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Membranproteine DOI: 10.1002/ange.200906241 Die native Konformation des N-Terminus des humanen spannungs- abhängigen Anionenkanals VDAC1** Robert Schneider, Manuel Etzkorn, Karin Giller, Venita Daebel, JɆrg Eisfeld, Markus Zweckstetter, Christian Griesinger, Stefan Becker und Adam Lange* Der spannungsabhȨngige Anionenkanal (VDAC) ist ein Protein der Ȩußeren Mitochondrienmembran und stellt dort den wichtigsten Transportweg fɒr ADP, ATP und andere Metaboliten dar. Zudem wird ihm eine bedeutende Rolle bei der mitochondrialen Apoptose zugeschrieben. [1, 2] Vor kurzem wurde die dreidimensionale Struktur der Isoform VDAC1 von drei Forschungsgruppen unabhȨngig voneinander durch verschiedene experimentelle AnsȨtze aufgeklȨrt. [3–5] Alle drei Strukturen zeigen eine zuvor unbekannte, 19-strȨngige b- Fass-Architektur mit einer N-terminalen a-Helix, die sich horizontal innerhalb der Pore befindet. WȨhrend sich die drei Strukturen im Bereich des b-Fasses stark Ȩhneln, weisen sie deutliche Unterschiede in der funktionell wichtigen N-ter- minalen Region auf (Abbildung 1 a). Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass der N-Terminus am spannungsab- hȨngigen Ȕffnen und Schließen des Kanals beteiligt ist und in AbhȨngigkeit von Ȩußeren Faktoren verschiedene Konfor- mationen annehmen kann. [1] Auf Grundlage dieser Strukturdaten wurden verschiede- ne Modelle fɒr das spannungsabhȨngige Schalten des Kanals vorgeschlagen. Ujwal et al. deuten an, dass sich die komplette Helix in die Mitte der Pore bewegen und somit den Kanal schließen kɆnnte. [3] Da die AminosȨurereste 11–20 in LɆ- sungs-NMR-Experimenten schwierig zu beobachten sind, [4] schlagen Hiller und Wagner andererseits vor, dass in diesem Bereich Konformationsaustausch vorliegen kɆnnte. Bewe- gungen in diesem Teil des N-Terminus allein sollen daher mɆglicherweise das Schaltverhalten des Kanals erklȨren kɆnnen. [6] Alternativ dazu wurde das spannungsabhȨngige Schalten auf der Basis von elektronenmikroskopischen und elektrophysiologischen Daten als grɆßere Konformations- Ȩnderung beschrieben, die auch im Bereich des b-Fasses stattfindet. [7–9] Zudem widersprechen einige der bisherigen biophysika- lischen Befunde allen drei publizierten Strukturen, weshalb die Frage aufgeworfen wurde, ob diese tatsȨchlich die native Konformation in einer natɒrlichen Membranumgebung dar- stellen. [7] Besonders die Entdeckung, dass N-terminal ver- kɒrzte VDAC1-Mutanten niedrigere LeitfȨhigkeiten aufwei- sen als der vollstȨndige Kanal, [10–12] wurde dahingehend in- terpretiert, dass sich die N-terminale Helix nicht innerhalb der Pore befinden, sondern einen Teil der Wand des b-Fasses bilden kɆnnte. [7] FestkɆrper-NMR-Spektroskopie hat sich als eine sehr nɒtzliche Methode fɒr Strukturuntersuchungen von Mem- branproteinen in einer natɒrlichen Lipidumgebung erwiesen (ein aktueller Ƞbersichtsartikel findet sich in Lit. [13]). Wir haben daher funktionellen humanen VDAC1 in Lipiddop- pelschichten mithilfe von FestkɆrper-NMR-Spektroskopie untersucht, wobei wir uns auf die Konformation des N-Ter- minus konzentriert haben. Die FunktionalitȨt unserer hVDAC1-PrȨparation wurde durch elektrophysiologische Messungen in Lipiddoppelschichten bestȨtigt (siehe Abbil- dung S1 in den Hintergrundinformationen). Abbildung 1 b zeigt ein protonengetriebenes 13 C- 13 C-Spindiffusions-Korre- lationsspektrum (PDSD) von uniform [ 13 C, 15 N]-isotopen- markiertem, in Dimyristoylphosphatidylcholin(DMPC)- Liposomen rekonstituiertem hVDAC1. Es weist ausgezeich- nete AuflɆsung und Empfindlichkeit auf. Eine Vorhersage der Ca-Cb-Region dieses Spektrums auf Basis der Kristall- struktur von murinem VDAC1 (Abbildung S2 in den Hin- tergrundinformationen) stimmt sehr gut mit dem Spektrum ɒberein und lȨsst darauf schließen, dass das 19-strȨngige b- Fass in Liposomen erhalten bleibt. Mit einer LȨnge von 283 AminosȨuren ist VDAC1 eine Herausforderung fɒr die FestkɆrper-NMR-Spektroskopie. Zur Identifizierung der N-terminalen Reste haben wir zu- sȨtzlich zur vollstȨndig isotopenmarkierten Probe zwei ver- schiedene Isotopenmarkierungsmuster verwendet, eine (Lys, Trp, Tyr, Val)-revers markierte [14] und eine (Ala, Asp, Leu, Val)-vorwȨrts markierte Proteinvariante. Des Weiteren haben wir eine N-terminale hVDAC1-Deletionsmutante (D(1–20)-hVDAC1) untersucht. Abbildung 1c zeigt, wie eine Kombination der Befunde der unterschiedlichen Proben fɒr die Signalzuordnung genutzt wurde. Mit zahlreichen homo- und heteronuclearen Spektren der verschiedenen Proteinvarianten (siehe z.B. Abbildung S3 in [*] Dr. R. Schneider, K. Giller, V. Daebel, Prof.Dr. M. Zweckstetter, Prof.Dr. C. Griesinger, Dr. S. Becker, Dr. A. Lange Abteilung fɒr NMR-basierte Strukturbiologie Max-Planck-Institut fɒr biophysikalische Chemie Am Fassberg 11, 37077 GɆttingen (Deutschland) Fax: (+ 49) 551-201-2202 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.mpibpc.mpg.de/research/ags/lange/ Dr. M. Etzkorn Department of Biological Chemistry and Molecular Pharmacology, Harvard Medical School 240 Longwood Avenue, Boston, MA 02115 (USA) Dr. J. Eisfeld Ionovation GmbH Westerbreite 7, 49084 Osnabrɒck (Deutschland) [**] Wir danken Gitta Angerstein fɒr technische Unterstɒtzung, Saskia Villinger fɒr Diskussionen und Jean-Philippe Demers fɒr Unter- stɒtzung bei Experimenten. Diese Arbeit wurde von der DFG (SFB 803, Projekt A4) und der Max-Planck-Gesellschaft gefɆrdert. M.Z. wird durch ein Heisenberg-Stipendium gefɆrdert (ZW 71/2-1, 3-1). Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unter http://dx.doi.org/10.1002/ange.200906241 zu finden. Zuschriften 1926 # 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2010, 122, 1926 –1929

Die native Konformation des N-Terminus des humanen spannungsabhängigen Anionenkanals VDAC1

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MembranproteineDOI: 10.1002/ange.200906241

Die native Konformation des N-Terminus des humanen spannungs-abh�ngigen Anionenkanals VDAC1**Robert Schneider, Manuel Etzkorn, Karin Giller, Venita Daebel, J�rg Eisfeld,Markus Zweckstetter, Christian Griesinger, Stefan Becker und Adam Lange*

Der spannungsabh�ngige Anionenkanal (VDAC) ist einProtein der �ußeren Mitochondrienmembran und stellt dortden wichtigsten Transportweg f�r ADP, ATP und andereMetaboliten dar. Zudem wird ihm eine bedeutende Rolle beider mitochondrialen Apoptose zugeschrieben.[1,2] Vor kurzemwurde die dreidimensionale Struktur der Isoform VDAC1von drei Forschungsgruppen unabh�ngig voneinander durchverschiedene experimentelle Ans�tze aufgekl�rt.[3–5] Alle dreiStrukturen zeigen eine zuvor unbekannte, 19-str�ngige b-Fass-Architektur mit einer N-terminalen a-Helix, die sichhorizontal innerhalb der Pore befindet. W�hrend sich die dreiStrukturen im Bereich des b-Fasses stark �hneln, weisen siedeutliche Unterschiede in der funktionell wichtigen N-ter-minalen Region auf (Abbildung 1a). Im Allgemeinen wirddavon ausgegangen, dass der N-Terminus am spannungsab-h�ngigen �ffnen und Schließen des Kanals beteiligt ist und inAbh�ngigkeit von �ußeren Faktoren verschiedene Konfor-mationen annehmen kann.[1]

Auf Grundlage dieser Strukturdaten wurden verschiede-ne Modelle f�r das spannungsabh�ngige Schalten des Kanalsvorgeschlagen. Ujwal et al. deuten an, dass sich die kompletteHelix in die Mitte der Pore bewegen und somit den Kanalschließen k�nnte.[3] Da die Aminos�urereste 11–20 in L�-sungs-NMR-Experimenten schwierig zu beobachten sind,[4]

schlagen Hiller und Wagner andererseits vor, dass in diesemBereich Konformationsaustausch vorliegen k�nnte. Bewe-gungen in diesem Teil des N-Terminus allein sollen daherm�glicherweise das Schaltverhalten des Kanals erkl�ren

k�nnen.[6] Alternativ dazu wurde das spannungsabh�ngigeSchalten auf der Basis von elektronenmikroskopischen undelektrophysiologischen Daten als gr�ßere Konformations-�nderung beschrieben, die auch im Bereich des b-Fassesstattfindet.[7–9]

Zudem widersprechen einige der bisherigen biophysika-lischen Befunde allen drei publizierten Strukturen, weshalbdie Frage aufgeworfen wurde, ob diese tats�chlich die nativeKonformation in einer nat�rlichen Membranumgebung dar-stellen.[7] Besonders die Entdeckung, dass N-terminal ver-k�rzte VDAC1-Mutanten niedrigere Leitf�higkeiten aufwei-sen als der vollst�ndige Kanal,[10–12] wurde dahingehend in-terpretiert, dass sich die N-terminale Helix nicht innerhalbder Pore befinden, sondern einen Teil der Wand des b-Fassesbilden k�nnte.[7]

Festk�rper-NMR-Spektroskopie hat sich als eine sehrn�tzliche Methode f�r Strukturuntersuchungen von Mem-branproteinen in einer nat�rlichen Lipidumgebung erwiesen(ein aktueller �bersichtsartikel findet sich in Lit. [13]). Wirhaben daher funktionellen humanen VDAC1 in Lipiddop-pelschichten mithilfe von Festk�rper-NMR-Spektroskopieuntersucht, wobei wir uns auf die Konformation des N-Ter-minus konzentriert haben. Die Funktionalit�t unsererhVDAC1-Pr�paration wurde durch elektrophysiologischeMessungen in Lipiddoppelschichten best�tigt (siehe Abbil-dung S1 in den Hintergrundinformationen). Abbildung 1bzeigt ein protonengetriebenes 13C-13C-Spindiffusions-Korre-lationsspektrum (PDSD) von uniform [13C,15N]-isotopen-markiertem, in Dimyristoylphosphatidylcholin(DMPC)-Liposomen rekonstituiertem hVDAC1. Es weist ausgezeich-nete Aufl�sung und Empfindlichkeit auf. Eine Vorhersageder Ca-Cb-Region dieses Spektrums auf Basis der Kristall-struktur von murinem VDAC1 (Abbildung S2 in den Hin-tergrundinformationen) stimmt sehr gut mit dem Spektrum�berein und l�sst darauf schließen, dass das 19-str�ngige b-Fass in Liposomen erhalten bleibt.

Mit einer L�nge von 283 Aminos�uren ist VDAC1 eineHerausforderung f�r die Festk�rper-NMR-Spektroskopie.Zur Identifizierung der N-terminalen Reste haben wir zu-s�tzlich zur vollst�ndig isotopenmarkierten Probe zwei ver-schiedene Isotopenmarkierungsmuster verwendet, eine (Lys,Trp, Tyr, Val)-revers markierte[14] und eine (Ala, Asp, Leu,Val)-vorw�rts markierte Proteinvariante. Des Weiterenhaben wir eine N-terminale hVDAC1-Deletionsmutante(D(1–20)-hVDAC1) untersucht. Abbildung 1 c zeigt, wie eineKombination der Befunde der unterschiedlichen Proben f�rdie Signalzuordnung genutzt wurde.

Mit zahlreichen homo- und heteronuclearen Spektren derverschiedenen Proteinvarianten (siehe z.B. Abbildung S3 in

[*] Dr. R. Schneider, K. Giller, V. Daebel, Prof. Dr. M. Zweckstetter,Prof. Dr. C. Griesinger, Dr. S. Becker, Dr. A. LangeAbteilung f�r NMR-basierte StrukturbiologieMax-Planck-Institut f�r biophysikalische ChemieAm Fassberg 11, 37077 G�ttingen (Deutschland)Fax: (+ 49)551-201-2202E-Mail : [email protected]: http://www.mpibpc.mpg.de/research/ags/lange/

Dr. M. EtzkornDepartment of Biological Chemistry and Molecular Pharmacology,Harvard Medical School240 Longwood Avenue, Boston, MA 02115 (USA)

Dr. J. EisfeldIonovation GmbHWesterbreite 7, 49084 Osnabr�ck (Deutschland)

[**] Wir danken Gitta Angerstein f�r technische Unterst�tzung, SaskiaVillinger f�r Diskussionen und Jean-Philippe Demers f�r Unter-st�tzung bei Experimenten. Diese Arbeit wurde von der DFG (SFB803, Projekt A4) und der Max-Planck-Gesellschaft gef�rdert. M.Z.wird durch ein Heisenberg-Stipendium gef�rdert (ZW 71/2-1, 3-1).

Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unterhttp://dx.doi.org/10.1002/ange.200906241 zu finden.

Zuschriften

1926 � 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2010, 122, 1926 –1929

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den Hintergrundinformationen) waren wir in der Lage, dieSignale der Reste Ala2–Val17 de novo eindeutig sequenziellzuzuordnen (Abbildung S4 und Tabelle S1 in den Hinter-grundinformationen). Bei Probentemperaturen zwischen + 5und + 25 8C zeigen alle diese Reste in Spektren, die auf di-polarem Transfer beruhen, ausgepr�gte, gut aufgel�steKreuzsignale (Abbildungen S5 und S6 in den Hintergrund-informationen). Dies demonstriert, dass der N-Terminus vonhVDAC1 in Liposomen eine wohldefinierte Konformationeinnimmt und keine nennenswerte Dynamik auf der sub-ms-Zeitskala aufweist. Weder Verbreiterung noch Doppelungvon Signalen aufgrund von Dynamik auf langsameren Zeit-skalen wurden beobachtet. Zwar k�nnten andere, hoch-

dynamische Konformationen, die dipolar-basierten Experi-menten nicht zug�nglich sind, im Gleichgewicht vorliegen,allerdings sprechen unsere Daten klar gegen einen flexiblenN-Terminus, wie er von Hiller und Wagner[6] postuliert wird.Des Weiteren zeigen vergleichende Untersuchungen f�r inDMPC-, DOPE- und DOPC-Liposomen (DOPE = Diole-oylphosphatidylethanolamin; DOPC = Dioleoylphosphati-dylcholin) rekonstituierten hVDAC1, dass der N-Terminus inAbwesenheit eines Membranpotentials nicht von den resul-tierenden Ver�nderungen in Membrandicke und Lateral-druck beeinflusst wird (Abbildung S7 in den Hintergrundin-formationen).

Abbildung 1. Zuordnung und Konformation des N-Terminus von hVDAC1 in Lipiddoppelschichten. a) Die drei bekannten VDAC1-Strukturen mitLeu10 (rot) in stabf�rmiger Darstellung veranschaulichen die unterschiedlichen Konformationen der N-terminalen Helix. Links: hVDAC1-NMR-Struktur (PDB: 2K4T); Mitte: kombinierte hVDAC1-NMR-/Kristall-Struktur (PDB: 2JK4); rechts: mVDAC1-Kristallstruktur (PDB: 3EMN). b) 13C-13C-PDSD-Spektrum (15 ms Mischzeit) von uniform [13C,15N]-markiertem hVDAC1 in Lipiddoppelschichten, aufgenommen an einem 850-MHz-Spek-trometer, mit De-novo-Signalzuordnungen. c) Ausschnitte aus 13C-13C-PDSD-Spektren von hVDAC1-Varianten mit verschiedenen L�ngen und Mar-kierungsmustern (siehe Beschriftung oberhalb der Ausschnitte). Zum Vergleich sind die Signale der u-[13C,15N]-hVDAC1-Variante in den anderenAusschnitten grau abgebildet. Bei den letzten Pr�parationsschritten der in den unteren Ausschnitten abgebildeten hVDAC1-Varianten kamenh�here Zentrifugationsgeschwindigkeiten zur Anwendung. Dies f�hrt zu Linienverbreiterung und einigen zus�tzlichen Signalen aus Schleifenregio-nen des Proteins. d) (Ca,Cb)-sekund�re chemische Verschiebungen der hVDAC1-Reste 2–17 in Lipiddoppelschichten. e) Aus Festk�rper-NMR-spektroskopischen Daten abgeleitetes Modell des N-Terminus von hVDAC1 (blau, Details siehe Hintergrundinformationen), �berlagert mit derKristallstruktur von mVDAC1 (PDB: 3EMN, grau/rot). Leu10 ist stabf�rmig dargestellt.

AngewandteChemie

1927Angew. Chem. 2010, 122, 1926 –1929 � 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

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Sekund�re chemische Verschiebungen, die �ber die Se-kund�rstruktur Aufschluss geben,[15] sind f�r hVDAC1 in Li-posomen in Abbildung 1d gezeigt. In �bereinstimmung mitden durch das Programm TALOS[16] aus unseren Signal-zuordnungen vorhergesagten Torsionswinkeln des Peptid-r�ckgrats belegen diese Verschiebungen, dass die Reste 7–8und 12–17 eine helicale Konformation einnehmen, w�hrendAsp9, Leu10 und Gly11 einen Knick bilden und die Reste 2–6in gestreckter Konformation vorliegen. Diese Befunde stim-men gut mit der Struktur von mVDAC1 im Kristall �berein(PDB: 3EMN; Abbildung 1e; Hintergrundinformationen:Tabellen S2, S3 und Methoden).

Trotz erheblicher �berlappung der Resonanzsignale inden Spektren war es uns m�glich, Signale weiterer Reste in b-Strang- und Schleifen-Sekund�rstrukturbereichen zuzuord-nen (Tabelle S1 in den Hintergrundinformationen). Insbe-sondere konnten wir die Reste Leu142, Val143 und Leu144 imb-Strang 9 eindeutig zuordnen, da sie die einzigen sequenzi-ellen Leu-Val-Paare in hVDAC1 bilden (Abbildung S8 in denHintergrundinformationen). Bemerkenswerterweise bildenVal143 und Leu150 eine hydrophobe Region im Inneren desb-Fasses. Langreichweitige Korrelationen konnten identifi-ziert werden, die konsistent mit einem Kontakt zwischen demLeu-Val-Leu-Motiv und der N-terminalen Helix sind (Leu10-Val143, Abbildung 2 a). �hnliche Kontakte wurden auch inder fr�heren NMR-Spektroskopiestudie beobachtet[4] undsind in Einklang mit der Struktur von mVDAC1 im Kristall.

Signale, die dem Leu-Val-Leu-Motiv in b-Strang 9 zuge-ordnet wurden, werden stark vom Verk�rzen des N-Terminusbeeinflusst, wie Spektren von D(1–20)-hVDAC1 zeigen(Abbildung 2b). Dies best�tigt zus�tzlich den Kontakt zwi-schen N-Terminus und b-Strang 9. Zudem l�sst es daraufschließen, dass die Helix eine Rolle dabei spielt, das b-Fassintakt zu halten. Unsere Daten legen nahe, dass die Signaleaus dem neunten b-Strang nicht ihre Position �ndern, sondernverschwinden (Abbildung S8 in den Hintergrundinformatio-nen). Dies wiederum l�sst darauf schließen, dass eine Ent-fernung des N-Terminus zu einer deutlichen Zunahme derlokalen Plastizit�t des Molek�ls f�hrt.

Wir haben gezeigt, dass der N-Terminus von funktionel-lem hVDAC1 in einer Lipidumgebung eine wohldefinierte,rigide Konformation einnimmt, die mit der Struktur vonmVDAC1 im Kristall in Einklang ist. �nderungen im b-Fass,wie wir sie bei fehlendem N-Terminus beobachtet haben,k�nnten erkl�ren, weshalb die N-terminale Deletionsmutantevon hVDAC1 eine geringere Leitf�higkeit aufweist als dervollst�ndige Kanal.[10–12] Weitere Experimente werden von-n�ten sein, um die dabei auftretende Konformations�nderunggenau zu charakterisieren. Da der N-Terminus aber eineRolle bei der Stabilisierung des b-Fasses zu spielen scheint,k�nnte sein Fehlen zu einem verringerten Porendurchmesserf�hren. Die Vermutung liegt nahe, dass solche Konforma-tions�nderungen auch beim spannungsinduzierten Schaltenvon VDAC1 eine Rolle spielen k�nnten, wie es fr�here Mo-delle postuliert haben.[7–9] Unsere Daten erbringen zumersten Mal den strukturellen Nachweis, dass die Konforma-tion des b-Fasses in der Tat vom N-Terminus beeinflusstwerden kann.

ExperimentelleshVDAC1 wurde gem�ß dem in Lit. [17] beschriebenen Verfahrenexprimiert, r�ckgefaltet und aufgereinigt. F�r Festk�rper-NMR-spektroskopische Messungen wurde das Protein in DMPC-, DOPC-oder DOPE-Liposomen in einem Protein/Lipid-Verh�ltnis von 1:50(mol/mol) rekonstituiert. Festk�rper-NMR-Experimente wurden an3.2-mm- oder 4-mm-Tripelresonanz-(1H,13C,15N)-Probenk�pfen f�rRotation im magischen Winkel (MAS) bei statischen Magnetfeldernvon 18.8 und 20.0 T durchgef�hrt (Bruker Biospin). Die Proben-temperatur betrug bei 13C-13C-Korrelationsexperimenten + 5 8Csowie f�r 15N-13C-Spektren + 5 8C oder �15 8C. Die Dauer der erstenKreuzpolarisation (CP) wurde bei 1H-13C-Transfer auf 600 ms und bei1H-15N-Transfer auf 400 ms festgesetzt. Die Radiofrequenz-Feldst�rkeauf dem Protonenkanal betrug f�r 908-Pulse und SPINAL64-Ent-

Abbildung 2. Vergleich von Spektren von Wildtyp (wt-)hVDAC1 (rot)und D(1–20)-hVDAC1 (blau). a) �berlagerte Ausschnitte aus 13C-13C-PDSD-Spektren mit 300 ms Mischzeit von (Ala, Asp, Leu, Val)-vorw�rtsmarkierten Proben. Korrelationen, die f�r sequenzielle und langreich-weitige Kontakte von Val143 sprechen, sind nur in wt-hVDAC1 sicht-bar. Beschriftungen in grauen Kursivbuchstaben weisen auf mehrdeuti-ge Zuordnungen hin. b) �berlagerte Ausschnitte aus 13C-13C-DREAM-(links) und 13C-13C-PDSD-Spektren (rechts, 15 ms Mischzeit) von uni-form [13C,15N]-markierten Proben. Gezeigt sind Korrelationen innerhalbeinzelner Aminos�urereste aus der hydrophoben Region um Val143,die in D(1–20)-hVDAC1-Spektren verschwinden. c) mVDAC1-Kristall-struktur (PDB: 3EMN). N-Terminus und b-Strang 9 sind rot darge-stellt. Der hydrophobe Kontakt zwischen den Resten Leu10 und Val143(stabf�rmig dargestellt) wird durch eine gepunktete Linie angedeutet.

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1928 www.angewandte.de � 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2010, 122, 1926 –1929

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kopplung[18] �blicherweise 83 kHz. Als 13C-13C-Mischsequenz wurdeprotonengetriebene Spindiffusion (PDSD) mit einer Dauer von 15,150 oder 300 ms verwendet, um jeweils Korrelationen innerhalbeinzelner Aminos�urereste, sequenzielle oder langreichweitige Kor-relationen zu erhalten. Bei einem statischen Magnetfeld von 20.0 Twurde eine MAS-Frequenz von 10.6 kHz eingesetzt, außer bei PDSDmit 150 ms Mischzeit, wo die schwache Kopplungsbedingung[19]

(PDSD-WC) durch eine MAS-Frequenz von 13.28 kHz eingestelltwurde. 13C-13C-DREAM-Korrelationsspektren[20] wurden bei 18 kHzMAS mit einer tangentialen Variation des Radiofrequenzfeldes von2.5 ms Dauer aufgenommen. 15N-13C-Korrelationsexperimente ent-hielten SPECIFIC-CP-Transfers[21] von 1.5 bis 3.5 ms Dauer. Um 13C-13C-Seitenkettenkorrelationen zu erhalten, wurde anschließend diehomonucleare DARR-Mischsequenz[22] (20–50 ms Dauer) verwen-det.

Eingegangen am 5. November 2009Online ver�ffentlicht am 5. Februar 2010

.Stichw�rter: Ionenkan�le · Membranproteine ·NMR-Spektroskopie · Proteinstrukturen

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AngewandteChemie

1929Angew. Chem. 2010, 122, 1926 –1929 � 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de