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137 4 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 16. JAHRGANG. Nr. 4~ 2. OKTOBER 1937 ORIGINALIEN. DIE NAHRUNGSRHYTHMIK DES BLUTBILDES. Von R. GREYING and H. REGELSBERGER. Aus der Medizinischen Klinik Erlangen (Vorstand: Prof. Dr. R. GREVING). Jeder Arzt muB immer wieder bei einem Teile seiiier Kran- ken die qu~lende Erfahrullg machen, dab die gebr~uchlichsten therapeutischen MaBnahmen tells ill ihrer Heilwirkullg fraglich sind, teils ihrer Natur llaeh nur beftkhigt seill kSnnen, einzelne Symptome fiir kurze Zeit zu unterdrticken. Setzt man bei diesell Kranken die Behandlung aus, so treten die St6rungen in gleicher St~rke wie vor der ]3ehandlung wieder auf. Wir denken hier besonders an die groBe Zahl "coll Krallken mit Sekretioiisanomalien des Magens, an Ulcuskranke, an solche mit Darmst6rungen, Asthma brollchiale oder sonstigen "cegetativen St6rungen. Sie fiillen die Sprechstunde des Arztes ulld die KrankenhAuser. Mit dem Allsbau uiiserer Diagnostik hat die Therapie IIicht Schritt gehalten. Sie "corwArtszlltreiben ist unser Streben. Wenn wir ein Medikament verabreiehen, wenn wir Hydro- therapie treiben oder eill anderes physikalisches Heilmittel allwenden, wissen wir dann, was wit in dem kranken KSrper anriehten? Wissen wir, welche Abwehrmittel der kranke IZ6rper ergreift, um die Krankheit zu tiberwiiiden? W~tre nicht der richtige Weg zll einer exakten Therapie zu kommell der Versuch, die Abwehrmal3nahmen des Organismus bis ins einzelne zu erforschen und dalln zu versuchen, diese Abwehr- mal3nahmen zu steigern and schlieglich zu untersuchen, in- wieweit dienen unsere therapeutischen Mittel dem Ziele der Steigerung der Reaktionsf~higkeit des Orgaiiismus. Bei jeder Krankheit mfissen wit unterscheidell zwischen Symptomen, die die Krankheit her"corruft, und Symptomen, die als Abwehrreaktioll des Organismus zu denken sind. Letztere zu erkennen ulld zu steigern ist Ziel der Therapie. Nieht in allen F~llen werden wir diesen Weg beschreiten kSnnen. Das gilt ffir alle jeiie Erkrankungeii, in denen eine funktiollelle St6rung das Wesen der Erkrankung darstellt, sei es, dab eine vermehrte oder "cerminderte Organleistung vorliegt. Das therapeutische Ziel liegt hier in der Um- stimmung. Welcher Weg aueh immer eingeschlagen wird, Vorbedin- gullg aller tiefereii Erkeniitnis ist das exakte Wissen fiber den Ablauf der einzelnen Orgaiifunktionen zun~tchst beim Ge- sunden und dann beim Kranken. Freilich wird es nicht in jedem Einzelfall gelingen, die betreffende Organreaktion linch ihrer physiologischen Leistuiig gesolldert zu beurteilen. Man wird sich damit begnfigell mfissell, Gruppenrealctione~ zu betrachten, welche eine Viel- heit verschiedener Organe summarisch umfasseii. Die Reak- tionen der Atmung und des Kreislau]s stehen bier im Vorder- grund. Untrennbar mit beiden verbunden aber ist das Blut- biId. Es stellt eiiies der feinsten Kriterien kSrperlicher Ver- ~nderungen dar und ist ~rztlich um so wertvoller, als es wohl das einzige Zellgebiet des K6rpers ist, welches uns ohne grSbere Verletziingen Einbliek nieht nur in seine zahlen- m~Bigen, sondern auch in seine morphologischen Verschie- bungen gew~hrt. Um jedoch das Blutbild zur sicheren Grundlage klinischer Betrachtung zu machen, ist erforderlich, zun~chst die ~or- male Schwankungsbreite und die Gesetze ihrer VerAnderungen etwa im Tagesablauf zu studieren. In diesen Bestrebungen trafen wir mit den Forschungen REG:ELS'BERGERS zusammen, welcher bereits in umfassenden Untersuchungeia an den verschiedensten "cegetativen Funk- tionen rhythmische Tagesschwankungen nachgewiesen hatte, die er auf Grund der Pawlowscheii Reflexlehre zu deutell "cersuchte. Es lag IIahe und wurde dureh die Vorversuche (REGELSBERGER und KINKELIN 1) best~tigt, dab auch ffir das Blutbild Xhnliehe nahrungsbedingte Gesetzm~13igkeiten geIten wtirdell. Ich babe diese Arbeiten um so lieber unterstfitzt, als sie mir nicht nut eine neuartige, sondern auch eine aus- sichtsreiche L6sung der vorliegenden Fragestellullg dar- zustelleii scheinen. Ich lasse daher im folgendeI1 dem Autor selbst das Wort. ~ber spontane VerXnderungell des Blutbildes ist, gerade was die tageszeitliche AbhAiigigkeit betrifft, mancherlei vor- gearbeitet worden. So beschreiben ELLERMANN und ERLANDSI~N 2 einen Turnus, der um 6 Uhr morgens mit niedrigen Zahlen beginnend, und von io bis 3 Uhr allmAhlich ansteigend, um 7 Uhr abends die hSchsten Werte erreicht. Beispielsweise bereehnet er 44o0, 8800, 42oo und IOOOO Leukocyten zu den genannten Zeiten. Noeh ausgedehnter, aber vt~llig unfibersichtlich ist die Literatur fiber Sehwankungen des Blutbildes infolge der Nahrungsau]nahme. Eine postdigestive Zu- nahme der Leukocyten hatten schon NASSE und VIReI~OW gesehen. Die Mehrzahl spi~terer Autoren 1ABt derartige Rfiekwirkungen nur ffir elweiflreiche I~ost zu. Auch fiber die Art der Leukoeyten sind sich die einzelnen Forscher keineswegs einig. EHRLICH l~tl3tnur eine vorfibergehende Erh6hung der Leukocyten gelten, die er sich rein passiv eingeschwemmt denkt. Naeh JossA sind es gerade und aus- schlieBlich die neutrophilen Leukocyten, die, wie er gleiehfalls bereits feststellte, aueh bei v611iger Nahrungsenthaltung ansteigen k6nnen. Bemerkenswerterweise fehlt es auch nicht an Stimmeli, welche das gesamte Ph~nomen der Verdauungsleukocytose bestreiten und selbst ••GELI 8 ist der Auffassung, dab es zum min- desten noch nicht restlos bewiesen sei. Vollends geteilt sind die Ansichten fiber die Herkun]t der postdigestlven Leukoeytenvermeh- rung, die nach SCHIFF und STRANSKY lediglich als abnorme Ver- teilung dieser Blutzellen zu deuten ist. ~hnlich wie bei den Leukoeyten liegen die. Dinge ffir das rote Blutbild. Die Mehrzahl sachversti~ndiger ~rzte ist yon vornherein geneigt, die Zahl der roten BlutkSrperchen im Laufe des Tages f0r weitgehend konstant zu halten und mitti~gliche Schwankungen praktisch abzulehnen. Doch wurden andererseits auch hier Schwan- kungen his 3o%, namentlieh von SeHWENI~ENBERCI~ER,als post- digestive Erh6hungen nachgewiesen. Es scheint also auch hier eine Naehprfifung der tats~chlichen Zusammenhange mit neuen Methoden angebraeht, um wom6glieh eindeutige Richtlinien zu gewinnen. Ein sehr umfangreiches Beobachtungsmaterial, das an Tageskurven der verschiedensten vegetativen Funktionen gewonnen war, hatte gezeigt, dab eine zuverl~ssige Be- ur~eilung nahrungsbedingter Reaktionell nur bei dicht- gesetzten zeitlichen Koiitrollen, am besten etwa bei stfind- lich entnommel~eii Stiehproben, m6glich ist. Im fibrigen stand in Gestalt des Elektrodermatogramms, d. h. in den Tagesschwankungen der elektrischen Hautpolarisation, ein bequemes Mittel zur Verftigung, den Tagesverlauf des Blut- bildes mit dem bereits hinreichelld erforschten Verhalten der energetisehen Funktionen des K6rpers zu vergleichen. Das Elektrodermatogramm 4 -- ku~z EDG. genallnt -- gibt nf~mlich ein getreues Abbild derE~ergieaus]~hr des K6rpers sowohl was die Wasserabgabe als auch was die W~trme- abstrahlung betrifft. Da die Eiiergieausfuhr ihrerseits wieder anderen wicbtigen vegetativell Regulationen~, z. B. den Schwankungell des Stoffwechsels und der I/:Srpertemperatur weitgehend parallel verl~uft, werden wir aus der einfachen Gegenfiberstellung der Tageskurven yon Blutbild ulld EDG. wichtige AuIschlfisse fiber das feinere Ineinandergreifen dieser Regulationen erwarten dfirfen. Zun~chst ergaben bereits die ersten Untersuchungen nach der hier angedeuteteii Methode, dab (Abb. i) im nor- malell Fall teukocyt~res Blutbild und EDG. durchaus die gleichen und bereits frtiher beschriebenen postdigestiven Schwankungen aufweisen. In beiden Kllrveii stimmell sowohl der FuBpunkt der An- und Abstiegszeit, aber auch die Dauer der GipfelhShe weitgehend fiberein. Besonders bevorzugt ist wieder die Zeit der Mittag- und Abendmahlzeit um 12 Uhr und 6 Uhr, so dab meist eine 2gipfelige Kurve entsteht. Doch ist in vielen F/illen auch' iloch eiiie dritte sog. ,,Frfih- stfickszacke" im Gefolge des etwa um 7 oder 8 Uhr ein- genommenen ersten Frfihstficks unverkennbar (Abb. 1--3). Es resnltiert dann die aus den ersten Mitteilungell fiber das EDG. her bekannte 3gipflige ,,Normalkurve", auf welche sieh unter Berfieksichtigung des welter unten geschilderten

Die Nahrungsrhythmik des Blutbildes

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Page 1: Die Nahrungsrhythmik des Blutbildes

137 4 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 16. J A H R G A N G . N r . 4 ~ 2. OKTOBER 1937

ORIGINALIEN. DIE NAHRUNGSRHYTHMIK DES BLUTBILDES.

Von

R. GREYING a n d H . REGELSBERGER. Aus der Medizinischen Klinik Erlangen (Vorstand: Prof. Dr. R. GREVING).

Jede r Arz t muB immer wieder bei e inem Teile seiiier Kran- ken die qu~lende Er fahru l lg machen, dab die gebr~uchl ichsten the rapeu t i schen MaBnahmen tells ill ihrer Hei lwirkul lg fragl ich sind, teils ihrer N a t u r l laeh nur beftkhigt seill kSnnen, einzelne S y m p t o m e fiir kurze Zeit zu unterdr t icken. Setz t m a n bei diesell Kranken die Behand lung aus, so t r e t en die S t6 rungen in gleicher St~rke wie vo r der ]3ehandlung wieder auf. Wi r denken hier besonders an die groBe Zahl "coll Kra l lken m i t Sekre t io i i sanomal ien des Magens, an Ulcuskranke, an solche mi t Darms t6 rungen , A s t h m a brollchiale oder sonst igen "cegetat iven St6rungen. Sie fiillen die Sprechs tunde des Arz tes ulld die KrankenhAuser . Mit dem Allsbau uiiserer Diagnos t ik h a t die Therapie IIicht Schr i t t gehal ten. Sie "corwArtszlltreiben ist unser St reben.

Wenn wir ein Med ikamen t verabreiehen, wenn wir Hydro - therap ie t re iben oder eill anderes physikal isches He i lmi t t e l a l lwenden, wissen wir dann, was wi t in dem kranken KSrper anr ieh ten? Wissen wir, welche Abwehrmi t t e l der kranke IZ6rper ergreift , u m die Krankhe i t zu t iberwiiiden? W~tre n ich t der r icht ige Weg zll einer exak ten Therapie zu kommel l der Versuch, die Abwehrmal3nahmen des Organismus bis ins einzelne zu erforschen und dalln zu versuchen, diese Abwehr- mal3nahmen zu s teigern and schlieglich zu untersuchen, in- wiewei t d ienen unsere therapeut i schen Mit te l dem Ziele der S te igerung der Reakt ionsf~higkei t des Orgaii ismus. Bei jeder K r a n k h e i t mfissen wi t unterscheidel l zwischen Symptomen , die die Krankhe i t her"corruft, und Symptomen , die als Abwehrreak t io l l des Organismus zu denken sind. Le tz t e re zu e rkennen ulld zu s teigern ist Ziel der Therapie .

N ieh t in allen F~l len werden wir diesen W e g beschrei ten kSnnen. Das gil t ffir alle jeiie Erkrankungei i , in denen eine funktiol lel le S t6rung das Wesen der E r k r a n k u n g darstel l t , sei es, dab eine ve rmehr t e oder "cerminderte Organle is tung vor l iegt . Das the rapeu t i sche Ziel l iegt hier in der U m - s t immung.

Welcher W e g aueh immer eingeschlagen wird, Vorbedin- gullg aller t ieferei i Erkeni i tn is is t das exak te Wissen fiber den Ablauf der e inzelnen Orgai i funkt ionen zun~tchst be im Ge- sunden und dann be im Kranken .

Frei l ich wird es n ich t in j edem Einzelfa l l gelingen, die be t re f fende Organreak t ion linch ihrer physiologischen Leis tui ig gesol lder t zu beurtei len. Man wird sich dami t begnfigell mfissell, Gruppenrealctione~ zu be t rachten , welche eine Viel- he i t verschiedener Organe summarisch umfasseii . Die Reak- t ionen der Atmung und des Kreislau]s s tehen bier im Vorder- grund. U n t r e n n b a r mi t beiden v e r b u n d e n aber ist das Blut- biId. Es stel l t eiiies der feinsten Kriterien kSrper l icher Ver- ~nderungen dar und ist ~rzt l ich u m so wertvol ler , als es wohl das einzige Zellgebiet des K6rpers ist, welches uns ohne grSbere Ver le tz i ingen Einb l iek nieht nur in seine zahlen- m~Bigen, sondern auch in seine morphologischen Verschie- bungen gew~hrt .

U m jedoch das Blutb i ld zur s icheren Grundlage kl inischer B e t r a c h t u n g zu machen, ist erforderl ich, zun~chst die ~or- male Schwankungsbreite und die Gesetze ihrer VerAnderungen e twa im Tagesab lauf zu studieren.

In diesen Bes t rebungen t rafen wir mi t den Forschungen REG:ELS'BERGERS zusammen, welcher bereits in umfassenden Untersuchungeia an den verschiedens ten "cegetativen Funk- t ionen rhythmische Tagesschwankungen nachgewiesen ha t te , die er auf Grund der Pawlowschei i Ref lexlehre zu deutel l "cersuchte. Es lag IIahe und wurde dureh die Vorversuche (REGELSBERGER und KINKELIN 1) best~t igt , dab auch ffir das Blu tb i ld Xhnliehe nahrungsbed ing te Gesetzm~13igkeiten geIten wtirdell. I ch babe diese Arbe i ten um so l ieber unters t f i tz t , als s i e mir n ich t nu t eine neuart ige, sondern auch eine aus-

s ichtsreiche L6sung d e r vor l iegenden Frageste l lu l lg dar- zustelleii scheinen. Ich lasse daher im folgendeI1 dem Au to r selbst das Wor t .

~ b e r spontane VerXnderungell des Blutbi ldes ist, gerade was die tageszei t l iche AbhAiigigkeit betriff t , mancher le i vor- gearbe i te t worden.

So beschreiben ELLERMANN und ERLANDSI~N 2 einen Turnus, der um 6 Uhr morgens mit niedrigen Zahlen beginnend, und von io bis 3 Uhr allmAhlich ansteigend, um 7 Uhr abends die hSchsten Werte erreicht. Beispielsweise bereehnet er 44o0, 8800, 42oo und IOOOO Leukocyten zu den genannten Zeiten. Noeh ausgedehnter, aber vt~llig unfibersichtlich ist die Literatur fiber Sehwankungen des Blutbildes infolge der Nahrungsau]nahme. Eine postdigestive Zu- nahme der Leukocyten hatten schon NASSE und VIReI~OW gesehen. Die Mehrzahl spi~terer Autoren 1ABt derartige Rfiekwirkungen nur ffir elweiflreiche I~ost zu. Auch fiber die Art der Leukoeyten sind sich die einzelnen Forscher keineswegs einig. EHRLICH l~tl3t nur eine vorfibergehende Erh6hung der Leukocyten gelten, die er sich rein passiv eingeschwemmt denkt. Naeh JossA sind es gerade und aus- schlieBlich die neutrophilen Leukocyten, die, wie er gleiehfalls bereits feststellte, aueh bei v611iger Nahrungsenthaltung ansteigen k6nnen. Bemerkenswerterweise fehlt es auch nicht an Stimmeli, welche das gesamte Ph~nomen der Verdauungsleukocytose bestreiten und selbst ••GELI 8 ist der Auffassung, dab es zum min- desten noch nicht restlos bewiesen sei. Vollends geteilt sind die Ansichten fiber die Herkun]t der postdigestlven Leukoeytenvermeh- rung, die nach SCHIFF und STRANSKY lediglich als abnorme Ver- teilung dieser Blutzellen zu deuten ist.

~hnlich wie bei den Leukoeyten liegen die. Dinge ffir das rote Blutbild. Die Mehrzahl sachversti~ndiger ~rzte ist yon vornherein geneigt, die Zahl der roten BlutkSrperchen im Laufe des Tages f0r weitgehend konstant zu halten und mitti~gliche Schwankungen praktisch abzulehnen. Doch wurden andererseits auch hier Schwan- kungen his 3o%, namentlieh von SeHWENI~ENBERCI~ER, als post- digestive Erh6hungen nachgewiesen. Es scheint also auch hier eine Naehprfifung der tats~chlichen Zusammenhange mit neuen Methoden angebraeht, um wom6glieh eindeutige Richtlinien zu gewinnen.

E in sehr umfangre iches Beobachtungsmater ia l , das an Tageskurven der verschiedens ten vege ta t iven Funk t ionen gewonnen war, ha t t e gezeigt, dab eine zuverl~ssige Be- ur~eilung nahrungsbed ing te r Reakt ione l l nur bei d icht- gese tz ten zei t l ichen Koii trol len, am bes ten e twa bei s t f ind- lich entnommel~eii St iehproben, m6glich ist. I m fibrigen s tand in Gesta l t des Elektrodermatogramms, d. h. in den Tagesschwankungen der elektr ischen Hautpolarisation, ein bequemes Mit te l zur Verftigung, den Tagesver lauf des Blu t - bildes m i t dem bereits hinreichel ld erforschten Verha l ten der energet isehen Funk t i onen des K6rpers zu vergleichen. Das E l e k t r o d e r m a t o g r a m m 4 - - ku~z EDG. genal lnt - - gibt nf~mlich ein getreues Abbi ld derE~ergieaus]~hr des K6rpers sowohl was die Wasserabgabe als auch was die W~trme- abs t rah lung betr i ff t . Da die Ei iergieausfuhr ihrerseits wieder anderen wicbt igen vege ta t ive l l Regulationen~, z. B. den Schwankungel l des Stoffwechsels und der I / :Srper tempera tur wei tgehend paral le l verl~uft , werden wir aus der einfachen Gegenfibers te l lung der Tageskurven yon Blutb i ld ulld EDG. wicht ige AuIschlfisse fiber das feinere Ine inandergre i fen dieser Regula t ionen e rwar ten dfirfen.

Zun~chst ergaben bereits die ersten Unte r suchungen nach der hier angedeute te i i Methode, dab (Abb. i) im nor- malel l Fa l l teukocyt~res Blu tb i ld und EDG. durchaus die gleichen und bereits frtiher beschriebenen postdigestiven Schwankungen aufweisen. In beiden Kllrvei i s t immel l sowohl der FuBpunk t der An- und Abstiegszei t , aber auch die Dauer der GipfelhShe wei tgehend fiberein. Besonders bevorzug t ist wieder die Zeit der Mit tag- und Abendmah lze i t um 12 Uhr und 6 Uhr, so dab meis t e i n e 2gipfel ige K u r v e en ts teh t . Doch ist in vielen F / i l l en auch ' i loch eiiie d r i t t e sog. , ,Frfih- s t f ickszacke" im Gefolge des e twa u m 7 oder 8 U h r ein- genommenen ersten Frfihstficks unve rkennba r (Abb. 1--3) . Es resnl t ie r t dann die aus den ersten Mit te i lungel l fiber das EDG. her bekannte 3gipfl ige ,,Normalkurve", auf welche sieh un te r Berf ieksicht igung des wel ter un ten geschi lderten

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b e s o n d e r e n V e r h a l t e n s de r bedingten N a h r u n g s r e f l e x e alle f ibf igen K u r v e n b i l d e r bez iehen lassen.

Bei unserem Vorgehen ergibt sich eine st~rkere Einengung des NormbegriJJes, als sie bei grobklinischer Auswahl der FMle zutage t r i t t . Das EDG. zeigt nlimlich nur bei IunktioneUer In tak the i t des vegetat iven l-Iautnervensystems einen vollst~ndigen Gleichlauf der Kurvenbilder fiber der gesamten Hautoberfliiche. Schon bei geringen Stgrungen, z. B. im Splanchnieusgebiet (Obstipation, Colitis usw.), Iinden sich dagegen Abweichungen im EDG. der Beine vom EDG. der oberen K6rperhlilfte und des Rumples. Nur bei elektriseher Gleiehwertigkeit der gesamten K6rperhaut lassen wir das EDG. als ffihrende Kurve gelten. Ein Gleichlauf mi t dem EDG. besagt dann aber ffir jede andere zu prfifende Regulation -- hier also ira be- sonderen flit das Blutbild -- ob sic irgendwie in den Rhythmus der Nahrungsreflexe eingebaut ist oder nicht .

Dieselbe R h y t h m i k b e s t e h t f ibr igens n a c h Abb . I n i c h t n u t ffir die L e u k o c y t e n , s o n d e r n auch ffir das rote Blutbild. D o c h sollen, wie n o c h gezeigt werden wird, die hierff i r ge l ten- den, e twas a n d e r e n Gese tzm~Bigke i t en ge sonde r t u n t e r s u c h t werden .

Schon in f r f iheren A r b e i t e n ~ w a r gezeigt worden , da~ die S c h w a n k u n g e n de r e l ek t r i s chen H a u t p o l a r i s a t i o n A u s d r u c k wechse lnde r Innervationsimpulse seien, die yon zentralen H i r n s t e l l e n aus tel ls f iber v e g e t a t i v e F a s e r n der h i n t e r e n R f i c k e n m a r k s w u r z e l n , tells f iber den G r e n z s t r a n g des Sym- p a t h i c u s ve r l au fen . Die e r s t g e n a n n t e n schl ieBen sich, wie zu e r w a r t e n war , de r B a h n des S k e l e t n e r v e n an, w ~ h r e n d die s y m p a t h i s c h e n F a s e r n w ah r s che i n l i ch in den per ia r t e r i e l l en Gef~t~gefiechten zur H a u t ve r l au fen . Die E n d v e r z w e i g u n g e n .dieser N e r v e n h a b e n wir, wie frf ihere U n t e r s u c h u n g e n da r - g e t a n h a b e n , in t i e fe ren S c h i c h t e n de r Cutis, d. h. sehr wah r sche in l i ch im S t r a t u m g e r m i n a t i v u m , zu suchen .

Den b io logischen G r u n d ffir diese I n t e n s i t ~ t t s s c h w a n k u n g e n de r v e g e t a t i v e n H a u t i n n e r v a t i o n e r k a n n t e n wir im u n m i t t e l - b a r e n Reiz der N a h r u n g , der, wie in den Paw l owschen Ff i t te - r u n g s v e r s u c h e n , f iber den Hypog lossus u n d Lingual is , also u n m i t t e l b a r re f lek tor i sch , die V e r m i n d e r u n g des e l ek t r i schen H a u t w i d e r s t a n d e s b e w i r k t ; also genau so, wie be im H u n d e u n m i t t e l b a r d a d u r c h der Speichelf iuB h e r v o r g e r u f e n wird. Der Beweis fi ir diese A u f f a s s u n g l iegt u. a. in d e m zei t l ich v611ig g l e i cha r t igen Ver lauf , we lchen die S e k r e t i o n s k u r v e des Magensa f t e s u n d das E D G . de r H a u t e r k e n n e n lXBt.

b 'ber das grob anatomische Verhalten der entsprechenden Nervenbahnen l~Bt sich soviel sagen, dab der unbedingte, also mit der Nahrungsaufnahme direkt gekoppelte Nahrungsreflex, in seinem afferenten Tell zunAchst wie jede sensorische Reizzufuhr im Thalamus opticus gesammelt und yon hier aus den vegetat iven Zentren des Zwischenhirns weitergegeben wird. Von dieser Um- schaltung aus, die PAWLOW noch sehr allgemein als Nahrungs- zentrum bezeichnet, werden die eigentlichen efferenten Bahnen einerseits zu den Speichel- und Magendr~en, andererseits zur Haut abgehen. Magen- bzw. Speichelsekretion und energetische Haut- innervat ion in unserem Sinne w~ren somit parallel geschaltete Vor- .giinge. Auch andere vegetat ive Regulationen, welche sich an der Rhy thmik des Nahrungstriebes beteiligen, werden dieses Gesetz der zentralen Paralielschaltung erffillen. Daraus erkl~rt sich die weitgehende Unabhi~ng$gkeit, welche die Nahrungsrhythmik der Einzelfunktionen besonders im lcrankha]ten Fatle annehmen kann. REGELSBERGER hat bier in Anlehnung an eine yon ECONOMO an anderer Stelle gebrauchte Bezeichnung yon einer Dissoziation der Triebkomponenten gesprochen (1. c. a).

Diesem sog. unbedingten, d. h. a n g e b o r e n e n N a h r u n g s - re f lex f iber lager t s ich de r yon PAWLOW bedingter N a h r u n g s r e f l e x g e n a n n t e in de r Weise, d a b der Reiz n u n n i c h t m e h r yon den G e s e h m a c k s n e r v e n , s o n d e r n au f psychischem Wege, vor- wiegend fiber die akus t i s che u n d opt i sche Sph~ire des Grofl- hirns ausge l6s t wird. E r k o m m t j a n a e h den b e k a n n t e n T i e r v e r s u c h e n PAWLOWS in der Weise zus tande , d a b ein L ich t - oder Gloekenze ichen , das bis d a h i n regelm~iBig m i t de r N a h r u n g s a u f n a h m e k o m b i n i e r t wurde , n u n n a c h F o r t - fall de r F f i t t e r u n g allein w i r k s a m wird. A m Menschen l iegen die Dinge n u r insofe rn kompl iz ie r te r , als die Summe der bei de r N a h r u n g s a u f n a h m e ffir gew6hnl i ch unbewu/3 t au fgenom- m e n e n /iuBeren Milieureize, in e r s t e r Linie wohl das ZeitgeJi~hl der g e w o h n t e n N a h r u n g s a u f n a h m e , das Signal ffir die Aus- 16sung des n u n b e d i n g t e r fo lgenden N a h r u n g s r e f l e x e s b i lde t .

W e n n also i m Ver l au f e iner v e g e t a t i v e n R e g u l a t i o n eine solche bedingte Aus l6sung e iner N a h r u n g s r h y t h m i k n a c h - gewiesen werden k a n n , so i s t d a m i t g le ichzei t ig m i t S iche rhe i t a u e h die zentral-nervSse Steuerung ilI1 V e r b a n d e der f ibr igen N a h r u n g s r h y t h m i k , gle ichzei t ig abe r a u c h das H ine insp ie l en unbewul3ter , besser gesag t p r i m i t i v e r see l i sch-k6rper l i cher

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6 8 70 12 l~ 16 18 2~ Abb. 1. 3 gipflige ,Normalkurve", den Hauptnahrungszeiten entsprechend

(-- unbedingte Nahrungsrhythmen).

Wechselbeziehungen dargelegt. Ffir den unbedingten Nah- rungsreflex gilt diese Betrachtung nicht ohne weiteres, da hier, wie bei den Mittagsausschl~gen der K6rpertemperatur oder der Alveolazluft, zwischen unmittelbarem chemischem Nah- rungsreiz u n d nervSser ~ b e r t r a g u n g n i c h t f r amer m i t g le icher S iche rhe i t u n t e r s c h i e d e n werden k a n n . I n der T a t War j a

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g 10 Cg r 1s 18 Abb. 2. Mittagessen anf 2 Uhr verschoben. Es bleiben neben den neuen (unbe- dingten) Nahrungsausschlfigen um diese Zeit die filteren 12 Uhr-Rhythrnen in allen

Kurven erhalten (bedingter Reflex).

b i she r f a s t bei a l len pos td ige s t i ven S c h w a n k u n g e n bel iebiger v e g e t a t i v e r R e g u l a t i o n e n a n solche unmittelbar materielle A u s l 6 s u n g g e d a c h t worden .

t~s e rg ib t s ich n u n eine h 6 c h s t e infache Methodik z u m Nachweis der bedingten Nahrungs re f l exe . Man h a t ledigl ich n6t ig , die V e r s u c h s p e r s o n bzw. den P a t i e n t e n a m Tage der U n t e r s u c h u n g fas ten zu lassen oder, was v o l l k o m m e n aus- r e i chend ist, die N a h r u n g s a u f n a h m e au f eine spiitere Stunde zu verlegen (vgl. Abb . 2 u n d 3)-

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So war in fri2heren Versuchen Regelsbergers bereits fiir die Hautwasserabgabe, fiir die W~rmeabstrahlung, d. h. fiir die energie- ausfiihrenden Prozesse, vor allem abet fiir die energieliefernden Prozesse der Leber, d. h. fiir die Harnstoffbi ldung und die Blut- zuekerausschi~ttung, ja sogar fiir das Urobilinogen, in ~Jbereinstim- mung mi t ~ORSGRI~EN, bei verschobener Mahlzeit etwa yon 12 Uhr auf 2 Uhr p. m. eine bed~ngt re]lektorische Erhebung in all diesen Funk~ionen nachweisbar gewesen. Der kongruente zeitliehe Ablau] in all diesen FMlen war geradezu iiberraschend. Die naheliegende Anwendung dieser Methodik auch auf die Leulcocytenbewegung ent- t~uschte zuniichst, wenigstens solange, als nur die prozentualen Ver- schiebungen der Lenkocytenar ten beriieksieh~igt wurden. Eine Um- rechnung auf die absoluten Zahlen der Neutrophilen und Lympho- cyten ergab aber sofort, und in beliebiger Wiederholung auch an anderen F~llen, die in Abb. 2 und 3 ohne weiteres erkennbare be- dingte Re]lexzaeke, welche die erwartete ~bereinstimmung mit den bereits bekannten bedingten Reflexzaeken des t~DG. nnd der alveolaren Kohlens~ure erkennen laBt.

Es l~il~t s ich sogar eine n o c h sehr v im w e i t e r g e h e n d e Ana lyse dieser p o s t d i g e s t i v e n S c h w a n k u n g e n des wei/3en Blutbildes, u n d zwar au fge te i l t n a c h N e u t r o p h i l e n u n d L y m p h o - cy ten , geben . D e n n es zeigt sich, dal3 die v e r s c h i e d e n e n An- tei le des l e u k o c y t ~ r e n B l u t b i l d e s ke ineswegs g le i cha r t ig yon de r N a h r u n g s r h y t h m i k be t ro f f en Mad. Die Lymphocyten zeigen z u m m i n d e s t e n i m n o r m a l e n Fa l le e inen au f fa l l end h a r m o n i s c h e n G a n g m i t den S c h w a n k u n g e n de r alveolaren Kohlens~t'ure (Abb. 3 u n d 5). Das b e d e u t e t , d a n a c h den U n t e r s u c h u n g e n H. STRAUBS u n d se iner Schi l ler die a lveo la re K o h l e n s ~ u r e i m w es en t l i chen als A u s d r u c k ac ido t i s che r S c h w a n k u n g e n des B l u t p l a s m a s zu b e t r a c h t e n ist , dal3 e ine engere, v ie l l e ich t kausa l e A b h ~ n g i g k e i t de r L y m p h o c y t e n yon den S c h w a n k u n g e n des S~ure -Baseng le i chgewich t s des B lu t e s b e s t e h t . A u B e r d e m l iegt die A n n a h m e nahe , dal3 fiir die p o s t d i g e s t i v e V e r m e h r u n g der L y m p h o c y t e n z a h l eine mittelbare, d. h. d u t c h die Ver~t'nderung der Milieubedin- gungen h e r v o r g e b r a c h t e S t e u e r u n g mal3gebend ist . Iqa t i i r l ich wi rd zwischen diese b e i d e n B e z i e h u n g e n eine Re ihe we i t e r e r Gl ieder e i n g e s c h a l t e t sein, u n d es i s t a u c h ga r n i c h t aus- geschlossen, d a b d u t c h die S c h w a n k u n g e n de r B l u t a c i d i t ~ t hormonale oder ehemotaktisch wirkonde Stoffe a k t i v i e r t werden . E i n e direlcte Abhi ing igke i t zwischen Acidosis u n d L y m p h o c y t e n z a h l b e s t e h t sehr w a h r s c h e i n l i c h nieht, d a wei te re Ve r suche y o n R]~GELSBERGER u n d KINKELIN gezeigt h a b e n , dal3 in pathologischen F~illen eine Dissoz ia t ion a u c h zwischen de r K u r v e der a lveo la ren CO~ u n d den L y m p h o c y t e n v o r h a n d e n sein k a n n .

I m m e r h i n l e h r t die B e o b a c h t u n g im N o r m a l f a l l im S inne u n s e r e r o b e n gegebenen Def in i t ion , dal3 eine B i l d u n g be- dingter Nahrungsaussch l~ ige i m Lymphocytenbild s t e t s yon e iner gleichsinnigen Acidosebewegung beg le i t e t i s t u n d of ten- b a r n ie se lbs t i ind ig erfolgt . D a m i t i s t a b e t n a c h u n s e r e r e ingangs gegebenen Er l~ iu te rung eine direlcte cerebrale Steue- r u n g de r Lymphocyten unwahrscheinlich geworden.

F i i r die 5~eut rophi len e r g e b e n s ich a n d e r e Z u s a m m e n - h~inge. Die B e w e g u n g e n d iese r K u r v e e rweisen s ich y o n den L y m p h o c y t e n w e i t g e h e n d u n a b h ~ n g i g , u n d es w a r in Einze l - f~illen des a l le rd ings n o c h n i e h t seh r zah l r e i chen Mate r i a l s eine vSll ig isoliert er fo lgende u n d d u t c h die G e w o h n h e i t de r V o r t a g e zei t l ich e ingefahrene , also s icher l ich b e d i n g t r e f l ek to r i sche N a h r u n g s z a c k e fes tzus te l len . D a d u r c h wi rd ein i rgendwie a u f d e m Nervenweg t i b e r t r a g e n e r Impuls, welcher die L e u k o c y t e n z a h l ver~indert , n a h e g e l e g t (Abb. 4).

D a m i t i s t n i c h t n u t das Ph~inomen e iner aliment~iren Leukocytose a n sich e i n m a l sichergestellt, son d e r n a u c h fiir die L a u n e n h a f t i g k e i t seines A u f t r e t e n s eine f a s t se lbs t - vers t~indl iche ]Erkl~irung gegeben. W i r wissen be re i t s aus den T i e r v e r s u e h e n PAWLOWS, d a b gerade der b e d i n g t e N a h r u n g s - re f lex au l~erordent l ich l e ich t de r Hemmung d u r c h ~ul3ere u n d inne re U r s a c h e n un te r l i eg t , die s ich n a c h u n s e r e n E r - f a h r u n g e n b e i m e r w a c h s e n e n Mensehen a u c h w e i t g e h e n d au f den unbedingten Ref lex a u s d e h n e n k a n n .

Es ist also zun~chst ganz selbs~verst~ndlich, datl, wie KzI~N~- ~ z ~ o ~ und C ~ L a ganz r icht ig fanden, die Verdauungsleukoeytose beim Tier wegfallen muB, es sei denn, dal3 die Versuchstiere unter so s~rengen Dressurbedingungen gehal~en werden, wie dies PAWLOW fiir seine Hunde vorschrieb. Auf gar keinen Fall wird man Nahrungs-

reflexe erhalten k6nnen, wenn man die Versuchstiere fesselt oder zum Zwecke der Stoffwechselbestimmung in einen dunklen BehMter sperrt. Durch solche groben Eingriffe werden alle Voraussetzungen ftir die Bildung bedingter ~Reize unterbunden und wird das Auf- treten bereits ausgebildeter Reflexe notwendig gehemmt.

Auch beim Ydeinkinde treten zeitlich bedingte Nahrungs- reflexe, wie gemeinsame Untersuchungen yon I~EGELSBEIZG~EIZ Iliad W. STELZNZR zeigten, erst in den spi~teren Lebensmonaten aIlf, in denen eine bewul3te BeziehIlng zur AuBenwelt beginnt. Es ist danach also gar nicht anders zu erwarten, als daB, wie JAI, I~.~. be- schreibt, die Verdauungsleukocytose im S~uglingsalter ausbleibt. Beim erwachsenen Menschen schlieI31ich miissen die Ergebnisse schwanken, da I-lemmung und Enthemmung eines Nahrungs- reflexes vom Grade der jeweiligen psychischen BeeinfluBbarkeit und dami t vom Erregbarkeitszustand des vegetat~ve~ l~ervensystems erheblich abh~ngt. Wi t fanden bei vegeta• st igmatisierten Per- sonen im Sinne B~ROMAZCNS ein sich bisweilen ~g I i eh ~nderndes Reflexbild, w~hrend vegeta t iv ausgeglichene Individuen eine oft verbl~ffende Konstanz im elektrischen Hautbi ld und dami t in den parallelen Erseheinungen anderer vegetat iver Regulationen erkennen lassen. ]~s ~berrascht also nicht, wenn z. B. ZOLLIKOF]~R, CIr. MOLLER, ELFER Il. a. ~elne Ver~auungsleukocytose beim Er- wachsenen fanden, wie es uns andererseits wieder selbstverst~nd- lich erscheinen muI~, dab JAI~I~A eine solche sogar bei der Abstinenz yon jeder Nahrung land und sie ganz r icht ig bereits als physio- logische Tagesschwankung deutet. Aber es heil3t an dem I~ern der Dinge vorbeigehen, welm ELL~R~A~I~ nnd ERLANDSE~ den sehon erw~hnten fast geradlinig ansteigenden TagesverlaIlf der Leukocyten als typiseh beschreiben. Aus einer grol3en Zahl yon Versuehen geht hervor, dab die Nahrungsreflexe zwar in dentl icher Abh~ngigkeit yon der lqahrung oder Nahrungszei t aufsehiel~en, abet nach Dauer und gegenseitiger Verkn~pfung ein sehr wechseln- des Bild biet~n.

A u c h den e n t s c h e i d e n d e n Einflu/3 e iner b e s o n d e r e n Kost]orm miissen wir be s t r e i t en . W i r h a b e n die gr613ten Ausschl~ge de r L e u k o c y t e n bei de r a l l t~g l ichen g e m i s c h t e n K r a n k e n h a u s k o s t erziel t , w ~ h r e n d die W e r t e n a c h aus- ge sp rochene r E iwei l3be las tung jedenfa l l s n i c h t aus d e m R a h m e n de r i ib r igen B e o b a c h t u n g e n heraus f ie len . Also a u c h h ie rbe i d i i r f te es s ich wen ige r u m eine gesetzm~13ig s t~rke~e Bee in f lu s sung des B l u t b i l d e s d u r c h die Eiwei t3nah~ung als u m individuelle S c h w a n k u n g e n in der Reizbeantwortung i iber- h a u p t h a n d e l n . I n so fe rn w~re eine B e v o r z u g u n g b e s t i m m t e r Ze l lg ruppen , e t w a de r N e u t r o p h i l e n oder de r L y m p h o c y t e n , je n a c h de r Z u s a m m e n s e t z u n g der N a h r u n g noch mSgl ich u n d k 6 n n t e b i she r bei n o c h n i c h t aus r e i chende r V e r s u c h s z a h l de r B e o b a c h t u n g en~gangen sein.

So fanden K ~ T ~ , SIR~NSK~Y und N. L ~ S K ~ ~ fast ilberein- s t immend einen deutlichen Anstieg der Lymphocyten nach kohle- hydratreieher ]:~ahrung, w~hrend die Neutrophilen mehr auf eiweil3- reiche Kost zu reagieren schienen. Solche Un~ersehiede sind um so wahrscheinlieher, als wir bereits in frfiheren Arbeiten ~ auf d~e ver~,n- derten Aeidit~LtsverhMtnisse des H a m s nach ,,reinen" Nahrungs- komponente~, d . h . Fet t , Eiweil3 und Kohlehydraten, z. B. der ge- t rennten Bes~andteile der Milch, und auch auf eine parallelgehende Abweichung der alveolaren I~:ohtens~ure hingewiesen haben. Da es sich dabei um entsprechende Schwankungen der Blutacidi t~t han- delt, is~ nach den oben mitge~eilten Beobachtungen eine Beein- flussung zum mindesten der Lymphocyten durch die Kostform naheliegend.

Es gew~hr t eine gewisse Be f r i ed igung zu sehen , wie ein- f ach sich n u n m e h r u n t e r d e m G e s i c h t s p u n k t de r N a h r u n g s - ref lexe eine ganze Re ihe f r i iher n n v e r e i n b a r e r u n d wider - sp ruchsvo l l e r B e o b a c h t u n g e n u n d A u f f a s s u n g e n zwanglos in e inen g r68e ren R a h m e n de r B e t r a c h t u n g e inf t igen ]~/3t. So wi rd y o n m a n c h e n A u t o r e n , T~RZA~I, PA~I~Z~ , SOL~INO USW., wenige~ die A r t der N a h r u n g als v i e l m e h r de r Salz- s~iure]lufi des Magensa f t e s als de r ffir die Verdauu~gsleulco- cytose e n t s c h e i d e n d e Reiz angesehen , d a a u e h HCI direkt in den Magen g e b r a e h t , die gleiche W i r k u n g habe . Die A u t o r e n b e m e r k e n n i ch t , d a b sie d a m i t die P a w l o w s c h e V e r s u c h s a n o r d n u n g o~iginalgetreu kopieren . B e a c h t e n wi t n u n noch, da/3 n a c h u n s e r e n f r f iheren D a r l e g u n g e n i ln Zu- s a m m e n h a n g m i t d e m Flul3 des Magensa f t e s a u e h die i ib r igen N a h r u n g s r e f l e x e de r H a u t , de r L e b e r u n d n a e h den vor - l i egenden U n t e r s u e h u n g e n auch die B e w e g u n g e n des B lu r - bi ldes ab lau fen , so h a b e n die e r w ~ h n t e n Auto~en ge radezu den Beweis fiir u n s e r e A n s c h a u u n g e n v o r w e g g e n o m m e n .

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2. O K T O B E R I937 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

I n d e m wi t die n a h r u n g s b e d i n g t e n S c h w a n k u n g e n des weiBen B lu tb i l de s in das Ge t r i ebe e iner a l lgemeinen vege- t a t i v e n U m s t e l l u n g e inre ihen , die s~imtliche a m N a h r u n g s - t r i e b be te i l ig t en R e g u l a t i o n e n umfaBt , g e w i n n e n wir ftir diese Vorg~inge eine yon de r b i she r igen zwar a b w e i c h e n d e abe r a u c h sch~trfere Def in i t ion . MaBgebend i s t au f k e i n e n Fal l , wie das me i s t s t i l l schweigend a n g e n o m m e n wurde , der un - m i t t e l b a r e chemische Reiz der neu aujgenommene~ N a h r u n g ,

d e n n dieser k6nn t e , en t - % I s p r e c h e n d der sehr all- m l m/ ih l ich d u r c h g r e i f e n -

i ~/r d'~ den V e r d a u u n g s a r b e i t , auch e rs t i m Ver l au f 5,8 ,:

R I F T . 16. J A H R G A N G . N r . 4 ~ i 3 7 7

wie erheblichen (chemischen)Verdauungsleukocytose besonders bei Abgrenzung gegeniiber anderen physiologischen Schwankungen fiber- haup t bezweifelt. Sie besteht in der Ta t nur als Nahrungs rhy thmik in roller zeitlicher Anpassung an andere bedingt oder unbedingt re- flektorisch gestenerte Regulationen des vegetativen Nervensystems.

Es wurde bere i t s angedeu t e t , dal3 a u c h die r o t e n B l u t - k 6 r p e r c h e n ge legent l i ch e inen ~thnlichen mi t t / ig l i chen Ans t i eg zeigen wie die L e u k o c y t e n . D a d u r c h wi rd sofor t de r Ge- d a n k e nahege leg t , d a b es s ich bei der G e s a m t h e i t dieser pos t - d iges t iven Leukoeytosevorg~inge ledigl ich u m Eindielcu~gs- oder Verdi~nnungserscheinungen des B l u t p l a s m a s h a n d e l t . Das h ie r aufgeworfene P r o b l e m der B l u t b i l d v e r X n d e r u n g w~re also e infach ein P r o b l e m des i n t e r m e d i ~ r e n W a s s e r h a u s h a l t s . Die

D u r c h s i c h t unseres V e r s u c h s m a t e r i a l s zeigt

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O~ /0 q2 lg 1$ 18 207~ Abb. 3- Alter i2-Uhr-Gipfel, besonders bei den Lym- phocyten und der air. CO~ zeitlich fibereinstimmend (Milieusteuerung?). Im iibrigen Blutrhythmik mehr

dem EDG. folgend.

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Abb. 4. Verst~irkter (bedi~gt reflektorischer) Nahrungs- ausschlag bei den Leukocyten ill zeitlicher l~berei~- stimmung mit der Vor~agsrhythmik. Lymphocyten folgen

dem EDG. der Beine (Splanchnicuswirkung[). Kurve B = alveolare CO~ in ~o-

indessen, d a b eine solche L I b e r e i n s t i m m u n g des weiBen u n d r o t e n B l u t b i l d e s n u t im

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g 10 12 Yg ~'G 18 Abb. 5, Lymphocyten wiederum der Acydosebe- wegung folgend. Auch hier weitgehende Oberein- stimmung mit ]3einkurve des EDG. Erythrocyten-

bewegung abweichend.

yon S t u n d e n w i r k s a m werden , s o n d e r n die u n m i t t e l b a r m i t de r N a h r u n g s a u f n a h m e re]lektor%ch e inse tzende A r b e i t de r Leber , welche das Signal a u c h fiir die B l u t b e w e g n n g e n g ib t .

Ob es neben dieser indi~'ekten, yon uns als Nahrungsrhythrnik bezeichneten Form der Energiebitdung noch eine zweite direkte Ausl6sung du tch den chemischen Nahrungsreiz als solchen gibt, ist ffir die Mehrzahl unserer Versuche durchaus abzulehnen und h6chstens ftir den Fall speziflsch-dynamischer Eiweigwirkung diskutabel, wo die Kurve des Gastsoffwechsels die des EDG. zeit- lich urn ein rnehrfaches ~berdauert (vgl. diese Wschr. x935, II3)L Aber auch in diesen FMlen handel t es sich wahrscheinlich lediglich urn eine Diskrepanz ir~ der AufeinanderIolge der energiebildenden und efiergieausffihrenden Prozesse, die sich bei exakterer Erfassung der beiden Faktoren wahrscheinlich von selbst beheben wird. Ns ha t also sicherlich recht, wenn er die Existenz einer irgend-

n o r m a l e n Fa l l unse r e r oben gegebenen 'Def in i t ion v o r h a n - den i s t (Abb. 3) u n d be re i t s bei a b w e i c h e n d e m E D G . a n A r m e n u n d B e i n e n auseinanderf~i l l t (Abb. 4 u n d 5). Das ro te B l u t b i l d folgt o f f enba r e iner y o n den L e u k o c y t e n d u r c h a u s a b w e i c h e n d e n E igengese tz l i chke i t , f iber die s ieh n u r in e inigen Sonderf~illen M u t m a g u n g e n auf s t e l l en lassen. So is t es n a c h d e m S t a n d unse r e r h e u t i g e n K e n n t n i s n o c h n i c h t m6gl ich, d e r a r t p l6 tz l i che u n d y o n a l l em Z u s a m m e n - h a n g m i t de r Pe r iod ik des i ib r igen ]31utbildes, j a i i b e r h a u p t de r g e s a m t e n i ibr igen v e g e t a t i v e n R h y t h m i k losgel6ste Ab- w e i c h u n g de r E r y t h r o c y t e n k u r v e zu deu ten , wie sie z, B. in den A b b i l d u n g e n 4 u n d 5 h e r v o r t r i t t . Es h a n d e l t s ich b ie r o f f enba r u m d e n E i n b r u c h e iner zwe i t en R h y t h m i k , welche in w e i t e r g e s p a n n t e r B e w e g u n g die g e m e i n s a m e G r u n d -

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l inie der Tagesschwankungen erfaBt und diese dadurch wenig- stens tei lweise e inebnet . _~hnliches geschieht j a bekannte r - mal3en m i t den kleinen Tagesschwankungen der K6rpe r t empe- r a tu r in der hohen K o n t i n u a einer F iebe rkurve . Anderer - seits is t die ~ b e r e i n s t i m m u n g aueh der E r y t h r o e y t e n m i t anderen Funk t ionen , wie z. ]3. in Abb. 4 mi t dem Ver lauI der a lveolaren Kohlens~ure ganz evident , zumal sich die e twas versp~te te Ta lb i ldung ohne wefteres aus der Verschiebung der H a u p t m a h l z e i t an diesem Tage erkl/~ren l~13t (Abb. 4, B u. D). E in ~hnliches Verha l ten der E r y t h r o c y t e n k u r v e gegenfiber der Aeidosebewegung f indet sich such in Abb. 5 wenigstens noch angedeute t . Aber selbst dort , wo die Nah- r u n g s r h y t h m i k des ro ten Blutbi ldes , u~n die es sich hierbei zweifellos handel t , in besonders gu te r Ausb i ldung erscheint , wie auf Abb. 3, muB man sich t ro tz verblf i f fender Ahnl ich- kei t des Kurvenb i ldes mi t dem Ver lauf der fibrigen vege- t a t i v e n F u n k t i o n e n doch yon einer gewissen zei t l ichen Ver- schiebung der Ful3punkte und der Gipfe lh6hen i iberzeugen. Nach dem, was oben fiber die neurologische ]3edeutung be- ding~ ref lektor ischer Schwankungen gesagt worden ist, ware danach an eine unmi t t e l ba r e cerebrale Beeinf lussung auch des ro ten Blutbi ldes zu denken, wie sie bereits yon HOFF nnd japanischen Forschern v e r m u t e t worden ist. E ine r solchen A n n a h m e fehl t j edoch solange der greifbare Inha l t , als es noch n ich t gelungen ist, das histologische Substrat selbst zu l inden, du tch welches eine hypo the t i sche Inner - r a t i o n derar t ige per iphere B lu tve r sch iebungen erzeugt . Hie r scheint es n ich t unwesent l ich, da rauf hinzuweisen, dab i m m e r noeh die beste zei t l iche U b e r e i n s t i m m u n g zwischen der Per iod ik des ro ten Blntbi ldes und dem EDG. besteht . N u n ist das EDG. sowohl Ausdruck der Hautwasserabgabe als auch der Wgrmestrahlung und dami t der Ge]diflweite. Ferner er- gaben frfihere Arbe i ten von REGELSBERGER und HICKL, dab auch die in der Zei te inhei t bewegte B lu tmenge des Herzens und d a m i t such S t r6mungsgeschwindigke i t und Zahl der in der Per ipher ie umlaufenden ro ten Blu tk6rperchen , End zwar in Anpassung an eine dami t v611ig harmonisch auf- und abs te igende Sto]]wechselrhythraik einen synchronen Gang mi t den Nahrungsschwankungen des EDG. aufweisen. Der Stoff- wechsel oder besser der Ene rg ieumsa tz ist also der Schlfissel zum ganzen v e g e t a t i v e n Geschehen in der Nah rungs rhy thmik . Es hande l t sich sowohl bei den bed ingten als such bei den unbed ing ten Ref lexen u m eine reelle W~rmeb i ldung der K6rperze l len und deren Ab]uhr durch die Hau t , so dab sich die Gesamtersche inungen am vege t a t i ven Sys tem mi t Ein- schluB des Blutbi ldes grundsXtzlich ebenso ve rha l t en mfissen, wie bei der k6rper l ichen Arbe i t auch.

Ffir den Fal l der k6rper l ichen Arbe i t wurde die ~lber- e i n s t i m m u n g zwischen H e r z m i n u t e n v o l u m e n und EDG. als Ausdruck in tens iverer Energ ieabgabe der Per ipher ie bereits von FI'NCK s nachgewiesen. Es wurde dabei wel te r gezeigt, d a b zwisehen den AusschlXgen, z. B. nach einigen t iefen Kniebeugen, und den spontanen E rhebungen der digestiven Nahrungsgipfe l nur ein quantitativer Untersch ied bes teht . W i t werden also n ich t fehlgehen, wenn wi t die bei der k6rper- l ichen Arbe i t nach BARCROFTS Unte r suchungen beanspruch- t en Blutreservoire der Milz such als Erkl/~rung der nahrungs- zei t l ichen E r y t h r o c y t e n b e w e g u n g e n gel ten lassen. Das wfirde also bedeuten , dab in diesern Fal le die Milz ebenso wie dor t der ref lektor isch ges teuer te Motor der d iges t iven E r y t h r o - c y t enbewegung ist.

Es ist n ich t unbed ing t erforderl ich, dab solchen nahrungs- bed ing ten Schwankungen des ro ten Blutbi ldes stets auch en t sp rechende Wasserbewegungen, also im Sinne der E in- d i e k u n g oder Verdf innung des Blu tp lasmas , paral le l gehen. Sowei t neuere Versuche von REG:ELSBiERGER und t~INKELIN, die m i t r e f rak t romet r i scher Methode anges te l l t wurden, berei ts Auskunf t geben k6nnen, sind sie wohl meis t vorhanden , aber es hande l t sich doch wohl in erster Linie hierbei n icht u m eine Angelegenhei t der Milz allein, sondern zum mindes ten n m Wechselbeziehungen zwischen dieser und der Leber, wenn nicht f iberhaupt u m eine Angelegenhei t der Leber selbst. Die Rolle der Leber im Wasse rhausha l t is t eine physiologisch genugsam bekann te Tatsache und wurde such klinisch berei ts ffir die Funk -

t ionsprf i fung dieses Organs, z. B. von STRAUSS, herangezogen. Ihre rhythmische T~tigkeit , gerade auch was die Wa~sser- verschiebungen innerha lb des Blu tp lasmas angeht , wurde wohl ers tmal ig yon FORSGREEN gefunden, der besonders auf die Speicherung yon Wasser in der Zeit der Glykogenbi ldung und auf die Wasserabgabe zur Zeit des Glykogenabbaues hinwies. Die Befunde des genann ten Autors waren berei ts frfiher von uns nachgeprf i f t und best~t igt worden, jedoch mi t der Erwei te rung, dab es sich bei diesen Leberrhythmen in derselben Weise wie bei den fibrigen vege t a t i ven Funk- t ionen u m zentralgesteuerte 2Vahrungsre]lexe handel t .

Danach wird man also nur solange einen mi t den Wasser- versch iebungen im t31utplasma f ibere ins t immenden Zu- zusammenk lang in der R h y t h m i k des weiBen und des ro ten Blutbi ldes e rwar ten kbnnen, als das normale Zusammenspie l zwischen Milz und Leber e rha l ten ist. Diese l~berlegung kann, wie yon REGELSBERGER und t~INK:ELIN gezeigt wurde, yon erhebl ichem diagnos t i schem Interesse sein, da sich sofort aus der S tbrung der funkt ionel len I t a rmonie , n m im Beispiel zu bleiben, also bei einer Abweichung der Wasser- , Leuko- cy ten- oder E r y t h r o c y t e n k u r v e , ein Hinweis auf die Er - k r ankung der Leber bzw. der Milz ergeben muB. In der T a t ha t es sich in Abb. 2, wie die s ta rk abweichende Erythrocyten- kurve beweist , u m einen leichten Fal l yon Polyglobulie ge- handel t .

W~hrend somit die eben erbr~erten Vors te l lungen fiber eine ref lektor iseh t~ttige Milz innervat ion u n t e r Verwendung der Barcrof t sehen E n t d e c k u n g der Spe icherungsfunkt ion dieses Organs eine plausible E r k l a r u n g der E r y t h r o c y t e n - schwankungen ergaben, t r i f f t dies fiir die Leukoey t en noch n ich t zu. Hie r ist die wicht ige En t sche idung zu f~llen: H a n d e l t es sich bei i h rem postdiges t iven Anst ieg u m einen rein physikalisehen oder um einen biologisch t~t igen Mechanismus, besser gesagt u m eine vegetative Regulation? Das erste t r i f f t im wesent l ichen mi t dem zusammen, was m a n in allerdings sehr versehiedenen Abwand lungen als Verteilungsleukocytose bezeichnet hat .

FAnRXVS 9 hatte versucht, eine periphere Verminderung der Leukocyten aus ihrer erhShten Str6mungsgesehwindigkeit wenigstens in den nicht zu kleinen Haargef~Ben, er spricht von,,Paraeapillaren", abzuleiten. GLASER TM, der an eine vasoneurotische Beeinflussung der peripheren Gef~Bbezirke dachte, kommt zu entgegengesetzten SchluBfolgerungen. Er rechnet einer Verengerung der capillaren Strombahn die periphere Leukocytenvermehrung einer Kapillar- erweiterung umgekehrt die Leukocytenverminderung zu. RosnNow 11 wiederum land bei seinen Versuchen fiber die Leukocytose im fl- Tetranaphthylfieber, wobei eine starke Kontraktion der Haargef~Be auftritt , ein Absinken der peripheren Leukocytenzahl und muBte daher das Blur durch Herzpunktion gewinnen.. It6GLUND 12 allerdings beschreibt bei dem gleichen Fiebermittel und trotz der dadurch be- wirkten enormen Kontraktion der Haargefgl3e such peripher diesetbe Leukocytensteigerung wie im zentralen Herzblut. Versuche yon ~EGELSBERGtgR und I~INKELIN 1 k6nnen wenigstens insofern weiter- helfen, als dadurch die rein physikalische Verteilungstheorie so gut wie sicher abgelehnt wird. WXre nXmlich wirklich die verschie- dene Str6mungsgeschwindigkeit in Abh~ngigkeit yon verschiedener Teilchengr6Be das entscheidende, so mfiBten such Neutrophile und Lymphocyten zwar in rhytmisch wechselnder Konzentration aber doch in zeitlieher Ubereinstimmung im peripheren Blute er- scheinen. Denn der AnlaB zur Str6mungs~nderung, die :Erweiterung der Capillaren zur Mittagszeit, ist ~fir beide Zellarten in gleicher Weise wirksam. Nach den Untersuchungen der genannten Autoren sind aber die Rhythmen beider Leukocytenarten trotz hfiufiger I)bereinstimmung gelegentlich grundverschieden (vgl. Abb. 2 u. 5 gegen Abb. 4):.

Wie dieser Ubertragungsmechanismus vom vegetativen Nerven- system ant die Leukocyten im einzelnen funktioniert, bleibt einstweilen noch ungewiB. Es liegt nahe, an Ladungs~nderungen der GefXBendothelien in AbhXngigkeit yon energetischen Um- stimmungen der Nachbarzellen zu denken, die sich den Blut- k6rperchenmembranen mitteilen und die dann, wenn sie rhythmisch erfolgen, aueh wohl eine Verschiebung derselben zustande bringen k6nnen. Ansichten dieser Art werden yon E. F. Mt~LLER 15, WOLL- ~nI~ U. a. vertreten und sie waren immerhin geeignet, die r~tselhafte Art der neurogenen Einwirkung bei der Verteilungsleukocytose der L6sung n~ther zu bringen. Allerdings ist damit noch nichts fiber die eigenartige Wechselbezlehung zwisehen dem peripheren und abdomi- nellen. Ge]iiflsystem ausgesagt, welche, bekannt unter dem Namen

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2. O K T O B E R ~937 K L I N I S C H E W O C F i E N S C H R I F T . i6. J A H R G A N G . Nr. 4 ~ 1379

des Dastre.Morathschen Gesetzes, einen etwas schematischen Begriff yon den wirklichen Zusarhmenhangen gibt. Besonders F. HoF# 3 hat in einer eingehenden Studie darauf hingewiesen, dab bei dieser Rezi- prozit~t im Fflllungszustande yon Haut- und Splanchnicusgebiet h6chstens yon einer gewissen Regelm~i3igkeit solchen Verhaltens die Rede sein kann.

Immerhin wird man unter best immten Bedingungen den wahren Kern solcher Beobaehtungen anerkennen dfir~en. Be- reits Altere Untersuehungen yon REGELSBERGER haben namlich gezeigt, dab bei St6rungen im Splanchnicusgebiet, mSgen diese nun in einer Obstipation, einer Colitis oder gar in einer Perito- nitis bestehen, das EDG. der unteren K6rperhdl]te yon dem der oberen mehr oder weniger stark abweicht (Abb. 4). Merk- wtirdigerweise finden sich nun gerade in solchen F~llen rhythmische Dissoziationen des Blutbildes, wobei aber die Lymphocyten einen au~fallenden Gleichlau] mit dem EDG. der Beine bewahren (vgl. Abb. 4 u. 5), w~hrend die tibrige vegeta- tive Rhythmik dem EDG. der oberen K6rperh~lfte weiterhin folgt. Das beweist jedenfalls, dab zum mindesten fiir die Lymphocyten eine Korrelation zwischen Splanchnicus und Hautinnervat ion bestehen mul3, die aus Ahnlichen Erwggun- gen heraus, wie sie oben ffir die Erythrocyten angestellt wurden, die beiderseitigen Gef~Bgebiete betreffen diirfte. Aus welchen Organbereichen des Splanehnicusgebietes hierbei die Lymphoeyten ausgeschwemmt werden, wird durch den Versuch nicht n~her bezeichnet. Es werden die Lymphgef~13e oder die Saftspalten des Darmes sein, doch bestehen auch Anhaltspunkte dafiir, dab die lymphoide Funktion der Milz dabei in Anspruch genommen wird.

Die einschl~gige Literatur kann vielleicht Anregungen geben, in welcher Richtung sich die weitere Forschung hier zu bewegen hat. So land bereits HOFFMEISTER 14 eine in der Verdauungsphase ein- setzende Infiltration des adenoiden Gewebes der Darmwand. Es soll sogar aul3erhalb der Follikel eine gesteigerte Bildung yon Lym- phocyten unmittelbar im Gewebe selbst stattfinden. ~hnliche cellulAre Reaktionen finder auch GOLDMANN und vor allem IKO- CZYNSKI, der nicht nur in der Darmwand, sondern auch in anderen Organen, die inl Bereich des N~hrstroms liegen, also besonders aueh in Leber und 3/Iilz, zellige Wueherungen in Gef~13w~nden und Ca- pillar~n auftreten sah. Auch SCHITTENHELM 16 mii~t diesen bereits unter physiologischen VerhMtnissen auftretenden teils histiocyt~r- endothelialen tells direkt an die Blutzellbildung erinnernden, also knochenmarksAhnlichen Reaktionen, besonderen Weft bei. Aller- dings ist die Ansicht der Autoren insofern schwierig mit den bier diskutierten Vorg~ngen der unmittelbaren ~ahrungsreflexe ver- einbar, als sie dem zwar resorbierten, aber noch ungeni2gencl abge- bauten 1Vdihrmaterial die Rolle des Nahrungsreizes zuschreiben, wAhrend doch in unserem Falle die unmitte]bar nervSse AuslSsung sehon deshalb im Vordergrund stehen mul3, da eine ehemische Reiz- wirkung, schon rein zeitlich genommen, noch gar nicht erfolgt sein k~nn. Man miiBte sich also dazu entschlief~en, aueh die bier er- w~hnten lymphoiden Bildungsst~tten rhythmisch-vegetativ inner- viert zu denken, oder neben einer rein gef~i3neurotisch bedingten Verteilungslynlphocytose eine chemisehe Aktivierung der ]3itdungs- st~tten als zweite Komponente anzunehmen. REGELSBERGER 7 sah besonders bei starker Eiweif3belastung der Verdauungsorgane, also bei der spezifisch-dynamischen Wirkung der Eiweil3kSrper, eine auffaliende Verldingerung oder g a r Doplgelgipfelbildung der Mittagsreaktion im EDG., die sehr wohl im Sinne der letztgenannten Auffassung gedeutet werden kSnnte.

Anders liegen die Dinge bei den neutrophilen Leukocyten. Aueh hier wird man zunAchst eine einfache Verschiebungs- leukocytose zur Erkl~rung der postdigestiven Schwankungen heranziehen. Dies um so mehr, als sich ftir diesen Teil der Leukocyten eine Ausschwemmung aus den spezifischen Bil- dungsst~tten, d. h. also aus dem Knochenmark, nicht nach- weisen laBt. Der schliissige Beweis fiir das Vorliegen einer nerv6sen Markregulation, im Zusammenhang mit der Nah- rungsrhythmik, l~ge in dem zeitlich tibereinstimmenden Auf- treten einer jugendlichen Kernverschiebung. Diese t ra t in unseren bisherigen Versuchen jedoch keineswegs iiberzeugend hervor. Dennoch w~re es verfriiht, nach diesem zun~chst negativen Ergebnis die eben diskutierte Erkl~rung briisk abzulehnen.

Es ist bekannt, daS im Fiebe~' eine Leukocytose mit mehr oder weniger deutlicher Kernverschiebm~g vorhanden ist. Die ein- sehl~gigen VerhMtnisse sind erst in neuerer Zeit yon HOFF ~s gepraft

worden. Aus seinen Kurven geht hervor, dab pro Grad Temperatur- erhOhung ungef~hr ein Zuwachs von 5% jfmgeren Kernelementen zn erwarten ist. Ffir einen Temperaturanstieg, der im Falle der normalen Nahrungsrhythmik 1/2~ kaum flberschreitet, w~re datum mit einer Kernverschiebung von hSchstens 2-- 3 % zu rechnen. Diese Zahl wird bei gewShnlicher AuszAhlung yon etwa 200 Einzelexempla- ren im Bereich der Fehlergrenze der Methodik liegen. Durch ent- sprechend erweiterte Ausz~hlungen.liel3en sich wohl einwandfreiere Daten gewinnen und damit eine LSsung der gestellten Frage erreichen. Einstweilen weisen aber auch vorhandene Beobach- tungen in gleiche :Richtung:

Es besteht offenbar zwisehen den starken Leukocytosen, wie sie z. B. HoFF durch Injektion yon Pyrifer, aIso yon BakterieneiweiI3, erzielen konnte, und dem spontan auf- tretenden postdigestiven Anstieg der Neutrophilen nut ein gradueller Unterschied, zumal nach unseren frtiheren Unter- snchungen leichtere Reaktionen dieser Art sich durchaus innerhalb der Nahrungsrhythmik auszuwirken und lediglich eine ~berh6hung der gewohnten Gip/el herbeizuffihren pflegen. Es geht dies sehr sehSn aus Beispiel 4 hervor, wo nach einer therapeutischen Injektion von Coliantigen ein relativ starker Ausschlag der Neutrophilen erfolgt, der sich zeitlich vSllig an die Ful3punkte der alten Mittagszacke h~lt (vgl. in Abb. 4 das EDG. des Vorversuchs[). Der Versuch schls gewisser- maBen die Briicke v o n d e r Nahrungsrhythmik zur bereits toxischen Leukocytose. Da ffir diese die vegetat ive Regula- tion des Knochenmarkes als erwiesen gelten kalln, dfirfte sie auch ffir die Verdauungsleukocytose bestehen.

Im /ibrigen liegt die Hauptbedeutung dieses Versuches auf anderem Gebiete. Wie bereits oben auseinandergesetzt wurde, liefert gerade dieses Festhalten des .bedingt refMk- torischen Nahrungsausschlags bei wei~:gehender Dissoziation der tibrigen vegetat iven Funktionen den strikten Beweis fiir eine isolierte unabh~Lngige cerebrale Steuerung der neutrophilen Leukocyten. Es ist demnach auch der allerdings meist vorhan- dene Parallelismus zwischen Neutrophilie und KSrpertempera- tur durchaus nicht zwangsweise erforderlieh, da beide Regu- lationen, wie bereits Hor~ und RosENow auf andere Weise wahrscheinlich gemacht hatten, eine getrennte cerebrale Steuerung besitzen.

Der groBe Vorteil der hier angewandten Methode einer vergleichenden Untersuchung der Nahrungsreflexe besteht sowohl ffir die Klinik als auch ftir allgemeine Fragestellungen aus dem Gebiet der vegetativen Physiologie darin, dab am vSllig intakten Menschen und unter AusschluB robuster, nur im Tier- versuch ang~ngiger Methoden gearbeitet werden kann. Die Er- haltung der nati~rlichen Milieubedingungen der Versuchsperson ist sogar die dringendste Voraussetzung ftir den ungest6rten Ablauf der Nahrungsrhythmik, da nachweislich bereits die Vor- nahme ungewohnter oder stark schmerzhafter Manipulationen die psychovegetativen Wechselwirkungen ira. Ablauf der Kur- venbilder deutlich beeinfluBt. Gerade die Harmonie der Organ- t~tigkeit, die ja der volksttimliche Sprachgebrauch instinktiv als Ausdruck der Gesundheit wertet, wird auch ob]elctiv im Kurvenbild dutch die zeitliche /3bereinstimmung der ver- schiedenen vege ta t iven Funktionen wiedergegeben. Um- gekehrt wird im Krankheitsfall die vorwiegend betroffene vegetat ive Funktion oder das dureh sie repr~sentierte Organ gerade durch die Verzerrung oder iiberhaupt dutch die Ab- Weichung ihrer Rhythmik ebenfalls objektiv und bildlich hervorgehoben. Wenn z. B. in Abb. 4 sich das ]ZDG. der unteren KSrperh~lfte von dem der oberen rhythmisch ab- spaltet, so ist damit bereits der Sitz der StSrung im Splanchni- r gekennzeichnet, w~hrend der verst~rkte Ausschlag der Neutrophilen die zwar quali tat iv noeh normale abet often- bar gesteigerte Lebert~tigkeit verr~t. Man kann sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, da/3 eine Reaktion solange unter dem ffihrenden EinfluB des vegetat iven Nervensystems steht, als sie sich innerhalb der Grenzen der 1Nahrungs- rhythmik abspielt. Im selben MaBe, wie sich eine andere Rhythmik, die dann stets yon .]angwelligerer Periodik ist, darfiberlagert, machen sich andere Einwirkungen, seien sie nun innersekretorischer oder toxischer 1Natur, geltend, So sehen wit bei 1Angerdauerndem infektiSsem Fieber die kleinen Tageszacken der KSrpertemperatur ganz verschwinden oder

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138o K L I N I S C H E W O C H E N S C H

z u m m i n d e s t e n au f h 6 h e r e m D a u e r n i v e a u aufgese tz t . GewiB s t e h t auch dabe i die L e b e r i n n e r v a t i o n u n t e r e inem n a c h F. KRAOS u n d DRESEL d u r c h das S t r i a t u m v e r m i t t e l t e n D a u e r t o n u s . A b e t die l e t z t e U r s a c h e dieser k a u m m e h r als r h y t h m i s c h zu b e z e i c h n e n d e n Niveauversehiebung i s t d a n n eben de r tox i sche Reiz de r b e t r e f f e n d e n I n f e k t i o n . S~mt - l iche v e g e t a t i v e R e g u l a t i o n e n s t e h e n i m f ibr igen a u c h s c h o n no rma le rwe i se u n t e r d e m Einf luB e iner so lchen ce reb ra l ge- s t e u e r t e n D a u e r i n n e r v a t i o n , de ren m o n o t o n e s Bi ld d u t c h die kurzwel l ige N a h r u n g s r h y t h m i k b e l e b t wird . Diese s eh r k o n s t a n t e ,,Spiegeleinstellung'" der v e g e t a t i v e n lZegula t ionen wird d u t c h den Wechs e l y o n T ag u n d N a c h t in i h r e r N i v e a u - e ins t e l lung i n n e r h a l b gewisser G r enzen v e r ~ n d e r t . Ff i r den Kl in ike r i s t es yon Wi ch t i gke i t , d a b die N i v e a u e r h 6 h u n g im a l lgemeinen e iner U m s t e l l u n g des v e g e t a t i v e n N e r v e n s y s t e m s i m sympatieotonisehen, das A b s i n k e n e iner so lchen i m eago- tonisel~en Sinne e n t s p r i c h t . Die h ie r o b w a l t e n d e n I n n e r - v a t i o n s v e r h ~ l t n i s s e s ind besonde r s d u r c h die y o n H o o f en t - wor fenen R a d s c h e m a t a sehr i n s t r u k t i v zu r D a r s t e l l u n g ge- b r a c h t worden . D u r c h die Ve r suche v o n R~GELSB~RGEa k o n n t e diese A u f f a s s u n g in so fe rn b e s t ~ t i g t werden , a ls a u c h b e i m E D G . die N i v e a u v e r s c h i e b u n g d u t c h p a r a s y m - p a t h i s c h e f iber h i n t e r e W u r z e l b a h n e n gele i te te I m p u l s e r egu l i e r t wird, wXhrend e in a n t a g o n i s f i s c h e r E f f e k t v e r m u t - l ich f iber den G r e n z s t r a n g des S y m p a t h i e u s u n d die Gef~B- n e r v e n g e f l e c h t e zu r Pe r iphe r i e ge le i te t wird. A u c h die kurzwel l ige N a h r u n g s r h y t h m i k s te l l t in i h r e m Auf u n d A b o f f enba r das Spiegelbi ld der b e i d e n v e g e t a t i v e n Gegensp ie le r dar , wobei w i e d e r u m d e m S y m p a t h i c u s die Gipfel-, d e m Vagus die" T a l b i l d u n g z u f g l l t . Da, wie wir sahen , a u c h das B l u t - b i ld wen igs t ens no rma le rwe i se in a l ien se inen K o m p o n e n t e n eine ganz h a r m o n i s c h e t Z h y t h m i k zeigt , i s t woh l de r AnMogie- schlul3 g e s t a t t e t , d a b auch h ie rbe i die b e t r e f f e n d e n Ef fek- to ren , m a g es s ich n u n u m Organe, wie Milz u n d L e b e r oder u m die d u t c h den S tof fwechse l des Zel lmil ieus bee inf lu l3 ten GefM3endothel ien h a n d e l n , yon pr inz ip ie l l g h n l i c h e n Le i s tun - f e n v e g e t a t i v e r A n t a g o n i s t e n a b h ~ n g e n .

Die h ie r o b w a l t e n d e n T a t s a c h e n u n d GesetzmXi3igkeiten, die v o r w i e g e n d d u t c h die A r b e i t e n yon REGELSBEROER be- g r f inde t u n d wei te rgef f ih r t w o r d e n sind, s ind wohl geeignet , ein neues Geb ie t de r v e g e t a t i v e n Phys io log ie u n d P a t h o l o g i e zu erschl iegen . Ffir den Phys i o l ogen b e s t e h t de r N u t z e n de r n e u e n M e t h o d e in de r A u f d e c k u n g b i s l ang n o c h u n - b e k a n n t e r O r g a n k o r r e l a t i o n e n b e i m g e s u n d e n Menschen , ffir den K l in ike r b e d e u t e t ge rade die a b n o r m e T r e n n u n g de r O r g a n f u n k t i o n e n eine ve r f e ine r t e B e o b a c h t u n g s m 6 g l i c h - ke i t p a t h o l o g i s c h e n Geschehens u n d s o m i t e ine t3e re icherung des d i a g n o s t i s c h e n Rf is tzeuges yon sch~t tzbarem W e f t . Mi t Rf icks ich t auf. dieses vie lse i t ige A n w e n d u n g s g e b i e t , welches die u r spr f ing l i che Pawlowsche Ref lex lehre d u r c h die m e t h o - d ische E r w e i t e r u n g g e w o n n e n ha t , w~re eine N a c h p r f i f u n g und A n w e n d u n g de r g e w o n n e n e n Ergebn i s se a u c h in b r e i t e r e n ~6_rztekreisen zu wf inschen .

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MEISTER, zit. bet SCHITTENHELM. - - 15 ]~. F. MOLLER, Blur und vege- ta t ives Neryensystem. Handbuch der Mlgemeinen H~matologie, Bd. I. Berlin u. Vc'ien : Urban u. Schwarzenberg 1932. -- 16 A. SCltlT- TENHELM, FIandbuch der Krankhei ten des Blutes und der blut- bildenden Organe. S. 5ooff. Berlin: Julius Springer 1925.

D I E R E S T S T I C K S T O F F E R H O H U N G IM COMA

D I A B E T I C U M .

Von

KURT GOPFERT. Aus der Inneren Abteilung des Julius-Spitals Wfirzburg

(Letter: Univ.-Prof. Dr. ALFONS FOERSTEIR).

U n t e r den zah l r e i chen K o m p l i k a t i o n e n , die t in Ver laufe eines Coma d i a b e t i c u m a u f t r e t e n k6nnen , l i n d e n wir einige, die y o n v e r s c h i e d e n e n A u t o r e n au f ein Ver sagen de r N ie ren - t /~tigkeit i m K o r e a zurf ickgeff ihr t werden . ~ERTRA1Vi 1 h a t in se inen A b h a n d l u n g e n fiber die P a t h o g e n e s e u n d P rognose des Coma d i a b e t i c u m 5 aufgez~hl t , nXmlich:

i . A l b u m i n u r i e u n d Cyl indrur ie , m a n c h m a l H ~ m a t u r i e . 2. Ol igourie bis Anur ie . 3. Korea ohne Glykosur ie . 4- K o r e a ohne K e t o n u r i e . 5. K o m a m i t R e s t - N u n d H a r n s t o f f r e t e n t i o n . E r ffihr• in se iner A r b e i t a u c h die ge samte L i t e r a t u r an,

in der diese E r s c h e i n u n g e n d u r c h eine Nie ren insuf f i z i enz erk l / i r t werden . Es f/~llt j edoch auf, d a b die 5 S y m p t o m e f a s t n i ema l s alle z u s a l n m e n v o r k o m m e n , s o n d e r n me i s t ens f i nden wir n u r das e ine oder andere , o h n e d a b sich eine b e s t i m m t e Gesetzm~13igkeit fes t s te l l en l~.13t. Schon diese T a t s a c h e m a c h t es u n w a h r s c h e i n l i c h , d a b eine Nie ren insuf f i z i enz al le in sie v e r u r s a c h t , d e n n eine sglche~mfil3te doch eine gr613ere Gleich- m/~13igkeit des E r s c h e i n u n g s b i l d e s zeigen. V ie lmehr i s t m a n v e r s u c h t , a n z u n e h m e n , d a b Nie rensch~d igung , Kre is lauf - s t 6 r u n g e n u n d S to f fwechse l anoma l i en z u s a m m e n w i r k e n u n d je n a c h d e m , ob das eine oder das a n d e r e f iberwiegt , we rden a u c h ve r s ch i edene S y m p t o m e im V o r d e r g r u n d e s t ehen .

Das aus l6sende M o m e n t de r A lbuminu r i e , Cy l indrur ie u n d H~tmatur ie df i rf te woh l e ine SchS, d i g u n g der H a r n k a n ~ l c h e n - ep i the l i en seth, v e r u r s a c h t d u t c h die im Coma d i a b e t i c u m in groBen M e n g e n ausgesch i edenen K e t o n k 6 r p e r (GRAFE 2, V. NOORI)EN 3, ASCHOFF4). Als R e s t z u s t a n d sehen wir d a n n V e r f e t t u n g de r a m h 6 c h s t e n e n t w i c k e l t e n Und d a d u r c h a m l e i ch t e s t en zu s ch~d igenden H a u p t s t f i c k e p i t h e l i e n , die noch l~ngere Zei t e ine A l b u m i n u r i e u n t e r h a l t e n . Nie abe r f inden wir dabe i V e r ~ n d e r u n g e n an den Glomerut i , so d a b eine F u n k - t i o n s s t 6 r u n g de r Niere u n m 6 g l i c h e rsche in t , t t i e r i n s t i m m n e n alle S e k t i o n s b e f u n d e de r P a t i e n t e n , die i m K o m a g e s t o r b e n s ind, f ibere in (AscHOFF 4, MARTINETTIS). W e n n n u n i m Coma d i abe t i - c u m n e b e n A l b u m i n u r i e u n d Cyl indrur ie eine l? ; rh6hung des R e s t - N e in t r i t t , g eh t es n i c h t an, d ieselbe d u r c h eine Aus- sche idungs insuf f i z i enz de r N ie ren zu erkl~Lren. Albuminurie und Cylindrurie im Korea sind nur Zeichen einer tubuli~ren Schgdigung. Sie di~r]en nicht als Symptome einer Nephritis gewertet werden, ]alls nieht noeh andere Erscheinungen dazu bereehtigen.

Die R e s t - N - E r h 6 h u n g im Coma d i a b e t i c u m wird n u n in de r L i t e r a t u r seh r ve r s ch i eden beur t e i l t . N a c h BERTRAM 1 e r re i chen 61,3 % der F~lle R e s t - N - W e r t e f iber 40 m g % . Als h 6 c h s t e n W e r t , den er g e f u n d e n h a t , g ib t er 172 rag% an. E r b r i n g t in se iner A r b e i t a u c h die A n s i c h t e n v e r s c h i e d e n e r Au to ren , die s ich in l e t z t e r Zei t zu d iesem T h e m a ge~uBer t h a b e n : SNAPPER u n d VAN CREFELD 6 n e h m e n als U r s a e h e eine Nie ren insuf f i z i enz m i t m a n g e l h a f t e r A n s s c h e i d u n g h a r n - p f l i ch t iger S u b s t a n z e n an. KAI~N u n d OLMSTEDT~ b r i n g e n Fglle yon N - R e t e n t i o n i m Koma , ebenso BZGG u n d CLARKE s, n a c h de ren A n s i c h t eine solche vo r a l l em bet h o h e m B l u t z u c k e r u n d ger inger Azidose i m B l u t e a u f t r i t t u n d eine sch lech te P rognose h a t , was dagegen VAN PAASEN 9 wieder a b l e h n t . E r b e s c h r e i b t e inen g e r e t t e t e n Fa l l m i t 138, 7 r a g % R e s t - N u n d e inen m i t l e t a l e m A u s g a n g bet n u r 33,3 m g % . A u c h DODDS u n d ROBERTSON 1~ s t e h e n au f d e m S t a n d p u n k t , d a b die N - R e t e n t i o n n i c h t die Todesu r sache des K o m a s ist . A n