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VOAT DEM MEDICINISCHEN LICHTINSTITUT FlNSEN KOPENHAGEN. DIE KONJUNRTIVALTUBERKULOSE*) OLAF BLECVAD VON Seitdem vor etwa 64 Jahren die Tuberculosis conjunctivae zum ersten Male beschrieben wurde, besteht der Streit uber die Pathogenese dieser Krankheit, und noch heute enthalt dieses Leiden viele dunklen Punkte. Die Tuberculosis conjunctivae ist ja eine seltene Krankheit, so dass es nicht oft das Los eines einzelnens Ophthalmologen ist, viele Falle derselben zu sehen. Im Laufe der Jahre wurde in dem Finsenschen LichtsInstitut eine verhaltnismassig grosse Zahl von Fallen dieses Leidens bes handelt, namentlich dank der grundlegenden Arbeit K. K. K. Lundsgaard’s uber die vorzugliche Wirkung der Finsentherapie, sowohl wenn es sich um Lupus conjunctivae als um Konjunk: tivaltuberkulose handelt. Dies hat zur Folge gehabt dass ails dem ganzen Lande Falle dieses Leidens an das Institut ver: wiesen wurden, und dass wir demgemass uber ein zieqlich gross ses Material verfugen. Lundsgaard hat selbst in mehreren Ar: beiten das Leiden behandelt, nicht allein die Therapie (Klin. Mbl. f. Augenheilk. B. 47 S. 386 - 1909 und B. 61 S. 371 - 1918) sondern auch die Pathogenese, und ihm gebuhrt u.a. die Ehre der Sonderung zwischen dem Lupus conjunctivae und der eigent: lichen Konjunktivaltuberkulose, auch oft primiire Konjunktival: tuberkulose genannt, welche Benennung Lundsgaard bestreitet, indem er behauptet, die Konjunktivaltuberkulose sei endogen, wahrend Lupus conjunctivae sei ektogen von luposen foci der Haut hervorgerufen und mittels der durch Stellungsvers anderung der Augenlider entstandenen Solutiones continui einr gepflanzt (Klin. Mbl. f. Augenheilk. B. 55 S. 97 - 1915). An: Iasslich der Nachforschungen die z. Z. im SerumrInstitute des Staates in Kopenhagen uber Tuberkelbaziltypen vorgenommen *) Vortrag gehalten in der Ophthalmologischen Gesellschaft in Kopenhagen den 29. April 1933.

DIE KONJUNKTIVALTUBERKULOSE

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VOAT DEM MEDICINISCHEN LICHTINSTITUT FlNSEN KOPENHAGEN.

DIE KONJUNRTIVALTUBERKULOSE*)

OLAF BLECVAD VON

Seitdem vor etwa 64 Jahren die Tuberculosis conjunctivae zum ersten Male beschrieben wurde, besteht der Streit uber die Pathogenese dieser Krankheit, und noch heute enthalt dieses Leiden viele dunklen Punkte. Die Tuberculosis conjunctivae ist ja eine seltene Krankheit, so dass es nicht oft das Los eines einzelnens Ophthalmologen ist, viele Falle derselben zu sehen. Im Laufe der Jahre wurde in dem Finsenschen LichtsInstitut eine verhaltnismassig grosse Zahl von Fallen dieses Leidens bes handelt, namentlich dank der grundlegenden Arbeit K . K. K. Lundsgaard’s uber die vorzugliche Wirkung der Finsentherapie, sowohl wenn es sich um Lupus conjunctivae als um Konjunk: tivaltuberkulose handelt. Dies hat zur Folge gehabt dass ails dem ganzen Lande Falle dieses Leidens an das Institut ver: wiesen wurden, und dass wir demgemass uber ein zieqlich gross ses Material verfugen. Lundsgaard hat selbst in mehreren Ar: beiten das Leiden behandelt, nicht allein die Therapie (Klin. Mbl. f . Augenheilk. B. 47 S. 386 - 1909 und B. 61 S. 371 - 1918) sondern auch die Pathogenese, und ihm gebuhrt u.a. die Ehre der Sonderung zwischen dem Lupus conjunctivae und der eigent: lichen Konjunktivaltuberkulose, auch oft primiire Konjunktival: tuberkulose genannt, welche Benennung Lundsgaard bestreitet, indem er behauptet, die Konjunktivaltuberkulose sei endogen, wahrend Lupus conjunctivae sei ektogen von luposen foci der Haut hervorgerufen und mittels der durch Stellungsvers anderung der Augenlider entstandenen Solutiones continui einr gepflanzt (Klin. Mbl. f. Augenheilk. B. 55 S. 97 - 1915). An: Iasslich der Nachforschungen die z. Z. im SerumrInstitute des Staates in Kopenhagen uber Tuberkelbaziltypen vorgenommen

*) Vortrag gehalten in der Ophthalmologischen Gesellschaft in Kopenhagen den 29. April 1933.

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werden, ging ich auf eine Typenbestimmung der Tuberkelbacils len von Konjunktivaltuberkulosefallen ein. In 4 Fallen ist es gelungen, Tuberkelbacillen der Konjunktivaltuberkulose rein zu kultivieren, und da in allen 4 Fallen sich ein boviner Typus ergab - ein ziemlich uberraschendes Ergebnis - wurde mein Interesse fur die ganze Frage uber die Aetiologie und Pathos genese der Konjunktivaltuberkulose erregt. Ich sammelte dems gemass die Falle der Konjunktivaltuberkulose, die im Institute vorgekommen waren, mit Ausschliessung jedoch der weit zahls reicheren Falle von Lupus conjunctiva:, und die Ergebnisse einer Bearbeitung dieses Materials bilden die Grundlage der hier vors liegenden Arbeit.

Zuerst mochte ich doch ein Paar Worte uber fruhere Uns tersuchungen vorausschicken.

Ich werde mich darauf beschranken, nur die im allgemeinen *primare Konjunktivaltuberkulosea genannte zu besprechen, da es hauptsachlich dieses Leiden ist, zu dessen Beleuchtung ich Material gesammelt habe, zumal ich der Ansicht bin, dass Lundsgaard deutlich genug gezeigt hat, dass diese Krankheit vom Lupus conjunctiva: scharf gesondert werden muss. In der oben erwahnten Arbeit zeigt Lundsgaard, dass die primare Kons junktivaltuberkulose uberwiegend bei jungen Personen (unter 20 Jahren) auftritt, w.ahrend der Lupus conjunctivae mit beinahe gleicher Haufigkeit in allen Alterstufen bis auf 52 Jahren vors kommt. Die primare Konjunktivaltuberkulose kommt uberwies gend bei Frauen vor - unter den Patienten mit Lupus conjuncs tiva: ist der Unterschied weniger ausgesprochen. Die Konjunks tivaltuberkulose ist immer einseitig, das linke Auge am haufigs sten angegriffen und das obere Augenlid haufiger angegriffen wie das untere. Der Lupus conjunctivae dagegen ist oft doppelseitig, und der Unterschied zwischen der Erscheinung der Krankheit im oberen und unteren Augenlid ist bei weitem nicht so ausges sprochen wie bei der primaren Konjunctivaltuberculose. Ends lich findet man bei der primaren Konjunktivaltuberkulose stets Schwellung der Praaurikulardruse und oft auch Suppuration der Druse, wiihrende beim Lupus in der Regel keine Schwellung der regionaren Drusen vorkommt. Alle diese Scheidungsmars lien, und ich mochte hinzufugen: auch das rein klinische Bild des Konjunktivalleidens, machen es fur mich - und meines

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Erachtens fur alle, die die Gelegenheit gehabt haben, eine gross sere Anzahl Falle beider Leiden zu beobachten - ganz eins leuchtend, dass es sich hier um zwei wesensverschiedenen Lei. den handelt. Lundsgaard war der Ansicht, dass der Unterschied darauf beruhte, dass die primare Konjunktivaltuberkulose endo. gen ware, wahrend der Lupus conjunctiva: von ektogener Ins fektion herriihrte.

Wieweit die Conjunctiva iiberhaupt ein Eingangstor einer Tuberkulose sein kann war immer eine streitige Frage. Lafon (zit. nach F . Schieck, Kurzes Handbuch) ist der Meinung, dass die Konjunktivaltuberkulose immer endogen ist, indem er darauf verweist, dass die Bacillen mit dem Blute der Art. ophthalmica zwei Wege einschlagen konnen, entweder durch die Ciliararterien in die Uvea oder durch die iibrigen Arterien nach der Conjunctiva und dem Augenlid. Axenf eld (Lehrbuch der Augenheilkunde 1915, S. 376) meint, dass >>fur nicht wenige Fallc von Binkhauttuberculose, ja wohl fur die Mehrzahl ware es vielmehr anzunehmen, dass die Conjunce tiva selbstandig hamatogen erkrankt, wie ja auch der Lupus der Haut heutzutage fur eine vorwiegend hamatogene Err krankung gehalten wird.cc Fuchs (Lehrbuch der Augenheilkunde 1910 S. 194) sagt, dass bdie Tuberculose der Bindehaut kann so$ wohl durch ektogene als durch endogene Infection entstehens Die Tuberkelbacillen gelangen an die Conjunctiva mit Staub. kornern, die mit ihren scharfen Kanten die kleinen Lasionen her. vorrufen, durch welche die Bakterien ins Conjunktivalgewebe dringen. >>Fur die Moglichkeit einer solchen Anstechung spricht der Umstand, dass man die tuberkulosen Geschwiire so haufig an der Lidbindehaut in der Gegend des Sulcus subtarsalis beginnen sieht, vo kleine Fremdkorper mit Vorliebe zuriickgehalten wers den. In solchen Fallen kann die Tuberkulose der Bindehaut den einzigen Krankheitsherd im Korper darstellen: primare Tuberr culose der Bindehaut. Diese kann durch lange Zeit auf die Bins dehaut beschrankt bleiben, ja in Ausnahmsfallen sogar spontan heilen; die Regel ist jedoch, dass von hier aus die Tuberculose auf den ubrigen Organismus sich ausbreitet,a zuerst iiber die regior naren Lymphedriisen. Valude (zit. nach Villard Ann. &Oculistis que, B. 133, S. 271 - 1915) zeigt, dass die Tuberkelbacillen bei Kaninchen nicht durch unbeschadigte Conjunctiva geht, sons

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dern nur dann Infektion giebt, wenn das Material unter die Conjunctiva injiciert wird. lgersheimer (Klin. Mbl. f. Augens heilk. B. 69, S. 226 1922) hat ahnliche Versuche mit Meerschweins chen gemacht. Er pflanzte Aufschlemmungien von Tuberkelbas cillen (sowohl bovine als humane) in den Konjunktivalsack ein. Bei gesunden Meerschweinchen ergab sich fast imnier eine spes zifische Reaktion die entweder in einer tuberkulosen Erkrankung der Conjunctiva mit Schwellung und meist auch Verkasung der regionaren Driise oder in einer Schwellung dieser Druse ohne spezifische Erkrankung der Schleimhaut selbst bestand. Sogar in Fallen wo die Conjunctiva ohne Lasion war ergab sich eine Anschwellung der regionaren Driise, aber kein Konjunktivals leiden. Es schien nicht maglich aus der Beschreibung zu un+ terscheiden, in welchen Fallen die Infektionen durch bovinen oder humanen Typus von Bakterien hervorgeruf en worden waren. Waren die Tierchen aber im voraus mit Tuberkulose infiziert, ergab sich keine Reaktion an der regionaren Driise. Einen interessanten Fall teil H. Kudlich (Zeitschrift f. Tus berkulose B. 43, S. 66 1925) mit. Bei einer Sektion an einem vierjahrigen Madchen ergab sich kasige Tuberkulose der D-" lusen vor dem linken Ohre und beim Angulus, wahrend alle iibrigen Organe von Tuberkulose frei waren. Die Sektion ergab kein Symptom von primarem focus an der Conjunctiva, eine nahere Nachforschung zeigte aber, dass das Kind 1% Jahr zus vor an einer Krankheit gelitten hatte, die nach dem Journale zu urteilen sehr wohl Tuberkulose sein konnte. Es war demgemass hier wirklich die Rede von einer primaren Infektion mit Tubers keln durch die Conjunctiva, welche Infektion nicht weiter als an die regionaren Driisen angelangt war. lgersheimer (zit. Stelle) hat aus der Litteratur eine Reihe von Konjunktivaltuberr kulosenfallen mit regionarer Driisenschwellung gesammelt und gezeigt, dass in diesen Fallen in der Regel kein Symptom von Tuberkulose an anderen Stelle des Korpers vorhanden war, wahrend in Fallen wo keine Drusenanschwellung sich ergab, an irgend einer anderen Stelle des Korpers Tuberkulosensymptome \orhanden waren, so dass auch die klinischen Erfahrungen mit den Tierversuchen iibereinstimmen. Igersheimer meint somit, dass die Konjunktivaltuberkulose ektogenen Ursprungs ist. Lundsgaard, in einer spateren Arbeit (Acta ophthalmol. B. 1.

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S. 39 1923) anlasslich der Arbeit lgersheirners hat 12 Falle von primaren Konjunktivaltuberkulose beobachtet mehr als 2 Jahre nach Beginn des Leidens und geht ihrem spateren Schicksal nach und findet, dass es in keinem Fall Symptome vom Tus berkulose anderswo im Korper gab, beharrt aber doch auf der Ansicht, dass die Konjunktivaltuberkulose endogenes Ursprungs ist. Fur mich steht die Sache so, dass man - namentlich nach den Untersuchungen Igersheimer’s - der Meinung Schieck’s (zit. Stelle) beistimmen muss, wenn er hervorhebt, dasc

1. der Tuberkelbacillus durch die intacte Schleimhaut him durchdringen kann,

2. zum Bild der primaren Tuberculose der Conjunctiva die regionare Druseschwellung gehort, und

3. diejenigen Falle von Bindehauttuberkulose, die dieses Symps tom vermissen lassen, wohl endogen entstanden sind.

Anzufuhren sei auch hier die Eigentumlichkeit, dass die pri. mare durch die Conjunctiva eingefuhrte Tuberkulose in der Regel sich nicht weiter als an die regionaren Drusen breitet.

Wir werden jetzt zuerst das statistische Material iiber die Krankheit untersuchen. - Lundsgaard hat in seiner Arbeit in nKlin. Mbl. f. Augenheilks 1918 die Falle bis auf jenes Jahr untersucht. Ich benutze die dort angegebenen Data iiber die 16 Flille von primarer Konjunktivaltuberkulose, die auf dem Ins stitute von 1909 bis 1918 beobachtet worden waren. Ich selbst habe die Falle des Institute von 1919 bis auf heute - im ganzen 24 - gesammelt. Lupusfalle wurden ausgeschoben. In sammts lichen Fallen war das Leiden klinisch charakteristisch durch die Art des Konjunktivalleidens - geschwollene, rote Schleimhaut mit zahlreichen gelblichen Folliklen, oft mit hahnenkammartigen Exkreszenzen und auch oft mit Ulzerationen mit speckartigem Boden, und in beinahe allen Fallen war Anschwellung der Pras aurikulardruse vorhanden - in vielen Fallen Suppuration - und in den meisten Fallen wurde die Diagnose ausserdem durch Mi5 kroskopie verifiziert.

Die Falle verteilen sich wie aus folgender Tabelle hervorgeht: 7.

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Jahr 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918

Anzahl Fllle 4 2 1 1 1 1 2 1 2 1

Jahr 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928

AnzahlFalle 1 0 1 2 2 1 0 2 3 . 0

Jahr 1929 1930 1931 1932

Anzahl Falle 1 4 2 5

Wie man sieht ist die Verteilung uber die Jahre ziemlich gleichmassig, jedoch gab es in den letzten 3 Jahren besonders viele Falle.

Von den 40 Fallen waren 12 mannliche und 28 weibliche In: dividuen, also, wie schon f riiher von Lundsgaard hervorgehoben, die Frauen immer in der Mehrzahl.

Unter den Fallen nach dem Jahre 1918 gab es 9 Manner und 15 Frauen.

Die Alterstufen der Patienten erhellt aus folgender Tabelle:

Alter Bis 1918 Nsch 1918 Gesamtzahl 0-1 0 3 4 7

11-20 13 11 24 21-30 7 7 31-40 41-50 51-60 2 2

Im ganzen 16 24 40

Obschon die Gruppierung der Falle, namentlich in den june geren Alterstufen, von meinen Patienten weniger ausgepragt ist wie Lundsgaard’s, ist doch immerhin weit die grosste Zahl 131 von 40) unter 20 Jahren, und nur 2 iiber 30 Jahre.

Die folgende Tabelle zeigt welches Augenlid angegriffen war:

Bis 1918 Nach 1918 In ganzen Rechtes Auge oberes Lid 4 2 6

>> >> unteres >> 1 0 1 Linkes Auge oberes )> 4 10 14

>> >> unteres >> 2 5 7 Beide Augenlider, rechte 1 5 6

>> B , linke 4 2 6

Gesamtzahl 16 24 40

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Rechtes Auge: 13 Oberes Augenlid: 20 Linkes )) : 27 Unteres B : 8

Beide Augenlider: 12

40 40

Das linke Auge war das am haufigsten angegriffene und das obere Augenlid haufiger als das untere. In 12 Fallen waren beide Augenlider angegriffen.

Nach den Landsteilen verteilen sich die Patienten wie folgt:

Bis 1918 Nnch 1918

Kopenhagen 5 7 Jiitland 7 11 Seeland mit Inseln 3 5 Fii rs&r 1 Norwegen 1

~. ~ _ _ ~ .~ ~

Im ganzen 16 24

Im gnnzen 12 18 8 1 1

40

Nehmen wir an, dass ein Fiinftel der Einwohner Danemarks in Kopenhagen leben und 2 Fiinftel in Jiitland und ebenso viele auf Seeland und den iibrigen Inseln, was beinahe richtig ist, scheint die Anzahl die auf Kopenhagen fallt etwas grosser als entsprechend (12 statt 8) und auch fur Jiitland ist dies der Fall (18 statt 16), wahrend die Zahl fur Seeland und die Inseln aufr fallend klein ist (8 statt 16). Das besonders viele Falle auf Kos penhagen fallen riihrt vielleicht aus dem Umstande her, dass das Jnstitut in Kopenhagen liegt.

Hiermit erschopfen sich die Mitteilungen, die ich in den Journalen Lundsgaard’s in seiner obenerwahnten Arbeit gefunr den habe, und die folgenden Zusammenstellungen beziehen sich nur auf meine eigenen 24 Falle.

Anschwellung der Praaurikulardruse oder der Retromaxillars driisen wurde in 22 von den 24 Fallen gefunden. Die 2 Falle ohne regionare Driisenschwellung werde ich spater besprechen, sie waren beide iiber 20 Jahre.

Suppuration kam in 13 Fallen vor. Unter den 22 Fallen mit Anschwellung der regionaren Driisen gab es also 9 ohne Sups puration. Von diesen 9 waren 4 unter 20 Jahren (zwischen im ganzen 15), wahrend 5 iiber 20 Jahre waren (zwischen 7).

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Piquet’s kutane Tuberkulinreaktion wurde in 19 von den 24 Fallen vorgenommen und war in allen Fallen positiv.

Mikroskopie von exzidiertem Konjunktivalgewebe oder vom Gewebe aus’ regionarer Driise wurde in 20 Fallen vorgenommen und ergab in 19 Fallen Tuberkulose. Der eine Fall, wo es nicht gelang mikroskopisch tuberkuloses Gewebe nachzuweisen, war aber ein klinisch sehr typischer bei einem achtjahrigen Knaben mit starker Piquetscher Reaktion, schwerer Anschwellung und Suppuration der Praaurikulardruse, so dass ich kein Bedenken trage ihn fur einen Fall von Konjunktivaltuberkulose zu erklas ren. Sein Leiden heilte mittels Finsenlichtbehandlung schon auf. Ich sah ihn 4 Jahre nach beendeter Behandlung. An der Cons junctiva war eine schone glatte Narbe, und er war im grossen und ganzen gesund.

Stetoscopia pulmon. wurde in 20 Fallen unternommen und ergab in allen normale Verhaltnisse. In einer Reihe von Fallen wurden die Lungen rontgenoskopiert, in keinem Fall aber konnte etwas abnormes festgestellt werden.

Uber 16 Patienten gab es die Auskunft, dass, sie Vieh ges hutet und vor Ausbruch des Leidens taglich Kuhe gemelkt hats ten. I7 Fallen war Tuberkulose unter dem Viehbestand festges stellt worden.

Die Behandlung war in allen Fallen Finsenlicht auf die Coils junctiva in Sitzungen von in der Regel je 15 Minuten. Nach der Hehandlung trat gewohnlich eine ziemlich kraftige Reaktion mit Bildung von Pseudomembram ein. Erst nach Ablauf der Reaks tion, die gewohnlich 1 bis 2 Wochen dauert, wird wenn notwens dig neue Behandlung gegeben. In einigen Fallen geniigte eine einzige Behandlung, in schweren Fallen wurden aber bis zu 16 Behandlungen notwendig. Die Durchschnittzahl der Behands lungen pro Patienten war 5. Die suppurierende Driise musste in einigen Fallen mit Finsenlicht behandelt werden - 7 Falle in allem - und zwar mit weit haufigeren Sitzungen, in einem harts nackigen Fall sogar mit 105 - im Durchschnitt 50 Sitzungen pro Patient. In einzelnen Fallen entstand eine Speichelfistel, die selbstredend die Behandlung noch mehr komplizierte. Zur For5 derung der Widerstandsfahigkeit des Korpers gegen Infektion haben wir in den letzten Jahren mit Erfolg universelle Bogens lichtbader verwendet - im ganzen 17 Falle mit durchschnittlich 74 Lichtbader pro Patient. -

Wie vorher erwahnt wurden in 4 von den 24 Fallen Tuberkels bacillen aus der Conjunctiva oder der regionaren Driise kuls tiviert und durch Gefalligkeit seitens des SerumsInstituts - den1 ich hier meinen besten Dank fur die Hilfe ausspreche - wurr den die Bacillen typusbestimmt. Wie es Ihnen vielleicht be$ kannt ist, hat Dr. K. A. Jensen vom SerumsInstitute eine spes zielle Teknik fur die Typusbestimmung der Tuberkelbacillen ausgearbeitet. Sie ist im Zentralblatt f. Bakt. B. 125, 1932 be. schrieben worden und ich werde deshalb nicht naher darauf eingehen. Wir haben Kulturen von 5 Patienten versucht, aber von cinem dieser Patienten, dessen Leiden augenscheinlich der Heilung zu nahe war, gelang es nicht Wuchs zu erzielen. Das Konjunktivalleiden war vollstandig geheilt, es fand sich nur eine kleine Fistel vor dem Ohr von wo das Gewebe exzidiert wurde.

Die 4 Falle werde ich ausfuhrlicher beschreiben:

Journal 1. Aufgenommcn 2718 1932. A. K. L. 23 Jahr. Dienstmagd. Grenze

zwischcn dcn Bezirken Viborg und Ringkebing. Friihcr immcr gesund. Als Kind nicht skrufulos. Hat als Magd

grdient und tiiglich 3 Kiihe gemelkt. Gegen den 10. Juli 1932 bemerkte die Patientill ciiic Alcinc Anschw'ellung vor dem rerhten Ohr und spiitcr dnss tlas rcclitc Augc anschwoll mit pur. Sekreten. Keine Bes handlung ZLISSCI' B d c n zuhause.

Die l'aticniin ist von Lraftiger Statur und gesundcm Aussehen. Die rcchtc Priiaurikulardrussc gut haselnussgros, indolent, nicht emps findlich aber etwas weich, dic Haut dariiber natiirlich. L i n k e s Auge naturlich. R c c h t e s Auge S. 6M Emmetropie. Rote und Anschwellung dcs oberen Augenlids (siche Photo 1). An dcr Conjunctiva palp. sup., namentlich i n dc r U bergangsfalte sieht man schwere hahnenkammartige Follikelrcihen. Einzelne Follikeln sind ulzeriert und mit gelblichen Membrancn belegt. A m untcren Lid mchrerc grossen Follikeln aber keine Ulzerationen. Cornea klar. Iris normal. Ophthalmoskopie norr mal. Tcmpcratur normal. Pirquet's Reaktion ++. Sahli 72%. W. R. +. Stetoskopie pulm. normal. Rontgenuntersuchung der Lungen: nichts abnormes.

Es wurdcn universelle Kohlenbogenlichtbader sowie lokale Finsens behandlung der Augenlider ordiniert. Die Patientin bekam, im ganzen 8 Behnndlungen von je 15 Minuten, 5 am oberen und 3 am unteren Lid, am oberen Lid den 5/9 - 22/9 - 1/10 - 11/10 und 27/10, am unteren den 28/10 - 12/11 und 15/12 1932. Ein Paar dcr hnhnenkamms artigen Excrcszenzen wurden den 1/9 exzidiert fur mikroskopische Uns tersuchung und Typenbestimmung eventueller Tuberkelbacillen. Die

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Photo 1.

Photo 2.

Mikroskopie crgab: nach der einen Seite im Schnitt Nekrose und einige unvollstandigen Riesenzellen und dubiose epitheloide Zellen. Das Ses rumshstitut teilt den 27/10 1932 mit: Der Tuberkelbacillenstamm kuls tiviert vom Konjunktivalgewebe exzidiert den 1/9 ergab b o v i n e n T y p u s .

Bei Entlassung den 21/12 1932 war das Konjunktivalleiden im we5 sentlichen geheilt (siehe Photo 2). Die Praaurikulardriisenschwellung war unter dem ganzen Aufenthalt ganz unverandert geblieben. Die Patientin hattc 45 Lichtbader bekommen.

Bei der Nachuntersuchung den 2714 1933 befand sich die Conjuncr tiva schiin geheilt. Die Praaurikulardriise ist an Grosse nicht zuges nommen sondern ist hinfallig. Sie ist weich, gelblich durchscheinend. Die umgebcnde Haut hKt sich zusammengezogen, so dass die Driise sich polypenartig aus der Haut erhebt. Sie wurde exstirpiert fur Mi; kroskopie und Kultur von eventuellen Tuberkelbacillen.*)

Ich ersuchte den lokalen Tierarzt, der sich fur die Frage sehr ins teressierte, um Untersuchung des ganzen Viehbestands des Gehoftes WO das Madchen gemelkt hatte, und das Ergebnis war wie folgt: Tubers kulinprobe: der ganze Bestand, 5 Kiihe 3 Farsen gaben + Tuberkulins reaktion, nur ein halbjahriges Kalb gab negative Reaktion. Bei klinis scher Untersuchung zeigten 2 Kiihe, die husteten, Symptome einer angchenden Bronchialpneumonie und 2 andere waren verdachtig dess srlben Lcidens. Ausserdem wird mitgeteilt, dass eine Kuh den 19. Mai 1932, also 2 Monate vor Eintreten des Augenleidens der Patientin, musste iiiedergeschlagen werden wegen Krankheit. Die Sektion ergab: heide Lungen als Sitz einer ausgebreiteten tuberkulosen Bronchials pneumonie, namentlich dorsal in beiden Lungen, mit meheren offenen Cavernen, sehr dicken Belagen am Pleura und Miliartuberkeln sowohl in den Lungcn als in den Nieren. EiIfe Milchprobe von drei der Kiihe wurde an das SerumsInstitut geschickt um fur Tuberkelbacillen unters sucht zu wcrden, aber aus keiner dieser Proben gelang es Tuberkels bacillen zu kultivieren.

Journal 2. Aufgenommen 14/4 1932. L. K. P. 15 Jahre. Dienstmagd. Wests

jutland, Rczirk Ringkebing. Friiher immer gesund. Als Kind nicht skrufuliis. Hat als Magd in einem Gehofte gedient und 3 ma1 taglich 5 his 6 Kiihe gemelkt. Etwa einen Monat vor der Aufnahme ins Krans kenhaus sass sie cines Tages und scharfte einen Bleistift. Dann merkte sie dass ihr etwas ins linke Auge flog. Sie rieb das Auge, tat aber sonst nichts. Nach ein Paar Tagen wurde das Auge dick und rot und spater aeigte sich ein Knoten vor dem linken Ohr. Nach 14 Tagen wurde der lokale Arzt gerufen, welcher nach achttagiger Behandlung mit Tropfeln

*I Beim Korrektur zugefiigt : Der Tuberkelhacillenstamm ergab sich als t y p u s b o v i n u s . D. 2/S 1933.

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Photo 3.

Photo 4.

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des Auges und Umschlag an dcr Wange die Patientin zum Augenarzt schickte, wonach sie ins Krankenhaus uberfiihrt wurde.

Die Patientin ist von kraftiger Statur und gesundem Aussehen. Uber der linken Praaurikulardriise befand sich bei Ankunft ins Hospis tal cine sehr schwere Anschwellung (siehe Photo 3). Diese erreicht im Laufe weniger Tage die Grosse cines halben Giinseei’s und pers foricrt. Die Perforationsoffnung wird erweitzrt und grosse Eitermens gen wcrden entleert. Mikroskopie des Eiters: -F Bakterien. Bei Kultur am Substrat Lowensteins + Wuchs. Spater schliesst sich die Perforas tionsoffnung, und es bildet sich eine fluctuierende Intumeszenz. Man perforiert in der alten Uffnung, und es stromen reichliche Mengen von uberwiegend klarer >speichelahnlicherw Fliissigkeit hervor. Wahrend der Kulmination des Praaurikulardrusenleidens war die Tcmperatur bis auf 39,90 erhoht.

Rechtes Auge: natiirlich. Linkes Auge: Ziemlich grosse Anschwel. lung des unteren Lids, namentlich der temporale Teil, wo die Cons junctiva tarsi ist dick und rot und Sitz einer Wunde mit speckartigem Boden (siehe Photo 4). Die Wunde reicht bis iiber den Rand des Augenlides heraus und geht etwas in die Augenlidhaut hinein. Der ganze obere Teil der Conjunctiva des unteren Augenlids, ja sogar ein Stiickchen des Bulbus ist mit kleinen gelblichen Follikeln besetzt. Die Conjunctiva des oberen Augenlids normal. Cornea und Iris normal. Ophthalnioskopie normal. Sehvermogen 616 Emmetropie.

Pirquet’s Reaktion ++ Sahli (korr.) 65%, spater am 25/10: 80%. W. R. +-. Stctoskopie pulmon.: +. Rontgenuntersuchung der Lungen: nichts anomales. Universelle Lichtbader und lokale Finsenlichtbehands lung des Augenlids wurden ordiniert. Die Patientin bekam im ganzen 9 Sitzungen von je 15 Minuten (1315 - 2715 - 316 - 1816 - 717 - 16/7 - 2217 - 1618 und 2219 1932), wonach die Affektion des Augen= lids hcilte auf, jedoch mit einer breiten Synechie zwischen der aussers sten Halfte des Lids und Bulbus (siehe Photo 5). Es halt sich wahrend der Behandlung des Augenlids stets eine leichte Anschwellung der Priaurikulardriise mit Suppuration und periodischem Speichelfluss durch die Fistel. Den 2518 1932 wurde Biopsie von einem Stiickchen Gewebe einer Fistel vorgenommen. Das Gewebe wurde im Seruma Institute untersucht, und den 1711 1933 kam die Mitteilung, dass der Tuberkelbacillenstamm, der auf dem Gewebe kultiviert worden war, ergab sich als t y p u s b o v i n u s. Die Behandlung der Praaurikulars driise hat lange Zeit gedauert, u.a. mit 32 Sitzungen von je einer halben Stunde mit Finsenlicht. Die Patientin hat 132 Lichtbader be5 kommen. Jetzt ist die Affektion geheilt und die Patientin ist entlassen worden (siehe -Photo 6).

Ich ersuchte den lokalen Tierarzt um Untersuchung des Bestandes auf dem Gehofte, wo die Patientin diente. Es ergab sich, dass keine von den Kuhen Symptome von Eutertuberkulose oder andere klinis schen Zeichen einer vorgeschrittener Tuberkulose zeigte, aber im

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Photo 5.

Photo 6.

Friihjahr befand sich im Bestand eine Kuh, die einige Zeit rnit Mei tritis, vielleicht von tuberkuloser Art, behaftet war. Bei der Tur berkulinprobe ergab fast der ganze Viehbestand positive Reaktion. Es wird angegeben, dass 96% von den Viehbestanden jener Gegend bei der Tuberkulinprobe positive Reaktion zeigen. Vom obenerwahns ten Viehstand haben die Kalber und jungen Kiihe die Probe bestans den, DSO dass man wohl sagen darf, dass er weder besser noch schlechr ter ist wie die meisten Viehbestande in dieser sehr tuberkulosen Gegendn.

Journal 3. Aufgenommen 2814 1932. B. P. 17 Jahre. Dienstmagd. Bezirk Rings

kebing. Die Patientin sol1 als Kind &3krofelna in den Augen gehabt haben, aber keine Driisenanschwellung am Halse. Sonst immer ges sund. Hat als Magd auf dem Lande gedient und die Kiihe gehiitet und gemelkt. Das Augenleiden fing vor 5 bis 6 Monaten an mit Anschwels lung vor dem linken Ohr. Kurz naehher wurde das linke Auge rot und das Sehvermogen schlecht. Das Auge wurde mit Salbe geschmiert, und das Leiden verlor sich, nur nicht der Knoten vor dem Ohr; dieser wuchs weiter und dazu kam noch ein kleiner Knoten am linken untern Augenlid. Vor kurzem hat man einen Augenarzt gerufen, welcher die Diagnose Tuberculosis conjunctiva: stellte und die Patientin hier einr legte.

Die Patientin ist von kraftiger Statur und von gesundem Aussehen. Sie hat eine sehr betrachtliche Anschwellung der linken Praauriku. lardriise, die sich bis zu einer fluctuierenden Stelle etwa beim Angulus mand. gipfelt (siehe Photo 7). Rechtes Auge natiirlich. Sehvermogen des rechten Auge 6/6 Emmetropie. Linkes Auge 616 Emmetropie. Keine Injektion der Conjunct. bulbi. Am unteren Lid sieht man tems poral einen kaum bohnengrossen ovalen Tumor. Die Schleimhaut iiber dcm Tumor ziemlich injiziert und verdickt. Das ganze erinnert uns gefahr an ein grosses Chalazion (siehe Photo 8). Nasal sieht man an der Schleimhaut in der Ubergangsfalte ein Paar Knotchen. Das obere Augenlid normal. Cornea klar. Iris normal. Ophthalmoskopie normal. Tcmperatur normal. Pirquet’s Reaktion ++. Sahli 92%. W. R. +. Stetoskopie pulm. +. Rontgenuntersuchung der Lungen zeigt nichts anomales.

Universelle Kohlenhogenlichtbader sowie lokale Finsenlichtbehands lung am unteren linken Augenlid werden ordiniert. Die Patientin bekam im ganzen 5 Sitzungen von je 15 Minuten (den 2615 - 3115 - 14/6 - 2516 und 117 1932), wonach die Affektion am Augenlid geheilt war und hinterliess nur ein hartes Knijtchen im Augenlid (siehe Photo 9). Die Praaurikulardriise droht den 3014 zu perforieren, weshalb Punktur mit Entleerung von 18 cm Eiter ohne Kornchen unternommen a i rd . Bei direkter Mikroskopie wird im Eiter saurer und alkoholfeste tuberkelbacillenahnliche Stabchen gefunden. Es wird auf Meerschweins chen mit positivem Erfolg geimpft, und Kultur vom Eiter zeigt Tus

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Photo 7.

Phofo 8.

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Photo 9.

Photo 10.

brrkelbacillen vom b o v i n e n T y p u s. Man punktiert wiederholt und ausserdem werden 2 Sitzungen von je 15 Minuten an der Punkturr stelle gegeben. Den 30/5 spurt die Patientin Eiter im Munde, wenn die Driisc gedriickt wird, und bei Inspektion sieht man Eiter aus dem linken Ductus Stenonianus fliessen. Den 25/6 hat die Sekretion aufi gehort, und die Anschwellung vor dem Ohr hat sich verloren. Den 11/7 wird die Patientin entlassen. Sie hatte dann 22 Lichtbader be5 kommen. Das Gewicht der Patientin war wahrend des Aufenthalts von 59,3 bis 66,2 kg gestiegen. Bei Besichtigung den 17/11 1932 err klart die Patient sich vollkommen wohl zuhause befunden zu haben. Das Augenlid befand sich wie am Tage der Entlassung. Keine An< schwellung oder Empfindlichkeit der Praaurikulardriise. die gerade fiihlbar ist (siehe Photo 10).

Durch den lokalen Tierarzt habe ich Auskiinfte uber den Viehr bestand des Gehoftes, wo die Patientin diente, als sie erkrankte, bes kommen. Den 30/6 1928 wurde Tuberkulinprobe an dem Bestand vorr genommen. Samtliche Kiihe reagierten + und ausserdem 3 von den 4 jungen Kiihen und 4 von den 6 Kalbern. Milchproben von 11 Kiihen aurden auf dem SerumSInstitute fur Tuberkelbacillen untersucht, aber von keiner der Proben gelang es Tuberkelbacillen zu kultivieren.

Journal 4. Aufgenommen den 2016 1930. C. E. P. 23 Jahre, unverheirateter

Landmann, Bezirk Ringkebing. Keine Tuberkulose unter den nachs sten Angehorigen. Keine Skrofulose als Kind. Nie zuvor Augenleiden. Im Monat Mai arbeitete der Paticnt bei Abbruch eines Kuhstalls und erhielt wahrend dieser Arbeit etwas Schmutz ins linke Auge, und seitdem war das Auge erkrankt. Zuerst spiirte er einc nagende Emps findung im Auge und nach etwa 14 Tagen entstand Anschweliung unter dem linken Ohr. Er suchte zuerst den lokalen Arzt, der ihn an einen Augenarzt verwies. Dieser konstatierte Konjunktivaltuberkulose, wonach der Patient nach dem Institut iiberfiihrt wurde.

Der Patient ist ein kraftiger jungcr Mann von gesundcm Aussehen. Die linke Praaurikulardriise ist vergrossert aber nicht empfindlich. Bcim linken Angulus mand. sieht man ein ziemlich grosses Biindel von bis wallnussgrossen Driisen (siehe Photo 11). Rechtes Auge natiirlich. Sehvermogen 6/6 Emmetropie. Ophthalmoskopie normal. Linkes Auge: Es giebt eine recht betrachtliche Anschwellung und Rote am oberen Augenlid mit dementsprechender Ptosis. Einige Sekretion. Die Cons junctiva des unteren Augenlids dick und rot wie bei gewohnlicher akuten Conjunctivitis. Beim Ektropionieren des oberen Augenlids springt die Conjunctiva wie eine grosse runzelige Tumormasse hcrvor, da die ganze Conjunctiva des oberen Augenlids als Sitz der typischen tuberkuliisen Conjunctivitis (siehe Photo 12) ist. Cornea klar. Iris normal. Sehvermogen 6/6 Emmetropie. Ophthalmoskopie normal. Tcmperatur normal. Pirquet’s Reaktion H-. Sahli 86% korr. W. R. -:-. Stetoscopia pulmon.: wiederholt -1.

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Photo 11.

Photo 12.

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Univcrsellc Lichtbader sowie lokale Finsenlichtbehandlung am obes ren linken Augcnlid, 4 Sitzungen (den 2416 - 717 - 15/7 und 2917 1930) von jc 15 Minuten wurden gegeben. Nach jeder Bebandlung entstand hctrachtliche Rcaktion mit Bildung von Pscudomembranen. Dcn 2519 ist die Conjunctiva geheilt mit glatter saubcrer Narbc (siehe Photo 13), abcr jetzt hat dic Druse am Angulus mand. sin. an Gr6sse

Photo 13.

zugenommcn und fluctuiert. Punktur von den Driisen wird zum ersten Ma1 den 1619 und spater sehr haufig unternommen mit Entleerung von Eiter, der durch direktc Mikroskopie zahlreiche saures und alkoholr feste vollig tuberkelbacillenahnliche Stabchen zeigte. Es wurde auf Meerschwcinchen uiid auf Petroff’s Substrat geimpft. Das SerumsInstir tu t teil mit, dass a n dcn Meerschweinchen Anschlag entstand und dass die Tuberkelbacillen sich bei Kultur als b o v i n e n T y p u s ergaben. Auch die Praaurikulardriise vergrossert sich bis auf kaum ein Hiihnerei, sic wird punktiert und bildet hier eine Speichelfistcl. Mikroskopie des Gcwebcs der Driisenregion vor dem linken Ohr zcigt am 2811 1931: Ein wenig unter der Oberflache und parallel1 mit ihr eine Decke von Granulationsgewebe, das in der Tiefe in nekrotisches Gewebe iibergeht, an einigen Stellen sieht man kleine Haufchcn und schmale Streifen mit tuberkuloider Struktur. Die Drusenregionen werden je tz t

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zuerst mit Rontgenstrahlen und spater mit Finsenlicht behandelt. Die Driisenanschwcllung verliert sich gut, aber eine Speichelfistel halt sich fortwihrend. Inzwischen wurde der Patient mehrere Male nach Hause entlassen fur 2 bis 6 Monate, kommt aber wicder zuruck zur Behandr lung. Die Conjunctiva halt sich unterdessen fortwahrend geheilt. Bei der endlichen Entlassung am 25/10 1932 bestand stets die Speichelfistel. Der Patient hatte dann 99 Sitzungen mit Finsenlicht auf die Drusen und 178 universelle Lichtblder hekommen. Sein Gewicht bei der Aufs nahme war 73,3 kg und 73,4 hei der Entlassung mit ganz kleinen Schwankungen.

Wie Sie gesehen haben werden, waren alle diese 4 Falle tys pisch fur primare Konjunktivaltuberkulose, sowohl was die Pas thogenese, das Aussehen des Leidens, die regionare Drusenans schwellung und den Verlauf des Leidens betrifft, und in Ere ganzung wurde ja Diagnose durch den Bacillenbefund mittels Kultur und Impfung auf Meerschweinchen gesichert. Merkwurz digerweise ergaben sich die Bacillen in allen 4 Fallen als vom hovinen Typus. Dies kann naturlicherweise auf einen Zufall beruhen, da es sich ja um eine sehr kleine Aiizahl von Fallen dreht, ist aber doch bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die bovine Tuberkulose beim Menschen hier zu Lande selten ist, aber allerdings mit sehr verschiedener Verteilung innerhalb der verschiedenen tuberkulosen Leiden. Bei der Lungentubers kulose findet man den bovinen Typus nur in 3,4%, wahrend derselbe im Eiter von Halsdrusen in 50% gefunden worden ist (siehe K. A . Jensen, Hospitalstidende No. 8 1933). D’ ie vers schiedene Verteilung ruhrt mutmasslich aus dem verschiedenen Infektionsmodus her, indem der humane Typus namentlich durch Inhalationsinfektion entsteht, wahrend der bovine Typus hauptsachlich den Menschen durch Futterungsinfektion angrifft. - Wie entsteht nun die tuberkulose Infektion der Conjunctiva? V’ie schon erwahnt waren meherere Verfasser fruher der Ansicht, dass die Konjunktivaltuberkulose endogenshaematogen ware. Wenn sich die Bacillen jetzt in mehreren Fallen als bovinen Tyr pus ergeben hat, scheint dies mir in hohem Grade dafur zu spres chen, dass die Infektion ektogen sei, jedenfalls in den Fallen rnit bovinem Tuberkelbaciltypus, und man darf wohl annehmen, dass es in diesen Fallen sich um eine dkhmiers und Schmutzinfektioncc von tuberkulosem Vieh handelt. Dafiir sprechen auch meine Auskunfte uber den Gesundheitszustand der Viehbestande, wo

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diese 4 Patienten gearbeitet haben. Alle 4 waren mit Kuhen beschaftigt, haben gemelkt, und alle stammten sie aus Wests jutland, wo die bovine Tuberkulose ziemlich verbreitet ist. Der junge Mann (Journal 4) hatte, wie er selber angiebt, aus dem Kuhstall Schmutz ins Auge bekommen unmittelbar vor AUS: bruch des Augenleidens, und das junge Madchen (Journal 2) erwahnt, dass ihr ein Stuckchen der Spitze eines Bleistifts ins Auge flog vor Ausbruch des Leidens. Es bleibt wohl immerhin zweifelhaft, welchen Wert man auf solche Aussagen legen soll aber wenn man bedenkt, dass Tierversuche bestatigt haben, dass eine Lasion der Schleimhaut eine Rolle bei der Tuberkulosens infektion der Conjunctiva spielt. ja sogar von einigen als not: 'wendig angesehen wird, kann der Tatbestand doch seine Be. deutung haben. Ebenso erinnern wir uns, dass 16 von den seit 1918 beobachteten 24 Patienten mit Viehhuten beschaftigt ge: wesen waren, und unter ihnen gab es wiederum 7, die Kuhe mit notorischer Tuberkulose gehutet hatten. Von einem lbjahrigen Dienstknecht habe ich durch den Tierarzt erfahren, dass er vor Ausbruch des Augenleidens eine Kuh gemelkt hatte, die wegen Eutertuberkulose niedergeschlagen werden musste. Es liegt nahe anzunehmen, dass der Infektionsstoff mit der Hand von Euter ins Auge gefuhrt worden ist. - Als eine besonders merkwurdige Infektionsweise muss wohl folgende betrachtet werden: Eine 56rjahrige Frau eines Beamten aus den FarrUern hatte seit einiger Zeit, einem .alten Hausmittel folgend. gegen Conjunctivitis das Auge mit roher Milch getropfelt. Einige Zeit nachher entstand ein Knoten in der oberen Ubergangsfalte. Die Mikroskopie ergab Tuberkulose. Ob die Infektion mit der Milch entstanden ist oder schon vor dem Milchtropfeln vorhanden war, ist ja nicht leicht festzustellen, aber im Falle, dass der Tuberkelbacilltypus, wie in den 4 obenerwahnten typusbestimmr ten Fallen, bovin ware, spricht wohl die Wahrscheinlichkeit das fur, dass die Milch die Ansteckung ubertragen hat, da die Pas tientin sonst keine Beriihrung mit Kuhen hatte. Wieweit die bovine Infektion immer von Vieh zum Menschen geschehen muss, oder ob Menschen mit boviner Tuberkulose andere Mens schen anstecken konnen, weiss man noch nicht mit Sichers heit. Es giebt uberhaupt hier viele Fragen, die noch ungelost sind, z. B. die sehr streitige, wieweit Tuberkelbacillen vom bos

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vinen Typus beim Menschen sich in den humanen Typus verz wandeln konnen. Nach den Kulturen zu urteilen scheinen sie sehr verschieden zu sein, aber sonst gleichen sich die zwei Tyz pen vollstandig mikroskopisch und serologisch, und nur auf diesem speziellen Substrat sind die Kulturen verschieden. Doch scheint es mir, dass vieles dafur spricht, dass man im Falle von Konjunktivaltuberkulose die Infektion als primar in der Cons junctiva annehmen muss. Die sehr grosse Zahl von meinen Fallen (22 von 24) mit Anschwellung der regionaren Driise deutet auch darauf, dass das Leiden primar ist - im Gegensatz zum Lupus conjunctive, wo fast nie Anschwellung der regionaren Driisen entsteht, wahrscheinlich weil der Organismus schon zus vor mit Tuberkulose infiziert war. Es kommt mir vor, dass die Tierversuche lgersheimer's dies auf die schonste Weise illur strieren. Der Hautlupus wird gewohnlich als eine haematogene Infektion betrachtet, und die Tuberkelbacillen sind hier vors wiegend vom humanen Typus. Ich mochte es deshalb als wahrs scheinlich annehmen, dass der Lupus conjunctive eine endogene, mutmasslich haematogene Infektion mit vorwiegend humanem Bacilltypus ist. Gleichfalls haematogen miissen zweifelsohne auch die intraokularen tuberkulosen Leiden sein. Diese sind ja auch sehr haufig doppelseitig. Da die Konjunktivaltuberkulose aber stets nur das eine Auge angreift, deutet dieser Umstand ebenfalls auf ihren ektogenen Ursprung. Von den 2 Fallen, wo keine regionare Driisenanschwellung vorhanden war, war einer der der obenerwahnten Frau des Beamten aus den .FiirsUern. Der zweite Fall war ein 21sjahriges Madchen aus Siidseeland. Sie hatte 3 Jahre zuvor ein linkseitiges Tranenkanalleiden ges habt. Man fand Konjunktivaltuberkulose am linken unteren Augenlid mit hahnenkammartigen Exkreszenzen. Die Mikros skopie ergab Tuberkulose. Vielleicht war das Tranenkanalleis den tuberkulos und hatte sich hinauf in die Conjunctiva Vera breitet. Diese Annahine wird dadurch gestiizt, dass der Patient ein halbes Jahr spater mit Tuberkulosis septi nasi (durch Mikroskopie verifiziert) aufgenommen wurde. In der Re$ gel suppurieren die Drusen friih wahrend der Krankheit, nas mentlich bei jungen Individuen. Je alter der Patient ist. je geringer ist die Tendenz zur Suppuration von der Driise, wahrr scheinlich weil die alteren Patienten vorher geringere Infektioc nen mit Tuberkulose gehabt haben.

Dagegen scheint die Tuberkuloseinfektion keine Tendens sich weiter als an die regionaren Drusen zu verbreiten zu haben. Ich mache hier auf den von Kudlich beschriebenen Fall aumerksam, wo die Konjunktivaltuberkulose und die regionare Driisenans schwellung die einzigen Manifestationen tuberkulosen Charakters waren. In allen Fallen, wo Stetoscopia pulmon. vorgenommen worden war, waren normale Verhaltnisse vorhanden - im gans Zen 20 von 24 Fallen. Von einem Patienten, einem 2lsjahrigen Typograph aus Kopenhagen, wird mitgeteilt, dass er vor 12 Jahren eine Pleuritis gehabt hat, die Stetoskopie ergab aber jetzt ganz normale Verhaltnisse. Dieser Patient hatte auch nur eine geringe Praaurikularanschwellung ohne Suppuration.

Es ncheint somit festgestellt, dass jedenfalls ein Teil der Falle von Konjunktivaltuberkulose durch Tuberkelbacillen vom bovinem Typus hervmgerufen wird. Wieweit es aber immer der bovine Typus sei, der die primare Konjunktivaltuberkulose hervorruft, ist wohl zweifelhaft. Wie waren sonst die recht vielen Falle aus Kopenhagen zu erklarlich? Diese unterscheis den sich in keiner Beziehung nennenswert von den ubrigen, sie sind namlich 3 Kinder von 7, 8 und 14 Jahren, eine Naheschulerin von 16 Jahren, ein Typograph von 21 und eine unverheiratete Naherin von 59 Jahren. Nur der 7te Fall, die obenerwahnte 2lsjahriger Dienstmagd mit Tubers kulosis septi nasi bildet eine Ausnahme. Es lasst sich schwer denken, wie Stadtbewohner mit boviner Tuberkulose infiziert wrrden konnen, wenn es nicht durch die Milch geschieht, es kommt aber sicherlich nicht in Kopenhagen allgemein vor, dass man, wie die obenerwahnte Patientin aus den FarsUern, die Augen direkt mit der Milch trijpfelt. Wahrscheinlich sind diese Falle von Tuberkelbacillen humanen Typus durch Infektion von Menschen hervorgerufen worden. Einige Journale erwahnen tus berkulose Dispositionen in der Familie. Kiinftige Typusbez stimmungen von Material der Patienten aus Kopenhagen mit primarer Konjunktivaltuberkulose werden hoffentlich die Frage losen.

Um zum Schluss zusammenzufassen, was ich aus der statiz stischen Bearbeitung meines Materials folgern zu durfen meine, in Anbetracht des Umstandes dass in 4 Fallen von Konjunktivals tuberkulose Tuberkelbacillen von bovinem Typus vorgefunden worden sind, mochte ich sagen:

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Die Konjunktivaltuberkulose wird, jedenfails in einigen Fallen, von Tuberkelbacillen von bovinem Typus hervorgerufen und muss in solchen Fallen ektogenen Ursprungs, wahrscheinp lich primar an der Conjunctiva, sein. Uberfuhrung geschieht wahrscheinlich durch d3chmiers und Schmutzinfektioncc von tup berkulosem Vieh. Ich sehe in diesem Umstand eine weitere Stiitze fur die Bestrebungen, die hier zulande im Gange sind urn einen wirksamen Kampf gegen die Rindviehtuberkulose eim zuleiten.