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KLI NISCHE WOCHENSCH RI FT x. JAHRGANG. Nr. :6. :5. APRIL :9zz 0BERSICHTEN. DIE PRUFUNGSMETHODEN DER WUNDANTI- ziiglichen Wunde durch Anwesenheit eines antisepfisehen~:!Vfittels SEPTIKA IM TIEREXPERIMENT1). Von Prof. Dr. H. BRAUN, Abteilungsvorsteher am Hygienischen Institut tier Universit:it Frankfurt a. M. ,,Mag also jeder sein System, seine eigene Ansicht der Dinge haben, mag besonders der jiingere Arzt sich glfick- lich f/ihlen, in dem Besitz der neuesten und vollendetsteil Ansicht gekommen zu sein und alles schulgerecht dedu- zieren zu k6nnen, nur glaube keiner, dal3 er allein in dem Besitz der Wahrheit sei; er habe Achtung vor der Mei- nung anderer, und besonders ~,lterer durch Erfahrung ge-. reifter Arzte, under denke recht oft daran, daB, wer alles zu wissen glaubt, nur auf der ersten Stufe der Kunst steht, und dab der Anfang des Zweifelns, und die Erkenntnis dessen, was man nicht weil3, das sichere Kennzeichen und zugleich das einzige Mittel des Fortschreitens ist." C. W. HUFELAND, Enchiridion medicum, I836, S. 726--727. Es ist das Schicksal mancher therapeutischer Grunds~tze, dal3 sie zu bestimmten Zeiten allenthalben Anh~,nger und Ver- /echter fiilden, um zu andereil in den Hintergrund zu treten. Besonders h~,ufig ist es dann der Fall, wenn weder die Brauch- barkeit noch die Nutzlosigkeit des Verfahrens mit Sicherheit festgestellt ist. Das ist ja gerade der Grund daftir, dab solche therapeutisehen Mal3nahmen nach Perioden des Verfalls wieder ein neues Leben erhalten. Die Antisepsis ist ein Beispiel daffir. Nun vermag kaum auf einem anderen Gebiete die experi- mentelle Forschung, die unserem medizinisehen Zeitalter eigen ist, zur Klgrung und L6sung mehr beizutragen, als gerade hier in der Frage der Antisepsis. Wenn wir aber bedenken, welche Unzahl von Wund- antiseptika in den letzten Jahren auf den Markt geworfen und verwendet worden sind, und dal3 nur verh~Itnism~13ig wenige griindlieh experimentell durehforscht sind, so mul3 es uns wundernehmen, dal3 yon seiten der Chirurgen nicht die Notwendigkeit einer strengen tierexperimentellen Pri~]ung vor der Anwendung am Menschen gefordert wird. Natfirlich ist die conditio sine qua non die objektive Prfifung. Und da mul3 ich nun gestehen, dab yon seiten ein- zelner Untersueher und yon manchen indusfriellen Unter- nehmungen in Anpreisungen und l~bertreibungen der Wirk- samkeit der Wur/dantiseptika Bedeutendes geleistet wurde. Sehr h~ufig begnfigt man sich mit der Prfiiung im Reagens- glas. Man bestimmt die Verdfinnung des Desinfektionsmittels, in der es nach Ablaut bestimmter Zeiten in eiwefl3freien oder eiweiBhaltigen Medien die Mikroorganismen abzut6ten ver- mag. Wer aber die Fehlerquellen und Grenzen dieser Methodik kennt, weiB, dab solehe Angaben nur einen relativen often- tierenden Wert besitzen und fiir die Bewertung der Wirk- samkeit in der Wunde ungeeignet sind. Wir k6nnen die kom- plizierten, die Wirksamkeit der Mittel in der Wilnde beein- flussenden Verh~ltnisse begreiflicherweise im Reagensglase Ilicht nachahmen. Und noch em anderer wichtiger Gesichtspunkt ist zu bedenken. Ffir den Erfolg der Wund- desinfektion ist, wie schon im Jahre ~878 HANS BVC~NER~) betont hat, die AbtStung der Erreger durch das Desinficiens nicht unbedingt notwendig. Die Hemmung der Entwicklung kann geniigen, um Heilung zu erm6glichen. ,,Denn es ist ffir den Zusfand einer VVunde offenbar gleichgflltig, ob gar keine oder einige wenige oder ob Milliarden yon Pilzen in ihr sich finden, wenn n~mlich die chemischen Bedingungen in der be- 1) Nach einem in' der Vereinigung Frankfurter Chirurgen am i6. II. x92~ gehaltenen Vortrage. ~) t~ber die Theorie der antiseptischen Wundbehandlung. Dtsch. Zeitschr. f. Chirurg. 10, S. 9~. x878. in geh6riger Konzentration derartige sind, dal3 die vorhandenen Prize aul3erstande bleiben, Lebenst~tigkeit zu ~ul3ern und dadurch den Geweben nachteilige Wirkungen hervorzubringen. In diesem Falle haben die Prize keine andere Bedeutung, als irgendwelche unschgdliche St~ubchen, die zuf~llig auf eine Wunde gelangen und dieselbe verunreinigen." Die wunderbare Heilkraft des Wundgewebes, die Auto- antiseptik, welche BIER und seine Mitarbeiter zu steigern und ftir die Behandlung der Wundinfektionskrankheiten nutzbar zu machen sich bemiihen, ist ein m~chtiger Heilfaktor. In der eben erw~hnten Arbeit des genialen BUCHNER wird bereits mit der Autoantiseptik gerechnet, wenn er sagt: ,,Die eingedrungenen Pilze werden, wenn es wenige und nieht besonders gefi4hrliche sind, dutch die st~rkere Lebenst~tigkeit de r rings umgebenden tierischen Zellen leicht flberwunden und get6tet.' Es handelt sich bei der Behandhng der ~ilfizierten Wunde nicht nut um die Bek~mpfung der Erreger, sondern auch um die Beseitigung der eigentlichen Krankheit, n~mlich der infizierten Wunde. Diese ist zu behandeln. Das kann theoretisch entweder dutch die Ausschaltung der Lebens- t~tigkeit des Angreifers oder durch die Erh6hung des Wider- standes des Angegriffenen, am siehersteil wohl durch Kom- binatioil beider Verfahren geschehen. Diese Tatsachen, die i~h bier nut andeuten konnte, zwingeil uns zur Aufstellung des Grundsatzes, dab nur die tierexperimenteUen Pri~]ungs- methoden die Grundlage der Bewertung der Wunddesin/ek= tionsmittel bilden kSnnen. Wie sollen nun die Wundantiseptika im Tierexperiment ge- pri~]t werden.~ Fiir die Wahl der Me• sind die Ansprfiche, die an das Wunddesinfektionsmittel gestellt werden, von aussehlag- gebender Bedeutung. Das Ideal eines Wundantiseptikums w~re ein Stoff, der ohne den K6rper zu sch~digen, die viru- lenfesten Keime und die widerstandsf~higsten Erreger bei aus- gebrochener Wundinfektionskrankheit im Gewebe abzut6teil verm6chte, und der die in die Blutbahn gelangten und dort sich vermehrenden Mikroorganismen zu vernichten imstande w~re. Dies w~re eine umfassende Therapia sterilisans magila. Leider besitzen wir einen solehen Stoff nicht, uild diese Thera- pla sterilisans magna bleibt auf lange, wenn nicht ffir immer, ein frommer Wunsch. Wir mfissen also in unseren Ansprfichen bescheidener sein. Der experimentierende Bakteriologe dart dem Chirurgen nicht zu viel versprechen, und der Chirurg dart vom Experimentator nieht Unm6gliches verlangen. Es wird abet meiner Meinung nach auf beiden Seiten gelegentlieh schwer gesiindigt. Wir rnfissen folgende Grade der Wirksamkeit der Desin- fektionsmittel unterscheiden und prtifen: i.-Die p~ophylaktische Wirkung: Das Mittel ist imstande, in die Wunde gebraeht, bei naehfolgender Infektion derselben die Krankheit zu verhindern. 2. Prdventive Wirkung: Das Desinficieils ist f~hig, den Ausbruch der Krankheit zu verhindern, wenn es naeh erfolgter Infektion in die Wunde gelangt: 3. Lokaltherapeutische Wirkung: Das Antiseptikum ist; in die Wunde appliziert, imstallde, die ausgebrochene fort- schreitende Wundinfektionskrankheit zum Stillstand und zur Heitung zu bringen. 4. Altgemeintherapeutische Wirkung (chemotherapeutische im Sinne EHRLICHS): Das Chemikale ist imstande, der In- fektion im Wundgewebe, in der Blutbahn und in den Organen Einhalt zu tun und sie zu heilen. Die Einverleibutag des Chemo- therapeutikums kann an einer der Wunde fernliegenden Stelle subcutan, intramuskul~r, intraven6s erfolgen: Ein Stoff, der allgemeintherapeutische Wirkungen besitzt, wird gegebenenfalls auch !okaltherapeutische, ,preventive und Klinische Wochenschrift, x. Jahrg. 5 !

Die Prüfungsmethoden der Wundantiseptika im Tierexperiment

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KLI NISCHE WOCHENSCH RI FT x. J A H R G A N G . Nr. : 6 . :5 . A P R I L : 9 z z

0BERSICHTEN. D I E P R U F U N G S M E T H O D E N D E R W U N D A N T I - ziiglichen Wunde durch Anwesenheit eines antisepfisehen~:!Vfittels

S E P T I K A I M T I E R E X P E R I M E N T 1 ) .

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Prof. Dr. H. BRAUN, Abteilungsvorsteher am Hygienischen Insti tut tier Universit:it Frankfurt a. M.

,,Mag also jeder sein System, seine eigene Ansicht der Dinge haben, mag besonders der jiingere Arzt sich glfick- lich f/ihlen, in dem Besitz der neuesten und vollendetsteil Ansicht gekommen zu sein und alles schulgerecht dedu- zieren zu k6nnen, nur glaube keiner, dal3 er allein in dem Besitz der Wahrheit sei; er habe Achtung vor der Mei- nung anderer, und besonders ~,lterer durch Erfahrung ge-. reifter Arzte, under denke recht oft daran, daB, wer alles zu wissen glaubt, nur auf der ersten Stufe der Kunst steht, und dab der Anfang des Zweifelns, und die Erkenntnis dessen, was man nicht weil3, das sichere Kennzeichen und zugleich das einzige Mittel des Fortschreitens ist."

C. W. HUFELAND, Enchiridion medicum, I836, S. 726--727.

Es ist das Schicksal mancher therapeutischer Grunds~tze, dal3 sie zu best immten Zeiten allenthalben Anh~,nger und Ver- /echter fiilden, um zu andereil in den Hintergrund zu treten. Besonders h~,ufig ist es dann der Fall, wenn weder die Brauch- barkeit noch die Nutzlosigkeit des Verfahrens mit Sicherheit festgestellt ist. Das ist ja gerade der Grund daftir, dab solche therapeutisehen Mal3nahmen nach Perioden des Verfalls wieder ein neues Leben erhalten.

Die Antisepsis ist ein Beispiel daffir. Nun vermag kaum auf einem anderen Gebiete die experi-

mentelle Forschung, die unserem medizinisehen Zeitalter eigen ist, zur Klgrung und L6sung mehr beizutragen, als gerade hier in der Frage der Antisepsis.

Wenn wir aber bedenken, welche Unzahl von Wund- antiseptika in den letzten Jahren auf den Markt geworfen und verwendet worden sind, und dal3 nur verh~Itnism~13ig wenige griindlieh experimentell durehforscht sind, so mul3 es uns wundernehmen, dal3 yon seiten der Chirurgen nicht die Notwendigkeit einer strengen tierexperimentellen Pri~]ung vor der Anwendung am Menschen gefordert wird.

Natfirlich ist die conditio sine qua non die objektive Prfifung. Und da mul3 ich nun gestehen, dab yon seiten ein- zelner Untersueher und yon manchen indusfriellen Unter- nehmungen in Anpreisungen und l~bertreibungen der Wirk- samkeit der Wur/dantiseptika Bedeutendes geleistet wurde.

Sehr h~ufig begnfigt man sich mit der Prfiiung im Reagens- glas. Man best immt die Verdfinnung des Desinfektionsmittels, in der es nach Ablaut best immter Zeiten in eiwefl3freien oder eiweiBhaltigen Medien die Mikroorganismen abzut6ten ver- mag. Wer aber die Fehlerquellen und Grenzen dieser Methodik kennt, weiB, dab solehe Angaben nur einen relativen often- tierenden Wert besitzen und fiir die Bewertung der Wirk- samkeit in der Wunde ungeeignet sind. Wir k6nnen die kom- plizierten, die Wirksamkeit der Mittel in der Wilnde beein- flussenden Verh~ltnisse begreiflicherweise im Reagensglase Ilicht nachahmen. Und noch em anderer wichtiger Gesichtspunkt ist zu bedenken. Ffir den Erfolg der Wund- desinfektion ist, wie schon im Jahre ~878 HANS BVC~NER~) betont hat, die AbtStung der Erreger durch das Desinficiens nicht unbedingt notwendig. Die Hemmung der Entwicklung kann geniigen, um Heilung zu erm6glichen.

,,Denn es ist ffir den Zusfand einer VVunde offenbar gleichgflltig, ob gar keine oder einige wenige oder ob Milliarden yon Pilzen in ihr sich finden, wenn n~mlich die chemischen Bedingungen in der be-

1) Nach einem in' der Vereinigung Frankfurter Chirurgen am i6. I I . x92~ gehaltenen Vortrage. ~) t~ber die Theorie der antiseptischen Wundbehandlung. Dtsch. Zeitschr. f. Chirurg. 10, S. 9~. x878.

in geh6riger Konzentration derartige sind, dal3 die vorhandenen Prize aul3erstande bleiben, Lebenst~tigkeit zu ~ul3ern und dadurch den Geweben nachteilige Wirkungen hervorzubringen. In diesem Falle haben die Prize keine andere Bedeutung, als irgendwelche unschgdliche St~ubchen, die zuf~llig auf eine Wunde gelangen und dieselbe verunreinigen."

Die wunderbare Heilkraft des Wundgewebes, die Auto- antiseptik, welche BIER und seine Mitarbeiter zu steigern und ftir die Behandlung der Wundinfektionskrankheiten nutzbar zu machen sich bemiihen, ist ein m~chtiger Heilfaktor. In der eben erw~hnten Arbeit des genialen BUCHNER wird bereits mit der Autoantiseptik gerechnet, wenn er sagt:

,,Die eingedrungenen Pilze werden, wenn es wenige und nieht besonders gefi4hrliche sind, dutch die st~rkere Lebenst~tigkeit de r rings umgebenden tierischen Zellen leicht flberwunden und get6tet.'

Es handelt sich bei der Behandhng der ~ilfizierten Wunde nicht nut um die Bek~mpfung der Erreger, sondern auch um die Beseitigung der eigentlichen Krankheit, n~mlich der infizierten Wunde. Diese ist zu behandeln. Das kann theoretisch entweder dutch die Ausschaltung der Lebens- t~tigkeit des Angreifers oder durch die Erh6hung des Wider- standes des Angegriffenen, am siehersteil wohl durch Kom- binatioil beider Verfahren geschehen. Diese Tatsachen, die i~h bier nut andeuten konnte, zwingeil uns zur Aufstellung des Grundsatzes, dab nur die tierexperimenteUen Pri~]ungs- methoden die Grundlage der Bewertung der Wunddesin/ek= tionsmittel bilden kSnnen.

Wie sollen nun die Wundantiseptika im Tierexperiment ge- pri~]t werden.~

Fiir die Wahl der Me• sind die Ansprfiche, die an das Wunddesinfektionsmittel gestellt werden, von aussehlag- gebender Bedeutung. Das Ideal eines Wundantiseptikums w~re ein Stoff, der ohne den K6rper zu sch~digen, die viru- lenfesten Keime und die widerstandsf~higsten Erreger bei aus- gebrochener Wundinfektionskrankheit im Gewebe abzut6teil verm6chte, und der die in die Blutbahn gelangten und dort sich vermehrenden Mikroorganismen zu vernichten imstande w~re. Dies w~re eine umfassende Therapia sterilisans magila. Leider besitzen wir einen solehen Stoff nicht, uild diese Thera- pla sterilisans magna bleibt auf lange, wenn nicht ffir immer, ein frommer Wunsch. Wir mfissen also in unseren Ansprfichen bescheidener sein. Der experimentierende Bakteriologe dart dem Chirurgen nicht zu viel versprechen, und der Chirurg dart vom Experimentator nieht Unm6gliches verlangen. Es wird abet meiner Meinung nach auf beiden Seiten gelegentlieh schwer gesiindigt.

Wir rnfissen folgende Grade der Wirksamkeit der Desin- fektionsmittel unterscheiden und prtifen:

i . -Die p~ophylaktische Wirkung: Das Mittel ist imstande, in die Wunde gebraeht, bei naehfolgender Infektion derselben die Krankheit zu verhindern.

2. Prdventive Wirkung: Das Desinficieils ist f~hig, den Ausbruch der Krankheit zu verhindern, wenn es naeh erfolgter Infektion in die Wunde gelangt:

3. Lokaltherapeutische Wirkung: Das Antiseptikum ist; in die Wunde appliziert, imstallde, die ausgebrochene fort- schreitende Wundinfektionskrankheit zum Stillstand und zur Heitung zu bringen.

4. Altgemeintherapeutische Wirkung (chemotherapeutische im Sinne E H R L I C H S ) : Das Chemikale ist imstande, der In- fektion im Wundgewebe, in der Blutbahn und in den Organen Einhalt zu tun und sie zu heilen. Die Einverleibutag des Chemo- therapeutikums kann an einer der Wunde fernliegenden Stelle subcutan, intramuskul~r, intraven6s erfolgen:

Ein Stoff, der allgemeintherapeutische Wirkungen besitzt, wird gegebenenfalls auch !okaltherapeutische, ,preventive und

Klinische Wochenschrift, x. Jahrg. 5 !

Page 2: Die Prüfungsmethoden der Wundantiseptika im Tierexperiment

762 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

prophylaktische Wirkung zeigen k6nnen. Ein lokal• peutisch brauchbares Mittel wird es aueh pr~iventiv und pro- phylaktisch sein; ein pr~iventiv wirksames Mittel ist auch prophylaktisch anwendbar, abet in umgekehrter Reihenfolge muB es natfirlich nicht gelten. Das wird nicht immer streng beachtet. Ein Mittel kann eine gute pr~tventive Wirkung zeigen und doch therapeutisch unbrauchbar sein. Von Heft- versuchen darf auch nur dann gesprochen werden, wenn die ausgebroehene Krankheit beseitigt worden ist. Diese strenge Auseinanderhaltung ist unbedingt notwendig, wenn nicht Verwirrung und Irreffihrung eintreten sollen.

AuBerdem ist es nbtig, festzustellen:

a) Ob die Wirkung nur auf flatten Schnittwunden oder auch auf nekrot~schen, z.B. ~tzwunden, nachweisbar ist;

b) ob sie auf Hautmuskelwunden oder Gelenkwunden usw. zu beobachten ist;

c) ob das Mittel nur zur Oberfliichendesinfektion oder auch zur Tiefenantisepsis verwendbar ist, und

d) gegen welche Wundinfektionserreger es wirksam und gegen welche es unwi~ksam ist.

Lassen sich nun diese Pri~]ungen am Tiere mit der ndtigen Exaktheitdurch]iihren? Ich darf einen nnvollst~ndigen ge- schichtlichen AbriB der tierexperimentellen Forschung dieser Frage, nur der wichtigsten Arbeiten gedenkend, geben. Wet Ausfiihrliches aus der Geschichte der Antisepsis erfahren will, der lese das Werk tiber Wundbehandlung yon CONRAD BRU~NERX). Er wird viel lernen und hohen GenuB haben.

I n seiner beriihmten Arbeit aus dem Jahre 1878 fiber die &tiologie der Wundinfektionskrankheiten zeigte ROBERT KOCI~), dab es m6glich ist, bei kleinen Tieren, Hausm~usen, FeldmAusen und bei Kaninchen mit faulenden Fliissigkeiten, in welchen er auch Kettenkokken Ilachweisen konnte, alle die Wundinfektionskrankheiten zu erzeugen und yon Tier zu Tier welter zu fibertragen, die wir beim Menschen kennen: AbsceB, Erysipel, Py~mie und Sepsis. Durch diese KOcHschen Untersuchungen sind also bereits die Grundlagen zur tier- experimentellen Prfifung der Wundantisept ica geschaffen worden.

Die ersten exakten Untersuchungen t iber die Wirkung der Wunddesinfektionsmittel im Tierexper iment s tammen aus dem Jahre 1893 yon C. SCHIMMI~LBUSCH~). SCHIMMELBUSCH untersuchte, ob frisch mit Milzbrandbacillen infizierte Schnitt- wunden, die er am Schwanz weil3er M~use angelegt hatte, mit Carbols~ure, Sublimat und anderen damals gebr~uch- lichen Antisepticis desinfizier~ werden k6nnen, und wies nach, dab es selbst bei der energischesten Anwendung dieser Mittel nicht m6glich war. Die Ursache ftir das Versagen Iand er darin, dal3 die Bakterien in auBerordentlich kurzer Zeit aus der Wunde in die Blutbahn gelangen. Amputier te er nf~mlich den Schwanz der Maus, welt yon der Infektions- stelle entfernt, IO Minuten nach der Infektion, so starb das Tier t rotzdem an Milzbrand. Es muBten also schon wAhrend dieser, kurzen Zeit Krankheitserreger in die Blutbahn gelangt sein. Selbst wenn es inzwischen gelungen ware, die Keime in der Wunde abzut6ten, war das Tier t rotzdem verloren, denn der Milzbrandbacillus ist ein fiir MAuse h6chst virulenter SeptikAmieerreger. Analoge Resul tate erhielt SCHIMMEL- BUSCI~ in Versuchen mit einem ffir Kaninchen besonders viru- lenten Streptokokkenstamm, der bei diesen Tieren in kiirzester Zeit SeptikAmie hervorrief. In einer besonderen Untersuchung stellten SCHIMMELBUSCH und RICKER~) lest, dab die schnelle Resorption der Keime yon der Wunde auch bei saprophy- tischen Bakterien eintritt. Es gelang ihnen, wenn sie z . ]3. Hefezellen, Pilzsporen, Wurzelbacillen auf die Wunden brachten, diese Mikroorganismen nach einiger Zeit kulturell in den Organen nachzuweisen. Diese grundlegenden Ver-

*) Handbuch der Wuudbehandlung. Neue Deutsche Chirurgie 20. I916. ~) Gesammelte Werke yon R. KOCH, herausgegeben yon SCHWALBE, GAFFIKY, PFUHL" I912. ~) Verhandlungen der Deutscheu GeseUschaft fiir Chirurgie x893, zweiundzwanzigst~ KongreB, mad x894, dreiu.ndzwanzigster KongreB. *) Ltber Desiufektion septisch infizierter Wunden. Fortschr. d. Med. !$. I895. - - Ober Bakterienresorption friseher Wuuden. Fortschr. d. Med. 13. I895.

R I F T . I. J A H R G A N G . Nr. 16 xb. APRiLt9~2

suche wurden vielfaeh als Beweis daffir angefiihrt, dab eine Wunddesinfektion zwecklos sein muB. SCHINMELBUSCH selbst sagt darfiber Iolgendes:

,,Es mag auf den ersten Blick so seheinen, als ob mit dem Beweis schneller Bakterien-Resorption auf frischen Wunden fiber alle Lokal- therapie derselben der Stab gebrochen sei. Es ist jedoch durchaus nicht so. Die Aufnahme von Keimen wird naturgem~iS eine durch- aus versehiedene Wirkung haben, je nachdem es sieh um pathogene oder um saprophyt~re, um hochvirulente oder abgeschw/ichte han- delt. Es ist bekannt, dab Eitererreger und flberhaupt Organismen, welche lokal im Kbrpergewebe vorzfiglich proliferieren und schwere Erkrankungen und den Tod durch ihre progressive Wirkung herbei- ffihren, in gewissen Mengen im Kreislauf schadlos bei den gleichen Tieren eingeftihrt werden k6nnen. Bei septischen hochvirulenten Keimen, bei welchen die Anwesenheit eines Bacillus oder Kokkus genfigt, nm die t6tliche Erkrankung herbeizufiihren, da ist, wie Versuche gezeigt haben, auch die Aufnahme dieses I~eimes in den Blutkreislauf identisch mit dem Exitus des Tieres. Je weniger ein Keim einer bestimmten Bakterienart im Blute eines Tieres Schaden zu stiffen vermag, um so weniger bedeutet such seine Aufnahme."

Man wird such heute diesen Worten durchaus beipflichten. Ffir die hier von uns behandelte Frage der Prtifungsmethoden der Wundantiseptika ist es wichtig, festzustellen, dab die Wundinfektion der Tiere mit Milzbrandbacillen und mit hochvirulenten Streptokokken als Prtifungsmethode geeignet w~re nur ftir solche Stoffe, die allgemeintherapeutische "vVir- kungen bes~Ben, Chemotherapeutlka im Sinne EHRLICHS w~iren.

Da wit solche hochwirksamen Antiseptika gegen die Wundinfektionserreger nicht besitzen, sind wir gen6tigt, ftir die Prfifung am Tiere Erkrankungen yon geringerer GefAhr- lichkeit, nAmlich LokaIinfektionen, zu wlihlen.

Lassen sich solche mit Regelm~13igkeit im Tierexperiment erzielen ?

In den auf die Mitteilung SC~tlMMELBUSCI~S folgenden Jahren sind einige tierexperimentelle Arbeiten erschienen, die sich der Streptokokken und Staphylokokken sis Wundinfek- tionserreger bedienten. Einige (REIct~EL1), HAENEL~) ka- men zu dem SchluB, dab such bei diesen Infektionserregern die Desinfektion mit Sublimat und Carbols~ure ohne nach- weisbaren EinfluB auf den Krankheitsablauf ist. Andere wieder glaubten, einen sicheren Erfolg der antiseptischen Be- handlung erwiesen zu haben (MEssNERa), HENLE4)). Hier soll nur die Frage behandelt werden, ob die yon diesen Au- toren benutzten Methoden zur systematischen Prtifung der Wundantiseptika brauchbar sind. Die Autoren infizierten Kaninchen entweder mit einem Staphylokokken- oder Strepto- kokkenhaltigen Menscheneiter oder mit Kulturen dieser Mikroorganismen. Es wurden an diesen Tieren Phlegmonen, Abscesse und auch Erysipel (am Ohr) erzeugt. Nun sind diese Wundinfektionserreger ffir Kaninchen in sehr verschiedenen Graden virulent. Stb.mme, die nur lokale Wundinfektionen erzeugen, sind nicht h~iufig, und die Empfiianglichkeit der ein- zelnen Tiere ist nicht gleichm~iBig. Schon aus diesen Grfinden ist die gew~hlte Versuchsanordnung ffir vergleichende PrA- lung der Antiseptica wenig geeignet.

Von grundlegender Bedeutung ist die Arbeit yon ~FRIED- RICHb) aus dem Jahre 1898. Sie soil hier nieht in ihrer ganzen Tragweite ffir die Frage der Antisepsis gewfirdigt werden, son- dern nur insoweit sie far die Prfifungsmethodik der Anti- septica yon Wichtigkeit ist.

Von der allt~glichen ~irztlichen Erfahrung,-dal3 die einer Verletzung gelegentlich folgende Infekfion sict{ zunAchst als eine rein 6rtliche Erkrankung zu erkennen gibt, ausgehend, stellte er sich die Aufgabe, experimentell zu untersuchen:

1. Wie lange bedarf das infektionsverd~chtige, in die Wunde gelangte Material bis zur Entwieklung der in demselben enthaltenen Keime und damit bis zum wirklichen Ausbruch der bakteriellen Infektion und

x) Zur/~tiologie und Therap~e der Eiterung, Arch. f. klin. Chirurg. 49, 564. I895. ~) Zur Frage der Desinfektionsf~ihigkeit der Wundem Dtsch. reed. Wocheuschr. 21. 126. I895. ~) Experimentelle Studien fiber die Wundbehandlung bei infizierten Wundeu. Ver- handl, d. dtseh. Ges. f. Chirurg. 1894. 23. Kongreg. ~) 13bet Desinfektiou frischer Wunden. Arch. f. klln. Chinarg. 19, 835. x895. ~) Die aseptlsche Versorgung frischer Wuuden. Unter Mitteilung yon Tierversuchen fiber die Auskeimungszeit yon Infektionserregern in frischen Wunden. Arch. f. kliu. Chirurg. 87, 288. I898.

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2. wie lange bleibt diese Wundinfektion ein 5rtlicher ProzeB.

FRIEDRICX schreibt: ,,Will man zun/~chst m6glichst die bei der Wundinfektion (des Menschen) vorliegenden Infektions-Bedingun- gen nachahmen, so muB er~tens ein Infektionsmaterial gew~hlt werden, welches gleichm~iBig zur Allgemeininfektion eines Tier- k6rpers ifihrt; es muB zweitens dieses Infektionsmaterial nicht den Charakter einer sorgsam gepflegten Reinkultur mit unter Umst~in- den khnstlich gesteigerter Virulenz besitzen, dari nicht der Ziichtung im Brutofen entstammen, sondern muB noch die Bedingungen, wie sie in der AuBenwelt gegeben sind, in sich tragen. Drlttens muI3 eine Tierspezies gew/~hlt werden, welche eine gleichm/il3ige Empf&ng- lichkeit fflr das betreifende Virus zeigt"

�9 Ffir die Infektion w~ihlte er Staub und Gartenerde, die Each den Untersuchungen PASTEURS u n d ROBERT KOCHS bei Meerschweinchen und M~iusen eine t6dliche Wund- infektionskrankheit, in erster Linie durch den Bacillus des maligner 0dems, mit typischem pathologisch-anatomischem Befund bedingen.

Durch einen scharfen Hautschnitt wurde der Musculus triceps brachii freigelegt. In diesen wurde ein L/ingsschnitt gemacht und Gartenerde oder Treppenstaub eingebracht in der MeRge, als auf eine Platin6se von 3 mm Durchmesser aufzuladen ist. Die Muskel- wunde wurde darfiber durch drei Seitenn~hte geschlossen, darnach die Hautnaht angelegt. Die Tiere erlagen der Erdinfektion inner- halb 48-73 Stunden, der Staubiniektion durchschnittlich innerhalb 45 Stunden. Die Infektion verlief unter dem Bride des maligner 0dems. Bereits nach lO--12 Stunden konnten gelegentlich, meist erst um die z6. Stunde Bakterien in inneren Organen nachgewiesen werden. Keines der staub- oder erdinfizierten Tiere blieb am Leben. Vereinzelt fielen Tetanustiere dazwischen.

Durch sorgf~iltige histologische und kulturelle Untersuchung stellte FRIEDRICH lest, dab die Wueherung der Bakterien ira Muskelgewebe erst zwischen der 6. bis 8. Stunde beffinnt. Das ist also die Inkubationszeit dieser Infektion. Es gelang ihm, wie bekannt, durch exakte Anfrischung des Wundgebietes I - - 2 m m i m Gesunden bis zur 6. Stunde nach der Infektion vor der Allgemeininfektion an malignem 0dem zu schfitzen. i)ber die Bedeutung dieser therapeutischen MaBnahme wollen wir hier nicht welter sprechen.

Wichtig sind seine Ausfiihrungen fiber die Desinfektions- mittel. Er konnte sieh yon der Wirkung einzelner (er nennt als Beispiel nur das Jodoform) fiberzeugen, meint aber, sie leisten nicht mehr, ja die meisten nicht das gleiche als die Einleitung einer mehr weniger das Wundgebiet offenhaltenden Wundbehandlung. Er fordert, ,,dab jedes Desiniektions- mittel tierexperimentell in ersch6pfender Weise und wom6g- ]ich in Beziehungen auf die verschiedenen Keimspezies fiir sich als ffir Keimgemische einer Prfifung zu unterziehen sei." ,,Die Wirkung aller jener Mittel ist zwar eine oft unter sich verwandte, aber keineswegs gleiehm~Bige. Schon ihr Che- mismus zu dem der Organzelle, ihr Di.ffusionskoeffizient, die osmotischen Wid6rst~nde des Infektionsmaterials sind Fak- toren, die eine klare Einsicht in den Komplex der Vorg~nge fiberaus erschweren."

Bevor wir auf die Besprechung dieser wichtigen Arbeit eingehen, m6chten wir zun~chst einige Ver6ffentlichungen erw/ihnen, die sich der FRIEORICI~sehen Methodik oder einer Ab~nderung derselben zur Prti iung der Wunddesinfektions- mittel bedienten und in bezug auf die Wirksamkeit der Anti- septica zu einer anderen Bewertung derselben gekommen sind aIs ~'RIEDRICH.

Zun~ichst ist die Arbeit y o n SUTER 1) (19o7) fiber den Peru- balsam als Heilmittel zur Wundbehandlung erwiihnenswert.

Er verwendete Perubalsam sowohl gleichzeitig, wie auch 6--12 Stunden Each der Erdinfektion der Meerschweinchen. Er injizierte die Erde unter die Rfickenhaut oder schuf eine Haut- tasehe, die er mit Erde ausftillte and vern/ihte. Nach verschiedener Zeit entfernte er sie mechanisch und brachte Perubalsaln in die \Vunde.

Er meier, dab ihm mit Perubalsam dasselbe gelungen ist, was FRIEDRICI-I mit seiner Anfrischungsdesinfektion. Die Behandlung mit Perubalsam schfitzt gegen die Erkrankung an malignem Odem, nicht dagegen gegen Tetanus. Besonders: beachtenswert scheint mir an diesen Untersuchungen SUT~R S

R I F T . i. J A H R G A N G . Nr. ~6 763

die Tatsache zu sein, dab ein Antiseptieum sieh in* lebenden Organismus brauchbar erweist, trotzdem es nut eine geringe balcterient6tende Fdhigkeit im Reaqensglase au/weist.

Die zweite Arbeit, die sich der Methodik FRIEDRIC~S bediente, ist die yon LEBSCHE1). Er folgte zum Tell der Ver- suchsanordnung yon FRIEDRIC~, zum Tell injizierte er die Gartenerde subcutan. Als Antisepticum verwendete er in erster Linie die Jodtinktur. LEBSCHE gelangt zu dem SchluB, dab die Jodtinktur gegen die Erdin/ektion gute Dienste leistet und nieht nur maliffnes Odem, sondern aueh Tetanus zu vet- Miter imstande ist. Auch sie ist nur innerhalb der ersten 6 Stupider naeh der In]ektion wirksam und versagt sp~iter. LEBSC~E weist in seiner Arbeit auf die Anregung des Zell- lebens der Wunden durch die Jodt inktur und auf die schne]l einsetzende Leukocytose bin. Dieser kfinstlichen Entzt indung schreibt er eine wichtige Rolle beim Heilungsproze6 zu.

Besonders umfassende u n d wiehtige Versuche mit einer modifizierten FRIEDRICH schen Methodik ver6ffentlichten in den Jahrcn 1916--1918 CONRAD BRUNNER, V, GONZEI~- BACt~ und RITTXR2). Sie untersuchten Jodalkohol, Jodtink- tur, DAKIN sehe L6sung und verschiedene Pulverantiseptica, wie ]odoform, Airol, Vioform und andere.

Die Autoren weisen zim~chst darauf hin, was methodisch besonders wichtig ist .... dab Erde und Erde verschieden ist". Die Qualit~t und Virulenz der Bakterien ist an verschiedenen Orten eine verschiedene. Es k6nnen .von den pathogenen Keimen in den Erdproben sich finden: Tetanusbacillen, Ba- cillen des malignen 0denas, Gasbrandbakterien, Colibacillen, gelegentlich auch Milzbrandbacillen. Dazu kommt die variable Quanti t~t der pathogenen Keime. Deshalb ist es nStig, dab stets die mindestt6dliche Dosis der Erde bestimmt wird, und dab die Qualit~t der Keime durch bakteriologische Unter- suchung Iestgestellt wird. Von Bedeutung ist auch das die Bakterien umhfillende Medium, welches in 15hysikalischer und chemischer Hinsicht ebenfalls sehr variabel ist. Es ist z. B. yon Wichtigkeit Ifir die Wundinfektion, ob die Erde in groBen oder kleinen Klfimpchen vorhanden ist, ob sie feucht oder trocken ist.

Als Vorsuchstier wurde ausschlieBlich das Meerschweinchen gew~ihlt.

Die Technik ist die folgende: Es wird ein 3~4 cm langer Schnitt am Rficken gemacht, wo die Wunde am saubersten bleibt und Collo- diumverb~nde am wenigsten abgestreift werden. Ein genau abge- wogenes, an der Luft getrocknetes Erdquantum wird kr/~ftig in die Wunde eingerieben. Sowohl offene wie geschlossene Wund- behandlung ist m6glich,

Die Tiere wurden: I. nur mit mechanisch-physikalischer Antiseptik; 2. nur mit chemischer Antiseptik and 3- mit chemischer in Kombinat ion mit mechanisch-physikalischer Antiseptik behandelt. Gleichzeifig wurde die hemmende and abt6tende Wirkung des Jods im Reagensglase ant Milzbrand- und Tetanusbacillen, die entgiitende Wirkung auf Tetanus- toxin untersucht, and in Anlehnung an die wichtige Arbeit

�9 Yon V. E I C K E N 3) die histologische Untersuchung der behan- delten und unbehandelten Wunden ausgeffihrt. AuI Einzel- heiten kann ich hier nicht eingehen. Nur hervorheben m6chte ich, dal3 diese Arbeit y o n BRUNNER, V. GONZENBACH nnd RITTER mustergfiltig und nachahmenswert ist. Aus den Er- gebnissen der Arbeit m6gen ~olgende Tatsachen erw~ihnt werden: Widerlegt ist durch die Versuche die generelle Be- l iauptung yon der Unwirksamkeit der chemischen Antisepsis und widerlegt ist zugleich das Dogma yon der Infektions- pr/idisposition der Wunde durch die benutzten Antiseptica. Das Jod besitzt eine hervorragende schfitzende Wirkung gegen d ie Erdinfektion. Ret tung der Tiere gelang his zur 6. and 7. Stunde nach der Infektion, bei Isoform sogar welt fiber das FRIEDRICHsche Spatium hinaus bis zu 18 Stunden. Das Jod wirkt antiinfekti6s, nicht ant dem Umweg fiber die Gewebe, sondern durch direkte Beeinflussung des Infiziens.

t) Klinische und experimentelle Untersuehungen fiber den Weft der modernen Me- thoden deT Wunddesinfektion. Dissertation, Mfinehen r 9 n . *) Experimentelle Untersuchungen fiber Erdinfektion und Antiseptik. Ein Beitrag zur richtigen Einsch~itzung der chemischen Wundantiseptik. Bruns' Beitr. z. klin.

Page 4: Die Prüfungsmethoden der Wundantiseptika im Tierexperiment

764 K L I N I S C ~ H E W O C ~ H E N S C H R I F T . i. J A H R G A N G . Nr . 16 15 . A P R I L 1922

Es hande l t sich dabei nicht u m eine Abt6tung, sondern in erster Linie u m eine Entgi/tung~und Entwiclclungshemmung, in ger ingerem MaBe u m eine S te igerung der Abwehrkr~f te des Wundgewebes . Auf nefcrotischen, Icauterisierten W~'nden ist die Wirtcung des Antiseptieums gegeni~ber der in glatten Schnittwunden bedeutend vermindert. Mit Rech t heben die Au to ren m i t besonderem Nachdruck hereof , dab durch ihre Versuche der s t r ik te Beweis e rbrach t worden ist, dab die che- mische Antisepsis als Abortivantisepsis (prophylakt ische und pr~.ventive Wirkung) wel t mehr leis ten kann, als m a n vorher vielfach a n g e n o m m e n hat , z . B . ~ R I E D R I C H . ~ -'

Fragen wir nun danach, ob diese Pr t i fungsmethodik mi t E rde b rauchba r ist, welehe Vortei le und welche Nachte i le sie besitzt , so ist folgendes dar i iber zu sagen:

Es hande l t sich hier um eine die natf i r l ichen Verh~ltnisse in hohem Mal3e n a c h a h m e n d e schwere In fek t ion mi t e inem Ge- misch yon v i ru lenten , z . T . tox inb i ldenden nnd sporen- bi ldenden Organismen. Ein Mittel, das ims tande ist, diese In fek t ion gi inst ig zu beeinflussen, mu8 als besonders wi rksam bezeichnet werden. Deshalb sind wir der Meinung, dab ]edes Antisepticum gegen diese In]el~tlon prophylalctiseh, prdventiv und eventuell therapeutisch gepr~/t werden sollte. Es wird leider n icht viele geben, die diese Probe bestehen. Doch w~re es nicht richtig, aus der Unwirksamlceit des Desinfek- tionsmittels gegeni~ber der Erdin]elction au] seine Unbrauch- barlceit gegeni~ber gew6hnlichen Wundin]efcgonserregern zu sehlie/3en. Die Methode le idet a u f e r d e m an gewissen Schwie- r igkei ten, die wir zum Tell schon oben e rwahn ten : Q u a n t i t a t und Qualit~.t der Er reger is t in versch iedenen E r d p r o b e n un- gleich und auch die physikal isch-chemische Beschaffenhei t der E r d e ist different. Daraus ergeben sich fiir vergleichende Versuche Ungenauigke i ten . Fflr loka l therapeu t i sche Versuche ist die Erd in fek t ion wenig geeignet, da die Al lgemeininfekt ion nnd der Ted der Tiers re la t iv bald e r fdgen

In Verfolgung seiner grnndlegenden chemotherapeu t l schen Forschungen w a n d t e sich MoRG~NROTHinAen/ le tz ten J a h r e n d e r Wundan t i seps i s zu. Die E inf i ih rnng der v_on EHRLICH und MORGENROTI-t geschaffenen Pr inz ip ien der Ch tmothe rap i e in dieses Arbe i t sgeb ie t wa2ei~ natf i r l ich fiif die FQrtschr i t te in der F rage der Wundant i seps i s yon groI3er Bedeu tung . MORGENROTH h a t m i t seinen Mi ta rbe i t e rn in den le tz ten J a h r e n bede u tungsvol le Arbei ten i ibe r dieses~Gebie ~ verSffent l ich t und sine Reihe wicht iger Probleme aufgerolt t . Da rau f kann hier n ich t wet ter e ingegangen werden. Hier sell, wie bei den bisher e rw~hnten Arbei ten, n u r die MORG~NROTHsche Pri i- fungsmethod ik besprochen werden. MO~OENROTH ~) h a t mi t seinezn Mi ta rbe i te r ABRAHAM ill A n l e h n u n g an die y o n KLAPP maugur i e r t e :. Tiefenant iseps is eine -Priifungsme~hode aus- gearbei tet , die er zur Grundlage der B e w e r t u n g seiner W u n d - des infek t ionsmi t te l macht . MORG~NRO~and se ineMi ta rbe i te r w~hl ten zur In fek t ion S t rep tokokkens t~mme, die bet der Maus s ine chronisehe Allgemeinin]ektion verursachen. Sie g c h e n - d a b e i fo lgenderma~en vor :

Von ether 24stfindigen Ascitesbouillonkuhur des Streptokokkus werden ~/10 ccnl emer Verdfinnung der Kultur subciitan am Bauch m6glichst in der Mittelliiiie injiziert Unmittelbar nach der Infek- tion wird die Infektioiisstelle mit w~Brigen L6sungen der zu prfifen- den Chemikalien yon wechselndem Gehalt umspritzt, und zwar wird

ccrn injiziert. Bet o, 5 ccm ergeben sich Unregelm~$igkelten in den Versuchsresul• Meist werden die Tiere nach 24 Stunden getOtet, die Bauchhaut in der Mitts durchtrennt und die freipr~pa- rlerte lVl~che nnter sfarkem Druck mit einem Glasspatel abge- strichen, der dann fiber die Fl~che einer ]31utagarplatte gefflhrt wird. Die Beurteiliing der Platten erfolgt nach 24stfindigem Aufent- halt im Brutschrank bet 32 o Bet den unbehaiidelten Kontroll- tieren finder sich 24 Stunden nach der IIIfektion eine Eiterung IIm die Mitteltinie im Unterhautbindegewcbe. Ffir Heilversuche gehen MORGEI~ROTH lind seine Mitarbeiter so vor, dab sis die Tiere mit starken Verdfinnuiigen der Streptokokkenkultur subcutan infiziereii und IIach spiitestens 18 Stunden mit groBen Mengen der an-

x) M O R G E N R O T H und ABRAHAM: ~3ber chemotherapeutisehe An.tisepsis. n . Mit- teilung. Quant i ta t ive Untersuehungen zur Tiefenantisepsis mit Vuzin. Dtsch. reed. Wechenschr. 192o , Nr. 3. -- MORGENROTH, SCHNITZER und ROSENBERG: ~ber ehemotherapeutischeAntisepsis. I I I . Mitteilung. Uber sin neues Antisepticum (2-Athoxy- 6,9-Dialr~incacridinchlorhydrat ). Dtsch. reed. Wcclxensehr. 1921 , 47. Jg. , N~:. 4 4 . - -

MORGENROTH: Ziele und Wege der chemotherapeutischen Antisepsis. Klin. Wochen- schr, ~922, L Jg. , Nr, 8.

tiseptischen L6sung z. ]3. mit: 3 ccm~ umspritzen, diese Behandlung gegebenenfalls wiederholen und die Tiere nach 3 5 Tagen t6ten und dann dutch des Kulturverfahren die Anwesenheit oder Ab- wesenheit der Streptokokken feststellen. -., Pr i i f t m a n nun in dieser Weise z. B. verschiedene Acridin-

farbstoffe, so s tel l t m a n test, dab die S t r e p t o k o k k e n nach In- jek t ion sehr s ta rker Verdf innungen yon Trypa f l av in und Ri- vane] abge t6 te t werden. Diese Methode pri~]t also elne wich- tige TeilwlrI~ung des Antise/ptioum% n~imlich die abtStende F(ihiglceit unter der Haut, und es lassen sich mi t ihr eine Reihe wissenschaft l icher und prak t i sch wicht iger F ragen bearbei ten. So ha t z. B. m i t ihr MOI(G~NROTI~ die Fes ts te l lung gemacbt , dab Dauerwi rkungen bet der Lokalant isepsis nur dann er- zielt werden k6nnen, wenn das An t i sep t i cum im Gewebe in bedeu tende rem Mal3e f ixier t wird. Ihr Nachteil ist abet, daft sie au] sin Gesamtbild der WirksamI~eit des Desin]eldions- mittels verzichtet, die Wirksamlceit nicht aus der~ KranIcheits- ablau], sondern aus dem Ergebnis der kulturellen Untersuchung erschlieflt. Die Rolls, welche berei ts die w a c h s t u m s h e m m e n d e Wi rkung des Ant i sep t i cums ffir die He i lung spielt, und die des He i lungsverm6gen des Wundgewebes s te igernde oder ver- mindernde F~higkei t des Desinfiziens t r i t t bei ihr n icht in Erscheinung. Die Versuchsanordnung ist aulBerdem meiner Meinung nach ftir die ab t6 tende Wi rkung des Ant i sep t i cums giinstig.

Die injizierte Menge der desinfizierenden LSsung ist im Verhglt- ms zum Infektionsherd viel zn grol3. Des subcutane Bindegewebe der Maus ist aul3erordenflich locker und nicht sehr ms daher die Haut sehr verschieblich. Wird unmitfelbar nach der Injektion von ~/10 ccm der verdfinnten Kultur I ccm der antiseptischen L6sung infiltriert, so kommt es zu eiiier sehr bedeutenden Abhebung der Haut und die Keime sind zum grol3eii Teile sicherlich in der injizier- ten Flfissigkeit suspendiert, wobei das Antisepticum auf die Bak- terieii-besser als iiiiierhalb des Gewebes eiiiwirken kann.

Weiterhin ist zu beachten, dal3 nach unseren eigenen Erfah- rungeii Streptokokkensts die bet der Maus sine chronische Allgemein-Infektion verursachen, sehr selten eine l~nger bestehende, fortschreitende eitrige Phlegmone hervorriifen.

Es gelang uns bis jetzt nicht, einen Streptokokkus zu linden, der sine mehrere Tags bestehende fortschreitende eitrige Phlegmone erzeugt h~.tte. Meistens entwickelt sich ein eitriges Infiltrat, das oft schon nach 24 Stiinden in sine Gangrdn fibergeht, nicht ]ort- schreitet und weiin des Tier der Allgemeiniiifekfion nicht sehr bald er- liegt, spontanabheilt. Weiterhin macht man die Erfahrung, dab die Virulenz der Sts sich nicht konstant erh~lt, lind dal3 auch gewlsse individuelle Differenzen bet den Tieren bemerkbar Silld. Bet mit gleichen Kulturmengeii infizierten Tiereii kanii sich bet dem einen sin nur 24 Stunden bestehendes Infiltrat, bet einem ande- reii ein mehrere Tags bestehender Abscel3 entwickelii. Histologlsehe Untersuchungen des Lokalprozesses an behandelten uiid unbehan- delten Tieren w~ren sehr wfinschenswert.

Es is t auch zu bedenken, dab die kul ture l le Un te r suchung nicht so empfindl ich und zuverl~ssig ist, als wenn m a n die Wi rksamke i t der W u n d b e h a n d l u n g nach dem Krankhe i t s - ablaut beurte i l t . Es kSnnen bet ihr Ke ime dem Nachweis entgehen.

Die S t r ep tokokkens t~mme bewirken h~.ufig sine ]Blut- infektion, so dab bet d iesenBakte r ien nur hochwirksame Chemo- therapeut ica durch den Kranl~heitsablauf geprt if t werden kSnnen.

Da also die MORGENROTHsche Pr t i fungsmethodik nur sine Teilwlr~,ng des Des infekt ionsmi t te l s priift , und da s is in erster Linie ftir die Tiefenant isepsis ausgearbei te t is L ha l t en wi t sis fiir die generelle Bewer tung der Wunddes infek t ions- mi t t e l nicht ]i~r ausreicl~end. Sie Icann nut neben anderen Pri~/ungsmetlmden angewendet werden.

Will m a n eine reins Wundin fek t ion be im Tiere erzielen, so w~hl t m a n dazu, wie wit 1) mi t Feller ~ und GOLDSCHMIDT zeigen konnten, am bes ten die Wund in fek t ion der Meer- schweinchen mi t Diphther iebaci l len . Die Tiers e rkranken und gehen nach einigen Tagen regelmdflig zugrunde. Der pa tho log isch-ana tomische Befund ist bekann t l i ch resist sin charakter is t ischer .

l) BRAUN, H., Diskussionsbemerkungen zum Vortrag yon SPIESS: Fall yon post- operativer Meningitis dutch intraven~se Trypaflavinlnjektion geheiIt. Med. Klin. x92o H. 15, S. 4o6. z) Zur Priifungsmethodik der Wundantiseptica im Tierexperiment. Dtsch. Zeitschr. f. Chirurg. 144, 379. I92I.

Page 5: Die Prüfungsmethoden der Wundantiseptika im Tierexperiment

15. A P R I L I92~ K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . I. J A H R G A N G . Nr . I6 765 Ich m6chte nicht unerw/thnt lassen, dab bereits L(JFFLER 1)

sich einer besonderen Art yon Wundinfektion der Meerschwein- chen mit Diphtheriebacillen zur Prfifung seines Mittels zur lo- kalen Behandlung der Rachendiphtherie bedient hatte. (1894). Er schreibt dar~ber folgendes: ,,Wurde Meerschweinehen eine Ose virulenter Diphthcriebazillen in eine Wunde unter die t tau t eingefiihrt und gleich nachher 1'i0 der Mischung (seines Pr/~pa- rates) an dieselbe Stelle gebracht, so erkrankten die Tiere nicht".

Ich mSchte hier kurz einige Ergebnisse, die zum Teil gemeinsam mit Fr~iulein Dr. GOLDSCHMIDT ausgeffihrten Versuchen ent- nommen sind, fiber die Pathogenese der Wunddiphtherie der Meer- schweinchen zum besseren Verstgndnis des sp/~ter Gesagten mit- teilen: Die verschiedenen St~imme der Diphtheriebacillen sind be- kanntlich in verschieden hohem MaBe bei der subeutanen Infektion virulent. Prfift man nun absteigende Mengen der gleichen Auf- schwemmung yon Diphtheriebacillen in kleinen Volumina einmal durch subcutane Injektion und andererseits durch Einreibung in ausgedehntere Wunden, so kommt es des 6fteren vor, dab die wdne- ral in/izierten Tiere mlt kleineren Dosen als die subeutan injizierten eingehen. 2Vie sind aber die Wundtiere widerstands/Shiger.

Priift man ein Diphtherietoxin auf seine Wirksamkeit yon, der Subeutis und yon der Wunde aus, so stellt man test, dab yon der Wnnde des 5fteren das 5 his lO fache der yon der Subeutis tdtenden Giflmenge vertragen werden kann. Selbstverst~ndlich ist bei diesen Versuchen auf den m6glichen Verlust durch AbflieBen der Gift- 16sung dadurch Rficksicht zu nehmen, dab nnr kleine Mengen, hSchstens 1/2 ccm, in gr613ere XYunden trop/enweise gebracht werden. Es entwickelten sich bei unseren Tieren nach einiger Zeit ausgedehnte Nekrosen, denen betr~ichtliche Substanzverluste folgten, aber die Tiere blieben zum Unterschied yon den subcutan infizierten am Leben. Das Wundgewebe besitzt also eine giftbindende Eigenscha/t, die grSBer ist als die bekaunte des subcutanen Gewebes, und der Ubertritt des Gfftes in die Blutbahn ist yon der W'unde ein schwieri- gerer als yon dem Unterhautzellgewebe. Mit Toluol abgetdtete Au/schwemmungen yon Ldglerserumkulturen der yon uns verwen- deten Diphtheriestdmme enthielten auch b'ei der subcutanen In~elction grofier Mengen kein naehweisbares Toxin. Diese Versuehe spreehen also in dem Sinne, daft die Diphtheriebaeillen erst in der Wunde das tdtende Gilt in wirksamer 2Vdenge produzieren. Sind nun die Diph- theriebacillen in dem Wundsekret vorhanden oder dringen sie in das Wundgewebe ein ? Darfiber hat uns die histologische Unter- suchung Auskunft gegeben. Bis zur 6. Stunde naeh der In/ektion sind Diphtheriebacillen ira Gewebe nieht nachweisbar, dagegen regelmii]3ig 24 Stunden nach der In]ektion. Man sieht dann in dem zellig stark infiltrierfen YVundrand nahe der Oberfldche Nester yon Diphtherie- bacillen. Vereinzelte Herde sitzen auch tiefer im Gewebe.

Es handelt sich bei der Wundinjelctionslcranlcheit der Meer- schweinchen mit Diphtheriebacillen u m eine ober]lfichliche Ge- websinjektion. Von hier aus gelangt das gebildete Gilt in das benachbarte Gewebe und in die Lymph- und Blutbahn. D~e Progression des Prozesses ist n~cht durch Jortschreitende In - vasion der Balcterien in tiejere Schichten bewirlct, sondern dutch das G@.

Wir gehen jetzt in der Regel so vor, dab wir an der rasierten Bauch- oder Riickenhaut des Meerschweinchens 3 etwa 2 cm lange Parallelschnitte ausf/ihren, die wit mit 2 Querschnitten verbinden, so dab mehriache klaffende V~'unden entstehen, In diese wird die 2- bis 4 fach tSdliche Dosis (subeutan ausgewertet), einer in Koch- salzl6sung aufgeschwemmten Lo~FLERserum-Diphtheriekultur auf- getropft und mit einem sterilen ti[6hrchen eii~gerieben.

Natf i r l ich kann man, wenn m a n die Verh~tltnisse schwie- riger gesta l ten will, auch. andere Infekt ionserreger in Rein- kul tur auf die W u n d e bringen, z. B. anaerobe sporenbi ldende Bakter ien des mal ignen 0dems , der Gasphlegmone usw., und man kann auch die W u n d e n vern~hen.

Man kSnnte unserer Methode den Vorwurf machen, dab sie sich nicht der gewShnlichen Ei tererreger , S t rep tokokken und Staphylokokken , bedient . Da ist nun zu sagen, dab diese Er reger fiir Meerschweinchen zur E r z e u g u n g einer fortschrei- t enden lokalen Wund in fek t ionsk rankhe i t ebenso wenig brauch- bar sind, wie wir das frt iher ffir Kaninchen und M~use be- sprochen haben. Man kann meiner Meinung nach mi t unserer Methode t ro t zdem zur Beur te i lung der Wi rksamke i t der Mit te l gegeniiber den Ei te re r regern gelangen: Prt i f t man im Reagensglase das Mit tel gegeniiber Diphther iebac i l len und gegeniiber~ den verschiedenen Ei te re r regern und f inder eine s tarke Wi rksamke i t gegen alle diese Arten, und erweist sich

~) Die lokale Behandlung der Rachendiphtherie. Dtsch. med. Wochenschr. I894, 2o. Jgg. , Nr. 42.

das Mit tel im Tierversuch gegeniiber Diphther iebac i l len wirk- sam, so ist der SchluB erlaubt, dab es auch bei Ei te rer regern b rauchbar sein wird.

Man kann mi t unserer Methode die verschiedenen Des- infekt ionsmit te l vergleiehend au] ihre prophylaktische und prgiventive Eignung pri~Jen.

Gemeinsam mit Fraulein Dr. GOLDSCHMIDT haben w i r e s in letzter Zeit bei der Prfifung einer gr6geren Reihe verschiedener Acridinderivate, die uns Herr Dr. L. BENDA zur Verffigung gestellt hat, und beim Rivanol gefan. Dariiber berichten wir an anderer Stelle, Hier mSchten wir nur erw/ihnen, dab die prophylaktische und prs Wirkung der Aeridinderivate gegenflber Diphthe- riebacillen bei Oberfl/tchendesinfekfion erst in viel st~rkeren Konzen- trationen nachweisbar ist als mit der MORGENROTttschen tiefanti- septischen Methode an der Streptokokkeninfektion der Maus. Das Rivanol schiitzte selbst in der Konzentration I : 5oo nicht sicher. Das gewShnliche Trypaflavin zeigt nach unseren Erfahrungen, wie auch NEU~'ELD und REINHARDT 1) berichten, gegenfiber der Diph- therieinfektion in der Konzentration I : IOO eine meist zuvertgssige pr/iventive Wirkung. Andere Acridinderivate sind in h6heren Verdflnnungen wirksam.

Von ~X~EUFELD und I{EINHARDT wurde gegen unsere Methode der E inwand erhoben, dab sie bei Stoffen, die Diphther ie , tox in zerstSren, eine Ab t6 tung der Bakte r ien vor t~uschen kann, weil ja dann solche Stoffe genau so wie das Diphther ie - heilserum, ohne die Diphther iebaei l len abzut6ten, die Er- k rankung durch ihre antitoxisehe F/~higkeit verhindern. I n der T a t besitzt , wie wir unabh~ngig yon NEUFELD und REIN- ~ARDT bereits mi t FEILER festgestel l t haben, das gew6hnliche Trypaf lav in eine geringe gif tzerst6rende Wi rkung im Reagens- glase. Diese ist aber ant die saure Reak t i0n der LOsungen des gew6hnl ichen Trypaf lav ins zuri ickzufi ihren, denn das neutrale Produkt beeinJluflt das Diphtherietoxin nieht, ebenso andere neut ra l oder alkalisch reagierende Acr id inder ivate . Da die L6sung des gew6hnl ichen sauren Trypa f l av ins nur geringe entg i f tende F~higke i ten besitzt , dagegen eine s tark h e m m e n d e und auch ab tS tende F~higke i t Diphther iebac i l len gegeniiber im Reagensglase und auf der W u n d e nachweisbar ist, muB es sich auch bei diesem Stoff in erster Lin ie um eine t3eeinflussung der Er reger in der W u n d e handeln.

NEUFELD u n d REINHARDT schlagen vor, s t a r t Diphther ie- baci!len Pneumokokken und Hi ihnercholerabaci l len zur In- fekt ion zu w&hlen, die bei Meerschweinchen eine progrediente Phlegmone, aber auch eine nachfolgende Allgemeininfekt ion erzeugen. Wie die Unte r suchungen dieser Autoren ergeben bat ten, kann m a n in der T a t mi t gu t em Er io lge zur ver- gleichenden Pri i fung der p rophylakf i schen und pr~vent iven Wirkung der Des infekt ionsmi t te l auch diese Erreger bei Meerschweinchen w~hlen.

Die Vortei le unserer Methode mi t Diphther iebaci l len sind folgende: Es hande l t sich u m eine reine GewebsinJektion. Die verschiedenen Verfahren der Antisepsis sind bei ihr anwend~ bar (Oberfl~,chen- und Tiefenantisepsis, offene und geschlossene Wundbehandlung) . Die bakter iologische Un te r suchung der W u n d e n ist jederze i t durchffihrbar. Die ]3eschaifung brauch- barer Diph ther ies t~mme ist leicht, die Vi ru lenzschwankungen eines und desselben S tammes nur gering, und die Empf~ng- l ichkei t der lVfeerschweinchen eine sehr groBe, der Sektions- befund ein charakteris t ischer. Bei der Bewer tung der mi t unserer Methode gewonnenen Ergebnisse ist aber s tets zu be- riicksichtigen, dab es sich hier u m keine progrediente tiefe Bakter ien invas ion , sondern u m eine oberfl~chliche Gewebs- infekt ion handel t . Sie eignet sich vor al lem zur Pr i i fung der prophylak t i schen und p r ~ v e n t i v e n W i r k u n g der Antisept ica.

73berblicken wi t die t ierexper imente l len Priifun gsmethoden, so ergibt sich, dab es f/Jr die Pr i i fung der prophylakt i schen, pr/~ventiven und a l lgemein- therapeut i schen Wi rkung branch- bare Methoden gibt, und dab auch die Pr i i fung der lokal- the rapeu t i schen W i r k u n g mSglich ist. Alterdings gleichen die Bed ingungen des T ie rexper imen t s bei der Pr i i fung der

t) fYber experimentelle Wundinfektion und Wunddesinfektion nach Versuchen an Meerschweinchen und M~usen mi t HiihnercholerabaciIlen, Pneumokokken und Strepto- kokken, geitschr, f. Hyg. u. Infektionskrankh. 95, H. i , S. 27. I922. - - l~ber den Einflug des Trypaflavins auf die Diph~herieinfektion und Dipht!lerievergift~ ng. Zeitschr, fv Hyg. u. Infektionskrankh. 95, H. i , S. I. i92~,

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lokaltherapeutischen Wirkung nicht denen, die wit bei Lokal- infektionen des Menschen vorfinden, da sich Igngerdauernde, ]ortsehreitende, lok.albleibende Gewebsinfektionen beim Tier nicht mit der wfinschenswerten Regelm/il3igkeit erzeugen lassen.

Sind nun die Ergebnisse der Tierversuche geeignet, die Grundlage ffir das therapeutische Handeln am Menschen zu bilden? Es hieBe doeh die Errungenschaften der gesamten modernen Experimentalmedizin zu leugnen, wollte man gerade in der Frage der Antisepsis auf das Tierexperiment verzichten. Aber selbstverst~ndlich genau so wie die Untersch~tzung, w~re eine l '3berschitzung des Tierversuches falsch; gewiB, der Tierversuch ist nu t ein Modell, bei dem unm6glich alle die Faktoren berficksichfigt werden k6nnen, die bei der natfir lichen Infekfion des Menschen eine Rolle spielen. Er muB nur so angelegt werden, dab er den natfirlichen VerhMtnissen beim Menschen soviel wie m6glich/~hnelt und trotzdem fiber- sichtlieh ist und sichere ScMfisse erlaubt. Bei welchen Prfi- fungsmethoden dies m6glich ist, wurde im Vorhergehenden eingehend er6rtert. Wit haben gesehen, dab wir exakte Methoden besitzen, um die verschiedenen Grade der Wirksam- keit der Antiseptiea prfifen zu k6nnen, und es stehen uns XYunddesinfekfionsmittel zur Verfflgung, deren Wirksamkeit dutch das Tierexperiment erwiesen ist.

Wir haben hier ausfiihrlich nur die Prtifungsmethoden der antiseptisehen Wirkung besprochen. Mit ihr allein ist aber die Bewertung eines Wunddesinfektionsmittels nicht abge- schlossen, sondern yon ebensolcher Wichtigkeit ist die pharmalcologiseh-toxikologisehe Prfifung und dann die histo- logische Untersuchung der behandelten Gewebe.

Nur durch eine solche svstematische Untersuchung und strenge Prtifung der Desinfektlonsmittel werden wir zu einer Kl~rung der Frage der Antisepsis gelangen. Nur durch eine objekfive Kontrolle wird es m6glich sein, die immer noch-an- wachsende F lu t neuer Antiseptiea zu hemmen. Eine staat- liche Kontrolle w~re h6chst wtinschenswert. Bevor wir dies erreichen, mul3 gefordert werden, dab kein Chirurg ein Anti- septicum verwendet, das nicht in pharmakologisch-toxikolo- giseher, histologischer und therapeutischer Wirkung untersucht worden ist.

Dann werden Entt~uschungen dem Chirurgen und dem Kranken erspart bleiben, und Bleibendes wird gewonnen.

B!0LOGISCHE WIRK UNG DER RONTGEN- STRAHLEN MIT BEROCKSICHTIGUNG THERA-

PEUTISCHER FRAGESTELLUNGEN. Von

Pr iva tdozen t Dr. H. HOLTHUSEN. Aus dem R6ntgeninstitut des Allg. Krankenhauses St. Georg, Hamburg.

13berblickt man die Fachliteratur auf dem Gebiete der Strahleiltherapie in den letzten Jahren, so kann man sich der Erkenntnis nicht verschlieBen, dab die grundlegenden Vor- stellungen, welche ffir unser therapeutisches Handeln bei der Anwendung yon hochfrequenten Welleilstrahlen bisher mal3- gebend waren, eigentlich vollst/~ndig ins Wanken gekommen sind. W~Lhrend wir bis vor wenigen Jahre~ die Grenzen unseres therapeutischen K6nnens im wesentlichen in der technischen Durchffihrbarkeit der Aufgabe sahen, gewisse, meist kranke Zellen, die sich durch eine besondere Strahlenempfindlich- keit auszeichneten, zu sch/idigen oder gar zu vernichten, etwa die Haarwurzeln beim Epilationseffekt, die pathologischen Blutzellen bei der Leuk~mie, die Tumorzellen bei der Carci- nombehandlung, die I(eimdrfisen bei der Sterilisierung, in jedem Falle also die Schgidigung emer elektiv empfindlichen Zellgattung das erstrebte Ziel war, hat man in den letzten Jahren das Indikationsgebiet der R6iltgenbehandlung zu erweiteril gesucht, indem man die im Laboratoriumsversuch an Tier und Pflanze erkannten und !dinisch beobachteten Eigen- schaften der Strahlen, unter gewissen Umsts auch e ine gew6hnlich als ,,Reizwirkung" bezeichnete f6rdernde Wirkung auf Wachstum und Funkt ion vo~ Zellen und Organen aus- zufiben, ffir das therapefitische I-landeln systematisch ver-

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wertete. W~hrend der Aufgabenkreis beider Anwendungs- formen ursprfinglich getrennt war, setzte die Krisis ein, Ms man, entt~uscht darfiber, dab die erreichten Erfolge mit den Fortschritten der Technik nicht Schritt hielten und man nicht mehr, wie frfiher, alle MiBerfolge auf eine Unterdosie- rung schieben konilte, anfing, die bisherige, auf das Prinzip der Zellsch~digung gestellte theoretische Begrfindung fiber- haupt in Zweifel zu ziehen und sich die Tendeilz geltend machte, auch bier Reizwirkungen nicht aliein in den Kreis der Betrachtungen zu ziehen, sondern sogar ffir ausschlaggebend zu halten. Damit stellte sich das Problem der Dosierung in ganz ]aeuer Beleuchtung dar; w~hrend bei der Zellzerst6rung die Aufgabe so gestellt war, in dem ganzen bestrahlten Be- reich eine Minimaldosis nicht zu unterschreiten, handelt es sich bei der sog. ,,Reizdosierung" darum, fiber eine bestimmte -- und leider hiufiger unbesfimmte -- Maximaldosis nicht hinauszugehen. Eine ausgesprochene Unsicherheit in der Dosierung ist die Folge, und es besteht die Gefahr, von dem einen Extrem h6chster Steigerung der verabfolgten Strahlen- mengen in das Gegenteil zu verfallen. Besonders der Begriff der ,,Reizdosis" droht in einer Weise verallgemeinert zu werden, deren Berechtigung erst zu erweisen ist. Eine zu- sammenh~ngende Betrachtung der experimeiltellen Grund- lagen der Strahlenwirkung auf Zelle und Gewebe erscheint daher erwfinscht.

Die erste Anwendung der R6ntgens~rahleil in der Medizin dutch FRZI~ND zum Zweeke der Epilation bei einem Naevus pilosus beruhte auf der Beobachtung des Haarausfalls nach l~ngerdauernden diagnostisehen Untersuchungen mit den neuen Strahlen, also auf der Beobachtung regressiver Verfnde- rungen a n einem Teilorgan der menschliehen Haut. Und wenn auch die erste erfolgreiche t3estrahlung einer Erkran- kung innerer Organe, der Leuk~mie, durch SENN zungchst noch ohne Mare Vorstellung fiber den zugrundeliegenden biologischen Vorgang vorgenommen wurde, so folgte doch die theoretische Begrfindung durch HEINEKE, der die hohe Radio- sensibili tft der weiBen Bhtzel len in zahlreichen Tierexperi- menten feststellte, bald nach und ebenso die bekannten Ex- perimente yon ALBERS-SCtt6NBERG fiber die Azoospermie be- strahlter Meerschweinchen, die den ersten Anstog zu der Anwen- dung der R6ntgenstrahlen in der Gynfikologie gaben. In diesen letztgenannten Versuchen war zum erstenmal eine elektive oder geilauer gesagt eine quali tat iv verschiedene Wirkung der Strahlen auf verscbiedene Zelltypen gefunden worden, indem hier die st/~rkere Sch/~digung der in der Tiefe liegenden Zellen des samenbildenden Epithels imVergleich zur nicht alterierten Hautoberfls als Ausdruck ihrer erh6hten Radiosensibili- t i t angesehen werden mul3te. Die auswihlende BeeinfluB- barkeit verschiedener Zellen und Zellverb/inde bildet letzten Endes die Voraussetznng ffir jede therapeutische Verwendung der R6ntgenstrahlen. Was die Ansprechbarkeit der Zellen auf Bestrahlungen anbetrifft, so haben zuerst die Franzosen ihre Beobachtungen fiber die t3eeinflussung der Spermio- genese durch R6ntgenstrahlen (BERGONIs und TRIBONDEAU, REGAUD und BLANC) ZU dem Gesetz verallgemeinert, dab un- differenzierte Zellen, Zellen, die in ihrer Morphologie und in ihren Funkt ionen noch nicht endgfiltig festgelegt seien, eine besondere Strahlenempfindlichkeit besgBen.

Die leichteste Fornl der Schidigung besteht in einem Ver- lust der Zellteilungsfghigkeit, die sich gelegentlich erst nach einigen Generationen geltend macht, bei der Bestrahlung von Trypanosomen, dutch HALBERST~DTER, ohne andere Vergnde- rungen in ihren Lebenserscheinungen als dem Veflust der Fort- pflanzungsf~higkeit, nach st~rkeren Dosen jedoch in histo- logisch nachweisbaren Kernver~nderungen yon den leichtesten Formen der Pyknose his zur v611igen Zellnekrose. Dab eine fiberm~gige Bestrahlung an der Haut einen Verlust"des Epithel s und damit Geschwfirbildung, an Drfisen ein Aufh6ren der Sekretion, an den Hoden eine Azoospermie verursacht, sind nur verschiedene Auswirkungen eines und desselben prin- zipiellen Vorganges. Wenn aueh dutch die verschiedene r~um- liche Verteilung der Dosis bei weichen, wenig penetrierenden und harten, durchdringenden Strahleil Unterschiede in der Reaktion eines Gewebes gegen Strahlen verschiedener Wellen-