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Archiv klin. exper. Ohren-, Nasen- und Kehlkopfheilk. 190, 146--152 (1968) Die knorpeligen Strukturen der Nasenspitze und ihre Verbindung J. SCHMALIX Eingegangen am 4. :November 1967 Summary. The anatomy of the cartilaginous structures of the nose-tip is de- scribed and newly arranged by means of anthropological points of view. It is com- pleted by arguments of expirience and by new knowledges. Their nomenclature is criticised according to makroscopieal and mikroscopical examinations. Zusammen/assung. Die Anatomie der knorpeligen Anteile der Hasenspitze wird an Hand anthropologiseher Gesichtspunkte neu geordnet und beschrieben. Sie wird ferner auf Grund praktischer Erfahrung um neue Erkenntnisse erg~nzt und ihre Homenklutur an Hand makroskopiseher wie mikroskopischer Untersuehung einer Kritik unterzogen. Einleitung Die bisherigen anatomischen Beschreibungen der knorpeligen Struk- turen der Nasenspitze sind nur bedingt richtig, weft sie wichtige anthro- pologische Gesichtspunkte auSer acht lassen. Hierauf beruhen zum Teil die sich widersprechenden Ansichten der Autoren verschiedener Lander bezfiglich des operativen Vorgehens und zum Tefl die MiBerfolge in der Praxis. Legt man die anatomische Beschreibung yon Co~vE~s zugrunde, auf die im deutschsprachigen Schrifttum Bezug genommen wird, so fi~llt bei Betrachtung seiner Zeichnungen auf, daI~ yon ibm die knorpeligen Struk- turen der mediterranen Nasenspitze beschrieben werden. Diese sind da- durch charakterisiert, daI~ die crura laterales der Spitzenknorpe] eine schlanke Gestalt aufweisen und steil yon oben au[ten nach unten innen gestellt sind. Die crura mediales sind stark entwickelt und verlaufen yon unten vorne nach oben hinten, so dab die Columel]~ in ihrem hinteren Drittel retrahiert und in Profilansicht kaum sichtbar ist. Die crura mediales mfissen ferner auf Grund der oft n~hezu senkrechten Stellung der crura laterales ]eicht rotiert sein, wenn die obere Fli~che zur media]en werden soll. Infolge ihres Verlaufes und infolge ihrer schlanken Gestalt weichen die crura laterales der Spitzenknorpel in der Gegend des Septumwinkels auseinander, indem sie zwischen sich ein dreieckiges Gebiet freilassen, das unterh~lb des Septumwinkels keine Unterstfitzung durch den

Die knorpeligen strukturen der nasenspitze und ihre verbindung

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Archiv klin. exper. Ohren-, Nasen- und Kehlkopfheilk. 190, 146--152 (1968)

Die knorpeligen Strukturen der Nasenspitze und ihre Verbindung

J. SCHMALIX

Eingegangen am 4. :November 1967

Summary. The anatomy of the cartilaginous structures of the nose-tip is de- scribed and newly arranged by means of anthropological points of view. It is com- pleted by arguments of expirience and by new knowledges. Their nomenclature is criticised according to makroscopieal and mikroscopical examinations.

Zusammen/assung. Die Anatomie der knorpeligen Anteile der Hasenspitze wird an Hand anthropologiseher Gesichtspunkte neu geordnet und beschrieben. Sie wird ferner auf Grund praktischer Erfahrung um neue Erkenntnisse erg~nzt und ihre Homenklutur an Hand makroskopiseher wie mikroskopischer Untersuehung einer Kritik unterzogen.

Einleitung Die bisherigen anatomischen Beschreibungen der knorpeligen Struk-

turen der Nasenspitze sind nur bedingt richtig, weft sie wichtige anthro- pologische Gesichtspunkte auSer acht lassen. Hierauf beruhen zum Teil die sich widersprechenden Ansichten der Autoren verschiedener Lander bezfiglich des operativen Vorgehens und zum Tefl die MiBerfolge in der Praxis.

Legt man die anatomische Beschreibung yon Co~vE~s zugrunde, auf die im deutschsprachigen Schrifttum Bezug genommen wird, so fi~llt bei Betrachtung seiner Zeichnungen auf, daI~ yon ibm die knorpeligen Struk- turen der mediterranen Nasenspitze beschrieben werden. Diese sind da- durch charakterisiert, daI~ die crura laterales der Spitzenknorpe] eine schlanke Gestalt aufweisen und steil yon oben au[ten nach unten innen gestellt sind. Die crura mediales sind stark entwickelt und verlaufen yon unten vorne nach oben hinten, so dab die Columel]~ in ihrem hinteren Drittel retrahiert und in Profilansicht kaum sichtbar ist. Die crura mediales mfissen ferner auf Grund der oft n~hezu senkrechten Stellung der crura laterales ]eicht rotiert sein, wenn die obere Fli~che zur media]en werden soll.

Infolge ihres Verlaufes und infolge ihrer schlanken Gestalt weichen die crura laterales der Spitzenknorpel in der Gegend des Septumwinkels auseinander, indem sie zwischen sich ein dreieckiges Gebiet freilassen, das unterh~lb des Septumwinkels keine Unterstfitzung durch den

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Septumknorpe l finder. Es wird daher mi t l~echt als ,,Schwaches Dreiec/c" bezeichnet. Die Nasenspitze ist in Profi lansicht nach abw~rts gerichtet.

~.~. . . . . . W/nkel

Jch w~'g/785 Dr~o/es~ Abb. 1. Die knorpeligen Strukturen der mediterranen 5Tasenspitze

Eigene Untersuchungen und Ergebnisse Diese Beschreibung trifft aber nicht auf die westeuropiiische und gar

nicht auf die in Deutsch land so h~ufig vorkommende slawische Nase zu. Bei der westeurop/~ischen Nase des Erwachsenen stehen die crura laterales der Spi tzenknorpel ]eicht schr/ig bis anni ihernd horizontal. Die crura mediales ver laufen demzufolge yon u n t e n vorne nach u n t e n hinten, wodurch die Columella der M/~nner horizontal zu liegen kommt , w/~hrend sie bei der kfirzeren weiblichen Nase infolge Verkfirzung am Septumwinkel leicht nach auBen gewSlbt ist. Das schwache Dreieck ist infolge der annKhernden t tor izonta ls te l lung der crura laterales bei langem Sep tum nasale nu r angedeutet . Die Nasenspitze ragt in Profilansicht aus dem Gesicht.

Eine Ausnahme macht die angeborene Schiefnase, bei der im Gegensatz zur traumatischen das crus ]aterale des Spitzenknorpels auf der Breitseite der Nase mehr oder weniger steil nach abw~rts verl~uft, w~hrend es auf der Schmalseite mehr oder weniger horizontal steht. Der ~bergang des crus laterale zum crus mediale, das ist also die KuSerliche sichtbare Prominenz der Nasenspitze, steht somit auf der Breitseite tiefer als auf der Schma]seite. Die Ursache beruht auf ungleichmi~13iger Pneumatisation und damit Entwicklung der beiden Gesichtsh~lften, so dab sie gegeneinander verschoben sind und auch in verschiedenen Ebenen liegen. Die ge- samte Nasenanlage nimmt bei der angeborenen Schiefnase an dieser Asymmetrie tell, indem der Ansatz der Nase im Gesicht auf ihrer flachen Breitseite cranialwiirts und ven~ralw~rts yon dem auf ihrer stei]en Schmalseite liegt. Die ~asenspitze ist somit in Profilansicht auf der Breitseite in l~elation zur Schmalseite nach ~bw~rts gerichtet.

Bei der slawischen Nase ist das Septum nasale zwar unterentwickel t , daffir aber sind die horizontal s tehenden crura luterales breit u n d kr~ftig angeleg~ u n d zudem stark kuppelfSrmig gewS]bt. Die crura mediales

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Abb. 2 Abb. 3

Abb. 2. Die knorpeligen Strukturen der westeurop~ischen Nasenspitze. ])as schwache Dreieck ist nur angedeutet

Abb.3. Die knorpeligen Strukturen der slawischen Nasenspitze. Das schwache Dreieck existiert nicht

a b

Abb. 4. Slawische Breitnase. a vor, b nach der Korrektur

s tehen bei manchen slawischen Nasen fast senkrecht und die ebenfal ls senkrecht s tehende Columella i s t au f Grund des kurzen Sep tums im ganzen nach innen eingezogen. E in schwaches Dreieck exis t ier t fiber- h a u p t nicht . Die Nasensp i tze is t in Prof i lans icht aufgeworfen.

Die ana tomischen Beschre ibungen der Verb indung zwischen den knorpe l igen S t r u k t u r e n der Nasenspi tze s ind ferner unvo l l kommen und

Die knorpeligen Strukturen der Nasenspitze und ihre Verbindung 149

ihre Nomenklatur ist unrichtig, well sic im Widerspruch zu den histo- logischen und makroskopischen sowie klinischen Vcrh/~ltnissen steht.

So fehlt in der Literatur der fiir die Verbindung des Spitzenknorpe]s mit dem Dreieckknorpel so wichtige Hinweis, dab der freie untere Rand des Dreieckknorpels oft nach oben eingerollt vorgefunden wird. Hierdurch ist eine innige Verbindung in Form einer Verzahnung der unteren mit den oberen Knorpelanteilen der Nase ge- geben, um ein Absinken der Nasenspitze zu verhindern. Dieses Absinken setzt bei der westeurop~isehen Nase erst im hSheren Alter ein infolge der durch die physio- logische Altersakromegalie zunehmenden Gr5Be und Breite der Nasenspitze und des ~achlassens des Gewebeturgors. Ferner kommt es im Alter zu einer Rfick- bildung des Oberkiefers, wodureh die Columella mit den cruca mediales nach hinten und damit die die Spitze formenden crura laterales naeh abwi~rts gezogen werden. Durch diese Entwicldung wird das Profil der westeurop~ischen ~ase im Alter der mediterranen ~hnlich.

Die Schnittffihrung im Bcrcich dcr Plica nasi zwischen Spitzen- und Dreieckknorpel wird im gesamten Schrifttum als intercartilaginKr be- zeichnet, ist abet immer eine intraeartilagin~re. Und zwar deshalb, well der untere Tell des crus laterale eine kuppelartige WSlbung darstellt, w/~hrend das obere Ende flach ist und yon Haut und Schleimhaut un- bedeckt auf dem Dreieekknorpel ruht. Erweitert man bei der Rhino- skopia anterior den Nasenvorhof zum Zwecke der Incision mit Hilfe eines Speculums oder eines Doppelhakens in verticaler Richtung, so stellt man den gewSlbten Anteil des crus laterale steil auf. Bei der Tren- nung yon Spitzenknorpel und Dreieekknorpel durchschneidet man dann das erus laterale am Ubergang zu seinem flachen Anteil, da der Dreieck- knorpel, auf dem er ruht, am Septum nasale angewaehsen ist und sich nicht mit aufstellenl/~Bt. Man sieht dann die Schnittfl/iehe der Reste des crus laterale weiBlich sehimmernd im Gewebe auf dem Dreieckknorpel liegen.

Die Besehreibung yon Sesamknorpeln im ,,intercartilagin/~ren Liga- ment", denen sogar physiologisehe Bedeutung ffir die Nasenatmung zu- geschrieben wird, ]/~f~t den Verdacht aufkommen, dab es sieh um eine Verwechslung mit den l~esten des oberen Anteils des crus laterale auf dem Dreieckknorpel hande]t. Diese MSglichkeit ist vor allem deshalb gegeben, well es sich um mehrere kleine Teilehen hande]n kann, wenn nach dem Er6ffnungsschnitt zwecks Trennung der Haut vom Dreieck- knorpe] nachgeschnitten wird.

Ffir die Verbindung der Spitzenknorpel mit den Dreieekknorpeln kennt CONVERS drei verschiedene MSglichkeiten, n/~mlich Bindegewebe, Aponeurose und Aponeurose-/ihnliehes Gewebe. Die Aponeurose soll das schwache Dreieck unterhalb und seitlich des Septumwinkels fiberbriicken, w/~hrend Aponeurose-/ihnliches Gewebe das erus laterale mit dem Dreieck- knorpe] verbinden soll. Die Literatur kennt aber noch d as Ligamentuminter- cartilagineum und die Membrana intercartilaginea als weitere M6g]ichkeit.

Abgesehen davon, dab die Bezeichnungen ffir geformtes und un- geformtes Bindegewebe nicht gegeneinander vertauseht werden kSnnen,

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gehen demn~ch nicht nur die Nomenklatur, sondern such die Ansiehten fiber den histologischen Aufb~u der Verbindungen zwischen den Knorpel- strukturen der Nusenspitze ~useinander.

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Zur K1/~rung dieser Frage haben wit aus diesem Grunde unter Be- riicksiehtigung der oben angeftihrten anthropologischen Voraussetzungen sowohl aus dem membran6sen Septum im Bereich des sogenarmten

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schwachen Dreiecks als auch aus dem Gebiet der Verbindung zwischen crus laterale des Spitzenknorpels mit dem unteren Rand des Dreieck- knorpels Gewebe entnommen und einer histologischen Untersuchung unterzogen.

Befund 1. In dem erbsengroBen Excisionsst/iek aus der Verbindung zwisehen

Septumwinkel und Spitzenknorpeln (sogenanntes Schwaches Dreieck) finder sich mikroskopiseh bei Durchuntersuchung in zahlreichen Stufen und in verschiedenen F~rbungen (HE und van Gieson) ein beiderseits yon Plattenepithel besetztcs Schleimhautst/ick mit einem angeschnit- tenen regelrecht gebauten hyalinen Knorpel und mit umgebendem gef/~g- fiihrenden Mesenchym. Dabei handelt es sieh um weiche Faserzfige mit m/~Bigem Kerngehalt und vielen weitgestellten Capillaren sowie mit ein- zelnen kleinen l~Tervenstr/ingen. Strafferes Bindegewebe naeh Art einer Aponeurose l~$t sich nirgends nachweisen.

2. In der Excision aus der sogenannten Membrana intereartilaginea oder dem Ligamentum intercartflagineum handelt es sieh gleiehfalls um ein Schleimhautgewebe aus dem Vorhofbereich mit zentralem regel- m/iBig gebautem hyalinen Knorpel, mit umgebendem Plattenepithel auf beiden Seiten und mit stark gef~Bffihrendem Bindegewebe, das keinerlei straffe Ordnung in einem IAgament oder eincr Membran erkennen 1/~$t.

Somit besteht in beiden Excisionsst/icken kein Hinweis ffir eine Ligament-, Aponeurose- oder Membranbildung. Vielmehr handelt es sieh wohl um Schleimhaut mit weichem Bindegewebe (Professor G~o~GII, Pathologisches Inst i tut der Universit/~t Miinehen).

Es handelt sich somit bei den Verbindungen zwischen den knor- peligen Anteilen der Nasenspitze ~m Bereich des schwachen Dreieeks einerseits und zwischen erus laterale des Spitzenknorpels und Dreieck- knorpel andererseits weder um eine Aponeurose, noeh um ein Aponeurose- ~hnliches Gewebe, ein Ligament oder eine Membran. Die diesbez/igliche Nomenklatur ist daher unrichtig.

Die Ber/icksichtigung der oben angegebenen anatomischen Ver- h/~ltnisse f~hrt somit nicht nur zur Aufkl~rung, warum ein Tell der bis- herigen Operationsmethoden zur Korrektur der Nasenspitze sich wider- sprieht, sondern aueh zu neuen praktisehen Folgerungen.

Literatur CO~VERS, J.M.: The cartilaginous structures of the nose. Ann. Otol. (St. Louis)

64, 220 (1955). S¢~MALIX, J. : Die Unfallnase als kosmetisches Problem. Arch. Ohr.-, Nas.- u.

Kehlk.-Heilk. 185, 742 (1965). Dr. JosEr Scm~LIX Facharzt fiir t{als-Nasen-Ohrenkrankheiten 8 Miinchen 90, Schwanscestr. 64