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Die Methode der ‚Kollegialen Beratung’: Die Aktivierung des Selbstlernens als Reflexion der pädagogischen Praxis. Analyse eines Tutoriums im Hauptfach
der Erziehungswissenschaft.
Magisterarbeit zur Erlangung des Grades eines
Magister Artium M.A.
vorgelegt der
Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität
zu Bonn
von Fred F. Schmidt aus Dernbach
Bonn, 30.12.2002
Eidesstattliche Erklärung:
An Eides statt versichere ich, dass die Arbeit
Die Methode der ‚Kollegialen Beratung’: Die Aktivierung des Selbstlernens als Reflexion der pädagogischen Praxis.
Analyse eines Tutoriums im Hauptfach
der Erziehungswissenschaft.
von mir selbst und jede unerlaubte Hilfe angefertigt
wurde, dass sie noch keiner anderen Stelle zur
Prüfung vorgelegen hat, und dass sie weder ganz
noch im Auszug veröffentlicht worden ist. Die Stellen
der Arbeit – einschließlich Tabellen, Karten,
Abbildungen usw., die anderen Werken dem
Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, habe
ich in jedem einzelnen Fall als Entlehnung kenntlich
gemacht.
Inhaltsverzeichnis I
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ........................................................................................................... 1
1.1 Fragestellung ........................................................................................................... 3 1.2 Vorgehensweise ...................................................................................................... 5
2 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen................. 8 2.1 Der Mensch als erkennendes Subjekt:
zum Phänomen der Wirklichkeitskonstruktion im Konstruktivismus ............... 9 2.2 Der systemisch-konstruktivistische Ansatz
als Grundlage weiterer Überlegungen ................................................................ 12 2.2.1 Zum Verständnis von ‚systemisch’ in dieser Arbeit ............................................. 14 2.2.2 Die Unterscheidung einer Inhalts- von einer Beziehungsebene
als besondere Beobachtungsperspektiven in der Pädagogik ............................. 16 2.2.3 Das zugrundeliegende Verständnis eines systemisch-dialogorientierten
Kommunikationsmodells...................................................................................... 18 2.2.3.1 Die zirkuläre Sichtweise ................................................................................... 18 2.2.3.2 Das Symbolische, Imaginäre und Reale einer Erzählung................................ 20 2.2.3.3 Kommunikation aus systemisch-konstruktivistischer Sicht
– eine Frage des Dialogs ................................................................................. 25 2.3 Pädagogische Praxis aus Sicht einer systemischen
Erziehungswissenschaft....................................................................................... 28 2.3.1 Der Ort pädagogischer Praxis als Handlungsfeld ............................................... 29 2.3.2 Zur Bewertung von Situationen in der pädagogischen Praxis ............................ 31 2.3.3 Lernen als konstruktiver Prozess ........................................................................ 33
3 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform............................34 3.1 Entstehungskontexte ‚Kollegialer Beratung oder Supervision’ ....................... 37 3.1.1 Exkurs in die historische Entwicklung supervisionsorientierter Arbeit als
Ursprung der Lernform ........................................................................................ 37 3.1.2 Darstellung der Entstehungskontexte Kollegialer Beratung
als methodische Variante von Supervision ......................................................... 39 3.2 Kollegiale Beratung als begleitete Intervision.................................................... 43 3.3 Der fragmentarische Ansatz der Lernform ......................................................... 44
4 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung zur Reflexion pädagogischer Praxis......................................................................46 4.1 Zur Struktur einer Kollegialen Beratungsübung................................................ 47 4.1.1 Darstellung des Ablaufs verschiedener Kollegialer Beratungsmodelle............... 48 4.1.2 Idealtypische Phasen im Kollegialen Beratungsprozess..................................... 50 4.2 Die Anleitung einer systemisch-dialogorientierten Kommunikation
im Kollegialen Beratungsprozess: (Re)Konstruktion und Dekonstruktion einer Erzählung .................................... 56
4.2.1 Wirklichkeits(re)konstruktion und –dekonstruktion als ‚kollegiale Leistung’ im Beratungsprozess..................................................... 57
4.2.2 Die kollegiale Begegnung im horizontalen Beratungsansatz .............................. 59 4.2.3 Zur Inszenierung dialogischer Wechselspiele im Kollegialen
Beratungsprozess................................................................................................ 61 4.3 Design einer Kollegialen Beratungsübung zur Reflexion
pädagogischer Praxis mit Studierenden der Erziehungswissenschaft........... 65 5 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft
im Hauptfach .....................................................................................................72 5.1 Die TN des Tutoriums ........................................................................................... 72
Inhaltsverzeichnis II
5.2 Ziel der Analyse ..................................................................................................... 73 5.2.1 Das verwendete Material ..................................................................................... 73 5.2.2 Zur Vorgehensweise............................................................................................ 74 5.3 Dokumentation und Bewertung einer praktischen Anwendung
der ‚Kollegialen Beratungsübung zur Aufarbeitung von Praktikumserfahrung’ ........................................................................................... 76
5.3.1 Dokumentation der Reflexionsarbeit anhand eines Fallbeispiels aus dem Tutorium: „Das typische Praktikum“..................................................... 78
5.3.1.1 Die eingebrachte Erfahrungsschilderung von A zu Beginn der Beratungsarbeit......................................................................... 78
5.3.1.2 Kommentare der Kollegialen Berater zu Beginn der Phase der Problemanalyse....................................................... 79
5.3.1.3 Kommentare der Kollegialen Berater auf Frage 3 der Spekulationssphären in Fb1 ................................................... 80
5.3.1.4 Kommentar des Erfahrungsschildernden in Schritt 6 der Übung..................... 81 5.3.2 Bewertung der Fallbearbeitung im Fallbeispiel ................................................... 82 5.4 Bewertung des Tutoriums aus Sicht der TN....................................................... 83 5.5 Kommentierung des Tutoriums aus eigener Sicht ............................................ 85
6 Fazit und Ausblick ............................................................................................87
7 Literaturangaben...............................................................................................91
8 Anhang ..............................................................................................................97
Anhang A: Praktikumsordnung am Institut für Erziehungswissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 01.10.2001 ................ 97
Anhang B: Ausgehändigtes Übungsblatt im Tutorium ‚Kollegiale Beratungsübung zur Aufarbeitung von Praktikumserfahrung’.............. 99
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das Symbolische und Imaginäre einer Erzählung...........................................24
Abbildung 2: „Dialog-Modell methodisch-bewusst und intuitiv-unbewusst“ (aus Schmid 2002: 13) .....................................................................................26
Abbildung 3: „Kennzeichen konstruktivistischen Erwachsenenlernens“ (aus Schüßler 2000: 175).................................................................................34
Abbildung 4: Skizzenhafte Darstellung der Entstehungskontexte Kollegialer Supervision als Beratungsform (in Anlehnung an Thiel 1994: 200ff)...............40
Abbildung 5: „Meta-Dialog“ über einen imaginären Dritten...................................................70
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht des Ablaufs verschiedener Kollegialer Beratungsmodelle....................49
Tabelle 2: Die Phasen des Kollegialen Beratungsprozesses: aktive Rollen und Inhalte.......................................................................................53
2 Einleitung 1
2 Einleitung
“Erziehungswissenschaft ist ein typisches Massenfach, und der
Studienalltag in diesem Fach ist nicht immer leicht zu bewältigen.
Andererseits bietet es – weil es um zentrale Probleme der
menschlichen Existenz, der Entstehung von Persönlichkeit, der
lernenden Aneignung von Welt, der Konstruktion von Wirklichkeit
geht – wie kaum in einem anderen Fach die Chance, Abenteuer
mit dem eigenen Kopf zu erleben.“
(Vogel 2002: 20)
‚Kollegiales’ oder ‚kooperatives Lernen’, was sich aus Gesprächen über
problematisch empfundene Praxiserfahrungen im Austausch mit anderen
Personen ergeben kann, findet in vielen Lebensbereichen statt – auch
unter Studierenden einer Universität. Es scheint häufig relativ zufällig, wie
es zu dem Gespräch kommt bzw. ob und in welcher Weise
unterschiedliche Meinungen dabei auch passend eingebracht werden
können.
In dieser Arbeit wird mit der Methode der Kollegialen Beratung eine, ein
Reflektieren von Praxiserfahrungen und gemeinsames Lernen
ermöglichende, methodisch angeleitete Dialogform für Studierende der
Erziehungswissenschaft vorgestellt. Die Qualität und Wirkung einer
Problembesprechung soll damit möglichst wenig vom Zufall oder von
dominanten Persönlichkeiten abhängig sein.
Eine institutionelle Rahmenbedingung am Institut für Erziehungs-
wissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
begleitet diese Überlegungen in Form der „Praktikumsordnung für den
Magisterstudiengang Erziehungswissenschaft vom 1.10.2001“ (siehe
Anhang A):
„Die Praktikumsordnung regelt die Durchführung der Berufspraktischen
Studien im Magisterstudiengang Erziehungswissenschaft“ (ebd.) an der
Universität Bonn. Gemäß dieser Ordnung ist im „Magisterstudium mit dem
2 Einleitung 2
Hauptfach Erziehungswissenschaft“ (ebd.) die „Ableistung von zwei
Berufspraktika vorgeschrieben“ (ebd.).
Eine als notwendig betrachtete Aufarbeitung von Praktikumserfahrung
verbindet sich in dieser Arbeit mit dem Anliegen, es Studierenden der
Erziehungswissenschaft zu ermöglichen, sich zur Reflexion der erlebten
Erfahrungen in einer methodisch angeleiteten kollegialen (oder
kooperativen) Lernform zu begegnen. Dabei soll es nicht um ein „richtig“
oder „falsch“ von Meinungen gehen, sondern darum, „die Chance“ zu
nutzen „Abenteuer mit dem eigenen Kopf zu erleben“ (Vogel 2002: 20).
Die Erfahrungen mit der Methode Kollegialer Beratung oder Supervision,
wie sie in der Weiterbildung zur Professionalisierung bereits ausgebildeter
pädagogischer Praktiker beispielsweise am „Institut für systemische
Beratung“ in Wiesloch (vgl. Schmid/Hipp/Caspari 2001: 6) betrieben und
wie sie auch mit Studierenden von SIEGRIED ROTERING-STEINBERG
angewendet wurde (vgl. Rotering-Steinberg 2001a: 381ff), weisen in eine
solche Richtung. Supervision als „Praxis-Beratungs-Instrument“ (Rotering-
Steinberg 2001a: 380) ermöglicht es den teilnehmenden Personen,
Praxissituationen beispielhaft und mit einem hohen qualitativen Transfer
auf zukünftige Entwicklungen hin spielerisch zu reflektieren.
Es ist davon auszugehen, dass Studierenden der erlebte Unterschied
zwischen „Theorie und Praxis“ in der erfahrbaren Alltagswelt häufig
begegnet, ohne dabei explizit hinterfragt zu werden. Die Nützlichkeit einer
Verobjektivierung eines möglicherweise erlebten Theorie-Praxis
Unterschieds als „implizite Wahrheit“, verhindert aufgrund
komplexitätsreduzierender Effekte oft den Blick auf lösungsorientierte
Denkoperationen. Mit der Kollegialen Beratung bietet sich eine
methodische Vorgehensweise an unter dem Deckmantel einer «So-tun-
als-ob» Situation in einer Art „hypothetischer Trance“ über sich selbst,
andere und/oder neue Möglichkeiten nachzudenken. Eine solche
methodisch angeleitete kollegiale Lernform wird zu diesem Zweck in
dieser Arbeit innerhalb eines fragmentarischen Lernansatzes als
2 Einleitung 3
didaktisches Mittel im Studium der Erziehungswissenschaft favorisiert und
eine geeignete Kollegiale Beratungsübung zu entwickeln versucht. Der
Fokus liegt dabei auf dem praktischen Nutzen einer zu entwickelnden
Kollegialen Beratungsübung zur Aufarbeitung von Praktikumserfahrungen,
der aus einer systemisch orientierten Betrachtungsweise heraus gesetzt
wird.
Unter ‚systemisch’ ist im Folgenden als erste definitorische Eingrenzung
eine Betrachtungsweise gemeint, die sich mit WOLFGANG EBERT (2001) wie
folgt beschreiben lässt: „Die systemische Sichtweise postuliert in
Abgrenzung zur reduktionistischen Sichtweise, daß einzelne isolierte
Phänomene nur als Teil einer komplexen Grundgesamtheit zu verstehen
sind. Das Erkenntnisobjekt wird als Ganzes betrachtet und auf der
Grundlage zahlreicher Rückkopplungen zwischen den einzelnen Teilen
der Grundgesamtheit ist das Ganze mehr als die Summer seiner Teile“
(Ebert 2001: 87).
Auf den Kontext einer Beratungssituation (ratsuchende Person trifft als
Klient auf beratende Person) bezogen, wie sie über eine Kollegiale
Beratungsübung in dieser Arbeit angeleitet werden soll, bedeutet dies mit
BERND SCHMID (1989) eine Betrachtungsweise, „die jedes Ereignis und
jeden Teil eines Klientensystems mit anderen vernetzt sieht, so wie ein
Teil eines Mobiles mit allen anderen in Verbindung steht. Systemische
Betrachtungs- und Vorgehensweisen beziehen diesen wechselseitigen
Beeinflussungszusammenhang ausdrücklich mit ein und versuchen eine
bewusste Entscheidung darüber zu treffen, welche Elemente des Mobiles
(etwa bei einer Organisation) bei unserer Arbeit mitbetrachtet und welche
Elemente direkt oder indirekt beeinflusst werden“ (Schmid 1989: 49).
2.1 Fragestellung
Die Praktikumsordnung „gilt für Studierende, die ihr Studium im oder nach
dem Sommersemester 2001 aufgenommen haben und bezüglich des
Blockpraktikums für alle Studierenden, die ihre Zwischenprüfung im oder
nach dem Sommersemester 2001 abgelegt haben“ (Anhang A). Dieser
Umstand ist von Bedeutung, da die Bearbeitung der Fragestellung als
2 Einleitung 4
Beitrag zur Implementierung begleitender Maßnahmen zur Aufarbeitung
von Praktikumserfahrungen gedacht ist.
Die Zweckmäßigkeit einer Integration supervisionsorientierter
Arbeitsformen in die universitäre Ausbildung von Pädagogen oder
Erziehungswissenschaftlern (beide Bezeichnungen werden i.d.A.
weitestgehend synonym verwendet) scheint im Allgemeinen unbestritten
(vgl. u.a. Belardi 2000: 373; Huber 2001: 429, Huschke-Rhein 1998a: 48,
Rotering-Steinberg 2001a: 381). Die Argumentation in der
wissenschaftlichen Debatte über Supervision als ‚Hilfe zur Selbsthilfe’ wird
dabei nicht sehr trennscharf aus zwei Perspektiven geführt: zum Einen mit
dem primären Fokus auf professionell oder expertInnengeleiteten und zum
Anderen auf kollegialen oder intervisionsorientierten Anwendungen (vgl.
Thiel 1994).1 Ein methodisches und damit didaktisches Problem der
Umsetzung lässt sich für beide Ausrichtungen in fehlenden
Praxiserfahrungen der Studierenden verorten. Besonders im Hinblick auf
rein kollegial oder kooperativ orientierter Anwendung supervisions-
orientierter Konzepte gewinnen eingebrachte Fallbeispiele keinesfalls an
Transferqualität, wenn die Ideen der TeilnehmerInnen nicht aus
persönlichen Erlebnissen generiert werden können. In Ermangelung
individuell erlebter Praxiserfahrungen bewegen sich Beiträge und
Bemerkungen dann unter Umständen eher von einer Sachebene weg und
lösen durchaus emotionale Irritation(en) aus. Möglicherweise liegt hier ein
Grund für die fehlende Trennschärfe in der wissenschaftlichen Debatte um
diese beiden Anwendungsperspektiven, wenn auf eine/n ausgebildete/n
Supervisor/in in Bezug auf die Arbeit mit Studierenden nicht gänzlich
verzichtet wird. Persönlichkeitsbezogene Dynamiken der TeilnehmerInnen
gewinnen Entfaltungsspielraum, der im ungünstigen Fall eine
professionelle Steuerung in der Lerngruppe braucht, um im kollegialen
Lernarrangement zu bleiben. D.h. gruppendynamisch relevante Einfluss-
1 Im Gegensatz zu ‚Supervision’ verweist ‚Intervision’ auch begrifflich auf eine rein
kooperative Anwendung supervisionsorientierter Arbeit, was im Laufe der Arbeit noch
detaillierter ausgeführt wird (siehe Kapitel 4.2 i.d.A.).
2 Einleitung 5
faktoren wie Motivation und Haltung der TeinlnehmerInnen können dann
umso entscheidender ein gutes Gelingen des kollegialen Austauschs
verhindern (vgl. Rotering-Steinberg 2001a: 382). „Gut“ steht in dem
Zusammenhang für eine gelingende Versorgung des Fallgebers mit Ideen
und Meinungen, die sein Thema betreffen – sofern dies die Zielsetzung
der Fallberatung war.
Die Überlegungen in der vorliegenden Arbeit gehen gezielt der Frage
nach, welchen Beitrag eine intervisionsorientierte Form der Kollegialen
Beratungsmethode für Studierende der Erziehungswissenschaft leisten
kann. Dabei steht auch im Theorieteil das Ziel im Vordergrund, die
Zweckmäßigkeit der Methode weniger im Hinblick auf den Kontext
subjektiver Lerntheorien (vgl. dazu u.a. Rotering-Steinberg 1983: 71ff,
Schreyögg 1992: 86ff, Wahl 1991), als hinsichtlich der ablaufenden
Kollegialen Beratungsarbeit als Reflexion pädagogischer Praxis in den
Blick zu nehmen. Mit der Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der
Erziehungswissenschaft im Hauptfach wird an einem Fallbeispiel eine
experimentelle, praktische Anwendung auf deren Leistung hin überprüft.
Die zu diesem Zweck in der Arbeit verwendete Kollegiale Beratung (oder
Supervision) aus der systemischen Beratungspraxis kann hier als
begleitete Intervision im Sinne einer strukturierten und moderierten
kollegialen Praxisberatung verstanden werden.
Im Unterschied zu einer expertInnengeleiteten Supervision als
Ursprungsform der Methode wird mit dem Verzicht auf den Begriff
‚Supervision’ im Titel der Arbeit auch terminologisch auf eine von
Studierenden der Erziehungswissenschaft selbsttätig durchführbare
kooperative Form organisierten Selbstlernens hingewiesen.
2.2 Vorgehensweise
Den theoretischen Referenzrahmen der Fragestellung bildet ein
systemisch-konstruktivistischer Ansatz, der neben dem zugrunde-
liegenden Menschenbild eine theoretische Betrachtung der Lernform
ermöglicht. Aus der Fülle zur Verfügung stehender Literatur
2 Einleitung 6
konstruktivistischer Denkmodelle beschränke ich mich hauptsächlich auf
eine ‚systemisch-konstruktivistische’ oder auch als ‚interaktionistisch-
konstruktivistische’ bezeichnete Pädagogik nach KERSTEN REICH (Vgl.
Reich 2002). Daneben beziehe ich mich auf Veröffentlichungen von
BERND SCHMID (u.a. Schmid 1989, 2000, 2002), der an seinem „Institut für
systemische Beratung“ in Wiesloch (bei Heidelberg) eine
intervisionsorientierte Form Kollegialer Beratung im Rahmen angebotener
Weiterbildungsmaßnahmen lehrt und anwendet. Besonders sein „Dialog-
Modell“ (Schmid 2002: 13) findet bei einer Betrachtung von
Kommunikation aus systemisch-konstruktivistischer Perspektive eine
geeignete Verwendung. Die theoretischen Überlegungen hinsichtlich einer
erwünschten Praktikabilität in Bezug auf die Fragestellung in der
pädagogischen Praxis sind überwiegend von den Ansätzen einer
‚Systemischen Erziehungswissenschaft’ nach ROLF HUSCHKE-RHEIN
(Huschke-Rhein 1987, 1998a, 1998b) beeinflusst. Ergänzt werden diese
von didaktischen Überlegungen aus konstruktivistischer Sicht nach HORST
SIEBERT (Siebert 2000) und INGEBORG SCHÜßLER (Schüßler 2000).
Wie im ersten Teil der Arbeit (Kapitel 2 i.d.A.) gezeigt wird, lassen sich
ebenda die zugrundeliegenden theoretischen Annahmen der hier
aufgezeigten systemisch-konstruktivistisch geleiteten Überlegungen
verifizieren. Darüber hinaus lässt sich aus den sich dabei ergebenden
Annahmen über die Konstruktion von Wirklichkeit und pädagogischer
Praxis eine zentrale These entwickeln:
Studierende der Erziehungswissenschaft können mit der Methode
Kollegialer Beratung dabei unterstützt werden, eine erlebte Praxissituation
im Modus ihrer und anderer Wirklichkeitsvorstellungen selbstlernend zu
reflektieren.
Der zweite Teil der Arbeit (Kapitel 3 i.d.A.) widmet sich einer Annäherung
an den Gegenstand der Fragestellung, der ‚Kollegialen Beratung’. Die
intervisionsorientierte Kollegiale Beratungsform, deren Einsatz mit der
Fragestellung nachgegangen wird, entwickelte sich ursprünglich
methodisch aus supervisionsorientierten Arbeitsweisen. Als besonders
2 Einleitung 7
geeignet erscheinen mir dabei die Arbeiten von ULRICH THIEL (Thiel 1994,
1998) um die Entstehungskontexte von Kollegialer Beratung als
methodische Variante von Supervision zu betrachten. Die Ausgangslage
weiterer Überlegungen bildet eine intervisionsorientierte kollegiale
Beratungsform in einem horizontalen Ansatz, wie sie beispielsweise von
JEROEN HENDRIKSEN (Hendriksen 2002) in den Niederlanden praktiziert
wird. Die Arbeiten von SIGRID ROTERING-STEINBERG zur Kollegialen
Supervision (Rotering-Steinberg 1983, 1995, 2001a, 2001b) fließen dabei
immer wieder in die Überlegungen mit ein. Daran anschließend wird der
fragmentarische Ansatz der Lernform erläutert, um dann den dritten Teil der Arbeit (Kapitel 4 i.d.A.) der Struktur und konkreten Entwicklung einer
intervisionsorientierten ‚Kollegialen Beratungsübung zur Reflexion
pädagogischer Praxis unter Studierenden der Erziehungswissenschaften’
zu widmen. Nach Sichtung vorhandener Leitfäden zur Durchführung der
Methode lassen sich verschiedene Phasen im Kollegialen
Beratungsprozess explorieren, deren unterschiedliche inhaltliche
Ausrichtung und Gewichtung dabei vorgestellt werden sollen. Das am
Ende dieses Teiles präsentierte Design einer „Kollegialen Beratungsübung
zur Aufarbeitung von Praktikumserfahrung unter Studierenden der
Erziehungswissenschaft“ orientiert sich nach den ebenda dargestellten
Rollenaktivitäten der teilnehmenden Personen und Inhalten der jeweiligen
Teilprozesse, sowie den in dieser Arbeit angestellten Überlegungen.
Im folgenden vierten Teil der Arbeit (Kapitel 5 i.d.A.) liefere ich mit der
Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im
Hauptfach eine exemplarische Bewertung der entwickelten Kollegialen
Beratungsübung im praktischen Einsatz. ‚Analyse eines Tutoriums’ soll
dabei darauf hinweisen, dass die Fragestellung in dieser Arbeit neben den
theoretischen Überlegungen über eine experimentelle Anwendung mit
einer kleinen Gruppe von Studierenden praxisorientiert beleuchtet wird.
Das zuvor präsentierte Design einer Kollegialen Beratungsübung wurde
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 8
dazu unter eigener Anleitung in einer einmaligen Sitzung mit 4
Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach durchgeführt und
auf Tonband aufgenommen.
Da es sich in der didaktischen Ausrichtung dabei in erster Linie um eine
„personenzentrierte Qualifizierungsmaßnahme“ (Schmid/Fauser 1994: 4)
handelt, werden im Rahmen vorliegender Arbeit in die Universität
rückwirkende systemqualifizierende Merkmale (z.B. als Beitrag zur
Qualitätsentwicklung von „Universität als lernender Organisation“) nicht
weiter in den Blick genommen.
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen
Die Überprüfung der zentralen These, dass sich Kollegiale Beratung als
methodisch angeleitete Lernform eignet, um Praktikumserfahrung von
Studierenden der Erziehungswissenschaft aufzuarbeiten, fand mit der
Einleitung bereits dahingehend statt, dass eine erste Bedingung geklärt
wurde, die als relevant für die hier angestellten Überlegungen gilt. Dabei
stellte sich heraus, dass eine den Einsatz Kollegialer Beratung betreffende
Rahmenbedingung erfüllt werden kann:
Da der Nachweis eines Praktikums für Studierende der
Erziehungswissenschaft im Grund- und Hauptstudium an der Universität
Bonn m.E. verpflichtender Bestandteil der universitären Ausbildung ist,
muss davon ausgegangen werden, dass Praxiserfahrung von
Studierenden gesammelt wird.
Bevor auf Kollegiale Beratung als Lernform und die Struktur und
Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung im Kontext der
Fragestellung eingegangen wird, liefere ich folgend mit systemisch-
konstruktivistisch geleiteten Ausgangsüberlegungen den theoretischen
Hintergrund der Arbeit. Darin enthaltend dienen zwei für wesentlich
betrachtete theoretische Implikationen der Lernform, der Entwicklung einer
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 9
systemisch-dialogischen Kommunikation, wie sie über die Kollegiale
Beratungsübung angeleitet werden soll:
• Das Phänomen der Wirklichkeitskonstruktion im Konstruktivismus zur
Klärung des zugrundeliegenden Menschenbildes.
• Ein systemisch-konstruktivistischer Ansatz und darin implementierte
lerntheoretische Aspekte als den hier vertretenen Ansatz
konstruktivistischer Theorie und theoretischen Referenzrahmen der
Arbeit.
3.1 Der Mensch als erkennendes Subjekt: zum Phänomen der Wirklichkeitskonstruktion im Konstruktivismus
Das der Kollegialen Beratungsmethode zugrundeliegende Menschenbild
und daraus resultierenden lerntheoretischen Überlegungen beruhen in
erster Linie auf Grundannahmen eines konstruktivistisch geleiteten
Theorieansatzes (vgl. u.a. Thiel 1994: 203). Wirklichkeit wird dabei nicht
abgebildet sondern vom Menschen als erkennendes Subjekt intersubjektiv
hergestellt. Diese hier als ‚Phänomen der Wirklichkeitskonstruktion’
bezeichnete Annahme wird vor allem im sogenannten Konstruktivismus
theoretisch bearbeitet.
Konstruktivismus beschreibt eine erkenntnistheoretische Position, die
Grundfragen epistemologischer Betrachtungen zu klären versucht.2 Der
Mensch gewinnt dabei als erkennendes Subjekt in der Rolle eines
Beobachters an grundlegender Bedeutung für anzustellende Annahmen
über Denk- und Handlungsprozesse.
Die erkenntnistheoretische Auseinandersetzung findet innerhalb
konstruktivistischer Denkmodelle in unterschiedlicher Ausprägung statt.
KARIN KNORR-CETINA (1989) bezeichnet die Vielfalt theoretischer
2 Bezüglich Grundfragen epistemologischer Betrachtungen i.S. von „wann gilt eine
Erkenntnis als Erkenntnis?“ vgl. Fischer 1995: 13-18.
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 10
Konstrukte, die dem interessierten Leser dabei begegnen, als
unterschiedliche „Spielarten des Konstruktivismus“ (Knorr-Cetina 1989).3
Bei der Suche nach möglichen Antworten auf erkenntnistheoretische
Fragen erklären Vertreter eines Radikalen Konstruktivismus ein (radikales)
Paradigma, indem Erkenntnis nur als Konstruktionsprozess eines
erkennenden Subjekts (=Beobachter) zu verstehen ist. D.h. jede
Wirklichkeit wird als das Produkt dieses Prozesses, als Konstruktion des
erkennenden Subjekts betrachtet. Im Unterschied zu einem ‚gemäßigten’
Konstruktivismus verneinen Vertreter eines Radikalen Konstruktivismus
konsequent eine objektive Wirklichkeit als vorhandene Realität.
Konsequent, als dass ein Vorhandensein objektiver Wirklichkeit im Sinne
eines ‚Ding’s an sich’ (Kant) aufgrund unterstellter Unmöglichkeit einer
rationalen Beweiserbringung verneint wird (vgl. von Foerster 2000: 54).
Der Lernende konstruiert sich nach diesem Verständnis genauso wie der
Lehrende seine - und nur seine - subjektiv erfahrbare Wirklichkeit. Soweit
ERNST VON GLASERSFELD (1995, 1996), als einer der Gründerväter des
Radikalen Konstruktivismus, Richtungen ‚gemäßigt’ konstruktivistischer
Theorie versteht, „ist es die Radikale Auffassung, daß die ontische Welt
unerkennbar ist und bleiben muß, die man da vermeiden möchte“ (von
Glasersfeld 1995: 44).
Da sich der Radikale Konstruktivismus nicht selbst als objektive Realität
vorstellen kann, kommentiert er in Abhängigkeit von dem jeweiligen
Erfahrungswissen beobachtbare Wirklichkeiten. Dies als angebotene
Lösung auf ein als Dilemma konstruktivistischer Radikalität formulierbares
3 Der Psychotherapeut und vielzitierte Autor im Kontext konstruktivistischer
Überlegungen Paul Watzlawick über den Begriff „Konstruktivismus“: „Für [...] die
vermeintliche Entdeckung der Wirklichkeit beginnt sich in den letzten Jahren aus dem
anglo-amerikanischen Sprachbereich bedauerlicherweise der Ausdruck
Konstruktivismus durchzusetzen - bedauerlicherweise deshalb, weil er erstens in der
traditionellen Philosophie bereits in einer etwas anderen Bedeutung verwendet wird;
zweitens, weil er in den frühen zwanziger Jahren für eine kurzlebige Bewegung in der
bildenden Kunst und Architektur der Sowjetunion stand; und drittens, weil er im
Deutschen häßlich klingt.“ (Watzlawick 2000: 10)
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 11
Phänomen, bezeichnen einige AutorInnen häufig auch als
„epistemologischen Solipsismus“ (Schmidt 2000: 35, vgl. ebd.: 40 und
Fischer 1995: 24). Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht muss diese
Kritik hinsichtlich der Praktikabilität des ‚Radikalen Konstruktivismus’ für
pädagogische Betrachtungen überprüft werden.
Eine erkenntnistheoretische Diskussion erscheint aus dieser Perspektive
wenig sinnvoll derart, ob und dass das „«Objekt» der Beobachtung“
(Maturana 2001: 78f) für das menschliche Gehirn nicht kongruent
abbildbar ist. Insofern veranschaulicht die Radikalität im Radikalen
Konstruktivismus vor allem die neurologischen Bedingungen des
Wahrnehmungsprozesses.4
Mit SIEBERT ist der Konstruktivismus für die Erziehungswissenschaft eine
„praktische“ Theorie, die erklärt „warum sich die Konstrukte der Lehrenden
und der Teilnehmenden signifikant unterscheiden. Die Sitzordnung
manifestiert die Perspektive: Lehrende beobachten die Teilnehmer/innen,
diese wiederum beobachten die Lehrpersonen“ (Siebert 2000: 21). Der in
dieser Arbeit vertretene ‚gemäßigte’ Konstruktivismus beruht auf einem
systemisch-konstruktivistischen oder interaktionistisch-konstruktivistischen
Ansatz (vgl. Reich 2002, Huschke-Rhein 1987, 1998a, 1998b), der eine
sozial konstruierte „Objektivität“ als Wirklichkeit hinnimmt.5 Wenn von
Interaktion gesprochen wird, wird dabei sowohl von einem „individuum-
zentrierten“ (Schreyögg 1992: 195) als auch einem auf gegenseitige
Beeinflussung beruhenden Konzept ausgegangen (vgl. ebd.: 195ff).
Der Erkenntnisvorgang selbst mit dem Ziel einer ‚viablen’ (von
Glasersfeld), d.h. passenden Konstruktion von Wirklichkeit bleibt dabei
durchaus subjektgebunden (vgl. Fischer 1995: 22f). Der Begriff der
Viabilität ersetzt „im Bereich der Erfahrung den traditionellen
4 Ein weiteres Zitieren der Vertreter eines Radikalen Konstruktivismus muss im Rahmen
vorliegender Überlegungen in dem Zusammenhang gesehen werden. 5 Auch bekannt als ‚Thomas-Theorem’; zur sozial konstruierten „Objektivität“ vgl. auch
Berger/Luckmann 1970.
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 12
philosophischen Wahrheitsbegriff, der eine »korrekte« Abbildung der
Realität bestimmt. Diese Substitution ändert natürlich nichts am
Alltagsbegriff der Wahrheit, der die getreuliche Wiederholung oder
Beschreibung einer Erfahrung bedeutet“ (von Glasersfeld 1996: 43).
Erfahrung meint dabei Kognition, die sich als eine Adaption von
Verhaltensweisen beschreiben lässt, die im Glasersfeld’schen Sinne dann
als ‚viabel’, als sinnvoll und passend erscheinen. Die Abhängigkeit vom
erkennenden Subjekt wird – da es als Erzeuger (s)einer äußeren
(objektiven) Realität gilt – in dem hier vertretenen Ansatz um soziale
Implementierungen erweitert. Ein solcher Ansatz fokussiert damit den
Prozess der Herstellung bzw. Konstruktion einer kognitiven Welt und
deren bedingende Faktoren. Die Existenz bzw. die Realität der äußeren
Welt wird nicht dementiert; bestritten wird eine „soziologisch-
funktionalistisch“ (Reich 2002: VII) betrachtete „unbefleckte Empfängnis
der Wahrheit“ (Luhmann 1990: 71) über eine ontisch verfasste äußere
Welt.6
3.2 Der systemisch-konstruktivistische Ansatz als Grundlage weiterer Überlegungen
Im Vergleich mit primär biologisch verfassten (und meist radikal
konstruktivistischen) Ansätzen konstruktivistischer Theoriebildung, die
entscheidend von HUMBERTO MATURANA, FRANCISO VARELA und ERNST VON
GLASERSFELD geprägt wurden (vgl. u.a.: Maturana 2001, Maturana/Varela
1987, Glasersfeld 1996), berücksichtigt ein systemisch-konstruktivistischer
Ansatz nach KERSTEN REICH – als Grundlage weiterer Überlegungen – vor
allem „Erfahrung“, „individuelles Befinden“, „soziale Wahrnehmung“ (Reich
2002: 20f) und deren vernetzte Wirkungsdynamiken als pädagogisch
6 „Ferner gelten konventionalistische oder konstruktivistische Wissenschaftskonzepte in
der Wissenschaftssoziologie heute als akzeptiert mit der Folge, daß die Frage nach
den erkenntnisverzerrenden Interessen (die vorausgesetzt hatten, daß es eine
unbefleckte Empfängnis der Wahrheit gibt) ersetzt wird durch die Frage nach der
historischen Vorherrschaft bestimmter Paradigmata, Konventionen, Konstruktionen,
Systematisierungen des Wissens.“ (Luhmann 1990: 71)
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 13
relevante Einflussfaktoren auf den Wahrnehmungs- und
Kommunikationsprozess (vgl. ebd.).
Eine ausführliche Darstellung des systemisch-konstruktivistischen
Ansatzes für pädagogische Betrachtungen und Abgrenzung zu anderen
Ansätzen konstruktivistischer Theorien, liefert REICH mit einer „systemisch-
konstruktivistischen Pädagogik“ (Reich 2002). Aus diesem Ansatz werden
– um die Komplexität darinliegender Gedanken zu würdigen – folgend nur
solche genannt, die als relevante Grundlage weiterer Überlegungen gelten
(was sich sprachlich teilweise in den Überschriftformulierungen
niederschlägt). Ergänzend werden dabei Überlegungen und Modelle von
BERND SCHMID (u.a. Schmid 2000, 2002) einbezogen, wenn sie in Bezug
auf die Fragestellung als theoretisch geeignet eingeordnet werden
können. Daneben werden Annahmen einer systemischen
Erziehungswissenschaft nach ROLF HUSCHKE-RHEIN (Huschke-Rhein
1987, 1998a, 1998b) integriert, die ebenfalls Basisüberlegungen dieser
Arbeit enthalten.
Zu Beginn folgt eine Erläuterung zum Verständnis des Begriffs
‚systemisch’, wie er in dieser Arbeit verwendet wird. Was speziell unter
einer systemischen Betrachtung konstruktivistisch geleiteter und
pädagogisch relevanter Überlegungen gemeint ist, verdeutlicht die
Unterscheidung einer Inhalts- von einer Beziehungsebene als besondere
Beobachtungsperspektiven in der Pädagogik (Reich 2002: 51ff). Auf
dieser Grundüberlegung basiert die Entwicklung eines systemisch-
dialogischen Kommunikationsmodells, welches hier über das „Dialog-
Modell“ nach SCHMID (2002: 13) vorgestellt wird.
Ebenfalls für weitere Überlegungen notwendig erscheint in Bezug auf die
Fragestellung eine Darstellung von ‚pädagogischer Praxis’ aus Sicht einer
systemisch-konstruktivistisch ausgerichteten Erziehungswissenschaft. Der
Ort pädagogischer Praxis wird dabei als Handlungsfeld betrachtet,
innerhalb dessen die Bewertung von Situationen als pädagogische
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 14
Kompetenz charakterisiert wird. Lernen wird als ein aktiver, konstruktiver
Prozess verstanden.
3.2.1 Zum Verständnis von ‚systemisch’ in dieser Arbeit
Das dieser Arbeit zugrundeliegende begriffliche Verständnis von
‚systemisch’ bezieht sich auf die Notwendigkeit, die aus
konstruktivistischen Annahmen resultierende Vielzahl konstruierter
Wirklichkeiten in einer Betrachtungsweise über oder auf diese Wirklichkeit
abzubilden.7
Unter ‚systemisch’ ist hier in Anlehnung an REICH (2002) insofern kein
Begriff zu verstehen, „der Unterscheidungen eines Systems als
Beobachtungen markiert, die dann eindeutig, übersichtlich, etwa als
wissenschaftliches Regelwerk oder pädagogische Technik zu
Beobachtern zurückkehren, sondern die stets subjektiv, singulär,
ereignisreich und widersprüchlich an die Beobachter in ihren Beziehungen
selbst zurückgekoppelt bleiben und über diese vermittelt werden“ (Reich
2002: 285). Eine solchermaßen systemisch orientierte Erziehungs-
wissenschaft als eine von einem systemisch-konstruktivistischen Ansatz
geleitete Pädagogik, erkennt mit HUSCHKE-RHEIN, dass „die Rede von
‘Systemen’ grundsätzlich ein Konstrukt des Beobachters darstellt“
(Huschke-Rhein 1998a: 14). Mit dem hier vertretenen Ansatz gilt dabei
auch, dass wirkende Systeme zudem von mehreren Beobachtern
konstruiert werden. Für die pädagogische Arbeit liegt die Bedeutung einer
systemischen Erziehungswissenschaft in systemtheoretisch
ausformulierten Konsequenzen, denn „der Erziehungs- und
Bildungsprozeß“ kann „als eine Form der Ko-Konstruktion oder der Ko-
7 „Zur Terminologie: ‚Erziehungswissenschaft’ ist die Wissenschaft von der Erziehung;
sie umfaßt traditionell die beiden Hauptgebiete: 1.Theorie und 2.Praxeologie der
Erziehung. Genau für diese beiden Hauptgebiete ist auch der Terminus ‚Pädagogik’
gebräuchlich, der aber traditionell drittens noch die Praxis der Erziehung als Praxis
bezeichnet. – Insofern sind die Begriffe ‚Systemische Pädagogik’ und ‚Systemische
Erziehungswissenschaft’ konvertibel, wenn auch nicht semantisch gleichbedeutend.“
(Huschke-Rhein 1998a: 7, vgl. Reich 2002: 17)
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 15
Evolution biologischer (körperlicher), psychischer und sozialer Systeme
angesehen werden“ (ebd. 13).
Die Trennung in unterschiedliche Systeme, die alle vernetzt aufeinander
wirken, spielt eine zentrale Rolle für weitere Überlegungen. Eine so
verstandene Herangehensweise ist gemeint, wenn von systemisch
gesprochen wird. Zur Verdeutlichung einer in der Weise (so betrachtet
„passend“ auf kybernetische Denkmodelle verweisend) geführten
Betrachtung, nennen systemisch orientierte AutorInnen häufig eine auf
GREGORY BATESON zurückgehende Analogie (vgl. u.a. Reich 2002: 56,
Schmid 2000: 32, Watzlawick u.a. 1990: 30) 8:
„Wenn man einen Stein, dessen Gewicht, Form und Größe bekannt ist, in
einem bestimmten Winkel mit einer bestimmten Kraft tritt, dann kann man
ziemlich genau vorhersagen, in welcher ballistischen Flugbahn der Stein
fliegen und wo er landen wird. Wenn man jedoch einen Hund tritt, ist das
anders.“ (Schmid 2000: 32) 9
Es verdeutlicht das systemische Verständnis von Systemen, als sich
selbstreferentiell stabilisierende Phänomene, was sich in der häufig
verwendeten Bezeichnung „lebende Systeme“ (ebd.) widerspiegelt.
Selbstreferenz bezieht sich auf „den Umstand, daß ein System von
Beobachtern Unterscheidungen trifft, die das definieren, was das System
bedeutet“ (Reich 2002: 26). Für die Wissenschaftslehre bedeutet diese
Systembetrachtung, dass „jeder wissenschaftliche Satz in den
8 „Passend“ in Anführungszeichen deshalb, weil das Bild einer „nicht-trivialen Maschine“
(von Foerster 2000: 64) von einem technischen Beziehungsverständnis geprägt die
inhaltlichen Zusammenhänge auf dahingehende Un-Regelhaftigkeit hin überprüft –
insofern eignet sich diese Herangehensweise um an Beziehungsverständnisse
anzukoppeln. Als Metapher eignet sie sich sprachlich für theoretische Betrachtungen
daher nur begrenzt wenn pädagogische Prozesse in den Blick genommen werden. 9 Verkürzte Wiedergabe der Analogie nach Schmid 2000: 32; Originalversion
zurückzuführen auf: „Bateson, Gregory: «The Group Dynamics of Schizophrenia», in
Lawrence Appleby, Jordan M. Scher und John Cumming (Herausgeber), Chronic
Schizophrenia. Exploration in Theory and Treatment. The Free Press, Glencoe, I11.,
1960, S.90-105.” (Watzlawick u.a. 1990: 255)
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 16
Erziehungs- und Sozialwissenschaften auf die Teilsysteme Subjekt,
Gesellschaft und Natur zu beziehen ist“ (Huschke-Rhein 1987: 4).
HUSCHKE-RHEIN (1998) formuliert für systemisch-konstruktivistisch
orientierte Überlegungen in der Pädagogik: „Wenn kein Gehirn einen
‘direkten Umweltkontakt’ besitzt, sondern jeweils auf der Grundlage seiner
Selbstkonstruktionsfähigkeiten operiert und operieren muß, so können
auch ErzieherInnen nicht auf direktem Wege in das Gehirn eines anderen
eindringen, sie können - und dürfen - dies auch nicht gleichsam auf dem
Befehlswege oder, wie es der Terminus Maturanas ausdrückt, durch
‘instruktive Intervention’ tun, sondern arbeiten selber prinzipiell unter dem
‘Instruktionsverdikt’ und unter dem Vorbehalt der
Selbstorganisationsfähigkeit ihrer Kunden. Darum kann jeder
pädagogische Akt seiner Struktur nach als ‘Konsultation’, als Beratung
beschrieben und verstanden werden“ (Huschke-Rhein 1998a: 15).
Zum „Kernstück einer systemisch-konstruktivistischen Pädagogik“ zählt
REICH die aus kommunikationstheoretischen Überlegungen bekannte (vgl.
Watzlawick u.a. 1990: 53ff) „Unterscheidung einer Inhalts- von einer
Beziehungsebene“ (Reich 2002: IX).
3.2.2 Die Unterscheidung einer Inhalts- von einer Beziehungsebene als besondere Beobachtungsperspektiven in der Pädagogik
REICH (2002) führt eine Unterscheidung einer Inhalts- von einer
Beziehungsebene als zwei besondere Beobachtungsperspektiven in der
Pädagogik als „Sprachspiel“ (Reich 2002: 51) ein, um die
Beziehungsebene als favorisierten Gegenstand seiner und der
Betrachtungen pädagogisch wirkend wollender Personen zu betonen.10
Ausgehend davon, dass der Mensch als erkennendes Subjekt immer als
Beobachter auftritt (=konstruktivistische Annahme), lassen sich – auch
10 Er bezeichnet die „Pädagogik der Gegenwart“ als „ein Entwicklungsland, weil sie die
Beziehungsebene bis heute unterbewertet.“ (Reich 2002:51)
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 17
rückwirkend – zwei ineinandergreifende Perspektiven bei der Betrachtung
von Wirklichkeiten einnehmen: eine die inhaltlichen Informationen
(=kausale Betrachtung) und eine die Beziehungswirklichkeiten
(=systemische Betrachtung) in den Blick nehmende.
Inhaltliche Zusammenhänge werden meist als Determinanten
unhinterfragt akzeptiert. Die Wirkung konstruierter und als ontisch verfasst
wahrgenommener Zusammenhänge in der Bewerbung von
Markenprodukten verdeutlicht ein mögliches Ungleichgewicht fokussierter
Aufmerksamkeit:
Das der aus der Zigarettenwerbung bekannte „Marlboro-Mann“ früher als
biologisch erwartet an Lungenkrebs versterben wird, interessiert den
„Marlboro-Raucher“ scheinbar weniger als zu erwarten wäre. Ein Blick auf
die Beziehungsebene würde den Zusammenhang von Freiheit und Nikotin
ad absurdum führen und den von Krebs und Nikotin beginnen zu
hinterfragen.
REICH bezeichnet dieses Phänomen als „ein altes Menschheitsdrama“
(Reich 2002: 51), was sich beispielsweise bereits in der Antike über eine
göttliche Allmacht und damit gebotener Unmöglichkeit eines Hinterfragens
menschlich wahrnehmbarer Beziehungswirklichkeiten ablesen lässt (vgl.
ebd.).11 Bezüglich eines komplexitätsreduzierenden Effekts ist eine an der
Kausalität der Inhaltsebene interessierte Betrachtung notwendig und
sinnvoll – vor allem wenn es um technische Informationen geht.
Interaktionistisch konstruierte – und hier als kulturelle Implementierungen
zu verstehende – Beziehungswirklichkeiten dienen ebenso nicht zuletzt
der Strukturierung von Informationsgewinnungsprozessen. Aus
systemischer Sicht erscheint es sinnvoll diese zu hinterfragen, wenn eine
11 In dem Zusammenhang formuliert REICH (2002) weiter: „Ein solches Denken allerdings
wohnt nicht nur der Antike inne, sondern trägt Spuren bis in die Gegenwart. Noch
immer ist die projektive Figur göttlicher Abhängigkeit nicht entschwunden. Und noch
immer glauben Menschen, daß sie in allem, was sie tun, determiniert sind. Für sie
steht als Beobachter daher bis heute die Inhalts- vor der Beziehungsebene, und sie
wagen es nicht, ihre Beziehung freier und offener zu definieren“ (Reich 2002: 52).
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 18
systematische Klärung von Problemsituationen angefragt wird (vgl. Reich
2002: 29ff).
In einer zirkulären Modellvorstellung von Kommunikation zwischen den
Systemen findet sich eine Möglichkeit über die auf der Beziehungsebene
mitschwingenden (meist impliziten) Einflussfaktoren auf die Konstruktion
unterschiedlicher Wirklichkeit(en) hinzuweisen. Ein Blick auf ein dialogisch
angelegtes systemisches Verständnis von Kommunikation als Prozess
verdeutlicht das Gemeinte.
3.2.3 Das zugrundeliegende Verständnis eines systemisch-dialogorientierten Kommunikationsmodells
Nach REICH „fixieren sich Beobachter, wenn sie Kommunikation
beschreiben, meist schnell auf Informationen“ (Reich 2002: 71) und
vernachlässigen damit eine Betrachtung der Ebene kulturell (sozial)
konstruierter Beziehungswirklichkeiten. Eine systemische Betrachtung von
Kommunikation als einen dialogischen Prozess berücksichtigt neben einer
zirkulären Sichtweise zudem eine Erkenntnis der modernen
Hirnforschung, dass „mehr als neunzig Prozent der Vorgänge im Gehirn
für uns unbewusst ablaufen“ (Gerhard Roth zitiert nach: Beckmann 2002:
15). Das der Arbeit zugrundeliegende systemisch-dialogorientierte Modell
von Kommunikation basiert auf einem zirkulären Kommunikationsmodell,
welches im Folgenden beschrieben wird.
3.2.3.1 Die zirkuläre Sichtweise
Es geht in einem systemisch-dialogischen Kommunikationsmodell vor
allem darum, die auf eine inhaltliche Ebene hin wirkenden Einflussfaktoren
zu hinterfragen. Wenn die Beziehungsebene in der Weise als
Beobachtungsfeld angenommen wird, lassen sich unterschiedliche
Betrachterstandpunkte nachvollziehen: „Der Blick auf die Beziehungen
oder die Welt und Produktionen wird stets zu einer Relativierung der
Erwartungen und Ergebnisse engen Beobachtens beitragen. Wo eine
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 19
enge Beobachtung Inhalte oder Beziehungen als völlig klar und eindeutig
identifizierbar, beschreibbar, vielleicht auch normativ kontrollierbar erlebt,
da werden Veränderungen der Blicke und Perspektiven uns aus solcher
Eindimensionalität herausführen müssen“ (Reich 2002: 181).
Eine „zirkuläre Sichtweise“ (Reich 2002: 30) kann als eine erste
Abgrenzung zu linear gedachten, kausalen Kommunikationsmodellen
verstanden werden (vgl. ebd.).
linear-kausales Kommuniaktionsmodell: Kommunikationspartner 1 Kommunikationspartner 2
zirkuläres Kommunikationsmodell:
„Die systemische Sichtweise im Blick auf Kommunikation“ wie sie bei
WATZLAWICK u.a. (1990) entwickelt wird, „betrachtet, im Gegensatz zu
anderen psychologischen Schulen, Probleme zwischen Menschen als
Probleme der Interaktion (Wechselbeziehung zwischen
Personen/Gruppen)“ (ebd.: 29). Das zugrundegelegte zirkuläre
(kreisförmige) Modell von Kommunikation verdeutlicht ein systemisch
orientiertes Interesse nach den Wechselwirkungen schauen zu wollen
(vgl. Reich 2002: 30). Dabei steuert ein hoher Anteil unbewusst
ablaufender Prozesse im Hintergrund den Informationsaustausch der
Interaktionspartner. Prozesse, die nicht losgelöst von impliziten Annahmen
ablaufen und auf der Ebene der Beziehungswirklichkeiten betrachtet
werden können. Deren Aneinanderkopplung bedingt die Qualität sich
ergebender Betrachtungen über inhaltliche Zusammenhänge.
Kommunikationspartner 1 Kommunikationspartner 2
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 20
REICH unterscheidet drei weitere Beobachtungsperspektiven, auf die sich
erkennende Subjekte als Erzähler von Wirklichkeitsinszenierungen
beziehen: „Symbolwelten“, „Imaginationen“ und „reale Ereignisse“ (Reich
2002: 71ff). In einer systemischen Betrachtungsweise von Kommunikation
wird mit einer Überprüfung der Beziehungsebene zwischen diesen drei
Sichtweisen „das Wechselspiel von Selbst und Anderen“ (Reich 2002:
193) in den Blick genommen.
3.2.3.2 Das Symbolische, Imaginäre und Reale einer Erzählung
„Das Reale trägt immer eine ungewisse Seite. Symbolisch kann
ich schwören, daß meine Ehe ewig währt, imaginär kann ich
darauf vertrauen, die Realität erst wird es zeigen.“
(Reich 2002: 105)
Kommunikation wird hier als Prozess verstanden, indem erkennende
Subjekte Informationen austauschen. Diese Informationen lassen sich wie
bereits dargestellt hinsichtlich einer Inhalts- und Beziehungsebene
unterscheiden. Das Ergebnis der Interaktion bildet sich in Form einer
gemeinsamen Erzählung ab, die hier als „ein sich einigen auf“ eine
Interpretation subjektiv hergestellter Wirklichkeitsinszenierungen
vorstellbar ist. Eine zurückliegende Interaktion besteht „immer in
irgendeiner Weise im Austausch von Information“ (vgl. Schreyögg 1992:
195), deren Verarbeitung sich in Form einer mehrperspektivischen
Konstruktion von Wirklichkeit präsentiert. Bei der bereits dargestellten bio-
psycho-sozial zu verstehenden Interpretation der Informationen lassen
sich unterschiedliche Perspektiven der Beobachtung einnehmen.
Nach dem Neurobiologen GERHARD ROTH „schafft sich das real-materielle
Gehirn eine Welt, die es in eine Umwelt, eine Körperwelt und eine Ich-
(oder Gedanken-) Welt gliedert, und es konstituiert diese drei Welten so,
daß sie sich möglichst scharf voneinander unterscheiden. [...] Darum sind
wir uns selbst notwendigerweise die einzige Wirklichkeit“ (Roth 2000:
253). Der darinliegende und philosophisch oft diskutierte
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 21
Ordnungsgedanke spielt aufgrund biologisch bedingter Selbstreferenz
kognitiver Prozesse eine Rolle, wenn es darum geht, den Zugriff auf
Informationen zurückliegender Interaktionen mit dem Ziel einer „neuen“
oder anderen Erzählung methodisch zu ermöglichen. Da es sich um einen
Erkenntnisvorgang handelt, muss von veränderbaren Annahmen über
eine Realität außerhalb der anthropologischen Ausgangslage des
Menschen ausgegangen werden. Ein weniger abstrakt formulierbarer
Zugang ergibt sich über eine Aufteilung in aufeinanderwirkende
Beobachtungsperspektiven, auf die sich der Mensch als erkennendes
Subjekt (Beobachter) nach REICH (2002) nur beziehen kann, wenn er
Wirklichkeit als Erzählung konstruiert: „Symbolwelten, Imaginationen und
reale Ereignisse“ (Reich 2002: 71ff).12
Das Symbolische einer Erzählung:
„Wann immer Informationen ausgetauscht werden, Mitteilungen gemacht
werden, die wir uns zwischen Sender und Empfänger denken können, die
aber auch in einer Person im Selbstgespräch ausgetauscht werden
mögen, geht es um bestimmte Zeichen. Diese Zeichen erscheinen als
signifikante Gesten, als Buchstaben, Worte und Begriffe, Sätze,
Aussagen, die mit Bedeutungen verbunden sind. Ein Gesamt von
Bedeutungen nenne ich symbolisch, insofern damit bestimmte
permanente Dinge, Objekte, Gegenstände oder Sachverhalte bezeichnet
sind, die der Mensch in Übereinstimmung mit anderen Menschen
innerhalb einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Geltungs- und
Verständigungsraumes – konstruiert“ (Reich 2002: 76).
12 KARL R. POPPER (1974) unterscheidet die als Realität erlebte Welt in mindestens drei
verschiedene Teilwelten: „Die Welt 1 ist die physikalische Welt oder die Welt der
physikalischen Zustände; die Welt 2 ist die geistige Welt, die Welt unserer psychischen
Erlebnisse (Wünsche, Hoffnungen, Gedanken...), die Welt 3 ist die Welt der intelligibilia
oder der Ideen im objektiven Sinne“ (Popper 1974: 160)
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 22
Das Imaginäre einer Erzählung:
„Das Imaginäre ist als Vorstellung anwesend, aber es ist ein steter Fluß
des Vorstellens, Wünschens, Begehrens, der zugleich die Abwesenheit
einer symbolvermittelten Identität zeigt. Doch immer dann, wenn das
Imaginäre in Sprache überführt wird, erscheint das Symbolische“ (Reich
2002: 92).
Das Imaginäre „erzwingt eine Selbstbewußtwerdung und ein
Selbstwertgefühl über den Blick des anderen“ (Reich 2002: 85). Zudem
„ist keine Kommunikation vollständig symbolisch beschreibbar, weil sie
einen auch für uns überraschenden, von Motiven und Begehren
angefüllten Raum umschließt, der uns unsichtbar mit anderen verbindet“
(ebd.: 93).13 Das Imaginäre präsentiert sich in Form von
Wirklichkeitsstilen, die als „Vorlieben von Menschen und Organisationen in
der Art und Weise wie Wirklichkeiten gestaltet werden“ (Schmid/Wengel
2001: 88) verstanden werden können. Nach PIAGET ließe sich im
gemeinten Sinne von „kognitiven Schemata“ sprechen, die ein
„mehrperspektivisches Erkennen“ (Schreyögg 2001: 94f) ermöglichen.
WATZLAWICK spricht in diesem Zusammenhang von „einer Reihe von
Prämissen“, mit denen „wir Menschen an die von uns wahrgenommenen
Phänomene“ herangehen (Watzlawick u.a. 1990: 243ff)14, SIEBERT spricht
von „Deutungsmustern“ (Siebert 2000: 111).
Das Imaginäre zeigt sich in internalisierten Gewohnheiten
(Wirklichkeitsstile), imaginäre Vorstellungen in symbolische Zuschreibung-
13 In einem „dialogischen Spiel zwischen einem Subjekt und einem Anderen ist immer
schon ein weiterer Anderer über seinen anerkennenden Blick eingeschlossen“ (Reich
2002: 85). 14 Ebd. schreibt Watzlawick in dem Zusammenhang: „Aus der Gesamtsumme von
Bedeutungen, die wir schließlich von den zahllosen Einzelkontakten mit den Objekten
der Umwelt gewinnen, bilden wir dann ein mehr oder weniger einheitliches Bild der
Welt, in die wir uns «geworfen» finden (um diesen existentiellen Ausdruck zu
verwenden), und dies ist ein Bild dritter Ordnung. Es besteht guter Grund zur
Annahme, daß es recht gleichgültig ist, worin dieses Weltbild besteht, solange es nur
eine sinnvolle Prämisse für unsere Existenz bietet.“ (Watzlawick u.a. 1990: 243)
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 23
en zu überführen bzw. diese mit eigenen imaginären Wünschen und
Hoffnungen zu bewerten.
Zum Verständnis des Realen einer Erzählung:
„Keine Imagination kann auf Dauer ein ganzes Bild von Welt herstellen.
Die Konstruktionen reduzieren Komplexität symbolisch. Das innere
Begehren richtet sich nach Wunschvorstellungen imaginär. Aber die
Ereignisse selbst, wie sie dann real im Leben wahrgenommen werden,
wie sie unmittelbar sinnlich erscheinen, sind immer auch anders, als das,
was symbolisch vorgesehen oder imaginär gewünscht war. Die Löcher in
der konstruktiven Allmacht und Allwissenheit, die weder durch
imaginatives Begehren noch durch symbolische Ordnung gestopft werden
können, nennt Lacan das Erscheinen des Realen. Es sind schwarze
Löcher, sie enthalten nichts, was wir schon wussten oder wollten“ (Reich
2002: 104).
Eine systemische Betrachtungsweise versteht Kommunikation als
intersubjektiven und interaktionistischen Argumentationsprozess (vgl.
Reich 2002: 75), in dem sich symbolisch die Vorinterpretationen der
Kommunikationspartner mit imaginären Vorstellungen und als real
wahrgenommene Ereignisse begegnen. Symbolisch kommunizierte
Inhalte können bei der Rekonstruktion der ursprünglichen Erzählung auf
imaginäre Annahmen hin überprüft werden, wenn sie in Beziehung
zueinander gesetzt und betrachtet werden.
REICH (2002) liefert zur Veranschaulichung ein Modell (vgl. Reich 2002:
86), auf welches sich die folgend entwickelte schematische Darstellung
mit dem Fokus auf den Konstruktionsprozess einer Erzählung stützt
(Abbildung 1). Es bildet sich hier das Symbolische und das Imaginäre
innerhalb der Kommunikationspartner und des Kommunikationsprozesses
stärker mit Blick auf eine unterschiedliche Qualität der verbalisierten
Wirklichkeitskonstruktionen (Erzählung) ab.
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 24
Abbildung 1: Das Symbolische und Imaginäre einer Erzählung
Die in Abbildung 1 zur Darstellung des Symbolischen und Imaginären
konstruierten Bezeichnungen einer ‚Symbolwelt’ bzw. ‚imaginären Welt’
zweier Kommunikationspartner (1 und 2), sollen die Selbstreferentialität
der Erzeugung verdeutlichen: „Wann immer wir mit einem anderen
Menschen in Kontakt treten, wann immer wir kommunizieren wollen, so
können wir dies nicht direkt. Wir bleiben in unserer Haut, treten nicht aus
uns so heraus, daß wir direkt in den Anderen eindringen, wir schließen
keine Kabel an, um Daten auszutauschen“ (Reich 2002: 87).
Das Symbolische bezieht sich auf das Imaginäre und umgekehrt (zirkulär).
Kommt ein zweiter Kommunikant hinzu, verhält es sich ebenso:
‚Symbolwelt 1’ kann sich nicht direkt an die ‚imaginäre Welt 2’
anschließen, sondern bemüht sich mit der Auswahl der zur Verfügung
stehenden Zeichen Annahmen über diese abzubilden. Diese Auswahl
enthält bereits implizite Annahmen aus der ‚imaginären Welt 1’, deren
Interpretation oder „Übersetzung“ in ‚Symbolwelt 2’ in Abhängigkeit der
„Deutungsmuster“ (Siebert 2000:111) aus der ‚imaginären Welt 2’
gesehen wird. In der Weise soll hier die von REICH als „Sprachmauer“
(Reich 2002: u.a. 87, 95, 111) bezeichnete Barriere zwischen jeweils
‚imaginärer Welt 1 bzw. 2’ und ‚Symbolwelt 1 bzw. 2’, als auch zwischen
‚imaginärer Welt 1’ und ‚Symbolwelt 2’ bzw. ‚imaginärer Welt 2’ und
‚Symbolwelt 1’ verstanden werden (vgl. ebd.).
Mit der Verbalisierung des Imaginären werden symbolische Bezüge
hinterfragt. Es gelingt eine Verständigung zwischen „imaginären Ich“
(Reich 2002: 93) – von ‚imaginärer Welt 1’ als Projektion eigener
Erzählung
Erzählung
Symbolwelt 1 Symbolwelt 2
imaginäre Welt 1 imaginäre Welt 2
„Sprachmauer“
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 25
Begehren in die Annahmen über ‚imaginäre Welt 2’ – und dem „Blick des
Anderen“ (ebd.: 96) – als Spiegelung der ‚imaginären Welt 1’ über
‚Symbolwelt 2’.15
Ist Kommunikation aus systemisch-konstruktivistischer Sicht demnach nur
eine Frage des Dialogs?
3.2.3.3 Kommunikation aus systemisch-konstruktivistischer Sicht – eine Frage des Dialogs
„Die Leidenschaft für die Wahrheit, wird zum Schweigen gebracht
durch Antworten, die das Gewicht unbestrittener Autorität haben.“
(Paul Tillich)
Aus einer engen Betrachtungsweise heraus formuliert müsste in der
Beantwortung der Frage, ob Kommunikation aus systemisch-
konstruktivistischer Sicht nur eine Frage des Dialogs sei, von einem
„Trialog“ zwischen Symbolischem, Imaginären und Realem gesprochen
werden. Das Reale wird aber hier, wie bereits erwähnt, weitestgehend als
mehrperspektivische Erzählung eines zirkulären Dialogs zwischen
‚Symbolwelt 1’ und ‚imaginärer Welt 1’ verstanden. Nach REICH ist das
Reale „kein Absolutum einer Außenwelt im Sinne eines geschlossenen,
gegliederten Seins, und auch kein Absolutum einer konstruierten Welt,
sondern eine Multiplizierung der unterschiedlichen Realitäten von
Beobachtern“ (Reich 2002: 115). Es zeigt sich „ereignishaft“ (ebd.: 112) im
Imaginären als auch im Symbolischen (vgl. ebd.: 112ff).
Das „Dialog-Modell“ von Bernd Schmid (siehe Abbildung 2 aus: Schmid
2002: 13)16 verdeutlicht, dass Kommunikation aus systemisch-
15 „Als Kinder haben wir kaum eine Chance, uns gegen die symbolische Ordnung der
großen Anderen zu wehren. Sie scheinen sie als Wissen und tugendhaftes Verhalten
in uns hineinzupumpen, in uns einzubilden, unser Begehren damit zu kanalisieren.“
(Reich 2002: 89)
3 Systemisch-konstruktivistische Ausgangsüberlegungen 26
n
konstruktivistischer Sicht eine Frage des selbstreflexiven (Meta)Dialogs
zwischen Symbolischem und Imaginärem ist. 1
Die Kommunikationspartner werden als geschlossene, selbstreflexive
Systeme charakterisiert (systemisch). In der Kommunikation unterscheidet
SCHMID zwischen „bewusst-methodischer“ und „unbewusst-intuitiver“
Wirklichkeitsinszenierung (=Erzählungen), was der bereits in Anlehnung
an REICH (vgl. Reich 2002: 89) entwickelten Kommunikationsgrundlage
(vgl. Abbildung 1) entspricht.
Abbild
Der Bedeu
Erzählung k
Beobachtun
Hinweis a
Betrachtung
Wechselwir
1 16 Die Beze
wurden hie
Kommunikationspartner
ung 1: „Dialog-Modell m (aus Schmid 2002
tung von „bewusst-
onnte mit einer Kom
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uf eine gewisse
en interpretiert we
kungen Aufmerksam
ichnungen „Kommunika
r ergänzend eingefügt.
Kommunikatio
ethodisch-bewusst: 13)
methodischer“
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Selbstreferenti
rden kann: w
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tionspartner 1“ b
Kommunikationspartner
und intuitiv-unbewusst“
und „unbewusst-intuitiver“
rung durch drei zusätzliche
n, was nicht zuletzt als
alität auch systemischer
enn Systemen und ihren
t wird, werden komplexe,
zw. „2“ und „Kommunikation“
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 27
theoretische Denkmodelle geschaffen und darüber hinaus aus
Praktikabilitätsgründen wieder zu reduzieren versucht.17
Das abgebildete „Dialog-Modell“ von SCHMID illustriert, dass die
symbolisch übermittelten Zeichen von ‚Kommunikationspartner 1’ an einen
zweiten Beobachter als „bewusst-methodische Erzählung“ (Schmid 2002:
14) nicht abtrennbar von einer „unbewusst-intuitiven Erzählung“ (ebd.) als
etwas imaginär Hintergründiges vorstellbar ist.
Bezogen auf die Fragestellung liegt die Bedeutung darin, dass wir als
Pädagogen in der Kommunikation den Dialog zwischen den beiden
Erzählformen suchen sollten: „An den eigenen intuitiven Reaktionen auf
das Gegenüber können wir etwas darüber erfahren, was im Hintergrund
vor sich geht. Wir können dies – zur eigenen Steuerung – hochwertige
professionelle Zusammenspiel direkt nutzen. Wir können aber auch mit
dem anderen darüber kommunizieren und so dessen Dialogfähigkeit mit
der unbewusst-intuitiven Ebene und damit eine gemeinsame Kultur des
Dialogs miteinander zwischen diesen Sphären fördern“ (Schmid 2002: 14).
Eine systemisch-dialogorientierte Vorstellung von Kommunikation betont
den dieser Arbeit zugrundeliegenden Anspruch an Kommunikation in
einem Beratungsprozess, bei dem die Betrachtung eines „in uns selbst“
und interaktionistisch geführten Dialogs zwischen Symbolischem und
Imaginären, zur Entdeckung von Wirklichkeitsstilen führen kann.
Wirklichkeitsstile steuern den Prozess der Herstellung oder Konstruktion
von Wirklichkeit. Im Dialog mit einem Anderen begegnen sich mindestens
zwei unterschiedliche Stile, die eine gemeinsame Erzählung nur dann
erzeugen können, wenn Hintergründiges oder Imaginäres dabei
berücksichtigt wird. Indem ein Dialog über den Dialog geführt wird, lässt
sich der Weg zur eigenen Erzählung über die Beziehungsebene
thematisieren.
17 Die Möglichkeit etwas unbetrachtet zu lassen, können und wollen diesbezüglich
angestellte konstruktivistisch geleitete Überlegungen allerdings ohnehin nicht
ausschließen.
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 28
Um den Ort einer systemisch-dialogischen Kommunikation, wie sie für
pädagogisch wirkend wollende Beobachter hier gefordert wird, geht es
folgend, wenn die pädagogische Praxis aus Sicht einer systemischen
Erziehungswissenschaft (Huschke-Rhein 1998a) dargestellt wird.
3.3 Pädagogische Praxis aus Sicht einer systemischen Erziehungswissenschaft
„Wer das erste Knopfloch verfehlt,
kommt mit dem Zuknöpfen nicht zurande.“
(J.W. Goethe)
Die Begrifflichkeit ‚pädagogische Praxis’ bezieht sich auf die Wirklichkeit
pädagogischer Handlungen, die sich nicht nur meist anders darstellt als
man sie sich vorgestellt hat. Zum Wesen pädagogischer Handlungen
zählt zudem die Notwendigkeit, „ihr eigenes Ende zu intendieren“ (Benner
1987: 72). Indem zur Selbsttätigkeit aufgefordert wird, lässt sich vorweg
kein tatsächliches Ziel formulieren, sondern lediglich Annahmen über
künftige Entwicklungen. Eine Aufforderung zur Selbsttätigkeit ist der
Auslöser für nachfolgende Handlungen, die in Abhängigkeit von
unbekannten Faktoren passieren. Eine Forderung an die Lehre kann im
Falle erziehungswissenschaftlicher Ideen nicht lauten: „Erkläre die Praxis
und sage, was zu tun ist!“. Eine Präzisierung des Begriffs pädagogische
Praxis kommt im Effekt nicht ohne Bezugnahme auf
wissenschaftstheoretische Grundannahmen aus, die mit einem
systemisch-konstruktivistischen Ansatz bereits erläutert wurden (siehe
Kapitel 3.2 i.d.A.).
In dieser Arbeit interessieren vorwiegend die pädagogische Praxis
beeinflussenden Aspekte. Dabei liegt der Fokus auf dem Moment der
Wahrnehmung und Interpretation unterschiedlicher Wirklichkeiten und
anzunehmender Abbildungen in handlungsrelevante Entscheidungen.
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 29
3.3.1 Der Ort pädagogischer Praxis als Handlungsfeld
„Erziehung heißt, daß ein bio-psychisches System von den Regeln
der sozialen Kontextsysteme, besonders der pädagogischen
Kontextsysteme bestimmt, eben ‚gesteuert’ wird bzw. werden soll,
aber mit dem Ziel der Selbststeuerung. Bildung heißt dann, daß
die externen Bestimmtheiten, als ‚Steuerung’ durch die sozialen
Kontextsysteme, allmählich abnehmen, und daß der einzelne sich
selbst zu steuern lernt oder gelernt hat.“
(Huschke-Rhein 1998b: 181)
Der Ort pädagogischer Praxis wird hier nicht als ein abstraktes Problem
interpretiert, sondern als Handlungsfeld an der „Schnittstelle zwischen
disziplinärem Wissen und professionellem Handeln“ (Otto u.a. 2002/3: 9).
Wie Studierende der Erziehungswissenschaft in der pädagogischen Praxis
re- bzw. agieren, lässt sich nicht in konkreten Handlungsanleitungen
abbilden. Dem hohen Grad die Situation individuell dynamisierender
Anteile, versucht diese Sicht auf pädagogische Praxis nachzukommen
und würdigt die pädagogische Handlung vor allem als „das zirkuläre
Resultat zwischen theoretischen Einsichten und praktischen Vollzügen im
Praxisfeld“ (Huschke-Rhein 1998a: 17). Der Begriff „zirkuläres Resultat“
(ebd.) fokussiert den Zusammenhang von theoretischen
Wissenskomponenten und praktischem Tun. Die Komplexität dieser
Dialektik wird mit dem Blick auf pädagogische Praxis deutlich.
Mit HUSCHKE-RHEIN (1998a, 1998b) lässt sich pädagogische Praxis „nach
systemischer Auffassung nicht ‚objektivieren’, sondern nur (re-)konstruktiv
beschreiben“ (Huschke-Rhein 1998a: 17). Diese Auffassung bedeutet
auch, dass das Verhältnis von erziehungswissenschaftlicher Theorie zur
pädagogischen Wirklichkeit mehr Scheindilemma als „Tretmine“ (Gudjons
1999: 21) sein könnte.18 Es intendiert keine konkrete Gegensätzlichkeit,
18 Zur Begrifflichkeit „Pädagogik und Erziehungswissenschaft“ schreibt Gudjons: „Freilich
sieht man bereits an dieser Stelle, dass unter dem scheinbar harmlosen
Begriffsgeplänkel eine Tretmine verborgen liegt, auf die man sehr schnell stößt, sobald
man etwas tiefer gräbt: die Frage nach dem Verhältnis von wissenschaftlicher Theorie
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 30
wenn pädagogische Praxis und theoretische Annahmen als „kreative
Konstruktionen“ (Huschke-Rhein 1998a: 17) verstanden werden und sich
nur aufeinander beziehen können. Eine „Theorie-Praxis-Problematik“
(Weinberg 2000: 47) ergibt sich in praxi für die Gestaltung der
pädagogischen Ausbildung (vgl. ebd.). Die momentanen Debatten um die
LehrerInnen-Ausbildung illustrieren (nur) den Bedarf und die Suche nach
geeigneten Ausbildungsmodellen. Ein ‚Wofür’ lässt sich
situationsabhängig beschreiben – der pädagogische Akt „passiert“ in
Abhängigkeit von wirklichkeitsgestaltenden Aspekten.
Die Bedeutung dieses Verständnisses von pädagogischer Praxis bezogen
auf die Fragestellung liegt darin, dass die Idee einer systemisch
orientierten Vorbereitung auf pädagogische Praxis auch in einer zu
vermittelnden Befähigung – die Situation konstituierenden Aspekte
wahrzunehmen – münden sollte. Im Vergleich mit der praktischen Arbeit
eines Mediziners, existiert keine Maschine zur zeitnahen Bewertung
pädagogischer Situationen. Die medizinische Diagnose einer
Darminfektion und Wiederherstellung einer geregelten Darmtätigkeit lässt
sich mit technischem Gerät erreichen – das Ergebnis ist zudem
messbar.19 Die eine Anwendung medizinischer Verfahren
beeinflussenden individuellen Vorgaben durch die psychische und
physische Konstitution des Patienten müssen sicherlich auch dabei
berücksichtig werden. Es zählt zum Wesen erziehungswissenschaftlichen
Wissens, dass es als fallible charakterisiert werden muss. Es sind vor
allem Annahmen über erzieherische Phänomene und diese grundsätzlich
„dem Irrtum unterworfen“ (Gudjons 1999: 14f).
und pädagogischem Handeln, von Wissenschaft und Praxis – und damit die Frage
nach dem Wissenschaftscharakter diese Faches.“ (Gudjons 1999: 21) 19 „Systemtheoretische Studien haben sich (...) mit verschiedenen pädagogischen
Berufen befasst und für das pädagogische Handeln ein unaufhebbares
Technologiedefizit – etwa im Vergleich zu Ingenieuren, aber auch Medizinern –
konstatiert. Gemeint ist damit, dass pädagogische Professionen nicht über Verfahren
und Methoden verfügen, die in der Lage sind, die Erreichung eines vorab definierten
Zieles tatsächlich zu gewährleisten.“ (Böllert/Nieke 2002: S.72)
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 31
Eine Reflexion der Wirklichkeitszusammenhänge aus unterschiedlichen
Blickwinkeln erscheint sinnvoll, um die eigene Wahrnehmung einer
Situation in der pädagogischen Praxis wirklichkeitsnah zu bewerten – eine
Maschine dafür gibt es (ja) nicht.
3.3.2 Zur Bewertung von Situationen in der pädagogischen Praxis
„Pädagogik bleibt auch heute noch und in Zukunft eine Kunst,
die als solche, eben als Kunst, nicht erlernbar ist (...).“
(Huschke-Rhein 1998a: 19)
Verglichen mit einem Maler, dessen Resultat von Bemühungen und Talent
ein seinem Verständnis nach fertiges Bild, (seine) Kunst ist, stellt sich
pädagogische Praxis in der dargestellten Weise subjektiver Be- oder
Entwertung. So wie der Maler seine Techniken, kann der Pädagoge seine
Kenntnisse und Fertigkeiten verfeinern um das Gesamtkonstrukt zu
verändern. Das Ergebnis derartiger Bemühungen präsentiert sich im
Vergleich mit dem Werk eines Malers in Form vernetzter Handlungsketten.
Die Fähigkeit, pädagogisches Wissen zu gebrauchen, ist lernbar – das
fertige Bild vor Augen zu haben sicherlich auch eine intuitive Gabe. „Die
Kunst der Pädagogik“ (Huschke-Rhein 1998a: 19) formuliert HUSCHKE-
RHEIN speziell als nicht erlernbare Elemente pädagogischer Arbeit (vgl.
ebd.). Eigene Wirklichkeitsstile und deren Entdeckung in das
Interaktionsgeschehen pädagogischer Situationen einzuordnen,
ermöglicht so verstanden nicht, diese „Kunst“ (ebd.) zu erlernen. Den Blick
auf das Imaginäre als Beobachtungsperspektive einzuführen, erscheint
lediglich als sinnvolle Perspektive für pädagogisch wirkend wollende
Beobachter geeignet. Angestrebte Handlungsveränderungen können dann
passend an die Wirklichkeit der Beteiligten angekoppelt werden, wenn die
Bewertung von Situationen in der pädagogischen Praxis als
Ausgangspunkt weiterer Entscheidungen in den Blick genommen wird.
Pädagogische Kompetenz liegt nach NIEKE (2002) darin, „dass eine
Person dann für kompetent erachtet werden kann, wenn sie erstens fähig
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 32
ist, die gegebene Aufgabe auf der Basis des hierfür grundsätzlich zur
Verfügung stehenden Weltwissens, bezogen auf professionelle
Kompetenz des Fachwissens, das in der Erziehungswissenschaft und
deren Bezugsdisziplinen aufbereitet ist, zu bewältigen und zweitens auf
der Basis einer speziellen Berufsethik begründet weiß und entscheiden
kann, was im jeweiligen Fall im wohlverstandenen Interesse der
anvertrauten Klientel zu tun und zu unterlassen ist. Wenn diese beiden
Bedingungen erfüllt sind, kann und muss der jeweiligen Person die
Zuständigkeit für das erforderliche pädagogische Handeln zugesprochen
werden“ (Nieke 2002: 16). WAHL kennzeichnet die angezeigte Komplexität
pädagogischen Handelns als „Handeln unter Druck“ (Wahl 1991: 18f) und
beschreibt mit einem entwickelten KOPING-Konzept eine Möglichkeit für
„Experten auf pädagogischem Gebiet“ sich selbst zu helfen „und ihr
Handeln selbst zu modifizieren“ (ebd.: 196). Es lässt sich mit den
Ausführungen von NIEKE vereinbaren, wenn nach WAHL (1991) das
„Handeln pädagogischer Experten modifizieren zu wollen, heißt, jene
Sinnstrukturen in Frage zu stellen, die bisher unhinterfragt zum „Handeln
unter Druck“ befähigt haben“ (ebd.: 196). Nach WAHL (1991) bedeutet die
Veränderung von Handlungsmustern, die in dieser Arbeit als
Wirklichkeitsstile bezeichnet werden, „stets Verunsicherung,
Erschütterung, (Selbst-)Kritik, kurz ein In-Frage-Stellen der ganzen
Person. Wegen der Verzahnungen zwischen kognitiven, emotionalen und
aktionalen Aspekten des Handelns ziehen Veränderungen im einen Teil
immer auch Veränderungen in den anderen Teilen nach sich“ (ebd.: 193).
Eine die Zusammenhänge nicht würdigende Bewertung der Situation, des
Ist-Zustandes, beeinflusst den Prozess hin zu einem angestrebten Soll-
Zustand.20 Da pädagogisches Handeln „stets auch Interaktionshandeln“
20 Im Vergleich mit Erfahrungen aus Qualitätsentwicklungsprozessen in Einrichtungen
der Erwachsenenbildung, lässt sich die Problematik veranschaulichen: es hat immense
Folgen für den Qualitätsentwicklungsprozess, wenn der Ist-Beschreibung (für viele „die
Zeit vor dem Prozess“) zwecks Reduzierung des Zeitaufwendungen für das Erreichen
3 Systemisch-konstruktivistisch geleitete Ausgangsüberlegungen 33
(Wahl 1991: 193) ist, müssen die Handelnden die auf der Basis ihres
Fachwissens angelegten Kriterien zur Einschätzung der
Wirkungszusammenhänge in der Situation reflektieren. Wenn Lernen als
Ziel pädagogischer Handlungen den Ort pädagogischer Praxis ausmacht,
muss diese komplexe Selbstreferentialität unterscheidbarer Systeme
gewürdigt werden.
3.3.3 Lernen als konstruktiver Prozess
„Im Gleichschritt kann man marschieren, vielleicht
auch singen, aber niemals lernen“
(E.M. Stange zitiert nach Harmsen 2002)
Lernen muss als konstruktiver Prozess verstanden werden, bei dem der
Lehrende an den Wirklichkeitsstilen vieler anzukoppeln versucht.
Als dynamischer Gegenstand der „Konsultation“ (Huschke-Rhein 1998a:
23) in einer Gruppenveranstaltung prägt die Heterogenität der
TeilnehmerInnen das Geschehen. Vor dem Hintergrund der
konstruktivistisch geleiteten theoretischen Ausgangsüberlegungen, lassen
sich „Lehren und Lernen als zwei gekoppelte, aber selbständige,
selbstreferentielle Prozesse definieren“ (Schüßler 2000: 164). Die
„Interventionen eines Lehrenden“ können „demnach nur Auslöser
(Perturbationen) für bestimmte kognitive Operationen sein“ (vgl. ebd.).
Damit ergeben sich konstruktive Dynamiken von Interaktions- und
Kommunikationsprozeßen im Lehr-Lern-Geschehen.
Aus einer solchen konstruktivistischen Perspektive konstruiert sich der
Lernende „ein eigenes Bild vom Lerngegenstand und der Lehr-Lern-
Situation. Dieser Konstruktionsprozeß ist aber nicht beliebig, sondern
erfährt durch den situativen Kontext (Lernort, -gruppe, -methoden etc.)
sowie die sozialen Erfahrungen im Kursgeschehen eine Rahmung, die
eines Ziels zu wenig Zeit zugunsten der Formulierung eines beeindruckenden
Leitbildes eingeräumt wird. (vgl. DIE 2002: 8)
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 34
bestimmte Wirklichkeitskonstruktionen mehr oder weniger viabel und
dadurch wahrscheinlich werden läßt“ (Schüßler 2000: 154).
Folgende Abbildung veranschaulicht die „Kennzeichen
konstruktivistischen Erwachsenenlernens“ (Schüßler 2000: 175) nach
SCHÜßLER:21
Abbildung 3: „Kennzeichen konstruktivistischen Erwachsenenlernens“ (aus Schüßler 2000: 175)
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform
Eine ‚methodisch angeleitete Lernform’ soll hier verstanden werden als die
Anwendung begründbarer Verfahren zur Reflexion von
Praktikumserfahrung. Wobei ‚Methode’ als ein „Entwicklungsmedium“
verstanden wird, „innerhalb dessen der Lerner seine eigenen Ziele findet“
(Lenzen 2001b: 1047). Lernen wird damit eher i.S. eines eklektischen
lerntheoretischen Ansatzes als (re)konstruktiver Prozess betrachtet, der
21 Hier wird davon ausgegangen, dass es sinnvoll und nicht weiter erklärungsbedürftig
ist, Studierende der Erziehungswissenschaft im Hauptstudium unter erwachsenen-
lernerischen Gesichtspunkten zu betrachten.
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 35
stattfindet, wenn Lernenden unterschiedliche Wirklichkeitskonstruktionen
zur Verfügung gestellt werden.
Die Kollegiale Beratung, wie sie hier als methodisch angeleitete Lernform
präsentiert wird, lässt sich als ein strukturiertes Vorgehen beschreiben, bei
dem sich Studierende in einer systemisch-dialogischen Gesprächsführung
begegnen sollen. In einem horizontalen Beratungsansatz treffen dabei
unterschiedliche Wirklichkeitskonstrukteure aufeinander, um eine zu
klärende Praxissituation (Praktikumserfahrung) gemeinsam zu reflektieren.
Eine Wirklichkeitskonstruktion wird dabei zum Gegenstand einer
gemeinsamen Betrachtung, indem sie als Erzählung in die gemeinsame
Reflexionsarbeit eingebracht wird. Durch eine Heterogenität von
Wirklichkeitsstilen wird dabei eine Betrachtung der Erzählung aus
unterschiedlichen Perspektiven möglich.
Die methodischen Charakteristika von Kollegialer Beratung als Lernform
lassen sich vor allem über deren Bezüge zur Supervision darstellen. Das
liegt zum Einen daran, dass sich die Methode als Lernform aus primär
supervisionsorientierter Arbeit entwickeln konnte. Zum Anderen fand und
findet vor allem in diesem Kontext eine wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit der Methode statt. Eine Vielfalt an begrifflichen
Varianten versucht in der Folge das Wesen der hier gemeinten
methodisch angeleiteten kollegialen Lernform zu fassen. Von ‚der’
Supervision kann indes nicht ausgegangen werden, da keine
allgemeingültige Definition dieser Begrifflichkeit auffindbar scheint.22
Vielmehr muss eine solche im Zusammenhang mit den unterschiedlichen
Anwendungsfeldern und zeitlichen Kontexten von Supervision gesucht
werden. Supervision kann vereinfacht als eine Form von Praxisberatung
verstanden werden, mit der eine systemische Herangehensweise an
Problemsituationen verbunden wird: „Supervision als praxisgerichtetes
Reflexions- und Handlungsmodell untersucht Arbeitsprozesse in den
22 Rotering-Steinberg schreibt: „Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs und der
Methodologie von Supervision.“ (Rotering-Steinberg 2001a: 380); vgl. auch Pallasch
1996: 20ff
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 36
unterschiedlichsten Bereichen vor dem Hintergrund der Dynamik und
Struktur der jeweiligen Organisation. Arbeitsprobleme,
Koordinationsprobleme, Konflikte und Missverständnisse werden in der
Supervision im Kontext der Strukturen der Organisation und des
Arbeitsfeldes in ihrer Dynamik wahrgenommen, untersucht und bearbeitet“
(Ebert 2001: 26).
Die hier verwendeten Bezeichnungen ‚Kollegiale Beratung’ bzw.
‚Kollegiale Supervision’ werden dabei wohl am Häufigsten angeführt, um
eine so verstandene Praxisberatung innerhalb einer Kollegengruppe zu
bezeichnen und begrifflich von einer expertInnengeleiteten Supervision
abzugrenzen (vgl. u.a. Rotering-Steinberg 1983: 109ff u. 2001a: 385f u.
2001b: 442, Thiel 1998: 198f, Qs Nr.28: 66ff, Schlee 1996: 195, Wahl
1991: 195ff). Nach ROTERING-STEINBERG (2001a) findet man u.a. „folgende
Operationalisierungen“ (ebd.: 380) in der Praxis: „Reflektierte
Praxisberatung“, „Berufsbezogene Selbsthilfe“, „Kritisch angeleiteter
Prozess der Selbstreflexion“, „Systematische Fallbesprechungen als
Problembewältigungsversuche“, „Gruppenunterstützte Selbstreflexion“
(ebd.).
Auf eine zusammenfassende Vorstellung von deren Entstehungs-
kontexten kann zugunsten terminologischer Klarheit nicht verzichtet
werden. Zudem liegen gezielte den Terminus ‚Kollegiale Beratung’ als
Methode betreffende und erschienene wissenschaftliche
Veröffentlichungen bisher nur marginal vor, was nicht zuletzt an der bis
heute oft synonym verwendeten Bezeichnung ‚Kollegiale Supervision’ liegt
(vgl. u.a. Rotering-Steinberg 2001a, Schlee 1994, Thiel 1994).23 Um die
Entstehungskontexte Kollegialer Beratung als Methode vorzustellen,
erfolgt zunächst im Folgenden eine Anpassung an diese terminologische
Gebräuchlichkeit. Im weiteren Verlauf wird jedoch die in dieser Arbeit
favorisierte Bezeichnung ‚Kollegiale Beratung’ vorgezogen (siehe Kapitel
4.2 i.d.A.). 23 Insofern leistet eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kollegialer Beratung
als Methode im Rahmen der vorliegenden Magisterarbeit einen begründeten Beitrag.
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 37
4.1 Entstehungskontexte ‚Kollegialer Beratung oder Supervision’
Eine Betrachtung der Entstehungskontexte ‚Kollegialer Beratung oder
Supervision’ findet sich bei ULRICH THIEL (vgl. dazu und folgend Thiel
1994: 199ff u. 1998: 172ff). Dabei bezieht er seine Recherchen auf
„vergleichsweise ausgearbeitete und den Prozeßablauf mehr oder weniger
durchstrukturierende Konzepte zur systematischen Reflexion von
Berufssituationen in zumeist institutionalisierten, pädagogisch-sozialen
Handlungsfeldern“ (Thiel 1994: 201). Der Autor unterscheidet
diesbezüglich zwischen „professioneller“ (ebd.: 203), d.h.
expertInnengeleiteter und „kollegialer Supervision oder Beratung“ (ebd.)
und begründet in seinen Ausführungen eine Kombination der beiden
Arbeitsweisen.24
Ein Exkurs in die historische Entwicklung supervisionsorientierter Arbeit
verdeutlicht, warum sich Kollegiale Beratung als eine Arbeitsform darstellt,
deren Ursprung in ‚der’ Supervision zu finden ist.
4.1.1 Exkurs in die historische Entwicklung supervisionsorientierter Arbeit als Ursprung der Lernform
BELARDI sieht die Anfänge und damit den Beginn der geschichtlichen
Entwicklung von institutionalisierter supervisionsorientierter Arbeit am
Ende des 19.Jahrhunderts in Amerika (vgl. Belardi 1994: 335; dazu auch:
Buer 2000: 70).25 Diese mehr mentorähnliche Anleitung von
ehrenamtlichen SozialarbeiterInnen erfuhr bis heute eine Fülle an
24 Aufgrund eigener Erfahrungen und Evaluationen mit Leitungspersonen plädiert Thiel
für eine duale Anwendung von kollegialer und professioneller Supervision in
Weiterbildungsmaßnahmen, da gerade die „Kombination beider Reflexionsformen
deutliche Vorteile“ (Thiel 1994: 211) für die TN bringt. 25 Diese „frühe Sozialarbeiter-Supervision“ gestaltete sich derart, dass einer hohen
Anzahl ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer in New York, wenige „hauptberufliche
Administratoren und Berater (Agent Supervisors)“ zur Seite gestellt wurde. Diese
hatten die Aufgabe, ehrenamtliche Kräfte „anzuleiten, zu motivieren und administrative
Kontrolle über die Tätigkeit auszuüben“ (Belardi 1994: 335).
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 38
Varianten in unterschiedlichen Arbeitsfeldern von primär psychosozialer
Ausrichtung. Die Entwicklung der Supervision stand fortan vor allem auf
europäischem Gebiet unter dem Einfluss der Erkenntnisse aus der
Psychoanalyse.26 In Deutschland begann nach BELARDI im Jahre 1964
„mit einem Lehrgang für Praxisberatung des „Deutschen Vereins für
öffentliche und private Führsorge“ (in Frankfurt/M.) die reguläre
Supervisoren-Ausbildung für den Sozialbereich“ (Belardi 1994: 336). Im
Unterschied zum amerikanischen Vorbild supervisionsorientierter Arbeit
stand in Deutschland dabei ein Modell des „externen, neben- oder
freiberuflichen Supervisors“ im Vordergrund (ebd.). Die Bedeutung liegt
neben der damit unterschiedlichen Ausrichtung darin, dass
supervisionsorientierte Arbeit in Deutschland in einem von Theorie
geleiteten Methodenpluralismus mündete, der bis dato anhält (vgl. ebd.
und Pallasch 1996: 21f). Die „neuere Supervision“ (Belardi 1994: 336)
zählt seit den 80er Jahren im Bereich der Organisationsberatung zu
personenqualifizierenden Maßnahmen (vgl. ebd.). Damit kann Supervision
heute hierzulande primär als praxisbezogene „Beratung und Weiterbildung
für tendenziell alle Berufe“ (ebd.) bezeichnet werden.
Wenn im Weiteren von Supervision gesprochen wird, ist eben diese
Grundform gemeint und nicht eine funktionsbeschreibende
Vorgesetztenrolle.27 BELARDI (1994) hält fest, dass „die Amerikaner“ (ebd.:
26 Pallasch nennt diese Zeit der (Weiter)Entwicklung „Phase der ‚Psychologisierung’ von
ca. 1900-1960“ und verweist auf die „fachwissenschaftliche Ausbildung und Einsatz
von Psychiatern und Psychologen als Supervisoren“ (vgl. Pallasch 1996: 21). 27 Im englischsprachigen Wirtschaftsraum findet der Begriff „Supervisor“ Anwendung, um
eine „allgemeine Leitungs-, Kontroll- und Vorgesetztenfunktion im industriellen und
administrativen Bereich“ zu beschreiben. Auch in Deutschland finden sich vermehrt
Stellenbeschreibungen, die unter der Bezeichnung Supervisor eine „normale
Vorgesetzten und/oder Vorarbeiterfunktionen im mittleren Management“ als Tätigkeit
fassen (vgl. Belardi 1994: 339). Der vermutliche Unterschied zwischen einem
Supervisor bei McDonald’s mit einer weisungsgebenden Tätigkeit und Aufsicht über
ca. 5 Restaurants und einem ausgebildeten Supervisor der „Deutschen Gesellschaft
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 39
340) schwer verstehen, dass viele deutsche Supervisoren keine
Vorgesetzten sind, sondern „größtenteils freiberuflich und
organisationsextern arbeiten sowie sich in ihrem Selbstverständnis stärker
am Rollenmodell von Berater oder Psychotherapeut orientieren“ (ebd.).
Begriffliche Unklarheiten in Form fehlender definitorischer
Allgemeingültigkeit förderten wahrscheinlich auch das Aufkommen von
Bezeichnungen wie beispielsweise ‚Coaching’. Die Bezeichnung
‚Coaching’ erfreut sich wachsender Verwendung – wohl nicht zuletzt um
einer begrifflichen Unterscheidung von Funktionsträgern in
profitorientierten Wirtschaftsbereichen willen. Auch versuchen
ausgebildete SupervisorInnen möglicherweise auf diese Weise
anzunehmenden Abneigungen potentieller Auftraggeber gegenüber
therapeutisch klingender Supervision zu begegnen (vgl. u.a. Buer
2000: 71, v.Schlippe/Schweitzer 2000: 234ff).
4.1.2 Darstellung der Entstehungskontexte Kollegialer Beratung als methodische Variante von Supervision
Bei der Darstellung der Entstehungskontexte Kollegialer Beratung als
methodische Variante von Supervision (siehe Abbildung 4) wird hier mit
GOTTHARDT-LORENZ (2000) davon ausgegangen, „dass es sich lohnt
Supervision als spezifische Methode“ (Gotthardt-Lorenz 2000: 56) zu
betrachten. Methode wird dabei „als begründetes Praxisgestalten“ (ebd.)
verstanden, was dem dieser Arbeit zugrundeliegenden pädagogischen
Methodenverständnis entspricht. Demzufolge kann Supervision als „eine
theorieorientierte Praxisform unter Einbeziehung der Persönlichkeit“
(Pallasch 1996: 20) und i.d.S. als in unterschiedlicher Ausrichtung
betriebenen psychosozialen Form von Beratung verstanden werden.
für Supervision“ (DGSv) verdeutlicht die Vielfalt der begrifflichen
Verwendungsmöglichkeiten.
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 40
Dabei liegt der Methode der Supervision „ein Basiskonzept zugrunde,
wonach die Möglichkeit gesehen wird, Arbeitsprozesse aufgrund von
beruflicher Reflexion – aus der damit gegebenen Distanz heraus und mit
Hilfe der im Supervisionssystem vorhandenen Ressourcen – unter
erweiterten Perspektiven erfassen und einschätzen sowie dann
gestalterisch beeinflussen zu können. Bezogen auf Arbeitsprozesse und
berufliche Tätigkeiten wird die Fähigkeit zur Selbstreflexion als
Kernkompetenz für die kommunikative Abwicklung von Berufstätigkeiten
und Arbeitsfeldern gesehen“ (Gotthardt-Lorenz 2000: 60).
Abbildung 4: Skizzenhafte Darstellung der Entstehungskontexte Kollegialer Supervision als Beratungsform (in Anlehnung an Thiel 1994: 200ff)
Ausgehend von eben diesem Verständnis von Supervision als der Ort
einer besonderen „berufsbezogenen Lernform“ (Thiel 1998: 172) und
„Praxisberatung“ (ebd.) entwickelte sich Kollegiale Supervision als
praktizierte Variante vorwiegend dort, wo diese bereits als flankierende
Maßnahme Anwendung fand. Das zugrundeliegende Menschenbild
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 41
orientiert(e) sich dabei an Annahmen konstruktivistischer Theorie und den
„theoretischen Grundlagen des Forschungsprogramms Subjektive
Theorien“ (Schlee 1996: 189).28 Insbesondere im
Ausbildungszusammenhang von SupervisorInnen selbst, bot sich eine
angeleitete Kollegiale Supervision als „weiche Form“ (Thiel 1994: 201) an,
um den Ablauf von Supervision methodisch selbstlernerisch zu
entwickeln.29
ROTERING-STEINBERG untersuchte in ihrer Dissertation und darauf
folgenden Arbeiten mit „Anleitungen zum Selbsttraining für Lehrergruppen“
(u.a. Rotering-Steinberg 1983) eine Kollegiale Supervision zum Zwecke
einer fallbezogenen Aufarbeitung der Praxiserfahrung von LehrerInnen
(vgl. ebd. und 1995, 2001a, 2001b).30 Ebenfalls in diesen
Entwicklungskontext einzuordnen ist – ergänzend aufgrund primär
fallorientierter Arbeit – in Teilen das Konzept einer ‚Kollegialen Beratung
und Supervision (KoBeSu)’ nach SCHLEE (vgl. Schlee 1996: 188ff). Auch
die Arbeit von Medizinern in sogenannten ‚Balint-Gruppen’ nach MICHAEL
BALINT könnte, hinsichtlich einer in der Arbeitsweise enthaltenen
Abgrenzung zu selbsterfahrungsorientierten Supervisionskonzepten, eher
28 „Hierbei geht es um einen Psychologieentwurf, der sich auf ein epistemologisches
Menschenbild als Gegenstand bezieht. Nach diesem „Gegenstands“verständnis
verhalten sich Menschen nicht mechanistisch in einem Reiz-Reaktions-
Zusammenhang, sondern sie handeln als autonome Subjekte, die prinzipiell zur
Rationalität, Reflexivität und Kommunikation befähigt sind.“ (Schlee 1996: 189) 29 „Nach Aussagen von Gräßlin (Fallner/Gräßlin 1990, 93) wurde der Ansatz der
kollegialen Beratung im deutschsprachigen Raum Ende der siebziger Jahre in der
Akademie Remscheid im Rahmen eines Workshops für Kommunikationsberater und
Supervisoren diskutiert und ausprobiert.“ (Thiel 1994: 201, Lit.Verw. ebd.) 30 „Das Modell der Kollegialen Supervision beruht auf „Kollegialität“ als die Verbundenheit
– oder sozialpsychologisch bzw. gruppendynamisch gesprochen die Kohäsion – der
Mitglieder aufgrund einer gleichen Berufzugehörigkeit; außerdem soll das „Kollegiale“
durch die strukturierte Zusammenarbeit sowohl ein konstruktives, verständnisvolles
Miteinander und faires (Zuhör-)Verhalten sowie Leistungsergebnisse zeitigen“.
(Rotering-Steinberg 2001a:385)
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 42
einer Kollegialen als professionellen Supervision zugeordnet werden (vgl.
Stucke 1990: 72ff).31
Als dritte Entwicklungssäule führt THIEL die Kollegiale Supervision
innerhalb bzw. von Arbeitsgruppen in Kirchengemeinden und Stadtteilen
an. Diese mehr projektartige Beratung entwickelte sich (beispielsweise im
Burckhardt-Haus in Gelnhausen) vor allem aufgrund mangelnder
finanzieller und personeller Ressourcen zur Implementierung
professioneller Supervisionsmodelle (vgl. Thiel 1994: 202f).
Allen drei in ihrer Ausrichtung unterschiedlichen Entwicklungskontexten
gemeinsam ist ihre Abgrenzung zur professionellen Supervision i.S. einer
durch ausgebildete Supervisoren geregelten und therapieorientierten
Durchführung einer Einzel- oder Team-Supervision. Dabei ging der Praxis
„in der Regel eine Anleitungs- und in manchen Fällen sogar längere
Fortbildungsphase voraus“ (Thiel 1994: 201), die wiederum von zum Teil
ausgebildeten Supervisoren durchgeführt wurde.
Bemerkenswerterweise sind nach THIEL in Folge die „strukturellen
Ähnlichkeiten“ (Thiel 1994: 206) zwischen den beiden Supervisionsformen
„größer als ihre Differenzen“ (ebd.).
THIEL (1994, 1998) würdigt mit dieser Konnotation – wie viele seiner
KollegenInnen – Supervision als einen entscheidenden
Entstehungskontext von Kollegialer Supervision oder Beratung als
methodisch angeleitete Lernform. Das Fehlen eines ausgebildeten
Supervisors in der Umsetzungsphase als deutlichsten Unterschied zur
Abgrenzung anzuführen, impliziert dennoch weiterhin terminologische
Undeutlichkeit für die weiteren Überlegungen, wenn von Kollegialer
31 Speziell das um die Arbeit von dem ungarischen Arzt und Psychoanalytiker MICHAEL
BALINT Ende der 40er Jahre entwickelte „Spiegelungsphänomen“ (vgl. Rappe-
Giesecke 1994: 74) spielt für die in dieser Arbeit anstehende Konzeption einer
Kollegialen Beratungsübung zur Reflexion von Praktikumserfahrung eine
impulsgebende Rolle.
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 43
Beratung und/oder Supervision gesprochen wird.32 Eine Möglichkeit
terminologischer Differenzierung liefert u.a. in den Niederlanden
HENDRIKSEN, wenn er in dem Falle nicht von Super- sondern von
Intervision spricht und Kollegiale Beratung als eine begleitete Intervision
bezeichnet (vgl. Hendriksen 2002). Die Unterschiede zwischen Intervision
und Supervision liegen darin, dass die TeilnehmerInnen ohne einen
Supervisor als Gruppenleiter auskommen und eine wechselnde
Gesprächsführung (Rollenverteilung) methodisch vorgesehen ist (vgl.
Hendriksen 2002: 29).
4.2 Kollegiale Beratung als begleitete Intervision
Das Ersetzen von ‚super’ (über) durch ‚inter’ (zwischen) pointiert die
Gleichrangigkeit der TeilnehmerInnen speziell im Hinblick auf deren
Ausbildungsstand (vgl. Huschke-Rhein 1998a: 185). Der Anspruch an
„Beratungsprofessionalität“ tritt dabei terminologisch zugunsten einer rein
reflexionsorientierten Arbeit unter Gleichrangigen in einem horizontalen
Beratungsansatz in den Hintergrund. Intervision meint im Besonderen den
Austausch von Praxiserfahrung nur „zwischen Menschen, die verwandten
oder gleichen Professionen angehören“ (Schmid/Hipp 1999: 10).
Nach SCHMID und HIPP (1999) fokussiert der „Austausch von
Praxiserfahrung [...] mehr das praktische Handeln in der Situation,
während beim Austausch von Professionserfahrungen auch professionelle
Selbstverständnisse, Kontexte, Karrieren usw. in den Blick genommen
werden“ (Schmid/Hipp 1999: 10). Mit der Verwendung des Begriffs
Intervision anstelle von Supervision als „Selbsthilfe für Praktiker“ (ebd.)
tritt auch begrifflich in den Vordergrund, dass „einer vom anderen“
(Hendriksen 2002: 40) lernt.
32 Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels in einem ‚Handbuch der Supervision’
hat es womöglich als wissenschaftlicher Beitrag zur Debatte über die Methode
Kollegialer Beratung beigetragen – wenn dieser sonst nicht ebd. veröffentlicht worden
wäre.
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 44
In der so verstandenen intervisionsorientierten Ausrichtung der Lernform
geht es in der Kollegialen Beratung „um die:
• gegenseitige Beratung bei beruflichen Problemen
• in einer Gruppe von Gleichrangigen
• die innerhalb einer gemeinsam festgelegten Struktur
• zielgerichtet
• Lösungen zu finden versuchen
• in einem autonomen, an Erfahrung orientierten Lernprozess“
(Hendriksen 2002: 24)
Ein solchermaßen ausgerichtete horizontale Begegnung der Teilnehmer
basiert auf einem fragmentarischen Ansatz der Lernform, der folgend
spezifiziert wird.
4.3 Der fragmentarische Ansatz der Lernform
„Wir sind die Ruine von gestern und die Baustelle von morgen“
(Bernd Schmid)
Das Lernen am Beispiel als Grundelement eines fragmentarischen
Lernens beginnt bereits im Kindesalter, wenn die Theorie PIAGET’S
hinsichtlich lernpsychologischer Implikationen betrachtet wird.33 Die
Komplexität und Fülle der wahrnehmbaren Informationen erzwingt
geradezu eine Auswahl (Reduktion) und erfordert kognitive
Transferleistungen.
In der Beratungsarbeit von bzw. mit Organisationen und komplexen
Systemen hat sich der fragmentarische Ansatz als Lernform bewährt,
„wenn es gelingt, mit Schlüsselfiguren qualitativ hochwertige
professionelle Situationen zu inszenieren, die für die gewünschte
33 „Die Annahme von Schemata oder Strukturen als hypothetische Konstrukte wäre
überflüssig, wenn sie nicht als anwendbar auf unterschiedliche Gegenstände gedacht
wären.“ (Montada 1998: 556)
4 Kollegiale Beratung als methodisch angeleitete Lernform 45
Leistungs-, Organisations- und Kulturentwicklung beispielhaft sind“
(Schmid 2002: 15).
Wissenstheoretisch betrachtet handelt es sich dabei um implizites Wissen,
das als Erfahrungswissen eine „Flexibilisierung der Handlungsstrategien“
(Franke 2001: 55) zukünftiger Handlungen unterstützt: „Flexibilität
bedeutet, [...] dass beim Individuum die Verknüpfung der
Handlungsfunktionen zu Handlungsmustern, die operative Differenziertheit
beim Handeln, die Prioritätensetzung bei den Zielen sowie die Gewichtung
der einzelnen Qualitätsmerkmale des Handelns „konditionalisiert“ sind,
d.h. von subjektiven und objektiven Bedingungskonstellationen des
Handelns abhängig gemacht werden“ (ebd.). Die Zuordnung der
Lernerfahrung in den Bereich impliziter Wissenskomponenten, die von den
TeilnehmerInnen nicht explizit verbalisierbar erscheinen, verdeutlicht die
Problematik einer Evaluation derartig personenqualifizierender
Maßnahmen.34
Die sich während der Bearbeitung exemplarischer Beispiele in der
Kollegialen Beratungsarbeit ergebenden hypothetischen Annahmen über
wirklichkeitskonstruierende Zusammenhänge, können sich im individuellen
Lernprozess als geeignet zum Transfer in zukünftige Denk- und
Handlungsoperationen erweisen. Eine andersartige Herangehensweise an
zukünftige vergleichbare Situationen ergibt sich durch einen neuen Blick
auf vergleichbare Situationen oder alleine durch ein Innehalten und
Erinnern an die Kollegiale Beratungssituation. Im Vordergrund steht im
fragmentarischen Ansatz also, dass an implizite Wissenskomponenten
angeknüpft wird, indem Situationen aus der Praxis beispielhaft reflektiert
werden. Die Praxissituation wird in der Kollegialen Beratungsarbeit über
34 Eine Möglichkeit des Zugriffs auf Handlungswissen als Gegenstand einer
Untersuchung findet sich bei Vorwerg (Vorwerg 1991), indem er davon ausgeht, dass
Handlungswissen „in Form von Ziel-Bedingungs-Mittel-Einheiten gespeichert“ (ebd.:
106) ist.
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 46 zur Reflexion pädagogischer Praxis
diese hinaus betrachtet, indem der Beziehungsebene beispielhaft
Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Lernen wird im fragmentarischen Ansatz somit als:
• aktiver und konstruktiver Prozess verstanden, innerhalb dessen
• die Qualität der Bearbeitung einer beispielhaften Situation den Transfer
in zukünftige Denk- und Handlungsoperationen ermöglichen kann.
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung zur Reflexion pädagogischer Praxis
Die Vorgehensweise im folgenden Teil der Arbeit muss vor dem
Hintergrund der bereits dargestellten Entwicklungskontexte und den
theoretischen Implikationen der Lernform gesehen werden.
Für Teilnehmerinnen und Teilnehmer steht im Folgenden die Abkürzung
‚TN’. Bei der Bezeichnung weiterer Akteure wurde zur Vereinfachung
weitestgehend die männliche Form gewählt, ohne dass die damit
unerwähnt bleibende weibliche Form nicht gewürdigt würde.
Den Beginn der Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung zur
Reflexion pädagogischer Praxis bildet eine Darstellung der Struktur von
drei je nach Autor unterschiedlich empfohlenen Modellen des Ablaufs
einer Kollegialen Beratung. Aus diesen werden idealtypische Phasen einer
Kollegialen Beratung exploriert, die das weitere Vorgehen bestimmen und
eine Analyse einer durchgeführten Kollegialen Beratungsübung anhand
beobachtbarer Kriterien ermöglichen. Jede Phase kann dabei als
ablaufender Teilprozess verstanden werden, die im Zusammenspiel den
Kollegialen Beratungsprozess ausmachen.
Die methodische Ausgestaltung der einzelnen Phasen (im Ergebnis hier
als ‚Setting’ bezeichnet) im Kollegialen Beratungsprozess in praxi muss im
Zusammenhang mit der Zielsetzung der Durchführung und dem
Erfahrungsstand der TN mit der Methode der Kollegialen Beratung
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 47 zur Reflexion pädagogischer Praxis
kontextabhängig entschieden werden. Ziel der in dieser Arbeit zu
entwickelnden Kollegialen Beratungsübung ist explizit die Aufarbeitung
von Praxiserfahrung unter Studierenden der Erziehungswissenschaft im
Hauptstudium. Der Fokus vorliegender Überlegungen liegt dabei auf dem
Ziel einer Wirklichkeitsdekonstruktion einer Erfahrungsschilderung durch
die beteiligten Akteure. Diese wird über eine Wirklichkeitskonstruktion und
–rekonstruktion der Erzählung als kollegiale Leistung im
Beratungsprozess versucht zu erwirken, was die praktische
Vorgehensweise in den Phasen des kollegialen Beratungsprozesses
steuert:
• Der Gebrauch der Theatermetapher (Schmid/Wengel 2001).
• Eine systemisch-dialogische Kommunikation durch ein inszeniertes
dialogisches Wechselspiel.
Insofern und in Anlehnung an vorangestellte Überlegungen kann von
einer methodisch angeleiteten Aktivierung des Selbstlernens zur
Reflexion pädagogischer Praxis gesprochen werden, wenn die Praktika
der TeilnehmerInnen im Kontext erziehungswissenschaftlich relevanter
Arbeitsfelder stattgefunden haben und die Umsetzung methodisch
angeregter Veränderungsimpulse allein bei den TeilnehmerInnen liegt.
5.1 Zur Struktur einer Kollegialen Beratungsübung
Die schon im Kontext Kollegialer Beratung zitierten AutorenInnen liefern in
der angegebenen Literatur zahlreiche Hinweise bezogen auf den Ablauf
und die Phasen einer Kollegialen Supervision bzw. (Praxis)Beratung – je
nach erfolgter terminologischer Festlegung.35 Die Grundlage einer zu
konzipierenden Kollegialen Beratungsübung zur Reflexion pädagogischer 35 vgl. u.a.: „Strukturmodell Systemische Supervision“ bei Huschke-Rhein 1998a: 187ff,
„Lehrersupervision“ bei Petermann 1995: 18f, „Kollegiale Supervision“ bei Rotering-
Steinberg 1983: 109ff u. 2001a: 385f u. 2001b: 442, „Kollegiale Supervision“ bei Thiel
1998: 198f, „Methodenkoffer Kollegiale Beratung“ in Qs Nr.28: 66ff, „Kollegiale
Beratung und Supervision (KoBeSu)“ bei Schlee 1996: 195, in Teilen „KOPING“ nach
Wahl (1991) bei Huber 2001: 420ff (Zusammenfassung) und Wahl 1991: 195ff.
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 48 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Praxis liefert die dargestellte Übersicht des Ablaufs verschiedener
Kollegialer Beratungsmodelle (Tabelle 1). Im Vergleich mit anderen
Quellen (s.o.) liefern Hendriksen (2002: 100, 136), Rotering-Steinberg
(1995: 56f) und Thiel (1994: 209) ebenda, Angaben über die Rollen und
den Ablauf inkl. zeitlicher Angaben einer Kollegialen Supervision bzw.
(Praxis)Beratung.
5.1.1 Darstellung des Ablaufs verschiedener Kollegialer Beratungsmodelle
Es handelt sich in den angebotenen Ablaufschemata (siehe Tabelle 1) um
Vorschläge, die als „Gerüst“ (Rotering-Steinberg 1995: 56) verstanden
werden, die den „Einstieg“ (ebd.) in die Arbeit erleichtern sollen. In diesem
Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass eine Arbeit mit mehr als
acht beteiligten Personen hinsichtlich gruppendynamischer Überlegungen
wenig sinnvoll erscheint (vgl. Haug-Benien 1998: 11).
Außer einem Moderator/Begleiter und einem Berichtenden/
Falleinbringer/Problemsteller (im Folgenden als „Fallgeber“ bezeichnet)
braucht die Übung mindestens zwei Teilnehmer, die gemeinsam als
beratende Kollegengruppe (im Folgenden auch als „Kollegiale Berater“
bezeichnet) auftreten. Nach Verteilung der Rollen schildert der Fallgeber
(s)ein Problem und erläutert seine Klärungsabsichten.
Im darauffolgenden Schritt haben die Kollegialen Berater die Möglichkeit,
unklar gebliebene Zusammenhänge durch Nachfragen an den Fallgeber
näher zu beleuchten. Dieser Teil dient in allen Modellen der
Informationsgewinnung und nicht einer Lösungssuche.
Im nächsten Schritt tauscht die beratende Kollegengruppe ihre
Einschätzungen über die geschilderte Situation aus und entwickelt
konkrete Lösungsvorschläge. Danach bewertet der Fallgeber die
vorgebrachten Ideen. In einer daran anschließenden offenen Runde
haben dieser und die Kollegialen Berater die Möglichkeit zur Diskussion
und Reflexion des Beratungsprozesses. Unterschiede in den empfohlenen
Quelle Begleitete Intervision
„Die Ereignismethode“ (Hendriksen 2002: 100, 136)
„Leitfaden zur Kollegialen Supervision“ (Rotering-Steinberg 1995: 56f)
„Leitfaden für die Kollegiale Supervision (Fallarbeit)”
(Thiel 1994: 209)
Phasen des Kollegialen
Beratungsprozesses
Rollen - Begleiter - Problemsteller - (beratende) Gruppe
- Moderator - Berichtender - (beratende) Kollegengruppe
- Zeitwächter/Moderator - Falleinbringer - (beratende) KollegInnen
Vorbereitung
(1) 20 Min.: Bestandsaufnahme und Auswahl der Problemsituation
(2) 2 Min.: Erläuterung des ausgewählten Problems
(1) 5-10 Min.: Darstellung des externen Problem(partners) und Fragen, Wünsche, Gefühle, Klärungsabsichten der/des Berichtenden
(1) 10 Min.: Problembeschreibung
(2) 10 Min.: Schilderung einer konkreten Situation
Problemschilderung
(3) 5 Min.: ungeklärte Fragen aufschreiben
(4) 15 Min.: Informationsrunde
(5) 10 Min.: Situationsanalyse
(2) 2-3 Min.: Nachfragen der Kollegengruppe zur Problemskizze
(3) 5 Min.: Nachfragen der KollegInnen zur skizzierten Gesamtsituation
Befragung
(6) 15 Min.: Beratungsrunde Einschätzungen der Gruppe
(3) ca. 5 Min.: Situationsanalyse, Hypothesenbildung
(4) 10 Min.: Problemanalyse Bilder und Assoziationen, Hypothesen über mögliche Zusammenhänge
Problemanalyse
(7) 5 Min.: Aktionsplan
(4) 5-10 Min.: Beschreibung und Begründung der bereits realisierten od. beabsichtigten Handlungen
(5) 10 Min.: Lösungsvorschläge (erst brainstorming dann kommentieren)
(8) 10 Min.: Abschließende Diskussion
(5) 5-10 Min.: Kollegialer Erfahrungsaustausch Formulierung von Handlungsalternativen
(6) 5 Min.: Entscheidung für einen Weg aus (5)
Lösungsarbeit und
Lösungsfeedback
Ablauf
(9) 10 Min.: Auswertung Zusammenfassung, Lernerfolge
(6) ca. 5 Min.: Rückmeldungen der/des Berichtenden und der Gruppe
(7) 10 Min.: Ähnliche Erfahrungen der anderen KollegInnen und Rückmeldung des Falleinbringers
Offener Austausch und
Prozessreflexion
Dauer ca. 90 Min. Ca. 45 Min. ca. 60 Min.
Tabelle 1: Übersicht des Ablaufs verschiedener Kollegialer Beratungsmodelle
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 50 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Abläufen zeigen sich bei erster Betrachtung in terminologischen
Akzentuierungen wie z.B. der Rollenbezeichnungen der Akteure (vgl.
Tabelle1). Während HENDRIKSEN von einem „Begleiter“ (ebd.) spricht,
bezeichnen ROTERING-STEINBERG und THIEL diesen als „Moderator“ (ebd.)
– eine andersartige Funktion ist nicht erkennbar: in beiden Fällen
unterstützt dieser eine Strukturierung der Gespräche in der Anfangs- und
Schlussphase und achtet auf die Rollen- und Zeiteinhaltung während der
Kollegialen Beratung.36
Trotz solch unterschiedlicher Bezeichnungen bzw. möglicherweise
Gewichtungen der Rolle des Moderators oder Begleiters und Reihenfolge
der einzelnen Schritte der Übungen, zeigen sich gemeinsame Phasen im
Ablauf (siehe Tabelle 1), die hier als idealtypische Teilprozesse im
Kollegialen Beratungsprozess positioniert werden.
5.1.2 Idealtypische Phasen im Kollegialen Beratungsprozess
Die folgende Beschreibung der Phasen im Kollegialen Beratungsprozess
gilt als Versuch, die Grundstruktur der idealtypisch ablaufenden
Teilprozesse hinsichtlich unterschiedlicher Aktivität der einzelnen Akteure
und inhaltlicher Zielsetzung zu fassen (siehe Tabelle 2). Dabei werden
relevante methodische Hinweise zur praktischen Vorgehensweise in den
einzelnen Phasen erwähnt. Auf die praktische Gestaltung wird im weiteren
Verlauf noch näher eingegangen.
36 Rotering-Steinberg weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass bei einer
„expertInnengeleiteten Supervision“ die zeitliche Vorgabe von maximal 45 Minuten
„fast immer eingehalten werden“, gleichwohl berichtet sie, dass Kleingruppen
„erfahrungsgemäß einige Übungsphasen“ benötigen, „um mit solcher Effizienz und
Stringenz problemorientiert, befriedigend zusammenarbeiten können.“ (Rotering-
Steinberg 1995: 57) Diese Feststellung kann aus eigener Sicht als Hinweis darauf
interpretiert werden, dass der erfolgreiche Einsatz einer Kollegialen Beratung (wenn
auch langfristig) mehr über die Methode selbst als über eine professionelle Anleitung
durch beispielsweise einen ausgebildeten Supervisor erreicht wird.
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 51 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Den Beginn einer Kollegialen Beratung prägt neben der Rollenverteilung
unbedingt auch eine Verständigung über deren Ablauf. D.h. hier ist der
Platz für zu treffende Vereinbarungen in Bezug auf das weitere Vorgehen
im Kollegialen Beratungsprozess und bezüglich besonderer Anliegen bzw.
Ergänzungen. An dieser ersten Phase eine Kollegialen Beratung, die hier als
Vorbereitung bezeichnet wird, sind alle TN aktiv beteiligt. Die im Umgang
mit einer Kollegialen Beratung bereits geübten TN beginnen den
Kollegialen Beratungsprozess mit der Bestimmung eines Moderators. Im
Wesentlichen hängt die Besetzung und Ausgestaltung dieser Rolle vom
Übungsstand der Akteure ab. So steht der Moderator gegebenenfalls
schon vorher in Form einer die Übung anleitenden Person fest, zumal
wenn es sich um ein angeleitetes Setting mit weitestgehend ungeübten
TN handelt. Ein Wechseln der Rollen ist dabei vorgesehen. „Das
Freiburger (CH) Supervisionsmodell für Gruppen und Teams“ (Spiess
1996: 246f) empfiehlt zu Beginn einer Sitzung den „Gebrauch von
Metaphern“, „Entspannungsinduktion“ und/oder eine „Trance-Induktion“,
um ein „Bewusstsein und eine Stimmung“ (die folgend auch als innere
Haltung bezeichnet wird) bei den TN zu erzeugen, „welche die unmittelbar
folgenden sowie später instigierten Prozesse“ (ebd.) begünstigen.
Die den Verlauf einer Kollegialen Beratung betont aufmerksame,
zurückhaltende und wertschätzende innere Haltung der TN kann in der
Vorbereitungsphase beispielsweise mit einer Art angeleiteten
Phantasiereise unter Verwendung der Theatermetapher nach SCHMID UND
WENGEL angeregt werden (vgl. Schmidt/Wengel 2001). Zusätzlich kann
der Einstieg über eine metaphorische Trance-Induktion die TN bei ihrer
individuellen Entscheidung für oder gegen eine schilderungswürdige
Situation unterstützen. An dieser Stelle sei noch einmal betont, dass es im
Kontext exemplarischen Lernens im fragmentarischen Lernansatz weniger
um die Auswahl „der richtigen“, als um die einer „passenden“ Situation
geht.
Die Vorbereitungsphase endet mit der Auswahl eines Fallgebers, womit
den anderen TN entsprechend die Rolle der Kollegialen Berater zufällt.
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 52 zur Reflexion pädagogischer Praxis
In der darauffolgenden Phase der Problemschilderung beschreibt der
Fallgeber (s)ein Problem, indem er eine dafür stehende konkrete Situation
auswählt. Die Kollegialen Berater hören ohne zu unterbrechen
aufmerksam zu. Der Moderator achtet in dieser und den folgenden
Phasen auf die Zeiteinhaltung und weist – falls notwendig und vereinbart –
auch auf die Einhaltung der Rollen hin. Je nach Ziel und Design der
Übung unterstützt er zusätzlich den Fallgeber durch Fragen bei der
Darstellung und Auswahl einer passenden Situation.
Nachdem eine Situation ausgewählt und dargestellt wurde und der
Fallgeber (s)ein damit verbundenes Anliegen spezifiziert hat, haben die
Kollegialen Berater die Möglichkeit, dem Fallgeber Fragen zur weiteren
Informationsgewinnung zu stellen. Während dieser Befragung des
Fallgebers durch die Kollegialen Berater steht eine Klärung der sachlichen
Zusammenhänge im Vordergrund und keineswegs eine nach
Lösungswegen suchende Gesprächsführung.37
Eventuell mit Hilfe des Moderators findet durch Nachfragen eine
Strukturierung des Gehörten statt, bei der die „Kontexte“ (Huschke-Rhein
1998a: 188) und „Systemebenen“ (ebd.) der geschilderten Situation „an
Deutlichkeit gewinnen“ (ebd.) sollen. Es interessiert nicht wie die
Wirklichkeit konstruiert wurde, sondern wie sie sich aus Sicht des
Fallgebers darstellt. Diese mehr sachlich gehaltenen Informationen
werden erst in der darauffolgenden Phase der Problemanalyse „im
Hinblick auf zugrundeliegende Deutungs- und Handlungsmuster zu
reduzieren“ versucht (Thiel 1994: 208).
Nach Thiel geschieht diese Reflexionsarbeit in der Phase der
Problemanalyse „auf zwei ‚Kanälen’: durch bildhafte Vorstellung bzw.
intuitive Assoziationen und durch verbal ausformulierte Hypothesen bzw.
37 Rotering-Steinberg beschreibt diese Phase der Befragung wie folgt: „Sachliche
Nachfragen der KollegInnengruppe zur Problemskizze (d.h. keine Interpretationen oder
Phantasien zur Darstellung und keine „voreiligen Lösungsvorschläge“).“ (Rotering-
Steinberg 2001: 385)
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 53 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Tabelle 2: Die Phasen des Kollegialen Beratungsprozesses: aktive Rollen und Inhalte
Rollen Phasen Moderator Fallgeber Kollegiale
Berater Inhalt
Vorbereitung aktiv aktiv aktiv
• Ein Moderator wird bestimmt * • Der Ablauf der Übung wird
besprochen, Ergänzungen und Vereinbarungen ggf. getroffen
• Weitere Rollenverteilung: Ein Fallgeber wird ausgewählt, die übrigen TN sind die Kollegialen Berater
* je nach Übungsstand steht dieser schon fest
Problemschilderung unterstützend aktiv passiv aufmerksam
• Der Fallgeber schildert (s)ein Problem und liefert eine beispielhafte Situation
• Die Kollegialen Berater hören ohne zu unterbrechen aufmerksam zu
• Der Moderator achtet in dieser und den folgenden Phasen auf die Zeitein-haltung und weist ggf. darauf und auf die Einhaltung der Rollen hin
Befragung unterstützend aktiv aktiv
• Die Kollegialen Berater können sachliche Fragen zur Informationsgewinnung stellen
• Der Moderator unterstützt zusätzlich ggf. bei der Strukturierung des Falles
• Der Fallgeber versucht die gestellten Fragen zu beantworten
Problemanalyse unterstützend passiv aufmerksam aktiv
• Die Kollegialen Berater sammeln ihre Eindrücke und Assoziationen. Dabei werden keine Lösungsvorschläge diskutiert sondern Hypothesen und Erklärungsansätze formuliert
• Der Fallgeber hört ohne zu unterbrechen aufmerksam zu
Lösungsarbeit unterstützend passiv aufmerksam aktiv
• Die Kollegialen Berater entwickeln Lösungsvorschläge in hypothetischer Form und nehmen dabei durchaus Bezug auf eigene Erfahrungen
• Der Fallgeber hört wie zuvor ohne zu unterbrechen aufmerksam zu
Lösungsfeedback unterstützend aktiv passiv aufmerksam
• Der Fallgeber nimmt Stellung zu dem Gehörten und gibt der Beratungsgruppe Feedback, für welchen Lösungsvorschlag er sich (ggf. eher) entscheidet
• Die Kollegialen Berater hören ohne zu unterbrechen aufmerksam zu
Offener Austausch unterstützend aktiv aktiv
• Die Kollegialen Berater und der Fallgeber tauschen sich in einer offenen Runde über die Lösungswege und eigene ähnliche Erfahrungen aus
• Der Moderator unterstützt zusätzlich ggf. bei der Strukturierung
Prozessreflexion aktiv aktiv aktiv
• Die Kollegialen Berater und der Fallgeber berichten über ihr Erleben in den Phasen des Kollegialen Beratungsprozesses und
• geben dem Moderator Feedback, der ebenfalls kurz seine Eindrücke schildern kann
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 54 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Vermutungen im Hinblick auf intrapsychische, interaktionelle und/oder
institutionsbezogene Gesetzmäßigkeiten in der Falldarstellung“ (Thiel
1994: 208). Die immanente Bedeutung beschreibt eine Leistung im
Kollegialen Beratungsprozess, die allein im kollegialen Austausch in Form
von Re- und Dekonstruktion von Wirklichkeit erbracht wird, worauf noch
näher eingegangen wird (siehe Kapitel 5.2.1 i.d.A.). Zur Steuerung dieses
Prozesses und einer möglichen Neigung in konkurrierende
Diskussionsstile zu verfallen, bietet es sich im praktischen Vorgehen an,
eine dialogische Struktur des Ablaufs vorzugeben bzw. zu vereinbaren. Im
Falle der in dieser Arbeit zu entwickelnden intervisionsorientierten
Kollegialen Beratungsübung orientiert sich die vorgegebene Dialogstruktur
an der Idee des ‚reflecting teams’ nach TOM ANDERSEN (1996). Ebenfalls
möglich ist der Einsatz von Systemaufstellungen (vgl. die Arbeit mit
Skulpturen BERT HELLINGERS in: v.Schlippe/Schweitzer 2000: 42ff) oder
Rollenspielen zur Verdeutlichung von Situationskontexten. Bei dem
Einsatz von Rollespielen gelten die Arbeiten von Moreno zum
Psychodrama als maßgebende Methode im Supervisionskontext (vgl.:
Schreyöog 1992: 332-382).38
In der darauffolgenden Lösungsarbeit gilt es dann, geeignete
Lösungsvorschläge in wiederum hypothetischer Form zu entwickeln.
Dabei nehmen die Kollegialen Berater bewusst und/oder intuitiv auch
Bezug auf eigene Erfahrungen um vorstellbare Szenarien formulieren zu
können. Es geht nicht darum nach „richtig“ oder „falsch“ zu sondieren,
sondern darum, sich passende oder mögliche Verläufe vorzustellen.39
38 Zu beachten ist hier die „Gefahr, daß Mitspieler ihre eigenen Projektionen oder
Intentionen in das Spiel hineintragen“ (Schreyöog 1992: 382) und damit
psychotherapeutisch relevante Problemkontexte an die Oberfläche kommen könnten.
Bei weitestgehend ungeübten TN in einem expertenungeleiteten Setting einer
Kollegialen Beratung empfiehlt sich der Einsatz psychodramatischer
Methodenelemente nur dann, wenn die möglichen Folgen bekannt und mindestens ein
TN Erfahrung im Umgang mit der Methode hat. 39 „In den letzten Phasen achtet der Moderator besonders auf die Einhaltung der Regeln
in der Gruppe: keine Abwertungen der Vorschläge, Diskussionen über bessere oder
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 55 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Nach der Lösungssuche nimmt der Fallgeber in der Phase des
Lösungsfeedbacks Stellung zu dem Gehörten und gibt der kollegialen
Beratungsgruppe auch ein Feedback, für welches Lösungsszenario er
sich entscheidet oder entscheiden würde („Welches Lösungsangebot halte
ich ehesten für umsetzbar?“ „Was ist mir aus euren Erzählungen
deutlicher geworden, als es mir vorher klar war?“). Die Kollegialen Berater
hören dem Fallgeber ohne zu unterbrechen aufmerksam zu.
Erst in einer sich daran anschließenden Phase kommt es zum offenen Austausch zwischen den Kollegialen Beratern und dem Fallgeber. Hier
findet sich Gelegenheit, die Lösungswege gemeinsam zu betrachten und
ähnliche oder durch den Beratungsprozess „wachgerufene“ Erfahrungen
einzubringen. Diese „Umkehrphase“ (Spiess 1996: 251) räumt allen TN
die Möglichkeit ein, „einen Transfer zu ähnlichen eigenen Situationen und
Erfahrungen herzustellen“ (ebd.) und verstärkt damit die Idee des
Selbstlernens im Kollegialen Beratungsprozess. Gegebenenfalls
unterstützt der Moderator bei der Strukturierung des Dialogs mit dem Ziel,
dass sich diese Phase nicht zu einer erneuten Lösungsarbeit
verselbständigt.
In der anschließend letzten Phase haben alle TN die Möglichkeit, ihre
Eindrücke auf den Prozess bezogen zu verbalisieren. Es geht in dieser
Phase nicht um Bewertungen von Inhalten, sondern um Eindrücke den
Ablauf und die Rollen betreffend. Diese Prozessreflexion schließt den
Kollegialen Beratungsprozess mit einem Feedback auch an den
Moderator ab.
schlechtere Vorschläge im Keim ersticken. Denn die Entscheidung darüber muß die
Ratsuchende ja schließlich selber treffen.“ (Huschke-Rhein 1998a: 190)
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 56 zur Reflexion pädagogischer Praxis
5.2 Die Anleitung einer systemisch-dialogorientierten Kommunikation im Kollegialen Beratungsprozess: (Re)Konstruktion und Dekonstruktion einer Erzählung
„Es könnte auch noch anders sein! Wir sind die Enttarner unserer Wirklichkeit!“
(Reich 2002: 121)
In dem angestrebten Kollegialen Beratungsprozess soll es nicht darum
gehen zu (er)klären, was „richtig“ oder „falsch“ an der Darstellung sein
könnte – das Ziel der Kollegialen Beratungsübung wird es sein,
Zusammenhänge und damit Inhalte über die Beziehungsebene klärend in
den Blick zu nehmen. Aus diesem Grund bilden die im ersten Teil der
Arbeit mit einem systemisch-konstruktivistischen Ansatz nach REICH
(2002) dargestellten Beobachtungsperspektiven und das „Dialog-Modell“
(Abbildung 2) nach SCHMID (Schmid 2001:13) die theoretische
Ausgangslage einer systemisch-dialogorientierten Kommunikation, wie sie
hier über eine Kollegiale Beratungsübung angeleitet werden soll.
Eine Klärung der Wirklichkeitszusammenhänge einer als Erzählung eines
Beobachters zu Beginn gelieferten Situation, wird in der Übung über die
Betrachtung unterschiedlicher Systemebenen und deren
Wechselwirkungen versucht. Die narrative Form und die systemische
Betrachtungsweise findet in den Phasen des Kollegialen
Beratungsprozesses dann in einem „»Dreiklang« von Erfinden, Entdecken
und Enttarnen“ (Reich 2002: 121) statt:
Konstruktion oder „Erfinden“ (ebd.) findet statt, wenn die Wirklichkeit einer
Situation durch den Fallgeber konstruiert wird, indem er sie erzählt.
Rekonstruktion oder „Entdecken“ (ebd.) findet statt, wenn der bereits
bestehenden Konstruktion (der geschilderte Fall als Erzählung)
nachgegangen wird.
Dekonstruktion oder „Enttarnen“ (ebd.) findet statt, wenn die Erzählung
durch Verfremdung und Neugestaltung verändert wird.
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 57 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Die drei Möglichkeiten, eine Erzählung im Beratungsprozess zu
betrachten, fügen sich dabei zirkulär, d.h. aufeinander aufbauend und
beziehend, aneinander (vgl. Reich 2002: 118ff).
Die Beratung dient damit weniger dem Ziel einer strategischen
Lösungssuche für ein Problem, als einer Reflexionsarbeit durch eine
ständige Konstruktion und Rekonstruktion der Erzählung mit dem Ziel
einer passenden Dekonstruktion. Methodisch wird ein solches Vorgehen
über die Inszenierung dialogischer Wechselspiele in der Kommunikation
angeleitet. Deren Bedeutung wird noch erläutert und die praktische
Ausgestaltung mit dem Design einer ‚Kollegialen Beratungsübung zur
Aufarbeitung von Praktikumserfahrung’ vorgestellt (siehe Kapitel 5.3
i.d.A.).
Das gemeinsame Reflektieren einer Praktikumserfahrungen auf dem
Wege ständiger Konstruktion und Rekonstruktion – beides mit dem Ziel
eine neue Version der Erfahrungsschilderung zu liefern – wird zuvor als
kollegiale Leistung im Beratungsprozess besonders hervorgehoben. Das
Erbringen dieser Leistung wird durch eine kollegiale Begegnung im
horizontalen Beratungsansatz erleichtert.
5.2.1 Wirklichkeits(re)konstruktion und –dekonstruktion als ‚kollegiale Leistung’ im Beratungsprozess
Um von Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion von Wirklichkeit
im Kollegialen Beratungsprozess sprechen zu können, sei an die
biologisch bedingte Ausgangslage konstruktivistisch geleiteter
Überlegungen erinnert. Demnach konstruiert der Mensch Wirklichkeit als
erkennendes Subjekt aus der Perspektive eines Beobachters (vgl. Kapitel
3.1 i.d.A.).
Im Sinne der notwendigen Komplexitätsreduktion und Ordnung der zur
Auswahl stehenden Informationen, etablieren sich dabei passende
Strukturen oder Stile der Wahrnehmung, die bereits als Wirklichkeitsstile
bezeichnet und dargestellt wurden (vgl. Kapitel 3.2.3.3 i.d.A.). Wenn THIEL
(1994) von intrapsychischen, interaktionellen und/oder
institutionsbezogenen „Gesetzmäßigkeiten in der Falldarstellung“ (Thiel
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 58 zur Reflexion pädagogischer Praxis
1994: 208) spricht, liefert er einen Hinweis auf die Notwendigkeit eines
systemischen Verständnisses bei der Betrachtung von
Wirklichkeitsausschnitten, die als Erzählung eingebracht werden.
Wirklichkeits(re)konstruktion, und –dekonstruktion hier als eine kollegiale
Leistung der Beratungsübung im Beratungsprozess zu positionieren,
basiert darauf, dass:
1. eine Leistung der Kollegialen Beratung darin besteht, eine erlebte
Situation bereits als bio-psycho-sozial bedingte Konstruktion von
Wirklichkeit bewusst-methodisch („Ich will eine andere Meinung
dazu hören, weil ich wissen will, wo ich falsch liege...“) oder
unbewusst-intuitiv („Mich interessiert wie die anderen das
sehen...“) zu identifizieren, wenn sie als Fall in die Kollegiale
Beratung eingebracht wird. Der Fallgeber nimmt sich als
Beobachter wahr.
2. ein in der Phase der Befragung beginnendes Bemühen der TN, die
Erzählung nach impliziten Zusammenhängen zu hinterfragen, als
methodisch inszenierte Reflexion auf eine zurückliegende Situation
interpretiert wird. Dabei stellen die Kollegialen Berater Fragen, um
die gelieferten Informationen aus ihren subjektiven Blickwinkeln zu
beleuchten, die sie aus intuitiv vorhandenen Annahmen über eine
mögliche Antwort entwickeln („Mich interessiert, warum du das so
siehst, weil ich der Meinung bin, dass...“).
3. die Verbalisierung von anderen passenden Versionen der als Fall
eingebrachten Wirklichkeitskonstruktion (‚reframing’) zugleich ein
Ziel darstellt. Ab der Phase der Problemanalyse wird weniger den
gelieferten Informationen aus der Falldarstellung, als den
subjektiven Bedeutungszuweisungen Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Kollegialen Berater sollen passende (viable) „neue“ Versionen
der Wirklichkeitszusammenhänge konstruieren.
Dekonstruktion als Prozess begleitet uns bewusst oder unbewusst
ständig und wird hier deshalb auch als antreibendendes Motiv von
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 59 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Denkprozessen verstanden. Diese Annahme wird durch die
Vermutung u.a. von SIEBERT (2000) gestützt, dass Erwachsene oft
unzufrieden mit ihren Deutungen von Wirklichkeit sind. Diesen
Mißmut zu äußern und mit anderen Interpretationen zu
vergleichen, scheint vielen Erwachsenen ein Bedürfnis (vgl. Siebert
2000: 109).40 Natürlich muss das auch als Form einer Leistung der
Kollegialen Beratungsmethode bewertet werden, wenn eine
ebensolche Neigung als Ressource eingesetzt wird.
Eine mehrperspektivische Betrachtung der Erzählung wird erleichtert, da
sich die TN in einem horizontalen Beratungsansatz kollegial begegnen.
5.2.2 Die kollegiale Begegnung im horizontalen Beratungsansatz
Eine auf einer gemeinsamen Lernerfahrung beruhende Lernform wird in
der verwendeten Literatur auch als ‚kooperatives Lernen’ bezeichnet (vgl.
Konrad/Traub 2001, Mutzeck 1996). In dieser Arbeit wird in Bezug auf die
Fragestellung gleichbedeutend der Begriff ‚kollegial’ bevorzugt, um den
Kontext gemeinsamer beruflicher Wirkungsfelder, d.h. der professionellen
Lebenswelt der Akteure, besonders hervorzuheben. Eine Abgrenzung zu
reinen Selbsterfahrungsgruppen zeigt sich dabei an der ständigen
Bezugnahme auf praxisrelevante Inhalte, die in Beziehung zueinander
gesetzt und betrachtet werden sollen (vgl. Rotering-Steinberg 2001a:
382).
40 Der Mediziner und Professor für Neurophysiologie und Neurochirurgische
Rehabilitation an der Universität Bonn Detlef Linke beschreibt dieses Phänomen so:
„In unseren Kulturen meinen viele, auf die Ich-Grenzen acht haben zu müssen, obwohl
dieses Konzept auf einer territorialen Metapher beruht, die bei den in das Geistige
reichenden Interessen gar nicht zur wirklichen Anwendung kommen kann. Haben sie
dann dennoch das Gefühl, die Abgrenzungswand sicher um sich aufgerichtet zu
haben, werden sie von dem Bewusstsein der Enge überfallen und möchten nichts
lieber, als Objektgrenzen einzureißen.“ (Linke 2000: 75)
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 60 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Systemisch betrachtet treffen in der professionellen Supervision
(Ratsuchender trifft als Klient auf Berater) mindestens zwei
unterschiedliche Herangehensweisen der Betrachtung eines Problems
aufeinander, bei der „das Beratersystem ein häufig auch relativ
festgefügtes Wirklichkeitsverständnis mit dem des Klientensystems
kontrastiert und dadurch etwas Neues hervorgebracht werden kann“
(Schmid 1989: 51). Die kollegiale Begegnung im horizontalen
Beratungsansatz meint hier, dass sich die TN in einer Haltung begegnen,
bei der keiner der beteiligten Akteure Wirklichkeitsverständnisse einer
anderen Person vertikal „von einer Meta-Ebene (...) zu steuern versucht“
(ebd.: 52). Die Studierenden im Hauptstudium, die sich in der Kollegialen
Beratungsübung zusammenfinden, sollen sich mit ihren Erzählungen nicht
mit dem Vorhaben begegnen, diese nach implizierten Mustern zu
durchsuchen. Das Imaginäre soll nicht aufgedeckt, sondern selbsttätig
entdeckt werden. Die TN befinden sich mit ihren imaginär bedingten
Konstruktionen des Symbolischen als „Gesamt von Bedeutungen“ (Reich
2002: 76) auf einer Ebene. Eine hierarchische Ordnung ist nicht
vorgesehen – vielmehr ein gemeinsames Betrachten der Erzählung, bei
dem „einer vom anderen lernt“ (Hendriksen 2002: 40).41
Die gemeinsame Betrachtung der als ungeklärt wahrgenommenen
Wirklichkeitskonstruktion wird ermöglicht, indem sich aus einem
möglicherweise festgefügten „Wirklichkeitsverständnis“ (s.o.) eines
Beobachters unterschiedliche Versionen über andersartige
Verknüpfungen der Inhalte (Beziehungsebene) in einem dafür
konstruierten Raum ergeben. Die neuen Perspektiven auf ein
geschildertes Problem sollen von den TN in der Kollegialen
Beratungsübung durch das „strukturierte Betrachten eines Problems aus
41 vgl. ROTERING-STEINBERG: „Das Wissen um die sozial-kognitive Lerntheorie als
theoretischer Rahmen für die Kollegiale Supervision ist notwendig, um zu erkennen,
auf welche vielfältige Art ich bei dieser Supervisionsform lerne: Durch die Kombination
von Modell-Lernen, Fremd- und Selbstverstärkung entsteht nicht nur für den/die
Erzähler/in ein Lernprozess, sondern auch für alle anderen Gruppenmitglieder
(„stellvertretendes Lernen“).“ (Rotering-Steinberg 2001a: 382)
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 61 zur Reflexion pädagogischer Praxis
unterschiedlichen Perspektiven“ (Mutzeck 1996: 144), welches „neue oder
veränderte Erklärungs- und Lösungsmöglichkeiten in den Blick der
Gesprächspartner“ (ebd.) rückt, entwickelt werden.42 Vertikal
implementierte Rollenhaltungen bzw. -erwartungen oder geschulte
Fokussierungen und Interventionen seitens eines Beratersystems sollen
dabei weniger eine Rolle spielen. Damit wird einmal mehr betont, dass in
der Kollegialen Beratungsübung, wie sie hier entwickelt wird, keine direkte
Lösungssuche im Vordergrund steht. SCHLEE formuliert im Rahmen seiner
Überlegungen zur „Beratung und Supervision in kollegialen
Unterstützungsgruppen“ (Schlee 1996: 188), was auch hier im Sinne eines
fragmentarischen Beratungsansatzes gilt: „Die eigentliche
Veränderungsarbeit müssen und können nur die ratsuchenden Personen
selber leisten“ (ebd.: 190).
Die kollegiale Begegnung im horizontalen Beratungsansatz unterstützt
eine Aktivierung des Selbstlernens durch eine kooperative Reflexion der
beobachteten Situation. Ein mehrperspektivisches Betrachten der
Erzählung soll in der Übung über dialogische Wechselspiele inszeniert
werden.
5.2.3 Zur Inszenierung dialogischer Wechselspiele im Kollegialen Beratungsprozess
Die Inszenierung dialogischer Wechselspiele meint, dass die Akteure im
Kollegialen Beratungsprozess den dialogischen Prozess jeweilig
konstituierende, wechselnde Rollen (spielerisch) einnehmen.
Es ist davon auszugehen, dass den TN der erlebte Unterschied zwischen
„Theorie und Praxis“ in der erfahrbaren Alltagswelt häufig begegnet, ohne
dabei explizit hinterfragt zu werden. Die Nützlichkeit einer
Verobjektivierung dieser impliziten «Wahrheit» als das „Reale“ (Reich 42 vgl. FRANKE: „Wie die Ergebnisse der experimentellen Arbeiten von Reither (1979) und
Hesse (1979) zeigen, kann die Betrachtung des eigenen Tuns und Denkens – ohne
jede Anleitung – zu einer bedeutsamen Verbesserung des eigenen Denkens führen.“
(Franke 2001: 53)
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 62 zur Reflexion pädagogischer Praxis
2002: 104, vgl. 3.2.3.2) verhindert aufgrund komplexitätsreduzierender
Effekte oft den Blick auf lösungsorientierte Denkoperationen. Mit der
Kollegialen Beratung bietet sich eine methodische Vorgehensweise an,
unter dem Deckmantel einer «So tun als ob» Situation in einer Art
„hypothetischen Trance“ über andere oder neue Möglichkeiten
nachzudenken. Dabei zeigt sich möglicherweise die Kluft zwischen dem
theoretischen Nachdenken über Lösungen und der als Praxis erlebten
Wirklichkeit. Im Moment der Wahrnehmung des Zusammenwirkens
unterschiedlicher Wirklichkeitsgestalter erweist sich dann eine bereits
akzeptierte „objektive Wahrheit“ möglicherweise als Erfindung. Eigene
Wirklichkeitsstile lassen sich in der Begegnung mit unterschiedlichen
„Bildern“ (durch die Inszenierung) und der Verbalisierung von
„Nebenwirkungen“ (Dörner 2001: 307) von Handlung erahnen. Ein
wirklichkeitsnäheres Hypothetisieren über Ausgänge von Interaktionen
gelingt, wenn systemisch vorgegangen wird, d.h. wenn vernetzte
Zusammenhänge dabei erkannt oder erahnt werden. DÖRNER bezeichnet
diese Effekte (ein möglicher Unterschied zwischen Theorie und Praxis) als
„Nebenwirkungen“ (Dörner 2001: 307), auf die das handelnde Subjekt in
der erlebten Situation vielleicht nicht schaut (vgl. ebd.). Die Legitimität
bestehender Wirklichkeitsstile soll spielerisch zu Hinterfragen angeregt
werden, indem sie beispielsweise bewusst verfremdet werden. Nach
SCHMID UND PORTELE (1976) nennt BERT BRECHT diesen Effekt
„Verfremdungseffekt“ (Schmid/Portele 1976: 455ff).43 Hypothetisieren in
den Spekulationssphären bedeutet eine verfremdende
Metakommunikation zu betreiben und zu reflektieren. Es soll nicht darum
gehen, andere von den eigenen Wirklichkeitsvorstellungen zu
überzeugen.
43 Nach Brechts Auffassung handelt es sich „um eine Technik, mit der darzustellenden
Vorgängen zwischen Menschen der Stempel des Auffallenden, des der Erklärung
Bedürftigen, nicht Selbstverständlichen, nicht einfach Natürlichen verliehen werden
kann. Der Zweck des Effektes ist, dem Zuschauer eine fruchtbare Kritik vom
gesellschaftlichen Standpunkt zu ermöglichen.“ (Brecht zitiert nach Schmid/Portele
1976: 455)
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 63 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Um einer solchen Neigung methodisch zu begegnen, soll die Erzählung
eines Erfahrungsschildernden in der Übung dialogisch angeleitet und aus
unterschiedlichen Blickwinkeln rekonstruiert werden. Eine solche
Vorgehensweise durch die Rollenanweisungen erscheint möglich, wenn in
einem vereinbarten und sanktionsfreien Rahmen Ideen als solche auf
Basis der vom Fallgeber gelieferten Informationen von anderen Personen
verbalisiert werden dürfen. Die TN können die jeweilige
Betrachtungsebene im Kollegialen Beratungsprozess wechseln. Mit einer
aus der Informationstechnologie stammenden Begrifflichkeit, findet dieser
Prozess in der Kollegialen Beratungsübung dabei in einem nahezu
‚abgesicherten Modus’ statt, der durch das Setting einen
institutionalisierten Charakter erhält: das Betriebssystem eines Rechners
dient dem Anwender als Kommunikationsmedium oder
Benutzeroberfläche zur Eingabe und Übersetzung von elektronischen
Informationen. Ist dieses defekt, fährt der Computer nach automatischem
Abschalten in einem sogenannten „abgesicherten Modus“ (z.B.
Windows98) hoch, bei dem ein Zugriff auf möglicherweise beschädigte
Systemebenen für ungeübte Anwender teilweise unmöglich ist. Das
System läuft zwar, aber je nach Ausmaß der Beschädigung können nur
Daten heruntergeladen werden und keine neuen aufgespielt. Verglichen
mit der Arbeit im Kollegialen Beratungsprozess hat nur das Primärsystem
selbst, d.h. der Fallschildernde die Möglichkeit „Zugriffsrechte“ zu
vergeben. Die Szenarien können formuliert, aber nicht direkt „eingegeben“
werden.
Mit der Phase der Problemanalyse beginnend, betrachten die TN dann
unter Ausschluss der institutionellen oder sozialen Genese der
Informationen verschiedene Varianten der Konstruktion der vom Fallgeber
wahrgenommenen Wirklichkeit. Erkennen meint dabei nicht abbilden,
sondern vollzieht sich über einen Erkenntnisprozess, der als solcher von
den TN wahrgenommen und gewürdigt werden muss. Die Falldarstellung
wird als Erzählung und somit Ergebnis eines Erkenntnisprozesses
eingebracht, welche von persönlichen Erlebnissen und etablierten
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 64 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Wirklichkeitsstilen, d.h. individueller „Deutungsmuster“ (Siebert 2000: 111)
geprägt ist, aber als solche nicht analysiert wird.
Bei der Arbeit im Kollegialen Beratungsprozess geht es vielmehr darum,
die Art und Weise wie Wirklichkeit gestaltet wird zu reflektieren, indem
passende Dekonstruktionen einer geschilderten Situation aus dem
Praktikum entwickelt werden. Diese Dekonstruktionen sind als kritische
Betrachtung auf das eigene Handeln in sozialen Kontexten in den
Gesamtprozess der Übung eingebunden. Eine vorgegebene dialogische
Struktur in den Phasen des Kollegialen Beratungsprozesses unterstützt
ein damit initiiertes exemplarisches bzw. fragmentarisches Lernen (vgl.
Kapitel 4.3 i.d.A.).
Die Entdeckung imaginär vorhandener Wirklichkeitsstile beginnt, wenn
implizite Zusammenhänge bei der Rekonstruktion der geschilderten
Wirklichkeit erkannt werden. Die Rekonstruktion der vom Fallgeber
geschilderten Zusammenhänge wird methodisch über
Spekulationssphären versucht. Die Strukturen und Ausgestaltung der
geschilderten „objektiven“ Wirklichkeit bieten sich zudem zur
Rekonstruktion an, um den Wechselwirkungen oder Begründungen auf
„die Spur zu kommen“. Wünsche, Vorstellungen und Hoffnungen erweisen
sich möglicherweise als unausgesprochen steuernd – und imaginär. Die
Übertragung in die „Alltagswelt“ weiterer Erkenntnisse liegt bei den TN. In
einer therapeutischen oder in solcher Weise ausgerichteten
professionellen Supervision dominiert unter Umständen mehr das Ziel,
eine Ergänzung und Überprüfung des Repertoires an persönlichen
Inszenierungs-Stilen wirksam zu implementieren.44 Im Rahmen einer
Kollegialen Beratungsübung reicht es aus, die Unterschiedlichkeit der
Interpretationen von Wirklichkeit an die Oberfläche zu bringen.
44 vgl. dazu v.a. die Ausführungen zu „Prämissen dritter Ordnung“ in Watzlawick u.a.
1990: 248ff hinsichtlich einer Unterscheidung zwischen psychologischer und
pädagogischer Zielsetzung.
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 65 zur Reflexion pädagogischer Praxis
5.3 Design einer Kollegialen Beratungsübung zur Reflexion pädagogischer Praxis mit Studierenden der Erziehungswissenschaft
Das hier entwickelte Design einer Kollegialen Beratungsübung zur
Reflexion pädagogischer Praxis mit Studierenden der
Erziehungswissenschaft orientiert sich in der praktischen Ausgestaltung
neben den zuvor geschilderten Überlegungen, an den empfohlenen
zeitlichen Abläufen (vgl. Kapitel 5.1.1 i.d.A.) und den idealtypischen
Phasen eines Kollegialen Beratungsprozesses (vgl. Kapitel 5.1.2 i.d.A.).
Das Ziel der Übung soll es sein, Studierenden der
Erziehungswissenschaft eine reflexive Aufarbeitung von
Praktikumserfahrungen zu ermöglichen, indem eine ausgewählte Situation
kollegial beraten wird. Dabei werden die TN methodisch über einen
vorgegebenen Ablauf begleitet, die Phasen eines Kollegialen
Beratungsprozesses zu durchlaufen, in dem sich selbstlernerische
Aktivitäten entfalten. Eine kollegiale Leistung (vgl. Kapitel 5.2.1 i.d.A.), soll
über dialogisch inszenierte Wechselspiele ermöglicht werden.
Der Kollegiale Beratungsprozess, welcher anhand dieses Übungsdesigns
angeleitet werden soll, impliziert somit den Versuch ein dialogisches
Verfahren methodisch zu inszenieren. Mithilfe dieses Verfahrens wird die
geschilderte Situation als Resultat einer Beobachtung systemisch
betrachtet. Eine Lösungsarbeit findet aus diesem Grund nur begrenzt
innerhalb der Problemanalyse statt. Die Übung ist so konzipiert, dass sie
ohne einen einleitenden Workshop oder andere Formen der Vorbereitung
durchführbar sein soll.
Beteiligte Rollen (bei 5 Personen):
• 1 Moderator, der die Zeiteinhaltung überprüft und gegebenenfalls auf die Rolleneinhaltung und vorgegebenen Fragen hinweist
• 1 Erfahrungsschildernder (A) und 3 Kollegiale BeraterInnen (B,C, D) Dauer der Übung: ca. 4 Std.
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 66 zur Reflexion pädagogischer Praxis
(1) 3-4 Minuten:
Vorb
erei
tung
spha
se
• Der Moderator lädt in ein stilles Selbstgespräch ein, in dem mit der Theatermetapher eine Orientierungshilfe zur Auswahl einer klärungsbedürftigen Situation gegeben wird (Notizen machen).
• Die Reihenfolge der Erfahrungsschildernden (A) wird festgelegt.
(2) 5-7 Minuten:
• A schildert eine Situation aus seinem/ihrem Praktikum. • B, C und D hören entspannt zu; dabei versetzen sie sich in eine
Haltung, in der sie:
Prob
lem
schi
lder
ung
o aufmerksam-freundlichen Kontakt zu sich selbst aufnehmen. o Sich mit unfokussierten Blick auf A einstellen.
(3) 2-3 Minuten:
• B, C und D betrachten A und überlegen sich kurz still: (Gegebenenfalls auch Notizen machen!)
1. Was habe ich gehört? 2. Was beschäftigt mich an der Sache?
(4) 5 Minuten:
Bef
ragu
ng
• B, C und D können A Verständnis- und Zusammenhangsfragen stellen.
(5) 3 x 10 Minuten: • B berichtet C und D kurz was er/sie gehört hat und ihn/sie an der
Sache beschäftig • B spekuliert in lockerer Folge den Fragen (Spekulationssphären)
entlang über A.
Spekulationssphären:
Wenn jemand Drittes mich fragen würde: 1. Was hat A, der mir das erzählt hat, eigentlich für eine Erfahrung
gemacht? 2. Was glaube ich, welche Spuren diese Erfahrung bei A zur Zeit
hinterlässt? 3. Welche Möglichkeiten sehe ich (als pädagogische/r Kollege/in) für
A, aus dieser Erfahrung etwas Nützliches zu gewinnen?
• C und D hören B entspannt zu. Dabei ist ihre Aufgabe (gegebenenfalls durch Nachfragen), sich darin zu überprüfen, ob sie B so verstehen wie er/sie A verstanden hat („Habe ich es richtig verstanden, dass du das Gefühl hast, dass A...“).
• B, C und D nehmen keinen Kontakt zu A auf, sondern lassen ihren Eindrücken und Vermutungen freien Lauf.
• A hört zu, muss nichts auf sich beziehen und gibt keinen Kommentar.
Prob
lem
anal
yse
und
Lösu
ngsa
rbei
t
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 67 zur Reflexion pädagogischer Praxis
• Nun ist C und danach D an der Reihe, in lockerer Folge an den Fragen entlang über A zu spekulieren (die anderen Kollegialen Berater verhalten sich jeweils entsprechend).
(6) 5-10 Minuten:
Lösu
ngsf
eedb
ack
• A berichtet B, C und D was ihn/sie während dieser Phase bewegt hat.
(7) Schritte (2) – (6) mit einer/einem anderen Erfahrungsschildernden (A)
(8) 15 Minuten:
Offe
ner A
usta
usch
und
Pr
ozes
sref
lexi
on
• A, B, C und D tauschen sich über ihre Erfahrungen und möglichen Erkenntnisgewinn während der Übung aus und
• geben dem Moderator ein Feedback.
Erläuterung der Schritte
Im Schritt 1 kann der Moderator unter Verwendung der Theatermetapher
(Schmid/Wengel 2001) den TN eine Orientierungshilfe zur Auswahl einer
klärungsbedürftigen Situation aus der Fülle an Praktikumserfahrungen
geben. Zudem begünstigt ein damit verbundenes begleitetes, stilles
Fokussieren der Gedanken zu Beginn der Übung die Schaffung einer
passenden Stimmung für das weitere Vorgehen. Die Theatermetapher
(Schmid/Wengel 2001) bietet sich hier bei der Entwicklung der
durchzuführenden Kollegialen Beratungsübung an, da den ungeübten TN
eine sprachliche (symbolische) Möglichkeit geboten wird, imaginäre oder
unbewusst-intuitive Elemente der Erzählung zu (re)konstruieren. Die
Verwendung einer Metapher, deren symbolische Artefakte sich der
Elemente einer Theaterinszenierung bedient, hat den Vorteil, dass an „ein
allgemein zugängliches und verfügbares Kulturwissen angeknüpft wird“
(Schmid/Wengel 2001: 82). Die Situation (der Fall) wird als „Stück“
betrachtet und die Problembeschreibung mit der Aufteilung in
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 68 zur Reflexion pädagogischer Praxis
unterschiedliche Akte und Szenen konkretisiert. Der Erzähler begibt sich
in die Position eines Beobachters „seines Stückes“ und die TN werden
metaphorisch in die Lage von Zuschauern versetzt, was eine
Beobachterperspektive intendiert (vgl. ebd.). Durch die Wahl eines Titels
für das Stück, der „Story, die unter dieser Überschrift erzählt wird“ (ebd.)
und Beschreibung der Bühne und Rollen, wird das Imaginäre oder
Hintergründige in verbalisierbare Symbole übertragen: „Es ist, als wenn
wir mit Mitspielern eine Bühne betreten, auf der einiges für das zu
spielende Stück vorgegeben ist, vieles, insbesondere auch das
Hintergründige aber noch undefiniert ist“ (Schmid 2002: 13). Ein Beispiel,
wie die Theatermetapher in praxi in der Vorbereitungsphase angewendet
werden kann, findet sich im nachfolgenden Teil vorliegender Arbeit
innerhalb der Analyse einer exemplarischen Anwendung der Übung mit
Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach (siehe Kapitel 6.3
i.d.A.).
Für die Phase der Problemschilderung werden die Kollegialen Berater in
Schritt 2 aufgefordert, entspannt zuzuhören und eine bestimmte
Zuhörhaltung einzunehmen. Diese Anweisung hat zwei Intentionen: da
sich die TN in einem Raum befinden, soll diese „Regieanweisung“ dem
Erfahrungsschildernden (A) signalisieren, dass die Zuhörer seiner
Erfahrungsschilderung aufmerksam zuhören. ‚A’ soll möglichst wenig
darüber nachdenken müssen, wie er seine Informationen ‚methodisch-
bewusst’ konstruiert. Die Zuhörhaltung und Aufmerksamkeit wird als
Vereinbarung bereits zu Beginn formuliert, um ‚A’ nicht unter Druck zu
setzen, dass er eine solche mit seiner Erzählung möglicherweise erst
herstellen müsse. Eine zweite Intention bezieht sich auf die Kollegialen
Berater, die mit dieser „Regieanweisung“ in ihre Rolle als Zuhörer
eingewiesen werden. Dabei sollen sie ‚A’ auch körperlich zeigen, dass er
nicht als „auf einer Anklagebank“ sitzend wahrgenommen wird, indem sie
ihn mit ihren Blicken zu erforschen versuchen. Darüber hinaus begünstigt
eine solche Zuhörhaltung die Aufnahme von Informationen über das
„imaginäre Ohr“ der TN, da die Aufmerksamkeit sich nicht auf inhaltliche
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 69 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Details richten sollen, sondern auf deren Vernetzung. Die Befragung
beginnt mit Schritt 3 damit, dass die Kollegialen Berater sich kurz still
überlegen, was sie gehört haben bzw. was sie daran beschäftigt. Damit
wird auch Zeit zum Sortieren eingeräumt. Die TN werden aufgefordert,
daran anschließend Verständnis- und Zusammenhangsfragen zu stellen,
so dass die Kollegialen Berater die Inhaltsebene der Erzählung über die
Beziehungsebene nach fehlenden Informationen „scannen“ müssen. Bei
diesem Vorgang rekonstruieren sie bereits die Erzählung bewusst, weil sie
dazu aufgefordert werden und unbewusst, da sie dabei von ihren eigenen
imaginären Vorstellungen geleitet werden. Anschließend eingebrachte
Fragen ergeben sich über Lücken der (re)konstruierten Zusammenhänge
auf der Inhaltsebene und können als Spiegelung des Imaginären
verstanden werden, das dabei implizit mittransportiert wird. Diese
Vorgehen fördert eine unbewusst-intuitive Spannung zwischen
Imaginärem und Symbolischen, mit dem Raum für intuitive
Wahrnehmungen geschaffen werden soll. Erst in der darauffolgenden
Phase der Problemanalyse bekommen die Kollegialen Berater dann die
Möglichkeit, ihre Rekonstruktionen zu verbalisieren.
Die Inszenierung eines dialogischen Wechselspiels wird in der Übung in
Schritt 5 angeleitet und die Rekonstruktionsarbeit der Kollegialen Berater
über Spekulationssphären begleitet. Die vorgegebene Struktur lässt sich
mit der Arbeit „Reflektierender Teams“ (Andersen 1996: 54) vergleichen
(vgl. ebd.: 72ff). Dieses in der systemischen Familientherapie häufig
verwendete Modell hat sich dort zur „Herstellung eines Klimas von
Kooperation, in dem assoziatives Denken, das Herstellen und
Wahrnehmen von Beziehungen zwischen Dingen und Ereignissen
erleichtert werden“ (v.Schlippe/Schweitzer 2000: 199) bewährt (vgl.
weiterführend auch: Hargens/v.Schlippe 2002). Als „Lieferant“ der
Informationen hört der Fallgeber lediglich zu und darf die im gleichen
Raum ablaufende Interaktion, die „sein Problem“ betrifft, nicht stören bzw.
unterbrechen. Diese Rolle erscheint den TN möglicherweise ungewohnt
und braucht dann im Besonderen eine Unterstützung durch den
Moderator. Der Erfahrungsschildernde befindet sich in der Rolle eines
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 70 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Zuhörers, der nicht eingreifen oder kommentieren darf. ‚A’ muss nichts auf
sich beziehen und soll den Kollegialen Beratern darüber hinaus in der
Weise eine Erlaubnis erteilen, ihren Spekulationen freien Lauf zu lassen
(vgl. Kapitel 5.2.3 i.d.A.). Indem sie diese einem imaginären Dritten
erzählen, verbalisieren sie eine Erzählung dann womöglich unabhängig
von imaginären Vorstellungen anderer als Spiegelung der eigenen
Symbolwelt. ‚B, C und D’ richten ihre hypothetischen Reflexionen
außerdem an einen imaginären Dritten, um das spekulative Moment der
Kollegialen Beratungsphase zu unterstreichen. Im Besonderen erhalten
sie aber dadurch die Möglichkeit, in einen verbalisierten Meta-Dialog mit
ihren Reflexionen einzutreten (vgl. Abbildung 5). Die Kollegialen Berater-
Berater ‚C und D’ sollen sich durch Nachfragen darin überprüfen, ob sie
‚B’ so verstanden haben, wie sie glauben dass er ‚A’ verstanden hat. D.h.
sie sollen das „bewusst-methodische“ (Schmid 2001, vgl. Kapitel 3.2.3.3
i.d.A.) der Erzählung, die als Rekonstruktion über vorgegebenen Fragen
angeleitet wird, nicht nur mit ihren eigenen imaginären Vorstellungen
abgleichen. Indem sie das unbewusst-intuitive der Erzählung fokussieren
sollen, schenken sie der Spiegelung der ‚imaginären Welt 1’ eine erhöhte
Aufmerksamkeit.
In der praktischen Umsetzung könnte sich in diesem Teil der Übung
zeigen, dass ein solches Vorgehen Irritation bei den TN hervorruft, wenn
diese in gewohnte, eher konkurrierende Diskussionsstile übergehen
wollen.
Abbildung 5: „Meta-Dialog“ über einen imaginären Dritten
bewusst-methodische
Erzählung
unbewusst-intuitive
Erzählung
Symbolwelt 1 Symbolwelt 1
imaginäre Welt 1 imaginäre Welt 1
5 Struktur und Entwicklung einer Kollegialen Beratungsübung 71 zur Reflexion pädagogischer Praxis
Die dritte Frage der Spekulationssphären, soll dann die TN dazu einladen,
eine neue Version der Zusammenhänge zu liefern. Die Lösungsarbeit
findet mit dem Ziel statt, dass der Rekonstruktionsarbeit eine
Dekonstruktion der zu Beginn eingebrachten Erzählung folgen soll. In
Anlehnung an die Theatermetapher (Schmid/Wengel 2001) kann ‚B’
beispielsweise den Blick auf die Szene mit einem neuen Titel verändern,
so dass die Story für ‚A’ ein passenderes Ende finden kann.
Im Vordergrund steht eine methodisch angeleitete Reflexionsarbeit, die
mit einer Dekonstruktion abgeschlossen werden soll – keine
Lösungssuche in Bezug auf ein mögliches Problem. Ein solches Vorgehen
wird im Kontext systemisch orientierter Beratungsarbeit auch als
„reframing“ (positives Umdeuten) bezeichnet (vgl. v.Schlippe/Schweitzer
2000: 177ff). Durch den Wechsel der „Storyteller“ liefern die Kollegialen
Berater dem Erfahrungsschildernden bis zu drei dekonstruierte Versionen
seiner Erzählung, aus denen er sich eine für ihn passende
(De)Konstruktion auswählen kann. Im Schritt 6 hat ‚A’ dann die
Möglichkeit ein Feedback auf das Gehörte zu geben, ohne sich für eine
Erzählung entscheiden zu müssen.
Nachdem die zu Beginn der Kollegialen Beratungsübung vereinbarten
Anliegen der TN bearbeitet wurden (Schritt 7), wird der Kollegiale
Beratungsprozess im Schritt 8 des Übungsdesigns mit einer
Prozessreflexion abgeschlossen. Dabei soll sich keine weitere Diskussion
der eingebrachten Fälle entwickeln, sondern es kann nun eine
zusammenfassende Bewertung des Ablaufs der Übung und dem Erleben
der eigenen Rollen gegeben werden. Mit einem Feedback an den
Moderator endet die Kollegiale Beratungsübung zur Aufarbeitung von
Praktikumserfahrung unter Studierenden der Erziehungswissenschaft.
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 72
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach
Im folgenden vierten Teil der Arbeit wird mit der Analyse eines Tutoriums
mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach eine
exemplarische Bewertung der entwickelten Kollegialen Beratungsübung
im praktischen Einsatz geliefert. ‚Analyse eines Tutoriums’ soll dabei
darauf hinweisen, dass die Fragestellung in dieser Arbeit neben den
theoretischen Überlegungen über eine experimentelle Anwendung mit
einer kleinen Gruppe von Studierenden praxisorientiert beleuchtet wird.
Das in der Arbeit entwickelte Design einer „Kollegialen Beratungsübung
zur Aufarbeitung von Praktikumserfahrung“ (siehe Kapitel 5.3 i.d.A.) wurde
dazu unter eigener Anleitung in einer einmaligen Sitzung mit 4
Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach durchgeführt und
auf Tonband aufgenommen.
6.1 Die TN des Tutoriums
Nachdem die Fragestellung klar und die Entwicklung eines
Übungsdesigns zeitlich absehbar war, konnten 4 freiwillige studentische
KollegInnen mit Praktikumserfahrung als TN eines Tutoriums gewonnen
werden. Um eine horizontale Begegnung der TN (Kollegialität) in der
Beratungsarbeit zu gewährleisten (vgl. Kapitel 5.2.2 i.d.A.), spielten
folgende Auswahlkriterien dabei eine Rolle:
• Die TN studierten zum Zeitpunkt der Durchführung wie der Autor
innerhalb eines Magisterstudiums mit dem Hauptfach
Erziehungswissenschaft im Hauptstudium an der Universität Bonn.
• Vorhandene Praktikumserfahrung konnten die Studierenden mit
jeweils mindestens dreiwöchigen Praktika im Bereich pädagogisch
relevanter Berufsfelder nachweisen.
• Auf persönliches Nachfragen, berichtete im Vorfeld keiner der
Probanden von bereits gesammelten Erfahrungen mit einer
Kollegialen Beratungsmethode.
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 73
Bei der Durchführung war der Autor in der Rolle des Übungsanleitenden
und Moderators aktiv beteiligt.
6.2 Ziel der Analyse
Das Ziel der Analyse ist es zu überprüfen, ob die in dieser Arbeit
entwickelte Kollegiale Beratungsübung in einer experimentellen
Anwendung mit im Umgang einer Kollegialen Beratung weitestgehend
ungeübten Studierenden überhaupt „funktioniert“.
Das eigene Erkenntnisinteresse beschränkt sich in Bezug auf die
Fragestellung dabei auf die Frage, ob eine zu erbringenden kollegiale
Leistung (vgl. Kapitel 5.2.1 i.d.A.) erbracht und eine oder mehrere
passende Dekonstruktionen einer Anfangserzählung (vgl. Kapitel 5.2.1
i.d.A.) konstruiert werden konnten.
6.2.1 Das verwendete Material
Das verwendete Material zur Dokumentation liefern die
Tonbandaufnahmen eines 4-stündigen Tutoriums. Auf eine
Videoaufzeichnung wurde verzichtet, um möglicherweise auftretende
unkalkulierbare Störeffekte und/oder räumliche Einschränkungen
weitestgehend zu vermeiden.
Insgesamt wurden in dem Tutorium 3 Erfahrungsschilderungen als Fälle
von unterschiedlichen TN eingebracht und entsprechend des über das
entwickelte Design einer „Kollegialen Beratungsübung zur Aufarbeitung
von Praktikumserfahrung unter Studierenden der Erziehungswissenschaft“
angezeigten Bearbeitungsweges betrachtet. Die erste Erfahrungs-
schilderung wurde dabei in Absprache mit der ersten
erfahrungsschildernden Person hauptsächlich als Aufwärmübung
durchgeführt, um das Setting einmal durchzuspielen.
Die hier wiedergegebenen Kommentare der TN bilden die von mir
fassbaren Sprechakte aus einer Abschrift der Tonbandaufnahmen ab.
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 74
Bedeutung der verwendeten Zeichen bei der Wiedergabe aus der Abschrift (vgl. Oevermann 1997: 5):
.. sehr kurze Pause als merkliche Unterbrechung des Sprech-Flusses
... deutliche Pause (Pause) längere Pause, d.h. mind. 5 sec. (...) in der Abschrift nicht wiedergegebene Sprechakte der
Tonbandaufnahme (z.B. Nennung einer Firma oder andere Namen)
[ ] Kommentare des Verschrifters (d.A.) Die teilnehmenden Personen: TN1 weibliche Person (Studentin) TN2 männliche Person (Student) TN3 männliche Person (Student) TN4 weibliche Person (Studentin) Die Bezeichnungen der Akteure: M * Moderator mit Steuerungsfunktion (d.A.) A Erfahrungsschildernde Person B, C, D Kollegiale Berater
6.2.2 Zur Vorgehensweise
Die Entwicklung von Auswertungskriterien vollzog sich nicht „am Material“
(Schmidt 1997: 548), sondern in Auseinandersetzung mit den bisher
angestellten Überlegungen. Insofern wird mit einer Auswertung des
Fallbeispiels in dieser Arbeit keine weitere Hypothesenentwicklung
angestrebt (vgl. dazu: Schmidt 1997).
Die durchgeführte Kollegiale Beratungsübung erscheint im Hinblick auf
das Ziel der Analyse dann als methodisch inszenierte Reflexion von
Praktikumserfahrung geeignet, wenn eine Fallbesprechung angeleitet
werden konnte, in der:
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 75
• eine (Re)Konstruktion der Erfahrungsschilderung
• mit dem Ergebnis einer Dekonstruktion der Erzählung von den TN
erbracht werden konnte und
• die als ungeklärt aus Sicht eines Studierenden empfundene und zu
Beginn eingebrachte Erfahrungsschilderung nach der Kollegialen
Beratung aus Sicht desjenigen als aufgeklärter eingeschätzt wird.
Ob eine solche Fallbesprechung in dem Tutorium angeleitet werden
konnte wird an einem Fallbeispiel überprüft, welches als zweite
Erfahrungsschilderung bearbeitet wurde. Die Dokumentation der
Reflexionsarbeit aus dem Fallbeispiel mit dem hier konstruierten Titel „Das
typische Praktikum“ erfolgt zu diesem Zweck:
1. Mit der Wiedergabe der eingebrachten Erfahrungsschilderung von
A zu Beginn der Kollegialen Beratungsarbeit.
⇒ Konstruktion einer Erfahrungsschilderung
2. In Form von Kommentaren der Kollegialen Berater zu Beginn der
Phase der Problemanalyse:
‚B berichtet C und D kurz, was er/sie gehört hat und ihn/sie an der
Sache beschäftigt (die anderen Kollegialen Berater verhalten sich
jeweils entsprechend).’
⇒ Gelieferte Rekonstruktionen der Erfahrungsschilderung
3. In Form von Kommentaren der Kollegialen Berater auf Frage 3 der
Spekulationssphären:
‚Welche Möglichkeiten sehe ich (als pädagogische/r Kollege/in) für
A, aus dieser Erfahrung etwas Nützliches zu gewinnen?’
⇒ Gelieferte Dekonstruktionen der Erzählung von den TN
4. Mit der Wiedergabe des Kommentars des Erfahrungsschildernden
aus Schritt 6 der Übung:
‚A berichtet B, C und D, was ihn/sie während dieser Phase bewegt
hat.’
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 76
Die Vorgehensweise und Auswahl fragmentarischer Sprechakte der TN
aus bestimmten Kollegialen Beratungsphasen (vgl. Kapitel 5.1.2 und 5.3
i.d.A.) erfolgte nach Sichtung der Abschrift unter der Annahme, dass aus
ebendieser eine dokumentierte Einschätzung in Bezug auf die
Fragestellung am ehesten möglich erscheint. Eine tiefenhermeneutische
Untersuchung der im Kollegialen Beratungsprozess ablaufenden
Interaktionen (vgl. dazu: Dammasch u.a. 1997) wird hier nicht
vorgenommen, da ein solches Vorgehen nach eigener Einschätzung mit
einer gesondert, objektiv-hermeneutisch ausgerichteten Arbeit zu leisten
wäre.
Daran anschließend werden Kommentare der TN aus Schritt 8 der Übung
und eine subjektive Nachbetrachtung des Tutoriums geliefert.
6.3 Dokumentation und Bewertung einer praktischen Anwendung der Kollegialen Beratungsübung zur Aufarbeitung von Praktikumserfahrung
Nachdem sich ein Termin finden konnte, an dem alle TN Zeit hatten,
trafen wir uns an einem Samstagnachmittag bei mir zu Hause.
Zu Beginn des Tutoriums wurden die TN darauf hingewiesen, dass die im
Rahmen meiner Magisterarbeit stattfindende Kollegiale Beratungsübung
auf Tonband aufgenommen werden soll. Nachdem die TN ihr
Einverständnis bekundeten, dass die Beratungsarbeit aufgezeichnet wird,
wurde die Aufnahme gestartet.
Bevor wir mit der Übung anfingen, erläuterte ich den TN kurz den
professionellen Ursprung der Methode und verwies auf den
fragmentarischen Ansatz der Lernform:
M*: Das ist im Prinzip, um es mit einem Bild zu verdeutlichen, wie mit dem
Bau der Schnellbahntrasse: man sieht plötzlich eine Brücke in der Landschaft stehen oder ein Loch im Fels ... und man hat fragt sich: ‚Was machen die hier? Warum bauen die eine Brücke, wenn noch keine Straße da ist?’ ... Dieser fragmentarische Ansatz beruht auf dem Prinzip, dass es sich lohnt, eine Brücke in die Landschaft zu stellen und sich irgendwann ein Komplettbild daraus ergibt, wenn die Schienen da
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 77
sind. Die Erfahrungen zeigen, dass es mit dem Lernen am Beispiel in kurzer Zeit möglich ist doch Wesentliches zu erfassen und zu verarbeiten.
Daraufhin wurde den TN das in Kapitel 5.3 entwickelte Design einer
„Kollegialen Beratungsübung zur Aufarbeitung von Praktikumserfahrung“
in Form eines Übungsblattes (Anhang B) ausgehändigt und die Rollen und
Aktivitäten der einzelnen Schritte durchgesprochen.
Nach der Beantwortung von noch diesbezüglich offen gebliebenen
Fragen, wurde eine Pause von 15 Minuten nach zwei bearbeiteten
Erfahrungsschilderungen und die Reihenfolge der Erfahrungsschildernden
vereinbart.
Die Kollegiale Beratungsarbeit wurde in der Vorbereitungsphase mit
einem stillen Selbstgespräch der TN eröffnet, das mit der
Theatermetapher als eine Orientierungshilfe zur Auswahl einer
klärungsbedürftigen Situation angeleitet wurde (vgl. Kapitel 5.3 i.d.A.):
M*: [der Regen prasselt auf die Dachfenster, unter denen wir sitzen] Stellt Euch vor ihr sitzt im Publikum eines kleinen Theaters (Pause) Ihr
habt es euch so bequem wie möglich gemacht ... es ist angenehm warm ... es regnet (Pause) es hört sich beruhigend an (Pause) alle sind leise und warten gespannt ... Endlich geht der schwere samtrote Vorhang auf (Pause) ihr seht und hört jetzt eine Inszenierung von einem Stück .. mit verschiedenen Szenen ... Akten und Darstellern ... auf unterschiedlichen Bühnen (Pause) Der Titel des Stückes lautet .. ‚Mein Praktikum’ (Pause) Ihr schaut auf die Bühne .. und habt eine Ahnung davon, was gleich an Stück da oben inszeniert wird ... Vielleicht habt ihr schon eine Idee, welche Bühne mit welcher Szene als erstes gezeigt wird ... Stell Dir ein oder zwei Bühnen und Szenen vor, von denen du das Gefühl hast: ‚Die stehen für etwas, was mich besonders beeindruckt hat’ ... im Guten beeindruckt ... vielleicht im Schwierigen (Pause) Irgendeine Emotion hat es hinterlassen und du denkst gerne oder ungern daran (Pause) Versuch diese Szene, die sich vielleicht schon abspult, unter folgender Fragestellung zu beleuchten:
‚Hat das, was mich beeindruckt hat, gefühlsmäßig etwas mit den beruflichen und pädagogischen Qualitäten der Szene zu tun oder waren es mehr Dinge am Rande, die mich beschäftig haben?’
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 78
(Pause) Lass die Szene mal zwei bis drei Minuten um diese Frage kreisen .. Wähle eher solche, die vielleicht berufliche und pädagogische Qualitäten haben, ohne direkt klären zu müssen, worin diese bestehen könnten und suche aus diesen eine ... oder maximal drei zusammen-hängende Szenen aus ... [3 Minuten Stille – Ende der Aufnahme]
Bei dem folgenden Fallbeispiel „Das typische Praktikum“ handelt es sich
um die zweite eingebrachte und bearbeitete Erfahrungsschilderung.
6.3.1 Dokumentation der Reflexionsarbeit anhand eines Fallbeispiels aus dem Tutorium: „Das typische Praktikum“
Die Bezeichnungen der Akteure im Fallbeispiel: M * Moderator mit Steuerungsfunktion (d.A.) A Erfahrungsschildernder ist TN2 B Kollegiale Beraterin ist TN1 C Kollegiale Beraterin ist TN4 D Kollegialer Berater ist TN3
6.3.1.1 Die eingebrachte Erfahrungsschilderung von A zu Beginn der Beratungsarbeit
A: Ich habe mir da was überlegt. Drei Bühnenaufgänge ... klassisches Brecht’sches Theater glaube ich ... Ich habe mein Praktikum bei (...) gemacht. Wenn ich jetzt eine Szene herausgreife, tue ich das in drei verschiedenen ..
Erster Aufgang: Ich sitze in meinem Büro und bin neu als Praktikant und werde von demjenigen, der mich betreut auf .. wird mir (...) vorgestellt. Das war alles OK und dann bekomme ich haufenweise Literatur vor mich hingelegt und damit kann ich mich beschäftigen. So ... Vorhang ..
Zweite Szene: Vorhang geht auf, ich sitze noch in demselben Arbeitsbereich und es kommt ein wissenschaftlicher Mitarbeiter .. und die haben einen ganz konkreten Fall zu qualitativer Befragung von Unternehmen und haben da heraus zu arbeiten .. z.B. haben sie einen Fragebogen erstellt in Empirie und da gab es eine Antwortmöglichkeit, die den Teilnehmern .. also Beantwortenden ganz offene Formen ließen und diese Fragen mussten kategorisiert werden. Ich sollte mir mal überlegen, wenn ich das machen würde, was für Ideen ich da hätte, wie man das am besten machen könnte. Fertig aus. Und dann ist er gegangen und ich konnte mir das alleine überlegen. Vorhang.
Dritte Szene: ich sitze in einem neuen Arbeitsbereich und derjenige, der sich für mich zuständig fühlt oder ist, kommt zu mir mit ganz
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 79
konkreter Arbeitsaufgabe. D.h. er legt mit vor .. ‚Hier, Herr Praktikant lesen Sie sich das mal bitte durch und beantworten Sie mir dazu diese und diese Frage’. Und nachher, wenn sie das gemacht haben, besprechen wir das zusammen ... Und das Problem, was mich dabei interessiert oder beschäftigt ist einfach, wie wird mit einem Praktikanten innerhalb (...) umgegangen. Das waren drei verschiedene Sachen. Einmal das einem eben was zu lesen gegeben worden ist im ersten Vorgang. Im zweiten Vorgang habe ich eine sehr freie Aufgabe gehabt, wo ich anstellen konnte, was ich wollte ... gut oder schlecht mit umgehen, wie ich es mir halt selber erarbeiten konnte. Und in der dritten Möglichkeit habe ich also ganz klare Linien gehabt, was ich zu tun hatte und davon war auch nicht abzuweichen .. Da stelle ich mir dann die Frage, womit komme ich am Besten klar. Oder, wenn man es aus der anderen Perspektive noch betrachten möchte, für den Praktikumstellenanbieter .. wie gehe ich mit meinen Praktikanten um, was ist am sinnvollsten. Ja .. das war’s schon.
6.3.1.2 Kommentare der Kollegialen Berater zu Beginn der Phase der Problemanalyse
B berichtet C und D kurz, was er/sie gehört hat und ihn/sie an der Sache
beschäftigt (die anderen Beiden jeweils entsprechend).
B: Also, was ich auf jeden Fall bei den drei Szenen irgendwie ziemlich
stark auch so rausgemerkt habe, ist .. ich würde die eigentlich sortieren .. untereinander im Endeffekt aber alle zu dem Thema ‚Allein gelassen im Praktikum’ fassen .. Ich fand jetzt eigentlich keine von den drei Szenen war wirklich so, wo man sagen würde, genau so sollte es sein. Weil .. klar dieses ... es kam schon so ein bisschen raus, welche Präferenz er hatte für eine dieser Szenen. Aber ich meine diese Szenen waren jetzt alle nicht wirklich optimal. Also nicht so, wie man es sich eigentlich wünscht, wenn man Praktikum macht .. fand ich.
C: Also, das, was ... ist halt die Frage, die da hervorstach .. die beiden
Fragestelllungen ‚Welche Rolle .. was habe ich von einem Praktikum zu erwarten? D.h. welche Rolle habe ich als Praktikant .. also jetzt als Praktikant nicht als Praktikantin .. [lacht] .. und .. wie sieht eine optimale Praktikumbetreuung aus?’ ... diese drei Szenenbeispiele, die zeigten eigentlich, dass du als Praktikant [zu A] erst mal [M* macht D aufmerksam darauf] ... oder das der Praktikant erst mal für sich alleine stand und letztendlich halt erst mal überhaupt nichts von einer Praktikumbetreuung zu sehen war.
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 80
D: Ja – also, was ich gehört habe, habe ich hier oben [seine Notizen] hingeschrieben ‚typische Praktikumsituation’ ... also ich finde das total typisch ... was für mich im Zentrum steht, ist immer so dieses Gefühl von Abhängigkeit. Also, dass man da sitzt .. man hat ja noch keine .. also klar man hat die Rolle Praktikant, aber die ist noch unbestimmt .. dann ist man darauf angewiesen, dass irgendwer kommt und irgendwas gibt und muss immer auch bereit sein, um dann auch anzuspringen ... ich meine .. klar wird man dann gefragt ‚Interessiert Sie das?’ aber ... [lacht] die Frage, die mich beschäftigt dabei ist, wie man letztendlich aus diese passiven Rolle rauskommt .. also, aus dieser Rolle, dass man als Praktikant letztendlich immer so .. in dieser Abhängigkeit steht, also ob das irgendwie möglich ist. D.h. ob ich irgendwie ... ja, also das kenne ich halt bei meinen eigenen Praktika auch immer viel .. wie ich dann z.B. mit Situationen umgehe, wo ich halt merke, das finde ich halt Scheiße, dass ich jetzt hierhin gesetzt werde und .. einfach nur lesen soll. Das beschäftig mich daran und dann auch den entsprechenden Ton zu treffen oder auch einschätzen zu können, vielleicht ist es ja auch legitim, dass ich jetzt drei Tage da sitze ... ich glaube, das ist auch noch so ein Problem, dass diese Zeitwahrnehmung ja auch total verschoben ist. Also, Leute, die da arbeiten, für die sind 4 Wochen ein Klacks. Für einen selber sind die ersten 2 Tage .. dauern 5 Jahre ... also .. das sind so die Sachen, die mich daran beschäftigen.
6.3.1.3 Kommentare der Kollegialen Berater auf Frage 3 der Spekulationssphären in Fb1
Welche Möglichkeiten sehe ich (als pädagogische/r Kollege/inn) für A, aus
dieser Erfahrung etwas nützliches zu gewinnen?
B: (...) man verschiedene Cheftypen, verschiedene Aufgaben kennen
gelernt hat, sich selber einfach mal ausprobieren konnte. Und im Endeffekt finde ich, ist es das perfekte Ergebnis von einem Praktikum, weil er halt jetzt meinte, dass er jetzt weiß, welcher Aufgabentyp ihm liegt ... weil man dann auch, wenn man weiß, was man braucht auch bei einem zukünftigen Chef oder auch bei einem Mitarbeiter einfach sagen kann ‚Du hör mal, du sagst mir jetzt das und das, damit kann ich gar nichts anfangen. Mir fehlen noch die und die Informationen, dann kann ich das gerne bearbeiten.’ Darum ist es eigentlich perfekt gelaufen.
C: Ich denke ... ja ich glaube, für mich würde vielmehr der Lern ... also
primär oder unter ... ja oder ... ja nicht ... ja .. ich glaube der Lernerfolg erst mal, dass halt überhaupt die eigenen Vorstellungen über ein
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 81
Praktikum definitiver werden. Also, dass du [!] auch mittlerweile weißt, was du willst oder was du nicht willst oder wo du halt Änderungsmöglichkeiten siehst. Dann die zweite Ebene .. ja, artikulierst du es oder versuchst du halt irgendwas daran zu ändern und ich glaube die dritte, wenn du selber mal Praktikanten hast, dass du es besser machst ... [lacht]
D: Ja schon also den Überblick zu gewinnen oder gewonnen zu haben,
was es für Anleitungsmöglichkeiten gibt und daraufhin zukünftige Entscheidungen zu treffen. Vielleicht auch mit einem Verweis auf die Erfahrung ... so von wegen, in dem und dem Praktikum habe ich das mal so und so kennen gelernt und das fand ich im Rückblick irgendwie nicht so interessant und deswegen fände ich es dann schon besser, wenn sie mir jetzt noch mehr Informationen geben würden oder sie mich ein bisschen freier agieren lassen würden ... also, dass man das auch einfach so als Erfahrungsschatz nutzt. Also nicht nur so im Hinterkopf hat, sondern auch direkt das (Pause)
M*: Verbalisieren kann? D: Ja .. und auch präsentieren. Auch als positives Beispiel. Weil das ist ja
oft auch so, dass man in irgendeine Praktikumstelle kommt ... ja, dass ein Praktikum eben nicht so durchgeplant ist. Man kommt da ja nicht hin und dann haben vorher alle abgesprochen, was jetzt passieren soll (...) also, dass die Leute so einen Plan hatten, was passieren soll. Ich habe es viel öfter erlebt, dass ich dahin kam und dann ‚Huch – da ist ja ein Praktikant!’ ... also .. dass halt keine Vorstellung da war, was denn da eigentlich geschehen soll. Und ich glaube, wenn man den Leuten dann Vorschläge macht, wie es aussehen könnte und wie man es auch schon selber erlebt hat, ist es für die ja auch hilfreich. Es ist ja nicht so, dass nur totale Unsicherheit auf der Seite des Praktikanten ist, sondern auch auf der anderen Seite. Das dann glaube ich ... ja für die vielleicht auch manchmal so eine Notlösung einfach ist ... so in der Richtung ‚Ich gebe dem irgendwas zu lesen und dann hast du was zu tun’ und die gar nicht sehen .. wie er und sie wirklich auch davon profitieren können. Also, dass sie da jemanden haben, der ja ganz neu in diesem Unternehmen drin ist und vielleicht noch ganz andere Perspektiven hat und so.
6.3.1.4 Kommentar des Erfahrungsschildernden in Schritt 6 der Übung
A berichtet B, C und D, was ihn/sie während dieser Phase bewegt hat. A: Also, erst mal möchte ich vielleicht die Anmerkung machen ... ich habe
mir bewusst diese drei Szenen ausgesucht .. Der Gesamtpraktikumverlauf enthielt alle Facetten, die sich dazwischen
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 82
bewegen ... muss ich dazu sagen. Diese drei Punkte, die ich beschrieben habe, waren wirklich Eckpfeiler und alles dazwischen war da ... so aus eurem Gespräch darüber .. würde ich jetzt mitnehmen ... oder .. nehme ich mit, erst mal eine ganz andere Betrachtungsweise. Ich hatte für mich so die einzelnen Punkte klar ausgemacht und wusste für mich, was gefällt mir gut, was fand ich superscheiße .. wenn ich das jetzt so formulieren darf ... und .. aber dadurch, dass ich das jetzt mal von allen höre, bekomme ich einen andere Blick darauf .. inwiefern ... wie gehe ich damit um? Ist es sinnvoll für mich, dass ich das so erlebt habe? Oder nicht? .. War es gut, dass ich quasi mal da gesessen habe und mich geärgert habe ... was machen die eigentlich hier mit mir? Kann ich mich das nächste mal dagegen auflehnen oder denen mal sagen ‚Das gefällt mir nicht so gut, kann ich meine eigenen Stücke anbringen?’ ... Das finde ich insgesamt schon .. na gut, das hat mich fast ein bisschen überrascht, weil ich nun dann doch gemerkt habe ‚Ich war in meinem Urteil doch schon klar damit ... mit diesem Praktikum aber .. es bietet doch jetzt ganz andere Betrachtungsweisen ... konkret auf einzelne will ich jetzt auch gar nicht so eingehen, weil eigentlich alle drei Sachen ineinander greifen ... finde ich.
6.3.2 Bewertung der Fallbearbeitung im Fallbeispiel
Mit einer Bewertung der Fallbearbeitung im Fallbeispiel wird hier noch
einmal zusammenfassend erläutert, was mit den gelieferten
dokumentierten Fragmenten aus dem Fallbeispiel „Das typische
Praktikum“ bereits versucht wurde darzustellen: die von dem
Erfahrungsschildernden eingebrachte Erzählung wurde von den
Kollegialen Beratern aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und
diese Arbeit am Ende des Kollegialen Beratungsprozesses aus Sicht von
‚A’ als hilfreiche Betrachtungsmöglichkeiten angenommen.
Der Erfahrungsschildernde erzählte zu Beginn drei aus seiner Sicht
unterschiedliche Situationen aus seinem Praktikum. Dabei konstruierte er
eine Erzählung mit Bildern aus der Symbolwelt des Theaters mit drei sich
vom Inhalt her unterscheidenden Szenen. Sie wurden von ihm als
getrennt voneinander vorgegeben. Einen Zusammenhang stellte er her,
indem ihn wohl die Frage daran beschäftigte, „womit er am besten klar
kommt“ bzw. „wie der Praktikumstellenanbieter am sinnvollsten mit einem
Praktikanten umgehen soll“. Die Kollegialen Beratern (re)konstruierten mit
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 83
ihren Kommentaren zu Beginn der Problemanalyse die Zusammenhänge
der gelieferten Informationen aus ihrer Sicht. Zu Beginn der
Problemanalyse, bei der sie die Erzählung noch einmal nach-erzählten,
also rekonstruierten, fasste ‚B’ beispielsweise alle drei Szenen unter dem
Titel „Allein gelassen im Praktikum“ zusammen. ‚D’ bezeichnete das
Gehörte als eine „typische Praktikumssituation“ und betonte ein Gefühl
von „Abhängigkeit“, das er rausgehört habe. Diese Zusammenhänge
konstruierten die Studierenden nicht beliebig. Die Kollegialen Berater
bezogen sich dabei auf eigene Praktikumserfahrungen und Vorstellungen,
wie ein solches ablaufen soll. Zugespitzt formuliert arbeiteten sie nicht
mehr an dem Fall, um die Fragen des Erfahrungsschildernden zu
beantworten, sondern auf Basis der eigenen imaginären Vermutungen.
Die sich daraus ergebenden Perspektiven mündeten dann in
unterschiedlichen Bewertungen der Erfahrungsschilderung. Aus einer als
ungeklärt eingebrachten Praktikumserfahrung wurde eine solche, die als
„Erfahrungsschatz“ nützlich eingeordnet werden konnte. Am ehesten
gelang es dann ‚D’ eine konkrete Handlungsperspektive zukünftiger
Praktikumsituationen zu formulieren.
Den Zweck der Fallbearbeitung bestätigte TN2 als Erfahrungsschildernder
dann im Schritt 6 der Übung, als er berichtete, was ihn während dieser
Kollegialen Beratung seines Anliegens bewegt hatte. Er teilte mit, dass er
„fast ein bisschen überrascht“ sei über die „ganz andere“
Betrachtungsmöglichkeit auf die 3 Szenen, die ihm die Kollegialen Berater
vorgeführt haben. In einer ebenfalls auf Tonband aufgezeichneten
Nachbesprechung, zu der ich mich zwei Tage später mit ihm getroffen
hatte, bestätigte er diese Haltung.
6.4 Bewertung des Tutoriums aus Sicht der TN
In der Prozessreflexion im Schritt 8 der Übung, schilderten die TN ihre
Erfahrungen und den möglichen Erkenntnisgewinn nach den drei
durchgeführten Fallbearbeitungen. Es zeigte sich dabei, dass alle
Erfahrungsschildernden durchweg positiv beeindruckt von der
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 84
Zusammenarbeit und den Ergebnissen der Fallbearbeitungen waren (in
der Reihenfolge der Wortmeldungen):
TN2: (...) in dieser simulierten Problemlösung, die wir da jetzt hatten,
ergibt sich ja schon eine konkrete Problemlösung für meine Sachen, die ich mir selber im Kopf mache.
TN1: (...) Geh mit einem positiven Gefühl raus .. habe auch mein
Problem soweit bearbeitet .. bzw. bin mit der Bearbeitung ein Stück weitergekommen (...)
TN4: Also für mich ist das natürlich was anderes, weil ich kein Problem
gestellt habe .. und so die Position nicht eingenommen habe. Und halt nur in dieser beratenden Funktion da war. Und ich fand’s auch sehr gut (...)
TN3: Bezogen auf meinen eigenen Fall, sehe ich es glaube ich so, dass
man neue Ansatzpunkte hat. Also noch nicht so, dass da jetzt irgendeine Lösung im Raum ständ .. oder so .. aber einfach, so eine Richtung oder neue Kombination von ... ja schon .. also auch schon von der gleichen, die man vorher hat, aber die einfach nur neu kombiniert werden.
Darüber hinaus bewertete TN3 die Rollenkonstruktion des
Erfahrungsschildernden als „überzeugend“, der dabei „ganz
rausgenommen“ wurde:
TN3: Überzeugend finde ich wirklich, dass der eine ganz raus
genommen wird und quasi nur zuhören kann und nicht eingreifen, wenn über das, was er gesagt hat, gesprochen wird. Das finde ich richtig überzeugend.
Bemängelt wurde von TN4 und später von TN3 bestätigt, dass die
Kollegialen Berater in Schritt 5 der Übung keinen „Dreierdialog“ über die
Erfahrungsschilderung führen sollten, bei dem offen diskutiert werden
konnte:
TN4: (...) weil ich eigentlich glaube ich halt eher diese dialogische
Modelle vorziehe, weil ich das Gefühl habe, dass sich dadurch vielmehr entwickeln kann. Also, wenn ich mich in zwei Minuten
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 85
hierhin setze und schnell alles aufschreibe und dann letztendlich das darstelle und nur nachfragen kann ... ich hatte permanent ein Bedürfnis da .. also einfach in Dialog zu treten .. meinetwegen so ein Dreierdialog halt zu führen (...)
TN3: (...) wenn jeder darstellt, was er gehört hat und was es für ihn
bedeutet und das dann irgendwie die anderen nur verstehen sollen, wie er das meint ... das hat mich nicht so richtig überzeugt. Also, da hatte ich dann auch den Eindruck, dass es zu so einer gewissen Wiederholung herausfordert. Also, wenn schon zwei davon gesprochen haben, und dann das dritte einsetzt.
6.5 Kommentierung des Tutoriums aus eigener Sicht
Die geleistete Arbeit der studentischen KollegInnen in dem Tutorium wird
aus eigener Sicht als erfolgreiche Kollegiale Beratungsarbeit bewertet:
• Die Erfahrungsschildernden konnten mit neuen Sichtweisen auf ihre
eingebrachten Erzählungen bedient werden.
• Die TN lieferten den Erfahrungsschildernden dabei keine fertigen
Lösungsangebote auf „ihr“ Problem, was sich aus den
Schlusskommentierungen entnehmen lässt. Vielmehr regten sie in der
vorgeführten Reflexionsarbeit ein weiteres selbsttätiges Nachdenken
der zuhörenden, erfahrungsschildernden Person an.
• Die kollegiale Leistung wurde von den TN dankend angenommen und
konnte ohne eine professionelle Steuerung (beispielsweise durch einen
ausgebildeten Supervisor) erbracht werden. Daraus lässt sich
schließen, dass eine gemeinsame Betrachtung der als ungeklärt
wahrgenommenen Wirklichkeitskonstruktion über die Kollegiale
Beratungsübung angeleitet wurde. Die Klärung einer möglicherweise
engen Betrachtung eines Wirklichkeitsausschnittes konnte (systemisch)
durch andersartige Verknüpfungen der Inhalte (Beziehungsebene) in
einem dafür konstruierten Raum angeleitet werden. Einer als ungeklärt
zu Beginn der Fallbearbeitung empfundenen Erfahrung konnten in der
Kollegialen Beratungsarbeit verschiedene Ansätze einer Betrachtung
zur Klärung gegenübergestellt werden.
6 Analyse eines Tutoriums mit Studierenden der Erziehungswissenschaft im Hauptfach 86
Als Teilnehmer mit Vorkenntnissen aufgrund der Auseinandersetzung im
Zuge vorliegender Überlegungen fiel mir die Einhaltung der Rolle des
Moderators persönlich leichter als ich es im Vorfeld angenommen hatte.
Nach Sichtung der Abschrift der letzten beiden Fallbearbeitungen
reduzierte sich mein Einfluss auf das Geschehen auf Hinweise die
Rolleneinhaltung und den Ablauf betreffend. Ich gehe davon aus, dass die
Rolle des Moderator ebenso von einem anderen Teilnehmer hätte
ausgefüllt werden können, ohne unterschiedliche Betrachtungen der
Erzählung zu verhindern. Die Theatermetapher zeigte sich daneben als
geeignetes Verfahren um den Studierenden eine Symbolwelt anzubieten,
über die sie sich auf der Inhaltsebene verständigen konnten. Ohne
gesondert darauf hinzuweisen, bedienten sich die TN während den
Fallbearbeitungen dieser Symbolwelt.
Kritisch anzuführen ist im Zuge einer Kommentierung des Tutoriums aus
meiner Sicht, dass es TN4 selten gelang, sich an die „Spielregeln“ der
Übung zu halten. Während den Fallbearbeitungen empfand ich dies
teilweise als störend. Vor allem in der Phase der Problemanalyse und
Lösungsarbeit musste ich häufiger darauf hinweisen, keinen (Blick)Kontakt
zu ‚A’ zu suchen bzw. diesen direkt anzusprechen. Meine Vermutung ist,
dass es TN4 auch deshalb nur selten gelang, die
Erfahrungsschilderungen konkret auf die Inhalte bezogen zu
kommentieren. Vielmehr abstrahierte TN4 sehr schnell komplexe
theoretische Vermutungen, über die ein permanenter Diskussionsdruck zu
liegen schien – wahrscheinlich, um den Wert der Ideen zu klären. Dies
und die Kritik aus der Prozessreflexion bestätigt auf der anderen Seite
auch, dass die Durchführung einer Kollegialen Beratung auf einem
Kommunikationsverhalten der TN aufbaut, welches dem alltäglichen
Gesprächsverhalten unter Umständen nicht entspricht. Insofern bewerte
ich die Kritik als Argument für den Einsatz der Übung, wenn ein darin
implementiertes systemisch-dialogisches Kommunikationsverhalten als
geeignet für eine pädagogisch wirkend wollende Klientel angesehen wird.
Zudem verdeutlicht dies die Schwierigkeit, eigene Wirklichkeitsstile als
7 Fazit und Ausblick 87
veränderungswürdig einzustufen und sich auf möglicherweise befremdlich
wirkende Herangehensweisen einzulassen.
7 Fazit und Ausblick
Die Überlegungen in der vorliegenden Arbeit gingen der Frage nach,
welchen Beitrag eine intervisionsorientierte Form der Kollegialen
Beratungsmethode für Studierende der Erziehungswissenschaft leisten
kann.
Mit der Praktikumsordnung am Institut für Erziehungswissenschaft (siehe
Anhang A) wurde zu Beginn eine relevante Grundlage der Fragestellung
vorgestellt, aus der ein möglicher Beitrag als wesentliches Ziel der in
dieser Arbeit vorgestellten Kollegialen Beratungsübung entwickelt wurde.
Im Vordergrund stand dabei die Aufarbeitung von Praxiserfahrung unter
Studierenden der Erziehungswissenschaft. Bei der Auswahl der
theoretischen Annahmen überwog aus diesem Grund das Interesse, die
Zweckmäßigkeit der Methode weniger im Hinblick auf den Kontext
subjektiver Lerntheorien, als hinsichtlich der ablaufenden Kollegialen
Beratungsarbeit in den Blick zu nehmen.
Auf der Basis eines systemisch-konstruktivistischen Ansatzes konnte
gezeigt werden, in welcher Weise Menschen i.S. erkennender Subjekte
aus ihren Beobachtungen heraus Wirklichkeitszusammenhänge
konstruieren. Die Beziehungsebene wurde dabei als eine geeignete
Perspektive eingeführt, um Situationen in der pädagogischen Praxis
bewerten zu können. Eine systemisch-dialogische Vorstellung von
Kommunikation unterscheidet in der Herangehensweise eine bewusst-
methodische Erzählung über eine symbolisch vermittelte Ebene von einer
unbewusst-intuitiven Erzählung, die von den imaginären Vorstellungen der
Zusammenhänge geprägt wird. Symbolisch kommunizierte Inhalte können
bei der Rekonstruktion der ursprünglichen Erzählung dann auf imaginäre
Annahmen hin überprüft werden, wenn sie mit anderen Wirklichkeitsstilen
neu in Beziehung zueinander gesetzt und betrachtet werden. Mit der
7 Fazit und Ausblick 88
systemisch-dialogischen Auffassung bei der Betrachtung der
Verbalisierung von Wirklichkeitssausschnitten als Erzählungen konnte
gezeigt werden, dass sich – auch rückwirkend – eine die hergestellten
Beziehungswirklichkeiten in den Blick nehmende Beobachtung
(re)konstruieren lässt.
Zur methodischen Inszenierung eines solchermaßen systemisch-
dialogischen Kommunikationsverständnisses wurde die Methode der
Kollegialen Beratung als eine intervisionsorientierte Form strukturierter
und moderierter kollegialen Praxisberatung vorgestellt. Studierende der
Erziehungswissenschaft werden in den vorgestellten Phasen des
Kollegialen Beratungsprozesses dabei unterstützt, die hergestellten
Wirklichkeitszusammenhänge im Modus ihrer und anderer
Wirklichkeitsvorstellungen selbstlernend zu reflektieren. Die Kollegiale
Beratungsarbeit wurde darüber hinaus einem fragmentarischen
Lernansatz zugeordnet, da die Wirklichkeitszusammenhänge einer
Erfahrungsschilderung beispielhaft während der Reflexionsarbeit
mehrperspektivisch betrachtet werden. Dabei wird an implizites Wissen
nicht nur des Erfahrungsschildernden, sondern auch der Kollegialen
Berater exemplarisch angeknüpft. Ein solchermaßen kollegiales und
darüber hinaus stellvertretendes Lernen wird als ein aktiver und
konstruktiver Prozess verstanden. Eine qualitativ hochwertige Bearbeitung
einer beispielhaften Situation auf der Beziehungsebene ermöglicht dabei
den TN einen Transfer in zukünftige Denk- und Handlungsoperationen.
Die Kollegiale Beratungsübung, wie sie hier als methodisch angeleitete
Lernform entwickelt wurde, ermöglicht zu diesem Zweck ein strukturiertes
Vorgehen, bei dem sich Studierende in einer systemisch-dialogischen
Gesprächsführung begegnen. In einem horizontalen Beratungsansatz
treffen unterschiedliche Wirklichkeitskonstrukteure aufeinander, um eine
zu klärende Praktikumserfahrung gemeinsam zu reflektieren. Eine
Wirklichkeitskonstruktion wird dabei zum Gegenstand einer gemeinsamen
Betrachtung, indem sie als Erzählung in die gemeinsame Reflexionsarbeit
eingebracht und gemeinsam bearbeitet wird. Die Heterogenität der
7 Fazit und Ausblick 89
teilnehmenden Wirklichkeitsstile prägt die gemeinsame Betrachtung der
Erzählung aus unterschiedlichen Perspektiven, die durch dialogische
Wechselspiele inszeniert wird. Die Inszenierung dialogischer
Wechselspiele meint, dass die Akteure im Kollegialen Beratungsprozess
den jeweiligen dialogischen Prozess konstituierende, wechselnde Rollen
(spielerisch) einnehmen. In den vorgestellten Phasen des Kollegialen
Beratungsprozesses wird von den TN über eine ständige Konstruktion und
Rekonstruktion der Erzählung dann eine kollegiale Leistung
hervorgebracht, die im Ergebnis eine Dekonstruktion der
Anfangserzählung in Form neuer Wirklichkeitszusammenhänge liefert.
Mit einer experimentellen, praktischen Anwendung der entwickelten
‚Kollegialen Beratungsübung zur Aufarbeitung von Praktikumserfahrung’,
konnte in einem Tutorium mit Studierenden der Erziehungswissenschaft
im Hauptfach an einem Fallbeispiel gezeigt werden, dass dabei eine
Aktivierung des Selbstlernens ausgelöst wird. Die Studierenden konnten
dazu aufgefordert werden, eine Praktikumserfahrung exemplarisch
einzubringen und systemisch, d.h. mehrperspektivisch zu betrachten. Aus
den Kommentierungen der Studierenden kann entnommen werden, dass
die angeleitete Kollegiale Beratungsarbeit neue Betrachtungs-
möglichkeiten und ein verändertes Nachdenken über die zu Beginn
geschilderte Praktikumserfahrung angeregt hat. Verschiedene
Wirklichkeitszusammenhänge und damit Inhalte konnten über die
Beziehungsebene klärend in den Blick genommen werden. Eine
Bewertung oder Umsetzung der methodisch ermöglichten
Veränderungsimpulse liegt allein bei den TeilnehmerInnen.
Eine Überprüfung der Wirksamkeit angeregter Veränderungsimpulse
wurde in dieser Arbeit nicht vorgenommen, da ein solches
Forschungsinteresse einen längeren Bearbeitungszeitraum beansprucht.
Vorstellbar wäre zu diesem Zweck, dass sich Studierende der
Erziehungswissenschaft im Hauptfach nach ihrem Praktikum in
verschiedenen Kollegialen Beratungsgruppen zusammenfinden. In einem
7 Fazit und Ausblick 90
einleitenden Workshop sollte den Studierenden die Methode vorgestellt
und demonstriert werden. Hier wäre auch Gelegenheit mit den
Studierenden die Phase der Problemanalyse intensiver als in dem
durchgeführten Tutorium im Rahmen dieser Arbeit zu thematisieren.
Jeweils 5 Studierende sollten sich dann in vereinbarten Abständen treffen
sowie nicht mehr als 2 Fallbearbeitungen pro Sitzung anstreben und auf
Tonband aufzeichnen. In Nachinterviews im darauffolgenden Semester
könnte eine mögliche Wirksamkeit angeregter Veränderungsimpulse
abgefragt und im Verbund mit den aufgezeichneten Tonbandaufnahmen in
einer qualitativen Studie überprüft werden.
Die vorliegende Arbeit konnte bestätigen, dass sich die Methode
Kollegialer Beratung eignet, um Praktikumserfahrungen mit Studierenden
der Erziehungswissenschaft in einer strukturierten Vorgehensweise
aufzuarbeiten. Studierende der Erziehungswissenschaft werden mit der
Methode Kollegialer Beratung dabei unterstützt, eine erlebte
Praxissituation im Modus ihrer und anderer Wirklichkeitsvorstellungen
selbstlernend zu reflektieren.
8 Literaturangaben 91
8 Literaturangaben
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9 Anhang 97
9 Anhang
Anhang A: Praktikumsordnung am Institut für Erziehungswissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 01.10.2001
9 Anhang 98
9 Anhang 99
B AB
D
AB
C
AB
Anhang B: Ausgehändigtes Übungsblatt im Tutorium ‚Kollegiale Beratungsübung zur Aufarbeitung von Praktikumserfahrung’ Personen: 1 Moderator (überprüft Zeiteinhaltung; erinnert ggf.an die Rollen und
Fragen) 1 Erfahrungsschildernder (A) und 3 kollegiale BeraterInnen (B,C, D) Dauer der Übung: ca. 4 Std.
1) 3-4 Min.: Der Moderator lädt in ein stilles Selbstgespräch ein (Notizen machen)
Die Reihenfolge der Erfahrungsschildernden (A) wird festgelegt. 2) 5-7 Min.: A schildert eine Situation aus seinem/ihrem Praktikum.
• B, C und D hören entspannt zu. Sie versetzen sich in eine Haltung, in der sie
o aufmerksam-freundlichen Kontakt zu sich selbst aufnehmen. o sich mit unfokussierten Blick auf A einstellen.
3) 2-3 Min.: B, C und D betrachten A und überlegen sich kurz still
(ggf. Notizen machen):
1. Was habe ich gehört?
2. Was beschäftigt mich an der Sache?
4) 5 Min.: B, C und D können A Verständnis- und Zusammenhangsfragen stellen. 5) 3 x 10 Min.: B berichtet C und D kurz was er/sie gehört hat und ihn/sie an der Sache
beschäftig; B spekuliert in lockerer Folge an den Fragen (Spekulationssphären) entlang über A.
Spekulationssphären:
Wenn jemand Drittes mich fragen würde: 1. Was hat A, der mir das erzählt hat, eigentlich für eine Erfahrung
gemacht? 2. Was glaube ich, welche Spuren diese Erfahrung bei A zur Zeit
hinterlässt? 3. Welche Möglichkeiten sehe ich (als pädagogische/r Kollege/in) für
A, aus dieser Erfahrung etwas Nützliches zu gewinnen? • C und D hören B entspannt zu.
o Dabei ist ihre Aufgabe (gegebenenfalls durch Nachfragen), sich darin zu überprüfen, ob sie B so verstehen wie er/sie A verstanden hat. („Habe ich es richtig verstanden, dass du das Gefühl hast, dass A...“)
• B, C und D nehmen keinen Kontakt zu A auf, sondern lassen ihren Eindrücken und Vermutungen freien Lauf.
• A hört zu, muss nichts auf sich beziehen und gibt keinen Kommentar. Nun ist C und danach D an der Reihe, in lockerer Folge über den Fragen
entlang über A zu spekulieren (die anderen Kollegialen Berater verhalten sich jeweils entsprechend).
6) 5-10 Min.: A berichtet B, C und D was ihn während dieser Phase bewegt hat. 7) Schritte 2) – 6) mit einer/einem anderen Erfahrungsschildernden (A) 8) 15 Min.: A, B, C und D tauschen sich über Erfahrungen und möglichen
Erkenntnisgewinn während der Übung aus.
A AA
B
A
C
A
D
A
LEBENSLAUF
Fred Ferdinand Schmidt, geboren am 11.10.1972 in Dernbach (Westerwald)
Anschrift Heinrich-von-Kleist-Str. 23 53113 Bonn
Telefon E-Mail
0228-2094797 [email protected]
Staatsangehörigkeit deutsch Familienstand seit 04.08.2000 verheiratet mit Michaela Schmidt, geb. Becker
1979 – 1983 Pfarrer-Giesendorf Grundschule, Dernbach
1983 – 1988 Mons-Tabor-Gymnasium, Montabaur
1988 – 1990 Staatl. Realschule, Montabaur
1990 – 1993 Staatl.-Peter-Altmeier Gymnasium, Montabaur
22.06.1993 Abitur
07/1993 – 06/1994 Grundwehrdienst
07/1994 – 07/1995 08/1995 – 09/2001
Management-Ausbildungsprogramm bei McDonald’s Deutschland Inc. 1. Assistent und stv. Restaurantleiter (ab 04/1996 als Teilzeit Angestellter)
Studium Magisterstudiengang: Erziehungswissenschaft (Hauptfach)
Politische Wissenschaft (Nebenfach) Soziologie (Nebenfach)
SS 1996–SS 1997 Studium an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz
WS 1997/98 – WS 2000/01 Studium an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg
SS 1998 Zwischenprüfung in Politische Wissenschaft
WS 2000/01 Zwischenprüfung in Erziehungswissenschaft
seit SS 2001 Studium an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn
SS 2001 Zwischenprüfung in Soziologie
Praktikum 03/2000 – 08/2000 09/2000 – 09/2001 04/2002 – 09/2002
Seminarbegleitung/Administration: Institut für systemische Beratung, Wiesloch Curriculum „Systemisches Coaching und Teamentwicklung“ Institut für systemische Beratung, Wiesloch Mitarbeit im DIE-Projekt „Qualitätsentwickler/in in Einrichtungen der Erwachsenenbildung“: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (DIE), Bonn
Bonn, 30.12.2002