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(Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik Erlangen [Vorstand: Geh.-Rat Prof. Dr. Specht].) Die Lage der histopathologischen Technik des Nervensystems in der Gegenwart. Yon Priv.-Doz. Dr. Berthold Kihn. (Eingegangen am 12. Juti 1932.) In der Geschichte der anatomischen Erforschung des Gehirns begegnet man nicht selten der Tatsache, dab am Beginn grundsatzlich neuer Arbei~swege bestimmte Methoden stehen, die jene yon iiberkommenen Anschauungen abzweigende Richtung heraufzufiihren scheinen. Diese so oft schon festgestellte Merkwfirdigkeit haftet, wie Wohlwill vor einiger Zeit dargelegt hat, keineswegs nut den anatomischen Bestrebungen an. Sie l~Bt sich vielmehr in der 1Kedizingeschichte an vielen Orten nach- weisen, wo die Methodik eine Einleitung zu lange w~hrenden und yon alten sich unterscheidenden Problemstellungen abgegeben hat. In der Histopathologie des INervensystems liegt es besonders nahe, nach jenen technischen Gepflogenheiten zu suchen, die einer neuen anatomischen Forschungs£ra am Gehirn vorangingen. Man entsirmt sich der Tatsache, dab die Methode Golgis und das Verfahren yon Marchi Grundlegendes fiir die Fassung der Neuronentheorie und die Faseranatomie bedeuteten, wit sehen am Beginn der eigentlichen histopa~hologischen Erforschung des Gehirns die Methode Nissls zur Darstellung der Ganglienzellen stehen und linden die Verfahren -con Weigert zur DarsteUung der Markscheiden zeitlich am Anfang der myelogenetischen und myeloarchitektonischen Arbeitsweise. Dieses alles k6nnte die Vermutung nahelegen, es seien jene technischen Praktiken der eigentliche Anlal] zur Durchfiihrung bestimmter anatomischer Aufgaben gewesen, es verdanke also gleichsam die Anatomic ihre Probleme den technischen Voraussetzungen. Eine solche Auffassung ist indessen doch nicht richtig. So sicher es ist, dab beispielsweise eine Myelogenese die Existenz technisch einwandfreier Methoden zur Daxstellung der Markscheiden voraussetzt, so daft man doch nicht vergessen, dab gerade die myelogenetische Arbeit letzten Endes physiologische Ziele im Auge hat und dab infolgedessen wohl auch die ersten Anregungen und Problemstellungen aus der Physiologie kamen,

Die Lage der histopathologischen Technik des Nervensystems in der Gegenwart

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Page 1: Die Lage der histopathologischen Technik des Nervensystems in der Gegenwart

(Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik Erlangen [Vorstand: Geh.-Rat Prof. Dr. Specht].)

Die Lage der histopathologischen Technik des Nervensystems in der Gegenwart.

Yon

Priv.-Doz. Dr. Berthold Kihn.

(Eingegangen am 12. Juti 1932.)

In der Geschichte der anatomischen Erforschung des Gehirns begegnet man nicht selten der Tatsache, dab am Beginn grundsatzlich neuer Arbei~swege best immte Methoden stehen, die jene yon i iberkommenen Anschauungen abzweigende Richtung heraufzufiihren scheinen. Diese so oft schon festgestellte Merkwfirdigkeit haftet, wie Wohlwill vor einiger Zeit dargelegt hat, keineswegs nut den anatomischen Bestrebungen an. Sie l~Bt sich vielmehr in der 1Kedizingeschichte an vielen Orten nach- weisen, wo die Methodik eine Einleitung zu lange w~hrenden und yon alten sich unterscheidenden Problemstellungen abgegeben hat. In der Histopathologie des INervensystems liegt es besonders nahe, nach jenen technischen Gepflogenheiten zu suchen, die einer neuen anatomischen Forschungs£ra am Gehirn vorangingen. Man entsirmt sich der Tatsache, dab die Methode Golgis und das Verfahren yon Marchi Grundlegendes fiir die Fassung der Neuronentheorie und die Faseranatomie bedeuteten, wit sehen am Beginn der eigentlichen histopa~hologischen Erforschung des Gehirns die Methode Nissls zur Darstellung der Ganglienzellen stehen und linden die Verfahren -con Weigert zur DarsteUung der Markscheiden zeitlich am Anfang der myelogenetischen und myeloarchitektonischen Arbeitsweise. Dieses alles k6nnte die Vermutung nahelegen, es seien jene technischen Praktiken der eigentliche Anlal] zur Durchfiihrung best immter anatomischer Aufgaben gewesen, es verdanke also gleichsam die Anatomic ihre Probleme den technischen Voraussetzungen. Eine solche Auffassung ist indessen doch nicht richtig. So sicher es ist, dab beispielsweise eine Myelogenese die Existenz technisch einwandfreier Methoden zur Daxstellung der Markscheiden voraussetzt, so daft man doch nicht vergessen, dab gerade die myelogenetische Arbeit letzten Endes physiologische Ziele im Auge hat und dab infolgedessen wohl auch die ersten Anregungen und Problemstellungen aus der Physiologie kamen,

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nicht aber aus der Technik. Es handelt sich also um die formale Seite, nicht um die inhaltliehe, wenn yon der Teehnik zur L5sung best immter Frugen Gebrauch gemaeht wird. Man sieht das am besten daran, dab manche anatomische Aufgaben grSBeren Umfanges erst zu einer Zeit FSrdernng erfuhren, in der die dazu benS~igte Technik schon lunge in Gebrauch war. So ist beispielsweise erst in neuerer Zeit das Gebiet der Vasoarchitektonik des Gehirns dureh die Untersuchungen Pfeifers einer eingehenden Beachtung gewiirdig~ worden, obwohl doch die daffir benStigten Methoden der Capillarfiillung durch eine Furbstoffmasse sehon lunge anatomischerseits gehundhabt wurde. Und auch die Arbeiten yon Spatz iiber den Eisenstoffwechsel im Gehirn gebrauchen ulte, in der

Ana tomie l~ngst verwendete Techniken. So sehein~ also die Methode tats£chlich nur /~ul]erliehe Beziehungen zu den Aufgaben der Anatomie zu haben und man mSehte glauben, es wiirden diese Aufgaben dutch das Vorhandensein oder Fehlen einer Teehnik nicht weiter beriihrt. Aber dieses w~re nun unseres Erachtens doch eine Verkennung der wichtigen Rolle, welehe jeder Technik innerhulb der Medizin iiberhaupt zuf~llt. Es ist kein Zweifel, dab manche Probleme einfach deshulb nicht gel6st werden kSnnen, weft eine zu ihrer Inangriffnahme erfcrrderliche Methode mangelt. Das zeigt auch die Histopathologie des Nervensystems in mehr oder minder deutlicher Weise. GewiB sind yon Meynert und sp~ter aus der faseranatomischen Schule bereits die ersten und wichfigsten Fest- stelIungen iiber den Rinden- und Schiehtenbuu des Grof~hirns gemaeht worden. Aber dennoch wurde die Arehitektonik erst mi t dem Vorhanden- sein der ¥isslschen Ganglienzellf~rbung ein wirklieh ernst zu nehmender Abschnitt in der pathologischen Anatomic des Gehirns. SchlieBlich legt ja uuch der bekannte G~mdsatz, dab neue Methoden neue Wege schiifen, die Vermutung nahe, dab der Technik doch irgendwie ein entscheidender Einflul3 auf die Problemgestaltung der anatomisehen Forschung zufallen muB. Ob eine Methode den Anatomen auf lunge Sicht hinaus nun wirklich etwas bedeuten kann oder nieht, seheint bisweilen weniger daran zu liegen, dal3 die betreffende Methode ~uBerlich beherrscht wird, als daran, dab ihr tieferer, wenn man will, biologiseher Sinn verstanden wird.

Es ist heute an der Zeit, sich mit ganz besonderer W~rme der teehnisehen Seite in der pathologisChen Histologie zu erinnern. Leider ist es so, daft die Technik vielerorts einer gewissen Geringsch~tzung begegnet. Schneiden und F~rben und Probieren - - das seien Dinge, an denen unnfitz viel Zeit vergeudet werde und die man am besten den Hilfskr~ften iiberlasse, an denen es ja da und dort nieht mangeln mag. Man hSrt das Schlagwort yon der 0konomie des .4_rbeitens, die es in der Zeit gesteigerter Anfordernngen dem einzelnen nieht mehr ra tsam erscheinen lasse, sieh mit formulen Dingen intensiv zu besch~ftigen. Wer vollends den Aufguben der Anatomie fernersteht, neigt dazu, ihr Wesen in Aufterlichkeiten zu sehen und das mug itin wohl zu der irrigen Annahme

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ffihren, es werde in der histologischen Technik heute das blau gef£rbt, was man vor wenigen Jahren rot darstellte. Aber es ware grundverkehrt , zu glauben, der Inhal t der Technik sei ein optiseh-koloristisches Ver- gnfigen (wie ein Psychiater vor Jahren einma[ beim Betrachten eines mikroskopischen Pr£p~rates sarkastisch meinte). Leider sagt der Weehsel in der Farbe eines mikroskopischen Pr£parates dem Au]enstehenden nur wenig yon den namenlosen Mfihen und den Motiven, die sich hinter dieser Wandlung verbergen, und wenn sich irgendwo in tier Medizin nur die wirkliche Leistung zu erhalten vermag, so ist es ganz gewi] in tier Technik. Ffir die Histologie ist das vielleicht nieht yon Nachteil, denn ihre technisehen Schwierigkeiten bewahren sic vor manchem Neuerungs- sfichtigen und Sensationslfisternen.

Es ist nicht leicht zu umschreiben, worin heute die technisehen Aufgaben der ttistopathologie des ~qervensystems bestehen. Es liegt nahe, jene Methode ffir vollendet zu betraehten, die bei grSl~ter optiseher ]~bersiehtlichkeit alle Gewebsstrukturen des Nervensystems mSglichst vollst£ndig zur Darstellung bringS. Aber das sind, wie bekannt, zwei Postulate, die sick gegenseitig ausschliel]en und es ist die Frage, ob es jemals dahin kommen wird, dab sie sich einem befriedigenden Ausgleich werden entgegenffihren lassen. Oft genug ist es gerade die Launen- haftigkeit und Unvollst~ndigkeit der Darstellung gewisser Gewebs- bes~andteile, die einer Methode den technischen Wert verleihen. Wir erinnern nur an die Chrom-Silberimpr~gnation naeh Golgi, bei der trotz aller teehnischen Sorgfalt der Endeffekt yon vornherein sich kaum mit Sicherheit voraussagen l~]t. Aber sind es denn fiberhaupt rein morphologische Ziele, welche der histologischen Teehnik des Nerven- systems vorschweben? Wir h~ren heutzutage allerorts das Schlag- wort yon der ErsehSpfung der morphologischen Probleme, und wenn nieht alles ~riigt, so scheint es aueh in der H_istopathologie des Nervensystems etwas Derartiges zu geben. Fragen wir uns often: Steht heute noch zu erwaxten, dab wir vermittels neuer Methoden am Gehirn Gewebsstrukturen zur Darstellung werden bringen k5nnen, die mit den bisher gefibten uns noch verborgen geblieben sind ? Wir mSchten mi t aller Reserve dies verneinen. Wit sind der Auffassung, dal~ aueh die Zukunft wohl schwerlieh neue Gewebselemente des Nervensystems uns techniseh wird aufweisen kSnnen, wir glauben aber aueh andrerseits, daI3 das Optimum in der teehnisehen Trennung der einzelnen Gewebs- elemente und in der He~orhebung bestimmter, in ihrer Gestalt uns bereits grunds~tzlich bekannter Gewebselemen~ noch lange nieht gefunden ist. Um welche Formbestandtefle es sich hier handelt, davon wird noeh welter die Rede sein.

])as, was eine technische Methode am Nervensystem brauehbar werden l~l~t, ist also keineswegs mit dem Begriff der vollst~ndigen Darstellung aller Gewebsstrukturen, aueh nicht mit der optisehen

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~bersichtlichkeit identisch. Man muB geradezu daran zweifeln, ob es jemals m6glich sein wird, Grundsittze fiir die Brauchbarkeit einer technischen Methode aufzustellen. Sie richter sich ja bekanntlich nach dem Zwecke, zu dem sie benStigt wird, werm es auch, wie wir auseinander- gesetzt haben, vorkommen mag, dab umgekehr~ die Aufgabe sich den vorhandenen 1VIitteln angleich~. Es ist selbstverstgndlich, dab in der Friihzeit der Gehirnforschung technische Gepflogenheiten sich zu baleen vermochten, die heute kaum mehr Existenzberechtigung haben wiirden. Schon diese Tatsache allein l~/]t die Abh/~ngigkei~ der Technik yon den sie erwartenden Aufgaben deutlich erkennen. Und wenn nun in Zeiten, in denen die rein morphologische Betrachtungsweise sich erschSpft zu haben scheint, die Technik den sie befragenden t~istologen erklgren muI], sie habe zu den vorhandenen technischen Verfahren keine grund- satzlich neuen hinzuzufiigen, aus denen die Morphologie neue F6rderung erfahren k6nne, so ist damit fiir die Technik nicht viel verloren. Sie erkl~r~ damit keineswegs ihren Bankero~t. Sie braucht nut in diesem Falle ihre Bestrebungen nach physiologischen Zwecken umzustellen und die Morphologie nach physiologisehen Gesichtspunkten zu betreiben, dann hat sie sogleich eine Unsumme neuer Aufgaben zu leisten. In der N~he eines solchen Wendepunktes seheint auch die histopathologische Technik des Zentralnervensystems gegenw/~rtig zu stehen. Zwar stellen nnsere gebr/~ueh]Jehen Methoden durchaus die Ganglienzelle noeh nicht so dar, wie wir uns das vielleicht wiinschten, und sicher sind unsere Techniken zum Nachweis tier gliSsen Strukturen alles andere als voll- stgndig und sicher, ikber wir wissen doch das eine: ~-ber die Ganglien- zellen hinaus mit ihren Anh/~ngen und Forts/~tzen, neben dem Glianetz mi~ seinen Einlagerungen, auBer dem ~Iesenchymschwarnm mit seinen Capfllaxen haben wir keine grunds~tzlich neuen, geformten Gewebs- bestandteile im Gehirn zu erwarten. Nun kSnnte ja der Einwand erhoben werden, dieses alles gel~e im Grund nur far die normale I-Iistologie, niche aber fiir die pathologische. Dem ist entgegenzuhalten, da~] es um die pathologische ttJstologie grunds/ttzlich nicht anders bestellt ist. Wit haben es nicht erlebt, dab fiir eine bestimmte Krankheit spezifische Ganglienzellver£nderungen gefunden worden waren 1 und auch die A r t e n d e r gli6sen Reaktionen sind ebensowenig als die Markscheiden- und Achsenzylinderver/~nderungen an sich kennzeichnend fiir irgend- einen bestimmten pathologisch-anatomischen Proze/]. Auch hier schein~ die reine l~orphologie alles geleistet zu haben, was sie zu geben ver- mochte. Abet es ist gewiB kein Zufall, dab in der Itistopathologie des Nervensystems heute mehr denn je die Forderung laut wird, man miisse sich mehr mit der Ausbreitung und dem Sitz eines anatomischen Prozesses besch~ftigen. Die Erkrankungen der einzelnen Gewebsbestandteile allein

1 Eine Ausnahme bildet bekanntlieh die Ganglienzellver~nderung bei amau- rotischer Idiotie.

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b~ten freilich nichts Spezifisches und man kSnne nach ihnen keine Diagnose stellen; erst der Sitz der Ver/inderungen, ihre Ausbreitung, ihre Beziehungen zu den Sch~digungen der anderen Gewebselemente - - das sei es, was aus etwas Unspezifisehem nunmehr das Besondere ent- stehen lasse. Und damit hat es doch seine Richtigkeit: Die gegenw£rtige pathologisehe Anatomie des Nervensystems scheint zu verstehen, da$ aus tier 1Vforphologie ira engeren Sinne nichts abgeleitet werden kann, was einer Erkrankung ihre besondere anatomische Note ffir den Einzelfall zu geben vermSchte. Man strebt s tar t dessen darnach, das anatomische I<_rankheitsgeschehen in seinen Zusamm¢nhgngen zu verstehen, in dem anatomisehen Proze$ eine kontinuierliehe Ket te yon morphologischen Einzelbildern zu verfolgen, die einem biologischen Zwecke zu nnterliegen scheinen. Es sind also im Grunde mehr phy.siologische bzw. patho- logisch-physiologische Ziele, denen die Histopathologie des Nerven- systems zustrebt. Zu verstehen, wie eine bestimmte Ver/~nderung geworden ist, und wie ihr weiteres Schicksal sein w-ird, dies sueht man zu ermitteln. Den Umfang einer Ver/~nderung und ihren Sitz best~rnmt man, am dem Kliniker frfiher oder sparer Handhaben daf~r zu geben, wie er sich einen Krankhei tsverlauf nun an dem kSrperlichen Substrat des Gehirns vor- zustellen hat. Ob man ein solches Bestreben als Gehirnmythologie bezeichnen kann oder nicht, dies braucht den Anatomen heute kaum besorgt zu machen. SchlieBlich hat auch der Psychologe vom reinsten Wasser, der einen solchen Vorwurf gem zu erheben pflegt, sich noch hie gescheut, bei einer Obduktion daffir Interesse zu zeigen, an welcher Stelle des Gehirns ein Tumor sag, welche Teile der subcorticalen Region bei einer tSdlich verlaufenen Encephalitis dem Untergang anheim gefallen sind usw.

Wir sehen also die pathologisehe Histologie des Nervensystems irn Grunde heute die gleichen Wege gehen, wie sie auch andere Zweige der Medizin suchen. Man strebt naeh Erfassung yon ZusammenhKngen, versucht Krankheitsabl/~ufe zu verstehen und schreitet fiber eine rein morphologische Schilderung hinaus. Wit erinnern an die Versuehe C. und O. Vogts, die pathoarchitektonische Betrachtungsweise den klinischen Erfordernissen anzupassen. Wir denkea welter an die sorgf~ltigen Krankenbildsanalysen Spielmeyers, bei denen er trotz irreffihrender, klinischer Symptomatologie die ZugehSrigkeit eines best immten ana- tomischen Krankheitsbildes zu der Gruppe der chroniseh-progressiven Chorea erweisen konnte, wir erinnern zuletzt an die Versuche yon Spatz, die darauf abzielen, die Art und Weise der Ablagerung best immter Stoffwechselprodnkte, n/~mlich des Eisens und des Kalkes f-fir die anatomische Diagnostik und die Klinik nutzbar zu machen. Von dem gleichen Autor s tammt auch der Versuch, aus dem Sitz, dem Umfang und der Ausbreitung der entziindlichen Prozesse am Gehirn best immte klassifikatorische Gesichtspunkte fiir eine sp/~tere klinische Verwendung

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abzuleiten. Es scheint sich also, wie wit gesehen haben, der Aufgaben- kreis der pathologischen Histologie des Nervensystems zunehmend in dem gleiehen Sinne zu versehieben, dab bevorzug~ morphologische Auf- gaben zu physiologischen in Beziehung gesetzt werden. Diese Anderung der Probleme scheint aueh fiir die pathologisch-histologische Technik neue Ziele entstehen zu lassen. W~hrend noch zu z¥issls Zeiten die Hirn- rinde schlechtweg als das anatomische Substrat der psyehischen Vorg~inge gait und eine ttistopathologie der Hirnrinde sich fast identifizierte mit einer I-tistopathologie der Psychosen, ist unter dem Einflul~ der Lehre yon der Encephalitis lethargica und den Stammganglienerkrankungen hierin ein bedeutsamer Wandel geschehen. Es ist heute in der Histo- pathologie des Nervensystems doch immerhin so, dab kein Gehirnteil, er mag nun gelegen sein, wo immer er will, der mikroskopischen Be- achtung entgeht und wenn man heute besthnmte Gehirm-egionen noch einer bevorzugten Beachtung wfirdigt, dann geschieht das nicht mehr, wie f~her , aus der ~berzeugung heraus, es bedeuteten diese Hirn- gegenden ffir die Pathologie niehts, sondern es gesehieht unter dem Eindruck der niichternen Erkenntnis, dab eine absolut liickenlose und gleichm£l~ige morphologische Erfassung des ganzen Gehirns mit Rficksicht auf das LeistungsvermSgen des einzelnen und der Beschr~nkung der Arbeitszeit eines N[enschenlebens sich yon selbst verbietet. Es ist gewiI~ kein Zufall, dab man heute am Gehirn auch histologisch nach MSglichkeit die Zusammenhang e zu wahren sucht. F ~ h e r einmal mag der Vorwurf zu Recht bestanden haben, daB" man dureh das Herausschneiden kleiner Hirnstfickchen und ihre mikroskopisehe Inangriffnahme mit starken VergrSBerungen allzu leieht den ~berblick fiber das Ganze verliere; heute ist dies in vieler I-Iinsicht andersgeworden. Man ist bestrebt, die physiologischen Zusammenh~inge auch im mikroskopischen Pr~parat nach M6gliehkeit zu bewahren. Und ist man dennoch gezwungen, entgegen diesen Prinzipien zu handeln, so geschieht es meist aus Grfinden, die in der Na~ur des zu bearbeitenden Falles liegen, oder im Hinblick auf die Besehr£nkung der MiStel. Zudem will es uns seheinen, als habe man den frfiher viel gehSrten Vorwarf, die pathologisehe Histologie zerst6re mit dem Ausschneiden kleiner Hirnpartikel allzusehr die Zusammen- h~nge, doeh nicht ~mmer da erhoben, woes gerechtfertigt war. Man daft n£mlich nieht vergessen, dab die pathologische Histologie zu Zeiten Nissls und Alzheimers ihre wiehtigste Aufgabe zunachst darin sehen muBte, fiber die grunds~tzlichen pathologischen .Vorgange am Einzel- element ins Klare zu kommen, ehe sie denen der Zellverbgnde und den gli6sen Zusammenhangen Beachtung schenken konnte. An sich ist abet auch fib- eine auf die Gewebszusammenh~nge gerichtete Un~ersuchung die Wahru~g der Kontinuit£t im mikroskopischen Praparat etwas rein _~uBerliches. Es ist keineswegs gesag~, da/3 die Herstellung mSglichst gro~er Pr~parate die idealen Voraussetzungen zur Klarung der morpho-

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logischen und funktionellen Zusammenh~nge darstellte. Man brauch~ hier nu t an die Cyto- und Myeloarchitek~onik zu denken. Zerlegen wit, wie dies geschehen ist, das Gehirn in Frontalscheiben und fer~igen yon diesen B15cken frontale Hemisph~renschnitte an, so haben wir wohl an jedem Schnitt bis zu einem gewissen Grade die Gewebszusammenh~nge gewahrt, das optische Bild ist aber durchaus kein besonders gutes. Es wird n£mlich eine Reihe yon Windungen der Hirnrinde l£ngs und schr~g getroffen, wodurch sich der ~bergang yon einem Schichtentyp in den anderen gar nicht selten in einer optisch hSehst ungl~ckliehen Weise vollzieht. Schon aus diesem Grunde mSchten wir der Methode v. Eco- nomo den Vorzug geben, der ffir architektonische Zwecke die Rinde im wesentliehen in kleinen Stricken cluer zum Windungsverlauf zerlegt, yon einer A_nfertigung yon Hemlsphgrenpr£paraten dagegen absieh~. Es ist also im Prinzip ganz gleichgi~tig, wo sich die Synthese der absichtlich gel6sten Gewebszusammenhgnge voUzieht, under dem Mikroskop oder auBerhalb desselben. Wenn man nut iiberhaupt an sie denkt.

Bei der Verfolgung physiologischer Aufgaben dutch die histopatho- logische Teehnik hegt es nahe, das biologische Endziel auch ~uBerlich mehr als bisher zu betonen. Aueh fiir die Technik I~B~ sich der Grundsatz aufstellen, sie solle in Zukunft nieht nut die auBeren Zusammenhange des zu bearbeitenden Materials mSglichst wahren, sondern auch sich solcher ~e thoden bedienen, welehe die na~iirliehen, im Leben bestehenden Verh~ltnisse m6gliehst erreichten. Ja noch mehr, sie solle da, wo sie es kSnne, naeh MSglichkeit am lebenden Gegenstand arbeiten. In das Praktische iibersetzt, wiirde das heiBen, die histopathologisehe Technik solle das Nervensystem nicht nut m6glichst im Zusammenhang be- lassen, sondern aueh tunlichst am lebenden Nervensystem sehen und arbeiten lernen. Und wenn diese Hoffnung fiirs erste zuriickgestell~ werden miisse, dann solle sie sich am Nervensystem solche Ylethoden schaffen, die den w~hrend des Lebens gegebenen Zusammenhangen nahe kamen. Eine derartige Forderung ist wohl so alt wie die Anatomie selbst und was die pathologisehe Anatomie des Nervensystems anlangt, so hat sich Nissl mi t ihr bereits auseinandergesetzt. Von der Erw~gung ausgehend, dab das einzig mSgliehe Vergleichobjek~ fiir krankhafte Ver~nderungen am Nel~ensystem nut das normale, das lebende Gewebe sein kSnne, hielt Nissl bei dem damaligen Stand der Technik eine Erreichbarkeit dieses Zieles ffir unm6glich und er setzte an Stelle des normalen, funktionier.enden und lebenden Gewebes sein sog. J~quivalent- bfld, eine fiirs erste sicherlich brauchbare Hflfsunbekannte, deren Hand- ]ichkeit indessen nicht dazu verleiten daft, in ihr das Problem der Norm in der histologischen Technik des Nervensystems so ziemlich gelSst zu sehen, so dab es sich nicht verlohnte, iiber das J~quivalentbild hinaus- zukommen. Das Ziel ist klar gekennzeichne~ und wir haben bereits oben davon gesprochen: Die Untersuchung des lebenden Gewebes. Die

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Frage, wie diesem Ziele n/£herzukommen sei, ist nicht so leicht beant- wortet. Die sog. vitalen Fgrbungsmethoden spielen bekarmtlich in der Histopathologie des Nervensystems eine ziemlich untergeordnete Rolle. Die Ursache dieses MiBstandes ist leicht einzusehen. Die Zufuhr grS/]erer Farbstoffmengen bildet bekanntlich ffir das zu untersuchende Tier infolge yon Giftw/rkungen eine groJ]e Gefahr und eine langsame An- reicherung des Nervensystems mit Farbstoff ist wegen der verh/i]tnismgl]ig raschen Ausscheidung in vie]en F/~llen nicht mSglich. Namentlich ist aber die gesamte Vitaltechnik ffir die Untersuchung mensehlicher Iqerven- systeme nicht zu gebrauchen. Weiter ist auch die Theorie der vitalen F/~rbung, wie v. Moellendorf gezeigt hat, eine noch stark umstrittene. Dies k6rmte an sieh yon untergeordneter Bedeutung sein, abet es wirkt sich die theoretische Unsicherheit praktisch so aus, dab man bei den vitalen Methoden am Nervensystem oft genug fiberhaupt nieht weiB~ was man mit ihnen darstellt und inwieweit die yon ihr sichtbar gemachten Zellteile tatsgchlich intravital pr/iformierte Gebilde sin& Das grSgte ttindernis ffir die Anwendimg in der Histopathologie des 1%rvensystems is~ aber die schwierige Technik der vitalen Methoden. Bekanntlich is~ ffir eine F/ixbung des Zentralnervensystems dutch viele vitale Farbstoffe eine Umgehung der Blut-Liquorschranke erforderlich; es muJ] also der Farbstoff auf intralumbalem Wege einverleibt werden. Die E ~ n g konzen~rierter Farbstoffl6sung in d e n Lumbalsack und in Niihe des Nerveusystems fiihrt av_Berdem zu betr/~chtlicher Sch/~digung des Nerven- gewebes, so dab man gerade in der biologisehen Deutung der auf diese Weise erzielten Ergebnisse sehr vorsiehtig sein mu9. Und doch haben in neuerer Zei~ das viel gel/isterte Tierexperiment und die vitalen Methoden am Iqervensystem ganz fiberraschende Einblicke in wichtige :Fragen der mensehliehen Hirnpathologie gestattet. Wit denken hier an die Fort- ffihrung der Goldmannschen Vitalfgrbungsversuche am Nervensystem dutch Spatz. Er fiihrte den Naehweis, da/] die Ausbreitungsweise gew/sser intralumbal einverleibter Farbstoffe am Nervensystem der Verteflung der ana~omisehen Vergnderungen bei gewissen infek~i6sen Schgdlieh- keiten entspricht, die offenbar fiber den Liquor in das 1%rvensystem eindringen, wie z. ]3. das Virus der Encephalitis lethargiea. Wir sehen hier an einem schlagenden Beispiel, dab eine scheinbar unhandliche Methode, wie dies die vitale F/~rbung zu sein schein~, sogleieh dutch Zugrundelegung eines physiologisehen Gesichtspunktes hohes aktuelles Interesse erhglt. Und so mSehten wit auch in Zuk-unft den vitalen Methoden am Nervensystem eine erhebliche Bedeutung zusprechen; allerdings ist eine wesentliche Verbesserung der gegenw/~r~igen Technik nicht zu umgehen.

Die zweite vitale Methode (wenn dieser Ausdruek erlaubt ist) hat ffir die Histopathologie des lqervensystems bereits ihre ersten Frfiehte gebraeht, obwohl sie noch jungen Datums ist: Wit meinen die mi~ der

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Gewebsexplantation in Zusammenhang stehenden anatomischen Techniken. Erst vor kurzem konnte aus dem Inst i tut Kolles in der Gewebskultur der ~Naehweis gefiihrt werden, dab die sog. MAkroglia der spani~schen Schule ein reiner N[esenchymabkSmmling ist, nicht also, dai] er aus der Glia hervorzugehen vermag und damit diirfte eine alte Streitfrage der Neuropathologie ihre endgiiltige Erledigung gefunden haben z. Wenn wit bedenken, dal~ die Explantationsmethoden noch lange nieht den h6chsten Grad der Verfeinerung erreicht haben, der ihnen noch gegeben werden kann, und wenn wir uns vergegenw~rtigen, da~ es in Zukunf~ wohl auch mSglich sein wird, die Methoden der vitalen Farbstoff- speicherung mit denen der Explantation zu verbinden, dann wird man aus dieser Kombinat ion auch fiir die Histopathologie des ~qervensystems vieles erhoffen diirfen, namentlieh ffir die Geschwulstlehre, die degene- ra t iven und Abbauprozesse.

Und nun hat aueh in jfingster Zeit die Opti]c den Versuch gemacht unsere histologische Technik vitaler zu gestalten durch Ausbau der mikroskopischen BeleuehtungsmeChoden. Bekanntlich hat der in durch- fal]endem LiehCe untersuchte histologische Gewebsschnitt zahlreiche technische M£ngel, wenigstens was die Lebensn£he tier an ihm zu erzielenden mikroskopischen Bilder anlangt. Der eindrucksvollste Mangel besteht wohl in der geringen Tiefenausdehnung des zu untersuchenden Materials, ein Fehler, der indessen dutch die N[ethode der durchfallenden Beleuchtung kiinstlich aufgezwungen ist. Es ist das Verdienst der modernen optisehen Industrie, diese Sehw£ehe unserer mikroskopischen Technik klax erkannt und den Versuch der Abhilfe gemacht zu haben. Man is~ in jfingster Zeit dazu iibergegangen, die Methoden der auf- fallenden mikroskopischen Beleuchtung zu vervo]lkommnen und die ersten Erfolge lassen ein befriedigendes Resultat in rdeht aUzu ferner Zeit erwarten. Bemerkenswert an diesen Versuchen ist vor allen Dingen der Umstand, daft eine Durchdringung des Gewebes mit dem auffallenden Lieht auch bei st~rkeren YergrSl3erungen bis zu einer Tiefe yon mehreren Mil]imetern bereits gelungen ist, so dal3 man in absehbarer Zeit das Gewebe nicht mehr wird aus dem Zusammenhang herauszureiBen brauchen. Denn es d~rfte bis dorthin gelungen sein, kleinere Zentralnervensysteme auch mit st~rkerer VergrSl3erung bei auffallendem Lieht zu untersuchen, so dab so eine Art yon Milcroskopie des unzerschnittenen Gehirns oder doch wenigstens seiner Rinde am lebenden Tier mSglich sein wird.

Wir sehen also zusammenfassend die modernen histologisch-tech- nischen Bestrebungen am Nervensystem in einem Endziel einig: In der Vervollkommnung der vitalen Methoden, in dem Ausbau der physio-

z Es ist mir bekannt, dab yon berufener Seite an der ektodermalen ~Natur der Mikroglia festgehalten wird. Wit glauben, man steht trotz dieser scheinbar fu~da- mentalen Verschiedenheiten sich in beiden wissenschaftlichen Lagern n~her als es erscheint. Darfiber an anderer Stelle.

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logischen Seite der pathologischen Anatomie, in der LoslSsung yore rein 1V[orphologischen. Aber man wird nicht zu frfih ffohlocken dfirfen. Auch heute ist es noch nicht fiberflfissig geworden, das Nervensystem zu zerlegen, es zu konservieren, yon ibm mikroskopische Schnitte herzu- stellen und es so zu untersuchen, wie dies vergangene Jahrzehnte auch taten. Zuni~chst ist es immer noch an der Zeit, sich fiber die Methoden der zweckm~igs ten Zerlegung des Gehirns zu besinnen, die Vortefle und Naehteile der einzelnen Konservierungsmethoden gegeneinander abzuw£gen und unsere histologischen F~rbungen auszubauen.

1. Obduktionsmethoden. Was die Methoden der Zerlegung des Gehirns anlangt, so ve rwende t

man heute neben den Sektionstechniken nach Virchow, Zen]cer un4 .Meynert namentlich die Methoden der Herstel]ung frontaler Seheiben. Mit einer gewissen Gleichf6rmigkeit wird heute allenthalben yon neuro- histologischer Seite fiber die Unzul£ngIichkeit der Virchowschen un4 Zenkersehen Obduktionsmethode des Gehirns geklagt, die nachgerade eine subtile neurohistologische Untersuchung unmSglieh mache. Funktio- nell Zusammengeh6riges werde wahllos voneinander getrennt, die Art der Schnittrichtung lasse einen raschen ~berblick iiber die funktionell wichtigen Gehirntefle oft nicht zu und mache eine Be~rteilung ihrer Massenverhaltnisse unmSglich. An diesen Vorwfirfen ist vom Stand- punkt des Neurohistologen ganz gewil3 etwas Richtiges. An der Virchow- schen Obduktionsmethode des Gehirns seheint uns namentlich die wenig gliickliche Art der Schnittrichtung durch die basalen Ganglien zu bem/~ngeln, wodurch ein Urteil fiber Schrumpflmgsprozesse im Str ia tum zur UnmSglichkeit gemacht werde. Gerade hier wird funktionell Eng- verknfipftes der Willkfir der SchnittfiiiLrung preisgegeben, die Zerlegung der Rinde vom Mark aus erfordert eine umst£ndiiche topische Orientierung yon der Hirnkonvexit/~t aus, die infolge der losen Zusammenh~nge des Gewebes oft nicht leicht ist, aber immerhin bei der Virchowschen Technik noch bei weitem besser gew~hrleistet ist als bei der yon Zenlcer. Bei der letzteren Obdnktionsmethode ist namentlich die Schnittffihrung der Rinde zu bem/~ngeln. Von Anh/ingern tier Zen]cerschen Hirnsektionstechnik wir4 b iswef lendaxauf hingewiesen, dal3 gerade die Technik der Rinden- zerlegung eine physiologische sei, sie trenne Grol3hirnrinde vom Sub- cortex. Das ist bis zu einem gewissen Grad richtig. Nut mSehten wit in diesem Punkt der Meynertschen Methode bei weitem den Vorzug geben, die diese Trennung yon l~inde und Basalganglien in einer wesentlich vollstiindigeren und glficklicheren Weise vollzieht. Hinzu kommt bei der Methode Zenkers eine geradezu groteske Zerstfickelung der Rindenkalotte in Wfirfelform, die eine nachtr~gliche feinere topische Orientierung so gut wie ausschliel3t. In dieser Hinsicht verdient die Methode Virchows immer noch den Vorzug. :Bei ihr ist wenigs~ens yon der Konvexit/~t

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aus noch nachtriiglich eine topische Feststellung mSglich. Fro" neuro- histologische Zwecke bei weitem noch am geeignetsten ist die Technik Meynerts, die eine Abtrennung der corticalen yon subcorticalen Hirn- teflen nach funktionellen Zusammenhiingen erstrebt un4 Rinde und Subcortex dann nach den jeweiligen technischen Bediirfnissen weiter behandelt. Am Subcortex wird bei 4er M¢ynertschen Methode namen~lich die frontale Zerlegung beibehalten, die neben der horizontalen Schnitt- fiihrung an den Basalganglien noch die beste ~-bersicht gibt. Ideal ist auch die Meynertsche Methode nicht, wie denn iiberhaupt das Universal- verfahren der Gehirnzerlegung noch nicht gefunden ist. Die yon der Neurohistologie meist geiibte Zerlegung des Gehirns in Frontalsche.ben ist ffir mikroskopische Untersuchungen zwar aui3erordentlich geeignet, kann aber den A]lgemeinpathologen wohl nicht vollkommen befriedigen. Denn eine sachgem~fie Aufteilung des Gehirns in frontaler Richtung setzt eine vorhergehende H~rtung des Gehirns vorans, damit nicht ungleichm~Big dicke und zu Demonstrationen wenig geeignete Gehirn- scheiben entstehen. Am ffischen Material ist aber eine subtile Schnitt- fiikrung durch das Gehirn in frontaler Richtung auf die Dauer nicht recht mSglich und wenn man sich dann gezwungen sieht, an einer dieser Scheiben rindentopographische Feststellungen treffen zu miissen, dann ist eine Orientierung nicht ,hinder mfihselig als bei der Zenkerschen makroskopischen Methode. Aber dennoch ist die frontale Schnittfiihrung ffir histologische Zwecke irnmer noch die brauchbaxste und universalste. Es widerstreiten bei den Techniken der Gehirnzerlegung ~mmer zwei Arten yon Forderungen: Die des Obduzenten und Demonstrators und die des Histologen. Der erstere liebt es, mSglichst alles aufzuschneiden und dabei doch im Znsammenhang zu lassen, die Schnitte so zu ffihren, wie er am schnellsten und sichersten sog. Herde aufweisen kann. Der letztere dagegen mul~ auf eine Zerlegung bedacht sein, die ibm funktioneU ZusammengehSriges erh/ilt und eine leichte Orientierung am Einzelschnitt gestattet. So hat weder der Histologe das Recht, bei der makroskopischen Pathologie die Abkehr yon den yon ihr seither gebrauchten Zerlegungs- techniken zu fordern und mit einer gewissen Geringsch~tzung ihr Ver- fahren als veraltet hinzusteUen, noch auch der Demonstrator makro- skopischer Pr~parate die Forderung der mikroskopischen l~istologie einfach auBer acht zu lassen. Wir halten alle fiber die Frage der geeig- netsten Gehirnzerlegung entstandenen Streitigkeiten fiir belanglos, denn sie sind im Einzelfall bei gutem Willen und unter Beriicksichtigung der jeweils gegebenen Sachlage noch immer zu 15sen gewesen.

2. Die Konservierung. ~ber den neurokistologischen Konservierungsmethoden liegt ein

merkwiirdiges Schicksal. Fast jede der gebr£uchlichsten F~rbungen verlangt ihre eigene Konservierungsmethode. Und wenn man sie nicht

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verwertet, sondern eine andere, dann hat man wohl meist nieh~ mit einem vSlligen MiBlingen zu rechnen, aber immerhin mit wenig be- friedigenden Ergebnissen. Wir erinnern nur an die Abh£ngigkeit guter Ganglienzellbilder nach Nissl yon der Anwendung des Alkohols als Fixierungsmittel, oder an die der Fibrillen und Fettmethoden yon der l~ixierung in einem w/~sserigen LSsungsmittel. Wohl gelingen aueh heute die Nissl-Pr~parate nach Fixierung in Formol, aber ihre Haltbarkei t und optische Gediegenheit ist doch sehr umstritten. Es ist naheliegend, nach einer Universalmethode der Konservierung anatomischen materials zu suchen. Leider gibt es eine solche bis heute nicht u n d e s erscheint uns fraglich, ob man sic je wird linden kSnnen. Die Zwecke, denen das zu erhaltende anatomische l~aterial dienen sol], sind eigentlich viel zu verschiedenartig. Eine Zeitlang schien es, als solle der Fixierung mit Formaldehyd die Rolle des universalen Konservierungsmittels in der Neurohistologie zufallen. Aber diese Gefahr ist heute wohl gebannt, gliieklicherweise, kann man sagen. Wer n~mlich die tiefgreifenden Veri~nderungen kennt, die das Formaldehyd am Gewebe setzt, der kann es unmSglich ffir die Dauer dieser Aufgabe gewachsen erseheinen lassen. Von den ~uBeren ~belsti~nden, die eine Formolfixierung mit sich bringt, sei nur andeutungsweise gesprochen. Sie sind jedem Anatomen hin- reichend bekannt: Die raschen Sch~digungen der Haut beim Arbeiten mit Formol, die auBerordentlich gesundheitssch~dliche Atmosphere, die das Formol fiir manehe Laboratorien schafft, l~icht geringer sind die Ver- /~nderungen am Material. ~Vie schon vor langer Zeit nachgewiesen wurde, bflden sich bei Einwirkung des Formols auf das Gehirn sauer reagierende l~ethylen-EiweiBverbindungen, deren naehtr£gliche Unsch~dlichmachung fiir das histologische Verfahren nur sehr schwer gelingt. Eine Steigerung der unerwiinschten saueren Reaktion erfolgt durch das Sonnenlicht, in dem sich immer eine Abspaltung yon Ameisens/~ure vollzieht, so dal] auch die das Material umgebende Fliissigkeit sich langsam aber zu- nehmend chemisch ver~ndert. Die schwersten Ver/~nderungen aber vollziehen sich in der Gehirnsubstanz selbst. Dies zeigt nicht nur die zunehmende Ausbleichung der Farbe, sondern auch ein besehleunigter ProzeB des Alterns in dem koagulierten Gehirngel. Die Bezeichnung ,,altes Formolmaterial" verbindet sich bei allen Anatomen immer mit etwas hSchst Unerwiinschtem und technisch schwer zu Bew£1tigendem. Wir haben allerdings auch bei der Alkohol- oder Sublimatfixierung den Begriff des Alterns der Kolloide bisher nicht auszuschalten vermoeht, aber es will uns scheinen, als vollziehe sieh dieser Wandel im physi- kalischen Gef/ige der fixierten Hirnsubstanz im Formol ganz besonders rasch. Diese Beobachtung macht man nicht selten bei Anwendung der spanischen Silbermethoden. Naeh einer gewissen Zeit ist die Frist ffir Anwendung etwa der ~Iikrogliamethode rettungslos verstrichea lind wenn sie in einem anderen Fall naeh noch sp/~terer Zeit dann und wann

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gelingt, dann ist es zu allermeist ein Zufall und ein halbes Dutzend yon Modi/ikationen der Mikrogliamethode Hortegcts kann fiber diesen Sach- verhalt nicht hinwegt~uschen. Die modernen Impragnationsmethoden lehren fibrigens mit zunehmender Deutliehkeit, da[3 auch eine noch so sachgemal~ durchgeffibrte Konservierung des anatomischen Materials noch lange nieht den Erfolg der Methode verbiir~, sachgemi~e An- wendung des Verfahrens vorausgesetzC. Wir wissen, da~ Cajals Gold- Sublimatmethode zur Darstellung der Fasergtia am Rfickenmark und an der Medulla oblongata meist versagt und ahnliche Beispiele lassen sich eine ganze Reihe beibringen, i~[an darf daraus auf physikalische oder chemische Unterschiede in einzelnen Teilen des Zentra]nervensystems schlie[teno Sie Mind schwer durchschaubar, k6nnen aber technische Arbeiten in der Histologie ganz empfind]ich st6ren. Und da gibt es noch einen zweiten Faktor in der physikalischen Beschaffenheit des Nerven- systems, dessen Wirksamkeit oft mit ungeeigneter Fixierung verwechselt wird und leider auch der Formolfixierung irrtfiml~cherweise zur Last gelegt wird. Es sind dies physikalisch-chemische J~nderungen der Hirn- materie, welche mit der postmortalen Autolyse der Lipoide und Eiweil~- substanzen in Zusammenhang stehen. Wit wissen aus den Feststellungen der physiologischen Ctiemie, da{3 die postmorta]e Zersetzung der Hirn- substanz ganz ahnlichen Gesetzen folgt wie die des l~¢[uskels. Wit finden nach dem Tode eine zunehmende Ansauerung des Gewebes, bis die beginnende Faulnis diese Saurebildung langsam zu fiberdeeken beginnt. Es ist kein Zwei~el, da[3 diese Ansauerung des Gewebes nach dem Tode die histologische Darstellbarkeit nerv6ser Strukturen ganz empfindlich st6ren kann, besonders kommt aber auch die Aufquellung anderer EiweiB- und Lipoidsubstanzen in der Gewebsfliissigkeit als st6render Faktor hinzu. Nun w~re praktisch, wie es scheint, diesen l~/[angeln am besten durch den Ratschlag zu begegnen, man solle sich des alten technischen Grundsatzes bedienen, Gehirnsubstanzen tun]ichst bald nach dem Tode zu konservieren und tatsachlich geschieht dies ja auch in den meisten Fallen. I)amit sind aber doch noch lange nicht alle Fehler- quellen beseitigt. Die gleiche St6rung, deren Beseitigung man durch friihzeitige Fixierung anstrebte, kann sich doch auf andere Weise bei der Bearbeitung des Materials bemerkbar machen. Nut sind die physi- kalischen Zustandsanderungen, um die es sich in diesem Falle handelt, nicht durch postmortale Zersetzungsprozesse bedingt, sondern durch intravitale. Die Ursache dieser Vorgange ist wohl keine einheitliche. Es ist bekannt, dal3 eine langdauernde Agone, schwere fieberhafte und zum Tode ffihrende Erkrankungen, toxische Schadigungen alter Art zu physikalischen Zustandsanderungen am Gehirn fiihren, die sich unter anderem auch in Hindernissen bei der Anfarbung der Hirnsubstanz und in der Darstellung bestimmter Hirnstrukturen kundtun. Ich se[bs~ glaube beobachtet zu haben, dab z. B. schwere septische Erkrankungen

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die Dars te l lung der F~sergl ia in vielen F/i l len verhindern, zum m i n d e s t e n aber aul3erordentlieh erschweren, wobei es gleichgfilt ig ist, welcher Methode m a n sich bedient . I n die gleiche Gruppe yon -~nderungen der H i r n m a t e r i e gehSren jene phys ika l i sehen Zust£nde, die Reichardt mit dem N a m e n Hirnsehwel lung belegt h a t 1. Es scheint also ein solcher Proze~ n ich t nur s ich tbare ana tomische Ver~nderungen in F o r m yon Gl ianekrosen verursachen zu kSnnen, sondern aueh rein phys ika l i sche Zus tands£nderungen am Gehirn, die sich im his tologisehen Bi ld n u t dureh e twas Negat ives zu erkennen geben, dureh das Mi61ingen d e r f£rber isehen Wiedergabe bes t immte r H i rn s t ruk tu ren .

Fa s sen wir unsere vors tehenden Ausf i ihrungen zusammen, so e rg ib t sich, da~ fiir das mange lhaf te F£rbevermSgen bes t immte r Fa rb s to f f e an gewissen E lemen ten des Nervensys tems al lzuoft die mange lha f t e F ix i e rung angeschuldigt wird, wo doch ganz andere F a k t o r e n fiir d iesen Mangel ve ran twor t l i eh gemach t werden mfissen. Es wurde we i t e rh in gezeigt, dal3 der Al terungsproze~ des Gehirngels auch nach er fo lg ter Durehfixierung der Hirnmasse weitergeht und dal3 er, namentlieh bei der Formolfixierung, sieh verh~itnism/iBig rasch abzuwickeln seheint. "vVorin driickt sich nun dieser Alterungsprozel3 der Hirnsubstanz f~rberisch aus ? Ganz allgemein gesagt, in einem Ausgleich der sonst bestehenden physi- kalisehen Untersehiede einzelner Hirn6rtlichkeiten. I)er Untersehied yon l~inde und Mark sehwindet beispielsweise zunehmend, das Grund- gewebe wird zunehmend massiger und strukturloser, aueh am einzelnen Hirnelement werden sonst so sinni~llige Untersehiede einzelner Teile dieser Elemente ganz verwiseht. W£hrend wit z. ]3. bei normal erfolgter Fixierung und durehschnittlichem Alter des Gehirngels mit basisehen Anilinfarben eine intensive I)arstellung des Ganglienzellk5rpers erhalten, die Dendriten aber in ihrer Siehtbarkeit zur/iektreten, w~hrend z. B. bei den IYeurofibrillenmethoden vielfaeh gerade die peripheren Ganglien- zellteile eine bevorzugte Darstellung erfahren, die zentralen dagegen etwas zurficktreten, werden mit zunehmendem Alter der Hirnmasse diese Untersehiede immer mehr ausgel6scht. Es ist weiter eine Denaturierung

Wir glauben auch, dal3 der Begriff tier Hirnschwellung keinen einheitlichen Vorgang darstellt, sondem dal3 es sich um intravitale Gerinnungsprozesse der ttirnmaterie aus verschiedenen Ursachen handelt, die auch nach erfolgtem Tode noch eine Zeitlang fortbestehen kbnnen. Es ist uns sogar wahrscheinlich, dab Zust~nde yon sog. Hirnschwel!ung wesentlich bfter be0bachtet ~irden, wenn sie nicht durch kontr~r laufende Zersetzungsprozesse verdeckt wiirden. Dieses Schicksal scheint die Hirnschwellung mit anderen Gerinnungsvorg~ingen des Gehirns zu teilen. So tegt beispielsweise die chemische Untersuchung der postmortalen Autolyse des Gehirns den Verdacht nahe, dal~ auch am Gehirn in Analogie zum l~Iuskel eine Totenstarre existiert, nur scheint es, dab diese am Gehirn eine sehr voriibergehende Erscheinung ist und zum grol3en Teil yon anderen Zersetzungs- vorg~ngen verdeckt wird, wobei man die Frage aufwerfen kann, ob nioht ein Teil der yon ]~eichardt sobenannten Hirnschwellungserseheinungen mit Totenstarre- erscheinungen am Gehirn identisch is~.

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myelinhaltiger Substanzen festzustellen, die ihre Auslaugung durch Alkohol vielfach nicht mehr mSglich maehen, aber auch ihre Darstellbar- keit in den Markscheidenmethoden mit der Zeit beeintr/ichtigen. ~ul3erlich macht sich diese Anderung des physikalischen Geffiges in einem deutlichen Sehrumpfungsproze]3 der Gehirnmasse geltend. Man finder dann histo- logisch unter Umst/inden mikroskopisehe Bilder you Ganglienzellen, die aul3erordentlich an den chronisehen ZellprozeB erinnern: Stark ge- sehrumpfter und iiberf/~rbter Zelleib, Sehl/~ngelung des Apikaldendriten und erhShte Anfiirbung der Zellforts/itze.

Was nun die Anwendung des Alkohols als Fixierungsmittei anlangt, so ist ein Vorteil des Alkohols vor anderen Fixierungsmitteln darin zu sehen, daft er neutral reagiert und frei yon Elektrolyten ist. Es erfolgt eine LSsung des unvorbehandelten Myelins und des Fettes, im iibrigen aber lediglich eine F~llung der Lipoide und EiweiBsubstanzen ohne weitere ehemische Umsetzung. Diese Momente sind es wohl aueh, die alkoholfixiertes Material fiir die Ganglienzellmethode naeh Nissl so b r a u c h b a r sein lassen. Daneben scheint die Alkoholfixierung ganz eindeutig auch ffir die Holzersche Gliaf/irbung und die Silber-Tannin- methode nach Achitcarro-Klar/eld vor jeder anderen den Vorzug zu haben. Wir mSchten aber dringend vor einer Uberseh~tzung des Alkohols als Fixierungsmittel warnen. Das Gewebe wird auch bei vorsiehtiger Einlegung in steigend konzentrierte L6sungen, bei Verwendung yon kleinen Gewebsbl6eken immer erheblieh mitgenommen und es gibt in jedem Fall starke Sehrumpfungen, wodurch die natiirlichen Verhi~ltnisse ganz erheblich entstellt werden kSnnen. So wird man sich fragen miissen, ob man nicht gut daran t/~te, sich im Laufe der Zelt nach einem Fixierungs- mittel umzusehen, das Ganglienzellbilder mit /~hnlicher Sicherheit und Klarheit herzustellen erlaubte, wie die Alkoholkonservierung 1. Es wfirde u n s einem sehr erwfinschten Ziele n~herbringen, der Vereinfaehung unserer Konservierungsmittel und der Verminderung der zu gebrauehenden L6sungen, ein Faktor, der ja bekanntlich unsere histologisehe Arbeit immer noeh erheblich stSrt. Dieses stSrende Moment t r i t t namentlich bei Verwendung von Metallsalzen als Fixierungsmittel klar zutage. Wir miissen leider sagen, dab wir beispielsweise an ehromiertem Material kaum jemals bei anderen Methoden brauchbarere Ergebnisse erhalten h~tten als bei Markscheidenfiirbungen und einzelnen Faserf/irbungen. Eine noch engere Beschr~nkung ihrer Anwendung gibt die Brom- Ammoniumkonservierung, die aul3erhalb ihres Indikationsbereichs, der spanischen Silbermethoden, iiberhaupt kaum zu gebrauehen ist. So

1 Herr Prof. Spuler vom hiesigen Anatomischen Institut teilte mir mit, dab er mit absoluter Regelm/~Bigkeit eine ausgezeichnete Darstellung der Ganglienzellen nach Konservierung in Sublimat und nach Fi~rbung mit Kresylviolet~ erzielt habe, ohne dab bei diesem Vorgehen Schrumpfungserscheinungen des Gewebes zur Beobachtung gekommen seien. Ich mSchte auf diese Beobachtung hinweisen.

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kann die Losung fiir die Zukunft bezfiglich der Konservierungsmittel nur lauten : 3ISgliehs~ wenig neue Konservierungsmittel und Verminderung der alten um alle jene, deren Nachtefle ihre Vorteile iibertreffen.

3. Die Darstellung der Ganglienzellen. Es scheint im Grunde eine betriibliche Tatsache zu sein, dab wir

nur zwei technische Prinzipien in der Neurohistologie haben, welehe die Ganglienzellen relativ gesondert darstellen: Die Golgi-Methode und diejenige yon Nissl. Wohl ein halbes I-Iundert versehiedener l~Iethoden zur Darstellung der Neurofibrillen liel~en sich aufzghlen, im Gegensatz zu der geringen Zahl der Ganglienzellf~rbungen, fast ebenso viele technisehe Anweisungen zur Sichtbarmachung der Achsenzylinder, dazu kommt ein Dutzend versehiedener Gliamethoden. Aber bei ngherer Betrachtung ist dieser Gegensatz in der Zahl der Methoden gar nieht so sch]imm, wie er aussieht. Was die Fibrfllenmethoden anlangt, so gehen sie mit wenig Ausnahmen auf das Silber-Ammoniakbad Biel- schowslcys zuriick und man kann getrost hier ein Dutzend Methoden ffir eine einzige nehmen. Nun ist die l~ebenherrsehaft yon vielen l~fodi- fikationen eines Originalverfahrens in der Regel gerade kein Empfehlungs- brief ffir die Zuverl~issigkeit des Ausgangsverfahrens. Und so ist es wohl mit den vielen l~odifikationen der F~irbungen auf Neurofibrfllen, Achsenzylinder und gliSse Strukturen. Sie sind nicht der Langeweile der Modifikanten entsprungen, sondern aus der Erkenntnis, daI3 man mit der Originalmethode eben nicht immer zurechtkommt. Und unter diesem Gesiehtspunkt kann man mit einer gewissen Befriedigung fest- stellen, dab es wenige und kaum belangreiche Modifikationen unserer Ganglienzellverfahren gibt. In der Ta t gelingt die Nissl-F~rbung mit der gleiehen Sieherheit, wie jede Hamatoxyl infarbung oder eine ~ a r k - seheidenmethode, wenn man nur sachgem£l] vorgeht. Aber ist nun, so mtissen wir uns fragen, fiir eine Verbesserung der Ganglienzell- darstellung nichts mehr zu tun ? I m Gegenteil. Es gibt sogar gerade hier fiir einen, dem technisches Arbeiten liegt, noch eine Unsumme yon Arbei~ zu leisten. Man braucht hier nur an einen Punk~ zu denken. Wir sehen bei der Golgi-lViethode an den GanglienzeUen eine Unsumme yon Fortsatzen mit feinsten Aufsplitterungen, wir sehen Verbindungen yon einer GanglienzeUe zur anderen in Form yon pericellul~ren Gefleehten und anderem. All das kommt bei der einzigen ffir die Zweeke des Neuropathologen geeigneten Methode, der Nisslsehen, nieht zum Vor- schein. Wir sehen einen kurzen zentralen Protoplasmateib mit dem Kern, die Dendriten verlieren sich bald nach ihrem Austri t t aus den zentralen Teilen der Ganglienzelle. Nissl hat mit Recht den Silber- methoden nach Golgi vorgeworfen, man sehe bei ihnen nichts yon der Zelle, man sehe nur eine schwarze Silhouette 1 Und infolgedessen kSnne

z Vergleiche hierzu die A u s f i i ~ g e n yon Martius in: ,Enzyldop~die der m~lrroskopischen Techn~l~", 2. Aufl. Artikel: Golgimethode. Martius bring~ hier zutreffende Gegenargumente gegen Nissl.

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man an diesem schwarzen Klecks auch nicht feststel]en, was in der Zelle, namentlich im Kern, vorgehe. Das ist unbedingt richtig. Anf der anderen Seite kSnnen die Anh~nger der Silbermethoden dem ~Visslschen Veffahren vorweffen, es stelle nut die zentralen Teile der Zelle dar, was an der Peripherie ~zorgehe, das kSnne man aber nicht sehen. Und dieser Beweisffihrung kann man sich nicht ganz verschliel3en. Nun ist zweifellos richtig, dal3 die haupts~chlichsten Ver/~nderungen an der Ganglienzelle in der N~he des Kernes erwartet werden miissen und dal~ zu ihrer Sichtbarmachung die Nissl-F~rbung ausreicht. Auf der anderen Seite weisen gewisse anderweitige Erfahrungen aus der Neuropathologie doch darauf bin, dal3 man mSglicherweise in der Zellperipherie eine Reihe yon bemerkenswerten pathologisehen Befunden erwarten kSnnte. FiJrster hat nnseres Wissens als erster darauf hingewiesen, dal~ bei Neuritiden und anderen Sch£digungen der peripheren Nerven immer zuerst die distalsten Nervenstficke erkranken, wohl infolge der weiteren Entfernung vom ern~hrenden Zentrum. Aus ~hnlichen Erw£gungen heraus kSnnte man sich vorstellen, dal] auch an der Ganglienzelle distale Strecken bevorzugt erkranken und die ersten sichtbaren Ver~nderungen tragem Wir wissen es nicht, wir haben uns diese ~berlegungen nur gemaeht, um auf die Bedeutung auch der peripher gelegenen Protoplasmastfieke hinzuweisen und zur Schaffung yon Methoden aufzufordern, die sie sicher zur Darstellung bringen. Das Ideal einer Ganglienzelldarstellung w~re also fiir uns etwa dann erreicht, wenn wir die Golgi-Bilder mit der optischen Durchdringbarkeit einer Nissl-F£rbung ausstat ten k6mxen. Aber es droht aueh hier eine Gefahr und sie darf man nicht zu gering einsch~tzen: dab dann in dem Gewirr yon Dendritenforts£tzen die Unterscheidbarkeit des einzelnen Elementes leidet. Ein teehnischer Nachteil der Golgi-~Iethode, der ihr noch heute anhaftet, ist zu einem ihrer gr613ten Vorteile geworden: Die Golgi-Methode impr£gniert wohl zahlenm~l]ig die einzelnen Zellen sehr unvollst~ndig, nie l~l]t sieh ein sicherer Effolg vorhersagen, aber wo eine gute Impr£gnat ion vorliegt, da ist dann die einzelne Zelle mit einer nicht zu iiberbietenden Voll- st~ndigkeit bis in ihre ~einsten Verzwei~cmngen sichtbar gemaeht. Dieser Umstand ist fiir die Normalanatomie ein erheblicher Vorteil, f~r die pathologische Anatomie dagegen erledigt sich damit ein Verfahren yon selbst. Durch diese Klippen hindurehzukommen, wird also die Atffgabe der Technik in der Zukunft sein. Die Sehwierigkeit der Aufgabe ist erheblich, aber es lohnt sich wohl die Miihe. Vielleicht gel£nge aueh dann eine Veffeinerung unserer ~[ethoden zum Ganglienzellennaehweis in der Riehtung, dal~ sie noch engere Beziehungen zwischen Ganglienzellen und Glia aufzuweisen vermSchten, ein fiir die Neurohistologie immer wieder aktuelles Kapitel. ~ a n denke nur an die Frage, ob die peri- eellul/iren Netze der Ganglienzellen identisch sind mit dem angrenzenden Heldschen Gliasyneytium oder nicht.

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Was die Deutung der mit Ganglienzellmethoden erziel~en Befunde anlangt, so kommt bek~nntlich eine solche Auslegung fiberhaupt nur ffir das •issl-Bild in Betracht. Man geht darin einig, dab es, yon wenigen Ausnahmen abgesehen, spezifische Ganglienzellprozesse nicht gibt, man unterscheidet aber bestimmte Erkrankungsformen, deren ~uSere Merk- male im wesentlichen yon Nissl festgelegt wurden. Es kommen hier im wesentlichen die folgenden Gruppen in Betracht : 1. die akute Schwellung, 2. die chronische Schrumpfung, 3. die yon Nissl als schwere Ganglien- zellerkrankung bezeichneten Verflfissigungsprozesse, 4. die ischgmische Zellerkrankung und 5. die homogenisierende Zellerkrankung. Die noch fehlenden Erkrankungsformen kann man als sekundgre bezeichnen, denn es handelt sich dabei im wesentlichen um Infiltrations- und Inkrustierungsvorg£nge. Alle diese Ganglienzellbilder, wie sie eben genannt wurden, sind nun weder pathognomonisch fiir bestimmte Erkrankungen noch ffir besondere Zust£nde des Gehirns, ihre Benennung erfolgt nach den wiehtigsten ~Lul3eren Merkmalen, die Nissl an ihnen festste]lte und die im wesentlichen bis heute in gleicher Weise erhalten geblieben sind, obwohl nach Spielmeyer yon zVissl selber das Bedtirfnis empfunden wurde, die Zellprozesse nach sch~rfer umrissenen Gesiehts- punkten zu klassifizieren. Dai3 in dieser Hinsicht die gegenwartige Histologie des Nervensystems Effordernisse spfirt, die vor Jahrzehnten noch nicht in gleicher Weise ftihlbar waren, dies scheint uns aul3er jedem Zweifel. Die hauptsiich]ichste Frage, die sich immer aufdrangt, ist die nach der biologischen Bedeutung dieser Zellprozesse oder, um den ngher gelegenen Teil dieses umfassenden Themas vorwegzunehmen, wie kommen derartige Bflder praktisch zustande ? Es k5nnte vermessen sein, eine derartige Frage schon heute aufzuwerfen, wo man noch ernstlich dariiber streitet, welche Rolle den G~nglienzellen physiologisch zuf~llt. Wir denken auch nicht daran eine ,,Erklarung" der Zellprozesse zu fordern.

• Es w/ire schon vim gewonnen, wenn es gel~nge, sie unter einem einheit- lichen biologischen Gesichtspunkt zu betrachten, ein Moment, das noch ganz und gar aussteht. Wir sprechen im einen Fall yon Schrumpfung, im anderen Fall yon Isch~mie und Homogenisierung, oder yon Sehwellung und anderem. Dies besagt eigentlich praktisch, dal~ wir beispielsweise bei den Ganglienzellerkrankungen ein aus der morphologisch gefal~ten Entziindungsiehre entliehenes Symptom (die Schwellung) vergleichen mit einem physikMisch-chemischen Vorgang (der Verflfissigung) oder einem rein optisch-gestaltlichen (Homogenisierung), und in diesen Unge- reimtheiten scheint mir ein Grund ftir manche MiBverstandnisse zu liegen, die sich um die Frage der Gangtienzellerkrankungen ergeben haben. Wir halten es ffir m6glich, da{~ hier in erster Linie die physi- kalische Chemie berufen ist, Wandel zu schaffen. Dal3 es dabei um ein Thema geht, das in allererster Linie ihre Belange berfihrt, das ergibt schon eine kurze Betrachtung der Zellprozesse nach physikalisch-

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chemischen Gesichtspunkten. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, bei manchen Phasen der sog. sehweren Zellerkrankung kolloidale Flockungsprozesse im Protoplasma anzunehmen, die Ringel- und Blasen- bildung bei der gleichen Erkrankung erinnert aul3erordentlich an d~s, was der Allgemeinpathologe als tropfige Entmischung bezeichnet, Vor- g~nge, die sich fibrigens in manehen hydrophilen kolloidalen L5sungen sehr schSn beobaehten lassen 1. Wit mSchten diese Betraehtungen nicht we i te r fortsetzen. Sic sind, wie ~ r wohl wissen, vorl~ufig nicht zu beweisen. Nur einige Bemerkungen fiber das sog. ~quivalentbild der Ganglienzellen sollen hier noch Platz finden. Nissl ging, wie wir weiter oben bereits ausgeffihrt haben, bei der Aufstellung des Aquivalentbildes yon folgenden ]~berlegungen aus: Das Ideal der histologischen Un~er- suchung w~re die der lebenden Zelle. Diese Untersuehung ist jedoch vorl£ufig nicht mSglich. Also handelt es sieh darum, die Ganglienzelle in einem Zustand zu konservieren, da ] sie den intravitalen Formen m5glichst nahekommt. Auch dieses engere Ziel ist nur beschr~nkt zu erreichen, denn alle unsere Fixierungsmittel veriindern in irgend einer Weise die Gestalt der Zelle. So wird man also dana~h traehten mfissen, diese durch die Fixierung bedingte Gestaltsver£nderung immer in der gleichen Weise zu setzen und dabei tunlichst indifferent vorzugehen. Denn nur so wird es m6glich sein, Krankes yore Gesunden an der Zelle sieher zu unterseheiden. Oder anders ausgedriickt: Wit kSnnen weder an der gesunden noch an der kranken Zelle einea Zustaad herbeiffihren, der das Objekt ffir die histologische UnCersuchung unmittelbar geeignet macht; denn wit k6nnen lebendes Gewebe nieht sicher untersuchen. Werm wir also bei der Konservierung sowohl gesundes wie krankes Zellenmaterial immer auf die gleiche Weise und m6gliehst indifferent ffir die histologischen Versuehe ver~ndern, dann l~I3t sich zwar durch diese Ver£nderung nieht sicher sagen, wie das Material im Leben aus- gesehen hat, aber es l~Bt sich sagen, wodurch sich das konse rv ie r t e Material der gesunden Zelle yon der kranken unterseheidet. Das nach prim~rer Alkoholfixierung erhaltene Material gesunder Zellen nennt Nissl das Zell~quivaIentbild. Um die ) 'rage und die Bedeutung des Zell~quivalentbfldes sind nun wissenschaftliche Y[einungsunterschiede entstanden, deren Streitpunkte yon Aul3enstehenden offenbar irrig gedeutet wurden. Wir denken hier an die Kontroverse zwischen O. Vog~ und Spielmeyer in der Frage des Zell~quivalentbildes. O. Vogt, der zur Darstellung der Ganglienzelle durchwegs in Formol fixiert und dann mit Kresylviolett f£rbt, hat in Anwendung dieser Technik yon einem ,,Aquivalentbild" gesprochen, worauf ihm Spielmeyer zu Recht ent- gegenh~lt, es handle sieh hier nicht um ein sog. Aquivalentbild. Nun glauben wir, dab sieh in dieser Streitfrage unschwer eine Einigung

1 Siehe z.B. bei Bechhold, ,,Die KoUoide in Biolo~e und Medizin. Dresden: Theodor Steinkopff.

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erzielen l~l~t, wenn man folgende Gesichtspunkte berficksichtigt: /Vissl hat den Begriff des ~quivalentbfldes nur ffir solche Ganglienzellformen aufgestellt, die bei prim~rer Fixierung in Alkohol gewonnen waren und bei denen basischer Anilinfarbstoff verwendet wurde. Man sollte daher die Bezeichnung .Nissls nach unserer Meinung auch nur fiir den yon Nissl vorgesehenen Sonderfall beibehalten, nicht aber fiir irgendeine andere Konservierungsmethode, z. B. fiir Formol. Andererseits steht natiirlich nichts im Wege, wenn man als sog. normalen histologisehen Zustand Kresylviolettpr~parate naeh Konservierung in Formol zugrunde legt, wenn man nur bei dieser Technik bleibt und nicht die versehiedensten F£rbe- und Konservierungsmethoden gegeneinander als gleiehartig ver- gleichen will. I m fibrigen finden wir, dab praktisch die Unterschiede einer Ganglienzelle aus einem mit Formol fixiertem Pr£parat und einem alkoholkonservierten hinsiehtlich der Gestalt und der feineren Zell- s t rukturen durchaus nicht immer sehr erhebtich zu sein brauehen 1. S chon auf dieser Basis, meinen wit, mfi] te sich eine Verst~ndigung in der Frage des -~quivalentbildes leicht finden lassen.

4. Gli~ise Struktaren und faserige Substanzen. Wenn man yon den Methoden der Gliadarstetlung mit Impr~gnations-

veffahren absieht, dann existiert in der neurohistologischen Teehnik eigentlich nut ein einziges f~rberisches Prinzip zur Sichtbarmachung der Glia, das Weigertsche. Es ist ein Veffahren roll yon unklaren Prozeduren und schwer zu beherrschen, wegen zahlreicher technischer Tficken. So ist es bis heute geblieben und wenn man dennoch in den Jahrzehnten, in welchen man die Weigertsche Gliamethode verwendet, immer noctl nicht yon ihr abgekommen ist, so liegt dies gewfl] nicht an ihrer tech- nischen Verl~ssigkeit. Schuld ist vielmehr der Umstand, dab wir heute leider im wesentlichen nichts Besseres haben, als das, was Weigert seinerzeit der (~ffentlichkeit fibergab. Neuerdings scheint in der Methode yon Holzer, die sich fibrigens in ihren Prinzipien eng an die Weigertsche Methode anschlieBt, ein Ersatz ffir das Originalveffahren gefunden zu sein. Zum Teil meinen wir. Denn wit vertreten auch heute noch die Auffassung, dal~ die Holzersche Modifikation des Weigert-Prinzips gleickfalls nicht zu den sicheren Methoden gehSrt. Es ist sehwer zu sagen, was die Unsicherheit der Holzerschen Fi~rbung bedingt. Sicher ist, dal3 das schon erw~hnte Altern des Materials und die physikalisch-ehemische Beschaffenheit des Gewebes in diesem Fall eine ganz gewaltige Rolle spielt, wie dies ja auch yon der Methode Weigerts bekannt ist. Was sonst noch yon Wichtigkeit fiir das Gelingen des Verfahrens sein kSnnte,

1 Selbstredend gilt diese Bemerkung nut relativ, mit den welter oben bereitu gegebenen Einschr~nkungen. Nur bei kurzer Formolfixierung kleibt das Zellbild einigermal]en erhalten, eine l~ngere Konservierung in Formol beeintr~chtigt die Form und F~rbbarkeit der Zelle auf das schwerste.

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ist m6glicherweise die Fixierung. Eine neutrale Konservierung und Celloidineinbettung l~il]~ die Chance fiir ein Gelingen des Verfahrens ganz wesentlich steigen. Das Erhaltenbleiben des Myelins ist fiir den Ausfall immer ein Gefahrenmoment. I m tibrigen ist kaum zu sagen, was sonst noch ftir die Versager verantwortlich gemacht werden kSnnte. Oft sind es belanglose Zusammensetzungen der verwendeten Chemi- kalien, oft rein physikalisch-chemisehe Dinge. Es zeigt sich n~imlich, dab bei der Holzerschen Methode der immerw£hrende Wechsel yon molekularen oder alkoholischen L6sungen in kolloidale oder halb- kolloidale und umgekehrt einen Hauptbestandtei l der Y~rbung ausmacht. Geringe Verschiedenheiten im Dispersit~tsgrad der L6sungen k6nnen sehon ganz wesentliche Wirkungen auf den Ausfall der Methode haben, zumal dabei das Begehen eines einzigen Fehlers automatisch eine ganze Reihe weiterer StSrungen zur Folge haben kann. Es wird dann die ~enge der in der Zeiteinheit adsorpierten Beize oder des l~arbstoftes ungtinstig ver/indert, die Ausf~illung ~ der halbkolloidalen Farbstofte auf der Faser durch ein Salz (Bromkali) erfolgt mangelhaft, infolgedessen ist der gebildete ~Niederschlag allzu leicht auszuwaschen, kurzum, man k o m m t dann an kein Ziel. Aber die technisehen Sehwierigkeiten sind nicht einmal die Hauptbedenken gegen das Weigertsche und Holzersche Glia- prinzip. Wesentlich eindrucksvoller sind fiir uns morphologische Un- richtigkeiten, welche der Methode yon Weigert und Holzer anhaften. Selbstredend gelten sie auch fiir andere Modifikationen des Weigert- Prinzips, wie der l~aseff£rbung yon Benda, Yamagiva, fiir die sog. Heidelberger Gliaf/irbung und andere. Diese morphologische Unwahr- haftigkeit des Gliafaserprinzips nach Weigert besteht darin, dal] es eine allzu rigorose Trennung der Gliakerne yon den Fasern vort/tuseht, bei hypertrophischen Faserbildnera aber allzusehr den Eindruck der auto- nomen Gliazelle erweekt, wo doch eigentlich ein Zusammenhang im syncytialen Verband dargetan werden sollte, l~ragen wir uns doch often, was wir mit dem Weigert-Prinzip bei den gli6sen Ersatzwucherungen sehen: Einen Zellkern und darum herum in einem gewissen Abstand scheinbar autonome Fasern, manchmal auch den umgekehrten Sach- verhalt ; einen dichten Faseffflz, in dem autonom einige Zellkerne einge- sprengt zu sein seheinen. Die Wirklichkeit stellt aber, soviel wir wissen, etwas anderes dar: Einen lockeren protoplasmatisch-syncytialen Zell- verband mi t mehr oder minder engen Maschen, in die zur Versteifung die Gliafasern eingespreng~ sind. Wo sehen wir histologisch einmal iiberzeugend diesen Sachverhalt 1 ? Was die Methoden zur Darstellung des gli6sen Syncytiums an lan~ , so steht neben der alten Heldsehen Technik eine ModKikation yon Holzer im Gebrauch, die aber, wie es scheint, keinen reehten Anklang gefunden hat. M_it gecht , mSehten wir

1 Gute Gliapr/~parate nach Held bringen bisweilen die meisten Einzelheiten, aber leider ist die Methode /iuBerst unsicher.

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meinen. Denn auch die Techniken dieser Sichtbarmaehung des syncy- t ia len Netzes sind £ul~erst unsicher und gelingen nur in einer Minderhei t yon Fal len, meist in solchen, wo schon yon vornherein eine gewisse Neigung des Gewebes zur Spongiosierung besteht, bei Para lysen u n d £hnliehem. So liegt es d a n n nahe, sich techniseh einem anderen Pr inz ip zur Dars te l lung der Faserglia zuzuwenden, das erst in neuerer Zeit yon sieh reden macht: das der Impr/ignation mit Silbersalzen, wie sie yon Cajal und seinen Schiilern angegeben worden ist. Die l~ethode des bromierten Silber-Ammoniakbades hat vor dem Weigertsehen F£rbe- prinzip sicher einen Vorteil und das ist der, dab die Silbermethoden das Gewebe nicht in so grober Weise mfl3hande]n wie die Weigertsehen und llolzersehen Verfahren i. Und aueh die Sicherheit der Impr~ignations- methoden zur Darstellung der Glia seheint uns eine grSl~ere zu sein als die der F/irbungen mit basisehen Anilinfarben. Bern stehen abet auch gewisse l~lachteile der Impr~gnationen gegeniiber. Auf einen solchen Naehteil hat unseres Wissens erstmals Bielschowslcy hingewiesen: Wir sehen bei manchen Brom-Ammoniummethoden zunehmend eine Uber- f£rbung des Zelleibs in der Weise, dab zuletzt eine Zellsi]houette entsteht wie beim Golgi-Bild. l~aeh unseren Erfahrungen trifft dies namentlieh fiir das Gold-Sublimatverfahren yon Cajal zu, bei dem eine Veri/ingerung der F~rbezeiten fast immer zu einer Silhouettenbfldung fiihrt. Geringer ist dagegen diese Gefahr, so glauben wir, bei der Pyridin- Ammoniakmethode yon Ca]al zur ])arstellung der Faserglia. Hier lassen sieh zumeist trotz erheblicher ~berf~rbung der Fasern der Gila Zelleib und die um den Kern gelegenen Protoplasmateile, zuletzt aueh der Kern selbst, mit Einzelheiten seiner Straktur verh~iltnism~[~ig gut zur Dar- stellung bringen und deshalb mSehten wir einer regelm£1]igen Anwendung des Verfahrens sehr das Wort reden. Die wiehtigste Fehlerquelle der Versilberungsmethoden zur Darstellung der Faserglia scheint uns in einem rein optischen Gesichtspunkt zu liegen, der wiederum leicht falsehe morphologische Vorstel lungen vom Bau der Glia zu erwecken geeignet ist. Es zeigen n~mlieh die Impragna t ionsmethoden nach Ca]al- Hortega die einzelnen Gliazellen zu autonom, zu sehr aus dem V e r b a n d losgelSst. Wir sehen kein Syncyt ium, sondern einzelne Zellen, die sehein- bar ohne Zusammenhang zueinander sind. Aber immerhin k a n n m a n

1 Dieser Satz kSnnte vielleicht auf Widersprueh stoBen, denn man hat bei der echten Weigert-F~rbung fast immer mit eingebettetem Material zu tun, bei den Silbermethoden dagegen mit Geffiermaterial. Da scheint es wirklieh nieht klar, wieso die Silbermethoden unserer Meinung naeh doeh noch eine gewisse Schonung des Gewebes bedeuten gegenfiber clem Weigert-Prinzip. Aber wir sind dennoch tier Auffassung, da~ alle naeh dem Weigertsehen Gliaprinzip hergestellten Farbungen schwere Gewebs- und Materialseh~digungen aufweisen. Dies ist am besten zu sehen an den enormen Sehrumpfungserseheirmngen, die man bisweilen in Weigert- und Holzer-Pr~paraten verfolgen kann. Man sehe sich daraufhin nut einmal etwa die perivascul&ren R~ume, dann die Durehmesser der Ganglienzellen und die Gef~l~- lumina an! Aueh das Parenchym unterliegt den gleichen Sehadigungen.

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sagen: Das Bfld der Glia ist bei den Versflberungsmethoden im all- gemeinen wesentlich vollst£ndiger als bei den echten F~rbungen, also den ~e thoden yon Weigert, Benda, Holzer u. a. Allerdings auch das daft man nicht vergessen: W o e s sich darum handelt, im ~bersichtspr£parat eine gliSse Wucherung sichtbar zu machen und sie in Gegensatz zu stellen zu einem Fettpr/~parat, da braucht man sieh in der Regel mit Versflberungs- methoden der Faserglia nicht lange aufzuhalten. Sie wirken dann bei dem dichten Faserfilz in der Regel optiseh ungenfigend, lassen die Glianarbe teils zu dicht aber aueh zu unvollst/~ndig erseheinen, so dab man keinen rechten Gegensatz zu gesunden Teilen des Nervensystems erh~lt.

Von den spanischen Veffa~ren zur Darstellung der Faserglia ergeben sich interessante technische Beziehungen zu verwandten Verfahren Cajals und Hortegas, welche der Siehtbarmaehung anderer gli6ser Elemente dienen sollen. Ihre Elektivit~t in einem biologisch so verschiedenartig differenzierten Verband, wie es die sog. Glia ist, hat weir grSl]ere Beachtung gefunden als die Methoden zur Darstellung der Faserglia. Wir meinen die Methoden der Oligodendroglia und die der Mikroglia. An ihren Techniken zeigt sich geradezu in Form eines Schulbeispiels, welche tiberragende Bedeutung die 1VIethodik fiir die biologisehe Analyse eines histologischen Pr£parates gewinnen kana und wieviel das rein Optische im histologischen Prgparat ftir die Deutung der physiologisehen Zusammenh~nge tut. Was Hortega als Mikroglia und als 01igodendroglia bezeiehnet, haben wir auch vor ihm gekannt. Die Begriffe K6rnchen- kugeln, KSrnchenzellen, GitterzeUen, Wanderzellen, St/~behenzellen mSgen andeuten, welehe langen und sehwierigen Wege die Histologie in der Erforschung der zentralen Abbauprozesse hinter sieh hat. Und doch wollen wir unumwunden zugeben: Die Hortega-Methoden haben uns tats~chlich die Dinge in anderem Liehte gezeigt, haben schon rein optisch gewisse Zellformen zusammengefaBt und die Entwicklung anderer aus diesen gelehrt, in einem MaBe, wie dies nicht erwartet werden konnte. Sie hat uns auch erstmals eindrueksvoll die biologische Verschieden- artigkeit der sog. Glia vor Augen gefiihrt, ein groBer morphologischer Begriff, in den man mit Vorliebe all das hineinwarf, was man nieht welter differenzieren konnte, man wird sieh heute fragen miissen, ob man vor der Anwendung der spanisehen Sflbermethoden zur Darstellung der Mil~roglia den Begriff der Glia nicht doeh physiologiseh viel zu weir und biologisch zu einheitlieh gefaBt hat. Es liegt uns fern, an dieser Stelle die Frage der ZugehSrigkeit der Mikroglia zum Mesenchym zu erSrtern. Sie ist wolff auch heute noch nieht restlos geld~rt, obwohl wir pers6nlieh der Meinung zuneigen, dal] die Abkunft der Mikroglia aus dem ~esenchym in ][~bereinstimmung mit Hortega immer wahrscheinlicher geworden ist. Soviel 1/~l]t sich sagen: Die Mikrogliamethoden haben in den letzten Jahren eine fruehtbare Phase der ErSrterung allgemein-pathologiseher

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Probleme im Nervensystem heraufgeffihrt. Technisch liegt freilich mit den spanischen MJkrogliamethoden noch vieles im argen. Die Modi- fikationen sind nicht besser Ms die Originalmethoden, aber schon die Tatsache, dab es so viele Modifikationen gibt, zeigt aueh die Verbesserungs- bedfirftigkeit der Ausgangstechnik. Zun~ehst mu8 man sich fragen, worauf denn eigentlich die Elektivit~t der Hortega-Methode beruht. Hierauf ist zu sagen, da~ wahrscheinlich mehrere Faktoren diese Elek- t ivi t£t bedingen. Als solche nenne ich: 1. Das Altern des Materials und sein momentaner physikaliseh-chemischer Zustand als einen der wich- tigsten Faktoren. 2. Die Dauer der Brom-Formalinbehandlung. 3. Die Dauer der Einwirkung des Silber-Ammoniakbades und zuletzt die Reaktion des Gewebes im Moment der Reduktion durch Formol. ~Vir betonen dabei eigens, dal] es im Grunde gleiehgfiltig ist, ob zun~ehst in reinem :Formol konserviert wurde oder in Brom-Formalin. Viel wichtiger ist das Alter des konservierten Materials fiberhaupt und wo eine l~ber- alterung eingesetzt hat, da wird, wie auch sonst in der Natur, aus Altem nichts Neues mehr gemacht.

Die Streitfrage, warum die Mlkrogliaf~rbungen aueh bei technisch einwandfreiem Vorgehen relativ leicht mi]lingen, ist im wesentlichen eine akademische; vielleicht k~me man raseher zu einer Verst£ndigung, wenn man berfieksichtigen wollte, dab die Darstellung der Faserglia, der Mikroglia und der Gliakerne lediglich Einzelphasen des gleichen physikalisch-chemischen Vorganges sind. Es l~]t sich n£mlich zeigen, da ] in der Regel zun~chst bei den Hortega-Impr~gnationsmethoden eine Kernf~rbung resultiert, bei Steigerung der F~rbezeit erscheint die Hortega.Glia und bei weiterer Ausdehnung der Impr~gnationsdauer verschwindet die MJkrogliaversflberung wieder, an ihrer Stelle kommt die Faserglia nun zum Vorschein. Aus dieser eigenartigen Erscheinung, die sich gar nieht selten beobachten lgl3t, daft wohl der Sehlul~ gezogen werden, dal~ die ehemischen oder physikaliseh-chemischen Vorg~nge, die zur Darstetlung der gli6sen Strukturen ffihren, weniger spezffisch sind als man wohl anzunehmen geneigt war. Tats~chlich ergibt sich, dal] das Ca]al- oder Hortega-Prinzip auch zur Siehtbarmaehung anderer Gewebsstrukturen geeignet ist. Wir sehen beispielsweise relativ gering- ffigige technische Abweiehungen yon der Originalmethode Ca]als zur Darstellung der Faserglia mit Goldehlorid und Sublimat praktisch zu einer elektiven Impregnation des Bindegewebes (Biondi) fiihren. Aueh sonst findet man enge teehnische Beziehungen zwischen der Neuroglia- darstellung und der des Bindegewebes im Zentralnervensystem. In Gliafaserpr~paraten ist fast durchwegs eine mehr oder minder starke Anf~rbung des Bindegewebes miterfolgt und bekanntlich findet sich auch bei den gewShnliehen Bindegewebsf~rbungen immer eine tinkto- rielle Betonung der Glia, die allerdings nieht bis zu einer elektiven Zeiehnung der einzelnen Faser geht. So kann man ~ibertegen, ob geeignete

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Gliamethoden nicht schon durch Ausbau unserer Bindegewebsdar- stellungen zu erreichen w£ren. Aber ganz so eirffach liegen die Dinge doch wieder nicht. Wir sehen n£mlich, dal3 einer ganzen l~eihe yon Farbstoffen schon nach ihrer chemischen Konsti tut ion eine gewisse Affinit~t zu den Bindegewebsfasern zuf£11t, w£hrend andere sauer reagierende Farbstoffe diese Eigenschaften nicht besitzen oder bei weitem nieht in gleichem Mal3e.

Was die Methodik der Bindegewebsf~rbungen im Zentralnerven- system anlangt, so gelten ffir sie im wesentlichen die gleichen Gesichts- punkte wie ffir die der Gliadarstel]ung. Auch hier sind wir einer Reihe immer noeh unklarer, technischer Tficken ausgesetzt, auch hier macht sich die mangelnde Elektivit~t stSrend bemerkbar und auch hier mSchte man so gerne gewisse Bindegewebsstrukturen detaillierter dargestellt haben, als dies bisher gelang. Um nut ein einziges Beispiel anzuffihren: Wieviel miil3te sich aus einer Methode ffir die Theorie und ffir die praktische Histologie ableiten lassen, der es getgnge, im Zentralnerven- system die Beziehungen zwisehen den Blutgef£13en und den Nerven eingehender darzustellen! Wieviel vermSchte fiberhaupt eine Gef~13- zNervenmethode! Man denke nur an die Arterioskleroseprobleme und an die St5rungen der arteriellen Irmervation im Sinne yon Rickert oder an die Frage der 5rtlichen V,rletzlichkeit und die Probleme des lokalen Sehiehtenausfalls im Grol3hirn. Schon mit Rficksicht auf diese Fragen mul3 man in Zukunft mit doppeltem Eifer nach technischen Verfahren suchen, die uns etwas fiber die Beziehungen der Glia zum ~esenchym auszusagen vermSgen. Hier mSehten wir nachdrficklichst auf die Methoden yon Held, Bethe u. a. verweisen, yon denen in der t t is to- pathologie des Nervensystems leider so wenig die Rede ist und deren t tandhabung doch nieht schwieriger ist als etwa der Gebrauch der spanischen Silbermethoden.

5. Abbauprodukte. Immer wieder findet man in Arbeiten, die sich mit Abbauvorg£ngen

am Gewebe beschiiftigen, die Forderung aufgestellt, es sei n6tig, bei Beschreibung eines Abbauprozesses nicht nur irgendein Einzelbild, irgendeinen Ausschnitt aus dieser gamzen Ket te yon Teilbildern eines Zerfallvorganges zur Anschauung zu bringen, sondern eine lfickenlose Reihe, bei der man eine Entwicklung nach einem best immten biologisehen Ziele bin verfolgen kann. So leicht diese Forderung immer erhoben ist, so schwer ist sie in der Praxis verwirklicht. Am Zentralnervensystem bestehen vollends der Schwierigkeiten iibergenug. Wit kSnnten uns gliicklich preisen, wenn wir erst einmal zu sagen verm6chten, um was ffir Substanzen es sich bei jenen Zeffallsprodukten chemiseh handelt, die wir als Neutralfet t bezeichnen. Dies w£re der einfachste Fall, der bei der ehemischen Effassung der Abbauprodukte am Nervensystem

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zu bewi~ltigen ware ! Wie schlimm ist es erst chemiseh um all das andere bestellt, was als metachromatisches Abbauprodukt der Ganglienzellen, oder als Zerfallssubstanz der Nervenfaser in den Lehrbiichern der Histologie steht. Immer wieder ergibt sich f/ir uns die traurige Einsicht, dab wir wohl Zerfallssubstanzen in unseren histologischen Priiparaten auftauchen und wieder verschwinden sehen, aber was sie sind und wie sie zu dem werden, was sie zuletzt in Erscheinung treten ]~St, das alles erfahren wir nicht. Die Lage ist heute verzweifelter als je. Mit Dankbar- keit erhmern wir uns an den Versuch yon S~ielmeyer, durch Vergleich verschiedener histopathologischer Methoden am gleichen Schnitt Auf- sehlug fiber den niiheren Charakter eines Abbau- und Organisations- prozesses zu bekommen. Spielmeyer konnte als ers~er den Nachweis ffihren, dab am Zentralnervensystem verschiedene fiir den Nachweis yon Abbausubstanzen geschaffene Methoden keineswegs das gleiche zur Darstellung bringen, sondern dab sich solche Methoden optisch und biologisch erg~nzen. Sie verhalten sich nicht selten wie ein photo- graphisches Negativ zu einem Positiv. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist, dag die einzelnen Abbauprodukte aus nervSser Substanz nicht etwa alle zur gleiehen Zeit dargestellt werden k6nnen, sondern dag hier ein gesetzm/~13iger Verlauf besteht. So ist z. B. die zerfallende Nervenfaser zuniichst in I-I~imatoxylinlacken zur Darstellung zu bringen, dann gibt sie positive Osmiumreaktion. Nach und nach treten eosinophile Zerfall- produkte auf und zuletzt wird ein Neutralfet tstadium erreicht, in welchem die Substanzen mit Scharlaeh oder Sudan dargestellt werden kSnnen. Das Narbenstadium als letztes wird dureh die Bildung eines Gliafaser- filzes veranschaulieht, der den entstandenen Defekt zu deeken versueht. W i r sehen durch diese vergleichende Methode der Darstetlung yon Abbauprodukten zum ersten MMe eine biologisch sinnvolle, histologische Analyse verwirklieht, die auch auf allen Gebieten der Neurohistologie bereits ihre Friichte getragen hat. Wir erinnern nur an die Erforschung der sekund~ren Degenerationen und Neuritiden, an die NervenschuB- verletzungen und Fragen der Regeneration, zuletzt auch an die zentralen Abbauprozesse versehiedenster Art. Leider macht sich nun aber bei jener l~ethodenreihe Spielmeyers zur mikroskopischen Verfolgung yon Abbauprozessen im Nervensystem ein Nachtefl bemerkbar. Leider erfahren wit gar nichts fiber die Natur der in Abbau befind]ichen Substanzen. Wir sehen wohl das Marchi-Stadium, die Phase der F~rb- barkeit mi t Nilblausulfat, die der Neutralfette; aber welche chemischen Vorgange diesen einzelnen Phasen des Abbaues auch nur ann~hernd entsprechen, das k6nnen wir nicht sagen; wir sehen nur optische Bilder, yon denen sukzessive eines auf das andere fotgt. Man kann die Frage aufwerfen, ob Aussichten bestehen, dag ein solcher ~IiBstand in Bi~lde behoben sein wird und was yon seiner Beseitigung die Histologie erhoffen darf. Wir selbst sind der Meinung, dal3 die Aussiehten /tir eine ungef~Lhre

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n~here Bestimmung der in Frage kommenden Substanzen vielleicht doch grSBer sind, als es zun~chst erscheinen mSchte. Man darf zun£chst daran erinnern, dab die Theorie der histologischen F~rbung, wie W. v. Moellendor// ffir einen Tell der F~rbungen dargetan hat, immer mehr der Auffassung zuneigt, es handle sieh nieht um chemisehe Bindungen, sondern um physikalisch-chemische Vorg~nge, Adsorption usw. Bei der Darstellung von Abbauprodukten durch die histologische F~rbung sind physikalische Vorg£nge wohl als vorherrsehend zu betrachten. Dies gilt z. B. auch fiir jene Substanzen metachromatischer Natur, die bisher die festesten Stfitzen der chemischen Theorie histotogischer F~rbungen zu sein schienen. Auch wenn an einem Nissl.Pr~parat gewisse Sub- stanzen der Ganglienzelle oder Nervenfaser metaehromatisch rot gef~rbt erscheinen, trotz Anwendung eines blauen Farbstoffes, so beweist aueh dies nicht das geringste ffir einen chemischen Vorgang. Dies zeigt sehr schSn folgender Versuch: Man nehme irgendeinen basischen Ani]in- farbstoff, 15se ihn in Wasser und versetze ihn mit einem Alkali. i~an finder alsdann die Farbe der LSsung deutlieh nach rot zu ver~ndert. Auf Zusatz y o n S~ure (organisehe oder anorganisehe) geht die Farbe wieder nach ihrer Ausgangsnuance zurfick und auf S£ureiiberschu{t wird das Blau zunehmend kalt und stumpfer. Man daft hieraus wohl den SehluB ziehen, dal~ gewisse Farbstoffkomponente dleser basischen Ani]irffarben nach dem Indicatorenprinzip reagieren. Vielleicht ist es auch das gesamte Farbstoffmolekfil, das sieh so verh~lt. Man geht also wohl nieht fehl in der Annahme, dab auch sog. metachromatische F~rbungen lediglich die Auswirkungen einer p~-Differenz sind, die an der Zell- oberfl~che besteht. Mit ehemischen Vorg~ngen hat dies nicht direkt etwas zu tun. Und noeh ein Weiteres. Es l~Bt sieh zeigen, dab aueh ausgesproehene Fettfarbstoffe den Indicatoreneffekt zeigen. Das Nilblau- sulfat beispielsweise gibt bei Alkalizusatz einen blauvioletten, zuletzt blauen Ton. Dies seheint uns sehr bemerkenswert im Hinblick auf die Tatsache, dab gewisse fettige Abbausubstanzen in Nflblausulfat metaehromatiseh rot dargestellt sind. Wir sehen also auch in diesem Falle physikalisch-ehemische Vorg~nge nach dem Indlcatorenprinzip in Wirkung. Und so kSnnten wir die Reihe vermehren. Es dfirfte sich hieraus ergeben, dab es vielleicht doch einmal in absehbarer Zeit mSglieh sein wird, fiber den elektrischen Ladungsgrad yon Zelloberfl~chen etwas auszusagen und damit ihr physikalisches Geffige n~her zu bestimmen. Die Vorteile eines solchen Verfahrens ffir die Histologie liegen auf der Hand. Es br£chte nicht mehr und nicht weniger als eine yon allen Histologen sehnlichst erwfinschte Tatsache: Die ~berfiihrung der empi- risehen histologischen Technik, der man so gerne die ~Iethodik des Koch- buches vorwifft, in eine exakte naturwissenschaftliche Methode. Abet t~uschen wit uns nicht. Der Weg dahin ist noch lang.

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6. Achsenzylinder, Neurofibrillen, Markscheiden. Wenn man die ffir die Darstellung yon Achsenzylindern und Neuro-

fibrillen angegebenen Methoden fiberblickt, dann f~llt vor allen Dingen deren Zahl auf. Diese Tatsache k6nnte leicht zu dem SchluB verleiten, als w~ren die in Frage kommenden Praktiken teehnisch noch so unsicher, dab st~ndig Modifikationen n6tig seien. Davon kann aber nur sehr bedingt die Rede sein. Die meisten Methoden zum Nachweis der Aehsen- zylinder sind beispielsweise durchaus zuverl~ssige Methoden. Bei den Fibrillenmethoden £ndert sich die Sachlage schon etwas, hier erseheint uns die technische Zuverl~ssigkeit noeh nicht roll gew~hrleistet. Aber der Hauptgrund ffir das Auftauchen immer neuer Ab~nderungen yon Originalmethoden scheint uns darin zu liegen, dab die meisten der angegebenen Verfahren geringe Elektivitdt zeigen. Es wird neben den Achsenzylindern immer eine Reihe anderer Gewebselemente dargestellt, deren gleichzeitige Sichtbarmaehung nicht selten reeht st6rend werden kann. I m gef~rbten Pr~parat sind es bindegewebige und gli6se Strukturen, die bier in Betraeht kommen, bei den Silbermethoden sind es namentlieh Neurofibrillen, die an Stelle der Achsenzylinder auftreten. Auf der anderen Seite finden wir bei den Achsenzylindermethoden oft eine zu eng be- grenzte Elektivit/~t, n/~mlieh der i~arkscheide gegenfiber. Bei vielen Abbauprozessen des Rfickenmarks und des Hemisph/~renmarklagers w~re eine bessere Darstellung der Achsenzylinder neben den l~Iarkseheiden durchaus wfinschenswert; leider ist an guten Achsenzylinderpr~paraten yon der feineren Struktur der Markscheide nicht so viel zu sehen, als man es sich ftir die Bedtirfnisse mancher Untersuehungen wiinsehen m6ch te . Am besten und fibersichtlichsten sind noch die Verfahren yon Alzheimer und yon Mallory, aber sie erfordern eine baldige Verarbeitung des anatomischen Materials und geben bei alten, in Formol geh/~rteten Gehirnen direkt h~Bliche Effekte; auch die Hal tbarkei t ist begrenzt. So m6ehte man geneigt sein, in den Silbermethoden sein Heft zu suehen. Aber hier sind wieder andere Nachteile. Die Elektivit~t der Impr~g- nationen mit Metallsalzen ist noch geringer wie die der F£rbungen, wenigstens in bezug auf die Mitfi~rbung yon Bindegewebe und Fibrillen, in bezug auf die Darstellung yon Markseheiden ist dagegen die Methode vial zu elektiv. In der Regel sieht man n£mlich yon Markseheiden gar niehts. Von aussehlaggebender Wichtigkeit ist bei den gebr£uchlichsten Achsenzylinderimpr~g~lationen, dab ihr optisches Bild sieh dem der Silhouette mehr oder weniger n~hert und damit gehen die feineren Einzelheiten zu leicht verloren. Die Folge all dieser technischen M£ngel ist, dab die Pathologie des Achsenzylinders bis heute fiber relativ grobe Feststellungen nicht hinausgekommen ist. Wir kennen nieht viel mehr als bandfSrmige und spindelf6rmige Verbreiterungen, Aufsplitterungen, Zerfall in Fragmente unter Bildung metaehromatiseher Abbauprodukte. Nicht weniger traurig ist es um die Pathologie der Fibrillen bestellt und

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es mul~ zu denken geben, dab auch hier in erster Linie technische Unzul~ngliehkeiten den Fortschrit t verhindern. Zur Darstellung der Neurofibrillen bedient man sich in der Neurohistologie fast nut eines einzigen Prinzips, des yon Bielschowsky angegebenen Silber-Ammoniak- bades. Seine Bereitung in ziemlich reinem Zustand ist zwar keineswegs sehwierig, aber seine Anwendung setzt eine gewisse physikalisehe Konstanz des anatomischen N[aterials voraus, die doeh nur in e iner kleineren Zahl yon F~llen sieher gew~hrleistet ist. Falsehe Fgrbezeiten, Ans~uerung und ~beral terung des anatomischen Materials sind die haupts£chlichsten FeMerquellen. Nach unseren in verschiedenen Laborator ien gesammelten Erfahrungen geben sich viele Neurohistologen sehon damit zufrieden, wenn sie in Neurofibrfllenpr~paraten gewisse Faserzfige impr~gniert sehen, deren ZugehSrigkeit zu den Neurofibrillen zwar in einem kleineren Prozen~satz nieht zu bestreiten ist, die aber in buntem Durcheinander aueh Axone, Gliafasern und feine ~arkscheiden mitdarstellen. Namentlich die endocellul£ren Fibrillen zeigen geringe Durchzeichnung, wer aber die ~ul~erst instruktiven Verh~ltnisse eines gut gelungenen Pr~p~rates yon endocellulhren Fibrillen kennt, der wird einen Ausfall in dieser Richtung immer ganz besonders bedauern. Er hat sich fiir die Fibrillenpathologie in reeht ungfinstigem Sinne ausgewirkt. Auch sie ist fiber grobe Fest- stellungen nieht recht hinaus gekommen und wit miissen S~elmeyer beip~liehten, der in seiner ,,Histopathologie des Nervensystems" meint, eine umfassende Erfahrung in der Fibrillenpathologie habe eigentlich nur Bielschowsky selbst 1. N[~n kann sich seine Gedanken darfiber machen, was denn an der Launenhaftigkeit unserer Fibrillenmethoden die Schuld tr£gt. Wir haben einiges sehon angedeutet; es l~13t sieh unter etwas weiteren Gesichtspunkten zusammenfassen, kVir fanden eine verh£1tnismgflig geringe Elektivit~t des Silber-Ammoniakbades ffir die Neurofibrillen. Es zeigt sich, dal] mit dem gleichen Silberbad bei unwesentlichen Variationen auch Gliafasern, protoplasmatische Glia, Bindegewebe, Achsenzytinder, Dendriten/orts£tze usw. darzustellen sind. Das w~re dann gleichgfiltig, wenn man dutch physikaliseh-chemische Eingriffe die Wirkung des Silber-Ammoniakbades spezifischer gestalten kSnnte, wie etwa durch Beizenvorbehandlung usw. Aber aueh hier zeigen sieh unsere Mittel noch unzul~nglieh. Und so mSehten wir leider glauben, dal~ ein weiterer Ausbau unserer Versilberungsmethoden zur Darstellung der Neurofibrillen nicht wesentlich weiterffihren kann , als wir bereits weitergefiihrt worden sind. Lohnender ersehiene es uns, in

1 Die Sachlage hat sich wohl unterdessen etwas insofern gegndert, als gewisse grundsgtzliche Feststellungen zur Fibrillenpathologie Allgemeingut der Neuro- pathologen geworden sind. Wir miissen aber auch heute noch gestehen, dal~ gerade die Beurt~ilung yon Fibrillenbildern besondere Vorsicht und steres Vergleichen mit normalem M~terial erfordert.

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der Zukunft zu versuchen, ob nicht echte F/irbungen der Fibrillen fiir Zwecke der ttistopathologie zu erzielen sind 1.

Uber die Darstellung der Markseheiden ist wenig zu sagen. Die yon Weigert angegebenen Hgmatoxylinlackmethoden gehSren bekanntlich zu den siehersten Verfahren, welche die Histologie iiberhaupt kennt. Um so mehr fiberrascht die Vielzahl der vorhandenen Modifikationen. Diese Tatsache hat natiir]ich ihre guten Griinde. Die Sicherheit der Mark- scheidenveffahren ist recht groB, die Vollstgndigkeit der Darstellung dagegen bei vieten Einzelvorschriften ziemlieh gering. Bekann~ ist die Iqeigung der Markscheidenpr~parate zu iiberstarker Ausdifferenzierung in den ~ul]ersten Rindenlagen, nieht weniger gefiirchtet das versehiedene physikalische Verhalten yon Rinde und Mark bei der Differenzierung, so dab man eigentfich nut immer entweder auf die Rinde oder auf das Mark differenzieren kann. Will man auf die Rinde differenzieren, dann mull das Mark fibeff/irbt bleiben, will man das Mark optiseh durch- dringen, dann muB die Rinde ziemlich stark ausgebleieht werden, so dab sie fiir feinere Untersuehungen eigentlieh nieht mehr zu gebrauehen ist. Fiir myeloarehitektonisehe Zwecke ist daher, wie C. und O. Vogt hervor- gehoben haben, nur eine geringe Ausdifferenzierung des l~Iarks erlaubt mit Riieksieht au~ das Erhaltenbleiben der feinsten Tangentialfaserung. Noch ein zweiter Umstand macht manchmal die Anwendung der ~Iark- scheidenmethoden nieht gerade angenehm. Es ist die starke Bean- spruehung des Gewebes dureh die verschiedenen Beizenmittel, wodureh eine erhebliche Brtiehigkeit des Schnittes verursaeht wird. Bei Celloidin- schnitten hilft man sich bekanntlieh durch eine Verst/irkung der Schnitte mit Kotlodium, bei Geffiersehnitten geht dies aber nur mit vielerlei Umst~nden, so dab man hier immer noeh mit zerbroehenen und wenig gelungenen Sehnitten zu rechnen hat. Einen Ausweg gibt die Differen- zierung in Weigertsehem Borax-Ferrideyankali, das, im Gegensatz zu anderen Differenzierungsmitteln, die Gesehmeidigkeit der Sehnitte wieder- herstellt. Allerdings muB man dabei auf die Darstellung der feinsten Tangentialfaserung unter allen Umst/~nden verziehten.

1 Diese etwas resigniert klingenden Feststellungen zur Fibrillen- und Aehsen- zylinderpathologie m6gen indessen nicht miBverstanden werden. Der Verfasser ist welt davon entfernt, die Silbermethoden fiir etwas Unbrauohbares zu halten. Ganz im Gegenteil erseheint uns der Erkenntnisgewinn, den die Impr/~gnations- methoden am l~ervensystem gebraeht haben, ganz besonders groB. Beziiglich der Neurofibriltenmethoden sei nut an die Bedeutung fiir die Pathoiogie des peri- pheren 1h'erven erhmert. Die Erforschung der Degeneration und Regeneration am peripheren I~erven ist ohne Impr/~gnationsmethoden gar nieht denkbar, ganz zu sehweigen yon der Bedeutung, die die Silbermethoden fiir die normale Anatomie erlangt haben. Aber dermoeh bedarf es auoh der Feststellung, dab der Fibrillen- pathologie und der des Aohsenzylinders ein ahnlioher Effolg nicht beschieden war, wie etwa der Ganglienzellpathologie an der Hand der Methode Nissls. Und aus diesem Grunde sind andere zKethoden der Fibrillendarstellung, echte F£rbungen, dringend in der Zukunft erwiinscht.

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Page 31: Die Lage der histopathologischen Technik des Nervensystems in der Gegenwart

796 Berthold :Kihn: Lage der histopathologischen Tecbnik usw.

Dami t glauben wir die wesentlichsten Gesichtspunkte ffir die histo- logische Technik des l~ervensystems besprochen zu haben. Wir gingen im wesentlichen auf strittige und problematische Fragen ein und ver- suchten namentlich kritisch zu allem Stellung zu nehmen. Das Vor- herrschen des kritischen Gesichtspunktes kSnnte m~nchen Leser zu der Auffassung ffihren, als w&re die neurohistologische Technik eine ganz besonders schwierige und unsichere. Davon kann nun nicht die Rede sein. I m Gegentefl. Wir mfissen die histologische Technik des Nerven- systems als eine der schSnsten und aufschlul~reichsten bezeichnen, deren wesentlichste ~e thoden bei einiger Sorgfalt kaum mil31ingen. Worum es uns zu tun war ? Die Probleme und Schwierigkeiten der Technik wieder vor Augen zu ffihren und zur Weiterarbeit anzuregen. DaB eine solche auch heute noch ihre bedeutsamen Frfichte tragen mu•, d~ran ist nach Lage der Dinge nicht zu zweifeln.