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Management _Best Practice 16 Deutsche Bank_results Trikotagenhersteller bei Chemnitz. Kleiner Laden, gute Leute, verstaubte Technik, wenig Perspekti- ve. Denn das Gros der Branche schneidet und näht schon längst in Südostasien. 15 Mitarbeiter sind es zu Beginn, eine kleine Ausgründung aus einem einstmals großen Wäschekombinat. Das Projekt wirkt wenig überzeugend, fast halsbrecherisch. Für den ersten Kredit muss Jass- ner sein Haus im heimischen Ostalbkreis belei- hen. Doch der Mann glaubt an seine Marktnische: modische Markenunterwäsche für Männer statt Einheitsware. Eine Lifestyle-Marke aus Chemnitz? Selbst Anfang der Neunziger ist so was noch echtes Neuland, Marken wie Calvin Klein sind bestenfalls ein exotisches Mitbringsel aus New York. 15 Euro jährlich investiert der deutsche Mann zu dieser Zeit in seine Slips, 27 Euro sind es bei den Frauen. Und als Jassner dann auch noch den Firmennamen „bruno banani“ ins Handelsregister eintragen las- sen will, bekommt er vom zuständigen Sachbear- beiter erst mal eine Abfuhr: „Einen dümmlicheren Namen hätten Sie sich wohl nicht einfallen lassen können.“ Zu unseriös, geht nicht. Geht dann aber doch. Und innerhalb weniger Jahre gelingt es Jassner, den vormals notleiden- den Ostbetrieb mit neuem Sortiment nach vorn zu bringen. Aus dem Stand heraus schafft er schon im ersten Jahr zwei Millionen D-Mark Umsatz, zehn Jahre später sind es 40 Millionen Euro. Mitunter kommen die Aufträge so schnell rein, dass Jass- ner eine Neukundensperre verhängen muss.  D afür muss man verrückt sein. Etwas zumin- dest. In einem Ultraleichtflugzeug die Welt umrunden. Zwei deutsche Hobbyflieger, Andreas Zmuda und Doreen Kröber, sind so seit Jahren unterwegs. Sie haben alles aufgegeben daheim in Deutschland, das ganze Leben auf ein fliegendes Dreirad und zwei Gepäcksäcke konzen- triert. Im Sommer 2012 sind sie in Florida zum Aben- teuer ihres Lebens gestartet, bruno-banani-Wäsche im Sack und das Firmenlogo des Sponsors auf der Tragfläche. Seitdem wird weltweit berichtet von den beiden Berlinern in ihrer fliegenden Kiste und ihrem Geldgeber, der Wäschefirma aus Deutsch- land. Medienwert? Unbezahlbar. Die Geschichte von bruno banani schmückt jede Marketing-Vorlesung. Sie handelt vom Aufstieg des vormaligen kleinen VEB Trikotex bei Chemnitz zu einem globalen Fashion-Label. Und von einem schwäbischen Manager, der in den Osten geht, um sich selbstständig zu machen und dort ausge- rechnet in die sich auflösende Textilindustrie zu investieren. Es ist die Geschichte eines Mannes, der die Deutschen rausholen will aus dem Feinripp. Es ist die Geschichte des heute 73-jährigen Unter- nehmers Wolfgang Jassner, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Sohn und einem Manager führt und bis heute die Wirksamkeit intelligenten Marketings beweist. Und das ging so: 1993 übernimmt der vorma- lige Textilmanager Jassner als Mehrheitsinvestor gemeinsam mit einem ostdeutschen Partner einen Die Shorts fürs Weltall Große Marketing-Gelder hat nicht jeder. Muss auch nicht. Der Textilunternehmer Wolfgang Jassner zeigt mit seiner Marke bruno banani, dass sich Aufmerksamkeit und Bekanntheit auch bei überschaubarem Budget gewinnen lassen. Wenn es denn clever investiert wird Wolfgang Jassner hat einen einfachen Rat: „Seien Sie einfach anders als die anderen.“ Mit diesem Rezept macht er inzwischen einen dreistelligen Millionenumsatz FOTO: MATTHIAS LUEDECKE

Die Shorts fürs Weltall - Deutsche Bank Privatkunden · 18 Management_Best Practice entsteht die „Perfactory“, ein cooler Glasblock, ausgelegt auf hohe Verarbeitungsqualität

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Management_Best Practice16 Deutsche Bank_r e s u l t s

Trikotagenhersteller bei Chemnitz. Kleiner Laden,

gute Leute, verstaubte Technik, wenig Perspekti-

ve. Denn das Gros der Branche schneidet und näht

schon längst in Südostasien. 15 Mitarbeiter sind

es zu Beginn, eine kleine Ausgründung aus einem

einstmals großen Wäschekombinat.

Das Projekt wirkt wenig überzeugend, fast

halsbrecherisch. Für den ersten Kredit muss Jass-

ner sein Haus im heimischen Ostalbkreis belei-

hen. Doch der Mann glaubt an seine Marktnische:

modische Markenunterwäsche für Männer statt

Einheitsware. Eine Lifestyle-Marke aus Chemnitz?

Selbst Anfang der Neunziger ist so was noch echtes

Neuland, Marken wie Calvin Klein sind bestenfalls

ein exotisches Mitbringsel aus New York. 15 Euro

jährlich investiert der deutsche Mann zu dieser

Zeit in seine Slips, 27 Euro sind es bei den Frauen.

Und als Jassner dann auch noch den Firmennamen

„bruno banani“ ins Handelsregister eintragen las-

sen will, bekommt er vom zuständigen Sachbear-

beiter erst mal eine Abfuhr: „Einen dümmlicheren

Namen hätten Sie sich wohl nicht einfallen lassen

können.“ Zu unseriös, geht nicht.

Geht dann aber doch. Und innerhalb weniger

Jahre gelingt es Jassner, den vormals notleiden-

den Ostbetrieb mit neuem Sortiment nach vorn zu

bringen. Aus dem Stand heraus schafft er schon im

ersten Jahr zwei Millionen D-Mark Umsatz, zehn

Jahre später sind es 40 Millionen Euro. Mitunter

kommen die Aufträge so schnell rein, dass Jass-

ner eine Neukundensperre verhängen muss.

 Dafür muss man verrückt sein. Etwas zumin-

dest. In einem Ultraleichtfl ugzeug die Welt

umrunden. Zwei deutsche Hobbyfl ieger,

Andreas Zmuda und Doreen Kröber, sind so seit

Jahren unterwegs. Sie haben alles aufgegeben

daheim in Deutschland, das ganze Leben auf ein

fl iegendes Dreirad und zwei Gepäcksäcke konzen-

triert. Im Sommer 2012 sind sie in Florida zum Aben-

teuer ihres Lebens gestartet, bruno-banani-Wäsche

im Sack und das Firmenlogo des Sponsors auf der

Tragfl äche. Seitdem wird weltweit berichtet von

den beiden Berlinern in ihrer fl iegenden Kiste und

ihrem Geldgeber, der Wäschefi rma aus Deutsch-

land. Medienwert? Unbezahlbar.

Die Geschichte von bruno banani schmückt jede

Marketing-Vorlesung. Sie handelt vom Aufstieg des

vormaligen kleinen VEB Trikotex bei Chemnitz zu

einem globalen Fashion-Label. Und von einem

schwäbischen Manager, der in den Osten geht,

um sich selbstständig zu machen und dort ausge-

rechnet in die sich auflösende Textilindustrie zu

investieren. Es ist die Geschichte eines Mannes,

der die Deutschen rausholen will aus dem Feinripp.

Es ist die Geschichte des heute 73-jährigen Unter-

nehmers Wolfgang Jassner, der das Unternehmen

gemeinsam mit seinem Sohn und einem Manager

führt und bis heute die Wirksamkeit intelligenten

Marketings beweist.

Und das ging so: 1993 übernimmt der vorma-

lige Textilmanager Jassner als Mehrheitsinvestor

gemeinsam mit einem ostdeutschen Partner einen

Die Shorts fürs WeltallGroße Marketing-Gelder hat nicht jeder. Muss auch nicht. Der Textilunternehmer Wolfgang Jassner zeigt mit seiner Marke bruno banani, dass sich Aufmerksamkeit und Bekanntheit auch bei überschaubarem Budget gewinnen lassen. Wenn es denn clever investiert wird

Wolfgang Jassner hat einen einfachen Rat: „Seien Sie einfach anders als die anderen.“ Mit diesem Rezept macht er inzwischen einen dreistelligen Millionenumsatz

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Für „bruno banani“ gab’s vom Handelsregister-Beamten

erst mal eine Abfuhr

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Management_Best Practice18

entsteht die „Perfactory“, ein cooler Glasblock,

ausgelegt auf hohe Verarbeitungsqualität und

effi zienten Workfl ow für rund 35 Näherinnen und

die Verwaltung. Vom Chefbüro zur Fertigung sind

es nur ein paar Schritte. Und 2014 schafft das Un-

ternehmen erstmals mehr als 100 Millionen Euro.

Von Anfang an setzt Jassner auf den Aufbau ei-

ner Marke, einer „fetzigen“ Marke, wie er es nennt.

Nur: Große Marketing-Budgets sind nicht vorhan-

den – spektakuläre Ideen dafür schon.

Gemeinsam mit dem schwäbischen Marken-

experten und Werber Gerhard Fischbach, der Jass-

ner über viele Jahre begleiten wird, entwickelt er

„Extremtests“ für Unterwäsche. Es sind meist et-

was schrille PR-Events, zum Teil ähnlich jenen der

Getränkemarke Red Bull. Einen „Space Test“ mit

bruno-banani-Unterwäsche in der Raumstation

MIR („erste Designermarke-Unterhose im Weltall“),

ein „Speed Proof“ („schnellste Designermarke der

Welt“). bruno banani ist die erste Designermarke

auf dem Mount Everest, reist 10 000 Kilometer

durch die Wüsten Afrikas, durchläuft Drucktests

in den Tiefen des Bermudadreiecks und Crash-

tests beim TÜV. 2009 verspricht das Unternehmen

eine „Abwrackprämie“ für alte Unterwäsche. Das

schräge Kampagnen-Motiv mit leicht bekleideter

Kanzlerin und Kabinett schafft es sogar ins Bonner

Haus der Geschichte. Und im Februar 2014 schickt

bruno banani einen Rennrodler von der Südsee-

insel Tonga an den Start zu den Olympischen Win-

terspielen in Sotschi. Der Mann heißt auch noch so

wie die Firma, die Geschichte von dem dunkelhäu-

tigen Rodler aus dem Südpazifi k, gesponsert von

einer deutschen Wäschefi rma, geht um die Welt.

Das Ergebnis der spektakulären Turnereien ist

eine starke, weithin bekannte und vielfach prä-

mierte Marke: bruno banani kennen heute rund

zwei Drittel aller Deutschen, bei den Jüngeren liegt

die Markenbekanntheit sogar bei 90 Prozent. Die

MIR-Aktion bringt Jassner in New York einen Award

für eine der effektivsten Werbekampagnen welt-

weit. Seine Zielgruppe defi niert er nicht über Alter,

Einkommen oder Sinus-Milieus, sondern nennt sie

Als überzeugter Anhänger der sogenannten

engpasskonzentrierten Strategie fokussiert er sich

zunächst nur auf Design-Unterwäsche für Männer.

Und er ist schnell: Nach 1000 Tagen gehört er in

seinem Marktsegment bereits zu den drei führen-

den Anbietern. „Wir haben den schlafenden Markt

erweckt“, sagt der Gründer. Weltmarken wie Calvin

Klein, Hugo Boss oder Joop laufen hinterher. Sechs

Jahre nach Start baut Jassner eine völlig neue Fer-

tigung und Verwaltung auf der grünen Wiese. Es

bruno bananis Werbung mit Politikern schaffte es bis ins Bonner Haus der Geschichte (links). Das Tages-geschäft übernimmt inzwischen Jan Jassner gemeinsam mit einem ange-stellten Manager

Starke Marke: Lizenzen machen heute die Hälfte des Umsatzes aus

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Deutsche Bank_r e s u l t s

einfach „young-minded“. „bruno banani“, hat das

Wirtschaftsmagazin „brand eins“ einmal geschrie-

ben, „ist der Thomas Gottschalk der Unterwäsche-

Industrie: eine Spur zu laut, volksnah, mit Hang

zum Stil-Exzess – und genau deshalb erfolgreich.“

Um seine kleine Wäschemarke groß zu machen,

investiert Jassner bis zu 15 Prozent des Umsatzes

ins Marketing. Für einen Mittelständler ist das eine

Menge. Doch man muss auch nicht die Budgets von

Coca-Cola bewegen, um Gehör zu fi nden. Sein Rat:

„Seien Sie einfach anders als die anderen.“ Das

ist ihm gelungen. Schon 2000 kann bruno banani

seinen Namen per Lizenzvergabe zu Geld machen.

Nach Jahren spektakulärer Events steht die Marke

nun auch für Innovation, Farbe, Humor, Kreativität

und Frische. Und ist begehrt bei Lizenznehmern,

die damit ihren No-Name-Produkten eine junge

Markenaura geben.

Wachstumspotenzial im Ausland

Heute macht bruno banani über 50 Prozent des

Umsatzes mit der Vergabe von Fertigungsrechten

an 15 Lizenznehmer quer durch alle Branchen: Ta-

schen, Bettwäsche, Brillen, Handtücher, Schmuck,

Schals, Deos, Socken, Schuhe. „Wir sind eine Life-

style-Marke“, sagt Jassner, „und nur noch nebenbei

ein Hersteller von Underwear.“ Denn in der kleinen

Chemnitzer Manufaktur steckt wenig Wachs tums-

potenzial. Rund neun Minuten dauert es, bis ein Paar

Shorts zugeschnitten und ganz traditionell an der

Maschine genäht ist. Rationalisierungspotenzial:

null. Deshalb entsteht nur ein Teil der Herrenwä-

sche und Bademoden in Eigenfertigung, alle ande-

ren Textilien werden zugekauft. „Wir müssen froh

sein“, sagt der Gründer, „wenn wir diese Produktion

auch in Zukunft in Deutschland hinbekommen.“

Ja, die Zukunft. Der Senior ist nach eigenen

Worten „immer noch voll dabei“. Er selbst konzen-

triert sich auf die Themen Strategie und Marke, sein

42-jähriger Sohn Jan und ein angestellter Manager

steuern das Tagesgeschäft. Jährlich fünf Prozent

Wachstum ist das ausgegebene Ziel, das klingt

machbar. Jassner junior übernimmt ein kernge-

sundes und beruhigend durchfi nanziertes Unter-

nehmen, doch auch er muss sich neuen Herausfor-

derungen stellen. Der Aufbau eigener Filialen im

europäischen Ausland ist eines der Ziele, denn bis-

lang generiert Deutschland zwei Drittel des Umsat-

zes. Zugleich verändert sich der Einzelhandel, rund

1000 Textilgeschäfte gehen jedes Jahr bundesweit

aus dem Markt. Die Fachhändler mit Point-of-Sale-

Aktionen stärken ist eine Antwort. Eine andere der

Aufbau eigener Filia len und Outlets. Neun bruno-

banani-Stores gibt es inzwischen, weitere werden

folgen. Und 15 Prozent des Umsatzes laufen inzwi-

schen über die eigene Online-Plattform, auch das

noch nicht das Ende der Planung.

Die Unterhose hat inzwischen einen weiteren

„Extremtest“ bestanden: Ein Stuntmann ist mit ihr

im Filmpark Babelsberg auf einem Motorrad durchs

Feuer gerast. „Die Marke hält ihre Flughöhe“, sagt

der Senior zufrieden, „sie ist dort, wo sie hinsoll.“

Auch Andreas Zmuda und Doreen Kröber haben

ihre Reisefl ughöhe noch nicht verlassen. Ihr Aben-

teuer in der fl iegenden Kiste haben sie gerade erst

verlängert, Ende offen. Ein paar fl iegerische Welt-

rekorde sind schon gebrochen, ein paar sollen noch

folgen. Und bruno banani bleibt an Bord.

STEPHAN SCHLOTE

WEITERE INFORMATIONEN

Buchhinweis: „Not for Everybody. Die Erfolgs-

geschichte von bruno banani“. Wiley-VCH 2013

Handarbeit: Am Standort Chemnitz wird nur noch ein Teil der Produktion gefertigt, der Rest zugekauft. Neun Minuten dauert die Herstellung eines Paars Herrenshorts

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