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Univ.-Hautklinik in Hamburg. (Prof. Dr. Mulzer.) Die kombinierte ][alariabehandlung der therapie- resistenten Syphilis. Von Paul Mulzer, frfiheremVol.ont~trassistent der Chir. Klinik KSnigsberg (Prof. Lexer). Mit 2 Abbildungen. Eingegangen: 7. 3. 27. Im Archiv ffir Dermatologie und Syphilis finder sich ein ,,Bei- trag zur Beurtheilung des Werthes der versehiedenen Queeksilber- priiparate in der Syphilistherapie", den unser hochverehrter Jubi- lar als junger Doktorand auf der Syphilisabteilung von Leube, die damals Seiffert in Wtirzburg leitete, verfal~t hat. Dieser ,,Beitrag" bildet gleichzeitig auch die erste wissenschaftliche Publikation Lexers. Die friihgeweckte Neigung ffir die an Problemen so reiche und darum ltir jeden Forscher besonders anziehende Syphilis iiul~erte sich auch im ganzen spitteren wissenschaf~lichen Wirken yon Lexer. Das Kapitel, welches in seiner trefflichen,,Allgemeinen Chirurgie" diese Krankheit behandelt, ist bei aUer Ktirze vSllig erschSpfend und scheint mir mit besonderer Liebe geschrieben. Mit grol~em Interesse hat Lexer auch meime an seiner Klinik in KSnigsberg i. J. 1905 fortgesetzten Studien ,,~ber das Vorkommen der Spiro- chaeta pallida bei syphilitischen und andern Krankheitsprodukten" veffolgt und sie durch wertvolle Ratschlitge gefSrdert. Ich glaube daher nicht allzusehr aus dem Rahmen dieser in erster Lini~ doch yon Chirurgen fiir den Chirurgen Lexer geschriebenen Fest- sckrift herauszutreten, wenn ich als Beitrag ein Thema withle, das die neueste Behandlungsmethode der Syphilis, d i e k o m b i n i e r t e Malariatherapie, betrifft. Diese zur Zeit im Mittelpunkte des iirztlichen Interesses stehende Therapie ist von Kyrle in Wien begrfindet worden. Sie geht aus yon den gtinstigen Resultaten, welehe Psychiater und Neurologen bci syphilogenen Spiitnervenerkrankungen, insbesondere bei der Paralyse, mit der von Wag- ner-Jauregg inaugurierten Malariaimpfung erzielt haben. Kyrle sagte sich,

Die kombinierte Malariabehandlung der therapie-resistenten Syphilis

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Page 1: Die kombinierte Malariabehandlung der therapie-resistenten Syphilis

Univ.-Hautklinik in Hamburg. (Prof. Dr. Mulzer.)

Die kombinierte ][alariabehandlung der therapie- resistenten Syphilis.

Von

Paul Mulzer, frfiheremVol.ont~trassistent der Chir. Klinik KSnigsberg (Prof. Lexer).

Mit 2 Abbildungen.

Eingegangen: 7. 3. 27.

Im Archiv ffir Dermatologie und Syphilis finder sich ein ,,Bei- trag zur Beurtheilung des Werthes der versehiedenen Queeksilber- priiparate in der Syphilistherapie", den unser hochverehrter Jubi- lar als junger Doktorand auf der Syphilisabteilung von Leube, die damals Seiffert in Wtirzburg leitete, verfal~t hat. Dieser ,,Beitrag" bildet gleichzeitig auch die erste wissenschaftliche Publikation Lexers.

Die friihgeweckte Neigung ffir die an Problemen so reiche und darum ltir jeden Forscher besonders anziehende Syphilis iiul~erte sich auch im ganzen spitteren wissenschaf~lichen Wirken yon Lexer. Das Kapitel, welches in seiner trefflichen,,Allgemeinen Chirurgie" diese Krankheit behandelt, ist bei aUer Ktirze vSllig erschSpfend und scheint mir mit besonderer Liebe geschrieben. Mit grol~em Interesse hat Lexer auch meime an seiner Klinik in KSnigsberg i. J . 1905 fortgesetzten Studien ,,~ber das Vorkommen der Spiro- chaeta pallida bei syphilitischen und andern Krankheitsprodukten" veffolgt und sie durch wertvolle Ratschlitge gefSrdert. Ich glaube daher nicht allzusehr aus dem Rahmen dieser in erster Lini~ doch yon Chirurgen fiir den Chirurgen Lexer geschriebenen Fest- sckrift herauszutreten, wenn ich als Beitrag ein Thema withle, das die neueste Behandlungsmethode der Syphilis, d i e k o m b i n i e r t e M a l a r i a t h e r a p i e , betrifft.

Diese zur Zeit im Mittelpunkte des iirztlichen Interesses stehende Therapie ist von Kyrle in Wien begrfindet worden. Sie geht aus yon den gtinstigen Resultaten, welehe Psychiater und Neurologen bci syphilogenen Spiitnervenerkrankungen, insbesondere bei der Paralyse, mit der von Wag- ner-Jauregg inaugurierten Malariaimpfung erzielt haben. Kyrle sagte sich,

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dab ein Verfahren, das hier, wo schon h~hstgradige Gewebsseh~digu~ugen eingetreten seien, noch so Gutes leisten kSnne, in einem friiheren Stadium der Syphilis, in dem diese Sch~digungen noch nicht so welt fortgeschritten seien, doch wohl noch Besseres leisten kSnne. Aus diesen und andern Er- w~gungen heraus wendet die Wiener Klinik (Hofrat Finger) die kombinierte Malariatherapie s e l b s t b e i g a n z f r i s e h e r S y p h i l i s mit oder ohne Liquorver~nderungen an und will damit sehr gute Erfolge erzielt haben. R. O. Stein meint sogar, die MSgliehkeit sei nieht yon der Hand zu weisen~ ,,dal~ diese Behandlungsmethode bei frischen Syphilisf~llen, im sekund~ren Stadium, als erste Kur angewandt, imstande sein wird, die ganze bisher fibliche chronisch-intermittierende Behandlung zu ersetzen".

Nur sehr wenige Syphilidologen scheinen aber zur Zeit in dieser Be- handlung so weir zu gehen wie die Fingersehe Klinik.

Auch ich kann mich noch nicht entschlie6en, die frische Syphilis ganz generell dieser doch immerhin reeht eingreifenden Therapie zu unterwerfen. Ich bin der Meinung, da$ man die f r i s e h e L u e s in e r s t e r L i n i e e i n e r e n e r g i s c h e n F r i i h - b e h a n d l u n g mi, t S a l v a r s a n u n d W i s m u t im Sinne yon E. Hoffmann (mehrere Kuren mit hohen Sa]varsan- und Wismut- dosen bei &--6wSchigen Zwischenr~umen) u n t e r z i e h e n sollte. Diese Behandlung wirkt ja hier ganz ausgezeichnet und erzielt in den meisten Fi~llen auch ein dauerndes Freibleiben des Blutes and des Liquors yon krankhaften Erscheinungen.

Ganz anders liegen die Dinge bei i i l t e r e r S y p h i l i s . Hier l e i s t e ~ die sog. k o m b i n i e r t e M a l a r i a k u r w e i r m e h r a l s u n s e r e b i s h e r i g e C h e m o t h e r a p i e ohne o d e r m i t Q u e e k s i l b e r bzw. W i s m u t . Insbesondere vermag sie dies in Fi~llen,sp~tsekundi~rer und terti~rer Syphilis, bei denen noch eine i s o l i e r t e p o s i t i v e Wa-R. im B l u t s e r u m u n d p a t h o -

l o g i s c h e V e r ~ t n d e r u n g e n im L i q u o r bestehen. Diese ver- hal'ten sich erfahrungsgem~$ j e d e r a n d e r n T h e r a p i e gegen- f iber m e i s t v S l l i g r e f r a k t i i r , wi~hrend die Malariasalvarsan- therapie hier noch eine weitgehende Besserung, wenn nicht iiber- haupt eine restitutio ad integrum erzielen kann.

Jeder, der sich auch nur einigerma6en mit der Behandlung yon Syphilitikern abgibt, kennt solche alten Syphilitiker, die im Friih- stadium ~hrer Krankheit nieht oder nut ungeniigend behandelt worden sind und nun lediglieh eine p o s i t i v e Wa-R. im B l a r e aufweisen. Er wird versuchen, alas Vers~umte naehzuholen; doch nur relativ selten wird ibm dies, wie gesagt, durch die iibliche Chemotherapie gelingen. Aber a u c h bei gu t v o r b e h a n d e l t e n S y p h i l i t i k e r n finder sich nicht selten e in i s o l i e r t e r , pos i - r i v e r B l u t - W a . , der jeder weiteren chemotherapeutisehen Be- handlung gewShnlieh trotzt.

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656 Paul Mulzer:

W ir Syphil idologen haben uns bisher in solchen F~l len damit geh01fen, dab wir sagten, ein Negat ivwerden der Wa-R. im Blute diirfe durch weitere Kuren nicht auf Kosten des Allgemeinbefin- dens erzwungen werden. In der Erkenntn is unserer vSlligen Macht- losigkeit r ie ten wir meist yon jeder weiteren Behandlung ab, trS- steten den Kranken und erklar~en eine derart ige hartn~ckige Wa-R., insbesondere wenn eine uns geniigend erscheinende spezifisehe Vor- behandlung s ta t tgefunden hatte, fiir einen ,,biol~gischen SchSn- hMtsfehler", liel3en aber im allgemeinen die Dinge laufen, wie sie wollten. G a n z w o h l w a r u n s b e i d e r G e s e h i c h t e a b e t d o c h n i c h t , denn wi r seharf ten derar t igen Kranken, die wi t wohi auch heiraten lieBen, ein, sich yon Zeit zu Zeit wieder yon uns nachuntersuehen zu lassen und insbesondere bci dem geringsten krankhaf ten Symptom, das sie bei sich oder ihrer kiinftigen Fami l ie wahrnehmen oder wahrzunehmen glaubten, sofor~ wieder zu uns zu kommen. Gewi~, die E r f ah rung hat uns gelehrt , dab sehr vielen derar t iger Syphi l i t iker mi t einem isolierten pos. Blut- Wa. nichts welter passierte; aber wir wissen doch auch, dab bei einer ganzen Anzahl derselben g l e i e h z e i t i g s e h l e i e h e n d v e r l a u f e n d e s y p h i l i t i s c h e E r k r a n k u n g e n i n n e r e r 0 r g a n e , h a u p t s ~ e h l i c h d e r B l u t g e f ~ $ e vorhanden waren oder naeh kiirzerer oder langerer Zeit in Erscheinung traten. Viele insbesondere der inneren Kliniker (J. Citron, Moritz, Schottmiiller u. a.) fassen daher j e d e p os. W a - R . als ein Z e i c h e n a k t i v e r L u e s auf and verlangen in solehen Fa l len grSBte Vorsicht hinsichtlich der Prognosestellung.

Einen besonders lehrreichen Fa l l dieser A r t beobachtete ich vor kurzem in meiner Klinik.

Ein Kranker hatte vor 3 J . Lues akquiriert und war sofort mit drei starken Salvarsan-Quecksilberkuren behandelt worden. Klinische Erschei- nungen waren in der Folgezeit nieht mehr aufgetreten, aber die Wa-R. im Blute war sp/iter pos. geworden. AuBerordentlich beunruhigt dariiber, wurde er sehr nervSs, so dab er der hiesigen Nervenklinik iiberwiesen wurde. Dort wurden a u g e r e i n e r s t a r k pos. Wa-R. und D.M. im B l u r - s e r u m k e i n e r l e i A n h a l t s p u n k t e f i i r S y p h i l i s gefunden, auch die L i q u o r u n t e r s u c h u n g ergab v o l l k o m m e n n o r m a l e W e r t e . Der Kranke wurde mit dem Schlul3vermerk in der Krankengeschichte entlassen: ,,Es ist gelungen, ihn zu beruhigen und davon zu fiberzeugen, dab sein positiver Wa-R. keinerlei Bedeutung hat." G e n a u 3W. sp~i ter kam dieser Kranke in meine Klinik mit einer t y p i s c h e n P a p e 1 a m 1. Z u n - g e n r a n d , die auf eine sofort eingeleitete Salvarsankur prompt ver- schwand. Dieser Kranke wird nun mit Malaria behandelt.

Er innern wi t uns daran, d a b M i i t t e r , d i e e i n s y p h i l i - t i . s e h e s K i n d g e b o r e n h a b e n , meist keinerlei weitere Sym-

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tome tier Lues haben als eine pos. Wa-R. im Blute und sich him- fig auch gar nicht denken kSnnen, syphilitisch infiziert worden zu sein. Solche Frauen, die n i c h t s w e l t e r a l s e i n e n pos . B l u t - Wa. d a r b i e ~ e n , kSnnen noch Jahrzehnte nach ihrer Ansteckung syphiHtische Kinder zur Welt bringen, mttssen also l a t e n t s y p h i l i t i s c h sein. Wir wissen ferner doch, dab bei der k o n - g e n i t a l e n L u e s d e r K i n d e r die pos. Wa-R. ebenfalls h~tu- fig jahre- und jahrzehntelang das e i n z i g e A n z e i c h e n e i n e r o k k u l t e n S y p h i l i s ist, Seitdem ich die so e m i n e n t c h r o - n i s e h e , l a t e n t v e r l a u f e n d e S y p h i l i s de s K a n i n e h e n s , die Kolle so treffend als ,,stumme Infektion" bezeiehnet, genaLler kenne und weiB, dab auch diese so auBerordentlich schwer thera- peutisch zu beeinflussen ist, bin/ich mir in noch hSherem Grade bewuBt, dab f i b e r j e d e m pos . i m B l u t e n a c h Wa. r e a g i e - r e n d e n S y p h i l i t i k e r s t ~ n d i g d~as D a m o k l e s s e h w e r t s c h w e r e r F o l g e n d e r S y p h i l i t i s schweb~t , g l e i c h g f i l - r i g , ob e r a n s c h e i n e n d g e n f i g e n d v o r b e h a n d e l t w u r d e o d e r n i c h t . Solche fiblen ~ Folgen b r a u c h e n , wie gesagt, nieht einzutreten; s i ek 5 n n e n aber eintreten und wenn dies auch nur in wenigen F~llen gesehieht, wer sagt uns denn, dab sie bei dem Kranken, den wir eben beraten, nicht eintreten werden?!

Wir wissen jetzt, dab eine k o m b i n i e r t e S a l v a r s a n - W i s m u t- M a 1 a r i a k u r in der weitaus grSBten Zahl der F~tlle s e l b s t die b i s h e r j e d e r a n d e r e n T h e r a p i e g e g e n - f i b e r h a r t n ~ c k i g p o s i t i v g e b l i e b e n e B l u t - W a - R . z u m S c h w i n d e n b r i n g e n u n d s i e a n s c h e i n e n d - - diesbeziig- liche Erfahrungen ]iegen erst fiir etwa 4 bis 5 J . vor - - d a u e r n d neg. e r h a l t e n k a n n . Ich glaube daher nach dem bisher Ge- sagten f o r d e r n zu mfissen, dab a l l e d i e s e F ~ ! l e e i n e r k o m b i n i e r t e n M a l a r i a k u r u n t e r z 0 g e n werden mfissen.

Diese Forderung gil't m. E. nachum so mehr, als v i e l e dieser Falle auch noch mehr oder weniger i n t e n s i v e p a t h 0 1 o g i s c h e L i q u o r v e r ~ n d e r u n g e n darbie~en, die wir meistens ebenfalls d u t c h k e i n e unserer bisherigen t h e r a p e u t i s c h e n M a B - n a h m e n g f i n s t i g b e e i n f l u s s e n konnten.

Aueh bezfiglich des L i qu o r s ]iegen die Dinge ja ganz ~hnlieh wie beim Blut-Wa. Ich glaube, dab wohl die weitaus grSBte Mehr- zahl tier Kliniker a u s g e s p r o c h e n e p a t h , o l o g i s e h e V e r - ~ n d e r u n g e n im L i q u o r c e r e b r 0 s p i n a l i s insbesondere bei Sp~tluetikern als das Z e i c h e n e i n e r s e h l e i c h e n d v e r l a u - f e n d e n E r k r a n k u n g de s Z e n t r a ] n e r v e n s y s t e m s an= sieht, gleiehgfiltig, ob manifeste Erseheinungen vorliegen oder:

Deutsche Zeitschrift ffir Chirurgie. 203. u. 204. Bd. 42

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(J58 Paul Mulzer:

nicht. Auch ich weil3, dais selbst schwere Nerven- und Riicken- markserkrankungen ohne Liquorver~Lnderungen verlaufen k 5 n n e n; die Regel ist das aber nicht!

Was die P r o g n o s e derar~iger krankhaf te r Liquorbefunde in der Spi~tperiode der Lues betr i ff t , so glaube ich doeh wirklich an- nehmen zu mfissen, daI~ diese zum mindes'ten n i c h t l e i e h t g e - n o m m e n werden d a r f . Gewil5 gibt es auch S p o n t a n h e i l u n - g e n der Syphilis, aueh der Nervensyphil is , wie sie Dreyfufl, Kyrle und Pette nuchgewieseI1 haben. Es erkranken durchaus n i c h t a l l e schlecht oder gar nieht spezifiseh behandelten Syphi- t i t iker an Tubes und Para lyse oder einer anderen F o r m schwerer Nervensyphi l is ; sonst mfil3te ja die Zahl derar t iger Kranken viel, viel h~Lufiger sein, als sie es tatsi~chlieh ist. Trotzdem glaube ich, dab die Prognose in allen Fal len ,,dubia" zu stellen ist, wo Liquor- ver~nderungen persistieren. So und ~ihnlich urtei len ju auch viele andere Kliniker.

In diesem Sinne hat sich ja frfiher auch Nonne ausgesprochen. Drey[uss hiilt Kranke mit Liquorver~nderungen in der Spiitlatenz dieser Erkrankung, auch wenn bei der neurologischen Untersuchung noeh niehts Pathologisches aufgedeckt wurde, ffir die D a u e r i h r e s L e b e n s au f s s c h w e r s t e ge- f h h r d e t .

Mi th in mtissen wir, nach dem heutigen Stand der Wissen- schaft, doeh wohl auch b e m f i h t s e i n , p a t h o l o g i s c h e L i q u o r b e f u n d e z u b e s e i t i g e n , wenn wi t die MSglichkeit dazu in der Hand haben. Und diese gibt uns wieder die Malar ia- behandlung.

Rosner berichtete in Dfisseldorf an der Hand einer mit Mattuschka auf- gestellten Statistik aller seit 1922 mit Malaria-Salvarsan an der Fingerschen Klinik behandelten Kranken, da~ bei dieser Therapie von siimtlichen pos. Liquorfgllen ohne Rfieksieht auf das Krankheitsalter nur 1,1 Proz. un- beeinflul]t blieben. ,,Es g ib t k e i n V e r f a h r e n , das g l e i c h e Re- s u l t a t e a u f z u w e i s e n hg t t e . " Zu ganz iihnlichen Ergebnissen kom- men wohl aUe Kliniker, welche diese Therapie bisher angewendet hubert, in erster Linie Bering, Mucha, Scherber, Heudc, Zurhelle und Krechels und hier in Hamburg Ritter und ich.

F r e i l i e h d a u e r t es m a n e h m a l l u n g e , e h e e i n e vS1- l i g e S a n i e r u n g d e s B l u t e s u n d d e s L i q u o r s e i n t r i t t . ,,Der GesundungsprozeB des Liquors setzt zwar bald naeh Ablaut des Fiebers mit Versehwinden der Pleoeytose ein, ver l~uf t aber langsam innerhalb yon Monaten", sagte Bering in Dtisseldorf, und aueh naeh O. R. Stein li~l~t die J_nderung der pathologisehen Reak- tionen im Blur und im Liquor ,,manehmal sehr lunge auf sieh warren. ,,Aber sie t r i t t ein und das in der weitaus grOl~ten Mehr- zahl der F~l le!"

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Zur Illustrierung dessen, was ieh soeben sagte, mSchte ich die sich fiber eine sehr lunge Zeit bin erstreckenden Nachunter- suchungsbefunde yon 2 Fgllen aus der Wiener Klinik in der Form bringen, wie sic R. 0. Stein zusammengestellt und mir giitigst fiberlassen hat.

F a l l 1. L., 30j. Mann; Alter der Lues 4 J. Inf. 1919. Vorbeh. bis Be- ginn der kombin. Malariakur (1919--23) mit 11 Kuren [Neosalvarsan und Hydrarg. salicyl.] insges. 57 g Neosalvarsan.

T a b e l l e 1.

X. 23 [VI.241IX.24 VI. 25

Wa-R. Blur . . . . . �9 IH--[--t Wa-R. Liquor . . . . I 1 + + GoldsolLiquor . . �9 i ++-[- Pdndy Liquor . . . . Nonne.Apelt Liquor. Lymphoeyten Liquor i 7+5

Vorbeh.: 3,6 g Neosalv. M a l a r i a

Nachbeh. : 4,35 g Neosalv.

§ i

l l / s

F a l l 2. R., 31j. Mann; Alter der Lues 10 J. Inf. 1912. Vorbeh. bis Be- ginn der kombin. Malariakur (1914--22) mit 11 Kuren [Neosalvarsan und Hydrarg. salicyl.] insges. 53 g Neosalvarsan.

T a b e l l e 2.

Wa-R. Blur . Wa-R. Liquor Goldsol Liquor

Pdndy Liquor Nonne-A pelt

Liquor . . . Lymphocyt~n-

Liquor . . .

X•I. I lL 23 IV.23

§ + + § § + + + ~--]-+ Vorbeh. : I++-~-

[ 1,2 gNeosalv. +-+--+- M a l a r i a + - ] - +

[ Nachbeh.: -1-+-}-15,85 g Neos. q-+-~

31 32

+4+ +

++

2

VIII.25 II. 24

+ + + + + + + -l-++ + §

+ --

+ + +

3 1 / z 4

VIII. III. 25 24

+ --

4 11/3

Unter den 150 Fhllen, die ich bisher in meiner Klinik kombiniert mit Malaria und Salvarsan-Wismut behandelt habe, befinden sich ebenfalls eine Anzahl analoger Befunde. Ich habe hieriiber in Nr. 50 der Klin. Wochenschr. 1926 und in der Sitzung vom 11. I. 27 des Hamburger ~rztl. Vereins be- richtet. Bei der Niederschrift dieses Beitrages stellte sich der Befund der lgngere Zeit nach Abschlul~ der Behandlung kontrollierten 53 Fhlle folgen- dermal3en dar:

nach 8 W. waren noch 10 Ffille: 19 Proz. pos. ,, 1/4 J . . . . . 6 ,, : 11 . . . . ,, 1/2 J . . . . . 3 ,, : 5,5 Proz. pos.

wobei als ,,pos." entweder F~ille mit ~ W a - R . oder mit pathologischem Liquor angesehen wurden.

42*

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660 P a u l Mulzer :

Seh r i n s t r u k t i v is t be sonde r s fo lgende r F a l l : B e i d e r A u f n a h m e W a - R. u n d L i q u o r s t a r k p o s. (3 s t a rke S a l v a r s a n - W i s m u t k u r e n w a r e n in der F r i ihpe r iode der L u e s v e r a b r e i c h t worden ) ,

n a c h 28 W. : W a - R . --~ L i quo r ~ ,

,, 50 , , : ,, - - , ,, - - .

E s s t eh t z u e r w a r t e n , dab a u c h d i e o b e n e r w / i h n t e n 5,5 P r o z . m i t d e r Z e i t n o c h n e g. werden . A m har tnS~ckigs ten s che in t dex B l u t - W a . zu s e in ; in e i n i g e n u n s e r e r F/ille is t noch nach 1/2 J . k e i n U m s c h l a g e i n g e t r e t e n .

Abb. 1.

Eine weitere Indikation ftir eine kombinierte Salvarsan- Malariakur bilden nach dem einstimmigen Urteil aller Autoren, die mig dieser Methode gearbeitet haben, die k l i n i s e h - t h e r a - p i e r e s i s t e n f e n F i i l l e y o n f l o r i d e r S y p h i l i s . Diese wet- den ebenfalls s ehr gut durch eine derartige Behandlung beeinfluBt, w~s yon gr,oBer praktiseher Bedeutung ist, da es den Ansehein l~at, als ob die therapieresistente Laes in der letzten Zeit zuge- nommen h~tte. A u c h f t t r d e n C h i r u r g e n dtirfte es mitunter notwendig sein, derartige F~lle von Syphilis, fttr die bisher nur das Messer noch Hilfe brachbe, insbesondere Hoden- und Knochen- lues, erst einmal einer Malariatherapie zu unterwerfen, ehee r sich zur Operation entscheidet.

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Die kombinierte Malariabehandlung :der therapieresistenten Syphilis. 661

Es sei m i r ges ta t t e t , auch hier e inen sehr i n s t r u k t i v e n F a l l aus

me ine r K l i n i k anzuf i ih ren .

Nr. 3. Der Kranke, von dem die Abb'. 1 und 2 stammen, Johann N., kam am 19. VII. zur Aufnahme. Er wul~te nicht, w a n n e r sich luetisch infiziert hatte, ja hatte fiberhaupt keine Ahnung, syphilitisch zu sein. Die Luesanamnese seiner Ehe war aber aul~erordentlich charakteristisch: die ersten zwei Kinder wurden tot geboren; die n~chs~en zwei s tarben' im Alter von 2--3Mort.; sieben weitere sind angeblich bisher g~azlich gesund. Die Frau hat eine

Abb. 2.

-~Wa-R. 4W. vor der Aufn. trat ein knotenfSrmiger Ausschlag in den .Leistenbeugen und am After auf und an der Zunge eine wunde Stelle, die ihn beim Essen und Sprechen sehr belhstigte.

Vom Arzt wurden aus diagnostischen Grfinden zwei Neosalversanein- spritzungen gemacht, ohne jeden Erfolg. Bei der Aufnahme fanden sieh teilweise ulzerierte p a p e l ~ i h n l i e h e g r a u w e i l ~ e P l a q u e s a u f d e r Z u n g e , d e r W a n g e n s c h l e i m h a u t , am w e i c h e n G a u m e n u n d a u f d e n L i p p e n . I n d e n I n g u i n a l f a l t e n , a m S c r o t u m u n d in d e r R i m a a n i sah man a u s g e d e h n t e B e e t e v o n d e r b e n f i b r 5 s e n I ) a p e 1 n, die einen sehmierig-ei~rigen Belag zeigten und fiirch- terlich stank (Abb. 1). Die Wa-R. und D.M. im Blute waren neg., der Liquor enthielt ~/3 Zellen; auger Pdndy und Weichbrodt, die schwach pos. waren, fanden sieh bier keinerlei pathologische Werte.

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662 Paul Mulzer:

Whhrend der fibliehen Vorbehandlung mit Salvarsan und Wismut (3 g Neosalvarsan und 8--10 Spritzen Embial zu 1 ccm) schwanden die Papeln im Munde prompt. Die Erscheinungen ad genitalia et ad anum reinigten sich zwar sehr raseh, blieben sonst abet v o 11 k o m m e n u n b e e i n f 1 u 13 t. Erst nach dem 5. Anfall flachten sie ab und wurden dann dauernd regressiv. B e i d e r E n t l a s s u n g waren die P a p e l n r e s t l o s g e s e h w u n d e n ; n u r n o c h s t a r k e I - I y p e r p i g m e n t a t i o n e n bezeichneten die Stellen, an denen sie sa[ten (Abb. 2).

Vor e in iger Ze i t ha t Kauders (Wien. kl in. Wochenschr . 1927,

S. 85) d a r a u f h ingewiesen, dal3 eine M a l a r i a b e h a n d l u n g auch bei

n e r v S s e r F r f i h l u e s sehr gf inst ig wi rk t . E ine b esonders g u t e

B e e i n f l u s s u n g sah er bei e inem lue t i schen N e u r o r e z i d i v , das

naeh u n v o l l k o m m e n e r spez i f i seher B e h a n d l u n g a u f g e t r e t e n w a r und

sieh nun der r e inen ehemothe rapeu t i s ehen B e h a n d l u n g gegent iber

vSl l ig refrakt~ir ve rh ie l t .

A u e h ieh habe zwei ~hnl iehe F~tlle in m e i n e r K l i n i k beobaeh-

tet , bei denen e r s t e ine M a l a r i a k u r wesen t l i ehe B e s s e r u n g brach te .

In dem e i n e n F a l l e handelte es sieh um einen jungen Mann, Willy Br., der Ende 1921 Lues akquirierte. Er wurde sofort energiseh behandelt und hatte bis Ende Sept. 23 vier starke Salvarsan-Bi-Kuren durehgemacht. 4W. naeh der letzten Einspritzung trat unter heftigen Kopfsehmerzen eine einseitige L ~ i h m u n g d e r G e s i e h t s m u s k u l a t u r auf, die durch zwei weitere starke Neosalvarsan-Bi-Kuren nieht gebessert wurde. Der Kranke hatte sieh mit seinem Sehieksal abgefunden.

Im Juni 26 wurde er wegen neuerlieher syphiiitiseker Erseheinungen meiner Klinik iiberwiesen. Es fanden sieh s e k u n d/i r - s y p h i 1 i t i s e h e P a p e l n im M u n d e u n d e i n e pos. W a - R . N e u r o l o g i s e h wurde dureh die Nervenklinik yon Prof. _~onne folgender Befund erhoben: Parese im Faeialisgebiet r., Hyp/isthesie im Trigeminusgebiet 1., Sehwerh6rigkeit, Aufhebung des Sehmeekverm6gens auf den vorderen Zweidritteln der Zunge und Hypiisthesie in dem veto N. medianus versorgten Absehnitt der 1. Hand. Der Liquor war normal.

Der Kranke wurde sofort einer mit Neosalvarsan und Wismut (Embial) kombinierten Malariabehandlung unterzogen mit dem Erfolg, dag naeh Be- endigung derselben das S e h m e e k v e r m S g e n u n d a u e h d a s G e f t i h l in d e r 1. H a n d v o l l k o m m e n w i e d e r g e k e h r t u n d d i e P t o s i s r. w i e d i e P a r e s e d e r G e s i e h t s m u s k u t a t u r w e i t g e h e n d z u r t i e k - g e g a n g e n war, w~ihrend die S e h w e r h 6 r i g k e i t sieh n i e h t g e b e s - s e r t hatte.

Im zweiten Falle handelte es sieh um eine l a t e n t s y p h i l i t i s e h e Frau, Frieda Th., die im 8. Mon. ihrer Graviditiit in meine Klinik kam. Naeh Verabreiehung einer halben Neosalvarsan-Bi-Kur trat der Partus ein, weshalb sie in die Frauenkiinik verlegt wurde. I-Iier entwiekelte sigh lang- sam innerhalb yon 3 W. eine d u r e h g e h e n d e 1. H a l b s e i t e n l ~ h - m u n g .

Als die Kranke am 13. V. 26 auf meine Klinik zuriiekverlegt wurde, bot sie folgenden n e u r o 1 o g i s e h e n B e f u n d (Klinik No,he) dar : Dureh- gehende Halbseitenliihmung 1. Der r. Mundwinkel h/ingt etwas; der Arm kann nur ganz mtihsam in den einzelnen Gelenken bewegt, die Finger

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Die kombinierte Malariabehandlung der therapieresistenten Syphilis. 663

kSnnen eben zur Faust geschlossen werden. Keine wesentliche ~nderung im Tonus. Die Schwiche im 1, Bein ist nicht sehr hochgradig, aber immerhin deutlich, Reflexe, Periost- und Sehnenreflexe, an den Armen s/~mtlich pos. Kein Babinski, kein Clonus. Hautreflexe 1. st/irker als r. Bauchdeckenreflex 1. auslSsbar, r. nur sehr schwach. Keine deutlichen Sensibilit/ttsstSrungen. Grobe Kraft in der r. Hand zweifellos leicht herabgesetzt. In der r. Hand eine erhebliche Koordinationsschwi~che, so dab feinere Verrichtungen, Knfip- fen usw. nicht gelingen. Eine wesentliche Beeintriichtigung des Lagegeffihls und der Stereognosie ist nicht nachweisbar. Die Wa-R. im Blut war stark pos.; Liquor 30/3 Zellen, Mastix + , sonst o. B. Die I{ranke erhielt 5 Em- bialinjektionen; keine Besserung, im Gegenteil es trat wi~hrend diescr Be- handlung ein w e i t e r e s U m s i c h g r e i f e n d e r L i h m u n g e in .

Am 23. VI. 26 konnte die K r a n k e n i c h t s t e h e n u n d n i c h t g e h e n und m u B t e g e f f i t t e r t w e r d e n . B e g i n n d e r k o m b i n i e r t e n N e o - s a l v a r s a n - B i - M a l a r i a k u r . Schon w / i h r e n d d e r s e l b e n war eine g a n z w e s e n t l i c h e B e s s e r u n g festzustellen, n a c h B e e n d i g u n g der- selben kann die Kranke a l l e i n g e h e n , e s s e n u n d t r i n k e n . Am 2. I. 27 wird sie in gutem Allgemeinzustand, lediglich mit einer m h B i g e n H e r a b s e t z u n g d e r g r o b e n K r a f t in der 1. HaRd entlassen.

Ich glaube, dab m a n Kauders z u s t i m m e n muB, w e n n er sagt,

dab in de r a r t i gen F i i l l e n , ,nicht e rs t m i t a n d e r n B e h a n d l u n g s -

me thoden Zei t ve rgeude t werden solle, sondern dab m a n hier un-

verzi igl ich die M a l a r i a b e h a n d l u n g , die b ier eine besondere I nd i ka -

t ion bilde, i n A n g r i f f n e h m e n solle.

W e n n ich das b i sher Gesagte ku rz z u s a m m e n f a s s e , so

d i i r f t en die I n d i k a t i o n e n f i i r eine kombin ie r t e M a l a r i a b e h a n d l u n g

der S y p h i l i s b i l den :

1. F i l l e i ~ l t e r e r S y p h i l i s m i t r e s i s t e n t e r p o s .

W a - R . i m B l u t e a n d p a t h o l o g i s c h e n L i q u o r v e r i ~ n d e - r u n g e n m i t o d e r o h n e k l i n i s c h e S y m p t o m e ,

2. t h e r a p i e r e s i s t e n t e k l i n i s c h e E r s c h e i n u n g e n s e - k u n d i ~ r e r a n d t e r t i i ~ r e r S y p h i l i s ,

3. N e u r o r e z i d i v c .

Auf die T e c h n i k der kombinierten Malariakur mSchte ich wegen Raummangels hier nicht welter eingehen. Ich verweise auf meine bereits oben erwihnte einschligige Arbeit in der ,,Klinischen Wochenschrift". Nur in aller Ktirze mSchte ich bemerken, dab eine derartige Kur unbedingt aus einer V o r - u n d lq a c h b e h a n d 1 u n g bestehen muB, yon denen jede etwa 1/2 Neosalvarsan- und Wismutkur in der fiblichen Stirke umfaBt. Wenn irgend mSglich sollen 8--10 Anfi~lle abgewartet werden, ehe mit Chinin - - am besten und zuverliissigsten durch lange stomachale Darreichung nach dem _hTochtschen Schema - - coupiert wird. Die Bi-Darreichung wird zweckmiiBig auch w~hrend des Malariaablaufs, an fieberfreien Tagen, fortgesetzt. Mit Einsetzen der Coupierung und der spezifischen Nachbehandlung muB alles getan werden, um das A l l g e m e i n b e f i n d e n m 5 g l i c h s t r a s c h w i e d e r z u h e b e n. Die Kranken werden durch die Malariakur meist sehr mitgenommen und m a g e r n v o r a l l e m m e h r o d e r w e n i g e r s t a r k a b. Diese starke Abmagerung innerhalb kurzer Zeit ist m. E. nach notwen-

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664 Paul Mulzer:

dig ffir das Geiingen einer solchen Kur. Die besten Erfolge sehen wir bei Kranken, die 20 und mehr Pfund abgenommen hatten. Von anderer Seite wird angenommen, dab mehr die r a s c h e G e w i c h t s z u n a h m e und s c h n e l l e E r h o l u n g , die beinahe ausnahmslos nach einer Malariakur eintritt, der wirksame Faktor sei. Um diese Erholung noeh mehr zu be- sehleunigen, geben wir sobald als mSglich hochwertige kri~ftige Kost. Vor allem aber verabreichen wit stets derartigen Kranken in reichlichem Mai~e ,,P r o mo n t a", ein auch sonst sehr gesch~tztes, nach biologischeu Gesichts- punkten yon der hiesig~n chemischen Fabrik Promonta hergestelltes lipoid- reiches Pr~parat. Dieses wird am besten unter die Nahrung gemischt oder in Suppenform gereicht und meist recht gern genommen. GewShnlich hebt sich dabei das Allgemeinbefinden sehr rasch wieder, oft welt fiber das Nor- male. Junge an~mische M~dchen blfihen unter einer derartigen Nachbehand- lung geradezu auf. Manche Kranken sehen trotz n o r m a l e n B l u t b e - f u n d e s -- wir haben keine Kranken bisher ohne vSllig normalen Blut- befund, insbesondere ohne normalen H~moglobingehalt entlassenl -- noch einige Zeit schlecht aus und ftihlea sich etwas matt und angegriffen; aber auch sie erholten sich bisher ausnahmslos; es b 1 i e b e n k e i n e r 1 e i S y m - p tome der f i b e r s t a n d ~ n e n M a l a r i a , i n s b e s o n d e r e k e i n e h in - s i c h t l i c h der L e b e r und der 5,[ilz, zurf iek.

Als K o n t r a i n d i k a t i o n einer kombinierten Malar iakur haben m. A. nach zu gelten: H e r z f e h l e r , L u n g e n t a b e r - k u l o s e , n i c h t s y p h i l i t i s c h e h T i e r e n l e i d e n und v i a l - l e i e h t n o c h d e g e n e r a t i v e V e r ~ n d e r u n g e n b e i O p t i e t t s - a t r o p h i e . Eine miil~ige A o r t i t i s l u e t i c a bildet nach meiner Er fahrung und nach der yon Schottmiiller keine Gegenindikation; sie wird sogar gtinstig beeinfluf~t. Chininiiberempfindliche, die noch vor Beginn tier Vorbehandlung ermittel t werden mfissen, sind selbstverstiindlich ebenfalls "+on einer Malariatherapie auszuschlie- f~en, jedenfal!s so lange, als man noch mit Chinin coupiert.

Was die G e f a h r e n einer Malariabehandlung fiir damit be- handelte syphilitische Kranke betrifft, so kann man auf Grm~d der 3 - -4000 F~lle, die bisher damit behandelt worden sind, wohl mit Wagner-Jauregg sagen, dal~ diese p r a k t i s c h v S l l i g g e - f a h r l o s ist. Gewil~ ist diese Therapie eine r e c h t e i n g r e i - f e n de , die keineswegs a m b u l a n t durchgeftihrt werden darf, sondern s t e t s e i n e s t a t i o n i i r e sell mu l l Sie ist genau wie eine Operation eine a b s o l u t k l i n i s e h e M e t h o d e , die vor allem einer gr0f~en iirztlichen Sorgfalt und gewissenhaften Pflege der Kranken bedarL Insbesondere das H e r z ist dauernd zu tiber- wachen. Es empfiehlt sich w~hrend des ganzen Malariaver]aufs die Herzt~tigkeit anregende Mittel (Digitalysat , Kampfer) zu geben. Bei unseren K r a n k e n beginnen wir damit schon 3 T. vor dem zu erwartenden Fieberanfall , indem wir ihnen 3 maltgl . 5 - -10 Tropfen Digi ta lysat verabreichen ]assen.

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Die kombinierte Malariabehandhmg der therapieresistenten Syphilis. 665

Bei der Beurteilung der ev. Oef~hrlichkeit der Impfmdlaria darf man, wie das ]eider immer wieder gesehieht, diese n i c h t v e r w e c h s e l n m i t d e r a u f n a t f i r l i c h e m W e g e , d u r c h M i i e k e n s t i e h e r w o r b e n e n T e r t i a n a . Wenn im Prinzip diese auch wohl die gleiehe Erkrankung ist, wie die ImpfmMaria, so ist sic p r a k t i s e h doeh sicher ganz anders zu bewerten. Tat- s~ehlieh sind die mitunter reeht starken Zufi~lle und Fotgekrank- heiten, die bei der in derL Tropen bzw. dureh Miieken erworbenen Malaria vorkommen kSnnen, be i d e r I m p f m a l a r i a b i s h e r n i e h t b e o b a e h t e t w o r d e n . Man darf auch nicht verges.sen, dab wir bier, bei der Frtthsyphilis, doeh racist mit einem ga~z ~nderen widerstandsf~higeren Krankenma~erial arbei~en, als bei der Puralyse. Hier b efinden sieh die Kranken doeh alle in mehr oder weniger reduziertem All gemeinzt~stund. Die h ie r zuweilen beobaehteten fiblen Nebenwirkungen darf man durum nie ht kritik- los g~gen die Behundlung der Syphilis verwerten.

Aueh in e p i d e m i o t o g i S e h e r Beziehung sind die Befiireh- tungen, dM3 die Impfmalaria ev. doeh dureh Mtieken auf undere Mensehen fibertragen bzw. in die Bev51kerung hinein verschleppt werden kSnne, s i e h e r n i e h t b e r e e h t i g t .

Weygandt betonte vor kurzem in der Diskussion zu meinem oben er- w~hnten Vortrage mit vollem Recht, dal~ sonst in Deutschland die Malaria doch wei~ verbreitet sein mtisse, dean aueh bei uns seien schon mehr als 10 000 Menschen bisher damit geimpft worden. In n ich t einem e inz igen Fa l le habe man aber b i shcr eine u n g e w o l l t c ~ b e r t r a g u n g der Ma la r i a gesehen.

Zum Schlusse seien mir noch einige B e m e r k u n g e n f ibe r d a s m u t m a l ~ l i c h w i r k s a m e P r i n z i p d i e s e r k o m b i n i e r - t e n M a l a r i a k u r be i de r S y p h i l i s g e s t a t t e t , ohne dal~ ieh natiirlich auf diese an sich sehr komplizierte und schwer 15s- bare Frage hier naher eingehen will.

Das F i e b e r allein ist es n i e h t , das diese Wirkung auf die syphilitisehen Erseheinungen ausfibt. Viele diesbezfigliche Ver- suche yon Kyrle und anderen Autoren, die S y p h i l i s d e s M e n- s e h e n m i t f i e b e r e r z e u g e n d e n M i t t e l n allein oder in Ver- bindung mit spezifisehen Medikamenten zu behandeln, ergaben n i c h t d i e s e g f i n s t i g e n R e s u l t a t e .

Aueh im T i e r e x p e r i m e n t fanden wit keine Beeinilussung der Syphilis dureh Fieber.

Uhlenhuth und Grossmann behandelten syphilitische Kaninchen mit ,,Py- rifer", Mulzer und Nothhaas durch Einspritzung mit A e r o g e n e s k u l t u - ren. Dadureh lassen sich hohe (bis 41Grad) T e m p e r a t u r e n und eine F i e b e r k u r v e , /ihnlich der bei Malaria, beim Kaninchen hervorrufen.

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666 Paul Mulzer:

Keiner dieser Autoren fancl hierbei irgendwelche Beeinflussung der Schan- ker und ihres Spirochi~tengehaltes.

Versuehe von Jahnel und Welchbrodt, syphilitisehe Kaninehen durch Aufenthalt in hohen Brutsehranktemperaturen zu heilen, sollen allerdings ge- lungen sein; sie bedfirfen aber sehr der Naehpriifung.

Leider i~i~t sieh auch i1 a e h m e in e n zahlreiehen Versuchen - - Imp- lung ganz junger Kaninchen - - in Analogie zu den Uhlenhuthschen Dou- rineimpfungen - - die M a l a r i a n i c h t a u f K a n i n c h e n i i b e r t r a g e n .

Die M a l a r i a a l l e i n s t e l l t b i e r a b e r a u c h n i c h t d a s

w i r k s a m e P r i n z i p dar.

Des zeigen e i n m a l die Beobach tungen t iber den Verl~ttf der

S y p h i l i s in m a l a r i a v e r s e u c h t e n Gegenden u n d bei Menschen , die nach eiJ>er syph i l i t i s c tmn A n s t e c k u n g M a l a r i a e rwerben . Die

S y p h i l i s w i rd durch die M a l a r i a n i ch t beeinflul~t, die P a r a l y s e

n i c h t ve rh inde r t .

Des zeigen aber vor a l lem die vor k u r z e m v er5ffentlichter~ Ver-

suche von v. B e r d e , tier 20 S y p h i l i t i k e r l e d i g l i c h m i t I m p f -

m a 1 a r i a ohne S a l v a r s a n behande l t hat .

v. Berde land, dab zwar dureh den Verlauf der Impfmalaria allein die syphilitischen Manifestationen in der Frfihperiode ebenfalls reeht gut beein- flul~t werden, dal~ aber d i e s e W i r k u n g n u r e i n e n e p h e m e r e n C h a - r a k t e r h a t und hinsiehtlieh ihrer Dauerhaftigkeit und Grfindliehkeit yon den ehemisehen Antisyphiliticis tibertroffen wird.

Diese Versuche von v. Berde zeigten aber aueh, da[t eine r e i n e M a- l a r i a k u r b e i f r i s c h e r S y p h i l i s geradezu p r o v o k a t o r i s e h wir- ken kann - - wir hubert des ebenfalls bezfiglieh der Wa-R. festgestellt - - und sogar zu einer P r o p a g a t i o n d e r S p i r o c h ~ t t e n ftihren kann. In einer kleinen Anzahl der Fhlle traten n~mlieh sehr f r fi h z e i t i g e u n d a t y p i s e h e Rezidive auf, die mitunter t h e r a p i e r e s i s t e n t geworden waren. Deshalb mul~ m a n , so folgert v. Berde mit Reeht, bei der Syphilis eine M a l a r i a k u r s t e t s m i t S a l v a r s a n k o m b i n i e r e n .

Ich erkl i i re m i r die W i r k u n g der k o m b i n i e r t e n M a l a r i a k u r fol- gendermal~en:

D u r c h die e n e r g i s c h e V o r b e h a n d l u n g werden al le zu-

n~tehst e r r e i ehba ren Sp i rochgten abgetStet . Bes tehen m a n i f e s t e

S y m p t o m e , d a n n mul~ m a n even tue l l mehr S a l v a r s a n u n d Wis-

rout geben, iNaeh S t e i n ran{3 m a n go l u n g e b e h a n d e l n , b i s a l l e E r s e h e i n u n g e n r e s t l o s g e s c h w u n d e n s i n d .

Durch die M a l a r i a e r k r a n k u n g bzw. d u r e h d i e g e w a l -

t i g e U m s t i m m u n g , welche diese i m O r g a n i s m t l s hervor-

ru f f , werden aber auch die b isher v e r s t e c k t e n , a b g e k a p s e l - t e n S p i r o c h g t e n m o b i 1 i s i e r t. Un t e rb l e i b t eine wei tere spezi- f ische B e h a n d l u n g , d a n n k~Snnen diese Sp i roehgten sich wel ter im

O r g a n i s m u s verbre i ten . Desha lb muir m a n s o b a 1 d a 1 s in 5 g 1 i c h u n m i t t e l b a r n a c h d e r C o u p i e r u n g eine e n e r g i s c h e

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Die kombinierte Malariabehandlung der therapieresistenten Syphilis. 667

s p e z i f i s e h e N a c h b e h a n d l u n g ansehliel3en. Diese ist wohl darum besonders erfolgreich, well durch eine, wahrseheinlieh dureh diese Infektion hervorgerufene Gewebsloekerung, Hyper- ~mie und erhShte oder wieder hergestellte D u r c h g ~ n g i g k e i t d e r Ge f /~Be d i e s p i r o e h ~ t o z i d e n M i t t e l j e t z t an a l l e S p i r o e h ~ t e n h e r a n k o m m e n k S n n e n u n d d i e s e a b t S t e n .

Am besten w~re es zweifellos, S a l v a r s a n s e h o n w ~ t h r e n d d e r F i e h e r a t t a e k e n zu g e b e n , wenn nieht dadureh der Ab- lauf der Malaria gest6rt wiirde. Wir geben aus diesen Erw~gun- gen heraus a u e h w ~ h r e n d d i e s e r Z e i t wenigstens W i s m a t , des ja ebenfalls ziemlieh s p i r o e h ~ t o z i d wirkt. Da6 w/ihrend der dureh die Malaria hervorgerufenen Mobilisation der Spiro- eh~tten der KSrper aueh gleiehzeitig in erhShtem Mage g e g e n d i e s e S p i r o e h ~ t e n g e r i e h t e t e k b w e h r s t o f f e produ- ziert, ist anzunehmen.

Hof[und SiIberslein wollen derartige s p i r o e h ~ t o z i d e A n t i k S r p e r sogar im Blur naehgewiesen haben, und zwar insbesondere dureh den Ebersonsehen Versueh, wovon wir uns allerdings bisher noeh nieht tiber- zeugen konnten.

Wie aueh sonst bei der Syphilis wird aber der Organismas d u r e h d i e s e A b w e h r k r ~ f t e a l l e i n n u r s e h r s e l t e n m i t d e r I n f e k t i o n b z w . m i t a l l e n S p i r o e h ~ t e n f e r t i g . Aueh aus diesem Grunde miissen wit stets die M a 1 a r i a b e h a n d 1 u n g d e r S y p h i l i s m i t S a l v a r s a n u n d W i s m u t k o m b i n i e r e n .

Selbstverst~ndlieh ist die Malariatherapie nieht des Ideal einer Behandlung. Es ist etwas ,,Wunderbares", des ihr, wie Wagner- Jauregg mit Reeht sagte, anhaftet. Man hat es bisher aber noeh nieht zu ergriinclen und die Malariatherapie noeh durch keine andere, gleieh wirksame Methode zu ersetzen vermoeht.

Schon lange hat man ja erkannt, dag bei einer spezifisehen Behandlung der Syphilis auch die u n s p e z i f i s e h e K o m p o n e n t e eine gewisse Rolle spielt. Wir erIeben es immer wieder, dag die vol[e Wirkung einer Kur erst dann eintritt, wean diese den Organismus starker angreift. ,,Ein MitteI, des nieht imstande ist, aueh Nebenwirkungen auszufiben, wirkt nieht", sagte mit Reeht mein alter Chef Wol// in bezug auf das Queeksflber. Diese unspezi- fisehe Komponente der Heilwirkung, die bei tier Malariatherapie ad maximum gesteigert ist, finder sieh ja aueh bei der Therapie tier alten Syphilidologen, bzw. bei den yon ihnen neben der Queeksilberbehandlung vorgenommenen starken Sehwitz- und Hungerkuren. Aueh bei der rite ausgefiihrten Zitt- mann-Kur stellt sie m. E. naeh des wirksame Prinzip dar. Man wird nun versuehen mtissen, derartige starke Abmagerungskuren, die nattirlieh dutch die modernen Methoden ersetzt werden mtissen, mit fiebererzeugenden Ein- spritzungen und Salvarsan zu kombinieren.

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668 Paul lgulzer: Die kombinierte Malariabehandlung usw.

Solche Versuche sind seit langem in meiner Klinik im Gange, ohne bis- her zu dem gewfinschten v o l l e n E r f o l g zu fiihren. Dies ist in erster Linie wohl darauf zurfickzuftihren, dab die Kranken n i c h t d i e E n e r g i e

finden, sich s o l c h e n d o e h e b e n f a l l s s e h r a n s t r e n g e n d e n K u r e n zu unterwerfen. Es fehlt hier die suggestive Kraft, mit der die sog. ,,Natur- heilkundigen" arbeiten, und die ihre Anhi~nger alle ihre MaBnahmen, und seien sie auch noch so beschwerlich, freudig ertragen 1/il~t. Unsere Kranken, die wir mit fiebererzeugenden Einspritzungen behandelten, fiirchteten bald jede neue Spritze, die wieder so hohes Fieber und so starke Allgemeinerschei- nungen hervorruft. Sie lieften sich wohl 1--2 Einspritzungen manhen, dann aber streikten sis. B e i d e r I m p f m a 1 a r i a 1/iuft aber der ganze Z y k 1 u s y o n F i e b e r u n d f i e b e r f r e i e n T a g e n a u t o m a t i s c h ab; die Kran- ken kommen gar nicht dazu, sp/iter, wenn sis einmal mit ihrem Willen ge- impft sind, Einspruch zu erheben.

E f f o l g i s t abe r yon e i n e r M e t h o d e , welche die M a l a r i a k u r er- se tzen soll , n u r d a n n zu e r w a r t e n , wenn F i e b e r a n ~ ii 11 e , s t a r k e

A b m a g e r u n g u n d r a s c h e E r h o l u n g s o s c h n e l l a u f e i n - a n d e r f o l g e n , w i e b e i d e r I m p f m a l a r i a . So l ange w i r ke in ande re s V e r f a h r e n kennen , das in g le i che r W e i s e so prompt , a rbe i - t e t wie d ie I m p f m a l a r i a , kSnnen u n d d i i r f en w i t bei de r B e h a n d -

l ung in sbesonde re t h e r a p i e r e s i s t e n t e r F ~ l l e au f d ie k o m b i n i e r t e M a l a r i a t h e r a p i e n i e h t ve rz i eh ten .