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Gattermann Wieland Die Praxis des organischen Chemikers neu bearbeitet von Theodor Wieland und Wolfgang Sucrow 43. Auflage W DE G Walter de Gruyter Berlin New York 1982

Die Praxis des organischen Chemikers · 2020. 8. 17. · Organischen Chemie; so oft wie möglich wird der Blick auf einschlägige biochemische Bezüge gelenkt. Entgegen dem Trend

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  • Gattermann • Wieland

    Die Praxis desorganischen Chemikersneu bearbeitet vonTheodor Wieland und Wolfgang Sucrow43. Auflage

    WDE

    GWalter de GruyterBerlin • New York 1982

  • Die Praxis desorganischen Chemikers

    begründet vonProf. Dr.'Ludwig Gattermann

    1894, erstmals erschienen

    1923, 18. Auflage

    1956, 37. Auflage

    1962, 41. Auflage

    1972, 42. Auflagenur Teil IAllgemeine Arbeitsanweisungen

    1982, 43. Auflage

    fortgeführt vonProf. Dr. Heinrich Wieland

    fortgeführt vonProf. Dr. Theodor Wieland

    Prof. Dr. Theodor Wieland

    Prof. Dr. Theodor Wielandund Garsten Mayer

    neu bearbeitet vonProf. Dr. Theodor Wieland undProf. Dr. Wolfgang Sucrow

    Autoren:

    Theodor Wieland, Prof. Dr. phil.Direktor der Abteilung Chemie amMax-Planck-Institut für Medizinische Forschung6900 Heidelberg

    Wolf gang Sucrow, Prof. Dr.-Ing.Universität-Gesamthochschule PaderbornLehrstuhl für Organische ChemieWarburger Str. 1004790 Paderborn

    CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

    Gattermann, Ludwig:Die Praxis des organischen Chemikers / Gatter-mann ; Wieland. Neu bearb. von Theodor Wieland u.Wolfgang Sucrow. - 43. Aufl. - Berlin ; NewYork : de Gruyter, 1982.

    ISBN 3-11-006654-8

    NE: Wieland, Heinrich:; Wieland, Theodor [Bearb.]

    Copyright © 1982 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung. J. Guttentag,Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesonderedas Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten. Kein Teil des Werkesdarf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Ge-nehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, ver-vielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Einbandgestaltung: W.Taube, München.Satz: Tutte Druckerei GmbH, Salzweg-Passau. Druck: Karl Gerike, Berlin. Bindearbeiten: Lüderitz &Bauer Buchgewerbe GmbH, Berlin.

  • Vorwort zur 43. Auflage

    Die Neuauflage des Gattermann-Wieland hat sehr lange Zeit auf sich warten lassen.Nun ist es soweit. Verlag und Autoren legen sie in der Hoffnung vor, daß sich derGattermann-Wieland wieder einen festen Platz an den deutschsprachigen Hoch- undFachschulen erobern möge.

    Über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren hatte der Gattermann eine Art Mono-polstellung inne, und mehrere Chemikergenerationen haben im Laufe ihrer Ausbil-dung - und noch darüber hinaus - mit großem Nutzen und Erfolg den Gattermann alsKoch- und Lehrbuch benutzt.

    Dem Leser werden die hier abgedruckten Vorworte früherer Auflagen sicherlicheinen reizvollen historischen Rückblick vermitteln.

    Schon von Anfang an war es das Konzept des Buches, den Chemiestudenten anHand von sorgfältig ausgesuchten Präparaten, verbunden mit theoretischen Erklärun-gen, in die Organische Chemie einzuführen. So sollte das, was sich im Glaskolben, inder Apparatur an chemischen Reaktionen abspielte, den Studenten auch theoretischverständlich werden. Deshalb wurden neben den Arbeitsvorschriften auch immer diedazugehörenden theoretischen Grundlagen behandelt. Auf diese Weise erwarb sichder Student nicht nur manuelle Geschicklichkeit und Erfahrung im Labor, sondern erlernte vor allem auch Organische Chemie verstehen.

    Es ist keine Frage, daß sich dieses Konzept über Generationen hinweg mit Erfolgbewährt hat, und an diese erfolgreiche Tradition und Vergangenheit möchte der neueGattermann-Wieland wieder anschließen.

    Die Autoren glauben, daß die durch den Gattermann-Wieland seit Generationengeprägte Ausbildung der Chemiker auch heute noch zeitgemäß ist, trotz ständigerZunahme wissenschaftlicher Erkenntnis und zahlloser Reformen des Chemiestu-diums.

    Dem präparativen Teil des Buches vorangestellt wurden die Allgemeinen Arbeits-anweisungen. Der völlig neubearbeitete Hauptteil, der die Herstellung wichtiger orga-nisch-chemischer Verbindungen an ausgesuchten Präparaten und Reaktionen be-schreibt, wurde sehr viel übersichtlicher als bisher gegliedert und somit der Formnach, nicht aber nach StU und Anlage, verändert.

    Natürlich hat der Hauptteil des Buches, bedingt durch die in den letzten 20 Jahrenerfolgte Erweiterung des präparativen Arsenals an Umfang zugenommen. Das KapitelIX, Metallorganische Reaktionen, wurde neu eingefügt, es enthält neben den klassi-schen Grignard-Reaktionen nun auch solche mit Lithium-organischen Verbindungen,z. B. die Corey-Seebach- und die Stör k- Wittig-Metallierungen, die Willig- und die Hör-ner-Reaktion, ferner die Hydroxymercurierung und eine Synthese über eine Kupfer-organische Zwischenstufe. Wichtige Reaktionen, die außerdem neu aufgenommenwurden, sind die Hydroborierung, die Bildung und Umsetzung von Enaminen, die

  • VI Vorwort

    Michael-Addition, einige moderne Oxidationsverfahren, wie z.B. mit Pyridiniumchlor-chromat, die Birch-Reduktion, die Hydrierung mit löslichem Katalysator.

    Die Einarbeitung spektroskopischer Methoden haben wir aus Platzgründen zu-nächst zurückgestellt und an den erforderlichen Stellen auf die vorhandene, kompeten-te Literatur hingewiesen.

    Jedem Kapitel ist eine Aufstellung wichtiger, zusammenfassender Übersichtsartikelangefügt, die das vertiefte Studium der einzelnen Themenkreise erleichtern sollen.

    Ein Praktikumsbuch kann kein Lehrbuch ersetzen, besonders heute, wo die Fülledes Stoffs alle Maße sprengt. Dennoch haben wir versucht zu gewährleisten, daß derStudent seine Grundkenntnisse fürs Examen aus dem Gatt ermann-Wieland beziehenkann. Das sprichwörtlich Kleingedruckte der alten Ausgaben hat dazu einem über-sichtlicher geordneten Text Platz gemacht, in dem das Experimentelle wie früher mitder zugrunde liegenden allgemeinen Theorie verknüpft wird. Die Versuche und Präpa-rate illustrieren wie in einer Experiment al\ o riesung den Gang durch das Gebäude derOrganischen Chemie; so oft wie möglich wird der Blick auf einschlägige biochemischeBezüge gelenkt. Entgegen dem Trend zu allzu großer Versachlichung haben wir zurBelebung des Interesses und auch zur Stützung des Gedächtnisses viele Namen vonChemikern erwähnt, manchmal auch dazugehörige Jahreszahlen.

    An der Bearbeitung der neuen Auflage war zu Anfang auch Prof. Rolf Huisgenbeteiligt, dem wir Entwürfe für einen Teil der Kapitel und zahlreiche präparativeAusarbeitungen verdanken. Herr Garsten Mayer hat sich durch intensive Arbeit imLabor und am Schreibtisch besonders um die Allgemeinen Arbeitsanweisungen ver-dient gemacht, weitere wertvolle Beiträge leisteten die Kollegen Walter Ried (Frank-furt a. M.) und Franz A. Neugebauer (Heidelberg); Frau Annemarie Seeliger und HerrHeinrich Trischmann haben im Heidelberger Institut zahlreiche Vorschriften geprüftund ausgearbeitet. Ihnen allen sei auch hier herzlich gedankt. Mit einbezogen seiauch der Verlag für seine unendliche Geduld und für die angenehme und vertrauens-volle Zusammenarbeit.

    Theodor Wieland

    Wolfgang Sucrow

  • Vorwort VII

    Aus dem Vorwort zur 1. Auflage

    Das vorliegende Buch ist in erster Linie einem privaten Bedürfnis desVerfassers entsprungen. Wenn man gleichzeitig eine größere Anzahl vonStudierenden in das organische Arbeiten einzuführen hat, dann ist es oftbeim besten Willen nicht möglich, jeden einzelnen auf die kleinen Kunst-griffe, deren es beim organischen Arbeiten so viele gibt, aufmerksam zumachen. Damit nun der Studierende sich auch in Abwesenheit desLehrers bei der Ausführung allgemeiner Operationen Rat erholen kann,ist den speziellen Vorschriften für Präparate ein allgemeiner Teil voraus-geschickt, welcher die Kristallisation, Destillation, das Trocknen, dieanalytischen Operationen u. a. behandelt. Bei der Abfassung diesesTeiles wurde weniger Wert darauf gelegt, die zahlreichen Modifikationender einzelnen Operationen möglichst vollständig aufzuzählen, als viel-mehr darauf, die wichtigsten Operationen derart zu beschreiben, daß derAnfänger auch in Abwesenheit des Assistenten dieselben danach selb-ständig ausführen kann.

    Im zweiten speziellen Teile wurden jedem einzelnen Präparate all-gemeine Betrachtungen angefügt, welche sich auf das Wesen und dieallgemeine Bedeutung der ausgeführten Reaktionen beziehen und denZweck verfolgen, daß der Studierende sich schon beim praktischenArbeiten auch möglichst vielseitige theoretische Kenntnisse aneignet,welche, unter diesen Umständen erworben, bekanntlich fester haften, alswenn sie ausschließlich an Hand eines rein theoretischen Buches ge-wonnen sind. Und so hofft denn der Verfasser, daß sein Buch neben dentrefflichen Anleitungen von E.Fischer und Levy sich hier und daeinige Freunde erwerben möge.

    Heidelberg, August 1894 L. Gat termann

    Vorwort zur 19. Auflage

    Vor etwas mehr als dreißig Jahren hat Ludwig Gattermann dieerste Auflage seiner Anleitung für das organ.-chemische Praktikum demDruck übergeben. 'Das System, die präparativen Vorschriften mit theo-retischen Erläuterungen zu versehen, hat sich zweifellos bewährt. Dafürspricht schon die große Verbreitung des Buches; es hat 18 Auflagen er-lebt. — Die Erlernung der methodischen Technik ist gewiß das Haupt-ziel des organischen Praktikums; als bloße Kochkunst und Laboranten-fertigkeit ausgeübt, leistet sie jedoch zu wenig. Die Methodik beherrschenheißt vor allem auch, den Sinn ihrer Anwendung verstehen, ihre viel-faltigen Ausdrucksformen am richtigen Platz handhaben. Es ist auchhier der Geist, der sich den Körper baut. Wir verlangen, daß der Prak-tikant mit den Umwandlungen, die er präparativ betreibt, theoretischvertraut sei. Der den einzelnen Präparaten angefügte Kommentar sollden Überblick über das gerade bearbeitete Gebiet erleichtern und zumGebrauch der Lehrbücher und der Originalliteratur, zum Nachschürfen

  • VIII Vorwort

    anregen. Nachdem jetzt die Grundlagen der organischen Chemie beimpräparativen Arbeiten an den deutschen Hochschullaboratorien voraus-gesetzt werden können, lag die Gefahr, ihn zur ,,Eselsbrücke" zu ge-stalten, fern.

    Mit Vorbedacht sind die Anforderungen nach der praktischen undnach der theoretischen Seite in dieser Neubearbeitung gesteigert worden.Was in den vergangenen dreißig Jahren an „Schulsack** genügte, dasist jetzt zu knapp für den, der sich an der Bearbeitung der für Wissen-schaft und Technik gleichermaßen zugespitzten und schwieriger ge-wordenen Aufgaben beteiligen will.

    Der Gedanke, das präparative Praktikum gleichzeitig zu einem Er-fassen und Erleben der organischen Chemie werden zu lassen, hat dieAnordnung des Stoffs vom Gesichtspunkt des systematischen Zu-sammenhangs aus gefordert. Man wird sehen, daß dem dadurch bedingtenAufbau die präparative Anstiegslioie vom Leichteren zum Schwierigerenkaum ernstlich zuwider verläuft. Und der Gewinn an abgerundeter Aus-bildung, der zu erwarten steht, ist erheblich.

    Der allgemeine Teil und ebenso der analytische sind vollkommen um-gearbeitet worden unter starker Kürzung zugunsten der Präparate.Durch ihre Vermehrung soll einige Abwechslung geboten und demschematischen Zug im organischen Praktikum entgegengewirkt werden.

    Meinen Assistenten, vor allem den Herren Dr. Franz Bergel undF. Gottwalt Fischer bin ich für ihre unermüdliche Mithilfe bei derAusführung zahlloser Versuche zu großem Dank verpflichtet. HerrFischer hat außerdem die in dieser Bearbeitung neuen Figuren ge-zeichnet und das Register angefertigt.

    Freiburg i. Br., Ostern 1925 Heinrich Wieland

    Vorwort zur 34. Auflage

    Für die vorliegende Ausgabe ist das Buch in allen Einzelheiten kritischund gründlich durchgesehen worden. Einige Präparate wurden weg-gelassen und durch andere ersetzt; in manchen Fällen wurden die prä-parativen Vorschriften verbessert. Neue Methoden, wie die der Papier-chromatographie und der Polymerisation sind mit geeigneten Beispielenaufgenommen.

    Viel einschneidender sind die Änderungen, die den theoretischen Er-läuterungen zuteil geworden sind. Obwohl ich nach wie vor an der Auf-fassung festhalte, der ,,Gattermann" habe nicht die Aufgabe, dem Stu-denten auch die theoretischen Kenntnisse der organischen Chemie lücken-los zu vermitteln, habe ich mich doch entschlossen, entgegen meinemfrüheren, im Vorwort zur siebenundzwanzigsten Auflage (1940) ver-tretenen Standpunkt, die moderne Elektrönentheorie der chemischenValenz wenigstens im Prinzip als Grundlage für die Erörterungen überden Mechanismus der behandelten Reaktionen heranzuziehen. In einembesonderen Kapitel (S. 377) versucht R. Huisgen die Hauptliniendieser Betrachtungsweise, wie mir scheint mit guten Erfolgsaussichten,dem Benutzer des Buchs näherzubringen.

  • Vorwort DC

    Selbstverständlich ist bei der Wiedergabe der Formeln die anschau-liche alte Ausdrucksweise der chemischen Bindung durch Bindestrichebeibehalten worden.

    Für ihre hingebende Unterstützung bei der Neubearbeitung des Bucheshabe ich den Kollegen Prof. R. Huisgen, F. Lynen und Th. Wielandwärmstens zu danken.

    Starnberg, September 1952 Heinrich Wieland

    Vorwort zur 37. Auflage

    Einem Vorschlag von Heinrich Wie l and folgend hat mich der Ver-lag gebeten, von nun an die weitere Bearbeitung des „Gattermann-Wie-land" zu besorgen. Die jetzt vorliegende neue Auflage, die wieder inkurzer Folge nötig geworden ist, trägt in ihrem Aufbau und Inhalt wei-terhin das Charakteristische des Handbuchs an sich, wie es sich in 30Jahren und 18 Auflagen nach seiner völligen Umgestaltung durch H.Wieland entwickelt hat. Vor vier Jahren wurde dem Praktikum eineEinführung in die Elektronentheorie der organischen Verbindungen undin die Mesomerielehre aus der Feder R. Huisgen s angefügt und in dentheoretischen Erläuterungen der Versuche auf dieses Kapitel mehrfachverwiesen. In der Zwischenzeit dürfte an den deutschen Hochschulendie moderne Betrachtungsweise auch in den Anfängerunterricht soweiteingedrungen sein, daß die prägnanten Begriffe der Heterolyse, Homo-lyse, nucleophilen und elektrophilen Substitutionsreaktion und der Meso-merie das Verwirrende verloren haben und das Verständnis der orga-nischen Reaktionen zu erleichtern beginnen. Man konnte es daher nunwagen, diese Sprache an zahlreichen Stellen des Textes einzuführen, ohnejedoch auf den theoretischen Anhang zu verzichten, dessen wiederholteLektüre dem Praktikanten eindringlich empfohlen sei. Herrn KollegenR. Huisgen habe ich für seine Unterstützung bei der Neubearbeitungherzlich zu danken.

    Frankfurt a. M., Frühjahr 1956 Theodor Wieland

    Vorwort zur 39. Auflage

    Für die neue Auflage sind einige Vorschläge für kleinere Verbesse-rungen herangetragen worden. Nicht unwesentlich erscheint mir ein vonHerrn Kollegen A. Rieche gegebener Hinweis auf die Explosionsgefähr-lichkeit heißer Lösungen von Dibenzoylperoxyd. Ihm folgend wirdzur Reinigung der Substanz jetzt nur noch die Umfallung aus Chloro-form mit Methanol herangezogen (S. 115). Sonst hat sich gegenüberder letzten Auflage nicht viel geändert; die Theorie ist in einigen Punk-ten an don neuesten Stand herangeführt, bei den Kohlehydraten sindsterisch eindeutige Formeln eingesetzt worden.

    Frankfurt a. M., Frühjahr 1959 Theodor Wieland

  • Vorwort

    Vorwort zur 40. Auflage

    Der Aufmerksamkeit einiger kritischer Leser sind verschiedene Druck-und Sachfehler nicht entgangen, die sich bis in die letzte Auflage durch-geschleppt haben und jetzt, neben wenigen veralteten Stellen, korrigiertwerden konnten. Ihnen sei auch an dieser Stelle vielmals gedankt. ImStoff hat sich gegenüber der letzten Auflage nichts geändert.

    Frankfurt a. M., Januar 1961 Theodor Wieland

  • Inhaltsverzeichnis

    Allgemeine Arbeitsanweisungen

    Glas im Laboratorium; offene Reaktionsgefaße lHinweise zur Glasbearbeitung lOffene Reaktionsgefäße 2

    Einfachste geschlossene Reaktionsgefaße 3Verbindung der Apparaturteile 3Schliff-Rundkolben 5Rückflußkühler 6

    Befestigung der Apparaturen am Stativ 8

    Erhitzen 9Heizquellen 9Heizbäder 11Thermostaten 13

    Kühlen 15

    Homogenisieren 17Lösen 17Zerkleinern 18Rühren 18Magnetrühren 19Vibrieren 20Schütteln 20

    Reaktionsgefaße mit mehreren Aufsätzen. 21Tropftrichter 22Gasapparaturen (Gasstahlflaschen) 23Zugabe fester Stoffe 27

    Arbeiten mit Überdruck-Reaktionsgefaßen 27Einschmelzrohre >. 27Autoklaven 28

    Erzeugung und Messung von Unterdruck 30Wasserstrahlpumpen-Anlagen 30Hochvakuumpumpen-Anlagen 32Umgang mit Quecksilber 35

    Destillation 35Destillation bei Atmosphärendruck 35Destillation bei vermindertem Druck 39Destillation kleiner Mengen 45Kolonnendestillation 46Destillation unter Mitwirkung eines Hilfsstoffs (Azeotrop- und Wasserdampf-Destillation) 51

    Sublimation und Gefriertrocknung 57Sublimation 57

  • XII Inhaltsverzeichnis

    Gefriertrocknung 58

    Extraktion und Aussalzen 59Extraktion von Feststoffen 59Ausschütteln 61Perforation 64Multiplikative Verteilung (nach Craig) 65Dialyse 67Aussalzen 68Reinigung durch Kristallisation 68Auskristallisieren 69Filtrieren, Absaugen und Zentrifugieren 70Umkristallisieren 74Umfallen 76Entfarben und Klären von Lösungen 77Zonenschmelzen 78

    Chromatographie 78Adsorptionschromatographie 79Verteilungschromatographie 82lonenaustauschchromatographie 83Hohlraumdiffusion (Gelchromatographie) 85Säulenchromatographie 86Dünnschichtchromatographie 91Papierchromatographie 96Gaschromatographie 98Flüssigchromatographie 101

    Hochspannungs-Papierelektrophorese 102

    Trocknen 104Trocknen von Feststoffen 104Trocknen von Flüssigkeiten 106Trocknen von Gasen 107Trockenmittel 107

    Eigenschaften und Reinigung der wichtigsten Lösungsmittel 110

    Bestimmung des Schmelzpunkts : 117

    Bestimmung des Siedepunkts 120

    Bestimmung des Brechungsindexes (Refraktometrie) 122

    Bestimmung der optischen Aktivität (Polarimetrie) 123

    Qualitative chemische Elementaranalyse 124Nachweis von Kohlenstoff und Wasserstoff 124Natriumaufschluß 124Nachweis von Stickstoff nach Lassaigne 125Nachweis von Schwefel 126Nachweis von Halogen 126Nachweis anderer Elemente 127

    Abfassen des Arbeitsprotokolls 127

    Organisch-chemische Fachliteratur 128

  • Inhaltsverzeichnis XIII

    Erste Laborausrüstung 130

    Sicherheit im chemischen Labor 133Allgemeine Sicherheitsvorkehrungen 133Sicherheit vor Bränden 134Sicherheit vor Implosionen und Explosionen 135Sicherheit im Umgang mit Apparaturen 135Sicherheit im Umgang mit Chemikalien 136Erste Hilfe 137

    Kapitel I. Aliphatische Substitution

    Die kovalente Bindung 141Aliphatische Halogenide 142Nitrile und Ether 150Amine, Thiole, Onium- und Nitroverbindungen 156Mechanismen der nucleophilen Substitution am gesättigten Kohlenstoffatom 166Radikalische Substitution 173Weiterführende Literatur zu Kapitel I 178

    Kapitel IL Eliminierung und Addition

    Eliminierungsreaktionen, Bildung der Alkene 183Additionsreaktionen 190

    Allgemeines 190Cyclooligomerisierung von 1,3-Butadien 196Allylbromierung. 196Cycloadditionen 198Zur Photochemie der Alkene 208Polymerisation der Alkene 208

    Terpene 213Alkine 215Weiterführende Literatur zu Kapitel II 218

    Kapitel III. Aromatische Substitution, I

    Der aromatische Zustand 223Halogenierung der Aromaten 227Nitrierung und Nitrosierung 234Sulfonierung 244Weiterführende Literatur zu Kapitel III 255

    Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

    Acylierung und Alkylierung nach Friedel-Crafts und ähnliche Reaktionen 259Biologische Oxidation von aromatischen Verbindungen 275Nucleophile aromatische Substitution und ähnliche Reaktionen 276Die Hammett-Beziehung 283Weiterführende Literatur zu Kapitel IV 286

  • XIV Inhaltsverzeichnis

    Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

    Säure-Base-Begriff 291Carbonsäuren 293Carbonsäureester 296

    Veresterung 296Andere Methoden zur Herstellung von Estern 298Esterhydrolyse (Verseifung) und Umesterung 299

    Carbonsäurechloride und Säureanhydride 303Carbonsäureamide 312

    Allgemeines 312Aminosäuren 315Peptidsynthese 317Peptide und Proteine 318

    Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen 321Nitrile 324Cyanat-Isocyanat 327Ketone aus Carbonsäuren 331Weiterführende Literatur zu Kapitel V 332

    Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

    Einige einfache Additionen an die Carbonylgruppe 337Einwirkung von Aminen auf Carbonylverbindungen 343Semicarbazone, Hydrazone, Oxime 347Mannich-Reaktion 353Strecker-Synthese 354Leuckart-Reaktion 356Optische Aktivität, Cahn-Ingold-Prelog-Regel 358Aldolverknüpfung 361Weiterführende Literatur zu Kapitel VI 366

    Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

    Einige aldolartige Kondensationen 371Acyloine 379Photoreaktion von Ketonen 385Pinakolumlagerungen 386Kohlenhydrate 386

    Eigenschaften der Zucker 386Mutarotation 389Reaktivität der glykosidischen Hydroxylgruppe 390Disaccharide, Polysaccharide 392

    Weiterführende Literatur zu Kapitel VII 397

    Kapitel VIU. Synthesen mit Estern

    Die Esterkondensation 401Herstellung von /?-Dicarbonylverbindungen 401über Keto-Enol-Tautomerie 409

  • Inhaltsverzeichnis XV

    Synthesen mit Acetessigester und Malonestern 413Michael-Addition 423Weiterführende Literatur zu Kapitel VIII 426

    Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen

    Grignard-Verbindungen 431Zink- und Cadmium-organische Verbindungen 440Lithium-organische Verbindungen 442Dianionen 449Kupfer-organische Verbindungen 451Aluminium- und Quecksilber-organische Verbindungen 453Wittig-Reaktion 455Weiterführende Literatur zu Kapitel IX 461

    Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

    Oxidation mit Luftsauerstoff 468Oxidation mit sauerstoffreichen anorganischen Verbindungen 478Oxidation mit Hydrogenperoxid 491Oxidation mit Selendioxid 498Oxidation mit Ozon 500Weiterführende Literatur zu Kapitel X 504

    Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

    Reduktion mit Metallen 510Amalgam-, Clemmensen- und Birch-Reduktion 510Reduktion der Nitrogruppe 516Phenylisothiocyanat und Thiole 527

    Reduktion mit Ainmoniumsulfid 531Reduktion nach Meerwein-Ponndorf-Verley 533Reduktion mit komplexen Metallhydriden 535Hydroborierung 541Reduktion nach Wolff-Kishner 544Katalytische Hydrierung 546

    Heterogene katalytische Hydrierung 547Homogene katalytische Hydrierung 548Substitution durch katalytisch aktivierten Wasserstoff (Hydrogenolyse) 549Die Hydriereinrichtung 549

    Weiterführende Literatur zu Kapitel XI 558

    Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe und Radikale

    Chinone 563Herstellung der Chinone 563Reaktionen der Chinone 568

    Redoxverhalten 568

  • XVI Inhaltsverzeichnis

    Reaktionen der chinoiden Doppelbindungen 569Chinoide Farbstoffe 575Triphenylmethanfarbstoffe 580

    Basische Triphenylmethanfarbstoffe 580Saure Triphenylmethanfarbstoffe 583

    Organische Radikale 587Weiterführende Literatur zu KapitelXII 596

    Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

    Aromatische Reihe 600Herstellung von Diazoniumsalzen 600Reaktionsfähigkeit der Diazoniumsalze 600

    Elektrophile Reaktionen des Diazoniumions 601Azofarbstoffe 601Kupplung mit einfachen Anionen 610Reaktionen unter Stickstoffabgabe 613Reduktion des Diazoniumions 620

    Aliphatische Reihe 624Bildung der Diazoalkane 624Reaktionen des Diazomethans 628Herstellung des Diazoessigesters 634Einige Reaktionen des Diazoessigesters 637

    Weiterführende Literatur zu Kapitel XIII 639

    Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

    Weiterführende Literatur zu Kapitel XIV 663

    Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 6-gliedrigen und mehreren Ringen

    Systeme mit einem heterocyclischen Sechsring 667Systeme mit mehreren heterocyclischen Ringen 689Weiterführende Literatur zu Kapitel XV 695

    Kapitel XVI. Qualitative Analyse

    Trennen eines Stoffgemisches 697Literatur zu Trennproblemen 699Erkennen von funktioneilen Gruppen 701Literatur zu spektroskopischen Methoden 701Charakterisierung organischer Verbindungen durch Derivat-Bildung

    Kohlenwasserstoffe 702Alkohole 703Aldehyde und Ketone 705Carbonsäuren 706Carbonsäureester 707

  • Inhaltsverzeichnis XVII

    Lactone 708Phenole 708Ether 709Amine 710Aminosäuren 711Carbonsäureamide 712Nitrile 712Sulfonsäuren 712Nitroverbindungen 713Halogenverbindungen 713

    Weiterführende Literatur zu KapitelXVI 715

    Anhang 716

    Mixotrope Reihe der Lösungsmittel 716Siedepunkt unter vermindertem Druck 716Konzentration handelsüblicher Säuren 717Dichte von Ammoniaklösungen 718Herstellung von Mischungen bestimmter Konzentration 718Phosphatpuffer nach Sörensen '. 718Säure-Base-Indikatoren 719Häufig gebrauchte Atommassen 719Liste der gebräuchlichsten Abkürzungen 721Sach- und Namenregister 723Autoren der Übersichtsartikel 757

  • Allgemeine Arbeitsanweisungen

    Glas im Laboratorium; offene Reaktionsgefäße

    Als Material für Gefäße und Apparaturen im chemischen Labor ist Glas am weitestenverbreitet. Es ist durchsichtig, vielseitig verformbar, resistent gegen fast alle Chemi-kalien, porenfrei und relativ temperaturbeständig. Sein Nachteil liegt in der geringenBruchfestigkeit gegen Stöße oder starke Temperaturschwankungen.

    Der Gefahr des Zerspringens bei örtlichen Temperaturdifferenzen begegnet mandadurch, daß man alle Geräte, die erwärmt werden sollen, dünnwandig herstellt undaußerdem Glassorten verwendet, die einen geringen thermischen Ausdehnungs-koeffizienten haben und zudem noch besonders widerstandsfähig gegen Chemikaliensind. Solche Gläser, die sich unter anderem durch einen relativ hohen Borsäurege-halt auszeichnen, sind zum Beispiel „Geräteglas 20" (hohe chemische Resistenz),„Duranglas" (noch größere Temperaturwechselbeständigkeit) und „Supremaxglas"1

    (für höhere Temperaturen) oder „Pyrexglas"2 (dem Duranglas ähnlich).Aus Sicherheitsgründen sollten im chemischen Labor zumindest alle dünnwandi-

    gen, also erhitzbaren Glasgeräte aus derartigen Spezialgläsern bestehen. Auch beidiesen ist Sorgfalt geboten; plötzliches Abkühlen, das Zugspannungen verursacht,ist gefährlicher als zu rasches Erwärmen, das zu Druckspannungen führt. Chemischwird das Glas besonders von heißen konzentrierten Laugen angegriffen.

    Einige spezielle Apparaturteile bestehen aus reinem Quarz, der gegenüber anderenGläsern die Eigenschaften hat, UV-Licht besser durchzulassen, höhere Temperaturenund sehr starke Temperaturwechsel auszuhalten. Quarzgeräte sind (wegen der hohenVerarbeitungskosten) sehr teuer. Man beachte, daß Quarz viel leichter bricht als Glasund von Alkalilaugen noch stärker angegriffen wird!

    Hinweise zur Glasbearbeitung

    Die meisten Arbeiten am Glas wird der Chemiker dem gelernten Glasbläser über-lassen, einige wenige einfachere muß er jedoch an Ort und Stelle im Labor selbst aus-führen können. Dazu gehört vor allem das Durchtrennen, das Ausziehen und dasBiegen dünnerer Glasrohre und -Stäbe.

    Durchtrennen lassen sich Rohre und Stäbe bis zu etwa 8 mm Durchmesser in fol-gender Weise: Man ritzt das Glas mit einem speziellen Glasschneider oder einerbilligeren Ampullenfeile durch einmaliges Kratzen auf ein Viertel bis ein Drittelseines Umfangs an, befeuchtet diese Stelle mit Wasser, faßt das Glas so, daß beideDaumen rechts und links unterhalb des Risses liegen, und bricht dann, indem man

    1 Firma Schott & Gen.2 Firma Corning Glass Works.

  • 2 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    so tut, als wollte man durch Ziehen und ganz leichtes Biegen den eingeritzten Spaltverbreitern.

    Rohre, deren Durchmesser größer als etwa 8 mm ist, müssen rundherum angeritztwerden. Sehr dicke Rohre, die sich nicht mehr brechen lassen, muß man sprengen.Man erhitzt dazu das Ende eines dünnen Glasstabs zur Rotglut und drückt es aufeinen Punkt des eingeritzten Rings, bis das Glas ein Stück eingesprungen ist, undwiederholt diesen Vorgang jeweils kurz hinter dem Ende des Sprungs.

    Zur Verformung erweicht man das Glas mit einem Teklubrenner (oder besser miteinem Gebläse). Damit es dabei nicht springt, muß man langsam in der leuchtendenFlamme anheizen. Im allgemeinen kann man die Luftzufuhr des Brenners öffnen,wenn die Flamme sich (durch das Natrium des Glases) gelb gefärbt hat. Es ist prak-tisch, den Brenner durch Unterlegen von Klötzen möglichst schräg, mit der Mündungvom Körper weg, aufzustellen.

    Um Hände, Gummischläuche und Stopfen vor Verletzungen zu schützen, solltendie scharfen Bruchränder der Glasrohre und -stäbe rund geschmolzen werden. Mandreht sie dazu (am besten möglichst senkrecht) so lange in der Flamme, bis die Kan-ten etwas zusammengeflossen sind.

    Für das Ausziehen der Glasrohre zu Spitzen und das Biegen von Winkeln ist esbesonders wichtig, die betreffenden Stellen rundherum gleichmäßig zu erwärmen.Man erreicht das, indem man das Rohr, ohne es zu verkanten oder zu verdrillen, mitbeiden Händen dauernd dreht.

    Das fachgerechte Biegen von Glasrohren erfordert Glasblasen und dieses wieder-um Erhitzen mit einem Gebläse. Um ohne diese Hilfsmittel provisorisch Winkel ohneverengte Knickstelle herzustellen, erwärmt man eine breitere Zone des Rohrs undbiegt diese — eventuell stufenweise - zu einem größeren Bogen.

    Zum Ausziehen von Spitzen hält man das genügend erhitzte Glasrohr außerhalbder Flamme senkrecht, zieht es bis zur gewünschten Verjüngung auseinander undschneidet es nach dem Erkalten an der Verengung durch. Die so gewonnene Spitzeist natürlich dünnwandiger und bricht leicht ab. Gleiche Wandstärke erreicht man,indem man das Rohr vorher - immer unter Drehen - etwas länger erhitzt und dabeileicht staucht, so daß sich eine Innenwulst bildet. - Das Ausziehen zu feinen Kapillarenist auf S. 41 beschrieben.

    Nach der Bearbeitung ist das erwärmte Glas in der Flamme Schritt für Schrittlangsam wieder abzukühlen. Läßt man zu rasch erkalten, bleiben starke Spannungenim Material zurück.

    Das bei tieferen Temperaturen erweichende „Thüringer Normalglas" läßt sich er-heblich leichter verarbeiten als die thermoresistenten Spezialgläser.

    Offene Reaktionsgefäße

    Das einfachste, älteste und unentbehrlichste Reaktionsgefaß ist das Reagenzglas. Anjedem Laborplatz sollten mindestens zehn größere (160 x 16 mm) und zehn kleinere

  • Reaktionsgefäße 3

    (ca. 100 x 11 mm) saubere, trockene Reagenzgläser für schnelle Handversuche griff-bereit sein. Bei der Benutzung halte man Reagenzgläser immer so, daß eventuell her-ausspritzende Chemikalien weder den Körper des Nachbarn noch den eigenen treffenkönnen!

    Für größere Volumina verwendet man den Erlenmeyerkolben oder das Becherglas.Ein sehr brauchbares Mittelding aus beiden ist der Weithals-Erlenmeyerkolben.Standkolben (Rundkolben mit flachem Boden) sind weniger praktisch und fast immerzu entbehren. Für Arbeiten im Litermaßstab benutzt man zuweilen besser dick-wandigere Weithals-Rundkolben oder Stutzen. Beide sollen ebenfalls aus thermo-resistentem Glas bestehen, aber trotzdem nur mit Vorsicht (im Wasserbad) erwärmtwerden. Gegossene Stutzen aus Normalglas dürfen nicht erhitzt oder mit warmemWasser gespült werden.

    Als flache offene Gefäße werden vorwiegend Abdampfschalen verschiedener Größeaus Porzellan verwendet. Man darf in ihnen auch feste Substanzen direkt über derfreien Bunsenbrennerflamme erhitzen. Porzellankasserollen sind etwas höher undhaben einen Griff. Uhr g läser dienen für Versuche im Kleinmaßstab; häufiger zumAbdecken anderer Gefäße. - Es erleichtert die Arbeiten sehr, wenn man auf diesenflachen Gefäßen von vornherein die Tara vermerkt.

    Einfachste geschlossene Reaktionsgefäße

    In der organischen Chemie führt man die meisten Umsetzungen in sogenannten „ge-schlossenen" Apparaturen aus. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, die später nochbeschrieben werden, dürfen diese Apparaturen natürlich nie völlig abgeschlossensein! - Im einfachsten Fall besteht die geschlossene Apparatur aus einem Rund-kolben mit aufgesetztem Rückflußkühler; Abbildung 4a-f (S. 7).

    Verbindung der Apparaturteile

    Alle Apparaturen werden aus einzelnen Bauelementen zusammengesetzt, wobei in-einandersteckbare Schliffe, durchbohrte Kork- beziehungsweise Gummistopfen oderSchläuche die Verbindungen herstellen.

    Heute benutzt man dort, wo es möglich ist, fast nur noch Kegelschliff-Verbindungen,bei denen ein „Kern"-Stück in ein entsprechendes „Hülsen"-Stück geschoben wird;Abbild Ia-c. Im Handel sind alle gebräuchlichen Apparaturteilstücke mit verschie-den großen, genormten Schliffansätzen erhältlich. Man beschränke sich im Prakti-kum auf die Größen NS 29 für normale und NS 14,5 für kleine Apparaturen. (DieNormzahlen geben den größten Durchmesser des Schliffs in Millimetern an.) Über-gangsstücke NS 29-NS 14,5 erhöhen die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten; Ab-bildung l g, h. - Vor dem Zusammenstecken ist der Kernschliff sparsam mit einem

  • 4 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    a d

    f

    Abb. l a) Kern; b) Hülse; c) Kegelschliffverbindung NS 29; d) Kugel; e) Schale; O Kugelschliffverbin-dung KS 35; g), h) Übergangsstücke NS 29-NS 14,5

    geeigneten Schmiermittel - wie zum Beispiel Vaseline oder Silicon — einzureihen. Einegute Schliffverbindung soll klar durchsichtig und vakuumdicht sein. Durch kleineZugfedern, die, wie Abbildung Ic zeigt, in angeschmolzene Glashäkchen beziehungs-weise an Metallmanschetten gehängt werden, oder durch geeignete Drahtbügel, wieauf Abbildung 33, lassen sich die Verbindungsstellen gegebenenfalls zusammenhal-ten. - Wenn die Apparaturen erwärmt oder stark abgekühlt werden sollen, müssenKern und Hülse aus Glassorten mit möglichst gleichen Ausdehnungskoeffizientenbestehen! Längere Einwirkung von Alkalien, Wasserdampf oder Phosphorsäurebringt die Schliffflächen zum Quellen, so daß sie miteinander verbacken.

    Festsitzende Schliffe lockert man, indem man sie kräftig auseinanderzieht und dabeivorsichtig ruckweise zu kanten versucht (nicht drehen) oder sie mit einem Holzstabklopft oder sie im Heizschrank auf 100 bis 15O0C erwärmt oder schließlich die Hülsein einer halbleuchtenden Bunsenbrennerflamme rasch unter Drehen erhitzt, so daßsie sich stärker ausdehnt als der Kern. Speziell bei Gefäßen mit brennbarem Inhaltlegt man ein Stück Schnur als Schlaufe um die Hülse und zieht zur Erzeugung vonReibungswärme an den Enden heftig hin und her.Vielfach nützt ein Herauslösen der kittenden Chemikalienreste durch Einsickern-lassen eines geeigneten Lösungsmittels. (Bewährt hat sich eine Gemisch aus gleichenTeilen Ether, Alkohol und Milchsäure.)

    Festgebackene massive (!) Glasstopfen von Chemikalienflaschen löst man, indemman die Flasche zur Sicherheit in einen Emaillekochtopf stellt, am Stopfen ein weniganhebt und mit einem Metallstab (Stativklemme) vorsichtig von der Seite rund her-um an den Stopfen schlägt.

    Kegelschliffverbindungen sind völlig starr, was bei Apparaturen stört, die aus sehrvielen Bauelementen zusammengesetzt sind. Wie Kugelgelenke drehbar sind da-gegen die - allerdings teueren - Kugelschliffe', Abbildung Id-f. Sie müssen, wie Ab-bildung If zeigt, durch gabelförmig übergreifende Klammern zusammengehaltenwerden. Auch sie sind vakuumdicht.

    Kork- und Gummistopfen-Verbindungen sind trotz vieler Vorzüge der Normschliffekeinesfalls ganz zu entbehren. Gummi wird vor allem von aromatischen Kohlen-wasserstoffen aufgequollen und zersetzt. Kork ist beständiger, läßt sich jedoch nurschwer abdichten.

  • Schliffkolben 5

    Korkstopfen lassen sich mit Korkbohrern - das sind kurze Metallrohre mit ge-schärftem Rand - folgendermaßen durchbohren: Man stellt den Stopfen mit dergrößeren Fläche auf eine dickere Pappunterlage und drückt den mit Glycerin ge-schmierten Korkbohrer unter dauerndem Hin- und Herdrehen durch ihn hindurch. -Gummistopfen kann man schon gelocht kaufen. Will man sie nachträglich gerade undglatt durchbohren, muß man den Korkbohrer in eine feststehende Bohrmaschineeinspannen.

    Schliff-Rundkolben

    Die in zusammengesetzten Apparaturen benutzten größeren Schliffkolben (NS 29)sind üblicherweise kugelrund; Abbildung 2a. Als kleinere Schliffkolben haben sichdaneben Spitzkolben besonders bewährt, da sich in ihnen kleinste Flüssigkeitsrück-stände auf engem Raum sammeln; Abbildung 2e. Sollen mehrere Schliffaufsätzedirekt mit einem Kolben verbunden werden, verwendet man Zweihals- oder Dreihals-kolben. Bei den Typen b und c der Abbildung 2 mit parallelen Hälsen läßt sich dieApparatur leichter am Stativ befestigen; in die schräg angesetzten Hälse des Typs dkann man gerade Schliffeinsätze tief in den Kolben einführen. Die Tuben kleinerDreihalskolben sollen nicht parallel stehen, weil sonst der Platz für die aufzusetzen-den Zusatzgeräte zu eng wird. Einen größeren speziellen Vierhalskolben, den soge-nannten Nitrierkolben (Sulfierkolben), zeigt Abbildung 18 (S. 24). - Standfest werdenRund- und Spitzkolben durch Einstellen in Korkringe (deren nicht abgeschrägteUnterseite meist besseren Halt gibt). - Man mache es sich zur Gewohnheit, bei jedemneuen Kolben sofort die Tara mit einem Bleistift auf dem geätzten Feld zu vermerken.(Nicht einkratzen!)

    I U U l

    Abb. 2 a-c) l-Liter-Rundkolben mit NS 29; d) 500-ml-Rundkolben mit NS 29 und NS 14,5; e) 100-ml-Spitzkolben mit NS 14,5

    Jeder Kolbenhals läßt sich durch Aufstecken eines Verzweigungsstücks verdop-peln. Den hierfür geschaffenen Anschützaufsatz gibt es mit senkrechtem oder auchschrägem zweiten Tubus; Abbildung 3a-b. (Beim Typ a soll der Abstand zwischenden beiden übereinanderliegenden Schliffen möglichst klein sein und der Zwischen-raum innerhalb der beiden oberen Schliffe etwa 3 cm betragen!) Diese Aufsätze er-

  • 6 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    übrigen die Anschaffung vieler teurer Mehrhalskolben verschiedener Größe. Auf-sätze mit drei Abzweigungen sind kaum im Gebrauch; Abbildung 3c.

    a b c

    Abb. 3 a, b) Anschützaufsatz NS 29; c) Dreifachaufsatz

    Rückflußkühler

    Die einfachste geschlossene Reaktionsapparatur besteht aus einem Kolben mit Rück-flußkühler. Im Kühler kondensiert sich die verdampfte Flüssigkeit und fließt dannwieder in den Kolben zurück.

    Abbildung 4 zeigt eine Auswahl von Rückflußkühlern für verschiedene Verwen-dungszwecke. Der einfachste Typ ist das Steigrohr (a in Abbildung 4), bei dem nur dieumgebende Luft als Kühlmittel dient. Besser führt der Liebigkühler (b) mit wasser-durchströmtem Mantel die Wärme ab. Beim Kugelkühler (c) ist das Innenrohr zu-sätzlich durch Ausbuchtungen vergrößert. Noch effektvoller arbeiten der Schlangen-kühler (d) mit spiralförmigem Innenrohr und der Dimrothkühler (e) mit eingesetzter,wasserdurchströmter Glaswendel. Am wirksamsten ist der - allerdings recht teureund sehr schwere - Intensivkühler (f); hier findet sich das Prinzip des Liebigkühlersmit dem des Dimrothkühlers kombiniert.

    Die Wahl des Rückflußkühlers richtet sich nach folgenden Gesichtspunkten: FürFlüssigkeiten, deren Siedepunkt oberhalb 14O0C liegt, ist das Steigrohr zu benutzen.Ein wassergespeister Kühler könnte bei noch höherer Temperaturdifferenz springen;ein Mantelkühler ohne Kühlwasser ist ebenfalls ungeeignet. Im Siedebereich zwischen35 und 140 0C nimmt man den Dimrothkühler oder eventuell den Kugelkühler. Dabeiläßt man zur Schonung des Glases zwischen 100 und 14O0C das Kühlwasser ent-sprechend langsam fließen oder schließlich stagnieren. Unterhalb etwa 350C sie-dende sowie bei stark exothermen Reaktionen oder in einem aufsteigenden Gasstrom(siehe ,Arbeiten unter Schutzgas"; S. 23) kochende Flüssigkeiten kann man nur imIntensivkühler vollständig kondensieren. Eine Verstärkung der Kühlung erreichtman dadurch, daß man den Zuleitungsschlauch nicht mit der Wasserleitung verbindet,sondern in einen Eimer mit Eiswasser eintaucht und am Ableitungsschlauch ganzlangsam mit der Wasserstrahlpumpe saugt. Da sich im engen Schlangenkühler daszurückfließende Kondensat leicht staut, darf dieser nur für Reaktionsansätze benutztwerden, die keinesfalls bis zum Sieden kommen. Der Liebigkühler ist als Rückfluß-kühler nur ein Notbehelf. Die beiden letzten sind an sich für absteigende Destillation

  • Rückflußkühler

    a b c d e f

    Abb. 4 1-Liter-Kolben mit a) Steigrohr (natürliche Länge etwa l Meter); b) Liebig-Kühler (natürlicheLänge mindestens 40 cm); c) Kugelkühler; d) Schlangenkühler; e) Dimrothkühler; f) Intensivkühler undTrockenrohr

    konstruiert - Gegenüber dem Dimrothkühler haben alle anderen Typen den Nach-teil, daß sich auf ihren Mänteln außen die Luftfeuchtigkeit stark niederschlägt unddas Kondenswasser in den Schliff beziehungsweise das Öl- oder Metallbad fließt.

    Die Kühlwasser-Schlauchverbindungen sind mit Sorgfalt herzustellen. Ein Ab-springen kann nicht nur Wasserschäden, sondern auch - wegen des Ausfalls derKühlung - Brände und Explosionen verursachen! Damit sich die Schläuche leichterauf die Anschlußrohre der Apparatur („Oliven") und Wasserleitung schieben lassen,befeuchte man sie innen mit Wasser. (Kein Gleitmittel verwenden!) Die Wasserab-leitungen sollen - zweckmäßig mit einem Stück Glasrohr beschwert - tief in das Aus-gußloch gesteckt werden. Schlauchanschlüsse, die unbeaufsichtigt (zum Beispiel überNacht) in Betrieb sind, müssen durch Schlauchschellen gesichert sein. Man verwendeniemals alte, schon brüchige Gummischläuche und achte speziell darauf, daß dieEnden nicht eingerissen sind. Nach längerer Zeit festklebende Schlauchanschlüssesollte man lieber mit einer Rasierklinge wegschneiden, statt durch zu kräftiges Ziehendie Glasoliven zu gefährden.-Kunststoffschläuche (zum Beispiel aus Polyvinylchlorid)sind gut für fest montierte Apparaturen geeignet. Sonst sind sie zu starr. Um sie überRohranschlüsse schieben zu können, taucht man ihre Enden einige Zeit in kochen-des Wasser.

    Muß die Luftfeuchtigkeit vom Reaktionsgut ferngehalten werden, setzt man ein

  • 8 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    Trockenrohr (Calciumchloridrohr) auf den Kühler. Es ist, wie Abbildung 4f erkennenläßt, mit gekörntem Trockenmittel (meist Calciumchlorid; siehe S. 107), das auf bei-den Seiten durch etwas Glaswolle gehalten wird, gefüllt und mit einem durchbohrtenGummistopfen verschlossen. Vor jeder Benutzung überzeuge man sich von derDurchlässigkeit des Trockenrohrs, indem man hindurchbläst. Verklebte Trockenrohrebedeuten Unfallgefahr! - Calciumchloridrohre mit Schliff-, Gummistopfen- oderSchlauchverbindungen werden auch an anderen Stellen häufig als Feuchtigkeits-filter gebraucht. Füllt man sie mit Natronkalk, halten sie Kohlendioxid zurück.

    Befestigung der Apparaturen am Stativ

    Zur Halterung der Glasapparatur dienen Stative, an denen mit Hilfe von Muffen ge-eignete Klemmen und Ringe befestigt werden, die ihrerseits die Apparaturen tragen.Die Zeit, die man für den sorgfaltigen Aufbau der Apparatur verwendet, ist nie ver-geudet; Improvisation ist hier gefährlich und teuer! Am besten geht man so vor:Zuerst befestigt man den Arbeitskolben mit einer passenden Klemme und einerMuffe in der richtigen Höhe am Stativ (so daß - nach den entsprechenden Erforder-nissen - zum Beispiel ein Heiz- oder Kühlbad darunter paßt). Dabei schließt man dieKlemme vorsichtig so weit, daß der Kolben gerade nicht mehr gedreht werden kann.Dann steckt man den Aufsatz, beispielsweise einen Rückflußkühler, auf; er soll genaulotrecht stehen. Nun klammert man eine zweite Klemme etwas lockerer als die erstean das obere Drittel des Kühlers, bringt die zweite dazugehörige Kreuzmuffe in dierichtige Lage, zieht deren zum Stativ führende Schraube bis auf etwa einen Milli-meter Spielraum an, dreht erst die Schraube zur Klemme und schließlich die zumStativ ganz fest. Auf diese Weise vermeidet man ein Verkanten, das zu Spannungendes Glases führt. Hat die Apparatur mehrere Aufsätze, geht man Schritt für Schritt inderselben Weise weiter vor. Rundbackenklemmen sind - wenn sie gut passen! - denFlachbackenklemmen vorzuziehen; Abbildung 5a, b. Bei beiden muß die Innenseiteder Backen mit Kork belegt sein. Gefäße und Rohre, deren Durchmesser größer alsetwa 8 cm ist (zum Beispiel Bechergläser), spannt man in der Bandklemme mit einemLederriemen (Abbildung 5c) beziehungsweise mit einer Kette fest. (Die Kette soll zurSchonung des Glases mit einem aufgeschnittenen Gummischlauch überzogen werden.)

    a bAbb. 5 a) Flachbackenklemme; b) Rund backenklemme; c) Bandklemme

  • Heizquellen 9

    Stativringe dienen ebenso wie Dreifüße als Stützen für Heiz- und Kühlbäder oder —zusammen mit dem Asbestdrahtnetz - zum Erhitzen von Bechergläsern oder Erlen-meyerkolben.

    Erhitzen

    Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten wachsen exponentiell mit steigender Tem-peratur (Arrhenius-G\eichung). Man erhöht die Reaktionstemperatur meist in derWeise, daß man die Lösungen der Ausgangsstoffe in der geschlossenen Apparatur„unter Rückfluß" kocht. Dies ermöglicht sowohl das Konstanthalten der Reaktions-temperatur als auch eine gefahrlose Ableitung der Reaktionswärme.

    Flüssigkeiten neigen dazu, sich beim Erwärmen über ihren Siedepunkt aufzuheizenund dann plötzlich mit großer Heftigkeit aufzuwallen, zu „stoßen": Sie schießen ausdem Gefäß oder sprengen unter Umständen die Glasapparatur. Man kann diesenSiedeverzug - eine ernste Gefahrenquelle und häufige Brandursache - weitgehend aus-schalten, indem man vor jedem Erhitzen zwei, drei ,JSiedesteinchen" (kleine poröseBimsstein- oder Tontellerstückchen) in die Flüssigkeit wirft. Nach Unterbrechungdes Siedens ist meist erneute Zugabe nötig. Auf keinen Fall darf man Siedesteinchenzu schon überhitzten Flüssigkeiten geben! - Zur weiteren Vorsicht sollen Siede-kolben im allgemeinen höchstens bis zu zwei Dritteln gefüllt werden! - Flüssigkeiten,die besonders stark zum Siedeverzug neigen, wie zum Beispiel Zweiphasensystemeoder stark alkalische Lösungen, müssen außerdem kräftig gerührt werden. Ungleich-mäßiges Heizen begünstigt das Stoßen.

    Reagenzgläser dürfen höchstens zu einem Viertel gefüllt sein und müssen schräggeneigt über einer kleinen Flamme dauernd geschüttelt werden. Das Stoßen verhin-dert man hier in der Weise, daß man zunächst nur den oberen Teil der Flüssigkeitzum Sieden bringt und dann erst den unteren erhitzt. Zum Schutz der Hand benutztman einen Reagenzglashalter oder längs aufgeschnittene Gummischlauchstücke, dieüber die Fingerspitzen geklemmt werden.

    Heizquellen

    Die universalste Heizquelle ist der einfache Bunsenbrenner beziehungsweise seineheizstärkere Abart, der Teclubrenner, deren Handhabung bekannt sein dürfte. DieLuftzufuhr darf nur so weit geöffnet werden, daß der Brenner nicht „durchschlägt"(Brandgefahr wegen Überhitzung und Verschmoren des Gasschlauchs).

    Nichtbrennbare Flüssigkeiten können in offenen Bechergläsern oder Erlenmeyer-kolben auf einem Drahtnetz mit Asbesteinsatz über der Bunsenflamme erwärmt wer-den. Für Rundkolben ist ein passender Babo-Trichter zu benutzen, der als offenesLuftbad angesehen werden kann; Abbildung 6a. Er ist ein Kegelstumpf aus Eisen-

  • 10 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    blech, dessen kleinere Öffnung teilweise durch eine Metallscheibe verschlossen unddessen Innenwand mit Asbeststreifen belegt ist. Der Kolben darf nur auf diesenStreifen aufliegen, die Scheibe also nicht berühren. (Verlorengegangene Asbest-streifen müssen unbedingt ersetzt werden.) Die mit dem Bunsenbrenner erhitzteMetallscheibe verteilt die aufsteigende Wärme über die ganze untere Hälfte des ein-gestellten Kolbens. - Ein in kurzem Abstand unter dem Rundkolben befestigtesDrahtnetz mit Asbesteinsatz ist kein Ersatz für den Babo-Trichter (Überhitzung desKolbenbodens).

    a b

    Abb. 6 1-Liter-Kolben mit Kühler in a) BABO-Trichter; b) Heizhaube

    Dem Geübten sollte es vorbehalten sein, den Kolben direkt mit freier Flamme zuerhitzen, wenn nicht oder nur wenig feuergefahrliche Substanzen zum Beispiel ge-schmolzen oder rasch destilliert werden sollen. Man führt dabei mit der eben ent-leuchteten Bunsenbrennerflamme (die leuchtende Flamme wird leicht weggewehtund rußt) eine kreisende Bewegung unter dem Kolbenboden aus, damit dieser mög-lichst gleichmäßig erwärmt wird. Will man schwächer heizen, ist es besonders fürgrößere Kolben besser, den Brenner tiefer zu halten, als die Gaszufuhr zu drosseln.Bei brennbaren Substanzen soll zur Sicherheit eine genügend große Metallschaleunter den Kolben gestellt werden. - An Stelle des Bunsenbrenners kann in vielenFällen auch ein elektrischer Infrarotstrahler verwendet werden.

    In den letzten Jahren setzt sich die elektrische Wider Standsheizung immer mehrdurch. Gegenüber der Gasheizung hat sie den Nachteil größerer Trägheit, aber denVorteil größerer Betriebssicherheit. Man bedenke jedoch, daß sich an nicht voll-kommen abgekapselten Heizspiralen (und Schaltern) brennbare Dämpfe ebensoentzünden können wie an der freien Flamme. (Speziell Kochplatten verleiten hier zuSorglosigkeit.) Bei Tauchsiedern (nur für Bäder; nicht zur Direktheizung!) und ein-gebauten Heizrohren ist besonders darauf zu achten, daß diese stets genügend hochmit Flüssigkeit bedeckt sind. - Eine recht gleichmäßige Erwärmung von Rundkolbengewährleisten die sehr handlichen, am Kolben anliegenden elektrischen Heizhauben,

  • Heizbäder 11

    in denen die Heizwicklung mit Asbest verkleidet ist; Abbildung 6b. Sie können mitHilfe eines Stativrings bequem unter dem Kolben befestigt werden; die größerenHeizhauben sind mit eigenem Dreifuß ausgestattet. Ihre Heizkraft kann stufenweise -bei Zwischenschaltung eines Relais in sehr kleinen Intervallen - variiert werden. Beider Benutzung der Heizhauben richte man sich genau nach den Angaben der vomHersteller beigefügten Gebrauchsanweisung. — Für sehr kleine Proben ist schließlichoft ein Heißluft-Haartrockner („Fön") die bequemste Heizquelle.

    Heizbäder

    Heizbäder sind Gefäße mit wärmeübertragenden Stoffen, die mit dem Bunsenbren-ner oder elektrisch geheizt werden (ausgenommen das Dampfbad) und dann ihreWärme gleichmäßig an die eingehängten Reaktionsgefäße weitergeben. Sie ermög-lichen eine genaue Einstellung und Kontrolle der Heiztemperatur (vermindern alsoauch die Gefahren!) und sind deshalb einer direkten Heizung fast immer vorzuziehen.

    Die größte Sicherheit gegen Unfälle bietet das Dampfbad, das allerdings eine Dampf-anlage voraussetzt und keine Variation der Temperatur zuläßt.

    a b c

    Abb. 7 l-Liter-Kolben mit Kühler in a) Patent-Wasserbad; b) Ölbad; c) geschlossenem Luftbad

    Steht eine Dampfleitung nicht zur Verfügung, benutzt man zum „Erhitzen aw/demsiedenden Wasserbad" das in Abbildung 7a gezeigte Gerät. Dieses Patent-Wasser-bad läßt sich durch konzentrische Ringe der Kolbengröße entsprechend abdeckenund hat seitlich ein an Wasserleitung und Abfluß angeschlossenes Überlaufsystem,welches den Wasserstand konstant hält. Während des Gebrauchs soll das Leitungs-wasser in ganz dünnem Strahl durch den Wasserstandsregler fließen. Das Dampfbadreicht aus, Lösungsmittel wie Ethanol, Benzol, Benzin, Chloroform und Essigesternoch verhältnismäßig schnell zum Sieden zu bringen. Geheizt wird mit dem Bunsen-

  • 12 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    brenner oder eventuell (bei anderen Typen) elektrisch. Um die Anheizzeiten klein zuhalten, empfiehlt es sich, das Wasserniveau so niedrig einzustellen, wie es Abbildung7a zeigt.

    Zur Erzeugung bestimmter Temperaturen zwischen Raumtemperatur und 10O0Cwird das Wasserbad benutzt. Es besteht aus einem wassergefüllten Kochtopf oderBecherglas (nur für sehr kleine Bäder statthaft) mit eingehängtem Thermometer undwird mit dem Bunsenbrenner, der elektrischen Kochplatte oder dem Tauchsieder er-hitzt. Man achte darauf, daß das Niveau des Reaktionsguts etwas über dem desWassers liegt. Bequem in der Handhabung, aber teuer sind elektrisch beheizte Was-serbäder mit eingebautem Thermostat.

    Für Temperaturen zwischen 100 und 25O0C benutzt man Ölbäder; Abbildung 7b.Ihr Füllmaterial soll bis in einen hohen Temperaturbereich geringen Dampfdruckhaben, weitgehend thermostabil sein und möglichst bei Raumtemperatur nochflüssig bleiben. Siliconöle können je nach Sorte noch oberhalb 30O0C verwendet wer-den; sie haben große thermische Ausdehnungskoeffizienten; nachteilig ist der hohePreis. Billiger sind hochsiedene Mineralöle, insbesondere das „Heißdampfzylinder-öl". Höhere Polyglykole sind bis etwa 25O0C empfehlenswert. Schwefelsäure darfnicht benutzt werden. - Als Behälter dienen halbkugelförmige Metallschalen, even-tuell auch Kochtöpfe, die (wenn kleiner) auf Stativringen oder (wenn größer) aufstabilen Dreifüßen stehen. - Ölbäder sind sehr träge. Sie kühlen sich, wenn sie zuheiß geworden sind, nur langsam wieder ab und sollten deshalb stets so aufgebautwerden, daß sie notfalls rasch unterm Kolben weggenommen werden können (Drei-füße auf Holzplatten stellen). Für die Füllhöhe des Öls ist dessen Wärmeausdehnungzu berücksichtigen. Der Reaktionskolben soll nur so tief in das Bad eintauchen, daßdas Niveau des Reaktionsguts noch deutlich über dem des Öls steht. - Zu jedemÖlbad gehört ein Kontrollthermometer. Kolben und Thermometer dürfen das Metall-gefaß selbst natürlich nicht berühren. - Zur Heizung benutzt man gewöhnlich denBunsenbrenner. Wegen der Temperaturträgheit muß das Hochheizen zum Schlußsehr behutsam geschehen; viskosere Öle sind während dieser Phase ab und zu vor-sichtig umzurühren. Zur Erreichung einer bestimmten Temperatur im Reaktions-kolben muß das Bad oft erheblich höher erwärmt werden. Da die Aufrechterhaltungder einmal eingestellten Arbeitstemperatur meist nur geringe Energiezufuhr erfordert,empfiehlt es sich, hierfür den Schornstein des Brenners abzuschrauben und das Gasdirekt über der Düse brennen zu lassen; das erleichtert die Feinregulierung derFlamme. Ist die Reaktion beendet, hebt man den Kolben am besten sofort aus demnoch heißen Bad und unterstützt das Abtropfen des Öls durch Schaben mit einerSpielkarte. Man hüte sich vor einer Überhitzung der Badflüssigkeit (Brandgefahr!);beginnendes Rauchen ist ein Warnzeichen. Einfallende Wassertropfen oder andereVerunreinigungen lassen das heiße Öl heftig herumspritzen, dabei mitgerissene 01-dämpfe können sich entzünden! Um zu verhindern, daß Kondenswasser vom Kühlertropft, befestige man um dessen unteres Ende ein Filterpapierröllchen (zum Beispielmit einer Wäscheklammer). Soweit möglich, ist das Ölbad im Abzug aufzubauen. -Nichtbenutzte Ölbäder sind mit einem Deckel vor Verunreinigung zu schützen.

  • Thermostaten 13

    Für das Erhitzen kleiner Versuchsansätze (auch) auf Temperaturen über 20O0Ceignen sich am besten Metallbäder, das heißt Metalltiegel oder -halbkugelschalenmit besonders niedrigschmelzenden Metallmischungen. Brauchbare Legierungensind die nach Wood (Bi, Pb, Sn, Cd; Schmp. etwa 7O0C) oder nach Rose (Bi, Sn, Pb;Schmp. 940C). - Man versäume nicht, Kontrollthermometer und Reaktionsgefaß vordem Wiedererstarren des Metalls aus dem Bad zu nehmen. (Durch Anrußen läßt sichdas Haftenbleiben des Metalls am Glas verhindern.) Im übrigen gelten hier sinnge-mäß die gleichen Richtlinien, die im vorigen Absatz für das Arbeiten mit Ölbäderngegeben wurden. - Metallbäder sind aufgrund ihrer Nichtbrennbarkeit, Geruchlosig-keit und sehr guten Wärmeleitfähigkeit, also geringen Trägheit, Ölbädern besondersbei der Destillation kleinerer Mengen überlegen.

    Praktisch jede geforderte Temperatur erreicht man mit dem Sandbad, das manfolgendermaßen herstellt: Man befestigt eine nicht zu große eiserne Halbkugelschaleso unter dem Rundkolben, daß ein Zwischenraum von etwa 10 mm frei bleibt. Diesenfüllt man mit sauberem, gesiebtem Seesand. - Wegen ihrer geringen Wärmeleitfähig-keit ist die Temperatur in Sandbädern nur schwer einzustellen und zu kontrollieren.

    Eine weitere Möglichkeit, sehr hohe Temperaturen zu erreichen, bietet das ge-schlossene Luftbad. Man braucht dazu einen dünnwandigen, thermoresistenten Glas-zylinder (vom Glasbläser oben und unten glatt abgeschnittenes großes Becherglas).Diesen stellt man auf ein entsprechend großes Drahtnetz mit Asbesteinsatz und be-deckt ihn mit einer Asbestplatte, in die zwei passende Löcher für den Hals des Reak-tionskolbens und das Kontrollthermometer geschnitten sind; siehe maßstabgerechtAbbildung Ic. Das Asbestnetz wird durch einen Teklubrenner kräftig erhitzt. - Dergrößte Vorteil des Luftbads besteht - neben der guten Beobachtungsmöglichkeit -darin, daß der eingehängte Kolben bis zum Hals geheizt wird (anders als beim Babo-Trichter, Metall- oder Sandbad, bei denen der größte Teil der Wärme nach oben weg-strömt), was besonders für Hochtemperatur-Destillationen wichtig ist. - Ist das zuerhitzende Gut feuergefahrlich, sind selbstverständlich auch hier besondere Vor-sichtsmaßnahmen zu treffen.

    Thermostaten

    Exakt läßt sich eine bestimmte Temperatur über längere Zeit nur im Thermostatkonstant halten. Man kann eine solche Einrichtung in zahlreichen Varianten kaufen,aber auch ohne Mühe nach Abbildung 8 selbst zusammenstellen. Sie besteht auseinem größeren Gefäß (zum Beispiel Kochtopf) mit Wasser- oder eventuell Ölfüllung,in welche ein Kontaktthermometer (K; Erklärung folgt), ein mit diesem über einenRelaisschalter (R) verbundener Tauchsieder (T) sowie ein mechanischer Rührer ein-tauchen. Um die Heizstöße klein zu halten, darf der Tauchsieder keine zu hohe Lei-stung haben. Wird Wasser als Badfüllung benutzt, soll dieses möglichst entsalzt sein.(Für längere Benutzungszeiten kann man sein Verdunsten durch Zugabe von etwas

  • 14 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    Abb. 8 Thermostat, bestehend aus Wasserbad,Kontaktthermometer K, Relaisschalter R, Tauch-sieder T, Metallrührer und 500-ml-Kolben

    Hartparaffin verhindern. Dieses schmilzt und bildet auf der Wasseroberfläche einendünnen Film.) - Versieht man das Bad zusätzlich mit einer kühlwasserdurchström-ten Wendel, lassen sich auch Temperaturen zwischen 15 und 25 0C einstellen. - FertigeThermostaten haben zum Teil Schlauchanschlüsse, über die man daS temperierteWasser durch eine angeschlossene Apparatur leiten kann.

    Das Kontaktthermometer sei anhand der Abbildung 9 erläutert: In die - nach obenverlängerte und erweiterte - Quecksilberkapillare ragt ein feiner Metalldraht, der aneiner Mutter hängt. Diese Mutter wird von einem Gewindestab gehalten, der sichdurch die Glashülle des Thermometers von außen her mit Hilfe eines aufgesetztenHufeisenmagneten drehen läßt. Zum Einstellen einer bestimmten Temperatur wirdder Stab so lange gedreht, also die Mutter gehoben oder gesenkt, bis sich das untereEnde des Drahts auf der gewünschten Höhe der Temperaturskala befindet. DieseEinstellung ist bequemer auf einer zweiten oberen Skala an der Stellung der Mutterabzulesen. Um eine Dejustierung durch äußere Erschütterungen zu verhindern, arre-tiert man den Magneten, indem man die beiden seitlichen Feststellschrauben anzieht. -Erwärmt sich das Bad, steigt die Quecksilbersäule des Thermometers, bis sie denKontaktdraht berührt. Dadurch wird über zwei mit dem Quecksilber und dem Kon-taktdraht verbundene Leitungen ein zum Relais führender Stromkreis geschlossenund damit die Widerstandsheizung abgeschaltet. Sinkt der Quecksilberfaden, öffnetsich der Kontaktstromkreis und stellt so die Heizung wieder an.

  • Kühlen 15

    M

    Abb. 9Kontaktthermometermit Mutter M,Hufeisenmagnet H,unterer U und obererTemperaturskala

    Kühlen

    Vielfach ist es nötig, das Reaktionsgut zu kühlen, zum Beispiel um die bei exothermenUmsetzungen frei werdende Wärme abzuführen, eine Kristallisation zu fördern oderempfindliche Produkte vor der Zersetzung zu bewahren. Man beachte, daß das Vo-lumen von Gefäßen im Quadrat zur (wärmeabgebenden) Oberfläche wächst unddaher Reaktionen, die im Reagenzglas-Vorversuch völlig harmlos ablaufen, im Hun-dertgramm-Maßstab außer Kontrolle geraten können!

    Leitungswasser für 8 bis 140C

    Für Temperaturtiefen bis zu — 50 0C verwendet man als Kühlbad Kunststoffschüsseln(am besten sind die hervorragend isolierenden mikroporösen Polystyrol-Gefäße ge-eignet) mit einem der folgenden

  • 16 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    Kühlmittel:

    Eiswasser (Wasser mit zerkleinertem Eis) für

    Eis-Kochsalz-Mischung (gut durchmischtesGemenge aus etwa zwei Teilen Eisgrieß undeinem Teil Viehsalz) für bis zu

    Eis-Calciumchlorid-Mischung (6 oder 7 TeileEisgrieß plus 10 Teile CaCl2 • 6H2O) für

    O0C

    -2O0C

    -40 oder -550C

    Man gewöhne sich von vornherein an, das Kältebad unter fest montierten Appara-turen so aufzustellen, daß es im Bedarfsfall leicht entfernt werden kann (Holzklötzeunterlegen). Kräftiges Umschwenken des Kühlbads und des zu kühlenden Gefäßesoder Rühren des Gefäßinhalts beschleunigt die Wärmeableitung. Dort, wo eine Zu-gabe von Leitungswasser nicht stört, sollte man das Eis direkt in das Reaktionsguteinführen oder - zur besonders raschen Abkühlung - die Reaktionsmischung auf dasEis gießen.

    Temperaturen bis zu — 78 0C erreicht man durch festes Kohlendioxid („Trocken-eis") in Methylenchlorid, Methanol, Ethanol oder einem anderen Lösungsmittel mitentsprechend tiefem Schmelzpunkt. Zur Herstellung solcher Kühlbäder wickelt maneinen Brocken Trockeneis in ein festes Tuch und zerschlägt ihn mit einem Hammer.Die kleinen Stückchen trägt man mit einem Löffel langsam in das Lösungsmittel ein,das sich in einem Dewar-Gefäß befindet. Anfangs bringt die (wärmere) Flüssigkeit dasTrockeneis sofort zum Verdampfen und starken Aufbrausen!

    Dewar-Gefäße sind Glasbehälter mit doppelter, innen verspiegelter (auf unter10~5 Torr) luftleer gepumpter Glaswandung; Abbildung 10. Sie isolieren hervorra-gend die Wärme. Ihre Handhabung erfordert die gleichen Vorsichtsmaßnahmen, wiesie bei anderen evakuierten Gefäßen nötig sind (Schutzbrille aufsetzen). Man ver-wende nur Dewar-Gefaße, die durch einen stabilen Blechmantel geschützt sind!

    Muß noch stärker gekühlt werden, nimmt manflüssigen Stickstoff, der bei —196 0Csiedet (nicht flüssige Luft, deren Sauerstoff sich beim Verdampfen anreichert und mit

    Abb. 10 Dewar-Gefäß

  • Homogenisieren und Lösen 17

    Lösungsmitteldämpfen hochexplosive Gemische bildet!). Man informiere sich im Be-darfsfall in der Spezialliteratur1!

    Ähnlich den Thermostaten (siehe S. 13) gibt es Kryostaten mit Wasser-Methanol-Gemischen als Badflüssigkeit und einem Kühlaggregat (an Stelle der Heizung), zurErzeugung konstanter Temperaturen zwischen O und -4O0C. Die Kühlflüssigkeitkann über Schlauchanschlüsse durch eine angeschlossene Apparatur gedrückt werden.

    Im Kühlschrank oder in der Tiefkühltruhe werden zersetzliche Substanzen aufbe-wahrt. Der Kühlschrank soll, damit wässerige Lösungen nicht erstarren, auf +20Ceingestellt sein. In der Tiefkühltruhe erreicht man Temperaturen von -3O0C. Alleeingestellten Gefäße müssen, damit sich keine entzündlichen Dämpfe im Kühlraumansammeln, gut verschlossen sein und Etiketten mit der Substanzbezeichnung unddem Namen des Eigentümers tragen.

    Homogenisieren

    Von Ausnahmen abgesehen, ist der Chemiker stets bestrebt, die Reaktionspartner invöllig homogener Phase, also als Lösung, umzusetzen. Ist das nicht möglich, ver-sucht er, durch Zerkleinern der Feststoffe und kräftiges Rühren, Vibrieren oderSchütteln möglichst feindisperse Suspensionen beziehungsweise Emulsionen herzu-stellen. - Dauerndes Mischen des Reaktionsansatzes ist auch nötig, um eine zu-tropfende Komponente rasch zu verteilen und entstehende Reaktionswärme schnellerabzuführen.

    Lösen

    Bei weitem die meisten aller chemischen Operationen können nur unter Zuhilfe-nahme von Lösungsmitteln durchgeführt werden.Die Wahl des Lösungsmittels ist für das Gelingen sowohl der eigentlichen Umsetzung alsauch der anschließenden Aufarbeitung von ausschlaggebender Bedeutung.

    Zu den wesentlichen Eigenschaften eines Lösungsmittels gehören (neben seinemchemischen Verhalten) der Siedepunkt sowie vor allem der mehr oder weniger polareCharakter. Der Siedepunkt ist wichtig zur Einstellung der Arbeitstemperatur beimKochen unter Rückfluß und für die destillative Entfernung des Lösungsmittels nachder Umsetzung. Die Polarität (zahlenmäßig erfaßt durch die Dielektrizitätskonstante)bezeihungsweise Polarisierbarkeit bestimmen die Lösungseigenschaften (Hydro-philie oder Lipophilie).

    Für chemische Umsetzungen ist im allgemeinen das Lösungsmittel ideal, das alle

    1 Zum Beispiel H. Kienitz, Methoden der organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd.//2,S. 662, Thieme, Stuttgart 1959.

  • 18 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    Ausgangsstoffe leicht, das Endprodukt jedoch nicht löst. Wenn keine besonderen For-derungen (wie Auffangen der Reaktionswärme oder unimolekularer Umsatz) einengrößeren Überschuß nötig machen, nehme man nur wenig mehr Lösungsmittel, alszum Lösen der Reaktionskomponenten nötig ist!

    Näheres über die meist benutzten Lösungsmittel siehe S. 110.

    Zerkleinern

    Feststoffe können in einer Reibschale mit dem Pistill fein pulverisiert werden. (Schmie-rige Substanzen lassen sich nach Zugabe von sauberem Seesand oder Kieselgur zubröckeliger Konsistenz verreiben.) Für sehr harte Stoffe benutzt man besser einemechanische Kugelmühle mit umlaufenden Porzellankugeln. - Größere Brockenkann man zuvor in einem Metallmörser mit dem Stößel grob zerschlagen.

    In vielen Fällen läßt sich die Arbeit des Pulverisierens dadurch erleichtern, daßman zwischendurch die größeren Partikel mit Hilfe eines einfachen Kaffeesiebsabtrennt.

    Rühren

    Zum Umrühren im Reagenzglas und anderen offenen Gefäßen sollten an jedemLaborplatz stets mehrere an den Enden rundgeschmolzenen Glasstäbe verschiedenerGröße bereit liegen!

    Für längeres, intensiveres Rühren stehen stufenlos regulierbare elektrische Rühr-motoren (mit Bohrfutter) zur Verfügung. Sie müssen, ihrem Gewicht entsprechend,an besonders stabilen Stativen befestigt werden. - Man beachte, daß die Kollektor-funken brennbare Gase entzünden!

    Dazugehörige Glasrühr er gibt es in verschiedenen Ausführungen; einige davonzeigt Abbildung 11. Das Modell a kann man sich aus einem erhitzten Glasstab mit

  • Rühren 19

    Hilfe einer Flachzange leicht selbst herstellen. Wirksamer ist der Propellerrührer b.Der drehbare Flügel von c läßt sich hochgeklappt in einen NS 29-Tubus einführen;während der Rotation stellt er sich waagrecht. - Für zähes Reaktionsgut verwendetman Rührer aus V2A-Stahl.

    Um den Turbulenzeffekt beim Rühren zu erhöhen, kann man die Kanten gläsernerRührblätter mit einer Feile aufrauhen. Die Durchmischung von flüssigen Zweipha-sensystemen ist am wirksamsten, wenn sich das Rührblatt an der Grenzfläche derbeiden Phasen dreht. - Der Rührer darf nicht so schnell rotieren, daß es in der Flüssig-keit zur Ausbildung eines tiefen Trichters kommt, weil dann der Mischeffekt geringist. Aus ähnlichem Grund ist es besser, den Rührer in offenen Gefäßen etwas außer-halb der Gefäßmittelachse laufen zu lassen.

    Nur kurze, genau zentrierte Rührer darf man direkt in das Bohrfutter einspannen.In der Regel muß ein etwa 5 cm langer Stab (Bleistiftstück) und ein 6 bis 10 cm langesStück Vakuumschlauch als elastisches Bindeglied zwischengeschaltet werden undder Rührer in einer eigenen Führung laufen; Abbildung 12. Diese Führung kann, wennlediglich in offenen Gefäßen gerührt werden soll, einfach aus einem am Stativ be-festigten, etwa 10 cm langen, knapp passenden Stück Glasrohr bestehen; Abbildung12a. Als Schmiermittel verwendet man hier für wässeriges Rührgut ebenfalls Wasser.

    Soll in der geschlossenen Reaktionsapparatur gerührt werden, benutzt man densogenannten KPG-Rührverschluß\ Abbildung 12b. Dieser besteht aus einem NS 29-Kern, der in ein 10 cm langes Rohr mit genormtem Präzisions-Zylinderschliff über-geht, und einem Rührer, dessen Schaft exakt dazu passend geschliffen ist. (Es gibtauch Hülsen aus Teflon.) Apparaturen mit KPG-Rührern sind besonders sorgfältigaufzubauen. Motor- und Rührerachse müssen genau auf einer Linie liegen. Die Ver-schluß-Hülse ist, damit sie sich nicht mitdreht, an ihrem oberen Wulst anzuklammern.Um zu verhindern, daß der Rührer während der Montage nach unten rutscht und denKolbenboden zerschlägt, sichert man ihn durch Überziehen eines schmalen StücksGummischlauch. Der Zylinderschliff ist mit dünnflüssigem öl, zum Beispiel Silicon(nicht Vaseline oder Glycerin) zu schmieren. - Tourenzahlen über etwa 600 verlangenKPG-Rührer mit eingebauter Wasserkühlung; Abbildung 12c.

    Für geringere Ansprüche genügt eine einfache Gummischlauch-Rührdichtung, dieman sich nach Abbildung 12d aus einem zum Rohr verjüngten Kernschliff mit über-gezogenem Gummischlauch sowie einem Glasstabrührer selbst zusammenstellenkann. Das sehr kurze Schlauchende, das den Rührerschaft umschließt, wird inneneingefettet. Diese Dichtung zieht sich, wenn im Kolben ein Unterdruck entsteht,automatisch zusammen und ist daher bedingt vakuumfest. Sie hat den Nachteil, daßbei längerem Gebrauch Gummiteilchen abgetrieben werden.

    Magnetrühren

    Wenig viskose Flüssigkeit kann man eleganter mit dem Magnetrührer mischen; Ab-bildung 13a. Dieser besteht aus einem regelbaren Motor, auf dessen senkrecht stehen-

  • 20 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    der Achse oben ein Permanentmagnet montiert ist. Über dem Magneten befindet sicheine Platte, auf die man das Rührgefäß stellt. Als Rührer fungiert ein am Boden desGefäßes liegendes, durch Teflon-Überzug geschütztes Stück Magnetstab. - Erlen-meyerkolben und Bechergläser mit flachem Boden eignen sich am besten als Rühr-gefäße. Mit entsprechend kurzen Rührstäbchen oder spindelförmigen Rührkörpern(Abbildung 13b) kann man auch gut in kleineren Rundkolben arbeiten. - Magnet-rührer mit stufenweis regulierbarer elektrischer Heizung sind besonders praktisch.(Mit zwei Rührstäbchen lassen sich ein kleines Heizbad aus Glas und das Reaktions-gefäß gleichzeitig rühren.)

    Abb. 13 a) Magnetrührer und 500-ml-Erlenmeyerkolben mitRührmagnet; b) 100-ml-Kolben mit spindelförmigem Rühr-magnet

    Abb. 14 1-Liter-Weithalskolbenmit Vibromischer-Werkzeug

    Vibrieren

    Eine besonders intensive Durchmischung dünnflüssiger Systeme erreicht man mitdem „Vibro-Mischer", dessen Kupplung nicht rotiert, sondern mit der Frequenz desWechselstroms auf- und abschwingt. Das Arbeitswerkzeug besteht aus einem Stab,der in einer waagrechten Platte mit mehreren konischen Löchern endet; siehe Ab-bildung 14. Vibriert diese Platte, wird die umgebende Flüssigkeit nicht nur mit inSchwingungen versetzt, sondern gleichzeitig in einer Richtung durch die Löcher be-fördert, also umgewälzt. Zur Abdichtung gibt es Kernschliffe mit gelochter Gummi-scheibe. - Durch Werkzeuge, deren Schaft hohl ist, können Gase unterhalb der Platteeingeleitet und zu sehr kleinen Bläschen zerschlagen werden.

    Schütteln

    Sehr schwere Bodenkörper oder Unterphasen lassen sich durch Rühren kaum auf-wirbeln. Hier muß man das ganze Gefäß kräftig schütteln. - Bei einfachen Rückfluß-apparaturen erhält man dazu genügend Spielraum, wenn man lediglich den Kühleran seinem oberen Ende in einer nur halb geschlossenen Klemme hält und den Kolben

  • Schüttelmaschinen, Reaktionsgefaße mit mehreren Aufsätzen 21

    auf einen Korkring oder die Einsätze des Patent-Wasserbads setzt. Apparaturen mitmehreren Aufsätzen muß man zusammen mit dem Stativ umschwenken (vorher Be-festigungen der Apparaturteile überprüfen).

    Zum intensiven Schütteln über längere Zeit gibt es zahlreiche verschiedenartigemotorgetriebene Schüttelmaschinen, wie Schüttelstative, deren Stab sich um seineAchse hin- und herdreht, Holz- oder Metalltröge, die pendeln (für größere geschlos-sene Flaschen), und schließlich Modelle, in denen Schüttelgefaße komplizierterenSchlingerbewegungen ausgesetzt sind.

    Folgende Punkte sind bei der Benutzung von Schüttelmaschinen besonders zu be-achten:

    Nur solche Gemenge dürfen (in geschlossenen Gefäßen) geschüttelt werden, diekeinen Überdruck (durch Gasentwicklung oder exotherme Reaktion) entstehenlassen.

    Die Schüttelgefäße sind sorgfältig zu befestigen.Man verwende starkwandige Chemikalienflaschen, entweder mit Schraubdeckel

    oder mit durch Einbinden eines Stücks Vakuumschlauch elastisch verdrahtetemStopfen; siehe Abbildung 15a, b.

    Größere Schüttelmaschinen müssen, damit sie nicht wandern können, fixiertwerden.

    a b

    Abb. 15 a, b) Elastisches Absichern eines Schliffstopfens (Maßstab l: 4)

    Reaktionsgefäße mit mehreren Aufsätzen

    Auf den Abbildungen 16 bis 20 sind die wichtigsten, in dieser oder ähnlicher Formimmer wiederkehrenden Reaktionsapparaturen zusammengestellt. Es handelt sichdabei um Mehrhalskolben beziehungsweise solche mit Anschützaufsatz, die nebendem Rückflußkühler noch folgende Teilstücke tragen: Rührer, Tropfrichter, Gas-zuleitung und -ableitung, Tauchthermometer.

    Abbildung 16 stellt eine einfache Rührapparatur dar. Alle anderen zeigen zusätzlichEinrichtungen für die dosierte Zugabe flüssiger oder gasförmiger Substanzen. Einesolche Dosierung einer Reaktionskomponente ist wichtig: zur Steuerung exothermerUmsetzungen, zur Schonung solcher Ausgangsstoffe, die sich unter den Reaktions-bedingungen (Temperatur, pH, Gegenwart von Katalysatoren) leicht zersetzen und

  • 22 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    schließlich zur Zurückdrängung unerwünschter Nebenprodukte, die dadurch ent-stehen, daß sich der zweite Reaktionspartner mit dem ersten mehrfach umsetzt.

    Abb. 16 1-Liter-Kolben mit Anschütz-Aufsatz,Rückflußkühler und Rührer

    Tropftrichter

    Soll eine flüssige Reaktionskomponente zum Kolbeninhalt gegeben werden, benutztman einen Tropftrichter, dessen Grund typ Abbildungen 17a und 18 zeigen. Zur leich-teren Einregulierung kleiner Tropfgeschwindigkeiten empfiehlt es sich, das Hahn-küken so, wie es die Abbildung 24 K verdeutlicht, mit der Kante einer Feile anzu-ritzen. Wesentlich leichter läßt sich der Zulauf am Dosiertrichter einstellen und kon-stant halten; Abbildung 17b. Dieser hat an Stelle des Glashahns eine Spindelschraubeund außerdem ein Mariotte'sches Rohr, das die Ausflußgeschwindigkeit von derHöhe der überstehenden Flüssigkeitssäule unabhängig macht. Eine Variante desGrundmodells ist schließlich der Tropftrichter mit Druckausgleich', Abbildung 17c.Er kann bei Gebrauch fest verschlossen bleiben, ist also besonders für leicht flüchtige,giftige oder luftempfindliche Flüssigkeiten geeignet. (Beim Grundmodell schützt manfeuchtigkeitsempfindliche Flüssigkeiten durch Aufsetzen eines Trockenrohrs.)

    Um Bruchgefahr zu vermeiden, sollen die Tropftrichter am Stativ festgeklemmtwerden; das gilt besonders bei Füllung mit spezifisch schweren Flüssigkeiten (zumBeispiel konz. Schwefelsäure, Brom) und dann, wenn durch einen Rührmotor Schwin-

  • Tropftrichter und Gasapparaturen 23

    Abb. 17 a) l-Liter-Kolben mit einfachem Tropftrichter; b) 2-Liter-Kolben mit Dosiertrichter; c) Tropf-trichter mit Gasausgleich

    gungen entstehen können. Die Hahnküken sind (zumindest durch einen Gummiring)gegen Herausrutschen zu sichern.

    Portionsweises Eingießen direkt durch den Rückflußkühler ist nur in seltenen Fällenratsam. (Großen Trichter benutzen; Flammen löschen; darauf achten, daß nichts insHeizbad fließt I)

    Auf Abbildung 18 ist ein sogenannter Nitrierkolben (Sulfierkolben) dargestellt Der-artige konische Kolben benutzt man, wenn mehr als drei Hälse nötig sind. Der großezentrale Tubus (mit Übergangsstück) macht die Verwendung eines breiten festste-henden Rührers möglich. - Ein schliffloses Tauchthermometer kann in der beim Gas-einleitungsrohr geschilderten Weise (siehe Abbildung 20) eingesetzt werden.

    Gasapparaturen (Gasstahlflaschen)

    Sollen Gase lediglich über das Reaktionsgut geleitet werden, genügt ein zum Rohrverjüngter Kernschliff; siehe Abbildung 19, rechter Tubus. Eine solche Apparatur be-nutzt man speziell dann, wenn bei sehr luft-(feuchtigkeits-)empfindlichen Stoffen unterSchutzgas (Stickstoff, eventuell Kohlendioxid) gearbeitet werden muß.

  • 24 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    Abb. 18 3-Liter-Vierhalskolben(Nitrierkolben) mit Rückflußkühler,Rührer, Tropftrichter, Tauchther-mometer und Gasableitung

    Abb. 19 1-Liter-Kolbenmit Schlauchansätzenzum Überleitenvon (Schutz-)Gasen

    Abb. 20 Apparatur zum Einleiten von Gasen, bestehend ausl-Liter-Kolben mit Gaseinleitungsrohr E, 1-Liter-Sicherheits-gefäß Sl, Waschflasche W und Sicherheits-Waschflasche S 2

  • Gaseinleitung 25

    Sollen Gase durch das Reaktionsgut perlen, verwendet man nach Abbildung 2OEeinen zum Rohr verjüngten Kernschliff mit knapp passendem Innenrohr undSchlauchdichtung oder ein entsprechendes fertiges Einleitungsrohr mit Schliff. Willman das Gas sehr fein verteilen, läßt man es durch eine Tauchfritte (vergleiche Ab-bildung 2Ib) oder durch den hohen Schaft eines Vibro-Mischers (siehe S. 20) ein-strömen. Besteht die Gefahr, daß ausfallende Feststoffe das Einleitungsrohr ver-stopfen, ersetzt man dieses durch ein solches, dessen Mündungsende stark ausge-weitet ist, zum Beispiel ein gerades Calciumchloridrohr ohne Schliff.

    Entweichen können Gase durch den Rückflußkühler. Giftige Gase leitet man überden Schlauchansatz-Kernschliff und einen Kunststoffschlauch direkt in den Abzug-schacht; Abbildung 18 und 19.

    Das wichtigste Zusatzgerät zum Gas-Reaktionskolben ist die Waschflasche, einZylinder mit zwei oberen Schlauchanschlüssen, deren einer bis zum Boden verlängertist; Abbildung 20 W und S2. Sie dient — knapp zur Hälfte mit einer entsprechendenFlüssigkeit gefüllt - zur Reinigung (siehe S. 107) der Gase (W) oder (meist mit einemgrößeren Kolben an Stelle des Zylinders) in der Gegenrichtung durchströmt alsSicherheitsflasche (Sl und S2). Eine solche Sicherheitsflasche, die groß genug ist, dasgesamte eventuell zurücksteigende Flüssigkeitsvolumen aufzunehmen, muß jedemGefäß mit Tauchrohr - also auch den gefüllten Waschflaschen - vorgeschaltet sein!Es ist bei allen Waschflaschen und Sicherheitsflaschen darauf zu achten, daß sie rich-tig herum eingesetzt werden. - Waschflaschen sind als sogenannte Blasenzähler auchzur (meist notwendigen) Überwachung der Strömungsgeschwindigkeit nützlich. Ab-bildung 2Ia zeigt einen kleineren Blasenzähler mit dazugehöriger Sicherheitsflasche.- Die auf Abbildung 20 zusammengestellte einfachste Gaseinleitungsapparatur bildetden Grundstock für alle Anlagen dieser Art.

    a b c d e f

    Abb. 21 a) Blasenzähler (mit Sicherheitsgefäß); b) Waschflasche mit Glasfritte; c) Trocken türm; d) Bun-senventil; e) Tauchrohr-Ventil; O Strömungsmesser

    Einige weitere, in den Gasstrom einzuschaltende Hilfsmittel sind auf Abbildung21b-f aufgeführt: Die Waschflasche mit Glasfritte (b) bewirkt eine feinere Verteilung

  • 26 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    des Gases. - Der Trockenturm (c) wird zur Aufnahme körniger Trockenmittel (zumBeispiel Calciumchlorid) verwendet. (Das einfachere Trockenrohr hat zu geringeKapazität und würde deshalb bald verbacken.) - Das Bunsenventil (d) sichert dieApparatur gegen Überdruck. Es besteht aus einem T-Rohr mit einem kurzen, amEnde verschlossenen Stück Vakuumschlauch, das man mit einer scharfen Rasier-klinge 2 bis 3 cm längs aufgeschnitten hat. Dieser Spalt öffnet sich beim Überdruckund zieht sich bei Unterdruck zusammen. Für Wasserstoff ist das Bunsenventil nichtgeeignet, da dieser durch den Spalt diffundiert. - Das Tauchrohr-Ventil (e), ein T-Rohr,dessen einer verlängerter Schenkel in Wasser, Quecksilber (beachte die Hinweise aufS. 35 !), Alkylhalogenide (für Chlorwasserstoff) oder eine andere Sperrflüssigkeit ein-taucht, sorgt für konstanten Überdruck. Zur Einstellung läßt man das Gas so starkdurch das T-Stück strömen, daß ein Teil unten entweicht, und stellt dann den ge-wünschten Druck durch Änderung der Eintauchtiefe (in Abhängigkeit von der Dichteder Flüssigkeit) ein. - Beim Strömungsmesser (f) ist eine Kapillare als Drossel zwischendie Schenkel eines Wassermanometers eingebaut. Das Gerät muß für jede Gasartspeziell geeicht werden. Genauer, aber teurer sind die käuflichen Rotameter.

    Sicherheitsflaschen, Waschflaschen, Trockenturm und Tauchrohrventil sind anStative anzuklammern, Trockenturm und Trockenrohre auf gute Durchlässigkeit zuprüfen. Die Schlauchverbindungen sollen bei aggressiven Gasen aus Kunststoff be-stehen. Vor Anschluß der Gasquelle überzeuge man sich noch einmal, ob alle Teilerichtig (herum) eingebaut sind!

    Die meisten der im Laboratorium gebrauchten Gase werden von der Industrie inStahlflaschen geliefert. In diesen Hochdruckbehältern liegen die Gase -je nach ihrenkritischen Daten1 - entweder gasförmig, auf bis zu 200 bar komprimiert oder, beientsprechend geringerem Druck, verflüssigt vor. Jede Gasflasche ist mit einem Haupt-ventil verschlossen, an das zur Benutzung stets noch ein Reduzierventil angeschraubtsein muß, zumindest ein einfaches Kegel-Reduzierventil Diesem vorzuziehen, be-sonders für Permanentgase, ist das Druckminderventil, das automatisch den Druck-abfall in der Flasche ausgleicht. Es hat unten eine Einstellspindel, die eine sehr feineRegulierung der Strömungsgeschwindigkeit zuläßt. Dreht man diese Spindel im Uhr-zeigersinn, wird ein Verschlußkonus gegen den Eigendruck des Flascheninhalts an-gehoben und das Ventil geöffnet. Direkt vor dem Gasaustritt befindet sich ein wei-teres Absperrventil zur Unterbrechung des verminderten Gasstroms. Zwei Mano-meter zeigen den Fülldruck und den reduzierten Druck an. Das Niederdruckmano-meter darf nie unter dem vollen Druck der Flasche stehen. - Bei Nichtbenutzung mußdas Hauptventil geschlossen sein (ohne daß das Reduzierventil belastet ist).

    Um Verwechslungen zu vermeiden, ist die Gasart nicht nur mit Namen am Fla-schenhals eingeschlagen, sondern auch noch durch einen speziellen Farbanstrichgekennzeichnet. Dieser ist zum Beispiel für brennbare Gase rot. Außerdem sind dieSchraubgewinde zu den Reduzierventilen unterschiedlich dimensioniert. Flaschenmit brennbaren Gasen haben Linksgewinde. Acetylen wird in besonderen, gelb ange-

    1 Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie.

  • Arbeiten unter Druck 27

    strichenen Flaschen aufbewahrt, die Kieselgur enthalten und deren Ventile nicht an-geschraubt, sondern festgeklammert sind. Das Gas selbst ist in Aceton gelöst. - DieVentile von Sauerstoffflaschen dürfen nie gefettet werden; Explosionsgefahr durchAutoxidation! Alle stehenden Gasflaschen müssen durch eine Kette gegen Umfallengesichert sein! Außerdem sind die Flaschen möglichst vor Wärme zu schützen!

    Zugabe fester Stoffe

    Das Einbringen fester Substanzen in die geschlossene Reaktionsapparatur bereiteteinige Schwierigkeiten. Man sollte daher nach Möglichkeit versuchen, die Feststoffevorher in Lösung zu bringen oder im Kolben vorzulegen. Geht das nicht, schüttet mansie durch einen Pulvertrichter in den jeweils kurz geöffneten Tubus. (Vorsicht; Flam-men löschen; Abzug benutzen!) Muß unter Luft-(feuchtigkeits-)ausschluß gearbeitetwerden, verbindet man den freien Tubus des Mehrhalskolbens über ein entsprechendweites, nach unten abgeknicktes Schlauchstück mit einem kleinen Erlenmeyerkol-ben, der die feste Substanz enthält.

    Arbeiten mit Überdruck-Reaktionsgefäßen

    In den bisher geschilderten Apparaturen ist die Reaktionstemperatur nach obennaturgemäß durch die Siedepunkte der Reaktionskomponenten beziehungsweiseLösungsmittel begrenzt. Sind höhere Temperaturen erforderlich, muß in völlig ab-geschlossenen druckfesten Gefäßen gearbeitet werden. - Bei Umsetzungen, an denengasförmige Partner beteiligt sind, können Reaktionsgeschwindigkeit und Ausbeutevielfach durch Arbeiten unter erhöhtem Druck gesteigert werden.

    Bei jeglichem Umgang mit Druckgefäßen ist besondere Vorsicht geboten! Die speziel-len Schutzvorschriften sind genau zu beachten! Stets ist die Schutzbrille zu tragen! Vorjedem Versuch vergewissere man sich gewissenhaft über den bei der Umsetzung zuerwartenden Druck und informiere sich genau, welche Belastung der zu verwenden-den Apparatur zugemutet werden darf!

    Einschmelzrohre

    Will man kleinere Versuchsansätze bis zu etwa 20 ml auf Temperaturen erhitzen, beidenen keine sehr großen Überdrucke zu erwarten sind, kann man Einschmelzrohre(„Bombenrohre") verwenden. Diese sind aus einer speziellen Glassorte hergestellt,haben etwa eine Länge von bis zu 50 cm, Weite von 18 mm, Wandstärke von 3 mmund halten etwa 25 bar bei maximal 400 0C mit einiger Sicherheit aus.

    Die Einschmelzrohre werden durch einen Trichter, dessen langes Rohr bis zum Bo-

  • 28 Allgemeine Arbeitsanweisungen

    den reicht, höchstens zu einem Viertel mit Substanz gefüllt und dann vom Glasbläsermit dem Sauerstoffgebläse zu einer dickwandigen Kapillare ausgezogen und zuge-schmolzen (tiefsiedende Flüssigkeiten sind dabei in einem Bad zu kühlen); Abbildung22. Die Schmelzstelle soll langsam wieder abkühlen. Danach steckt man das Rohr sotief in den zugehörigen Stahlschutzmantel, daß seine Spitze noch etwa l bis 2 cm her-ausragt. (Gegebenenfalls muß dazu der Mantel entsprechend mit Sand aufgefülltwerden.)

    Abb. 22 Einschmelzrohr mit Stahl-Schutzmantel

    Das Erhitzen der so vorbereiteten Rohre in den „Bombenöfen" darf nur innerhalbdes dafür vorgesehenen Raums hinter Splitterschutzwänden vorgenommen werden.Die Öfen sind derart aufzustellen, daß ihr offenes Ende und damit die Spitze des Ein-schmelzrohrs etwas erhöht ist und zur Wand zeigt. So kann allmählich bis auf diegewünschte Temperatur angeheizt werden. Während des Betriebs kontrolliere manständig die Temperatur. (Auf richtigen Sitz des Thermometers achten!)

    Ist die Reaktion beendet, läßt man langsam völlig abkühlen. Erst dann erhitzt mandie abgeschmolzene Rohrspitze mit der Sauerstoff-Gebläseflamme (Mantelöffnungweiterhin zur Wand gerichtet lassen!), bis das Glas so stark erweicht, daß das unterDruck stehende Gas im Inneren die heiße Stelle aufbläst und ausströmt. Vorher darfdas Einschmelzrohr unter keinen Umständen weder aus dem Schutzmantel nochaus dem Schutzraum entfernt werden! Zur Entleerung wird der obere Teil des Rohrs,wie auf S. l beschrieben, abgesprengt. Das Rohr kann erneut benutzt werden.

    Es gibt auch Stahlschutzrohre, die mit einer gelochten Gewindekappe verschlossenwerden und so bei Explosion die Splitter abfangen.

    Autoklaven

    Sicherer für kleinere Ansätze, unumgänglich für größere sind Stahl-Autoklaven, diein zahlreichen Ausführungen von der Industrie angeboten werden. Abbildung 23zeigt einen l-Liter-Rührautoklaven (für maximal 325 bar und 35O0C) aus einem dick-wandigen Unterteil und einem fest verschraubten Deckel mit Thermometer-Innen-rohr, Rührachse, Absperrventil, Sicherheitsventil und Manometer. Durch das Ab-sperrventil kann über eine angeschraubte Stahlkapillare Wasserstoffoder ein anderesReaktionsgas eingedrückt werden. Geheizt wird von außen durch eine elektrischeAnlage mit automatischer Temperaturregelung. - Andere Modelle haben an Stelledes Rührers periodisch fallende Siebplatten, wieder andere rotieren um ihre schrägeLängsachse.

    Die Autoklaven dürfen nur zur Hälfte ihres Volumens gefüllt werden! Die Dich-

  • Autoklaven 29

    Abb. 23 Rührautoklav mit Thermometerrohr, Absperrventil, Sicherheitsventil und Manometer

    tungsränder sind sorgsam gegen jede Beschädigung zu schützen und vor dem Zusam-menbringen peinlich zu säubern. Zum Verschließen setzt man den Deckel behutsammit einem Differential-Flaschenzug auf und zieht dann die Bolzenschrauben kreuz-weise