettes wahrend der Lagerung zu- riickzufiihren. Durch systematische Versuche wurde geklart, in welder Weise die Fettreifbildung von der Durchfiihrung der Vor- und Erstarrungskristallisation abhiingt. Es wurde gefun- den, daD die Schokolade umso fettreifbestandiger ist, je grober der bereits wahrend der Vorkristallisation auskristallisierte Fettanteil ist. Die erhohte Fettreifbestandigkeit stark vorkristal- lisierter Schokoladen laDt sich dadurch erklaren, daJ3 bereits wahrend der Vor- und Erstarrungskristallisation das Kakao- fett in einen stabilen Kristallzustand iibergefiihrt wurde.

Dependence of Bloom-Formation in Chocolate from TeBnical Operation of Pre-Crystallization and Solidification

The undesired bloom-formation in chocolate is caused by post-crystallization of cocoa fat during storage. Experiments were carried out systematically in order to reveal, in what manner the bloom-formation is dependent on pre-crystallization and solidification operations. It was found that chocolate is more resistent to bloom-formation, higher the amount of fat that crystallizes out during pre-crystallization. Increased stabi- lity of strongly pre-crystallized chocolate with respect to bloom- formation is due to transformation of cocoa fat into a stable crystalline state, already during pre-crystallization and solidi- fica tion.

1. P r o b l e m s t e l l u n g Es ist eine bekannte Tatsache, dai3 dunkle Schoko-

laden (Bitterschokoladen) dam neigen, wahrend der Lagerung einen hellgrauen, unschonen Oberflachenbelag zu bilden, den sogenannten Fettreif l. Diese Erscheinung tritt besonders haufig bei schokoladenuberzogenen, z. B. nuflfetthaltigen Kernen (Pralinen) auf, die in Raumen iiberhohter Temperatur gelagert wurden. Der Fettreif stellt einen Qualitatsverlust des Schokoladenproduktes dar, weil der Kaufer den negativen Eindrudr gewinnen kann, da5 die Ware ,,alt" oder ,,verschimmelt" sei. Fur den Schokoladenverarbeiter ergibt sich damit der Wunsch, eine moglichst fettreifbestandige Schokolade herzustellen.

Seit langem weifl man, dai3 die Neigung zur Fettreif- bildung von der Art der Schokoladenverarbeitung ab- hangt. Bekanntlich besteht dunkle Schokolade im auf- geschmolzenen Zustand aus flussigem Kakaofett (Kakao-

Auszug aus der von der Fakultat fur Maschinenwesen und Elektrotechnik der Technischen Universitat Munchen zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktor-Ingenieurs genehmigten Dissertation uber .Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhangigkeit von der verfahrenstechnischen Durchfuhrung der Vor- und Erstarrungskristallisation' des Dip1.-Ing. Hans Michael Bueb. Berichterstatter: Prof. Dr.- Ing. habil. R. Heiss und Prof. Dr.-Ing. A. Mersmann. Die Dissertation wurde am 11. 5 . 71 bei der Technischen Uni- versitit Munchen eingereicht und d u d die Fakultat fur Maschinenwesen und Elektronik am 4. 7. 71 angenommen. Tap der Promotion: 9. 7. 71.

"'Arkhrift der Verfasser: Dr. M . Bueb, Dr. K . Beder und Prof. Dr.-Ing. habil. R. Heiss, Institut fur Lebensmittel- technologie und Verpadcung an der Technischen Universitat Miinhen, 8 Miinchen 50, SchragenhofstraBe 35. H . Fin&, Handbuch der Kakaoerzeugnisse, 2. Aufl., Sprin- ger-Verlag, Berlin 1965.

F E T T E . S E I F E N . A N S T R I C H M I T T E L 74. Jahrgang Nr. 2 19f2

Le blan&ient gras du chocolat en fonction de la tedmique de r6alisation de la cristallisation pr6limineire et de eolidifi- cation

L'indksirable blanchiment gras du chocolat est attribuable 1 une post-cristallisation du beurre de cacao pendant le stockage. Par des essais systematiques, on a elucide la question de savoir comment le blanchiment gras depend de la realisation de la cristallisation preliminaire et de solidification. On a trouve que le chocolat Btait d'autant plus resistant au blan- chiment gras que la proportion de graisse cristallisee d& la cristallisation preliminaire Btait plus grande.

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butter), in dem Kakao- und Zudterteilchen suspendiert sind. Der Wechsel der Schokolade vom fliissigen in den festen Zustand ist dadurch moglich, dai3 das Kakaofett bei Abkuhlung auskristallisiert und die Masse erstarrt (Erstarrungskristallisation). Da die Kristallisation des Kakaofettes sehr gehemmt verlauft, ist es nicht moglich, die Schokolade beispielsweise einfach in eine Form zu vergieflen und darin abzukuhlen. Sie wurde erst nach sehr langer Zeit zu einer inhomogen auskristallisierten, unansehnlichen Masse erstarren. Deshalb mu5 die Er- starrungskristallisation durch das Verfahren der soge- nannten Vorkristallisation eingeleitet werden. Das Ziel der Vorkristallisation besteht darin, in entsprechender Verteilung in der Schokoladenmasse eine genugend groi3e Zahl von Fettkristallkeimen zu erzeugen, damit nach dem VergieBen die Erstarrungskristallisation rela- tiv ungehemmt einsetzt und ablauft. Der Kristallzustand des Kakaofettes in der erstarrten Schokolade ist einer- seits davon abhangig, in welcher Weise und mit wel- chem Ergebnis die Vorkristallisation durchgefuhrt und andererseits davon, mit welder Geschwindigkeit die vorkristallisierte Masse gekuhlt, d. h. zum Erstarren gebracht wurde. Die Neigung der Schokolade zur Fett- reifbildung ist unmittelbar mit dem Kristallzustand des Kakaofettes gekoppelt, da die Entstehung des Fettreifes - allgemein gesprochen - darauf zuriidcgefuhrt wer- den kann, dai3 sich das Kakaofett nach dem Erstarren noch nicht in einem thermodynamisch stabilen Zustand befindet und wahrend der Lagerung nachkristallisiert.

In der Literatur wurde bereits mehrfach die Frage behandelt, wie die Vorkristallisation und die Kiihlung (Erstarrungskristallisation) der Schokolade durchgefuhrt werden mussen, um einen stabilen Kristallzustand des Kakaofettes bzw. eine fettreifbestandige Schokolade zu

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erzielen. Leider konnte das Problem bis heute noch nicht vollstandig geklart werden. Die immer wieder auftre- tenden Schadensfalle an industriell hergestellten Pro- dukten verstarken diesen Eindruck und gaben AnlaS zu der vorliegenden Arbeit.

2. B i s h e r i g e r W i s s e n s s t a n d Nach der fruher vorherrschenden Ansicht kommt es bei

der richtigen Schokoladenverarbeitung darauf an, in der Schokoladenmasse wahrend der Vorkristallisation Fettkristall- keime der stabilen P-Modifikation zu erzielen *-4. Dadurch sollte erreicht werden, dad auch das restliche Kakaofett wah- rend der Erstarrungskristallisation in der P-Modifikation aus- kristallisiert. Man war namlich der Ansicht, dad die Fettreif- bildung eine Folge der Umwandlung des Kakaofettes von der instabilen Vor-p-Modifikation in die stabile P-Modifikation ist, die dann vermieden werden konnte, wenn es gelingt, Schokolade herzustellen, in welcher das Kakaofett bereits un- mittelbar nach der Erstarrung in der P-Modifikation vorliegt. Trotz der zahlreichen Vorschlage, wie dieses Ziel erreicht werden konnte, ist es bis heute nicht gelungen, Schokolade mit Kakaofett in der 0-Modifikation zu erzeugen. Industriell verarbeitete Schokolade weist nahezu ausschliedlich die Vor- p-Modifikation auf 37 59 6. Abgesehen davon kamen K. Becker' sowie H. Witzel und R. Heiss8 zu der Uberzeugung, dad die Polymorphie des Kakaofettes als Ursache fur die Fettreif- bildung ausscheidet, da auch Schokolade, deren Fett in der stabilen P-Modifikation vorliegt, fettreifig werden kann. Nach der Theorie von K. Becker7 ist die Fettreifbildung vielmehr darauf zuruckzufuhren, dad die einzelnen Triglyceride des Kakaofettes eine nur begrenzte Loslichkeit im festen, kristal- linen Zustand miteinander haben. Bei der iiblichen Ver- arbeitung der Schokolade entstehen Mischkristalle, die sich (bei Lagerungstemperatur) in einer Mischungsliidte befinden. Deshalb kann eine Entmischung stattfinden, wobei der Fett- reif eine der neu gebildeten Kristallphasen darstellt. Damit blieb jedoch unklar, wie die Schokolade verarbeitet bzw. wel- cher Kristallzustand angestrebt werden soll, urn eine moglichst fettreifbestandige Schokolade zu erzielen. H . 1. von Dradzen- fels, 1. Kleinert und E. H a n s s a schlugen vor, die Vorkristal- lisation in einem sog. Drudtkiihler bei Temperaturen zwischen etwa 2 1 O - 24O C durchzufuhren, da es nur darauf ankame, in der Masse eine moglichst grol3e Anzahl kleiner Fettkristalle mit einer groden Oberflache zu erzeugen. Ober die Fettreif- bestandigkeit der so verarbeiteten Schokolade wurden keine quantitativen Angaben gemacht. In neueren Arbeiten emp- fiehlt 1. Kleinert lo-l* eine sogenannte zyklothermische Vor- kristallisation. Bei diesem kontinuierlich arbeitenden Ver- fahren wird die vollstindig aufgeschmolzene Schokolade zu-

* A . Hettidz, Neuere Erkenntnisse iiber das Temperieren von Schokolade, Gordian 51, Nr. 1231, 13 [1952]. W . Andersson, Fettreif und Phasenlehre, RIC 17, 550 [ 19621. W. Duck, The Measurement of unstable Fat in Finished Chocolate, Gordian 67, Nr. 1603/1604, 28 [1967]. C . Keil u. A. Hettich. Die Phasenzustande des Cacaofettes, RIC 8, 265 [ 19531. S. V. Vaeck, Kakaobutter und Fettreif, RIC 16, 442 [1961].

7 K . Becker, Ober die Fettreifbildung bei Schokoladen und Pralinen, Fette - Seifen . Anstrichmittel 59, 636 [1957].

8 H . Witzel u. R. Heiss, Untersuchungen iiber die Zusammen- hange zwischen thermodynamische; Stabilitat der Kakao- butter und der Lagerbestandigkeit der Schokolade, Fette Seifen - Anstrichmittel 71, 663 [1969].

8 H . J. von Drachenfels, 1. Kleinert u. E. Hanssen, Neue technologische Erkenntnisse auf dem Gebiet der Fettreif- verhinderung, RIC 17, 405 [1962].

10 /. Kleinert, Kakaobutterkennzahlen in Korrelation zur Vor- kristallisation der Fettschmelze, RIC 19, 446 [ 19641.

11 J. Kleinert, Kakaobutter und Schokoladen. Strukturgefiige in Korrelation zur Vorkristallisation, RIC 25, 162 [1970].

12 1. Kleinert, Kakaobutter und Schokoladen. Strukturgefuge in Korrelation zur Vorkristallisation, RIC 25, 202 [ 19701.

nachst in der 1 . Stufe unter fortwahrendem Riihren auf 25OC abgekuhlt, bis sich eine plastische Konsistenz einstellt. An- schliedend wird sie (zum Aufschmelzen instabiler Fettkri- stalle) auf 33.30 C wiedererwarmt. In einer 3. Stufe erfolgt (zur Anreicherung der hochschmelzenden Kristalllormen) noch- mals eine schonende Kuhlung auf 29.3O C, bis die Masse erneut eine pastenformige Konsistenz aufweist. Erst dann wird die Schokolade in der 4. Stufe auf die endgiiltige Verarbeitungstemperatur gebracht, die nach 1. Kla'nert bei etwa 35O bis 36O C liegt. Auch W. Duck sddug ein ahnliches, allerdings diskontinuierliches Verfahren vor, bei welchem die Schokolade bei wechselnden Temperaturen vorkristallisiert wird. Das Ziel dieses Verfahrens wurde in der Erzeugung von Fettkristallen der P-Modifikation gesehen. 1. Kleinert lP weist jedoch darauf hin, dad auch in einer zyklothermisch vorkri- stallisierten Schokolade das Kakaofett nicht in der p-Modi- fikation vorliegt. Ober die erzielte Fettreifbestandigkeit wur- den keine Angaben gemacht. Auch das in jungerer Zeit emp- fohlene Verfahren der ,Intervall"-Vorkristallisation (Fa. Kreirter & Co.) arbeitet mit wechselnden Temperaturen; da- bei wird die Endtemperatur (Verarbeitungstemperatur) ge- niigend hoch gehalten, um eine hinreichend niedrige und zeit- lich nicht mehr veranderliche Viskositat der Schokolade zu gewahrleisten. Auch iiber dieses Verfahren fehlen in der Literatur bisher nahere Angaben, insbesondere iiber die er- zielte Fettreifbestandigkeit der fertigen Schokolade. Es sol1 an dieser Stelle nicht weiter auf die Vielzahl der iibrigen, empfohlenen Vorkristallisierverfahren eingegangen werden, nicht zuletzt, da in der Literatur oft genaue .4ngaben iiber die Durchfiihrung der Verfahren (Temperaturen, Verweil- zeiten in den Apparaten, Ruhrbedingungen), geschweige denn Angaben iiber die erzielte Fettreifbestindigkeit fehlen.

In der Arbeit von H. Witze l und R. Heissa wurde fest- gestellt, dad die Schokolade mit zunehmendrr Dauer der Vorkristallisation bei 31° C immer fettreifbestandiger wird. Gleichzeitig wurde aus der gemessenen Zunahme der Dichte und der Losungswarme von verschieden lange vorkristalli- sierten Kakaobutterproben geschlossen, dad die "Stabilitat' des Kakaofettes zunahm, was einer Zunahme des Anteiles der f3-Modifikation gleichgesetzt wurde. Rontgenographische Mes- sungen ergaben, dad die Intensitat der (001)-Reflexe, ins- besondere die am Bragg-Brentano-Goniometer quantitativ medbare Intensitit des (002)-Reflexes parallel mit der Vor- kristallisierdauer und der Fettreifbestandigkeit zunahm. Diese Zunahme der Reflexintensitat konnte jedoch nicht eindeutig interpretiert werden, da bei linger vorkristallisierten Proben eine Orientierung der Fettkristalle (Textur) bemerkt wurde. welche fur die Reflexintensitat bestimmend sein kann. Damit konnte auch nicht die Frage beantwortet werden. was nun die eigentliche Ursache fur die verbesserte Fettreifbestandigkeit der linger vorkristallisierten Schokolade ist, die zunehmende Stabilitat des Kakaofettes (Obergang von Vor-f3 zu P) oder die Ausbildung einer Textur.

3. D i e Z i e l e d e r v o r l i e g e n d e n A r b e i t Von diesem Wissensstand ausgehend, wurde es als

d a s Ziel der vorliegenden Arbeit angesehen, die eigent- lichen Ursachen fur eine verbesserte Fettreifbestandig- keit der Schokolade aufzudecken und die verfahrens- technischen Moglichkeiten zur Herstellung fettreifbestan- diger Schokolade aufzuzeigen. Z u diesem Zweck sollte zunachst einmal der von H. Witrel und R. H&s8 gefun- dene Zusammenhang zwischen Vorkristallisierzeit, Fett- reifbestandigkeit und Intensitat des (002)-Reflexes ge- nauer untersucht werden. Insbesondere muSte geklart werden, wie die Zunahme der Reflexintensitat inter- pretiert werden muS. Hierzu erschien es notwendig, die Orientierung der Fettkristalle (Textur) in der erstarrten Schokolade hinsichtlich Ursache und Starke naher zu untersuchen. Auf Grund der gewonnenen Ergebnisse

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sollte dann geklart werden, ob nun die Ausbildung einer Textur das entscheidende Kriterium fur eine verbesserte Fettreifbestandigkeit ist oder ein anderer Effekt.

In der Arbeit von H. Witzel und R. Heiss8 wurde die Schokolade nach einem festen Vorkristallisierschema vor- kristallisiert. Nun sollte auch herausgefunden werden, wie sich der Zustand der Schokolade - hinsichtlich des Kristallzustandes des Kakaofettes und ihrer Neigung zur

Abb. 1 . Prinzipskizze der Versuchsapparatur zur Vorkristalli- sation von Schokolade

1: Riihrkessel 2: Riihrorgan 3: Strombremer 4: Zwisdlenboden 5: regelbarer Antrieb 6: Drehteller 7: KraftmeDdose 8: MeDbriicke

9: Vakuumpumpe 10: Thennostaten 11: TemperaturmeBstellen 12: Kompensationsshreiber eYR: Massentemperatur eKWR: Kiihlwassertemperatur H: Hebelarmlinge M: Drehmoment

Fettreifbildung - andert, wenn bei anderen Tempe- raturen vorkristallisiert wird, d. h. wenn die Vorkristal- lisation auf verschiedenen Wegen durchgefuhrt wird. Aui3erdem interessierte, inwieweit der Kristallzustand und die Neigung zur Fettreifbildung von der Kiihlge- schwindigkeit wahrend der Erstarrungskristallisation ab- hangen. Zur Durchfuhrung dieser Versuche war es not- wendig, die Vorkristallisation und Kuhlung unter mog- lichst definierten Bedingungen durchzufuhren. Insbeson- dere sollte die durch die Kristallbildung bewirkte Vis- kositatsanderung der Schokolade wahrend der Vorkri- stallisation verfolgt werden. Hierzu muate eine geeig- nete Versuchsapparatur entwidrelt werden.

4. E x p e r i m e n t e l l e D u r c h f i i h r u n g Die Schokolade wurde in einem Ruhrkessel vorkristal-

lisiert. Eine Prinzipskizze der Versuchsapparatur ist in Abb. 1 dargestellt. Der Riihrkessel 1 hatte einen Innen- durchmesser von 70 mm. Bei allen Versuchen betrug die Fiillhohe etwa 50 mm, was einer eingefullten Schoko- lademasse von etwa 236 g entsprach. Das Riihrorgan 2 war ein Ankerblattriihrer mit einem AuBendurhmesser von 69 mm. Die Drehzahl wurde bei samtlichen Ver- suchen konstant auf 176.5 U/min gehalten. Die einge- bauten Strombrecher 3 sorgten dafur, dai3 die Masse auch im Bereich hoher Viskositaten gut durchmischt wurde und nicht am Ruhrorgan als Klumpen festkleben und

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mitrotieren konnte. Um zu vermeiden, dai3 Luft in die Masse eingeruhrt wird, wurde der Druck im Ruhrkessel- Innenraum auf etwa 4 Torr abgesenkt. Die Kuhlwasser- temperatur konnte uber zwei wahlweise anschliei3bare Thermostaten 10 geregelt werden. Der Ruhrkessel stand auf einem kugelgelagerten Drehteller 6; dadurch konnte uber den Hebelam H mit Hilfe eines induktiven Kraft- aufnehmers 7 und einer nachgeschalteten Tragerfrequenz- Mei3brudre 8 das an der Ruhrerwelle wirkende Dreh- moment M gemessen werden.

Nach der Vorkristallisation wurde die Schokolade dem Riihrkessel entnommen und in einer thermostatisierbaren Kuhlform gekuhlt. Die Abmessungen der Kiihlform bzw. der in ihr hergestellten Proben betrugen 55 X 20 X 5 mm. Damit sich die Schokolade nach der Erstarrung leichter von der Forminnenwand (Kuhlflache) lost, wurde diese mit einer Polycarbonatfolie belegt. Durch ein System von Thermostaten und Kuhlaggregaten konnte die Kuhl- form zunachst auf eine Anfangstemperatur gebracht wer- den, welche in etwa der Temperatur der eingefullten Schokolade entsprach; anschlieaend wurde die Form mit unterschiedlichen Kuhlgeschwindigkeiten bis a u f etwa 10° C gekuhlt. Bei den nachfolgend beschriebenen Ver- suchen ist die Schokolade mit drei verschiedenen Kuhl- geschwindigkeiten gekiihlt worden. Die zeitliche mitt- lere Kuhlwassertemperatur-Absenkung betrug im Be- reich zwischen 30° und 20" C etwa 96 grd/min, 5 grd/min und 0.92 grd/min. Im folgenden sol1 der Einfachheit halber nur von "hoher, mittlerer und geringer" Kiihl- geschwindigkeit gesprochen werden bzw. davon, dai3 die Proben ,,rash, mittel oder langsam" gekuhlt wurden.

Die so hergestellten Schokoladenproben wurden zur Oberpriifung ihrer Fettreifbestandigkeit in einem Trok- kenschrank bei 26OC gelagert. Es ist zu vermuten, daB in der Nahe dieser Temperatur das Maximum der Fett- reifbildungsgeschwindigkeit liegt '* Die Fettreifbildung wurde dadurch verfolgt, dai3 die Oberflachen-Remission der Proben bei einer mittleren Wellenlange von 0.47 X 1 0 - 6 m von Zeit zu Zeit gemessen wurde * I Is.

5 . E r g e b n i s s e u n d d e r e n D i s k u s s i o n 5.1. Die Zustandsanderung der Schokolade waft rend der

In grundlegenden Versuchen wurde zunachst die Scho- kolade bei verschiedenen Kuhlwassertemperaturen im Ruhrkessel vorkristallisiert und das Drehmoment ge- messen. Ziel der Drehmomentmessungen war es zum einen, die Viskositat der vorkristallisierten Schokolade abschatzen zu konnen und zum anderen, auf die Kinetik und Starke der Fettkristallbildung riidrzuschlieden. Als Versuchsschokolade wurde eine handelsiibliche Bitter- schokolade verwendet (,,Tobler Edelbitter Schokolade") +.

Das einfachste Verfahren der Vorkristallisation besteht darin, die Schokolade im Ruhrkessel bei einer konstan- ten Kiihlwassertemperatur im unterkuhlten Zustand zu ruhren. Hierzu wurde die Schokolade zunachst im Ruhr- kessel bei etwa 48O C aufgeschmolzen und einige Zeit (10 Minuten) geriihrt. Zum Zeitpunkt 0 wurde die Kiihl- wassertemperatur abgesenkt. In Abb. 2 ist fur ein charak-

Vorkristallisation

1s A. Hettich, Beitrage zur Tedmologie der Fettverfestigung bei der Herstellung von Schokolade, Fette . Seifen . An- strichmittel 66. 1025 [ 19641.

+ Fur die Uberlassung der Versuchsschokolade danken wir der Firma Chocolat Tobler GmbH, Stuttgart.

103

Page 4: Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhängigkeit von der verfahrenstechnischen Durchführung der Vor- und Erstarrungskristallisation

teristisches Versuchsbeispiel der Verlauf des Drehmo- mentes M, der Massentemperatur ~ M R und der Kiihl- wassertemperatur ~ K W R in Abhangigkeit von der Riihr- zeit dargestellt. Die Kuhlwassertemperatur betrug 28.6O C. Das Drehmoment nimmt nach einem anfanglichen, tem- peraturbedingten Viskositatsanstieg zunachst einen an- nahemd konstanten Wert an. Nach einer bestimmten Zeit ZA beginnt ein steiler Drehmomentanstieg. Danach nahert sich die Drehmomentkurve einem Wert M*. Die

icn ' - 1 I I - m L I

50

0 50

10

30

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I a+- 1W 200 min 300 Ruhrzr i t

Abb. 2. Der Verlauf des Drehmomentes M, der Kiihlwasser- temperatur 6 g W ~ und der Massentemperatur 6,, in Abhan- gigkeit von der Riihrzeit wihrend der Vorkristallisation von Smokolade. Die gestrichelt eingezeidnete Grenze G gibt an, ab welcher Riihrzeit die Schokolade wahrend der Kiihlung

I:

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ordentlid erstarrt Bereid, in dem bevorzugt die Kristallkeimbildung stattfindet Bereid, in dem bevorzugt das KristallwadMum stattfindet Bereid, in dem s i d ein Gleihgewihtazustand zwishen auskristallisierten und no& fliissigen Kakaofettfrak- tionen einstellt Rtihneit bis zum merkiihen Beginn des Drehmoment- anstieges Wert des Drehmomentes, wenn si& naherungsweise ein Gleihgewihtszustand eingestellt hat Massentemperatur, wenn s i h naherungsweise ein Glei&gewichtszustand eingestellt hat

Massentemperatur steigt im Bereich des Drehmoment- anstieges ebenfalls leicht an und nimmt den Wert (t&R an. Der Verlauf der Drehmomentlinie kann physikalisch so interpretiert werden, dad in einem ersten Zeitab- schnitt (Bereich I) die Kristallkeimbildung erfolgt. Da- nach findet bevorzugt im Bereich des Drehmomentan- stieges ein Kristallwachstum statt (Bereich 11), bis sich ein Gleichgewichtszustand zwischen auskristallisierten und noch fliissigen Kakaofettfraktionen einstellt (Bereich 111). Hierzu mui3 angemerkt werden, dai3 Kakaofett be- kanntlich ein Mehrkomponentensystem verschiedener Tri- glyceride darstellt und einen Temperaturbereich besitzt, in dem flussige und kristalline Phase coexistent sind. Allerdings handelt es sich bei dem erwahnten Gleich- gewichtszustand um keinen Gleichgewichtszustand im streng thermodynamischen Sinne, da die Masse erstens innerhalb eines Temperaturfeldes und zweitens nur wah- rend begrenzter Zeit geriihrt wurde. Zur naherungs- weisen Charakterisierung des Zustandes der vorkristal- lisierten Schokolade sol1 jedoch die Bezeichnung ,Gleich- gewichtszustand" beibehalten und definiert werden, dai3

sich ein solcher eingestellt hat, wenn nach einer voran- gegangenen Kristallbildung die Viskositat der Masse einen annahernd konstanten Wert erreicht hat. Die in Abb. 2 gestrichelt eingezeirhnete Grenze G gibt unge- fahr an, ab welcher Ruhrzeit die Schokolade wiihrend der Kuhlung in der Kuhlfom relativ ungehemmt und kontrahierend zu einer gut aussehenden Schokolade er- starrt. Dies deutet darauf hin, dad sich hier bereits Kri- stallkeime in der Masse befanden. Zu beachten ist, dad die Grenze G vor der Zeit TA (Beginn des Drehmoment- anstieges) liegt. Die bei G bereits gebildeten Kristall- keime bewirken demnach keine oder nur eine so geringe Viskositatszunahme, dai3 in diesem Bereich die Dreh- momentmessung zum Nachweis des auskristallisierten Fettanteiles versagt.

Wird die Schokolade bei anderen Temperaturen vor- kristallisiert, so andert sich einerseits die Geschwindig- keit der Kristallbildung und andererseits der maximal erreichbare Fettkristallanteil. In Abb. 3 sind Drehmo- mentlinien in Abhgngigkeit von der Riihrzeit und der Kiihlwassertemperatur aufgetragen. Man erkennt, dad

1 I I I I 0 Y) IW I 5 0 3w mm 250

R i h r z r i l

Abb. 3. Der Verlauf des Drehmomentes M wahrend der Vor- kristallisation yon Schokolade in Abhangigkeit von der Riihr- zeit. Parameter der Kurvenschar ist die Kiihlwassertemperatur ~ K W R , deren Verlauf in der unteren Halfte des Diagrammes aufgetragen ist. Die Zahlen bezeichnen die jeweils zusammen-

gehorenden Kurven Kurve Kiihlwassertemueratur Massentemueratur

24.5 26.2 28.1 30.0

29.7 30.2 30.9 32.0

rth, : Massentemperatur am Ende der Drehmomentkurven [naherungsweiser Gleihgewi&tszustand]

der charakteristische Drehmomentanstieg umso eher be- ginnt, bei je tieferer Temperatur geriihrt wurde. Dies deutet darauf hin, dad die Bildungsgeschwindigkeit der Kristallkeime bei starkerer Unterkiihlung zunimmt. Auch die Wachstumsgeschwindigkeit der Fettkristalle nimmt offenbar zu, erkennbar an der Zunahme der Steilheit des Drehmomentanstieges. Ferner geht aus der Abbil- dung hervor, dad die Drehmoment-Endwerte M* umso groder sind, bei je tieferer Temperatur geruhrt wurde.

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Page 5: Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhängigkeit von der verfahrenstechnischen Durchführung der Vor- und Erstarrungskristallisation

Dies ist verstandlich, weil der maximal auskristallisier- bare Fettanteil bei tieferen Temperaturen entsprechend hoher ist. Bei Temperaturen >30° C mull sehr lange geruhrt werden, bis sich ein sogenannter Gleichgewichts- zustand einstellt. Eine Moglichkeit, diese Zeiten zu ver- kiirzen, besteht darin, die Masse anfangs starker zu unterkuhlen - damit sich rasch Kristallkeime bilden - und sie anschlieflend auf die gewiinschte Temperatur wieder zu erwarmen. In Abb. 4 sind die Drehmoment- kurven einer Versuchsreihe dargestellt, bei der die S&o- kolade etwa 20 min lang bei einer Kuhlwassertempe- ratur von 26.3O C vorkristallisiert wurde, bis eine kraf- tige Kristallbildung einsetzte, die sich in einem Anstieg

e 0 L 'c

%* 40

2 J5 ?

30 . (I i 25 - 20

R u h r i r i l

Abb. 4. Der Verlauf des Drehmomentes bei der Vorkristalli- sation von Schokolade mit einer anfangs stlrkeren Unter- kiihlung. Parameter der Kurvenschar ist die Kiihlwasser- temperatur 6,,, dercn Verlauf in der unteren Hllfte des Diagrammes eingetragen ist. Die Zahlen bezeichnen die

jeweils zusammengehorenden Kurven

(naherungsweiser Gleirbgewichtszustand) *.;IR : Massentemperatur am Ende der Drehmomentkurven

des Drehmomentes bemerkbar machte. Danach wurden andere, jeweils gewiinschte Kuhlwassertemperaturen ein- gestellt und die Masse bis zum naherungsweisen Errei- chen eines Gleichgewichtszustandes vorkristallisiert. Bei den mitgeteilten Drehmomentverliufen und Massentem- peraturen mui3 beriicksichtigt werden, dai3 sie in gewis- sem Umfang von den Versuchsbedingungen abhangig sein konnen, d. h. von der Groi3e des Riihrkessels und den darin herrschenden Warme- und Stoffubergangs- bedingungen (Drehzahl des Ruhrers). Das an der Ruhrer- welle wirkende Drehmoment stellt eine indirekte Me& grol3e dar, aus der nicht unmittelbar auf die Viskositat der geriihrten Masse geschlossen werden kann. Es mui3 beriidrsichtigt werden, dai3 Schokolade - im aufge- schmolzenen Zustand - keine Newton'sche Fliissigkeit darstellt; sie besitzt ein strukturviskoses Verhalten und weist eine Fliei3grenze auf. Um aus der Drehmoment- messung trotz der angesprochenen Problematik eine ge- wisse Information iiber das Flieflverhalten der vorkri- stallisierten Shokolade zu gewinnen, wurde ein Ab- schitzungsverfahren durchgefiihrt. Im Ruhrkessel wurde eine Vergleichsfliissigkeit (hochviskoses Heifidampfol

F E T T E S E I F E N . A N S T R I C H M I T T E L 74. Jahrgang Nr. 2 1972

Cylesso 300") mit einer bekannten Newton'schen Vis- kositat geriihrt. Eine - allerdings nur naherungsweise erfiillbare - hydrodynamische Ahnlicbkeit zu den Ver- haltnissen bei der Vorkristallisation von Schokolade wurde dadurch angestrebt, dai3 gleiche Fullhohe und gleiche Drehzahl eingestellt wurden. Dieser Vorgang ist fur verschiedene, uber die Temperatur einstellbare Vis- kositaten des Ules wiederholt worden, so dafl auf diese Weise ein Zusammenhang zwischen Drehmoment und Viskositat des geriihrten Ules ermittelt werden konnte. Besitzt nun das Drehmoment, gemessen beim Ruhren der vorkristallisierten Schokolade, den gleichen Wert wie das Drehmoment, gemessen beim Ruhren von U1 einer bestimmten Viskositat, so lai3t sich der Schokolade rein formal eine entsprechende scheinbare Viskositat zuord- nen. Das Ergebnis dieses Abscbatzungsverfahrens ist in Abb. 5 dargestellt. Man erkennt, daB die scheinbare Vis- kositat der vorkristallisierten Schokolade im Gleichge- wichtszustand mit zunehmendem Grad der Vorkristalli- sation stark zunimmt.

O U IIJI 26 x ) 32 31 36 38 % S O

I

Merscntcmpcratur Jm Abb. 5. Die scheinbare Viskositlt der vorkristallisierten Scbo- kolade in Abhlngigkeit yon der Massentemperatur 6bR

(naherungsweiser Gleichgewichtszustand)

Allgemein sol1 nun definiert werden, dai3 der Grad der Vorkristallisation umso hoher ist, j e grader der aus- kristallisierte Fettanteil ist. Entsprechend diesem Grad der Vorkristallisation la5t sich eine grobe Einteilung treffen: 1. ,Schwach" vorkristallisierte Schokoladen sind solche,

in denen wahrend der Vorkristallisation nur ein ge- ringer Fettkristallanteil gebildet wurde. Sie besitzen eine niedrige Viskositat und Zustande, wie sie ent- weder vor dem charakteristischen Anstieg der Vis- kositat (beim Riihren im unterkiihlten Zustand) oder bei hohen Massentemperaturen (Gleichgewichtszu- stande bei etwa 6tR > 34OC) erreicht werden.

2. Als "mittel-stark" vorkristallisiert sollen Schokoladen mit erhohtem Fettkristallanteil und erhohter Visko- sitat bezeichnet werden (Gleichgewichtszustlnde bei etwa 6& = SOo + 33O C).

105

Page 6: Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhängigkeit von der verfahrenstechnischen Durchführung der Vor- und Erstarrungskristallisation

3. Als ,,extrem-stark" vorkristallisiert sollen hochvis- kose Schokoladen mit sehr hohem Fettkristallanteil bezeichnet werden (Gleichgewichtszustande bei etwa 8 ; ~ C 29.5'C).

5.2. Die Fettreifbildung in Abhangigkeit von der Durdt- fiihrung der Vorkristallisation und Erstarrungskri- stallisation (Kiihlung)

Das folgende, typische Versuchsbeispiel zeigt, wie die Fettreifbestandigkeit der Schokolade mit zunehmendem Grad der Vorkristallisation zunimmt. Die Schokolade wurde bei einer konstanten Kuhlwassertemperatur ( i 3 ~ m ~ = 30.2O C) vorkristallisiert. Nach verschiedenen Riihr- zeiten wurden dem Ruhrkessel Proben entnommen, in die Kuhlform gefullt und mit ,,mittlerer' Kuhlgeschwin- digkeit gekuhlt. Einige Stunden nach der Entnahme der erstarrten Schokolade aus der Form wurde die Ober- flichen-Remission gemessen. AnschlieBend sind die Pro- ben bei 26" C gelagert und nur noch in groBeren Zeit- abstinden der Remissionsmessung unterzogen worden. In Abb. 6 sind die Remissionswerte der einzelnen Scho- koladenproben in Abhangigkeit von der Lagerzeit auf- getragen. Aus dem Drehmomentverlauf der oberen Halfte der Abbildung ist erkennbar, wie lange die ein- zelnen Proben vorkristallisiert wurden. Die Probe 1 wurde relativ rasch und typisch fettreifig - erkennbar

c = 100 E B z t 0

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3 0 10 40 60 80 100 d 120

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Abb. 6. Die Remissionswerte von verschieden lange vorkri- stallisierten Schokoladenproben wahrend der Lagerung bei 26O C. In der oberen Halfte der Abbildung ist der Dreh- momentverlauf wahrend der Vorkristallisation bei der kon- stanten Kiihlwassertemperatur QKWR = 30.2O C dargestellt. Zu den eingezeichneten Zeiten wurden dem Riihrkessel die Proben 1, 2 und 3 entnommen und mit ,,mittlerer" Kiihl- geschwindigkeit gekiihlt. Die Massentemperatur QhR betrug

bei Entnahme der Probe 3 etwa 31.8O C _ _ - - - Grenze des deutlih sihtbaren Fettreifes

am steilen Ansteigen der Remissionskurve und am Uber- schreiten der Grenze des deutlich sichtbaren Fettreifes bei 5'/0 nach etwa 15 Tagen. Probe 2 wurde ebenfalls no& fettreifig, iiberschritt die Qualitatsgrenze aber erst nach etwa 29 Tagen; Probe 3 bildete iiberhaupt keinen ublichen Fettreif mehr, sondern wurde nur no& leicht matt. Besonders deutlich erkennbar ist die Xnderung des Ablaufs der Fettreifbildung mit zunehmendem Grad der Vorkristallisation. Wahrend bei Probe 1 eine leichte

anfangliche Induktionsphase erkennbar ist (Auftreten eines Wendepunktes in der Kurve), steigen die Remis- sionswerte bei der Probe 3 zu Beginn der Lagerung rasch an, behalten dann aber niedrige Endwerte bei. Wichtig bei der Beurteilung des Erfolges der starken Vorkristallisation ist, daB die Probe 3 zwar nicht mehr typisch fettreif wurde, aber ihr Aussehen durch die ein- getretene Mattigkeit - die vermutlich auf eine Vor- stufe der Fettreifbildung zuruckzufuhren ist - doch be- eintrachtigt war. Zu beachten ist ferner, daB starker vor- kristallisierte Schokoladen unmittelbar nach der Her- stellung ein minimal schlechteres Aussehen aufweisen als schwach vorkristallisierte Schokoladen (etwas gerin- gerer Glanz und etwas hellere Farbe); dies ist an den geringfugig hoheren Anfangsremissionswerten erkenn- bar.

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3 10 40 60 80 100 d 120

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Abb. 7. Die Remissionswerte von versrhieden stark vorkri- stallisierten Schokoladenproben wahrend der Lagerung bei 26O C. Die Schokolade wurde wie in Abb. 3 vorkristallisiert. Zu den gestrimelt eingezeidmeten Zeiten wurden die Proben (1, 2, 3, 4 und 5) dem Riihrkessel entnommen und mit .mitt-

lerer" Kiihlgeschwindigkeit gekiihlt

Aus Abb. 7 geht hervor, dai3 die Fettreifbestandigkeit um ein Geringes gesteigert bzw. das Aussehen der Pro- ben wahrend der Lagerung etwas verbessert werden kann, wenn bei niedrigeren Temperaturen ein hoherer Grad der Vorkristallisation erreicht wird. Wenngleich die erzielten Verbesserungen nur noch geringfugig waren und zum Teil von MeBwertschwankungen iiberdeckt wurden, so konnten do& auf diese Weise Schokoladen hergestellt werden (z. B. Probe 1 in Abb. 7), deren Aus- sehen wahrend der gesamten Testlagerung zufrieden- stellend war.

Nun sollte auch no& festgestellt werden, ob es einen Einflui3 auf die Fettreifbestandigkeit hat, auf welchem Weg die Vorkristallisation durchgefuhrt bzw. ein be- stimmter Grad der Vorkristallisation erreicht wurde. In Abb. 8 sind die Remissionswerte von Schokoladenproben aufgetragen, die entsprechend dem in Abb. 4 dargestell- ten Verfahren bis zum Erreichen eines Gleichgewichts- zustandes vorkristallisiert und alle mit ,,mittlerer" Kuhl- geschwindigkeit gekiihlt wurden. Man erkennt wieder

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Page 7: Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhängigkeit von der verfahrenstechnischen Durchführung der Vor- und Erstarrungskristallisation

deutlich die Zunahme der Fettreifbestandigkeit rnit zu- nehmendem Grad der Vorkristallisation. Verglichen mit den Ergebnissen in Abb. 7 sind die rnit diesem Ver- fahren erzielten Fettreifbestandigkeiten nur geringfiigig schlechter .

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3 ' I I 0 20 40 60 80 100 d 120

L o g e r z r i t

Abb. 8. Die Remissionswerte von verschieden stark vorkri- stallisierten Schokoladenproben wihrend der Lagerung bei 26OC. Die Schokolade wurde analog dem in Abb. 4 darge- stellten Verfahren bis zum naherungsweisen Erreichen des Gleichgewichtszustandes vorkristallisiert; die Kuhlung erfolgte

mit ,,mittlerer' Kiihlgeschwindigkeit

(niiherungsweiser Gleid~gewid~tszustand) eGR : Massentemperatur am Ende der Vorkristallisation

Auch nach einem dritten Verfahren wurde die Schoko- lade vorkristallisiert. Dabei sind in der Masse zunachst einmal bei starkerer Unterkiihlung Fettkristalle erzeugt worden, die partiell durch Wiedererwarmen der Masse aufgeschmolzen wurden. Das Vorgehen bis hierhin ent- sprach dem Sonderfall der Kurve 1 in Abb. 4. Anschlie- fiend wurden jedoch im Gegensatz zum vorhergehenden Verfahren durch langsame Temperaturabsenkung ver- schiedene Vorkristallisationsgrade erzeugt. Auch bei den nach diesem Verfahren hergestellten Schokoladen nahm die Fettreifbestandigkeit erst wieder mit zunehmendem Grad der Vorkristallisation zu. Aus den Versuchen konnte gefolgert werden, dai3 fur die Fettreifbestandigkeit pri- mar der Grad der Vorkristallisation mai3geblich ist und

I I I I I

u P

4

3 0

Legrrzrit

Abb. 9. Die Remissionswerte von Schokoladenproben warend der Lagerung bei 26OC. Die Schokolade wurde nur schwach vorkristallisiert (f& = 33.7O C) und mit verschiedenen Kuhl-

geschwindigkeiten gekiihlt 1: ,.hohe" Kiihlgesmwindigkeit 2: , ,mi t the" KCihlgesrhwindigkeit 3: ,.geringe" Kiihlgesmwindigkeit

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der Einflufi des Weges, auf dem die Vorkristallisation durchgefiihrt wurde, als gering veranschlagt werden kann.

Jetzt mui3te no& geklart werden, welchen Einflufi die Kuhlgeschwindigkeit auf die Fettreifbestandigkeit der Schokolade hat. In einem Versuch wurde die Schoko- lade nach anfangs starkerer Unterkuhlung (entsprechend Abb. 4) bis zum Gleichgewichtszustand bei t!bR = 33.7O C vorkristallisiert. Es handelte sich also um eine relativ schwa& vorkristallisierte Schokolade. In Abb. 9 sind die Remissionswerte von drei Schokoladenproben aufgetra- gen, die rnit ,,hoher, mittlerer und geringer" Kuhlge- schwindigkeit gekuhlt wurden. Probe 1 uberschritt die 5Ojo-Grenze bereits nach 13 Tagen, die Proben 2 und 3 hingegen erst n a h 30 bzw. 44 Tagen. Daraus folgt, daB eine geringe Kuhlgeschwindigkeit, d. h. eine langsam ablaufende Erstarrungskristallisation die Geschwindig- keit der Fettreifbildung herabsetzt. Dies steht im Ein- klang mit den bereits von P. Gorling, K. Bedzer und R. Heiss l4 gefundenen Ergebnissen. Weiterhin geht aus diesem Versuchsbeispiel hervor, dai3 eine schwach vorkristallisierte Schokolade grundsatzlich - friiher oder spater - fettreifig wird.

7 , I I I

E u

I I J 0 20 40 d 60

L a g e r r e i f

Abb. 10. Die Remissionswerte von verschieden stark vorkri- stallisierten Schokoladenproben wahrend der Lagerung bei 26°C. Die Schokolade wurde analog dem in Abb. 4 darge- stellten Verfahren vorkristallisiert und mit "mittlerer" Kiihl-

geschwindigkeit gekiihlt. Ein Teil der Proben war rnit Nougatmasse unterlegt

1: S&wa& vorkristallisierte Schokolade: f&= 34.30 C 2: Smokolade wie 1, jedo& mit Nougatmasse unterlegt 3: Stark vorkristallisierte Smokolade: GR= 29.~3~ C 4: Smokolade wie 3, jedo& mit Nougatmasse unterlegt

Kristallisiert man die Schokolade aber ,,mittel-stark" vor, so wirkt sich eine geringe Kuhlgeschwindigkeit nega- tiv aus. Zwar ist auch hier die Fettreifbildung bei gerin- ger Kuhlgeschwindigkeit herabgesetzt, jedoch neigt die Schokolade dazu, sich wahrend der Testlagerung rasch leicht hellbraun zu verfarben Dariiber hinaus mu6 noch darauf hingewiesen werden, dai3 mittel-stark vor- kristallisierte Schokoladen dazu neigen, bereits wahrend

14P. Gorling, K. Bedter u. R. Heiss, Vergleichende Unter- suchungen iiber die Kiihlung von Schokolade durch Strah- lung und durch Konvektion, Gordian 59, Nr. 1421, 852 [1960].

'5 H. M. Bueb, Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhan- gigkeit von der verfahrenstechnischen Durchfiihrung der Vor- und Erstarrungskristallisation, Dissertation TU Miin- &en [1971].

107

Page 8: Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhängigkeit von der verfahrenstechnischen Durchführung der Vor- und Erstarrungskristallisation

der Erstarrung in der Kiihlform auf der - der Kiihl- flache gegeniiberliegenden - Probenriickseite einen hell- braunen Oberfllchenbelag zu bilden. Dieser tritt beson- ders intensiv bei langsam ablaufender Erstarrungskri- stallisation, d. h. bei ,,geringer" Kiihlgeschwindigkeit auf 15. Beim Obergang zu extrem-starker Vorkristalli- sation verschwindet die Neigung zu den erwahnten Ver- farbungen wieder. Der EinfluS der Kiihlgeschwindigkeit geht zwangsliufig gegen Null, da in zunehmendem Made immer weniger Fett wahrend der Erstarrungskristalli- sation noch auskristallisieren mug.

Aus Praxis und Literatur ist bekannt, dad Schokoladen besonders dann schnell fettreifig werden, wenn sie rnit bestimmten 61- bzw. fetthaltigen Massen (z. B. Nussen, Nougat) in Kontakt stehen. Nachdem Schokoladen rnit hoher Fettreifbestlndigkeit hergestellt werden konnen, war es von Interesse, ob und in welchem Made die Fett- reifbestandigkeit unter der Wirkung dieser Massen er- halten bleibt. Zur Oberpriifung dieser Frage wurden aus den Schokoladenproben etwa 2.1 nun dicke Schokoladen- plattchen hergestellt und auf eine 4 mm dicke Nougat- masse aufgepregt. Bei diesem Vorgehen blieb die Sicht- fliche der ursprunglichen Schokoladenprobe unversehrt erhalten. Diese Verbundproben wurden der Testlage- rung bei 26OC unterzogen. In Abb. 10 sind die Remis- sionswerte verschiedener Proben aufgetragen. Die schwach vorkristallisierte Schokolade (Proben 1 und 2) wurde unter der Wirkung der Nougatmasse rasch fettreifig. Die stark vorkristallisierte Schokolade (Proben 3 und 4) hingegen wurde selbst in Kontakt mit der Nougatmasse nicht mehr fettreifig. Die leicht erhohten Remissions- werte der Probe 4 (gegeniiber der Probe 3) sind darauf zuruckzufiihren, dad die unterlegte Schokolade etwas hellbrauner wurde. Daraus folgt, daS offenbar in jedem Falle Fettfraktionen aus der Nougatmasse in die Schoko- lade diffundieren. Wahrend jedoch im Fall der schwach vorkristallisierten Schokolade dadurch die Fettreifbil- dung gefordert wurde, trat im Fall der starken Vorkri- stallisation trotzdem keine Fettreifbildung mehr auf.

5.3. Der Kristallzustand des Kakaofettes in der erstarr-

In der Diskussion iiber die Ursache, Geschwindigkeit und Starke der Fettreifbildung wurde in der Literatur immer wieder die Frage aufgeworfen, inwieweit diese Faktoren davon abhangen, ob das Kakaofett in der Vor-p- oder in der p-Modifikation vorliegt. Aus diesem Grund wurde die Analyse der Kristallmodifikation in die vorliegenden Untersuchungen mit einbezogen Is.

Zur Bestimmung der Kristallmodifikation ist die Schokolade vorsichtig zu einem Pulver zerkleinert und in Wasser (15O C) ausgelaugt worden, um den Zucker herauszuliisen. Nach etwa 30 min wurde das Wasser abgefiltert und der Ruckstand im Gefriertrodtner getrodmet. Das so gewonnene Pulver wurde in einen Probenhalter geprelt und im Bmgg-Brentano-Gonio- meter des Rontgenapparates (.Kristalloflex 4" der Fa. Sie- mens & Halske AG) gerontgt. Die Melbedingungen waren: Cu-Ka-Strahlung 40 kV, 16 mA; Aperturblende: 1 mm; Zahl- rohrblende: 0.4 mm; Melbereich: 2 x los Imp/min; statist. Feh- ler: 3 O/o; Winkelgesdwindigkeit des Goniometers: 0.25'/min. Die charakteristischen Reflexe im Rontgendiagramm beim Reflexwinkel 2 E > 21° hatten eine nur geringe Intensitat; deshalb mugten von ein und derselben Probe mehrere Dia- gramme aufgenommen und mit der Hand eine Mittelwert- kurve gezeichnet werden.

ten Schokolade

In Abb. 11 sind die charakteristischen Reflexe in den Rontgendiagrammen von drei verschiedenen Schokola- denproben ubereinander gezeichnet. Aus dem Drehmo- mentverlauf (in der oberen Halfte der Abbildung) ist erkennbar, wie lange die Proben bei einer konstanten Kiihlwassertemperatur von 30° C vorkristallisiert wur- den. Alle Proben sind ,,langsam" gekiihlt worden. Probe 1 weist die typischen Reflexe der Vor-p-Modifikation auf, Probe 2 zeigt eine Obergangsmodifikation und Probe 3 besitzt eine weitgehend zu p tendierende Modifikation. Aus diesem Versuchsbeispiel konnte gefolgert werden, dad mit zunehmendem Grad der Vorkristallisation ein Obergang von Vor-p zu p stattfindet. Wie andere Ver- suche jedoch zeigten, gilt dies nicht generell. Fuhrt man namlich beispielsweise eine sehr starke Vorkristallisation bei einer konstanten und relativ niedrigen Kuhlwasser- temperatur durch, so bildet sich nur eine Ubergangs- modifikation zwischen Vor-p und p aus. Da stark vor-

Abb. 11. Die charakteristischen Reflexe im Rontgendiagramm von Schokoladenproben, welche unterschiedlich weit vorkri- stallisiert wurden. In der oberen Hilfte der Abbildung ist der Drehmomentverlauf wahrend der Vorkristallisation bei konstanter Kuhlwassertemperatur (6KWR = SO0 C) aufgetragen. Bei den eingezeichneten Ruhrzeiten wurden die Proben dem

Ruhrkessel entnommen und ,,langsam' gekuhlt

kristallisierte Schokoladen generell eine hohe Fettreif- bestandigkeit aufweisen, ist diese also nicht streng an die Forderung gebunden, dad eine reine P-Modifikation vorliegt.

Aus den Untersuchungen von H . Witzel und R. Heiss ging allgemein hervor, dad die Hohe (Intensitat) der (001)-Reflexe mit zunehmender Vorkristallisierzeit an- steigt. Mit Hilfe der Drehmomentmessungen wurde nun gefunden, dad die quantitativ auswertbare Hohe des (002)-Reflexes bevorzugt im Bereich der charakteristi- schen Viskositatszunahme wahrend der Vorkristallisation bei konstanter Kuhlwassertemperatur ansteigt Is. Damit schien eine Parallelitat zwischen dem Grad der Vor- kristallisation und der Hohe des (002)-Reflexes gegeben

l8 M . Bueb, Kristallisation und Fettreifstabilitat von Schoko- lademasse, Chemie-1ng.-Techn. 43, 452 [ 197 11.

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Page 9: Die Fettreifbildung von Schokolade in Abhängigkeit von der verfahrenstechnischen Durchführung der Vor- und Erstarrungskristallisation

zu sein. Erweiterte Versuche ergaben jedoch, dad auch diese Zuordnung nicht generell gilt. Dies geht aus Abb. 12 hervor, in welcher die Hohe des (002)-Reflexes RH in Abhangigkeit von der Temperatur der vorkristallisierten Schokolade im Gleichgewichtszustand aufgetragen ist. Die Schokolade wurde nach dem in Abb. 4 dargestellten Verfahren vorkristallisiert. Parameter der Kurvenschar ist die Kiihlgeschwindigkeit. Die Methode zur Messung

I I I 1 26 30 32 34 'C 36

Massentemperafur

Abb. 12. Die Hiihe des (002)-Reflexes RH von Srhokoladen- proben, die nach dem in Abb. 4 dargestellten Verfahren vor- kristallisiert und mit versrhiedenen Kiihlgeschwindigkeiten gekiihlt wurden, in Abhangigkeit von der Massentemperatur €I.,, (naherungsweiser Gleichgewichtszustand). 1 mm Reflex-

hohe e 83.3 Imp/min 1: ,,hohe" Kuhlgesrhwindigkeit 2: "mittlere" Kuhlgesdwindigkeit 3: ,,geringe" Kiihlgesdwindigkeit

der Reflexintensitat von H . W i t r e l und R. Heiss8 wurde im wesentlichen iibernommen 15. Betrachtet man bei- spielsweise die Kurve 3 fur ,,langsame" Abkuhlung, so fallt auf, dad die Reflexhohen zunachst mit zunehmen- dem Grad der Vorkristallisation (bzw. kleiner werden- der Massentemperatur I%&,) ansteigen, d. h. beim Ober- gang von schwach zu mittel-stark vorkristallisierter Scho- kolade. Bei no& starkerer Vorkristallisation nehmen die Reflexhohen jedoch wieder ab. Auch bei ,,mittlerer" und .rascher' Kiihlung iiberschreiten die Reflexhohen, wenn- gleich zu starkerer Vorkristallisation hin verschobene und flachere Maxima. Aus diesen Ergebnissen folgte, dad die Reflexhohe keine generell eindeutige Aussage liefert. Schokoladen gleicher Reflexhohe konnen recht verschieden hergestellt worden sein und auch unter- schiedliche Fettreifbestandigkeit aufweisen. Nur im Ober- gangsbereich von schwacher zu starker Vorkristallisation liegt eine Parallelitat zwischen der Zunahme der Reflex- hohe und der Zunahme der Fettreifbestandigkeit vor.

Nach H. W i t z e l und R. Heiss8 tritt bei starker vor- kristallisierten Schokoladen eine Orientierung der Fett- kristalle (Textur) auf. Da es einerseits unklar war, in welchem MaBe diese Orientierung die Intensitat des (002)-Reflexes beeinfludt und andererseits, inwieweit die Kristallorientierung fur eine Verbesserung der Fettreif- bestindigkeit verantwortlich gemacht werden kann, mudte die Textur quantitativ erfadt werden. Wird ein etwa 1.5 mm dickes Schokoladenplattchen mit einem diin- nen Rontgenstrahl durchstrahlt, so bilden sich auf einem hinter der Probe befindlichen photographischen Film

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Reflexringe ab. Bei einer texturbehafteten Probe konnen die Reflexringe - iiber dem Umfang verteilt - Schwar- zungsmaxima aufweisen ". Im vorliegenden Fall wurde die Schokolade so durchstrahlt, dad der Rontgenstrahl senkrecht zu dem wahrend der Erstarrungskristallisation in der Schokolade vorherrschenden Temperaturgradien- ten (Richtung der Warmeabfuhr aus der Kiihlform) die Schokoladenprobe durchsetzte. Entsprechend einem Vor- schlag von K. Becker und H . W i t r e l wurde der Grad der Orientierung der Fettkristalle dadurch gemessen, dad der Ring des (002)-Reflexes mit einem Zahlrohr kreisformig abgetastet wird. Hierzu wurde ein beson- deres Textur-Durchstrahlungs-Goniometer entwickelt, mit dessen Hilfe die Intensitatsverteilung iiber dem Reflexkreisumfang bzw. dem Zentriwinkel des Reflex- kreises registriert werden konnteI5. In Abb. 13 sind die Probenanordnung und die gemessene Intensitatsvertei- lung schematisch dargestellt. Im Fall des (002)-Reflex- kreises treten zwei Maxima auf. Diese sind darauf zu- riickzufiihren, dad die Fettkristalle in der erstarrten

Y-

Abb. 13. Prinzipskizze zur Abtastung des (002)-Reflexringes mit einem Zahlrohr. In der unteren Halfte der Abbildung ist schematisch eine mit dem Zahlrohr gemessene Intensitatsver- teilung des (002)-Reflexringes iiber dem Zentriwinkel 'p auf-

get ragen P: ES: 6: H: R : Z: ZB: (002)-RR: RHD2: RHD 1 : 2 8 :

Probe Einfallender Rontgenstrahl Dike der durrhstrahlten Probe (1.5 mm) Abstand Probe - Filmebene (80 mm) Radius des Reflexringes (3.9 mm) Zahlrohr Zahlrohrblende (OOZ]-Reflexring Intensitatsmaximum Intensitatsminimum Reflexionswinkel (2.80)

Schokolade so angeordnet sind, dafl die (OOZ)-Ebenen parallel zur Schokoladenoberflache, d. h. zur ehemals ge- kiihlten Flache in der Kuhlform liegen. Es konnte grund- satzlich in jeder Schokolade eine 'Textur festgestellt wer- den; allerdings ist sie im Fall von schwach vorkristalli- sierter Schokolade sehr gering. Da die Orientierung stets in gleicher Richtung auftrat, konnte gefolgert werden,

17 H . Witzel u. K . Becker, Ober die Kristallstruktur der Ka- kaobutter, Fette Seifen . Anstrichmittel 71, 507 [1969].

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dai3 sie erst wahrend der Erstarrungskristallisation infolge eines bevorzugten Kristallwachstums zustande- kommt. Das Wachstum orientiert sich - offenbar aus Warmeableitungsgriinden - an der Richtung des wah- rend der Erstarrungskristallisation vorherrschenden Tem- peraturgradienten. Legt man die Kristall-Elementarzelle des Kakaofettes nach H . Wi tze l und K . Becker l7 zugrunde, so wiirde das bedeuten, dai3 die Fettsaurerestketten der Triglyceride bei streng orientierten Kristallen um 26' gegen die Normale auf die Schokoladenoberfliche bzw. gegen den Temperaturgradienten wahrend der Erstar- rungskristallisation geneigt sind. In Abb. 14 sind die

0.6 1- Ruhrzeil

I

0 0' I Z r n l r i w i n h r l 1

Abb. 14. Die mit dem Durchstrahlungs-Textur-Goniometer gemessenen Intensitatsverteilungen des (002)-Reflexringes von verschieden stark vorkristallisierten Schokoladenproben. Die Srhokolade wurde bei konstanter Kiihlwassertemperatur (tt,,, = 27.1O C) vorkristallisiert und mit "mittlerer" Kiihlgeschwin- digkeit gekiihlt. In den Drehmomentverlauf wurde die Reflex-

hohen-Differenz (RHD 2 - RHD 1) mit eingetragen (1 mm 4 41.7 Imp/min)

mit dem Durchstrahlungs-Textur-Goniometer gemesse- nen Intensitatsverteilungen von drei verschiedenen Scho- koladenproben dargestellt, welche unterschiedlich stark vorkristallisiert wurden. Man erkennt, dad alle drei Proben eine Textur besaaen, die rnit zunehmendem Grad der Vorkristallisation starker wurde. Der Zuwachs des Anteiles an orientierten Kristallen bewirkt einen Anstieg der Intensitatsmaxima RHDZ (vgl. Abb. 13). An die Zunahme der orientierten Kristalle ist eine Ab- nahme der nicht-orientierten gekoppelt, wodurch die Intensitatsminima RHD 1 kleiner werden. Die Differenz (RHD2 - RHDl) kann als Mad fur den Unterschied zwischen orientierten und nicht-orientierten Kristallen betrachtet werden und damit als Mag fur den Grad der Orientierung. Bei diesem Versuch wurden bei den einzelnen Proben samtliche Zahlrohrimpulse wahrend eines Reflexkreis-Umlaufes elektronisch summiert. Es zeigte sich eine geringfugige Zunahme dieser Impuls- integrale von Probe 1 nach Probe 3. Auf Grund dieser

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Beobachtung laat sich vermuten, dai3 die Zahl der orien- tierten Kristalle nicht ausschliei3lich auf Kosten der nicht- orientierten anwuchs, sondern dai3 sich die Gesamtzahl der Kristalle leicht erhohte. Dies wurde allgemein ge- sprochen bedeuten, dai3 der kristalline Anteil des Kakao- fettes in der Schokolade beim Obergang von schwacher zu starker Vorkristallisation leicht zunahm. Quantita- tive Angaben iiber diese Zunahme konnen auf Grund der vorliegenden Meaergebnisse nicht gemacht werden.

Aus weiteren Versuchen folgte, dai3 die Textur zwar mit zunehmendem Grad der Vorkristallisation zunachst ansteigt, dann aber ein Maximum erreicht und zu extrem- starker Vorkristallisation hin wieder abnimmt. Ver- gleicht man die geometrische Anordnung der Schokolade bei der Messung der (002)-Reflexhohe im Bragg-Bren- tano-Goniometer und die Anordnung der Schokolade bei der Texturmessung, so kann gefolgert werden, dal3 die Intensitat des (002)-Reflexes, wie sie am Bragg-Bren- tano-Goniometer gemessen wurde, primar durch die Zu- nahme des Anteiles orientierter Kristalle bedingt ist. Daraus folgt jedoch weiter, dai3 die Diskussion iiber die Aussagekraft der Reflexhohe RH unmittelbar auf die Textur ubertragen werden kann. Das heidt, der Orientierungsgrad liefert keine eindeutigen Aussagen iiber Herstellung und Fettreifbestandigkeit der Schoko- lade. Die Zunahme des Orientierungsgrades mit zuneh- mendem Grad der Vorkristallisation kann dadurch er- klart werden, dai3 sich immer mehr Fettkristalle (Kristall- keime) in der Fettschmelze befinden. Dadurch verbes- sern sich in zunehmendem Made die Wachstumsbedin- gungen fur die Erstarrungskristallisation, wodurch die Fettkristalle relativ ungehemmt bei geringer Unterkiih- lung anwachsen, und zwar bevorzugt in der besproche- nen Orientierung. Mit zunehmendem Grad der Vor- kristallisation tritt andererseits ein gegenlaufiger Effekt dadurch auf, dad der n o d fliissige Fettanteil immer geringer wird. Dadurch kann auch nicht mehr soviel Fett orientiert auskristallisieren, und die Textur mui3 zwangslaufig wieder abnehmen.

Aus den bisherigen Untersuchungsergebnissen kann gefolgert werden, dai3 weder die Ausbildung der P-Modi- fikation noch die Ausbildung einer Textur als die eigent- lichen Ursachen fur eine verbesserte Fettreifbestandig- keit angesehen werden konnen. Legt man das von K. Becker 7 angegebene Zustandsdiagramm zweier Kakao- fettfraktionen zu Grunde, so kristallisiert das Kakaofett in jedem Fall zunachst einmal in - hinsichtlich ihrer Zusammensetzung - instabilen Mischkristallen aus, die bei entsprechend tiefer Temperatur in eine Mischungs- liicke geraten und sich entmischen. Demnach ware die Fettreifbildung ein prinzipiell unvermeidbarer Vorgang. Eine mogliche Erklarung der hohen Fettreihestandig- keit extrem-stark vorkristallisierter Schokolade ware die, dai3 die Geschwindigkeit der Fettreifbildung auf Grund irgendeines Effektes derart stark herabgesetzt ist, dad die Schokolade nur .scheinbar" fettreifbestiindig ist. Dies ist jedoch unwahrscheinlich, da auch nach sehr langer Lagerung keine Anzeichen fur das Auftreten von ubli- chem Fettreif zu erkennen waren. Eine wesentlich plau- siblere Erklarung ware die, dai3 durch die Wirkung einer starken Vorkristallisation bereits Mischkristalle gebildet werden, die hinsichtlich ihrer Zusammensetzung stabil sind und die sich wahrend der Lagerung nicht mehr entmischen konnen bzw. brauchen.

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6. B e d e u t u n g d e r U n t e r s u c h u n g e n f u r d i e P r a x i s Bei der Beantwortung der fur die Praxis interessan-

ten Frage, wie die Verfahren der Vorkristallisation und der Erstarrungskristallisation (Kuhlung) nun am besten durchgefuhrt werden sollten, mussen zumindest drei Kri- terien gegeneinander abgewogen werden, namlich die ,,Verarbeitbarkeit" der vorkristallisierten Schokolade, das ,,Aussehen" der Schokolade unmittelbar nach dem Erstarren und ihre ,,Fettreifbestandigkeit". Wird die Schokolade schwach vorkristallisiert, wie das heute indu- sh-iell ublicherweise geschieht, so ladt sich die Masse leicht vergieben. Die Schokolade besitzt nach dem Er- starren ein gutes Aussehen (dunkelbraune Farbe und guter Glanz), aber eine geringe Fettreifbestandigkeit, die sich nur durch eine langsame Kuhlung etwas verbessern labt. Eine mittel-starke Vorkristallisation empfiehlt sich kaum, da die Schokolade zur Bildung von Oberflacfien- verfarbungen neigt und leicht matt werden kann. Kri- stallisiert man die Schokolade extrem-stark vor, so ist die Verarbeitbarkeit infolge der hohen Viskositat schwie- rig. Die Masse muate unter Drudr in eine Form gefullt werden. Dies engt naturlich die Einsatzmoglichkeiten des Verfahrens stark ein. Die Schokolade besitzt nach dem Erstarren ein geringfugig ungunstigeres Aussehen als eine schwach vorkristallisierte Schokolade, dafiir aber eine hohe Fettreifbestandigkeit. Zu erwahnen ist noch, dai3 stark vorkristallisierte Schokoladen wahrend der Erstarrungskristallisation nur no& wenig kontrahieren; deshalb losen sie sich schlecht aus der Kuhlform.

Hat man sich aus verarbeitungstechnischen Griinden fur eine schwache Vorkristallisation entschieden, so er- hebt sich die schwierige Frage, nach welchem Verfahren bzw. mit welchem Apparat die Vorkristallisation durch- gefiihrt werden soll. Eine eindeutige Empfehlung zum einen oder anderen Verfahren hin laat sich nicht an- geben, da mit den verschiedensten Verfahren und Appa- raten unterschiedliche oder gleiche Grade der Vorkri- stallisation erzielt werden konnen, je nachdem wie die Betriebsvariablen gewahlt wurden (Temperaturen, Ver- weilzeiten, Ruhrbedingungen). Bei den meisten konti- nuierlichen Verfahren ist zu beachten, dab die Massen keinen Gleichgewichtszustand erreichen, so dai3 die Tem- peratur der Schokolade keine eindeutige Aussage uber den erreichten Fettkristallanteil liefert. Allerdings bietet die Endtemperatur der zu verarbeitenden, vorkristalli- sierten Schokolade die Moglichkeit, eine Aussage uber die erzielbare Fettreifbestandigkeit zu gewinnen: ist die Temperatur der - nach welchem Verfahren auch im- mer - vorkristallisierten Schokolade relativ hoch, z. B. 34O C oder dariiber, so kann in der Masse nur ein gerin- ger Fettkristallanteil vorhanden sein. Demzufolge wird die erstarrte Schokolade voraussichtlich auch nur eine geringe Fettreifbestandigkeit aufweisen. Die Verfahren, bei denen wahrend einer anfanglichen, starkeren Unter- kuhlung ein hoher Fettkristallanteil erzeugt wird (der anschliedend durch Wiedererwarmung nur partiell wie- der aufgeschmolzen wird) und bei denen die Schoko- lade (am Ende der Vorkristallisation) einen Gleich- gewichtszustand erreimt, sind vorteilhafter. Bei ihnen ist sichergestellt, dad sich in der Schokolade am Ende ein iiber die Massentemperatur (Verarbeitungstemperatur) beliebig einstellbarer Fettkristallanteil befindet.

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7. Z u s a m m e n f a s s u n g Die unerwunschte Fettreifbildung dunkler Schoko-

laden wahrend der Lagerung hangt in hohem Made von der verfahrenstechnischen Durchfuhrung der Vorkri- stallisation und Erstarrungskristallisation (Kuhlung) ab. In grundlegenden Versuchen wurde zunachst das Kri- stallisationsverhalten der Schokolade wahrend der Vor- kristallisation in einem Ruhrkessel studiert. Da die Zahl und Grobe der Kristalle keiner unmittelbaren Messung zuganglich sind, mudte auf dem Umweg uber Dreh- momentmessungen die scheinbare Viskositat der vor- kristallisierten Schokolade abgeschatzt werden. Ent- sprechend dem erreichten Grad der Vorkristallisation wurde eine grobe Einteilung in ,,schwa&, mittel-stark und extrem-stark" vorkristallisierte Schokoladen getrof- fen, wobei der Grad der Vorkristallisation um so hoher ist, je mehr Fett bereits wihrend der Vorkristallisation auskristallisierte. Zur Oberprufung der Fettreifbestan- digkeit wurden die Schokoladenproben bei 26O C gela- gert; die Fettreifbildung konnte durch die Messung der Oberflachen-Remission bei einer mittleren Wellenlange von 0.47 X 10-B m in Abhangigkeit von der Lagerzeit verfolgt werden. Die Fettreifbestandigkeit der Schoko- lade verbesserte sich mit zunehmendem Grad der Vor- kristallisation. Schwach vorkristallisierte Schokoladen, die sich infolge ihrer niedrigen Viskositat gut vergieben lassen, wurden grundsatzlich fettreifig. Durch eine lang- same Kuhlung der vorkristallisierten Masse in der Kiihl- form nimmt die Fettreifbestandigkeit zu. Mittel-stark vorkristallisierte Schokoladen neigen - insbesondere bei einer langsam durchgefuhrten Erstarrungskristalli- sation - zu Verfarbungserscheinungen, welche das Aus- sehen des Schokoladenproduktes verschlechtern. Extrem- stark vorkristallisierte Schokoladen besitzen einerseits eine sehr hohe Fettreifbestandigkeit und neigen an- dererseits nicht mehr zu den erwahnten Verfarbungen. Allerdings besitzen sie eine sehr hohe Viskositat, so dab sie beispielsweise nur unter Druck in einer Kiihlform ausgeformt werden konnen.

Um die Ursachen fur die verbesserte Fettreifbestan- digkeit herauszufinden, wurde rontgenographisch der Kristallzustand des Kakaofettes in der erstarrten Scho- kolade untersucht. Die Intensitatszunahme des (002)- Reflexes beim Obergang von schwacher zu mittel-starker Vorkristallisation ist primar auf eine Zunahme an orientiert auskristallisiertem Fett (Textur) zuriickzu- fuhren. Die Textur ist eine sekundare Kristallisations- erscheinung und kann nicht als eigentliche Ursache fur eine erhohte Fettreifbestandigkeit angesehen werden. Entsprechend der Theorie von K. Bedier' mub eine er- hohte Fettreifbestandigkeit vielmehr darauf zuruck- gefiihrt werden, dad durch die Wirkung einer extrem starken Vorkristallisation - hinsichtlich ihrer Zusam- mensetzung - stabile Fettkristalle in der erstarrten Schokolade gebildet werden, die bei Lagerungstempera- tur nicht mehr in eine Mischungsliicke fallen und sich daher auch nicht mehr unter Bildung von Fettreif ent- mischen brauchen.

Damit sind die verfahrenstechnischen Moglichkei- ten der Herstellung von Schokolade verbesserter Fett- reifbestandigkeit aufgezeigt und physikalisch gedeutet.

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