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Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 176, S. 427 ~40 (1957) Aus der Neurochirurgischen Universit~,tsklinik (Prof. Dr. W. T6~NIS) und dem Max-Planck-Institut fiir Hirnforsehung, Abteilung ftir Tumorforschung und experimentelle Pathologie (Prof. Dr. W. TS~IS), KSln Die Kraniopharyngeome. Klinik und Differentialdiagnose Von HERBERT BRILMAYER und FRANK MARGUTH Mit 7 Textabbildungen (Eingegangen am 23. Februar 1957) Seit BAILEY wird im allgemeinen eine supraselliire und intrasell/~re Entstehung und Ausdehnung der Kraniopharyngeome unterschieden. THIBAUT hat die Kraniopharyngeome nach symptomatologischen Ge- sichtspunkten eingeteilt und 4 Formen herausgestellt: formes hypo- physaires, occulaires, hydrocephaliques und formes typiques. Als formes typiques bezeichnete er jene F/ille, die in gleichem MaBe Hirndruck- erscheinungen, hypophys~re Ausfglle und Sehst5rungen aufwiesen. Wir haben im folgenden eine Einteilung nach der mutmaBIichen Lokalisation getroffen, wobei wir uns im wesentlichen auf die Operations- befunde und Ergebnisse der RSntgenuntersuchungen stfitzten (s. auch WEBER). Wir unterscheiden supraselliir, rein intrasellgr sowie intra- und suprasell/ir entwickelte Kraniopharyngeome. Unter supraselldiren Kranio- pharyngeomen verstehen wir solche Tumoren, die oberhalb des Dia- phragma Sellae gelegen sind, sich gegen den 3. Ventrikel ausdehnen und infolgedessen das Zwischenhirn in Mitleidenschaft ziehen kSnnen. Die intraseUdre Gruppe umfai3t Geschwfilste, die sich noch nicht in dem MaBe aus der Sella herausentwickelt haben, dab dadurch der Boden des 3. Ventrikels angehoben oder neben dem N. opticus noch andere Hirn- nerven gesch~digt wurden. Zur Gruppe der intra- und supraselldren Kraniopharyngeome zghlten jene Fglle, bei denen fiber eine intrasellgre Ausdehnung hinaus auch eine suprasell/ire Entwicklung mit Anheben des Bodens des 3. Ventrikels oder sogar Einwachsen in den 3. Ventrikel an- genommen werden muBte. Diese Dreiteilung nach lokalisatorischen Gesichtspunkten bietet die MSglichkeit, an Hand eingehender endokrinologischer Analysen Einblicke in die Pathophysiologie hypophys/~rer bzw. diencephaler Funktions- stSrungen zu gewinnen. Dtsch. Z. Nervenheilk., Bd. 176 28a

Die Kraniopharyngeome

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Page 1: Die Kraniopharyngeome

Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 176, S. 427 ~40 (1957)

Aus der Neurochirurgischen Universit~,tsklinik (Prof. Dr. W. T6~NIS) und dem Max-Planck-Institut fiir Hirnforsehung, Abteilung ftir Tumorforschung

und experimentelle Pathologie (Prof. Dr. W. TS~IS), KSln

Die Kraniopharyngeome. Klinik und Differentialdiagnose

Von

HERBERT BRILMAYER u n d FRANK MARGUTH

Mit 7 Textabbildungen

(Eingegangen am 23. Februar 1957)

Seit BAILEY wird im allgemeinen eine supraselliire und intrasell/~re Entstehung und Ausdehnung der Kraniopharyngeome unterschieden. THIBAUT hat die Kraniopharyngeome nach symptomatologischen Ge- sichtspunkten eingeteilt und 4 Formen herausgestellt: formes hypo- physaires, occulaires, hydrocephaliques und formes typiques. Als formes typiques bezeichnete er jene F/ille, die in gleichem MaBe Hirndruck- erscheinungen, hypophys~re Ausfglle und Sehst5rungen aufwiesen.

Wir haben im folgenden eine Einteilung nach der mutmaBIichen Lokalisation getroffen, wobei wir uns im wesentlichen auf die Operations- befunde und Ergebnisse der RSntgenuntersuchungen stfitzten (s. auch WEBER). Wir unterscheiden supraselliir, rein intrasellgr sowie intra- und suprasell/ir entwickelte Kraniopharyngeome. Unter supraselldiren Kranio- pharyngeomen verstehen wir solche Tumoren, die oberhalb des Dia- phragma Sellae gelegen sind, sich gegen den 3. Ventrikel ausdehnen und infolgedessen das Zwischenhirn in Mitleidenschaft ziehen kSnnen. Die intraseUdre Gruppe umfai3t Geschwfilste, die sich noch nicht in dem MaBe aus der Sella herausentwickelt haben, dab dadurch der Boden des 3. Ventrikels angehoben oder neben dem N. opticus noch andere Hirn- nerven gesch~digt wurden. Zur Gruppe der intra- und supraselldren Kraniopharyngeome zghlten jene Fglle, bei denen fiber eine intrasellgre Ausdehnung hinaus auch eine suprasell/ire Entwicklung mit Anheben des Bodens des 3. Ventrikels oder sogar Einwachsen in den 3. Ventrikel an- genommen werden muBte.

Diese Dreiteilung nach lokalisatorischen Gesichtspunkten bietet die MSglichkeit, an Hand eingehender endokrinologischer Analysen Einblicke in die Pathophysiologie hypophys/~rer bzw. diencephaler Funktions- stSrungen zu gewinnen.

Dtsch. Z. Nervenheilk., Bd. 176 28a

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428 HERBERT BRILMAYER uad FRANK MARGUTH:

A. Klinik

Die Kran iopharyngeome stellen in fast allen VerSffentlichungen etwa 1/a der Geschwfilste im Sellabereich und etwa 2 4% aller klinisch er- fal3ten H i r n t u m o r e n dar. Nach den Hypophysenadenomen sind sie die h~ufigste Geschwulstar t der Sellagegend und nach L o v e u. MA_RS~ALL im Kindesa l te r eine der h~ufigsten H i r n t u m o r a r t e n im supratentor ie l len Raum. I n der Zusammens te l lung yon INGRA_~A~ U. SCOTT sind 6,3% der in t rakranie l len Geschwfilste bei Pa t i en t e n un te r 15 J ah ren Kranio- pharyngeome.

Tabelle I

Anzahl der Kranioph&ryngeom-F~lle in % der klinisch

absolut erfaBten Hirn- tumoren

CUSHING (1935) . . . . . . . . . . . DU~Y (1920) . . . . . . . . . . . . CRITS~E¥ u. IRO~SID~. (1926) . . . . BECKMANN U. KUBm (1926) . . . . . . FRAZIER U. ALPERS (1931) . . . . . . C~PENTER und Mitarbeiter (1937) . . . GLOBUS U. GANG (1945) . . . . . . . INGm~HA~ U. SCOTT (1946) . . . . . . GRANT (1948) . . . . . . . . . . . . THWART (1947) . . . . . . . . . . . GORDY und Mitarbeiter (1949) . . . . . Mi)~ER u. WO~a~Am~T (1950)

(0LIVECRONA) . . . . . . . . . . . LOVE u. M~S~ALL (1950) . . . . . . Eigenes Krankengut (TSNNIS) . . . . .

92 4,6 55 18 21 14 12 14 16 40 4,0 63 51

45 100 4,0 115 4,4

I n unserem K r a n k e n g u t von 115 Kraniopharyngeomf~l len waren 65 Pa t i en t en m~nnl ichen u n d 50 weibliehen Geschlechts. Die kl inischen Erscheinungen setzten vorwiegend im Puber t~ tsa l te r ein, wie auch yon Love u. MARSHALL und CUSHr~G angegeben wurde. Allerdings kSnnen sich die ersten Symptome auch nach der Pube r t~ t bemerkbar machen. Selbst in hohem Lebensal ter k a n n das Krankhei t sbf ld noch manifes t werden. So wurde aus der Mayo-Kl in ik fiber eine 70j~hrige Pa t i en t in mi t einer dre imonat igen Anamnese berichtet. (WITT, CARTEY, KEATING 1955). Die Angaben DANDYS, aus denen hervorgeht, dab die t t~lf te der Pa t i en t en vor dem 15. Lebensjahr u n d sogar g/10 vor Vollendung des 20. Lebensjahres erkranken, kSnnen wir n icht best~tigen. Von unseren Pa t i en ten e rk rank ten 48~o vor dem 20. Lebensjahr ; in THIBAVTS Serie stel l ten sich die ersten Krankhe i t s symptome sogar in 66~o der F~lle nach dem 20. Lebensjahr ein.

Teilt m a n unser K r a n k e n g u t nach der LoIcalisation des Kran iopharyn- geoms ein, so mfissen 61 (53~o) der 120 Tumoren als suprasell~r, 36

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Die Kraniopharyngeome 429

(31%) als intra- und supraselliir und 18 (16%) als rein intrasell~r bezeich- net werden. Bei einer derartigen Aufteilung des Krankengutes stellte sich heraus, dab a/4unserer Patienten mi~ intra- und suprasell~r ausgedehntem Kraniopharyngeom, die Hiilfte der Patienten mit supraselliirem Kranio- pharyngeom und nur noch ~ der Patienten mit rein intraselliir entwickel- tem Tumor vor dem 20. Lebensjahr erkrankten. Auffallenderweise wur- den von den 7 weiblichen Patienten mit intraselli~rer Geschwulst allein 4 im Alter zwischen 40 und 50 Jahren yon den ersten Krankheits- erscheinungen befallen.

Lebens]ghrzen~ I . ~.. ~ ~ Y.. .~.

2 0 - - I I

I~ suprg-undlh#g ~ selld~es Zranlbpharyn]eon7 [ ] intrg J

~ 70

><) II A b b . 1. A l t e r s v e r t e i l u n g d e r I{ : r anken m i t K r a n i o p h a r y n g e o m e n

Die Dauer der Vorgeschichte schwankt zwischen 1 Monat und 20 Jah- ren, im Durchschnitt betrug sie bei allen 3 Gruppen etwa 3 Jahre. LOVE u. MARSHALL gaben eine durchschnittliche Anamnesenl~nge yon 4 Jahren an.

Kopfschmerzen, Erbrechen, Nachlassen der Sehkraft und endokrine St5rungen als erste Symptome fanden sich in allen 3 Gruppen, jedoch in unterschiedlicher Hi~ufigkeit.

Tabelle 2

I K r a n i o p h a r y n g e o m E r s t ~ y m p t o m ] s u p r a - u n d i n t r a - J

s u p r a s e l l a r s e l l a r ] in t rase l l~ i r i i

Kopfschmerz 55% Erbrechen : 500/0 Visusversch]echterung 400/0 Endokrine StSrungen 200/0

I 55% ~5% 50% 5% 40% 55% 40o,~) 80O/o

Wie aus der Tabelle 2 zu ersehen is~, stellten Kopfschmerzen und Er- brechen bei den suprasell~r ausgedehnten Kraniopharyngeomen das h~ufigste unter den ersten Krankheitssymptomen dar, w~hrend bei intra- sell~ren Kraniopharyngeomen die endokrinen StSrungen in 80% der Fi~lle die Krankheit einleiteten. Kopfschmerzen und Erbrechen wurden

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430 HERBERT BRILM~YER und FRA~K I~ARGUTH:

mit zunehmendem Alter der Kranken seltener als Ers t symptom ange- troffen. Bei Patienten im 4. Lebensjahrzehnt stand die endokrine Sym- ptomat ik im Vordergrund; bei den Kranken jenseits des 40. Lebensjahres waren die SehstSrungen das fiihrende Erstsymptom. Als endokrine Ers tsymptome wurden MenstruationsstSrungen, Nachlassen yon Libido und Potenz, WachstumsstSrungen sowie rapide Gewichtszunahme an- gegeben. Bei suprasell/~ren und intrasell/~ren Geschwfilsten imponierten besonders die StSrungen der Genitaffunktion, w/ihrend bei den intra- und

suprasell/~r ausgedehnten Kraniopharyngeomen - - in dieser Gruppe er- krankte fast die H/~lfte der Patienten vor dem 10. Lebensjahr - - das Zurfickbleiben im KSrperwachstum h~ufig als Ers t symptom aufgefallen war. Von 16 Kindern unter 10 Jahren mit intra- und suprasell/ir entwik- keltem Kraniopharyngeom war bei 2 Kranken eine einseitige Ptosis und bei 6 ein Strabismus paralyticus als Frf ihsymptom zu verzeichnen. Nicht selten klagten die Kranken mit suprasell/irem Kraniopharyngeom fiber ein Nachlassen der geistigen Leistungsfi~higkeit als Ers t symptom; schnelle Ermfidbarkeit, mnestische FunktionsstSrungen und Konzen- trationsschw/~che wurden angegeben. Dementsprechend wurde bei Kin- dern ein Rfickgang der Leistungen in der Schule konstatiert. Antriebs- a rmut und Spielunlust, die h/iufig in den Anamnesen unter den Erst- beschwerden aufgeffihrt wurden, spiegeln die Reduktion der psychischen Aktivit~t wieder. In 1/4 der Fi~lle mit suprasell/irer Geschwulst wurde fiber vermehrtes Schlafbedfirfnis oder Schlafsucht berichtet.

Tabelle 3

Kraniopharyngeom Augen~rztliche Befunde suprasell~r supra- und intra- intraselNtr seller

Visusherabsetzung einseitig 18 (299/0) 5 (14%) 3 (16%) doppelseitig 35 (56%) 22 (67%) 14 (79%) insgesamt 53 (87%) 27 (81%) 17 (95%)

Prim. Opticusatrophie einseitig 4 (6,5%) 2 (5,5%) doppelseitig 22 (36,5%) 14 (40,5%) insgesamt 26 (43%) 16 (46%)

Stauungspapille 21 (37%) 15 (46%)

GesichtsfeldausfMle bitemporal homonym temporal bei contra-

lateraler Amaurose Skotome konz. Einsehrii~kung

18 (369/0) 4 (8%)

5 (10%) 7 (14%) 6 (12%)

l l (38%) 2 (7%)

6 (21%) 4 (14%) 2 (7%)

15 (82%) 15 (82%)

i0 (55%) 1 (5,5%)

6 (33%) 1 (5,5%)

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Die Kraniopharyngeome 431

Tabelle 3 gibt den augendrztlichen Aufnahmebefund wieder. Beziiglich der Visusminderung muB erg~nzend hinzugeffigt werden, daI~ diese bei intra- und supraselli~r entwickelter Geschwulst in der Regel in viel sti~r- kerem Grade vorlag als bei den anderen beiden Gruppen, was sich mit einer mSglichen Sch~digung der Sehnerven bzw. des Ghiasmas yon unten, innen und oben durch den sowohl intra- als auch suprasell~r ausgedehn- ten Tumor erkl~ren l~l]t. Beim intrasell~ren Kraniopharyngeom fiberwog die primi~re Opticusatrophie. Gesichtsfeldausf~lle im Sinne des 0hiasma- syndroms dominierten beim intrasell~ren Typ des Kraniopharyngeoms. Die bitemporale Hemianopsie ist an erster Stelle zu nennen, homonyme Ausfi~lle stellten eine grol3e Seltenheit dar, worauf auch schon BAILEY aufmerksam machte. Die Gesichtsfelddefekte waren nicht so glatt be- grenzt wie beim Hypophysenadenom (s. auch DANDY und BAILEY). Zentral- und Parazentralskotome lagen insgesamt 12real vor, 4mal - - und zwar ausschlieBlich beim suprasell~ren Kraniopharyngeom - - ohne andere Gesichtsfeldausfialle. Stauungspapillen wurden erwartungs- gem~i] nur bei suprasell~rer Ausdehnung des Tumors, also beim supra- sell~ren und beim supra- und intrasell~ren Kraniopharyngeom nach- gewiesen.

Sch~digungen der Nn. occulomotorius, abducens und trigeminus lagen bei supraselli~r entwickelten Geschwiilsten in etwa einem Sechstel der F~lle vor. Pyramidenbahna//ektionen beobachte~en wir beim supra- sell~ren sowie beim supra- und intrasell~ren Typ in 1/5 der F~lle. Nystag- mus wurde bei etwa jedem 10. Patienten dieser beiden Gruppen fest- gestellt.

R6ntgenologische Verdnderungen in Form in~ra- und supraselli~rer Kalkschatten (s. auch RAusc~), Sellaerweiterung, Sellaentkalkung, Ent- kalkung oder Destruktion der vorderen Clinoid-Forts~tze, Entkalkung oder Destruktion der Sattellehne waren bei allen 3 Geschwulsttypen nachzuweisen. Als Symptome des gesteigerten Schi~delinnendruckes kamen Wolkenschi~delbildung und Nahtdehiszenz beim suprasellgren Kraniopharyngeom in 34 ~o, bei supra- und intrasvll~ren Tumoren in 57 % der F~lle zur Darstellung. Tumorverkalkungen, welche fiir die rSntgenolo- gische Artdiagnose des Kraniopharyngeoms als charakteristisch gelten, konnten wir in insgesamt 47~/o der Patienten (suprasell~r: 56~o, supra- und intrasell~r: 51~o, rein intrasell~r gelegener Tumor 22~o) feststellen. LOVE u. M~SHALL fanden bei 56~o ihrer F~lle Kalkschatten. Erwei- terungen der Sella lagen bei 80~o der intrasell~ren Tumoren vor. Und zwar kamen sowohl ballonf6rmige als auch schtisself6rmige Erweite- rungen zur Beobachtung. Entkalkungsvorgi~nge oder Destruktionen der Sattellehne oder der Clinoidforts~tze fanden wir ohne nennenswerten Unterschied in 40~o der Patienten aller 3 Gruppen. V611ig normalen Tfirkensattel stellten wir bei den suprasell~r in 25~o, bei den supra- und

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432 HERBERT BRILMAYER und FRANK MARGUTH:

intrasell~r entwickelten Tumoren in 12% fest. Bei den rein intrasell~ren Tumoren konnte erwartungsgem~B in keinem Fall ein normaler Sella- befund erhoben werden. Sellaver/~nderungen sowie r6ntgenologische Symptome des gesteigerten Hirndrucks fehlten bei 2 Kranken mit suprasell~rem und bei 1 Patienten mit supra- und intrasell~rem Kranio- pharyngeom. Als seltene r5ntgenologische Befunde seien 01ivusentkal- kungen (2 F~lle), Entkalknngen der Felsenbeinspitzen (3 F/~lle) und Ent- kalknngen des groSen Keilbeinfliigels (1 Fall) erw~hnt.

Die KSrpergrSfle lag bei 70% der F~lle im Normbereich; 6,5% der Patienten mit supraselli~rem, 22% der Patienten mit intraselli~rem und 78% der Patienten mit supra- und intrasell/irem Kraniopharyngeom waren minderwfichsig.

Hypoplastische Genitalorgane zeigten je 1/s der Patienten mit supra- sell~ren sowie intra- und suprasell~ren Geschwiilsten, wogegen fast die H~lfte der Patienten mit intrasell~ren Tumoren entspreehende Befunde bot. Eine Dystrophia adiposogenitalis war bei jedem 10. Patienten mit suprasell/ir ausgedehntem Kraniopharyngeom, bei jedem 5. Patienten mit rein intraselli~rem Kraniopharyngeom vorhanden. Eine auffi~llige Ver- minderung yon Bartwuchs, Achsel- und Schambehaarung wurde bei suprasell~ren Tumoren selten, bei 1/5 der Patienten mit supra- und intra- sell/~rem Kraniopharyngeom und in mehr als 1/3 der Patienten mit rein intrasell/~rer Geschwulst festgestellt. Die charakteristische fahlgelbe Hautfarbe der Patienten mit chromophoben Hypophysenadenomen zeig- ten vorzugsweise Kranke der intrasell~ren Gruppe (s. Tabelle 4).

TabeUe 4

Kranlopharyngeom Endokrine Ausf~lle suprasellfix supra- und intra- intrasellttr

sellar

Genitalfunktion I-Iypogenitalismus Sekundarbehaarung Dystrophia

adiposogenitalis Zwergwuchs gelblich, fables Hautkolorit

30% 17% 6%

10% 3% 3%

20% 16% 20%

12% 33% 6%

5o% 44% 39%

22% 11% 11%

Die folgende Abbildung gibt die Ergebnisse der Ni~chtern-Grundum- satzbestimmung wieder. Unter den intraselli~ren Geschwtilsten fand sich die grSBte Anzahl erniedrigter MeBwerte, beim suprasell~ren Tumor da- gegen iiberwogen normale Werte.

Eine Blutdruckhypotonie mit systolischen Werten unter 100 mm Hg wurde beim suprasell~ren Tumor in 14,6%, bei supra- und intrasell/iren in 31,5% und beim intraselli~ren in 38°,/o der F/~lle nachgewiesen.

Page 7: Die Kraniopharyngeome

Die Kraniopharyngeome 433

Der Diuresetest war in Anbetracht des h~ufig gesteigerten Sch~del- innendruckes bei den suprasell~ren Geschwfilsten nur bei einer relativ kleinen Anzahl yon Kranken durchgeffihrt worden, da die Zufuhr grSBe- rer Flfissigkeitsmengen erfahrungsgem~B zu ]ebensbedrohlichen Hirn- drucksymptomen fiihren kann. Immerhin l~{~t sich an Hand einiger Be- funde (yon 37 Patienten) doch so viel feststellen, dab eine Wasserretention bei intrasell~rer Ausdehnung der Geschwulst in der H~ilfte der F~lle bestand, w~hrend nur ~ der Patien- ten mit rein suprasell~rem Tumor ungeniigend Wasser ausschieden. Polydipsie und Polyurie dagegen bestanden bei fiber 30% der Patien- ten mit suprasell~r entwickeltem Kraniopharyngeom, wohingegen nur 20 ~o der Patienten mit rein intrasellii- rem Tumor dieses Symptom boten.

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0 8 u p r g - s u p f g + / ) # r a - sellg~

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Krambphgryngeom - vermlhdert,. = normo/; + erhb'h~

Abb. ~. Ver te i lungsdiagramm der Nfiehtern- Grundumsatzwer te

Ein manifester Diabetes insipidus konnte bei 11 ~o der ~'~lle mit supra- sell~rem und bei 2,8% der Kranken mit supra- und intraselliirem Kranio- pharyngeom objektiviert werden.

Eine Hypothalamussehiidigung ftihrt demnach vorwiegend zu Poly- dipsie und Polyurie bzw. Diabetes insipidus sowie zu Genitalfunktions- stSrungen; ist zus~tzlich die Hypophyse betroffen, so treten Wachs- tumsst5rungen hinzu. Bei intaktem Hypothalamus, also isolierter Hypo- physenschiidigung, kommt es zu adiposogenitalen Veriinderungen und zur Wasserretention.

Lassen sich schon aus diesen Befunden in ihrer Beziehung zur Tumor- lokalisation Riickschlfisse auf mutmaBliche StSrungen im Hypothalamus, in der Hypophyse oder in beiden zusammen ziehen, so gew~hren die Er- gebnisse der Elektrolytanalysen im Urin noch weitere Einblicke in den Funktionsgrad der beiden Systeme : Hypothalamus-Hypophysen-Hinter- lappen und Hypophysenvorderlappen-Nebennierenrinde. - - Bei fiblicher Krankenhauskost wurden 36 Kranke auf ihre Kalium- und Natrium- Ausscheidung im Urin untersucht. Als Kriterium ffir die Hypophysen- vorderlappen-Nebennierenrinden-Aktivit~t wurde der Quotient aus Ka- lium- und Natriumkonzentrationen im Urin (QK/Na) gebildet (Lit. bei GROSs). Die Konzentrationsleistung der Niere - - als Ausdruck der Hypo- thalamus-Hypophysen-Hinterlappenfunktion - - wurde durch Addition der Konzentrationen dieser beiden Ionen im Urin bestimmt (SK + Na). Abb. 3 soll diese yon uns bereits beschriebenen Beziehungen verdeutlichen (BRILMAYER).

Wie die folgende TabeUe erkennen l~Bt, es sind hier wie auch in Ta- belie 6 die Mittelwerte der Patientenserien angegeben, bestand ein

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434 HERBERT :BRILMAYER und FRANK MARGUTH:

antagonistisches Verhalten zwischen QK/Na und SK + Na. Bei Patienten mit suprasell~rem Kraniopharyngeom waren QK/Na erhSht und SK + Na vermindert, w~hrend die Kranken mit intrasell~ren Geschwfilsten einen

reduzierten QK/Na bei erhShterS K -~ Na

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+ erha~ Abb. 3. Beziehungen zwischen Hypo- thala~tus-Hypophysensystem u~d der Elektrolyt- mad Cor ticoidausschetdung

im Urin

aufwiesen. Bei Kranken mit supra- und intrasell~rem Kraniopharyngeom da- gegen waren sowohl QK/Na als auch SK + Na im Urin vermindert.

Unter Berficksichtigung der gege- benen anatomischen Verh~ltnisse kann gefolgert werden, daI~ suprasell~res Wachstum der Geschwulst hypothala- mische Gebiete sch~digt und die Hypophysenvorderlappenti~tigkeit zu fSrdern scheint. Genau das entgegen- gesetzte Bild bot der intrasell~re Tumor, bei dem der Hypophysenvor- derlappen in seiner Funktion beein- tr~chtigt und der t typotha lamus ak- tiviert sein diirfte. Vielfi~ltige, besonders tierexperimentelle Untersuchungen der letzten Jahre fordern und beweisen ein derart antagonistisches Verhalten der beiden Systeme (Lit. u. a. bei BARG- MA~). In den Rahmen dieser Vorstel- lungen passen sich zwanglos die Unter- suchungsergebnisse bei Patienten mit sowohl supra- als auch intrasell~r aus-

gedehntem Kraniopharyngeom ein, da hier QK/Na und SK + Na im Urin reduziert waren, entsprechend der Tumorausdehnung also eine Sch~di- gung yon Hypothalamus- und Hypophysengewebe erfolgt sein kann.

Tabelle 5

Kraniopharyngeom supra- und intra- intraselNir m~-q / 1 Urin supraselliiv sellar

Natrium . . . . . . 102 Kalium . . . . . . . 42 QK/Na . . . . . . . 0,41 SK + Na . . . . . . 144

125 35 0,28

160

166 44 0,27

210

Die Bestimmung der /reien Corticoide im Urin unterstiitzte und er- g~nzte diese Befunde und ihre Deutung. Eine leicht erhShte 0orticoid- ausscheidung fand sich bei Patienten mit suprasell~ren Tumoren. Ver-

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Die Kraniopharyngeome 435

mindert waren die Werte bei intrasell~rer sowie supra- und intrasell~rer Ausdehnung des Kraniopharyngeoms. Die 17-Keto-Steroidausscheidung war bei allen Kranken mehr oder weniger reduziert. Das Vorliegen einer prim~ren oder irreversiblen Nebennierenrindeninsuffizienz (TbNNIS, BRILMAYER U. MARGVTH), welche die Interpretat ion dieser Befunde un- mSglich machen wiirde, konnte durch den ACTH-Test ausgeschlossen werden.

TabeUe 6

K r a n i o p h a r y n g e o m Urin

suprasellRr supra- mad int ra- intrasel l~r seller

Freie Corticoide . . . 106 27 30 17-Keto-Steroide . . 44 40 32

Unter Beriicksichtigung des Lebensalters der Patienten in ~o der Norm berechnet.

Fassen wir diese Befunde zusammen, so ergibt sich, dal~ Beziehungen zwischen Erscheinungsbild und Erkrankungsalter bestehen, worauf auch BAILEY und T~I]3AUT schon hinwiesen. Bei Kranken im jugendlichen Alter steht die Hindrucksymptomatologie im Vordergrund der Krank- heitserscheinungen; mit zunehmendem Erkrankungsalter werden Hirn- druckerscheinungen seltener beobachtet. Sehverschlechterungen und Chiasmazeichen sind hingegen mit Zunahme des Erkrankungsalters h~ufig anzutreffen. Endokrine StSrungen liegen vor allen Dingen bei Kranken in mittleren Lebensjahren vor. Zum Teil erkliiren sich die Be- ziehungen zwischen Lebensalter und Symptomat ik damit, da[~ die supra- selliir entwickelten Geschwiilste vorzugsweise im Jugendalter in Erschei- nung treten. Auch die Art der endokrinen Ausfi~lle richter sich offensicht- lich nach der Ausdehnung des Tumors. So konnte WITTF, RMA~ schon 1936 zeigen, dab bei intakter Hypophyse, also bei rein supraselli~r ent- wickeltem Kraniopharyngeom, lediglich St6rungen der Geschlechts- funktion bei allen F~llen vorlagen. Auch bei den supraselliiren Geschwfil- sten unseres Krankengutes dominierten die Genitalfunktionsst6rungen, zu denen Polydipsie und Polyurie treten k6nnen; WachstumsstSrungen wurden seltener beobachtet. Bei intra- und suprasell~r entwickelten Tumoren fand sich auffallend hi~ufig Zwergwuchs. Die inkretorischen StSrungen bei intraselliirem Kraniopharyngeom betrafen Entwicklung und Funktion der Genitalorgane, die Sekund~rbehaarung und den Wasserhaushalt in Form der Retentionsneigung. In Abb. 4 ist die Vertei- lung yon verminderter, normaler und erhShter Corticoid- und Elektrolyt- ausscheidung im Urin bei diesen 3 Kraniopharyngeomtypen zusammen- gestellt.

Bei supraselli~rer Entwicklung der Geschwulst zeigte die iiberwiegende Mehrzahl der Pat ienten normale bis erhShte Werte der Corticoide und

Dtsch. Z. Nervenhei lk . , Bd. 176 29

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436 H E R B E R T B R I L M A Y E R u n d F R A N K M A R G U T H :

des QK/Na, die SK ÷ Na hingegen war zumeist reduziert. Das intra- sellare Kraniopharyngeom ffihrt zu dem umgekehrten Bild: Es fiber- wogen die Befunde erhShter SK q-Na, reduzierter QK/Na und vermin- derter Corticoidwerte. Bei supra- u n d intrasellarer Ausdehnung des Tumors addieren sich die Ausfalle: Corticoide, QK/Na und SK ÷ Na waren bei fast allen F~llen vermindert.

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A b b . 4. V e r t e i l u n g s d i a g r a m m d e r C o r t i c o i d - u n 4 E l e k - t r o ] y t w e r t e be i P a t i e n t e n ~rtit K r a n i o p h a r y n g e o m e n

B. Differentialdiagnose Die differentialdiagnosti-

sche Abgrenzung des su- prasellgren Kraniopharyn- geoms gegen das suprasell~re Meningeom und Epidermoid dfirfte keineS chwierigkeiten bereiten, da das suprasell~re Kraniopharyngeom vor- zugsweise im Kindes- bzw. Jugendalter auftr i t t und mit Hirndrucksymptomen einhergeht. Andererseits herrscht bei den Meninge- omen und Epidermoiden das Chiasmasyndrom vor, das hier asymmetrisch aus- gebildet zu seinpflegt. Sexu-

alfunktionsst6rungen sind bei supraselli~ren Meningeomen und Epider- moiden nur ganz vereinzelt anzutreffen, w~hrend bei 1,/3 der Kranken mit suprasell~rem Kraniopharyngeom entsprechende Ausfi~lle vorlagen. Bezfiglich der Corticoid- und Kalium-Natriumausscheidung im Urin unterscheiden sich diese 3 Typen suprasell~rer Geschwiilste nicht prinzipiell voneinander.

Schwieriger ist die Unterscheidung des suprasell~ren Kraniopharyn- geoms yon der entzfindlichen Aquaeductstenose, da kindliches Erkran- kungsalter und Hirndrucksymptomatologie sich hier entsprechen und das Krankheitsbild bestimmen. Dariiber hinaus fanden wir bei beiden Pro- zessen ausgepr/~gte sekundKre Sellaver/~nderungen und inkretorische StS- rungen. Aquaeductstenosen mit excessivem Hydrocephalus internus occlu- sus ffihrten h~ufiger zu endokrinen StSrungen im Sinne der Dystrophia adiposogenitalis (40%) als die rein suprasell~ren Kraniopharyngeome (9,5O/o). Corticoidausscheidung und QK/Na im Urin zeigten bei der Aquaeductstenose die Tendenz zur Verminderung, SK q-Na war hier vorwiegend erhSht.

Das intrasell~re Kraniopharyngeom l~l~t sich klinisch nur schwer vom chromophoben Hypophysenadenom trennen, da beide Tumorarten

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Die Kranioph~ryngeome 437

primare Sellaerweiterungen, symmetrische Gesichtsfeldausf~lle sowie Zei- chen des Hypopituitarismus aufweisen. Ebenso entsprechen sich die Befunde der Steroid- und Elektrolytanalysen im Urin. DaB bei frontalen

Ur/n : dorY/co~de lOP

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Abb. 5. Ver te i ]ungsd iagramm der Corticoid- und E lek t ro ly twer te bei Pa t ien ten mi t supra- sellgLren T u m o r e n '

Abb, 6. Ver t e i lungsd iag ramm der Corticoid- und Elek t ro ly twer te bei Pa t i en ten m i t supra- sellAren t~ ran iopharyngeomen und entziindlichen Aquaeduc ts tenosen

Tumoren die gleichen endokrinologischen Befunde erhoben wurden (T6NN I S u nd BRIL~AYE~ U. M)-ROUTH), erhellt die.Bedeutung extrasell~rer Vorg~nge ffir StSrungen rindensystems. Die endo- krinologische Differenzie- rung gegen das Mischtypa- denom der Hypophyse, das in Anbetracht seiner intra- sell~ren Lage zur gleichen rSntgenologischen und ophthalmologischen Sym- ptomatik ffihrt wie das in- traselliire Kraniopharyn- geom, l~Bt sich dagegen auf Grund der normalen Corti- cold- und Kalium-Natrium- befunde im Urin, welche ftir diese Hypophysenge- schwulst charakteristisch sind, ohne Schwierigkeiten

Dtsch. Z. Nervenhei lk . , Bd. 176

des Hypophysenvorderlappen-Nebennieren-

Ur/n : Zntro s ell6re Tumoren

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Abb. 7. Ver t e i lungsd iag ramm der Corticoid- und E lek t ro ly twer t e bei Pa t i en ten mi t intrasel l~ren

T u m o r e n

29*

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438 H E R B E R T B R I L M A Y E R und FP~NK M A R G U T H :

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Die Kraniopharyngeome 439

treffen; in einem Tefl der F/ille fanden wir bei diesem Adenomtyp sogar Zeichen einer erhShten Hypophysenvorderlappenaktivit/it (BRILMAYER, ~¢[ARGUTH und ~/~ULLER).

Intra- und suprasell/ir entwickelte Kraniopharyngeome nehmen in- sofern eine Sonderstellung ein, als sie die Symptome des suprasell/iren wie auch des intrasell/iren Tumors nebeneinander bieten und dariiber hinaus noch besonders h/iufig zu WachstumsstSrungen fiihren kSnnen. Die Ergebnisse der Cortieoid- und Kalium-Natriumanalysen im Urin er- g/inzen das Bild der hier kombinierten Hypothalamus- und Hypophysen- vordertappensch/idigung.

Zusammenfassung An Hand klinischer und endokrinologischer Befunde bei 115 Patienten

mit Kraniopharyngeomen wurde eine hypothalamische, eine rein hypo- phys/ire und eine hypothalamisch-hypophys/ire Symptomatik beschrie- ben .

1. Die Sch/idigung des Hypothalamusgebietes ffihrt im wesentlichen zu Genital/unktionsstSrungen, zu StSrungen im Wasserhaushalt im Sinne der Polydipsie und der Polyurie und zu verminderter Konzentrations- leistung der Niere. Als Folge einer Foramen-Monroi-Blockade kSnnen auch Zeichen des gesteigerten Sch/idelinnendruckes vorliegen.

2. Das hypophys/ire Bfld ist dutch adiposogenitale Ver/inderungen und Erscheinungen der sekund/iren Nebennierenrindeninsuffizienz mit Wasserretentionsneigung gekennzeichnet.

3. Bei Hypothalamus- und Hypophysenl/ision dominieren Zwerg- wuchs, Verminderung der Konzentrationsleistung der Nieren sowie se- kund/ire Nebennierenrindeninsuffizienzerscheinungen. Auch bier kSnnen in Anbetracht der suprasell/iren Ausdehnung der Geschwulst Hirndruck- zeichen hinzutreten.

4. Die differentialdiagnostische Abgrenzung gegen das suprasell/ire Meningeom und Epidermoid bietet keine Schwierigkeiten. Das rein intra- sell/ire Kraniopharyngeom weist die gleiche Symptomatik wie das chro- mophobe Hypophysenadenom auf, wohingegen dem Mischtypadenom der Hypophyse die Zeichen der Hypophysenvorderlappen-Nebennieren- rindenunterfunktion fehlen. Die entzfindliche Aquaeductstenose unter- scheidet sich vom suprasell/iren Kraniopharyngeom dadurch, dab bei der Aquaeductstenose adiposogenitale Ver/inderungen h/iufiger auftreten.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstiitzte daukenswerterweise die Durchftihrung dieser Untersuchungen.

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Dr. HERBERT BRILMAYER u n d Dr. FRANK 1V[ARGUTH, K61n-Lindenthal Neuroehirurgische Universitatsklinik