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Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in westlichen Gesellschaften Eine Mehrebenenanalyse auf Basis der PISA-Studie von 2000 bis 2009 The Reading Literacy of Immigrant Youth in Western Societies A Multilevel Analysis Based on PISA 2000 to 2009 Roland Verwiebe & Bernhard Riederer* Universität Wien, Institut für Soziologie, Rooseveltplatz 2, 1090 Wien, Austria [email protected]; [email protected] Zusammenfassung: Dieser Beitrag thematisiert die Lesekompetenzen von Schülern mit Migrationshintergrund. Wir ver- wenden dazu Mehrebenenanalysen für 24 westliche Gesellschaften auf Basis der PISA-Daten der Jahre 2000 bis 2009. Unsere Ergebnisse zeigen, dass auf der Makroebene die Qualität und die Stratifizierung des Bildungssystems für die Lesekompetenzen von jugendlichen Migranten entscheidend sind. Die Ressourcen und die Organisationsform von Schu- len sowie ihre soziale und ethnische Zusammensetzung sind ebenfalls wichtige Faktoren. Auf der individuellen Ebene sind besonders das kulturelle Kapital der Eltern und die zu Hause gesprochene Sprache zentral. Zusätzlich kçnnen wir zeigen, dass in den meisten Untersuchungsländern die 2. Migrantengeneration bessere Bildungsleistungen aufweist als die 1. Generation, und dass die Lücke zwischen Schülern mit und solchen ohne Migrationshintergrund im Zeitverlauf abgenommen hat. Schlagworte: Soziale Ungleichheit; Migranten; Bildungsungleichheit; Schule; Lesekompetenzen; Bildungserfolg; Mehr- ebenenanalyse; PISA. Summary: The present article investigates the reading literacy of students from immigrant families by means of a multi- level analysis of 24 Western countries based on PISA data from 2000 to 2009. Results indicate that on the level of macro-variables, the quality and the stratification within the educational system have a very important effect on immi- grant students' reading skills. Schools and their resources as well as the social and ethnic composition of the student body are crucial as well. On the individual level, the cultural capital of the parents and the language spoken at home proved to be relevant. In addition, second-generation immigrant students had better scholastic achievements than first generation immigrant students. Furthermore, differences between natives and immigrant students have, over time, di- minished in several countries. Keywords: Social Inequality; Migrants; Educational Inequality; School; Reading Literacy; Educational Achievement; Multilevel Analysis; PISA. 1. Einleitung In der Sozialstruktur- und Bildungsforschung wer- den eine Vielzahl von Faktoren unterschieden, die Bildungsleistungen von Jugendlichen erklären. Neuere Studien – vor allem jene, die auf TIMSS- und PISA-Daten beruhen – betonen, dass dabei mehrere Ebenen und die Wechselwirkungen zwi- schen diesen Ebenen zu berücksichtigen sind. Ne- ben individuellen Einflussfaktoren spielen für die Leistungen von Schülern auch die Gesellschafts- und Bildungspolitik sowie unterschiedliche Aspekte von Schul- und Klassenfaktoren eine wesentliche Rolle (z. B. Alegre & Ferrer 2010; Ammermüller 2007; Dronkers & Avram 2010; Fuchs & Wçß- mann 2007; Kaya & Rice 2010). Mit Blick auf diese Forschung ist auffällig, dass bislang nur ver- einzelt detailliertere Mehrebenenanalysen zu Bil- # Lucius & Lucius Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 42, Heft 3, Juni 2013, S. 201–221 201 * Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Text für die männliche und weibliche Form das generische Masku- linum verwendet. Frühere Versionen des Beitrags wurden auf der RC28-Konferenz in Haifa (2010), der ASA-Kon- ferenz in Las Vegas (2011) und der ECSR-Konferenz in Dublin (2011) präsentiert. Die Autoren danken den Gut- achtern und Herausgebern der ZfS für etliche hilfreiche Anmerkungen.

Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

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Page 1: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrundin westlichen GesellschaftenEine Mehrebenenanalyse auf Basis der PISA-Studie von 2000 bis 2009

The Reading Literacy of Immigrant Youth in Western SocietiesA Multilevel Analysis Based on PISA 2000 to 2009

Roland Verwiebe & Bernhard Riederer*Universität Wien, Institut für Soziologie, Rooseveltplatz 2, 1090 Wien, [email protected]; [email protected]

Zusammenfassung: Dieser Beitrag thematisiert die Lesekompetenzen von Schülern mit Migrationshintergrund. Wir ver-wenden dazu Mehrebenenanalysen für 24 westliche Gesellschaften auf Basis der PISA-Daten der Jahre 2000 bis 2009.Unsere Ergebnisse zeigen, dass auf der Makroebene die Qualität und die Stratifizierung des Bildungssystems für dieLesekompetenzen von jugendlichen Migranten entscheidend sind. Die Ressourcen und die Organisationsform von Schu-len sowie ihre soziale und ethnische Zusammensetzung sind ebenfalls wichtige Faktoren. Auf der individuellen Ebenesind besonders das kulturelle Kapital der Eltern und die zu Hause gesprochene Sprache zentral. Zusätzlich kçnnen wirzeigen, dass in den meisten Untersuchungsländern die 2. Migrantengeneration bessere Bildungsleistungen aufweist alsdie 1. Generation, und dass die Lücke zwischen Schülern mit und solchen ohne Migrationshintergrund im Zeitverlaufabgenommen hat.

Schlagworte: Soziale Ungleichheit; Migranten; Bildungsungleichheit; Schule; Lesekompetenzen; Bildungserfolg; Mehr-ebenenanalyse; PISA.

Summary: The present article investigates the reading literacy of students from immigrant families by means of a multi-level analysis of 24 Western countries based on PISA data from 2000 to 2009. Results indicate that on the level ofmacro-variables, the quality and the stratification within the educational system have a very important effect on immi-grant students' reading skills. Schools and their resources as well as the social and ethnic composition of the studentbody are crucial as well. On the individual level, the cultural capital of the parents and the language spoken at homeproved to be relevant. In addition, second-generation immigrant students had better scholastic achievements than firstgeneration immigrant students. Furthermore, differences between natives and immigrant students have, over time, di-minished in several countries.

Keywords: Social Inequality; Migrants; Educational Inequality; School; Reading Literacy; Educational Achievement;Multilevel Analysis; PISA.

1. Einleitung

In der Sozialstruktur- und Bildungsforschung wer-den eine Vielzahl von Faktoren unterschieden,die Bildungsleistungen von Jugendlichen erklären.

Neuere Studien – vor allem jene, die auf TIMSS-und PISA-Daten beruhen – betonen, dass dabeimehrere Ebenen und die Wechselwirkungen zwi-schen diesen Ebenen zu berücksichtigen sind. Ne-ben individuellen Einflussfaktoren spielen für dieLeistungen von Schülern auch die Gesellschafts-und Bildungspolitik sowie unterschiedliche Aspektevon Schul- und Klassenfaktoren eine wesentlicheRolle (z. B. Alegre & Ferrer 2010; Ammermüller2007; Dronkers & Avram 2010; Fuchs & Wçß-mann 2007; Kaya & Rice 2010). Mit Blick aufdiese Forschung ist auffällig, dass bislang nur ver-einzelt detailliertere Mehrebenenanalysen zu Bil-

� Lucius & Lucius Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 42, Heft 3, Juni 2013, S. 201–221 201

* Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Text für diemännliche und weibliche Form das generische Masku-linum verwendet. Frühere Versionen des Beitrags wurdenauf der RC28-Konferenz in Haifa (2010), der ASA-Kon-ferenz in Las Vegas (2011) und der ECSR-Konferenz inDublin (2011) präsentiert. Die Autoren danken den Gut-achtern und Herausgebern der ZfS für etliche hilfreicheAnmerkungen.

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dungsleistungen von Migranten vorgelegt wurden.Dieses Desiderat der Forschung greifen wir auf undbehandeln im vorliegenden Artikel exemplarischdie Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migra-tionshintergrund in 24 westlichen Gesellschaften.Die Basis dafür bilden die PISA-Daten aus den Jah-ren 2000 bis 2009. Methodisch beruht unser Bei-trag auf Mehrebenenanalysen, die es ermçglichen,Effekte auf der individuellen Ebene, der Schulebeneund der nationalen Ebene einzubeziehen. Im Zen-trum unseres Beitrags stehen folgende Forschungs-fragen: Wie und in welchem Ausmaß beeinflussen(1) Gesellschafts- und Bildungspolitiken auf natio-naler Ebene, (2) die Umsetzung von Bildungspolitikauf der Schulebene und (3) Ressourcen auf derEbene der elterlichen Haushalte und der Individuendie Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migra-tionshintergrund? Welche dieser Ebenen ist beson-ders wichtig und welche Wechselwirkungen beste-hen zwischen diesen Ebenen? Mit dieser Fragestel-lung knüpfen wir an die vielfältigen Ergebnisse derdeutschen PISA-Forschung an (z. B. Artelt 2008;Baumert & Schümer 2001; PISA-Konsortium 2010;Stanat & Christensen 2006; Walter & Stanat 2008)und nehmen eine internationale Kontextualisierungder bekannten deutschen Befunde vor. Den dazuverwendeten Mehrebenenanalysen stellen wir de-skriptive Analysen voran, in denen wir die Bil-dungsleistungen von Jugendlichen mit Migrations-hintergrund im Zeitverlauf darstellen und mit jenenvon einheimischen Jugendlichen vergleichen.

Für die Messung der Bildungsleistungen ziehen wirLesekompetenzen in der Unterrichtssprache heran.Deren herausragende Bedeutung, besonders auchfür jugendliche Migranten (vgl. Esser 2006: 306),wird in der jüngsten PISA-Studie erneut betont:„Lesekompetenz wird im Sinne einer Basiskom-petenz verstanden, von der angenommen wird, dasssie in modernen Gesellschaften für eine befriedigen-de Lebensführung in persçnlicher und wirtschaftli-cher Hinsicht sowie für eine aktive Teilnahme amgesellschaftlichen Leben notwendig ist.“ (Naumannet al. 2010: 24) Lesekompetenzen sind aus dieserPerspektive keine schulspezifischen Fähigkeiten,sondern Life Skills, also Kompetenzen, die für diespätere Lebensführung, den beruflichen Erfolg so-wie die kulturelle und gesellschaftliche Teilhabezentral sind (Naumann et al. 2010: 24).1

Welchen Fortschritt kçnnen wir mit diesem Fokusund dem gewählten methodischen Ansatz gegen-über bisherigen Studien erzielen?

Q Drei-Ebenen-Analysen von Jugendlichen aus Mi-grationshaushalten sind in der Forschung kaumzu finden. Die meisten Studien untersuchen nureine oder zwei Analyseebenen und „ignorierendamit den Umstand, dass andere Gruppen vonEinflussfaktoren ebenfalls für die Erklärung derBildungsleistungen von Jugendlichen berücksich-tigt werden müssen“ (Dronkers et al. 2011: 1).Unsere Betrachtung der Länder-, Schul- und Indi-vidualebene ermçglicht eine Beurteilung der spe-zifischen Relevanz jeder Ebene unabhängig vonden Effekten anderer Ebenen sowie mçglicherWechselwirkungen zwischen den Ebenen.

Q Die Berücksichtigung von vier Wellen erlaubt es,die Stabilität oder Variabilität von Effekten abzu-schätzen. Die meisten Studien konzentrieren sichauf die Ergebnisse aus jeweils einem Erhebungs-jahr. Trendanalysen, die mehrere PISA-Wellen ein-beziehen, liegen bislang nur vereinzelt vor (z. B.OECD 2010a).

Q Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Mi-grationshintergrund wurden in der Forschungbisher nur selten systematisch thematisiert. Wiruntersuchen diese aus drei Gründen: Erstens sinddiese Life Skills für die lebensweltliche und so-ziale Integration von jungen Migranten von be-sonders großer Relevanz (Esser 2006; Kalter &Granato 2002; Luyten et al. 2008; van Tubergen& Kalmijn 2005); eine Überlegung, die auch inden neuesten OECD-Publikationen zu PISA be-tont wird (OECD 2010a: 38ff., 2010b: 65ff.).Zweitens wurde in bisherigen Analysen den Lese-kompetenzen weniger Aufmerksamkeit geschenktals der Untersuchung mathematischer oder natur-wissenschaftlicher Fähigkeiten. Drittens ist dieLesefähigkeit streng genommen die einzige Kom-petenzgrçße, deren Messkonzept über alle vierPISA-Wellen Vergleiche zulässt.

2. Theoretische Rahmung undforschungsleitende Annahmen

Die theoretische Rahmenstruktur, die wir zur Er-klärung der Bildungsleistungen von Jugendlichenmit Migrationshintergrund verwenden, hat zweielementare Bezugspunkte: Handlungen individuel-ler Akteure (bzw. Haushalte/Familien) und institu-tioneller Kontext (Alba et al. 2011: 9; Esser 2006:37ff.). Damit ist die theoretische Rahmenstruktureinerseits in der bekannten Integrationstheorie vonEsser (u. a. 2006, 2009) und andererseits in der in-ternational vergleichenden Sozialstruktur- und Bil-dungsforschung verankert (Alba et al. 2011; Alegre

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1 Beispielaufgaben finden sich unter http://www.mpib-ber-lin.mpg.de/Pisa/Beispielaufgaben_Lesen.PDF

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& Ferrer 2010; Fuchs & Wçßmann 2007; Marks2005).

Für die Erklärung des Erwerbs von Lesekompeten-zen (Explanandum) kçnnen wir nach diesem Rah-menmodell auf der individuellen Ebene verschiede-ne Faktoren identifizieren. Esser nennt hier z. B. dieBildung und den sozioçkonomischen Status der El-tern, das im Haushalt verfügbare kulturelle Kapital,die zu Hause gesprochene Sprache oder die kog-nitiven Fähigkeiten von Schülern (Esser 2006: 294,2009: 361). Kontextbedingungen lassen sich in zweiGruppen von Faktoren unterteilen (Ammermüller& Lauer 2009, van de Werfhorst et al. 2013). Be-ginnend mit den bahnbrechenden Arbeiten vonColeman (1966) sind Sozialwissenschaftler der Fra-ge nachgegangen, ob sich zusätzlich zu individuel-len Faktoren Strukturen auf der Schulebene auf dieBildungsleistungen von Jugendlichen auswirken;genannt werden in der aktuellen Forschung z. B. dieRessourcenausstattung der Schulen, die Schulorga-nisation (Selektivität beim Schulzugang, privateoder çffentliche Finanzierung), die Qualität derSchule und des Unterrichts oder auch die Komposi-tion der Schule nach ethnischen Kriterien (Esser2006; Lee & Smith 1993; Palardy 2008). Des Wei-teren sind auf der übergeordneten gesellschaftlichenEbene die Strukturen des Bildungssystems sowieZuwanderungs- und Integrationspolitiken wichtigetheoretische Dimensionen für das vorliegende Un-tersuchungsthema (Crul & Schneider 2010; Dron-kers et al. 2011).

2.1 Soziale Herkunft, familiäres Umfeldund Bildungsleistungen

Viele Studien zeigen, dass die elterliche Bildung, un-abhängig vom institutionellen Kontext, ein wichti-ger Erklärungsfaktor der Schulleistungen von Ju-gendlichen ist (Jackson et al. 2007; Kristen &Granato 2007; Lytton & Pyryt 1998; Marks 2005;Rothon 2007). Der Bildungshintergrund der Elternist nicht nur für schulische Leistungen zentral (Esser2006: 293), er übt darüber hinaus Einfluss daraufaus, welcher Bildungsweg und sogar welche Schulegewählt werden (Schneider 2008: 512). Esser (2006:37f.) argumentiert hierzu, dass Jugendliche aus bes-ser gebildetem Elternhaus in einem Umfeld auf-wachsen, in dem auf schulische Bildung und den Er-werb von Bildungsleistungen stärker Wert gelegtwird. Hinzu kommt, dass Eltern mit hçherer Bil-dung auch bei schulischen Problemen eher weiter-helfen kçnnen als Eltern mit geringerer Bildung. Be-zogen auf unser Untersuchungsthema erwarten wir

vor diesem Hintergrund einen positiven Zusam-menhang zwischen der Bildung der Eltern und denLesekompetenzen von jugendlichen Migranten fin-den zu kçnnen.

Verknüpft mit dem vorigen Argument betrachtenwir Lernumwelten als eine weitere wichtige theo-retische Erklärungsdimension. In Anlehnung anBarone (2006) oder Jaeger (2009) sind die Chancenauf Erfolg im Schulsystem auch davon abhängig, inwelchem Ausmaß Eltern fähig sind kulturelles Ka-pital zu mobilisieren und entsprechende Zugängezu Kultur bereitzustellen. Positiv gestaltete Lern-umwelten (etwa durch vorhandene Zeit der Elternoder Nachschlagewerke zur Unterstützung schu-lischer Aufgaben) und die Verfügbarkeit von bil-dungsrelevanten Ressourcen (etwa ein ruhiger Platzzum Lernen, PC für Hausarbeiten) kçnnen als kon-krete Modi zur Fçrderung von schulischen Leistun-gen und zur Ausprägung eines bildungsaffinen Ha-bitus gesehen werden (Barone 2006; Jæger 2009).Die zu Hause gesprochene Sprache ist, unstrittig,ein weiterer entscheidender Faktor für individuelleBildungsleistungen (z. B. Entorf & Minoiu 2005;Esser 2006). Für diejenigen Jugendlichen in unsererUntersuchungsgruppe, die zu Hause überwiegenddie Unterrichtssprache sprechen, erwarten wir un-abhängig von anderen Faktoren deutlich hçhereLesekompetenzen beobachten zu kçnnen.

Konzeptionell relevant ist zudem die Differenzie-rung zwischen Migranten der 1. und der 2. Gene-ration. Für die 2. Generation wurde in der Ver-gangenheit oft gezeigt, dass diese bessere Integra-tionschancen in das Bildungssystem und den Ar-beitsmarkt hat (Levels et al. 2008; Portes et al.2005; Stanat & Christensen 2006). Der theore-tische Mechanismus wird darin gesehen, dass die2. Generation ihre vorschulische und schulischeSozialisation innerhalb des Aufnahmelandes absol-viert hat und von daher über Wissens- und Kom-petenzvorteile (z. B. hçhere Lesekompetenzen) ge-genüber der 1. Generation verfügt. Vor allem fürJugendliche der 1. Generation, die im Gegensatzzur 2. Generation nicht im Aufnahmeland auf-gewachsen sind, kçnnten Schulen im Aufnahme-land den Schlüssel zur Integration darstellen, dahier relevante Sprach- und Lesekompetenzen er-worben und geübt werden.

Wir werden darüber hinausgehend auch die unter-schiedlichen Herkunftsregionen jugendlicher Mig-ranten systematisch in den empirischen Analysenberücksichtigen. Aktuelle Studien zeigen, dass bei-spielsweise Jugendliche aus OECD- oder EU-Län-dern bessere Bildungsleistungen aufweisen als Ju-

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gendliche anderer Herkunftsregionen (Dronkers &Levels 2007; Levels & Dronkers 2008). Die Erklä-rung hierfür ist nach einer Studie von van den Werf-horts et al. (2013) die „institutionelle und kulturelleNähe/Distanz“ zwischen unterschiedlichen Län-dern, wie sie sich z. B. in verwandten/unterschiedli-chen Bildungssystemen zeigt.2 Schließlich erwartenwir in unserer Studie auch charakteristische Ge-schlechtsunterschiede zu finden. Etliche Studien ha-ben in der Vergangenheit gezeigt, dass Mädchenhçhere Lesekompetenzen haben als Jungen (Jova-novic & King 1998; Kaya & Rice 2010; Manning1998; OECD 2009). Dies wird unter anderem da-durch erklärt, dass es gesellschaftliche Normvor-stellungen und damit verbundene geschlechtsspezi-fische Erwartungen von Lehrern, Schülern undEltern gibt, teilweise im Sozialisationsprozess er-zeugt und in Rollenbildern institutionalisiert, nachdenen Mädchen schlechtere Mathematik- und bes-sere Sprach- und Lesekompetenzen als Jungen be-sitzen. Diese Normvorstellungen und Rollenbilderkorrespondieren dann auch mit (geschlechts-)spezi-fischen Motivationsstrukturen, wodurch, zumin-dest teilweise, schulische Leistungen beeinflusstwerden (Ludwig & Ludwig 2007; Marks 2008).

2.2 Merkmale von Schulenund Bildungsleistungen

Die Forschung hat in den letzten Jahren nicht nurden Einfluss individueller Faktoren für Bildungs-leistungen thematisiert, sondern zunehmend auchdie Bedeutung von Schultypen, Schulressourcen,Schulpolitiken oder die Relevanz der sozialen undethnischen Zusammensetzung von Schulen syste-matisch untersucht (z. B. Alegre & Ferrer 2010;Browning & Heinesen 2007; Creemers & Kyriaki-des 2010; Rivkin et al. 2005).

Wir gehen mit einem weiteren theoretischen Argu-ment davon aus, dass die soziale und ethnische Zu-sammensetzung der Schülerschaft ein wesentlicherFaktor für schulische Leistung ist. Basierend auf derTheorie von Esser (2006: 294) postulieren wir: Jehçher die ethnische Konzentration und je niedrigerdie Konzentration von Schülern aus hoch gebilde-

ten Haushalten, desto geringer sind die Bildungs-leistungen jugendlicher Migranten. Palardy (2008)argumentiert in diesem Kontext ähnlich. Danachrepräsentieren die ethnische Konzentration auf derSchulebene und die Konzentration nach sozialen(Klassen-)Merkmalen “a critical condition that im-pacts the educational milieu – or learning environ-ment – of schools through various mechanisms suchas peer effects” (Palardy 2008: 22). Die Ressour-cen, die in den Schulen verfügbar sind, und dieQualität des Bildungsprogramms, das mit diesenRessourcen ermçglicht wird, sollten ebenfalls be-deutsam für die Bildungsleistungen von Migrantensein (Browning & Heinesen 2007; Creemers & Ky-riakides 2010; Rivkin et al. 2005). Nach Ammer-müller & Lauer (2009) schneiden vor allem Jugend-liche aus niedrigeren sozialen Schichten (mit undohne Migrationshintergrund) besser in solchenSchulen ab, in denen ausreichend Ressourcen vor-handen sind. Das Fehlen solcher Ressourcen kannim elterlichen Haushalt nicht oder nur schlechtkompensiert werden, wenn z. B. finanzielle Spiel-räume klein sind und spezifisches Wissen fehlt. Ne-ben dem vieldiskutierten Faktor der Qualität desLehrkçrpers hat, so kann weiter argumentiert wer-den, auch eine ausreichende Zahl an Lehrern, dieeine intensivere Betreuung ermçglicht, einen positi-ven Effekt auf schulische Leistungen von jugend-lichen Migranten (Palardy 2008: 24).

Im Hinblick auf strukturelle Bedingungen auf derSchulebene gibt es klare Hinweise auf Unterschiedezwischen çffentlichen und privaten Schulen (Dron-kers & Avram 2010). Private Schulen sind häufigdurch kleinere Klassengrçßen und ambitioniertereUnterrichtskonzepte gekennzeichnet. Kleinere Klas-sengrçßen ermçglichen eine intensivere Schüler-Lehrer-Interaktion, die Adaptionen des Lerninhal-tes an die Bedürfnisse der Schüler begünstigt. DasBezahlen von Schulgebühren begründet zudem ei-nen Anspruch auf Leistung, der gemeinsam mit dengerade angeführten Punkten zur Entwicklung einesleistungsorientierten Schulklimas beiträgt. Die Lite-ratur legt des Weiteren nahe, dass ein leistungsori-entiertes akademisches Klima mit besseren Outputseinhergeht (Lee & Smith 1993; Lee et al. 1997).Daher erwarten wir bessere Bildungsleistungen fürunsere Untersuchungsgruppe auch in Schulen beob-achten zu kçnnen, die als Zulassungskriterien diebisherige schulische Leistung heranziehen und indenen das Abitur erworben werden kann.3

204 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 42, Heft 3, Juni 2013, S. 201–221

2 “When it comes to the educational achievements ... ofmigrants' children, it is worth exploring whether ethnicgroups that originate from societies with a limited dis-semination of the world model of education lag morestrongly behind in their educational achievements. Theirfamiliarity with the curriculum and with the cultural valu-es endorsed in host society educational institutions is morelimited ... than that of groups originating from [other]countries.” (van de Werfhorst et al. 2013: 4)

3 Zur Relevanz unterschiedlicher Bildungstracks siehe ak-tuell Dronkers et al. 2011.

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2.3 Strukturelle Bedingungenund Bildungsleistungen

Auf der Ebene gesellschaftlicher Strukturbedingun-gen ist aus theoretischer Sicht vor allem die Strati-fizierung von Bildungssystemen relevant (Alba etal. 2011; Allmendinger & Hinz 2009; Dronkers etal. 2011). In hoch stratifizierten Systemen wie inDeutschland sind die Übergänge zwischen den Stu-fen eines Schulsystems selektiv und frühe Laufbahn-entscheidungen die Regel, wodurch jugendliche Mi-granten durch ihre Ausgangsposition bedingte Nach-teile kaum ausgleichen kçnnen (Crul & Schneider2010; van de Werfhorst et al. 2013). Daher stelltsich für unsere Untersuchungsgruppe die Frage, obsie das von den Eltern bereitgestellte Bildungskapi-tal (vor allem, wenn es sich um kulturspezifischesKapital handelt; vgl. Esser 2006: 37f.), unter denBedingungen eines hoch stratifizierten Systems glei-chermaßen für sich nutzbar machen kann. Des Wei-teren gehen wir in Anlehnung an die aktuelle For-schung von einem Einfluss der Bildungsausgabenaus (vgl. Ammermüller & Lauer 2009). Theore-tisch kann erwartet werden, dass hçhere Bildungs-ausgaben dazu dienen, den Output von Schulen zuverbessern, was bessere Bildungsleistungen von ju-gendlichen Migranten bewirken kçnnte.4 Wir be-trachten auch die durchschnittliche Qualität desSchulsystems, womit wir länderübergreifenden Ni-veauunterschieden Rechnung tragen, die nicht vonmigrationsbedingten Faktoren beeinflusst werden(Levels et al. 2008: 842). Unsere Annahme dabeiist, dass die Qualität des Schulsystems eine ent-scheidende Dimension für Bildungsleistungen dar-stellt: Jugendliche mit Migrationshintergrund soll-ten in Schulsystemen, die eine hçhere Qualität auf-weisen, bessere Leistungen erbringen kçnnen.

Ferner beziehen wir den Anteil von Migranten in derGesamtbevçlkerung als eine Makro-Variable in un-sere Analyse ein, da dieser Faktor einen Einfluss aufdie soziale Integration einer Gesellschaft als Ganzeshat (Masso 2009: 266; van Tubergen et al. 2004:719). Wir wollen herausfinden, ob Bildungsleistun-gen von jugendlichen Migranten in Ländern miteinem hohen ausländischen Bevçlkerungsanteil sin-ken, wie Esser (2006: 49) mit Blick auf große eth-nische Gruppen und deren Integrationsstrategienpostuliert.5 Schließlich berücksichtigen wir im em-

pirischen Teil des vorliegenden Beitrags auch dievariierenden Zusammensetzungen von Migranten-populationen nach soziçkonomischem Status alsAusdruck verschiedener Migrationspolitiken in west-lichen Gesellschaften (Bade et al. 2011; Castles &Miller 2009). Für traditionelle Einwanderungs-länder (z. B. Kanada), in denen Aufnahmebestim-mungen Migranten mit hoher Bildung bevorzu-gen, kann man beispielsweise davon ausgehen, dassJugendliche aus Migrantenhaushalten bessere Bil-dungsleistungen erzielen als in vielen europäischenStaaten, in denen in der Vergangenheit niedrig qua-lifizierte Zuwanderung dominant war (vgl. Entorf&Minoiu 2005; Fuchs & Wçßmann 2007).

3. Daten, Methoden und Variablen

3.1 Daten

Unsere Stichprobe beinhaltet jugendliche Migran-ten aus 24 westlichen Gesellschaften; dazu gehçrentraditionelle Einwanderungsländer (z. B. Kanada),post-koloniale Einwanderungsländer (z. B. Frank-reich), Länder im Mittelmeerraum (z. B. Spanien),durch Arbeitsmigration gekennzeichnete zentral-europäische Länder (z. B. Deutschland), skandina-vische Länder (z. B. Schweden) und „neue“ ost-europäische Einwanderungsländer (z. B. Russland).Das daraus resultierende Sample besteht aus 12.216Schülern aus 3.153 Schulen (2000), 18.379 Schü-lern aus 4.666 Schulen (2003), 19.223 Schülern aus4.726 Schulen (2006) und 23.380 Schülern aus5.461 Schulen (2009).6

3.2 Methode

In einem ersten empirischen Schritt betrachten wirmithilfe von deskriptiven Trendanalysen die Ent-wicklung der Lesekompetenzen von jugendlichenMigranten im Zeitverlauf. Darauf folgen die multi-variaten Mehrebenenanalysen. Zunächst wurde da-zu ein unbeschränktes Modell ohne erklärende

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4 Der Effekt hçherer Bildungsausgaben dürfte auch davonabhängig sein, wie diese verwendet werden; dies zeigendie Fçrderungen für Schulen mit hohem Migrantenanteilin den Niederlanden (Alba et al. 2011: 15).5 Hier kçnnte laut van Tubergen und Kalmijn (2005:1421) folgender theoretischer Mechanismus wirksam sein:

Mit einem Anstieg des Anteils an Migranten steigt dieWahrscheinlichkeit ethnischer Gruppenbildung, die der In-tegration und dem Erwerb von Kompetenzen in der Spra-che des Aufnahmelandes entgegen wirkt. „In addition tothe argument that group size decreases the exposure to thedestination language, we argue that group size also lowersthe ... incentives of learning the destination language.“6 Im Sample sind nur Jugendliche, deren Eltern im Aus-land geboren wurden. Jugendliche, die selbst im Auslandgeboren wurden, zählen zur 1. Generation und Jugend-liche, die im Inland geboren wurden, zur 2. Generation.

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Variablen geschätzt. Dieses Modell ermçglicht dieErfassung der Varianzen innerhalb und zwischenLändern und Schulen. Anschließend wurden Varia-blen auf der Individual-, Schul- und Länderebenehinzugefügt. Durch den Vergleich dieser Modellemit dem unbeschränkten Modell wird ermittelt,wie viel Varianz des unbeschränkten Modells durchdie Einbeziehung von Variablen auf unterschiedli-chen Ebenen erklärt werden kann.

Für jede Welle der PISA-Studie werden Random-In-tercept-Modelle geschätzt, in denen die Konstantezwischen Ländern und Schulen variieren kann. Dasbedeutet, dass die Regressionsgeraden für Schülerverschiedene schul- und länderabhängige Start-punkte haben, jedoch dieselbe Steigung aufweisen.7

Die Modelle wurden mit mittelwertzentrierten Vari-ablen geschätzt. Daher kçnnen die aus den Modellenresultierenden Koeffizienten als Effekte für einendurchschnittlichen Schüler mit Migrationshinter-grund interpretiert werden. Das verwendete Ran-dom-Intercept-Modell lässt sich folgendermaßenspezifizieren (vgl. Rabe-Hesketh & Skrondal 2008):

yisl = (a + zl + zsl) + b1 xisl + b2 xsl + b3 xl + eisl,

wobei sich i auf migrantische Schüler (Ebene 1),s auf Schulen (Ebene 2) , und l auf Länder (Ebene3) bezieht; yisl stellt den Wert der Lesekompetenzdar (abhängige Variable); x bezieht sich auf dieVektoren aller beobachteten Kovariaten (erklären-de Variablen) auf der jeweiligen Ebene. Man mussweiter zwischen der Konstanten a als fixem Inter-cept und z als dem Random-Intercept auf der jewei-ligen Ebene unterscheiden; b repräsentiert die Vek-toren der Regressionsgewichte auf der jeweiligenEbene, e steht für die Residuen.In einem letzten Schritt werden zusätzlich Cross-Level Interaktionen spezifiziert, um Wechselwirkun-gen zwischen den drei Ebenen nachzugehen. AlleAnalysen wurden mittels Stata SE 12.0 durchge-führt, wobei die Prozedur „xtmixed“ mit Pseudo-Maximum-Likelihood-Schätzung angewandt wur-de, da diese die Berücksichtigung von ProbabilityWeights auf Schul- und Schülerebene erlaubt.8 DieGewichtung ist notwendig, da sonst die Stand-

ardfehler aufgrund des Designs der PISA-Studie(clustered sampling) verzerrt wären. Für die Mehr-ebenenanalysen wurden sowohl Schul- als auchSchülergewichte normalisiert (vgl. Rabe-Hesketh &Skrondal 2006).

3.3 Messung

3.3.1 Abhängige Variable

Die auf einer Item-Response-Modellierung basie-renden Werte für die Lesekompetenzen werden alsvalide Schätzungen für Populationsparameter be-trachtet (vgl. OECD 2009c). Wir verwenden dazudie von der OECD verçffentlichten fünf plausiblenWerte, die in eine Skala mit einem Mittelwert von500 und einer Standardabweichung von 100 überalle Länder transformiert werden.

3.3.2 Unabhängige Variablen

Individualebene / Ebene der Haushalte

(1) Die Bildung der Mutter und des Vaters wurde an-hand eines siebenstufigen ISCED-Schemas berech-net. Die Indizes (2) „Bildungsressourcen im Eltern-haus“ und (3) „Besitz von Kulturgütern“ verwendenwir um die Verfügbarkeit kulturellen Kapitals abzu-bilden. Beide stellen auf Item-Response-Modellenbasierende Weighted-Likelihood-Schätzungen dar(vgl. OECD 2009c). Der Index „Bildungsressourcenim Elternhaus“ beinhaltet den Zugang zu folgendenRessourcen: ein Tisch zum Lernen, ein ruhiger Platzzum Lernen, ein Computer für schulbezogene Nut-zung, Bildungssoftware, ein eigener Taschenrech-ner, Bücher, die bei Hausaufgaben helfen, und einWçrterbuch. Der Index „Besitz von Kulturgütern“beinhaltet den Besitz folgender Kulturgüter: Kunst-werke, klassische Literatur- und Lyrikbände. (4) DerGebrauch von Nachhilfeunterricht wird durch einebinäre Variable abgebildet (1 = Inanspruchnahmeprivater Nachhilfestunden in den letzten 3 Jahren).9

Die Variable (5) „Testsprache zu Hause gespro-chen“ ist ebenfalls Bestandteil der Analysen. Darü-ber hinaus differenzieren wir (6) zwischen Migran-ten der 1. und 2. Generation. Unterschiedliche (7)Herkunftsregionen der Befragten und (8) das Ge-schlecht werden entsprechend unserer theoretischen

206 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 42, Heft 3, Juni 2013, S. 201–221

7 Vorausgehende Analysen mit ungewichteten Daten zeig-ten, dass das Modellieren von „Random Intercepts“ aufder Schul- und Schülerebene gerechtfertigt ist. Mehrere Li-kelihood-Ratio-Tests ergaben, dass sich „Random-Inter-cept-Modelle“ für alle vier Erhebungspunkte signifikantvon Modellen mit „Fixed Intercepts“ unterscheiden.8 Schulgewichte fehlen für Kanada (2000) und Frankreich(2003). Um diese Länder dennoch in die Berechnung auf-zunehmen, wurden die Schulgewichte so gewählt, als wür-de es sich um Zufallsstichproben handeln.

9 Diesbezüglich ergeben sich konkurrierende Erwartun-gen: Der Zugang zu Nachhilfeunterricht kann einerseitsals Form der Nutzbarmachung elterlichen Kapitals ver-standen werden; als eine Ressource, die Leistungen vonJugendlichen erhçhen kann. Andererseits bençtigen in ers-ter Linie jene Schüler Nachhilfe, die Leistungsdefizite auf-weisen, woraus ein negativer Effekt der Nachhilfe auf dieLesekompetenzen resultieren würde.

Page 7: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

Konzeption ebenfalls berücksichtigt. Das Alter inJahren (9) verwenden wir als Kontrollvariable.

Schulebene

Auf der Schulebene wird (1) zwischen çffentlichenund privaten Schulen unterschieden. Um das Lern-klima an Schulen zu erfassen, berücksichtigen wir,(2) ob Abitur an Schulen angeboten wird, in derAnnahme, dass solche Schulen eine bessere Lern-umgebung bereitstellen, und ob Schulen (3) Leis-tungskriterien für eine Zulassung anwenden. (4)Der Index für Unterrichtsressourcen bildet die Ver-fügbarkeit von Computer- und Laborausstattungab. (5) Die Variable „Lehrermangel“ beruht auf derAnzahl fehlender Lehrer in verschiedenen Fächern.Beide Indizes basieren auf Angaben der Schullei-tung (für Details siehe OECD 2009c).10 (6) Die so-ziale Komposition von Schulen wurde als prozen-tualer Anteil von Jugendlichen mit zumindesteinem Elternteil mit tertiärer Bildung (ISCED 5oder hçher) gemessen. (7) Die ethnische Komposi-tion von Schulen wurde durch den prozentualenAnteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrundauf der Schulebene erfasst. Beide Variablen (6–7)wurden auf Basis der PISA-Daten berechnet.

Länderebene

(1) Als Indikator für die Stratifizierung des Schul-systems verwenden wir die Anzahl von Schultypen,die parallel nebeneinander existieren (vgl. Horn2007; Tabelle A1 im Online-Anhang).11 (2) Diedurchschnittliche Leseleistung von einheimischenSchülern, basierend auf PISA-Daten, nutzen wirwie von Levels et. al (2008: 842) vorgeschlagen alsIndikator für die Qualität des Schulsystems. Wirbetrachten ferner (3) die Bildungsausgaben (in Pro-zent des BIP); ein weiterer Indikator (4) misst denAnteil von Zuwanderern an der Gesamtbevçlke-rung. Beide Indikatoren sind OECD-Statistiken ent-nommen (OECD 2010a, b). (5) Schließlich erfassenwir mit dem durchschnittlichen Berufsstatus jenes

Elternteils, der den hçchsten ISEI-Prestigescore hat(Basis PISA-Daten), die variierende Zusammenset-zung von Zuwandererpopulationen, die aus unter-schiedlichen gesellschaftlichen Migrationspolitikenresultieren.12

3.4 Grenzen der verwendeten Daten

Beschränkungen betreffen insbesondere die Anzahlan Ländern, die ausreichende Fallzahlen aufweisenund an allen vier Wellen der PISA-Studie teilnah-men. Um sinnvolle Resultate zu produzieren, habenwir nur jene 24 Länder mit einbezogen, die mindes-tens fünfzig jugendliche Migranten in jeder der vierWellen befragt haben. Daher basiert unsere Analyseauf grçßeren Gruppengrçßen (n = 50) als in demmaßgeblichen Beitrag von Levels et al. (2008: 1412)vorgeschlagen wurde (n = 25). Für das Jahr 2006kçnnen wir nur 23 Nationen berücksichtigen, dakeine Daten zur Lesekompetenz für die USA vorlie-gen. Darüber hinaus waren potenziell wichtige Va-riablen nicht in allen vier Erhebungen der PISA-Stu-die vorhanden (z. B. Informationen, ob Jugendlichemit alleinerziehenden Eltern leben) und wurden ausGründen der Vergleichbarkeit aus den Analysenausgeschlossen. Ferner haben wir uns aus Platz-gründen bei der Berechnung von Cross-Level Inter-aktionen auf Daten des Jahres 2009 beschränkt.

4. Deskriptive Trendanalysen

Blickt man auf die vorliegenden Ergebnisse derTrendanalysen in Tabelle 1,13 so zeigt sich wie ver-mutet, dass in klassischen Einwanderungsländerndie Lesekomptenzen von jugendlichen Migrantensehr hoch sind und dass es geringe Kompetenz-unterschiede zwischen einheimischen Schülernund Schülern mit Migrationshintergrund gibt(vgl. Entorf & Minoiu 2005; OECD 2010b). Indieser Gruppe sind die USA das Land mit dengrçßten Leistungsdifferenzen; diese weisen auf sig-nifikante Unterschiede zwischen Jugendlichen auseinheimischen Haushalten und Migrantenhaushal-

Roland Verwiebe & Bernhard Riederer: Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund 207

10 Um mit fehlenden Werten adäquat umzugehen, wurdenbeide Indizes kategorisiert und in binäre Variablen trans-formiert. Wir verwendeten 25%, 50%, und 75%-Perzen-tile um vier Kategorien (niedrig bis hoch) und eine Katego-rie für fehlende Werte zu bilden (vgl. Hardy & Reynolds2004). So wurde auch bei anderen Variablen verfahren,bei denen eine grçßere Anzahl fehlender Werte vorlag (vgl.Tabelle A1 im Online-Anhang unter www.zfs-online.org).11 Deutschland und Österreich wären Beispiele für einehohe Stratifizierung; hier existieren auf der Sekundarstufevier verschiedene Schultypen. Finnland wäre ein Beispielfür eine geringe Stratifizierung; hier existiert ein Schultyp.Die Informationen hierfür entstammen der umfassendenStudie von Hçrner et al. (2007).

12 Wir haben in einem Prüfschritt auch die Unabhängig-keit der erklärenden Variablen für die Länder- und Schul-ebene getestet. Entsprechende Tabellen finden sich im On-line-Anhang zu diesem Text (Tabellen A3, A4).13 Aus Platzgründen sind nur Werte für 2000 und 2009ausgewiesen; teilweise vorhandene Schwankungen zwi-schen den Jahren werden so unterschätzt. So zeigt sichz. B. für Portugal, dass die Differenzen zwischen einhei-mischen Jugendlichen und Migranten zwischen 2000 und2003 grçßer wurden und danach wieder sanken.

Page 8: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

208 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 42, Heft 3, Juni 2013, S. 201–221

Tabelle 1 Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie Kompetenzunterschiede zu einheimi-schen Jugendlichen (Standardfehler in Klammern)

Lesekompetenz1.+ 2. Migranten-

generation

Einheimischeminus1. + 2. Migranten-

generation

Einheimische minus1. Migranten-generation

Einheimische minus2. Migranten-generation

2000 2009 2000 2009 2000 2009 2000 2009

Australien 521 525 8 –14* 15 –7 –1 –20**(7) (6) (7) (6) (9) (6) (7) (6)

Kanada 527 522 10** 5 25*** 7 –4 4(3) (3) (3) (4) (5) (5) (3) (4)

Neuseeland 508 514 26*** 10 27** 3 24* 24*(7) (5) (7) (6) (8) (5) (10) (10)

USA 473 485 39** 21*** 46*** 20** 34* 22***(14) (6) (12) (6) (9) (8) (17) (6)

KlassischeEinwanderungsländer

485 492 30** 16** 37*** 14* 25(*) 18**(11) (5) (10) (5) (8) (6) (14) (5)

Frankreich 464 445 49*** 62*** 78*** 80*** 43*** 57***(6) (8) (7) (9) (12) (17) (7) (10)

Großbritannien 494 477 33** 22** 70*** 40*** 19(*) 6(9) (8) (10) (8) (16) (10) (10) (9)

Niederlande 464 470 79*** 46*** 88*** 43*** 73*** 47***(14) (8) (14) (8) (16) (11) (15) (10)

Länder mit überwiegendpost-kolonialer Migration

475 460 48*** 44*** 75*** 56*** 39*** 39***(5) (5) (5) (6) (9) (8) (5) (6)

Belgien 417 452 110*** 71*** 94*** 75*** 116*** 68***(8) (7) (8) (7) (11) (8) (9) (8)

Deutschland 424 455 85*** 58*** 90*** 62*** 75*** 57***(6) (5) (6) (5) (7) (6) (9) (6)

Luxemburg 385 443 95*** 58*** 110*** 51*** 81*** 62***(4) (2) (4) (3) (5) (5) (5) (4)

Österreich 435 414 81*** 69*** 93*** 98*** 63*** 56***(6) (6) (7) (7) (9) (11) (10) (7)

Schweiz 428 465 87*** 47*** 112*** 58*** 55*** 42***(5) (4) (5) (4) (7) (7) (6) (4)

Länder mit starkerArbeitsmigration

424 453 88*** 59*** 94*** 65*** 78*** 56***(5) (3) (5) (4) (6) (4) (6) (5)

Dänemark 424 439 80*** 63*** 71*** 79*** 94*** 55***(7) (4) (7) (4) (8) (7) (13) (4)

Finnland 477 469 71*** 70*** 81*** 89*** 30 45**(14) (13) (14) (13) (14) (18) (44) (14)

Norwegen 453 457 57*** 52*** 62*** 60*** 46*** 44***(7) (6) (6) (6) (8) (8) (10) (8)

Schweden 465 443 59*** 65*** 73*** 92*** 40*** 52***(5) (7) (6) (7) (8) (12) (7) (8)

SkandinavischerMigrationsraum

457 446 68*** 68*** 76*** 86*** 55*** 58***(4) (4) (4) (4) (5) (6) (6) (5)

Griechenland 414 432 64*** 57*** 74*** 69*** –33 32**(16) (12) (16) (11) (17) (15) (22) (11)

Portugal 457 465 13 26*** 21 33*** 8 18(*)

(12) (7) (12) (7) (16) (9) (14) (10)Spanien 457 430 38** 58*** 35(*) 62*** 45** 25*

(13) (4) (13) (4) (18) (4) (16) (10)SüdeuropäischerMigrationsraum

441 434 47*** 54*** 55*** 61*** 24* 24***(8) (3) (8) (4) (10) (4) (11) (6)

Page 9: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

ten hin.14 Interessanterweise kann zudem fest-gestellt werden, dass die Leistungsdifferenzen zwi-schen Jugendlichen mit und ohne Migrationshinter-grund in den traditionellen Einwanderungsländerninnerhalb des Untersuchungszeitraums sinken undsich die Differenzen zwischen der 1. und 2. Genera-tion verringern.

Innerhalb Europas findet man relativ hohe Lese-kompetenzen von jungen Migranten in Ländern,die durch post-koloniale Wanderungen gekenn-zeichnet sind. Korrespondierend damit beobachtenwir hier mittlere Kompetenzunterschiede zwischenEinheimischen und Migranten. In Großbritannienund in Frankreich sprechen zum Beispiel viele Ein-wanderer Englisch bzw. Franzçsisch als Zweitspra-che (Lunn 2011; Moch 2011; van de Werfhorst etal. 2013), wodurch sich deren Chancen im Bil-dungssystem verbessern. In dieser Ländergruppeschneiden Jugendliche aus der 2. Generation besserab als Jugendliche aus der 1. Zuwanderergenerati-on. Zwischen den Jahren 2000 und 2009 verringernsich die Kompetenzunterschiede innerhalb dieserLändergruppen im Durchschnitt. Dabei beobachten

wir in Großbritannien und den Niederlanden eineReduzierung von Bildungsunterschieden, währenddiese in Frankreich zunehmen. In den Niederlandenist dieser positive Verlauf durch eine Verbesserungder institutionellen Fçrderung von jugendlichenMigranten innerhalb des Bildungssystems erklärbar(Alba et al. 2011: 15; Shewbridge et al. 2010: 9,28ff.).15 Bei der Entwicklung in Frankreich ist u. a.die ausgeprägte und zuletzt wachsende Segregationim Bildungssystem dafür verantwortlich, dass sichbenachteiligte Schüler (mit und ohne Migrations-hintergrund) zunehmend in schlecht ausgestattetenSchulen mit einem schwachen Bildungsangebot kon-zentrieren (Dobbins & Martens 2011: 30; OECD2012b: 93ff.).

In den zentraleuropäischen Ländern, in denen Zu-wanderung von Arbeitsmigranten traditionell sehrwichtig ist, haben sich die Lesekompetenzen vonjugendlichen Migranten zuletzt sehr positiv ent-wickelt (mit Ausnahme von Österreich). Sie liegenim Jahr 2009 bei ca. 450 Punkten und damit etwa40 Punkte unter dem Niveau der klassischen Ein-wanderungsländer; dies entspricht einem Kompe-

Roland Verwiebe & Bernhard Riederer: Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund 209

Tabelle 1 (Fortsetzung)

Lesekompetenz1.+ 2. Migranten-

generation

Einheimischeminus1. + 2. Migranten-

generation

Einheimische minus1. Migranten-generation

Einheimische minus2. Migranten-generation

2000 2009 2000 2009 2000 2009 2000 2009

Tschechien 465 457 36* 24(*) 32p = .104 6 40(*) 34(*)

(15) (14) (15) (14) (20) (18) (24) (18)Ungarn 486 506 –5 –12 –5 2 –10 –32*

(11) (9) (11) (9) (11) (12) (62) (13)Russland 455 438 7 25*** 5 19** 9 29**

(6) (7) (6) (7) (10) (7) (9) (10)Neuer osteuropäischerMigrationsraum

456 439 9 28*** 8 21** 12 32**(6) (7) (6) (7) (9) (7) (9) (9)

Irland 555 473 –28** 26*** –46*** 34*** 2 9(10) (7) (10) (7) (10) (7) (19) (13)

Mexiko 345 330 83*** 101*** 98*** 106*** 48** 92***(8) (8) (8) (8) (9) (10) (16) (10)

Gesamt 466 472 28*** 17*** 41*** 21*** 17* 14***(6) (3) (5) (3) (4) (4) (8) (4)

Quelle: PISA 2000, 2009; eigene Berechnungen. Signifikanztests zu Unterschieden zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrations-hintergrund: (*)p < 0,10; *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001.

14 Als Gründe werden in aktuellen Studien u. a. die Kon-zentration von bildungsschwachen Schülern in unteraus-gestatteten Schulen, die häufig niedrige Bildung der Elternund die zu geringe Verbreitung von Englisch als Kom-munikationsmittel in Migrantenhaushalten genannt (Albaet al. 2011; OECD 2011).

15 In den Niederlanden erhalten Schulen für die Ausbil-dung jugendlicher Migranten doppelt so hohe Ressourcenwie für die Ausbildung eines einheimischen Jugendlichen.Es gibt zudem seit einigen Jahren Tutorenprogramme undzusätzliche Investitionen in Communities mit einem hohenMigrantenanteil (Alba et al. 2011: 15).

Page 10: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

tenzunterschied von ca. einem Schuljahr bzw. einerhalben Kompetenzstufe. Hier finden sich allerdingsauch relativ hohe Ungleichheiten. Belgien wies z. B.noch im Jahr 2000 die grçßten Leistungsdifferenzenzwischen Einheimischen und Migranten auf (110Punkte » 3 Schuljahre / 1,5 Kompetenzstufen); in-zwischen sind diese Differenzen geschrumpft. Auchin Deutschland sind die Differenzen zwischen Ju-gendlichen mit und ohne Migrationshintergrundnoch immer relativ groß, trotz erfreulicher Anglei-chungstendenzen im Zeitverlauf (OECD 2010a,PISA-Konsortium 2010). Eine ähnliche Entwick-lung ist für die Schweiz festzustellen. Auch in dieserLändergruppe besitzt die 2. Generation hçhere Le-sekompetenzen als die 1. Generation.

In den skandinavischen Ländern erreichen jugend-liche Migranten ein ähnliches Kompetenzniveauwie in den gerade diskutierten zentraleuropäischenStaaten. Die Befunde in Tabelle 1 machen allerdingsauch deutlich, dass in Skandinavien starke Unter-schiede zwischen den Lesekompetenzen von Mig-ranten (besonders bei der 1. Generation) und vonEinheimischen existieren. Diese Befunde über-raschen, galten doch die skandinavischen Ländernbisher als Beispiele für eine systematische Fçr-derung der Integration von Migranten in das Bil-dungssystem und für eine insgesamt sehr hohe Qua-lität des Bildungssystems (Kjeldstadli 2011; Müller& Kogan 2010). Als Erklärung werden verschiede-ne Faktoren auf der Ebene von Schulen und derEbene der elterlichen Haushalte genannt.16 MitBlick auf zeitliche Trends kann man festhalten, dassin den skandinavischen Ländern der Abstand voneiner Kompetenzstufe (ca. 70 Punkte) zwischen Ein-heimischen und Migranten im Durchschnitt beste-hen bleibt. Dabei beobachten wir zwischen 2000und 2009 sowohl schrumpfende (Dänemark) alsauch wachsende Kompetenzunterschiede (Schwe-den). Im Detail zeigt sich, dass sich vor allem dieLesekompetenzen der 1. Zuwanderergeneration ver-schlechtert haben.

Im internationalen Vergleich sind die Leseleistun-

gen von Migranten in den südeuropäischen Staateneher gering, bei relativ moderaten Kompetenzunter-schieden – vor allem für Jugendliche der 2.Migran-tengeneration – zu den einheimischen Jugendlichen.Ein Grund dafür kçnnte sein, dass Zuwandererz. B. nach Spanien und Portugal in den 1990er Jah-ren vielfach aus südamerikanischen Ländern kamen(Azzolinia et al. 2012; Pietschmann 2011); Sprach-barrieren sind in dieser Gruppe niedrig (Portes etal. 2010) und damit sind schwächer ausgeprägteBildungsdifferenzen plausibel. Wie verläuft die Ent-wicklung zwischen 2000 und 2009 in dieser Län-dergruppe? Während wir zum Beispiel in Griechen-land eine Zunahme der Lesekompetenzen vonMigranten und eine Reduzierung von Kompetenz-unterschieden beobachten, nehmen die Kompetenz-unterschiede in Spanien und Portugal zu. DieseTendenzen weisen auf eine Veränderung in der Zu-sammensetzung von Wanderungspopulationen hin:In Spanien und Portugal stieg in den letzten Jahrendie Einwanderung aus Afrika, Asien und einigenosteuropäischen Staaten (z. B. Rumänien), währenddie Einwanderung aus lateinamerikanischen Län-dern abnahm (Azzolinia et al. 2012; OECD 2007,2009b). Die Verschlechterung der Lesekompeten-zen der 1.Migrantengeneration kann mçglicherwei-se auf diese Veränderungen zurückgeführt werden.

In den innerhalb unserer Studie betrachteten ost-europäischen Ländern ist Zuwanderung ein relativneues Phänomen (Hellie 2011; OECD 2012a; Zeitl-hofer 2011). Die Lesekompetenzen von Migrantensind in diesen Ländern eher niedrig. Es ist allerdingsinteressant zu beobachten, dass hier Leistungs-differenzen zwischen jugendlichen Migranten undeinheimischen Jugendlichen geringer ausfallen alsin vielen anderen Ländern. Für die Zuwanderungnach Russland kann dies darauf zurückgeführt wer-den, dass eine relativ große Gruppe aus anderenStaaten der ehemaligen Sowjetunion stammt (Mas-so 2009: 257; Mau & Verwiebe 2010: 130) unddiese Russisch als Zweitsprache gut beherrscht odersogar als Erstsprache spricht. Für Tschechien hatsich in den letzten Jahren die Schüler-Lehrer-Ratiodeutlich verbessert, zudem hat man als Reaktionauf die Ergebnisse der ersten PISA-Welle die Zeit-einheiten für den Unterricht von Schlüsselkompe-tenzen (z. B. Mathematik und Lesen) erhçht. DieseFaktoren kçnnten hier die sinkenden Leistungsdif-ferenzen zwischen Migranten und Einheimischenmit erklären helfen (Herbst et al. 2012).

Die bisher präsentierten Resultate korrespondierenmit Befunden in wichtigen Referenzstudien (Entorf& Minoiu 2005; PISA-Konsortium 2010; Schnepf2007), in denen argumentiert wird, dass „klassi-

210 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 42, Heft 3, Juni 2013, S. 201–221

16 Aktuelle Studien (Egelund 2012; Fredriksson et al.2012; Taguma et al. 2010) nennen folgende Gründe: zu-nehmende Ausdifferenzierung und Segregation innerhalbdes Schulsystems in gute und weniger gute Schulen (u. a.forciert auch durch die wachsende Verbreitung von pri-vaten Schulen) und verbunden damit Konzentration vonjugendlichen Migranten an eher schlechten Schulen, Zu-nahme der Eigenverantwortung von Schülern und Elterndurch eine Verlagerung von Kompetenzen von der Schuleauf die Ebene der Haushalte sowie eine zunehmende Rele-vanz von Bildungs- und Klassenunterschieden zwischenHaushalten.

Page 11: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

sche“ Einwanderungsländer (z. B. Kanada), mit oft-mals hoch qualifizierten Migranten und einemniedrigem Niveau der Bildungsbenachteiligung fürEinwanderer, von kontinentaleuropäischen Ländernzu unterscheiden sind, die traditionell Zielländerfür niedrig qualifizierte Arbeitsmigration darstellenund relativ stark ausgeprägte Nachteile für Mi-granten im Bildungssystem aufweisen. Wir kçnnendiese etablierten Wissensbestände erweitern, da wirz. B. auf deutliche Verbesserungen der Lesekompe-tenzen von jugendlichen Migranten in den zentral-europäischen Ländern, eine eigenständige Migra-tionsdynamik (veränderte Zusammensetzung vonZuwandererpopulationen) in den südeuropäischenLändern und deren Effekte auf PISA-Ergebnisse,die überraschend starken Unterschiede zwischenMigranten und Einheimischen in Skandinavien oderdie vergleichsweise geringen Unterschiede zwischendiesen beiden Gruppen innerhalb der osteuropäi-schen Migrationsländer hingewiesen haben.17 Wirkonnten zudem zeigen, dass sich zwar die Lese-kompetenzen der Migranten (absolutes Niveau) imDurchschnitt der betrachteten Länder zwischen2000 und 2009 nicht verändert, die Unterschiedezwischen Jugendlichen mit und ohne Migrations-hintergrund sich jedoch fast überall verringert ha-ben. Dies ist eine wichtige und bisher in der PISA-Forschung wenig diskutierte Entwicklung, die auchbildungspolitische und gesellschaftspolitische Im-plikationen hat.

5. Mehrebenenanalysen

In einem nächsten Schritt betrachten wir die Lese-kompetenzen von jungen Migranten mithilfe vonMehrebenenanalysen im Detail. Wir fokussierendabei auf die Frage, wie die gesellschaftliche Struk-turebene, die Ebene von Schulen und die der elter-lichen Haushalte die Lesekompetenzen unsererUntersuchungsgruppe beeinflussen, welche Ebenebesonders wichtig ist und ob ggf. Wechselwirkun-gen zwischen diesen Ebenen bestehen.

Tabelle 2 zeigt dazu die Varianz der Lesekompeten-zen, die Länder- und Schulunterschieden, sowie in-dividuellen Merkmalen zugeschrieben werden kann.Mit Blick auf das Basismodell ist festzustellen, dass

die meiste Varianz auf der individuellen Ebene (z. B.81 im Jahr 2000; 75 im Jahr 2009) und auf derSchulebene (55 im Jahr 2000; 56 im Jahr 2009) an-gesiedelt ist. Differenzen auf der Länderebene sindweniger wichtig für die Erklärung der schulischenLeistung von Schülern aus Migrationshaushalten(42 im Jahr 2000; 39 im Jahr 2009). Die Variantenvon Modell 1, die jeweils nur die Variablen einerEbene beinhalten (entweder jene auf Individual-,Schul- oder Länderebene), bestätigen diese erstenBefunde, die auch im Hinblick auf unsere Aus-gangsfrage zur Relevanz unterschiedlicher Erklä-rungsebenen bedeutsam sind. So erklären die Vari-ablen auf Individualebene alleine rund 19 bis 25Prozent der Varianz der Lesekompetenz (Modell 1),während Modelle, die nur Variablen auf Länder-ebene berücksichtigen (Modell 1c), nur zwischen13 und 15 Prozent Varianzerklärung aufweisen.

Tabelle 3 zeigt die Koeffizienten der endgültigenModelle aller Untersuchungsjahre. Zunächst sei ei-ne Anmerkung zur Frage von Veränderungen imZeitverlauf gestattet: Unsere Befunde deuten, ver-allgemeinernd gesprochen, auf eine hohe zeitlicheStabilität hin. Selbst in jenen Fällen, in denen dieKoeffizienten einer unabhängigen Variable nichtfür alle Wellen signifikant von Null verschiedensind, weisen sie in der Regel dieselben Vorzeichenauf. Wir sehen darin eine Verfestigung von Struk-tureffekten. Das scheint uns insofern ein relevantes,ergänzendes Ergebnis zu sein, da wir in den Trend-analysen im Abschnitt 4 etliche Veränderungen fürdie gesamtgesellschaftliche Ebene der Nationalstaa-ten feststellen konnten.

Im Detail kçnnen wir für die drei Untersuchungs-ebenen auf eine ganze Reihe von wesentlichen Be-funden verweisen. Auf der Länderebene zeigen sichsignifikante Effekte in zwei von vier PISA-Wellenfür die Stratifizierung des Bildungssystems, die aufgeringere Lesekompetenzen in hoch stratifiziertenSystemen schließen lassen.18 Zudem kçnnen wirbestätigen, dass eine hçhere Qualität des Bildungs-systems mit einer grçßeren Lesekompetenz von Ju-

Roland Verwiebe & Bernhard Riederer: Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund 211

17 Das sehr unterschiedliche allgemeine Leistungsniveauist hierbei zu berücksichtigen. Dieses ist in den süd- und ost-europäischen Ländern eher gering, während es in skan-dinavischen Ländern sehr hoch ist. So schneiden z. B.jugendliche Migranten in Finnland bei den PISA-Lese-kompetenzen besser ab als einheimische Jugendliche inTschechien und Russland.

18 Interessant ist hier der Vergleich mit einheimischen Ju-gendlichen (Hinweis: migrationsspezifische Faktoren sindfür Einheimische nicht prüfbar): Die Ergebnisse auf Schul-ebene und individueller Ebene stimmen weitgehend mitjenen bei den Migranten überein. Allerdings zeigen sichUnterschiede in der Wirkungsweise von Struktureffekten:Lesekompetenzen einheimischer Jugendlicher werden durchstärkere Stratifizierung nicht verringert; hçhere Bildungs-ausgaben und eine gute Bildung der ausländischen Bevçl-kerung fçrdern die Bildungsleistungen einheimischer Ju-gendlicher (vgl. Tabellen A5 und A6 im Online-Anhang zudiesem Text unter www.zfs-online.org).

Page 12: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

212 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 42, Heft 3, Juni 2013, S. 201–221

Tabelle 2 Modellvergleiche (Random-Intercept Modelle)

Basismodell M1 M1b

Land – – –

Schule – – inkludiert

Individuen – inkludiert –

Zufallskom-ponenten

2000 2003 2006 2009 2000 2003 2006 2009 2000 2003 2006 2009

Varianz RandomIntercept aufLänderebene

41,57 39,32 41,83 38,96 32,05 34,18 36,92 32,81 31,34 30,58 24,29 28,14

Varianz RandomIntercept aufSchulebene

55,37 57,90 67,82 56,15 43,15 46,83 57,23 45,92 41,04 45,72 55,65 45,90

Residualvarianzauf Individual-ebene

81,27 75,37 77,12 75,20 75,54 71,83 72,56 71,00 81,49 75,56 77,16 75,35

Rho (Land) 0,15 0,15 0,14 0,15 0,12 0,14 0,14 0,13 0,11 0,11 0,06 0,09

Rho (Schule,Land)

0,42 0,46 0,52 0,45 0,34 0,39 0,47 0,39 0,29 0,35 0,38 0,34

R2 – – – – 0,25 0,19 0,19 0,19 0,18 0,17 0,22 0,17

M1c M2 M3

Land inkludiert – inkludiert

Schule – inkludiert inkludiert

Individuen – inkludiert inkludiert

Zufallskom-ponenten

2000 2003 2006 2009 2000 2003 2006 2009 2000 2003 2006 2009

Varianz RandomIntercept aufLänderebene

0,00 13,84 8,49 12,60 25,90 26,99 23,12 25,49 14,13 13,22 7,48 13,01

Varianz RandomIntercept aufSchulebene

55,61 57,95 67,83 56,09 35,14 38,71 49,08 39,59 35,28 38,70 49,04 39,58

Residualvarianzauf Individual-ebene

81,26 75,37 77,12 75,22 75,48 71,79 72,50 71,01 75,46 71,80 75,52 71,01

Rho (Land) 0,00 0,02 0,01 0,02 0,09 0,10 0,07 0,09 0,03 0,03 0,01 0,02

Rho (Schule,Land)

0,32 0,38 0,44 0,37 0,25 0,30 0,36 0,31 0,20 0,24 0,32 0,26

R2 0,15 0,13 0,14 0,13 0,33 0,30 0,33 0,30 0,37 0,35 0,37 0,34

Quelle: PISA 2000-2009; eigene Berechnungen.

Page 13: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

Roland Verwiebe & Bernhard Riederer: Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund 213

Tabelle 3 Mehrebenenmodelle für Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund (Standardfehler inKlammern)

2000 2003 2006 2009Kovariate Est. (SE) Est. (SE) Est. (SE) Est. (SE)

Länderebene

Stratifizierung –10,03* (4,06) –3,26 (3,27) –8,11*** (1,79) –1,05 (3,04)

Qualität Schulsystem 0,40** (0,15) 0,69*** (0,20) 0,39** (0,14) 0,82*** (0,19)

Bildungsausgaben –1,18 (7,36) 0,25 (5,02) –0,55 (5,33) 1,40 (7,07)

Im Auslandgeborene Bevçlkerung

0,17 (0,57) 0,02 (0,58) 0,50 (0,35) 0,25 (0,44)

Soziale Zusammensetzungausländ. Bevçlkerung

0,18 (0,85) 0,79 (0,76) 1,20* (0,59) 0,77 (0,87)

SchulebeneSchule ist Privatschule(0/1)

13,54* (6,72) 8,44 (5,81) –1,75 (7,21) 13,98*** (4,28)

Abitur mçglich (0/1) 21,39*** (6,32) 34,44*** (5,03) 35,08*** (7,65) 27,03*** (8,28)

Leistungskriterienfür Schulzulassung (0/1)

15,05*** (3,18) 9,73* (3,91) 14,43*** (4,51) 13,99*** (3,83)

Unterrichtsressourcenniedrig (Referenzgruppe)

Unterrichtsressourcenziemlich niedrig (0/1)

–3,68 (3,57) 6,80 (4,84) –1,61 (5,25) 7,78(*) (4,29)

Unterrichtsressourcenziemlich hoch (0/1)

–0,72 (3,97) 1,99 (4,41) –0,53 (4,38) 5,24 (4,60)

Unterrichtsressourcenhoch (0/1)

–2,55 (3,44) 7,27 (4,74) 5,30 (4,32) 8,57* (3,64)

Lehrermangel gering(Referenzgruppe)

Lehrermangelziemlich gering (0/1)

1,66 (6,62) –5,21 (3,58) 3,11 (4,56) –4,18(*) (2,37)

Lehrermangelziemlich hoch (0/1)

–6,49* (3,27) –3,38 (4,40) 1,20 (3,67) –6,52** (2,34)

Lehrermangelhoch (0/1)

–10,18** (3,68) –14,36** (4,87) –18,14*** (4,65) –10,74** (3,47)

Soziale Zusammen-setzung (Anteil Elternmit ISCED 5 oderhçher in %)

1,02*** (0,10) 0,79*** (0,16) 1,03*** (0,12) 0,83*** (0,09)

Ethnische Zusammen-setzung (Anteil Schülermit Migrationshinter-grund in %)

–0,25(*) (0,15) –0,45*** (0,10) –0,33* (0,16) –0,15 (0,09)

IndividualmerkmaleISCED Vater 1,77 (1,31) 2,00*** (0,46) 4,21*** (0,83) 2,60** (0,97)

ISCED Mutter 6,44*** (1,31) 1,82* (0,92) 1,97*** (0,50) 2,00* (0,82)

Bildungsressourcenim Elternhaus

13,66*** (1,46) 12,42*** (1,18) 9,16*** (1,69) 10,33*** (1,04)

Besitz von Kulturgütern 11,12*** (2,13) 7,99*** (1,33) 6,56*** (1,11) 8,29*** (1,14)

Nutzung von Nachhilfe-stunden (0/1)

–25,86*** (2,17) –10,29** (3,76) –20,97*** (3,27) –12,74*** (3,08)

Page 14: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

gendlichen mit Migrationshintergrund einhergeht.Interessanterweise gibt es keine stabilen Effekte fürdie anderen Makro-Variablen in den komplettenModellen: Der prozentuale Anteil von Zuwanderernin der Bevçlkerung, ihr durchschnittlicher sozio-çkonomischer Status und die nationalen Bildungs-ausgaben scheinen keinen Einfluss auf die unter-suchten Lesekompetenzen zu haben, der beiEinbezug aller anderen Variablen bestehen bliebe.19

Auf der Schulebene lassen sich mehrere signifikanteEffekte beobachten, die mit den Resultaten aktu-eller Studien übereinstimmen (u. a. Alegre & Ferrer2010; Kaya & Rice 2010; Lee & Smith 1993; Leeet al. 1997: Levels et al. 2008; Schnepf 2007):Jugendliche aus Migrationshaushalten, die Privat-schulen besuchen, zeigen bessere Bildungsleistun-gen als Jugendliche in çffentlichen Schulen. Ent-sprechend unserer konzeptionellen Überlegungenfinden wir hçhere Lesekompetenzen in Schulen, dieLeistungskriterien zur Zulassung heranziehen und

214 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 42, Heft 3, Juni 2013, S. 201–221

Tabelle 3 (Fortsetzung)

2000 2003 2006 2009Kovariate Est. (SE) Est. (SE) Est. (SE) Est. (SE)

Testsprache zuhausegesprochen (0/1)

18,54*** (3,03) 19,64*** (3,34) 18,48*** (2,58) 16,16*** (2,08)

Migrationshintergrund(0 = 1. Generation,1 = 2. Generation)

24,00*** (3,02) 16,91*** (2,80) 16,67*** (3,03) 13,57*** (1,82)

Geschlecht(0 = männlich,1 = weiblich)

26,03*** (1,50) 29,26*** (1,71) 31,51*** (1,84) 32,77*** (1,90)

Alter in Jahren 13,92*** (3,80) 3,57 (2,45) 11,35* (4,77) 10,39** (4,05)

Herkunftsregion:(Referenzgruppe Nicht-Europäischer Mittelmeer-anrainerstaat)

Asien n.v. 34,30*** (5,63) 15,24* (6,59) 21,54** (7,59)Afrika n.v. –2,21 (10,61) 7,07 (13,12) 14,65(*) (8,08)EU oder EFTA Mitglied(im Jahr 2009)

n.v. 20,69*** (5,41) 23,93*** (7,18) 21,68*** (3,52)

Ost- and Süd-Ost-Europa

n.v. 14,49(*) (8,07) 20,64(*) (11,08) 14,69*** (3,56)

Nordamerika n.v. –7,03 (7,78) –22,73 (20,56) 13,52 (22,06)Mittel- und Südamerika n.v. 30,23(*) (17,20) 26,12** (9,20) 15,94 (13,39)Ozeanien n.v. –0,98 (7,51) –8,49 (10,35) –0,54 (6,69)Unbekannt n.v. 19,27** (6,61) 8,34 (7,07) 15,27*** (4,69)

Konstante –16,44*** (3,59) –7,74* (3,51) –15,73*** (2,87) –14,34*** (3,67)

N Länder 24 24 23 24

N Schulen 3.153 4.666 4.726 5.461

N Jugendliche 12.216 18.379 19.223 23.380

Log pseudolikelihood –49.600 –54.372 –60.068 –67.606

Quelle: PISA 2000-2009; eigene Berechnungen, Koeffizienten eines Random-Intercept Modells mit mittelwertzentrierten Variablen, ge-wichtete Daten für Schul- und Individualebene; n.v. = Information nicht verfügbar; (*) p < 0,10; *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001.

19 Dass Bildungsausgaben nicht per se von Bedeutungsind, meinen auch Ammermüller & Lauer (2009); eskommt darauf an, wie diese eingesetzt werden (sieheoben, Fußnote 15). Der sozioçkonomische Status der Ein-wanderer und der Anteil der Personen mit Migrationshin-tergrund wirken sich positiv auf Bildungsleistungen vonjugendlichen Migranten aus (z. B. Levels et al. 2008), so-

fern in den Modellen nicht auf Faktoren der Schulebeneund der Schülerebene kontrolliert wird. In Modellen ohneweitere Einflussfaktoren sind zudem auch die Effekte derStratifizierung zu allen vier Zeitpunkten signifikant nega-tiv (vgl. Online-Anhang, Tabelle A7).

Page 15: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

in Schulen, die Abitur anbieten; das akademischeKlima ist demnach ein wichtiger Faktor. Ferner zei-gen unsere Ergebnisse, dass die Lehreranzahl einenEinfluss auf die Leistungen von Schülern mit Mi-grationshintergrund hat (vgl. Palardy 2008: 24),während materielle Unterrichtsressourcen wenigerwichtig erscheinen. Schließlich deuten unsere Er-gebnisse auch darauf hin, dass sich die soziale undethnische Zusammensetzung der Schülerschaft aufdie Lesekompetenzen unserer Untersuchungsgruppeauswirken dürfte: Die Konzentration von Schülernaus hoch gebildeten Elternhaushalten hat positive,die Konzentration von Schülern mit Migrationshin-tergrund negative Effekte.

Auf der individuellen Ebene bzw. Ebene der Haus-halte sind ebenfalls einige Befunde bemerkenswert.Ein wichtiger Faktor ist hier das Bildungsniveauder Eltern, das in allen vier PISA-Erhebungen mithçheren Lesekompetenzen assoziiert ist (Marks2005). Zusätzlich zeigt sich wie postuliert, dass dieLesekompetenzen von Migranten bei Verfügbarkeitvon Bildungsressourcen und Vorhandensein kultu-reller Besitztümer grçßer sind (vgl. Barone 2006:1046ff.). Ferner zeigt sich, dass Jugendliche, die pri-vate Nachhilfe nutzen, schlechtere Leistungen zei-gen als jene, die keine private Nachhilfe erhalten,was wir als Indiz für Bildungsprobleme werten. InÜbereinstimmung mit unseren Annahmen kçnnenwir zudem zeigen, dass Lesekompetenzen grçßersind, wenn die zu Hause gesprochene Sprache auchdie Testsprache ist und wenn Jugendliche der 2. Ge-neration angehçren (Esser 2006, 2009; Levels et al.2008). Die Herkunftsregion ist ebenfalls wesent-lich: Jugendliche aus Asien, den Ländern des Euro-päischen Wirtschaftsraums sowie aus Ost- und Süd-osteuropa weisen durchgehend hçhere Lesekom-petenzen auf.20 Schließlich finden wir über dengesamten Beobachtungszeitraum, wie im theoreti-schen Teil argumentiert, auch charakteristische ge-schlechtsspezifische Differenzen (vgl. Fuchs &Wçß-mann 2007: 449): Weibliche Migranten weisen,trotz Berücksichtigung einer Vielzahl an Faktorenauf den Ebenen der Nationen und Schulen, sowieauch unter Berücksichtigung des Bildungs- und Kul-turkapitals des Elternhauses, deutlich hçhere Lese-kompetenz auf als männliche Migranten (vgl. Lud-wig & Ludwig 2007, OECD 2009a). Das ist ausunserer Sicht ein wichtiger Befund, besonders dann,wenn man die große Bedeutung der Lesekompe-tenzen als Life Skills für die lebensweltliche und

soziale Integration von Migranten in Rechnungstellt.

In einem letzten Schritt thematisieren wir Wechsel-wirkungen zwischen den bisher separat diskutiertenEbenen. Von uns hierfür berechnete Cross-Level-Interaktionsmodelle prüfen unter anderem die Fra-ge, ob Schulen vor allem für die 1. Migrantengene-ration einen Schlüssel zur Integration darstellen(Tab. 4, Abschnitt A).21 Unsere Befunde sprechentatsächlich dafür, dass die 1. Generation stärker alsdie 2. Generation zum Beispiel von Privatschulenund Schulen mit leistungsbasierten Aufnahmekrite-rien profitiert. Unsere Befunde weisen zusätzlichdarauf hin, dass sich die Kompetenzvorteile der2. Generation mit zunehmendem Anteil an Jugend-lichen mit Migrationshintergrund in einer Schuleverringern. Das schulische Umfeld kann dahermçglicherweise auch desintegrierend wirken. Eth-nische Gruppenbildung würde demnach primär dieIntegration von Jugendlichen der 2. Generation be-hindern, was eine interessante Spezifizierung be-kannter Befunde der Sozialstrukturforschung (Esser2006) darstellt.

Tabelle 4 (Abschnitt B) präsentiert zudem Interak-tionsmodelle, die auf die Annahme eingehen, dassJugendliche aus niedrigeren sozialen Schichten vonSchulen hçherer Qualität besonders profitieren, dafehlende Bildungsressourcen des elterlichen Haus-halts ggf. kompensiert werden kçnnen.22 UnsereErgebnisse widersprechen dieser These allerdings.Vielmehr zeigt sich, dass der positive Zusammen-hang zwischen der Bildung der Mutter und deselterlichen Besitzes von Kulturgütern mit der Lese-kompetenz in Schulen mit starkem Lehrermangelnicht zu finden ist, während dieser umso ausgepräg-ter ist, je hçher der Anteil an Schülern aus hoch ge-bildeten Elternhäusern in einer Schule ausfällt.Letzterer Befund legt nahe, dass sich durch eineKonzentration von Schülern aus hçher gebildetenElternhäusern die Bildungsunterschiede zwischenden Schichten verstärken.

Weitere, in Abschnitt C der Tabelle 4 wiedergegebe-ne Cross-Level-Interaktionsmodelle deuten zudem,

Roland Verwiebe & Bernhard Riederer: Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund 215

20 Ähnliche Befunde für mathematische Kompetenzen zei-gen Dronkers & Levels 2007 sowie Levels & Dronkers2008.

21 Wir haben Interaktionen zwischen sämtlichen in Ta-belle 3 einbezogenen Schulmerkmalen und der Variable1./2. Generation geprüft. Tabelle 4 berichtet aus Platz-gründen nur die signifikanten Ergebnisse.22 Wir haben Interaktionen zwischen sämtlichen in Ta-belle 3 einbezogenen Schulmerkmalen mit der Bildung desVaters, der Bildung der Mutter, der Bildungsressourcendes Elternhauses und dem Besitz von Kulturgütern ge-prüft. Aus Platzgründen kann nur eine Auswahl signifi-kanter Befunde präsentiert werden.

Page 16: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

216 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 42, Heft 3, Juni 2013, S. 201–221

Tabelle 4 Cross-Level-Interaktionsmodelle (PISA 2009)

A. Schulmerkmale x 1./2. GenerationJugendlicher mit Migrationshintergrund

M4a M4b M4c

Kovariate Est. (SE) Est. (SE) Est. (SE)

Schulebene

Schule ist Privatschule (0/1) 13,27*** (4,05) 13,94*** (4,30) 14,10*** (4,25)

Leistungskriterien für Schulzulassung (0/1) 13,97*** (3,84) 13,54*** (3,93) 13,95*** (3,74)

Ethnische Zusammensetzung (Anteil Schülermit Migrationshintergrund in %)

–0,15 (0,09) –0,15 (0,09) –0,17(*) (0,09)

IndividualmerkmaleMigrationshintergrund(0 = 1. Generation, 1 = 2. Generation)

14,15*** (1,91) 14,25*** (2,15) 17,44*** (2,40)

InteraktionenMigrationshintergrund x Privatschule –6,04(*) (3,67)

Migrationshintergrund x Leistungskriterien –9,09*** (1,95)

Migrationshintergrund x EthnischeZusammensetzung

–0,22*** (0,06)

Konstante –14,28*** (3,67) –14,06*** (3,67) –13,61*** (3,70)

Log pseudolikelihood –67.604 –67.602 –67.600

B. Schulmerkmale x Bil-dungs- und Kulturkapitaldes Elternhauses

M5a M5b M5c M5d

Kovariate Est. (SE) Est. (SE) Est. (SE) Est. (SE)

SchulebeneLehrermangel gering(Referenzgruppe)

Lehrermangelziemlich gering (0/1)

–3,72 (2,40) –3,97(*) (2,42) –4,04(*) (2,36) –4,31(*) (2,36)

Lehrermangelziemlich hoch(0/1)

–6,22** (2,30) –6,34** (2,33) –6,37** (2,38) –6,46** (2,39)

Lehrermangelhoch (0/1)

–10,45** (3,43) –10,76** (3,44) –10,55** (3,46) –10,58** (3,44)

Soziale Zusammen-setzung (Anteil Elternmit ISCED 5 oder hçherin %)

0,82*** (0,09) 0,83*** (0,09) 0,82*** (0,09) 0,82*** (0,09)

IndividualmerkmaleISCED Mutter 2,16*** (0,63) 2,03* (0,81) 2,48*** (0,77) 2,00* (0,82)

Besitz von Kulturgütern 8,32*** (1,14) 8,57*** (1,04) 8,21*** (1,13) 8,78*** (1,19)

InteraktionenLehrermangel

ziemlich gering xISCED Mutter

–1,82 (1,58)

ziemlich hoch xISCED Mutter

–0,63 (1,22)

hoch x ISCED Mutter –3,88*** (0,82)

Page 17: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

Roland Verwiebe & Bernhard Riederer: Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund 217

Tabelle 4 (Fortsetzung)

B. Schulmerkmale xBildungs- und Kultur-kapital des Elternhauses

M5a M5b M5c M5d

Kovariate Est. (SE) Est. (SE) Est. (SE) Est. (SE)

Lehrermangelziemlich gering xBesitz Kulturgüter

–1,21 (2,45)

ziemlich hoch xBesitz Kulturgüter

–2,06 (1,90)

hoch x BesitzKulturgüter

–4,45*** (1,36)

Soziale Zusammensetzungx ISCED Mutter

0,06** (0,02)

Soziale Zusammensetzungx Besitz Kulturgüter

0,16*** (0,04)

Konstante –14,58*** (3,71) –14,47*** (3,62) –15,30*** (3,76) –14,94*** (3,62)Log pseudolikelihood –67.598 –67.601 –67.601 –67.595

C. Stratifizierung xBildungs- und Kultur-kapital des Elternhauses

M6a M6b M6c M6d

Kovariate Est. (SE) Est. (SE) Est. (SE) Est. (SE)

LänderebeneStratifizierung –0,88 (3,01) –0,82 (3,01) –1,00 (3,04) –1,09 (3,01)

IndividualmerkmaleISCED Vater 2,69* (1,07) 2,68** (1,00) 2,59** (0,96) 2,62** (0,98)

ISCED Mutter 2,03* (0,81) 2,04*** (0,63) 1,98* (0,82) 2,02* (0,81)

Bildungsressourcenim Elternhaus

10,26*** (1,05) 10,23*** (1,07) 10,43*** (0,94) 10,37*** (1,03)

Besitz von Kulturgütern 8,31*** (1,14) 8,32*** (1,12) 8,24*** (1,16) 8,12*** (1,05)

InteraktionenStratifizierung xISCED Vater

–0,86(*) (0,51)

Stratifizierung xISCED Mutter

–1,10*** (0,27)

Stratifizierung xBildungsressourcen

–1,15(*) (0,67)

Stratifizierung x Besitzvon Kulturgütern

–1,29* (0,65)

Konstante –14,59*** (3,70) –14,74*** (3,66) –14,43*** (3,65) –14,48*** (3,64)Log pseudolikelihood –67.601 –67.598 –67.603 –67.602

N Länder 24

N Schulen 5.461

N Jugendliche 23.380

Quelle: PISA 2009; eigene Berechnungen, Koeffizienten eines Random-Intercept Modells mit mittelwertzentrierten Variablen, gewichteteDaten für Schul- und Individualebene. In die Modelle wurden die in Tab. 3 enthaltenen Variablen aufgenommen (Koeffizienten nicht dar-gestellt); (*) p < 0,10; *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001.

Page 18: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

entsprechend unserer theoretischen Annahmen, da-rauf hin, dass die positive Wirkung des Bildungs-niveaus der Eltern, der Verfügbarkeit von Bildungs-ressourcen und kultureller Besitztümer auf dieLesekompetenz von Migranten mit zunehmenderStratifizierung des Bildungssystems abnimmt. Daskçnnte für Länder wie Deutschland bedeuten, dassJugendliche aus solchen Elternhäusern ihr Potenzialaufgrund der Strukturen des Bildungssystems nureingeschränkt entfalten kçnnen. Mçglicherweiseträgt ein hoch stratifiziertes Bildungssystem aberauch dazu dabei, dass Jugendliche, deren Elternüber grçßeres bildungsrelevantes und kulturellesKapital verfügen, in entsprechende Tracks selektiertwerden.

6. Diskussion

Was entscheidet über die Bildungsleistungen vonJugendlichen mit Migrationshintergrund? UnserenErgebnissen zufolge ist es nicht allein die Ebene derIndividuen bzw. Haushalte, wie dies zum BeispielEsser in seinem Fazit zu den PISA-Ergebnissen for-muliert (Esser 2006: 370). Auch die Ebene der insti-tutionellen Besonderheiten von Schulen und jeneder Bildungssysteme und der Migrationspolitik sindzu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Relevantsind die Handlungen individueller Akteure (bzw.Familien) und der institutionelle Kontext sowie dieWechselwirkungen zwischen diesen Ebenen. Es istein Vorzug unserer Analysen, diesen Hauptbefunddurch eine Vielzahl von unterschiedlichen Mehr-ebenenanalysen auch in Hinblick auf zeitliche Sta-bilitäten herausgearbeitet zu haben.

Wir mçchten an dieser Stelle einige Befunde anspre-chen, die aus unserer Sicht besonders instruktivsind, und mçglicherweise Ausgangspunkte für wei-tere Forschung darstellen kçnnten:

Erstens werden in unseren deskriptiven Analysenklare und relativ stabile Differenzen zwischen un-terschiedlichen Typen von Zuwanderergesellschaf-ten deutlich. Zusätzlich konnte gezeigt werden,dass die Kompetenzunterschiede zwischen jungenMigranten und Einheimischen zwischen dem Jahr2000 und 2009 in den meisten Ländern gesunkensind, besonders auch in Deutschland.

Zweitens deuten die Mehrebenenanalysen für dieMakro-Ebene zwar auf eine generelle Relevanz voneinigen Strukturmerkmalen hin, doch sind einigedieser Effekte nicht signifikant, sofern Merkmaleauf Schul- und Individualebene berücksichtigt wer-den. Allerdings weisen u. a. die Cross-Level-Inter-

aktionsmodelle darauf hin, dass Struktureffektenicht bloß additiv, sondern auch im Zusammenspielmit Faktoren der Schulebene bzw. der Ebene derIndividuen Wirkung entfalten. Wir folgern aus die-sen beiden Befunden, dass die Kontexteffekte aufder Makro-Ebene nicht unter allen Bedingungengleich wirken und ihre konkretere Wirkungsweisenäher untersucht werden sollte. In diesem Sinnekçnnten in weiteren Analysen verstärkt Modera-tions- und Mediationseffekte betrachtet werden.

Unsere Studie zeigt drittens, dass Schulen, derenPraktiken und Personalressourcen, ebenso wie diesoziale und ethnische Zusammensetzung der Schü-lerschaft, wesentlich für die Bildungsleistungen vonjugendlichen Migranten sind. Die Cross-Level-Modelle weisen darauf hin, dass auch hier teilweisesehr spezifische Effekte von Schulpolitiken ver-mutet werden kçnnen; wir haben z. B. angedeutet,dass einige Schulcharakteristika relevanter für die1. oder 2. Generation sind. Gerade solche Unter-schiede kçnnte die weitere Forschung aufgreifen.

Viertens bestätigt sich für die individuelle Ebene,dass der sozioçkonomische Hintergrund und daskulturelle Kapital der Eltern sehr relevant für dieLesekompetenzen unserer Untersuchungsgruppesind. Aber auch hier deutet sich eine Spezifik an, dadie positive Wirkung des sozioçkonomischen Hin-tergrunds und des kulturellen Kapitals der Elternauf die Lesekompetenz von Migranten mit zuneh-mender Stratifizierung des Bildungssystems ab-nimmt.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus den in unse-rem Beitrag diskutieren Ergebnissen? Forschungs-politisch wäre eine detailliertere Untersuchung derBildungskompetenzen von Jugendlichen aus Migra-tionshaushalten mithilfe von Längsschnittdatenwünschenswert. Mçglicherweise wird hier fürDeutschland in Zukunft das Nationale Bildungs-panel als Forschungsplattform relevant. Gesell-schaftspolitisch lassen die vorliegenden Befunde –bei aller gebotenen Vorsicht – ebenfalls Schlussfol-gerungen zu. Aus unserer Sicht wäre generell fürwestliche Wohlfahrtsstaaten in Betracht zu ziehen:a) die spezifische Wirkungsweise der Stratifizierungdes Schulsystems und den Nutzen und die Qualitätexistierender Bildungspolitiken genauer zu über-prüfen; damit verbunden b) die Bereitstellung vonangemessenen Schulumwelten sicherzustellen undauch Effekte der sozioçkonomischen und ethni-schen Segregation auf der Ebene von Schulen zu be-denken. Verknüpft man beide Punkte, ergeben sichmçglicherweise besonders im Bereich von Schulenoder Schulbezirken Ansatzpunkte für bildungspoli-

218 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 42, Heft 3, Juni 2013, S. 201–221

Page 19: Die Lesekompetenzen von Jugendlichen mit

tische Reformen. Zudem wäre c) das soziale undvor allem das familiäre Umfeld von Kindern undJugendlichen stärker als bisher zu berücksichtigenbzw. stärker in die Verantwortung zu nehmen, umbildungsfernen Schichten bessere Bildungschancenzu ermçglichen.

Literatur

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Autorenvorstellung

Roland Verwiebe, geb. 1971 in Berlin. Studium der Sozialwissenschaften in Berlin und New York. Ab 1997 wissen-schaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt Universität zu Berlin und der Universität Hamburg. Seit 2009 Universitäts-professor für Sozialstrukturforschung und quantitative Methoden am Institut für Soziologie der Universität Wien.Forschungsschwerpunkte: Ungleichheit, Europäisierung, Arbeitsmarkt, Migration.Wichtige, jüngere Publikationen: Armut in Österreich (Hrsg.), Wien 2011; European Societies. Mapping Structure andChange (mit S. Mau), Bristol 2010; Why Do Europeans Migrate to Berlin? Social-Structural Differences for Migrationbetween 1980 and 2002, International Migration, 2012; zuletzt in dieser Zeitschrift: Die Zunahme der Lohnungleich-heit in der Bundesrepublik, Aktuelle Befunde für den Zeitraum von 1998 bis 2005 (mit J. Giesecke), ZfS 37, 2008:403–422

Bernhard Riederer, geb. 1981 in Graz. Studium der Soziologie und der Volkswirtschaftslehre in Graz. Von 2005 bis2008 Studienassistent am Institut für Europarecht und von 2006 bis 2008 Projektmitarbeiter am Institut für Psychologieder Karl-Franzens-Universität Graz. Seit 2009 Assistent in Ausbildung am Institut für Soziologie der Universität Wien.Forschungsschwerpunkte: Ungleichheit, Familie/Partnerschaft, Demokratie.Jüngere Publikationen: Perceived Justice in the Division of Domestic Labor: Actor and Partner Effects (mit G. Mikulaund O. Bodi), Personal Relationships 19, 2012; Effekte der sozialen Position auf Vertrauen in Politik und Demokratie inÖsterreich (mit R. Teitzer), Österreichische Zeitschrift für Soziologie 37, 2012.

Roland Verwiebe & Bernhard Riederer: Lesekompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund 221