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11o8 KLINISCIKE WOCHENSCH Um zu priifen, ob der von uns erzielte Effekt tats~tchlich endokriner Natur war, gingen wir weiterhin so vor, dab wit junge Ratten, denen die Hypophyse entfernt wurde, zu un- seren Versuchen heranzogen. Da eine Exstirpation der IIypophyse oder gar ihres Vorder- lappens als nahezu unm6glich bezeichnet werden muB, arbeiteten wir schlieBlieh nach vielen Fehlschl~gen eine Operationstechnik aus, die darin besteht, mit der Koagulationsnadel die Hypophyse vom Pharynx her zu ver6den. Die operierten Tiere zeigten alle nach eider gewissen Zeit die gleichen Ausfallserscheinungen, die sich in erster Linie in einem Wachstumsstillstand i~uBerten. Durch Applikation unseres ~Nuchsstoffes konnten wir auch bei diesen Versuchstieren den experimentell gesetzten Wachstumsstillstand wieder aufheben. Bei der Deutung unserer Ergebnisse -- es sei nochmals auf die Wachstumskurven hingewiesen -- sind verschiedene Ge- sichtspunkte zu beriicksichtigen. Wit glaubten die Massen- zunahme am besten und sichersten in der Verschiebung des Verh~iltnisses yon L~nge und Gewicht zu erfassen. Fflr die zeitlichen Phasen des physiologischen Wachstumsablaufes, die bekanntlich ftir die Wachstumsf~ihigkeit und das Wachstums- tempo des Organismus eille groBe Rolle spielen, bestanden Itir die Versuchs- und Kontrolltiere die gleichen Bedingungen, well wir nut mit Tieren gleichen Wurfes arbeiteten nnd kon- genital angelegte Wachstumsanomalien bei Ratten nur selten zur t3eobachtung kommen. Ftir die Analyse der Wachstumssteigerung unserer Ver- suchstiere nach der biologischen Seite, kommt dem Umstand eine besondere ]3edeutung zu, dab wir Tiere in den Versuch nahmen, die vor der Pubert~it standen -- mit einem durch- schnittlichen Anfangsgewicht yon 5 ~ g --, bei denen also die Wachstumstendenz normalerweise gesteigert war. Der Ein- tritt der Pubert~it liegt bei unseren Versuchstieren, von indi- ~r Schwankungen abgesehen, zwischen 12o--14 ~ g Ge- wicht. Im Durchschnitt erreichten die Tiere mit IOO Tagen die Reife. Ein ]3lick auf die Kurven zeigt, dab yon einem Gewicht v0n etwa ioo g an die Divergenz in der Entwicklung der Ver- suchstiere und Kontrolltiere besonders in Erscheinung tritt. W~hrend mit dem Funktionsbeginn der Keimdriise die all- nlS,hliche Abflachung der Kontrollkurven eine physiologische Wachstumshemmung anzeigt, in der die antagonistische Wir- kung des Ovariums der Hypophyse gegeniiber ihren Ausdruck finder, lassen die Kurven der Versuchstiere eine mit der Dauer der Behandlung zunehmende Wachstumsf6rderung erkennen. ]?;s ist deshalb die Annahme berechtigt, dab die yon nns dutch die Applikation yon Wuchsstoffen erzielte Wachstumsbeein- flussung als verl/ingertes Jugendwachstum zu deuten ist. Diese Auffassung wiirde schlieBlich auch unsere experimentellen Ergebnisse mit denen yon EvANs in Einklang bringen, dem es bekanntlich dutch lange Zeit fortgesetzte intraperitoneale In- jektionen von Extrakten von Rinderhypophysen bzw. deren Vorderlappen gelungen ist, bei ]ugendlichen Ratten Riesen- r zu erzielen. DIE KOMPLEXE NATUR DER HAUTROTUNG, WELCHE NACH INTRACUTANER INJEKTION VON SCHARLACHSTREPTOKOKKEN- BOUILLONKULTURFILTRAT AUFTRITT. Von Dr. F. v. BORMANN, und Dr. G. HERHOLZ, Assistent des Instituts Direktor der Kinderheilstatte Lochstfidt i. Ostpr. Aus dem Hygienischen Institut der Albertus-Universit~it Kbnigsberg i. Pr. (Direktor: Prof, Dr. Bi)RGERS). Methodik: Die intracutanen Injektionen wurden an den Vorder- seiten der Unterarme ein und derselben Person gemacht, und zwar wurden injiziert: je o,I--o,2 ccm Gemisch eines Scharlachstrepto- kokkenbouillonfiltrates mit indifferenter Flfissigkei~ (Kochsalz- Ringer- oder Glennylbsung) ~a, eines Gemisches desselben Filtrates mit Scharlachheilserum der Marburger :Behringwerke aa, sowie der RIFT. II. JAHRGANG. Nr. 26 25. jUNI I932 entsprechenden Kontrollen: Serumbouillon,] Serum, manchmal auch eines Gemisches yon Bouillon und Serum aa oder gekochter Milch. Das Filtrat stammte entweder aus Serumbouillon (io bis 15% Pferdeserum) oder aus Bouillon vom pn-Wert 7,6--7,75. Die Kulturen wurden 6 Tage bebrt~tet, die h~molytischen Streptokokken stammten aus dem Rachen frischer ScharlachfMIe. Verwendung land auch das Scharlachtoxin der Marburger Behringwerke. Die Injektionen wurden an 3o0 Kindern gemacht, welche im Alter von 5--15 Jahren standen. Die Kinder litten zum Tell an aktiver, zum Tell an inaktiver Tuberkulose verschiedenen Grades. Ein Tell war nur tuberkulSs infiziert ohne klinische nachweisbare Symptome, ein anderer Tell gesund. Bei diesen Injektionen konnte die Beobachtung gemacht werden, dab je nach dem angewandten Filtrat bei einer mehr oder weniger groBen Anzahl der Kinder in 2o bis fiber 7 ~ % aller Reaktionen die hautr6tende Wirkung des Filtrates durch vorhergehende Mischung mit Serum nicht bzw. nur un- gentigend neutralisiert wurde. Eine evtl. vorliegende Protein- bzw. Phenolempfindlichkeit konnte durch die negativen Kontrotlen ausgeschlossen werden. Die am n~chsten liegende Annahme war : das Dick-Gift des Filtrats ist durch das Serum nicht vSllig abges~tttigt; der Rest geniigt, um bei den Dick-Gift gegeniiber sehr empfind- lichen Personen noch eine abgeschw~ichte bzw. gar voll- wertige Reaktion zu bewirken. Abet die UnmSglichkeit, die Frequenz des Auftretens einer Hautr6tung nach dem Gemisch Filtrat-Serum aa weder mit Dick-Empfindlichkeit der Patien- ten noch mit dem Dick-Gift-Gehalt der Filtrate in Zusaimnen- hang zu bringen, macht diese Annahme unwahrscheinlich. So waren in einer Serie von 19 F~illen mit nngeniigender Hemmung nactl der Injektion des 'Filtrat-Serums aa 6 Dick- negativ; unter den 6 F~llen derselben Serie, wo die ttemmUng vollkommen war, erwiesen sich 3 F~lle als Dick-positiv. Nach einem nur etwa iooo Hpd. (Hautpriifungsdosis) pro Kubik- zentimeter enthaltenden Filtrat trat die nicht zu hemmende R6tung bei 48 yon 67 (71,3%) der injizierten Kinder auf. Nach einem etwa 4ooo Hpd. pro Kubikzentimeter enthalten- den Filtrat dagegen entwickelten yon 45 Kindern nur 9 (2o %) eine durch das Serum nicht zu hemmende HautrStung. Die in beiden folgenden Protokollen wiedergegebenen Beobach- tungen stehen mit der Deutung der nach dem Gemisch Filtrat- Serum aa manchmal auftretenden Reaktion als einer blol3en Abschw~ichung der gewShnlichen Filtratreakti0n ebenfalls in einem v611igen Widerspruch. ~all 61. R.M., lO Jahre alt, 9 (7. VIII. 193o). Filtrat aaRinger Filtr. aG Serum ' o,I ccm einer Ablesung: I : ioo Verd. d. Filtr. (3--5 Hpd.) 22 Std. nach Ir der Injektion/~ 3 cm breit rot 3 cm breit rosa I cm breit rot In diesem Fall ~iuBerte sich die Abschw~ichung der Filtrat- reaktion bei der intracutanen Injektion seiner starken Ver- diinnung (3--5 Hpd.) in der Abnahme ihres Durchmessers bei gleichbleibender Intensit~it der tlautr6tung. Die Reaktion nach dem Gemisch Fittrat-Serum ~ unterschied sich yon der Filtratreaktion dagegen nut durch die Intensitdt ihrer RStung bei gleichbleibendem Durchmesser. Sie l~tBt sich also keineswegs als eine AbschwXchung der Filtratreaktion deuten. J~hnlich liegen die Verh~ltnisse im Iolgenden Protokoll. tZatl 50. It. R., IO Jahre alt, c~ (28. V. I931). Ables.ng: tIFiltr t a ingerl Filtr aa Ser.m o,I cam e,ner II I I: Ioo V erd d 22 Std. nach[/ I Filtr. der Injektion 3,5 cm breit rot -- i cm breit rot 4 ~ ~ s - a 4 cm breit rosa 4 cm breit rosa In diesem Fall tritt die Filtratreaktion in Form einer Kokardenr6tung auf. Die dunklere, zentral gelagerte Ent- ztindung von 3,5 cm Breite wird yon einem schmalen helleren rosafarbigen ttof umgeben, so dab die Gesamtbreite der Reaktion etwa 4 cm ausmacht (in dem Protokoll sind diese Verh~ltnisse durch ]3rtiche zum Ausdruck gebracht). Nach der intracutanen Injektion des I : ioo verdiinnten Filtrats nimmt

Die Komplexe Natur der Hautrötung, Welche nach Intracutaner Injektion von Scharlachstreptokokken-Bouillonkulturfiltrat Auftritt

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Page 1: Die Komplexe Natur der Hautrötung, Welche nach Intracutaner Injektion von Scharlachstreptokokken-Bouillonkulturfiltrat Auftritt

11o8 K L I N I S C I K E W O C H E N S C H

U m zu priifen, ob der von uns erziel te E f fek t tats~tchlich endokriner N a t u r war, g ingen wir we i t e rh in so vor, dab wi t junge Ra t t en , denen die H y p o p h y s e e n t f e r n t wurde, zu un- seren Ve r suchen heranzogen.

Da eine Exstirpation der IIypophyse oder gar ihres Vorder- lappens als nahezu unm6glich bezeichnet werden muB, arbeiteten wir schlieBlieh nach vielen Fehlschl~gen eine Operationstechnik aus, die darin besteht, mit der Koagulationsnadel die Hypophyse vom Pharynx her zu ver6den. Die operierten Tiere zeigten alle nach eider gewissen Zeit die gleichen Ausfallserscheinungen, die sich in erster Linie in einem Wachstumsstillstand i~uBerten. Durch Applikation unseres ~Nuchsstoffes konnten wir auch bei diesen Versuchstieren den experimentell gesetzten Wachstumsstillstand wieder aufheben.

Bei der D e u t u n g unsere r Ergebn i sse - - es sei nochmals auf die W a c h s t u m s k u r v e n hingewiesen -- s ind versch iedene Ge- s i ch t spunk te zu ber i icksicht igen. W i t g laub ten die Massen- zunahm e am bes t en und s ichers ten in der V e r s c h i e b u n g des Verh~iltnisses yon L~nge und Gewich t zu erfassen. Fflr die zei t l ichen P h a s e n des phys io logischen Wachs tumsab lau fes , die bekann t l i ch ftir die Wachstumsf~ihigkei t und das W a c h s t u m s - t e m p o des Organ i smus eille groBe Rol le spielen, b e s t a n d e n Itir die Versuchs - und Kon t ro l l t i e r e die gleichen Bedingungen , well wir n u t mi t Tieren gleichen Wurfes a rbe i t e t en n n d kon- geni ta l angelegte W a c h s t u m s a n o m a l i e n bei R a t t e n nur se l ten zur t3eobachtung kommen.

Ft i r die Ana lyse der W a c h s t u m s s t e i g e r u n g unserer Ver- suchs t ie re nach der b iologischen Seite, k o m m t dem U m s t a n d eine besondere ]3edeutung zu, dab wir Tiere in den V e r s u ch nahmen , die vor der Pubert~i t s t a n d e n -- m i t e inem durch- schn i t t l i chen Anfangsgewich t yon 5 ~ g -- , bei denen also die W a c h s t u m s t e n d e n z normale rwe i se ges te iger t war. Der E in- t r i t t der Pubert~it l iegt bei unseren Versuchs t ie ren , von indi- ~r S c h w a n k u n g e n abgesehen, zwischen 12o--14 ~ g Ge- wich t . Im D u r c h s c h n i t t e r re ich ten die Tiere mi t IOO Tagen die Reife.

E in ]3lick auf die K u r v e n zeigt, dab yon einem Gewich t v0n e twa ioo g an die Divergenz in der E n t w i c k l u n g der Ver- suchst iere u n d Kon t ro l l t i e r e besonders in E r sche inung t r i t t . W ~ h r e n d m i t dem F u n k t i o n s b e g i n n der Keimdr i i se die all- nlS, hl iche A b f l a c h u n g der K o n t r o l l k u r v e n eine physiologische W a c h s t u m s h e m m u n g anzeigt , in der die an tagon i s t i sche Wir- kung des O v a r i u m s der H y p o p h y s e gegeniiber ih ren Ausdruck finder, lassen die K u r v e n der Versuchs t i e re eine mi t der Dauer der B e h a n d l u n g z u n e h m e n d e W a c h s t u m s f 6 r d e r u n g e rkennen . ]?;s is t desha lb die A n n a h m e berech t ig t , dab die yon nns d u t c h die A p p l i k a t i o n yon Wuchss to f f en erziel te W a c h s t u m s b e e i n - f lussung als ver l / inger tes J u g e n d w a c h s t u m zu deu ten ist. Diese Auffassung wiirde schlieBlich auch unsere expe r imen te l l en Ergebn i sse m i t denen yon EvANs in E ink lang br ingen, dem es b e k a n n t l i c h d u t c h lange Zeit fo r tgese tz te i n t r ap e r i t o n ea l e In - j ek t ionen von E x t r a k t e n von R i n d e r h y p o p h y s e n bzw. deren V o r d e r l a p p e n gelungen ist, bei ]ugendlichen R a t t e n Riesen- r zu erzielen.

DIE KOMPLEXE NATUR DER HAUTROTUNG, WELCHE NACH INTRACUTANER INJEKTION

VON SCHARLACHSTREPTOKOKKEN- BOUILLONKULTURFILTRAT

AUFTRITT. Von

Dr. F. v. BORMANN, und Dr. G. HERHOLZ, Assistent des Insti tuts Direktor der Kinderheilstatte

Lochstfidt i. Ostpr. Aus dem Hygienischen Ins t i tu t der Albertus-Universit~it Kbnigsberg i. Pr.

(Direktor: Prof, Dr. Bi )RGERS) .

Methodik: Die intracutanen Injektionen wurden an den Vorder- seiten der Unterarme ein und derselben Person gemacht, und zwar wurden injiziert: je o , I - -o ,2 ccm Gemisch eines Scharlachstrepto- kokkenbouillonfiltrates mit indifferenter Flfissigkei~ (Kochsalz- Ringer- oder Glennylbsung) ~a, eines Gemisches desselben Filtrates mit Scharlachheilserum der Marburger :Behringwerke aa, sowie der

R I F T . II. J A H R G A N G . Nr . 26 25. jUNI I932

entsprechenden Kontrollen: Serumbouillon,] Serum, manchmal auch eines Gemisches yon Bouillon und Serum aa oder gekochter Milch. Das Fil trat s tammte entweder aus Serumbouillon (io bis 15% Pferdeserum) oder aus Bouillon vom pn-Wert 7,6--7,75. Die Kulturen wurden 6 Tage bebrt~tet, die h~molytischen Streptokokken s tammten aus dem Rachen frischer ScharlachfMIe. Verwendung land auch das Scharlachtoxin der Marburger Behringwerke. Die Injektionen wurden an 3o0 Kindern gemacht, welche im Alter von 5--15 Jahren standen. Die Kinder litten zum Tell an aktiver, zum Tell an inaktiver Tuberkulose verschiedenen Grades. Ein Tell war nur tuberkulSs infiziert ohne klinische nachweisbare Symptome, ein anderer Tell gesund.

Bei diesen In j ek t i onen konn te die B e o b a c h t u n g g e m a c h t werden, dab je nach d e m a n g e w a n d t e n F i l t r a t bei einer m e h r oder weniger groBen Anzahl der K i n d e r in 2o bis fiber 7 ~ % aller Reak t ionen die h a u t r 6 t e n d e W i r k u n g des F i l t r a tes durch vorhe rgehende Mischung mi t Serum nich t bzw. nur un- gentigend neu t ra l i s ie r t wurde. Eine evtl . vor l iegende Pro te in - bzw. Pheno lempf ind l i chke i t k o n n t e du rch die nega t iven Kon t ro t l en ausgeschlossen werden.

Die a m n~chs ten l iegende A n n a h m e war : das Dick-Gif t des F i l t r a t s is t du rch das Serum n ich t vSllig abges~tttigt; der Res t geniigt, u m bei den Dick-Gif t gegeniiber sehr empf ind- l ichen Per sonen noch eine abgeschw~ichte bzw. gar voll- wer t ige Reak t ion zu bewirken. Abe t die UnmSgl ichkei t , die F r eq u en z des Auf t r e t ens einer H a u t r 6 t u n g nach d e m Gemisch F i l t r a t -Se ru m aa weder mi t D ick -Empf ind l i chke i t der Pa t ien- t en noch mi t dem Dick-Gif t -Gehal t der F i l t r a t e in Zusa imnen- h a n g zu bringen, m a c h t diese A n n a h m e unwahrschein l ich .

So waren in e iner Serie von 19 F~illen mi t nngeni igender H e m m u n g nactl der In j ek t ion des 'F i l t ra t -Serums aa 6 Dick- nega t iv ; un te r den 6 F~llen derse lben Serie, wo die t t e m m U n g v o l l k o m m e n war, erwiesen sich 3 F~lle als Dick-posi t iv . Nach e inem nur e t w a iooo Hpd . (Hautpr i i fungsdosis) pro Kubik - zen t ime te r e n t h a l t e n d e n F i l t r a t t r a t die n ich t zu h e m m e n d e R 6 t u n g bei 48 y o n 67 (71,3%) der in j iz ie r ten Kinde r auf. Nach e inem e twa 4ooo Hpd . pro K u b i k z e n t i m e t e r en tha l t en - den F i l t r a t dagegen en twicke l ten y o n 45 K i nde rn nur 9 (2o %) eine du rch das Serum n ich t zu h e m m e n d e Hau t rS tung . Die in be iden fo lgenden Pro tokol len w i e d e r g e g e b e n e n Beobach- t u n g e n s t ehen m i t der D e u t u n g der nach dem Gemisch F i l t r a t - Se rum aa m a n c h m a l a u f t r e t e n d e n Reak t i o n als einer blol3en Abschw~ichung der gewShnl ichen F i l t r a t r e ak t i 0n ebenfalls in e inem v611igen Wide r sp ruch .

~all 61. R.M., lO Jahre alt, 9 (7. VIII . 193o).

Fi l t rat aaRinger Filtr. aG Serum ' o,I ccm einer Ablesung: I : ioo Verd. d.

Filtr. (3--5 Hpd.) 22 Std. nach Ir der Injektion/~ 3 cm breit rot 3 cm breit rosa I cm breit rot

In diesem Fall ~iuBerte sich die Abschw~ichung der F i l t ra t - r eak t ion bei der i n t r a c u t a n e n In j ek t ion seiner s t a rken Ver- d i innung (3--5 Hpd. ) in der A b n a h m e ihres Durchmesse r s bei g le ichble ibender Intensit~it der t l a u t r 6 t u n g . Die Reak t ion nach d e m Gemisch F i t t r a t -Se ru m ~ un te rsch ied sich yon der F i l t r a t r eak t ion dagegen nu t durch die In tens i td t ihrer RS tung bei gleichbleibendem Durchmesser. Sie l~tBt sich also keineswegs als eine AbschwXchung der F i l t r a t r e a k t i o n deuten . J~hnlich l iegen die Verh~l tn isse im Iolgenden Protokol l .

tZatl 50. It . R., IO Jahre alt, c~ (28. V. I931).

A b l e s . n g : tIFiltr t a ingerl F i l t r aa S e r . m o,I cam e,ner II I I : Ioo V erd d

22 Std. nach[/ I Filtr. der Injektion 3,5 cm breit r o t - - i cm breit rot

4 ~ ~ s - a 4 cm breit rosa 4 cm breit rosa

In d iesem Fal l t r i t t die F i l t r a t r e ak t i o n in F o r m einer K o k a r d e n r 6 t u n g auf. Die dunklere , zen t ra l gelagerte E n t - z t indung von 3,5 cm Brei te wird yon e inem schmalen hel leren rosa fa rb igen t t o f umgeben , so dab die Gesamtbre i t e der R e a k t i o n e twa 4 cm a u s m a c h t (in d e m Protokol l s ind diese Verh~l tn isse du rch ]3rtiche zum Ausdruck gebracht) . Nach der i n t r a c u t a n e n In j ek t ion des I : ioo v e r d i i n n t e n F i l t r a t s n i m m t

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die 13reite de r z e n t r a l e n R 6 t u n g au f I cm ab. De r helle Hof b l e i b t n a c h wie vo r 4 cm bre i t . D u r c h die I n j e k t i o n des Ge- mi sches F i l t r a t - S e r u m a~ wird das A u f t r e t e n de r z e n t r a l e n d u n k l e n R 6 t u n g dagegen v o l l k o m m e n v e r h i n d e r t . N u r die n a c h wie v o r 4 cm bre i t e rosa K o m p o n e n t e de r R e a k t i o n b l e i b t bes t ehen .

Es sche in t , als ob die F i l t r a t r e a k t i o n in d ie sem Fal l aus zwei v e r s c h i e d e n e n s ich gegense i t ig f ibe r l age rnden K o m p o - n e n t e n be s t ehe ; de r d u n k l e r e n m i t k l e ine rem D u r c h m e s s e r u n d de r he l l e ren m i t e inem gr6Beren; n u r die dunklere l~iflt sich yon dem S e r u m hemmen; die hel lere verh/~lt s ich d e m S e r u m gegenf iber dagegen refrakt~Lr.

Die n a c h i n t r a c u t a n e r I n j e k t i o n des Gemisches Sehar l ach- s t r e p t o k o k k e n f i l t r a t - S e r u m a a a u f t r e t e n d e n R 6 t u n g e n de r H a u t werden also n i c h t e t w a d u r c h den R e s t des d u r c h das S e r u m n i c h t v611ig abgesAt t ig ten Dick-Gif tes bed ing t . Viel- m e h r entMilt das Scharlachstreptokoldcen]iltrat 2 hautrStende Subs tanzen ; die durch das S e r u m neutral is ierbare Subs tanz 1 u n d die n i c h t n e u t r a l i s i e r b a r e S u b s t a n z 2.

Es i s t d a h e r n i c h t zul/~ssig, ein F i l t r a t s ch lech tweg als , ,Tox in" bzw. , ,Gi f t " zu beze ichnen , wie das h e u t e die m e i s t e n L a b o r a t o r i e n t un .

E ine genaue B e o b a c h t u n g de r E n t w i c k l u n g der d u r c h F i l t r a t - phys io l . Kochsa l z l6 sung aa, sowie F i l t r a t - S e r u m i~a ausge l6s ten R e a k t i o n e n v e r m i t t e l s w iede rho l t e r A b l e s u n g e n lgBt e ine ve r sch i edene Ver lau~skurve ffir die d u t c h S u b s t a n z I u n d die d u r c h S u b s t a n z 2 bewi rk t e H a u t r 6 t u n g e r k e n n e n . I n de r be igegebenen K u r v e s ind au f de r O r d i n a t e die D u r c h - messe rwer t e de r R e a k t i o n e n (auf 5 m m abge r unde t ) , auf de r Abszisse Ab lesungsze i t en e inge t ragen . Diese e r fo lg ten : die 12 e r s t en S t u n d e n n .d . In j . s t f indl ich, wei tere 18 S t u n d e n zwei- s t f indl ieh, wei tere 15 S t u n d e n dre is t f indl ieh , d a n n 5o S t u n d e n n. d. In j . sowie 9 Tage l ang je vor - u n d n a c h m i t t a g s .

I m I. Teil de r Abb . I ( R e a k t i o n n a e h d e m F i l t r a t - G l e n n y - 16sung ~ ) t r a t e t w a 3 S t u n d e n n a c h de r I n j e k t i o n eine i n t e n - sive e twa 2 cm bre i t e R 6 t u n g auf. Z u r io. S t u n d e n. d. In j . e r r e i ch te sie i h r e n m a x i m a l e n D u r c h m e s s e r y o n e t w a 3 bis 3,5 cm. Diesen beh ie l t sie bis 26 S t u n d e n n. d. In j . D a n a c h g e h t der D u r c h m e s s e r wieder au f e t w a 2 em zurf ick; vor f iber -

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K L I N ~ I S C I - I E W O C H E N S C H R I F T . I I . J A H R G A N G . N r . 26 1 1 0 9

b r e i t e n R 6 t u n g des Teils i de r Abb . i e n t s p r e c h e n d e R e a k t i o n auf. Die V e r l a u f s k u r v e n de r b e i d e n he l len R e a k t i o n e n s ind so g u t wie iden t i sch . Sie e n t s p r e c h e n augensche in l i ch de r Re- ak t i on , welche d u r c h die m i t S e r u m n i c h t zu h e m m e n d e Sub- s t a n z 2 des F i l t r a t s ausge l6s t wurde . Die i n t e n s i v ro te R e a k t i o n des Tells I de r Abb . b l e i b t d i e sma l v o l l k o m m e n weg. Sie i s t d u r c h das S e r u m v611ig g e h e m m t -- u n d wfirde d e m , n a c h de r S u b s t a n z I - R e a k t i o n en t sp r echen .

Die Abb . 2 g ib t e inen we i t e r en a n a l o g e n Fa l l wieder. N u r b l e i b t h i e r die Bre i t e de r S u b s t a n z 2 - R e a k t i o n zei twei l ig u n t e r de r j en igen de r S u b s t a n z i zurSck. D a h e r k o m m t die k o k a r d e n -

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Olunden naeh der Injekhoo

L x 4 J a h r e a l t . ~ (Fa l l 7 v o m 14. I X . i 9 3 i ) .

T e l l I : V e r l a u f d e r R e a k t i o n n a e h d e r F i l t r a t - G l e n n y l . h~. Te i l I I : V e r l a u f d e r R e a k t i o n n a c h d e m F i l t r a t - S c h - S e r u m aa .

i n t e n s i v r o t ; - - - - - rosa .

gehend w e r d e n sogar die W e r t e v o n I - 1,5 c m gestre i f t . E r s t e t w a IOO S t u n d e n n. d. In j . b laBte die R e a k t i o n v611ig ab. 20 S t u n d e n n. d. In j . wurde die i n t e n s i v ro te R e a k t i o n y o n e iner e twa 4 cm b r e i t e n he l le ren f iber lager t . Diese e r r e i ch te i n n e r h a l b v o n 8 S t u n d e n e inen D u r c h m e s s e r y o n e t w a 7 cm, g ing wieder schnel l au f e t w a 4 ,5 - -5 ,5 c m zurf ick a n d b l a B t e 46 S t u n d e n n. d. In j . v611ig ab. W ~ h r e n d ihres B e s t e h e n s urn- gab sie als b re i t e r e die i n t ens i ve r e R 6 t u n g m i t e i n e m he l l e ren Hof ( K o k a r d e n r e a k t i o n des vo r i gen Pro tokol l s ) . N a c h de r gle ichzei t ig m i t der vo r igen e r fo lg ten I n j e k t i o n des Gemisches F i l t r a t - S e r u m a-a (Teil 2 der Abb . i) t r i t t n u r die de r he l l e ren

~ z 7 D ' / I - / /

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Abb . 2. 9 J a h r e a l t , ~ (Fa l l 20 v o m 14. I X , i93x ).

S i e h e a u c h A b b . z.

~hnl iche I~ber l age rung de r b e i d e n R 6 t u n g e n n u r vor f iber - gehend (12, 16--18, 2 2 - - 2 6 u n d 3 ~ S t u n d e n n. d. Inj . ) zu- s t ande . Die fibrige Ze i t b l e i b t die S u b s t a n z 2 - R 6 t u n g in d e m I. Teil de r Abb . 2 y o n de r S u b s t a n z I - R 6 t u n g v611ig fiber- lager t .

A n d iesem Beispiel i s t f ibr igens g u t zu f ibersehen, wie wei t - g e h e n d das R e s u l t a t der A b l e s u n g v o n d e m Z e i t p u n k t ab - h~ng ig ist, a n we l chem dieselbe v o r g e n o m m e n wurde . Von 4- his zu 12. S tunde , v o n 12. b is zu I6., y o n 36. bis 42. sowie n a c h de r 45. S t u n d e n. d. In j . i s t n u r die R 6 t u n g n a c h d e m Gemisch F i l t r a t - G l e n n y l 6 s u n g ~ a l le in v o r h a n d e n : es wi rd eine v611ige H e m m u n g der h a u t r 6 t e n d e n W i r k u n g des F i l t r a t s d u t c h das Se rum vorge tXuscht . Die Per iodeu , wo die k o k a r d e n - / thnl iche R e a k t i o n z u s t a n d e k o m m t , s ind e b e n e r w ~ h n t wor- den. I n de r f ibr igen Zei t h a t die R e a k t i o n n a c h d e m F i l t r a t - S e r u m a a e inen m i t der F i l t r a t r e a k t i o n ungefAhr gle iche~ D u r c h m e s s e r , i s t j edoch v o n e iner he l l e ren Fa rbe .

Es k o m m e n a u c h F~tlle vor, wo die S u b s t a n z 2 eine ebenso a u s s e h e n d e i n t e n s i v e ro te Reakt ioi1 wie S u b s t a n z I h e r v o r - ruf t . Bei den a n S u b s t a n z 2 sehr r e i chen F i l t r a t e n i s t es sogar e ine o f t b e o b a c h t e t e E r s c h e i n u n g . D a n n i s t die ve r - sch iedene N a t u r de r b e i d e n R e a k t i o n e n (nach F i l t r a t - i nd i f f . F l f i ss igkei t aa, sowohl wie F i l t r a t - S e r u m ~ ) n u t aus dem U n t e r s c h i e d i m Ver lau f ih re r E n t w i c k l u n g s k u r v e n zu e rsehen .

Die S u b s t a n z I u n d S u b s t a n z 2 - R e a k t i o n e n ze igen also in i h r e m gegense i t igen Verha l t en , was die I n t e n s i t A t ih re r R 6 t u n g sowohl wie i h r e n D u r c h m e s s e r a n l a n g t , ke ine be- s t i m m t e n RegelmgBigke i ten . Je nac l l F i l t r a t n n d H a u t (voraus- gesetz t , d a b eine H a u t e m p f i n d l i c h k e i t d e n b e i d e n S u b s t a n z e n gegenf iber v o r h a n d e n ist) f iberwiegt ba ld die eine, ba ld die a n d e r e v o n den be iden . E ine gr6Bere Rege lmgBigke i t k o n n t e in be t re f f des ze i t l ichen V e r h a l t e n s i h r e r E n t w i c k l u n g f e s t - ges te l l t werden . I n I i F~ l l en die au f be ide S u b s t a n z e n an- s p r a c h e n u n d wo die R e a k t i o n s e n t w i c k l u n g genau ve r fo lg t wurde , t r a t die S u b s t a n z I - R e a k t i o n in i o F~l len frfiher, z u m Teil b e d e u t e n d frf iher ( d u r c h s c h n i t t l i c h e t w a 5,3 S t u n d e n n. d. Inj . ) au f als die S u b s t a n z 2 - R e a k t i o n ( d u r c h s c h n i t t l i c h e t w a 15,3 S t u n d e n n. d. Inj . ) : N u r in e inem Tal l w a r da s A u f t r e t e n der b e i d e n R e a k t i o n e n e in u n g e f ~ h r gleichzei t iges. Die A b b l a s s u n g de r S u b s t a n z i - R e a k t i o n t r a t im a l lgemeinen spi~ter, se l tener gle ichzei t ig m i t de r A b b l a s s u n g de r Sub- s t a n z 2 - R e a k t i o n e in ( d u r c h s c h n i t t l i e h in 6o,6 S t u n d e n n. d. In j . gegenf iber 32,2 S tunden ) . U n t e r 197 FAllen, die au f be ide S u b s t a n z e n a n s p r a c h e n u n d wo n u r wenige A b l e s u n g e n - - die e r s te d a v o n e t w a 5 - - 6 S t u n d e n n. d. In j . - - ausge f f ih r t wurden , d. h . de r genaue Z e i t p u n k t des R e a k t i o n s b e g i n n s n i c h t r eg i s t r i e r t wurde , t r a t die S u b s t a n z I - R e a k t i o n in e t w a

Page 3: Die Komplexe Natur der Hautrötung, Welche nach Intracutaner Injektion von Scharlachstreptokokken-Bouillonkulturfiltrat Auftritt

IIIO K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . II. J A H R G A N G . . N r . 26 25. JUNI x932

51,8 % frfiher auf. Nur in einem Fall konnte das umgekehrte Verhalten festgestellt werden. Auch diesmal war die Ablesung dutch die Proteinreaktion weitgehend gest6rt, also keineswegs zuverliissig. Die Substanz I-Reakt ion beginnt also stets frfiher, als die Substanz 2-Reaktion und hat einen llingeren ]3esfand.

Das wichfigste Unterscheidungsmerkmal der Substanz I- Reaktion bleibt jedoch ihre Neutralisierungsf~higkeit dutch genfigend Serum. Die Substanz 1 ist daher wahrscheinlich mit dem eigentlichen Dick-Gi/t identisch. Inwiefern dasselbe als ein Ektotoxin betrachtet werden darf, bleibe vorl~ufig un- erOrtert.

ZINGHER sowie ZOELLER und MANOUSSAKISS erw~hnen neben dem Dickschen Toxin die im Fi l t ra t enthaltenen K6rper- proteine der Streptokokken als ebenfalls hautr6tende Gifte. TOYODA, 1V[ORIWAKI, FUTAGI und KUROI betrachten das Scharlachstreptokokkenfiltrat als ein Gemisch yon einem ektotoxischen und einem endotoxischen Prinzip. Diese Auf- fassung vertreten auch ANDO, KURAUCHI und I~ISHIMURA. Wenn daher sich im Laufe der letzten Jahre die ]3eobach- tungen h~iufen, die ffir die sekund~irtoxische ,,tuberkulinoide" (,,allergische") Natur des ,,Dick-Giftes" zu sprechen scheinen (DOCHEZ und STEVENS, V. GROER und REDLICH, COOKE U. a.m.), so sei darauf hingewiesen, daft alle diesbezi2glichen Er]ahrungen mit dem Scharlachstreptokokken/iltrat, d. h. mit einem Gemisch yon zwei Substanzen gemacht worden sind.

Zusammen/assung: Die durch die intracutane Injektion des Scharlachstreptokokkenfiltrates erzeugte Hautr6tung l ~ t sich durch die vorherige Mischung desselben mit dem spezi- fischen Scharlachserum in einer Anzahl der F~lle nieht bzw. nur ungenfigend hemmen. Das Vorhandensein zweier haut- r6tender Substanzen im Fi l t ra t erscheint als die wahrschein- liche, Erkl~trung dieses Ph~nomens. Die durch die beiden Substanzen ausgel6sten R6tungen zeigen je eine verschiedene, ffir jede Substanz typische Entwicklungskurve. Die mit Serum neutralisierbare Substanz ist augenscheinlich mit dem Dick-Gift identisch.

l~lber die speziellen Eigenschaften der beiden Substanzen soll an anderer Stelle berichtet werden.

FORMPUDER ALS URSACHE VON STAUBLUNGEN- ERKRANKUNGEN.

Von

Dr. ARTUR ABRAHAM. Aus der St~dt. Tuberkulosenffirsorgestelle Berlin-NeukGlln (Dirig. Arzt: Dr. ZADEK).

:.

Sehon seit ]angem ist die Bedeutung der Einatmung you Staub, wie sie in verschiedenen Berufen vorkommt, ffir die Entstehung yon Erkrankungen der Luftwege und der Lunge, insbesondere der Lungentuberkulose, bekannt ]~s sei hierbei an die hohe Tuberkulosesterblichkeit der in den Staubberufen t~tigen Arbeiter erinuert.

In den letzten Jahren habeu die Staublungenerkrankungen, dank ihrer versicherungsrechtlichen Einbeziehung in die Berufskrankheiten, durch gesetzgeberische Mal3nahmen meh- refer Kulturl~nder und dank dem Studium fiber die Entstehung und Entwicklung der Erkrankungen dieser Art stark sowohl an praktischem wie an wissenschaftlichem Interesse ge- wonnen. Nachdem schon audere Staaten vorangegangen waren, sind in Deutschland schwere Staublungenerkrankungen (Silikose) und ihre Kombination mit Lungentuberkulose bei Arbeitern best immter ]3etriebe als entschlidigungspflichtige Leiden im Sinne der Unfallgesetzgebung dutch die zweite Yerordnung des Reichsarbeitsministers fiber die Ausdehnung .der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten yore I I. II . 1929 anerkannt worden.

Im letzten Jahrzehnt hat die Forschungsarbeit unter besonderer Beteiligung sfidafrikanischer Autoren (MAVRO- GORDATO, WATKINS-I~ ziemlich weitgehende Auf- kl~irung fiber das I~rankheitsbild und die . Entstehungs- bedingungen der Staublungenerkrankungen gebracht und so

die wissenschaftliche Grundlage f fir die Gesetzgebung ge- schaffen.

Unter Staublungenerkrankungen (Pneumokoniose) haben wir eine Fibrose der Lunge zu verstehen. Diese ist bei der Silikose charakterisiert durch das Vorhandensein der sog. Staubkn6tchen (silikotisches I~n6tchen, Pseudotuberkel) im interstitiellen Gewebe, die ihrerseits aus den ,,silikotischen Granulomen", Ansammlung yon Rundzellen meist in der Umgebung eines Geflil3es, hervorgehen und sp~iter eine binde- gewebige Umwandlung mit nachfolgender Hyalinisierung erfahren. Diese I<n6tchen erreichen dann die Gr613e bis zu 2--3 mm. GIESE ha t in den silikotischen Granulomen und Staubkn6tchen der Lunge krystallinische Partikelchen (Quarz) nachgewiesen. Durch Schrumpfungserscheinungen im inter- stitiellen Gewebe der Lunge lagern sich die kleineren I~n6t- chen zu immer gr613eren zusammen und ffihren schlieBlich zu dem ]3ilde der Schwielenlunge (ARAI, DOMANN, GIESE, ICKERT, STERNBERG).

Man hat nun gefunden, dal3 Staublungenerkrankungen im Sinne einer Fibrose der Lunge durch Einatmung staub- haltiger Luft nur entstehen kann, wenn der Staub ganz bestimmte ]~igenschaften besitzt. Von ganz besonderer Be- deutung hat sich in dieser ]3eziehung die chemische Zusam- mensetzung der eingeatmeten Staubpartikelchen erwiesen. So hat die chemische Analyse der in Frage stehenden Staub- arten und yon pneumokoniotischen Leichenlungen, die tier- experimentelle Erfahrung und die klinische und antoptische Beobachtung bisher zu dem Ergebnis geffihrt, daI3 eine Pneumo- koniose sich nur entwickeln kann, wenn im eingeatmeten Staub freie Kiesels~iure bzw. Kiesels~iureanhydrid (SiO2) oder Silicate vorhanden sind (MAVROGORDATO, WATKINS-PITCHFORD, B(SH- ME). Besonders die freie Kiesels~iure (Quarz) fibt eine fibro- plastische Wirkung auf die Gewebselemente der Lunge aus, w~ihrend die Wirksamkeit der Silicate in dieser Richtung an- scheinend geringer ist. Eine Pneumokoniose ist also nach den bisherigen Feststellungen eine Silikose oder Silicatose der Lunge, und pneumokoniotische Lungenveriinderungen bei Anthrakose, Chalikose und Siderose der Lunge sind durch kiesels~iurehaltige Beimengungen des betreffenden Staub- materials bed ing t

Das Reichsversicherungsamt erkennt dementsprechend als versicherte Staublungenerkrankung nut solche Lungen- erkrankungen an, welche durch das Eindringen yon kiesel- s~iurehaltigem Staub in die Lunge verursacht worden sind.

Ffir die Ents tehung einer Pneumokoniose spielt ferner noch die Gr613e der inhalierten Staubteilchen eine Rolle. Staubpartikelchen in der Gr6Be yon 0,25 bis 5 ~ (MAVRO- GORDATO) rufen dureh ihr Eindringen in die Lunge pneumo- koniotische Verlinderungen in ihr hervor, wlihrend kleineren Teilchen anscheinend keine Bedeutung zukommt und gr613ere fiber IO # nut selten bis in die Lungenalveolen gelangen. Andere physikalisehe Eigenschaften, wie H~irte, Form und Scharfkantigkeit der Staubteilchen, k6nnen nach neueren ]3eobachtungen bei der Frage der Ents tehung der Staub- lungenerkrankung vernachl~ssigt werden.

Auch die l~linik der Staublungenerkrankung wurde welter ausgebaut, insbesondere hat die R6ntgenaufnahme der Lunge sich als ein nnentbehrliches Hilfsmittel in der Diagnostik der Pneumokoniose erwiesen (BOHME, JAENSCH, ICKERT, I~LEHMET, LOCHTKEMPER, MAY und PETRI, I~EICHMANN, STAuB-OETIKER, THIELE und SAUPE). Die meisten Autoren unterscheiden r6ntgenologisch drei Stadieu im Verlaufe der Pneumokoniose. Im ersten Stadium finder man verbreitete Hilusschatten, sehr stark vermehrte Lungenzeichnung, ver- einzelte kleine Flecksehatten in den Lungenfeldern. Inl zwei- ten Stadium ist die Lunge besonders in den lateralen Teilen der Mittelfelder yon kleinen Fleckschatten durchsetzt. Das drit te Stadium zeichnet sich aus durch fliichenhafte, in der Regel symmetrisch in den Mittelfeldern gelegene Verschat- tungen. REICHMANN fal3t Stadium I und 2 zu einem Stadium zusammen und unterscheidet nur zwischen dem fleckf6rmigen oder leichten und dem grobschwieligen oder schweren Stadium mit fliichenhaften Verschattungen im R6ntgenbild. Wiihrend Pat ienten der r6ntgenologischen Stadien I und I I in der Regel