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192 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 226. 1936 Die Reaktivitat des roten bzw. getben Bleioxyds mit Kiesefdioxyd Yon J. ARVID HEDVALL und b. ELDH Mit 2 Figuren im Text Hs ist schon langst bekannt, daB es moglich ist, das gewohnliche liellgelbe PbO ttuch bei gewohnlicher Tempcrat'ur durch Reiben in eine rote Form uberxufuhren. Darauf hat hesonders G ~ : u m m auf- merksam gemachtl). GEUTHER wid spMer RUER haben auch nach- gewiescm, da13 die rot>e Form durch Erhitzeii in die gelbe umgewandelt w-erden kann, (MI :tber diese Urnwandlung auffallend langsani ver- laiift und da13 ihre Gescliwindigkeit selir von der Herstc:llungsweise abhangt2). RUER hat durch die grol3ere Loslichkeit8 der gelben Form w&er fedgestellt, da13 diese Modifikation bei gem7ohnlichen Tempe- ratureri die wcniger stabile ist. In einer Arbeit uber Schmelxersclieinungen in binaren Systernen von verscliiedenen Bleisalzen haberi JAEGER und GERMS die ge- nannte Fra8ge erneut in Angriff genommen3). Mit Hilfe eiiies Heiz- mikrosliopes glaubten sie, cine Temperat,ur reversibler Urnwandlung bei 587O gefunden zu haben. Bei diesen Versuchen wixrden in der Absiclit, den Umwandlungsvorgang zu beschleunigen, FluBrnit, tel be- nutzt. In ihrer Abhandlung wird nur KNO, als PluUmittel erwahnt, welche Wahl weriiger gliicklich erscheint, da einc Oxydation dcs PhO statt'finden ka,nn. Bezngnehrnend auf kristallographische Be- stirnmungen von MITSCHERLICH wurde also das rote, fetragonale PbO bei 587O im Gleichgewicht rnit der gelben, rhonibischen Hocht,empe- raturmodifikat8ion sein (vgl. EWALD und HERMANN : St8ruliturbericht 1913-1926, 121 und 769). In einer Arbeit, uber die Kristallformen des PbO init Hilfe ront8genographiseher Methoden konnt>en allerdings l) A. GEUTHER, Licb. Ann. 219 (1883), 56. 2, It. RUER, Z. anorg. Chem. 50 (1906), 265. 3, P. prl. JAEGER u. H. C. GESMS, Z. anorg. u. allg. KOHLS C H ~ ~ E R und Chem. 119 (1921), 146.

Die Reaktivität des roten bzw. gelben Bleioxyds mit Kieseldioxyd

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Page 1: Die Reaktivität des roten bzw. gelben Bleioxyds mit Kieseldioxyd

192 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 226. 1936

Die Reaktivitat des roten bzw. getben Bleioxyds mit Kiesefdioxyd

Yon J. ARVID HEDVALL und b. ELDH Mit 2 Figuren im Text

Hs ist schon langst bekannt, daB es moglich ist, das gewohnliche liellgelbe PbO ttuch bei gewohnlicher Tempcrat'ur durch Reiben in eine rote Form uberxufuhren. Darauf hat hesonders G ~ : u m m auf- merksam gemachtl). GEUTHER wid spMer RUER haben auch nach- gewiescm, da13 die rot>e Form durch Erhitzeii in die gelbe umgewandelt w-erden kann, (MI :tber diese Urnwandlung auffallend langsani ver- laiift und da13 ihre Gescliwindigkeit selir von der Herstc:llungsweise abhangt2). RUER hat durch die grol3ere Loslichkeit8 der gelben Form w&er fedgestellt, da13 diese Modifikation bei gem7ohnlichen Tempe- ratureri die wcniger stabile ist.

In einer Arbeit uber Schmelxersclieinungen in binaren Systernen von verscliiedenen Bleisalzen haberi JAEGER und GERMS die ge- nannte Fra8ge erneut in Angriff genommen3). Mit Hilfe eiiies Heiz- mikrosliopes glaubten sie, cine Temperat,ur reversibler Urnwandlung bei 587O gefunden zu haben. Bei diesen Versuchen wixrden in der Absiclit, den Umwandlungsvorgang zu beschleunigen, FluBrnit, tel be- nutzt. In ihrer Abhandlung wird nur KNO, als PluUmittel erwahnt, welche Wahl weriiger gliicklich erscheint, d a einc Oxydation dcs PhO statt'finden ka,nn. Bezngnehrnend auf kristallographische Be- stirnmungen von MITSCHERLICH wurde also das rote, fetragonale PbO bei 587O im Gleichgewicht rnit der gelben, rhonibischen Hocht,empe- raturmodifikat8ion sein (vgl. EWALD und HERMANN : St8ruliturbericht 1913-1926, 121 und 769).

In einer Arbeit, uber die Kristallformen des PbO init Hilfe ront8genographiseher Methoden konnt>en allerdings

l) A. GEUTHER, Licb. Ann. 219 (1883), 56. 2, It. RUER, Z. anorg. Chem. 50 (1906), 265. 3, P. prl. JAEGER u. H. C. GESMS, Z. anorg. u. allg.

KOHLS C H ~ ~ E R und

Chem. 119 (1921), 146.

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SCHERRER diese Angaben nicht bestgtigenl). Auch sie machen auf die Oxydation des PbO durch die KN0,-Schmelze aufmerksam, und sie konnten nicht entscheiden, ob uberhaupt Enantiotropie vorliegt.

Endgdtig scheinen diese Fragen in einer Arbeit yon COHEN und ADDINK gelost zu sein2). Unter vergleichender Benutzung von rontgenographischen, pyknometrischen und dilatometrischen Me- thoden stellten sie fest, dalj die Gleichgewichtstemperatur der beiden enantiotropen Formen bei 488,5O liegt. In Ubereinstimmung mit den friiheren Befunden erwahnen aber auch COHEN und ADDINK die groBe Tragheit der Umwandlungsvorgange.

In vorhergehenden Arbeiten hat der eine von uns ofters darauf aufmerksam gemacht, daB das Auftreten eines durch Umwandlungs- erscheinungen irgendeiner Art hervorgerufenen Maximums auf den Umsetzungskurven von der Geschwindigkeit der Urnwandlung und der Erhitzung abhiingt. Die erwiihnten Ergebnisse lassen vermuten, daB die Umwandlungsgeschwindigkeit des roten PbO in Temperatur- gebieten, wo Schmelzerscheinungen ausgeschlossen werden konnen, zu gering ist, um direkt ein Maximum auf der Umsetzungskurve in bezug auf die Reaktion von PbO mit SiO, auftreten zu lassen. Eine stark gesteigerte Reaktivitat war aber naturlich bei jenen Tempe- raturen zu erwarten, wo die Dauer der Umwandlung und der Er- hitzungsversuche von geeigneter GroBenordnung sind.

Nach Untersuchungen von COOPER, SHAW und LOOMIS weist das System PbO-SiO, zwei Eutektika auf, bei 715O mit 59 Mol-O/, PbO und bei 720° rnit 76 Mol-% PbOS).

HILPERT und NACKEN fanden drei Eutektika, bei 690° mit 58 Mol-% PbO, bei 690O mit 61 Mol-O/, PbO und bei 717O mit

Das reine PbO schmilzt bei 884O (COHEN und ADD INK)^). Unter 75 M ~ I - o / ~ ~ b 0 4 ) .

6900 spielen also flussige Phasen keine Rolle.

Versuche und Ergebnisse

Rotes, d. h. unter 488,5O stabiles PbO m r d e als sehr feines Pulver nach den Angaben von COHEN und ADDINK hergestellt, in

1) V. KOHLSCHUTTER u. P. SCHERRER, Hclv. chim. Acta 7 (1924), 337. %) E. COHEK u. N. W. H. ADDINK, Z. phys. Chem. A, 168 (1934), 188. 3, H. C. COOPER, L. I. SHAW u. N. E. LOOMIS, Amer. Chem. Journ. 42

4, S. HILPERT U. R. NACKEN, Ber. 43 (1910), 2571. (1909), 461; Ber. 42 (1909), 3991.

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einem sauerstoff- und wasserdampffreien Stickstoffstrom getrocknet und im Exsikkator trocken aufbewahrtl). Es war vollig frei von bei der Herstellung benutztem KOH.

Das uber 488,5O stabile, hellgelbe PbO-Praparat wurde dureh einstundiges Erhitzen des roten Priiparates bei 650° (vgl. Fig. 1) im Stickstoffstrom hergestellt, schnell abgekuhlt und wie das rote auf- bewahrt.

Als SiO, wurde reinster Quarz angewendet und zu einer Korn- grijBe zwischen 0,075 und 0,IO mm im Achatmorser gemahlen.

Rotes PbO und SiO, wurden nach den Molproportionen 1 : 1 miteinander gemischt. Zu jedem Versuch wurden 0,5000 g be- nutzt.

Die 60 Minuten dauernden Erhitzungsversuche wurden in einem zu den betreffenden Temperaturen erhitzten, fur solche Zwecke hier immer gebrauchten elektrischen Schamotteofen mit groBer Warme- kapazitat ausgefuhrt. Bei jeder Temperatur wurden awei Schiffchen aus Hartporzellan mit der Reaktionssubstanz nebeneinander als Parallelproben eingesetzt. Die Temperatur wurde mit einem gegen Cd, Zn, Sb, KCl, Ag und Cu geeichten Pt-PtRh-Element ge- messen.

Die Erhitaung und die nachherige Abkuhlung in dem Rohr auflerhalb des Ofens geschah im sauerstoff- und wasserdampffreien Stickstoffstrom.

Die Analysen wurden so ausgefuhrt, daB die Reaktionssubstanz aus dem Schiffchen mit etwa 40 em3 15%iger HNO, ausgespult und nachher zur Zersetzung des gebildeten Silikats auf dem Wasserbad erhitzt wurde. Nach dem Filtrieren durch ein SCHLEICHER-SCHULL- Blaubandfilter wurde 20 Minuten mit 85 em3 B%iger Na,CO,-Losung gekocht, wobei die aus dem zersetzten Bleisilikat gebildkte Kiesel- saure in Losung ging. Der nicht in Reaktion getretene Quarz bleibt unangegriffen und wird nach Trennung von dem gelosten gewogen. Zur Kontrolle wurde mehrmals auch die in Losung gegangene Kiesel- siiure bestimmt. Aus den Analysen zw-eier Parallelproben, die in der Regel nicht mehr als einige Zehntel-Prozent voneinander differierten, wurde die Kurve der Fig. 2 konstruiert.

Es war fur die Wahl der Erhitzungsbedingungen und die Be- urteilung der Ergebnisse notwendig, sich eine Vorstellung uber die Umwandlungsdauer bei verschiedenen Temperaturen zu bilden. Dies

l) E. COHEN u. N. W. H. ADDINK, Z. phys. Chem. A, 168 (1934), 188.

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geschah durch Erhitzen des roten Oxyds wiihrend ungleichar Zeit- perioden bei verschiedenen Versuchstemperaturen und nachheriges Beobachten unter dem Mikroskop. In bester Ubereinstimmung mit dem Ergebnis von COREN und ADDIKK zeigte das rote Praparat nach 24 stiindiger Erhitzung bei 435-485O noch keine gelben Korner ; diese traten aber in einem Versuch zwischen 505-530° reichlich auf. KurvenmiiBig lassen sich unsere diesbezuglichen Ergebnisse wie in Fig. 1 darstellen.

Die mit rotem PbO und Quarz erhaltenen Reakt'ions- ausbeuten werden durch die 1 Punkte + in der Fig. 2 an- gegeben.

t m 5 Stunden Fig. 1. Ungefahre Umwandlungs- dauer des roten PbO-Prgparates

in gelbes

15 9 - 3

%

7ffy s

0 - 5 0 t

0 +++4 -t + 45a0Temperat~r 650'

Fig. 2. + rates PbO und SiO, 0 gelbes PbO und SiO,

Wie erwartet, macht sich die Gleichgewichtstemperatur der Um- wandlung bei 488,5O gar nicht geltend. Wie aus der Kurve Fig. 1 erhellt, tritt cine lebhaftere Umwandlung erst bei den Temperaturen urn 600° herum ein, und in bester Ubereinstimmung hiermit fangen die Prozentzahlen der Umsetzung erst von diesem Gebiet an schneller zu wachsen.

Das Diagramm (Fig. 2) enthalt auch die Resultate einiger mit Gemischen aus gelbem PbO und Quarz (1 : 1) unter sonst uberein- stimmenden Bedingungen ausgefuhrten Reaktionsversuche (kreis- formige Punkte). Unter 488,5O ist dieses Prkparat instabil, wandelt sich aber wie das rote durch bloBes Erhitzen sehr langsam in die stabile Form urn. DaIj die Reaktionsausbeuten mit gelbern bzw. rotem Oxyd etwa gleich pol3 sind und keinen EinfluB von den ent- sprechenden Stabilitiitsgebieten zeigen, beruht, wie eingangs erwahnt wurtle, darauf, daB das gelbe PbO auch durch den geringen Druck bei vorsichtigster Mischung stellenweise ins stabile rote umgewandelt wurde. Zum Teil wird dieser Ubergang naturlich auch durch Er-

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hitzen befordert. Bu einem betriichtlichen Teil hatten wir also in den beiden Versuchsreihen mit einem Reaktionsgemisch gleicher Art zu tun. Zwischen den beiden letzten Versuchstemperaturen 610° und 655O wurden keine Bestimmungen gemacht. Da in diesem Ge- biet zwischenliegende Punkte und auch geringe Schwankungen der Einzelbestimmungen die Lage der Kurve stark beeinflussen, lassen sich selbstverstandlich keine Schliisse aus der Andeutung zu einern Verlauf der 0 -Kurve links von der +-Kurve ziehen.

Die Ausfiihrung dieser Arbeit wurde durch den SwARTz’schen Silikatfond gefordert.

Gotsborg, Chalmers Technische Hochsc?Lule, Chemisches Labo- rntorium I I I . November 1935.

Bei der Redaktion eingegengen am 4. Dezember 1935.