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Heft 4] 1961 J 401 Die Spechte Trichopicus cactorum und Scapaneus leucopogon in Brasilien Von Helmut Sick Funda~5o Brasil Central, Museu Nacional, Rio de Janeiro Trichopicus cactorum Von Herrn A. AGUIRRE, Jagd- und Fischfangbehbrde (Divis~o de Caga e Pesca) Rio de Janeiro, erhielt ieh einen in Mato Grosso gesammelten Speeht, fiir den ieh in der reiehhaltigen Kollektion brasilianiseher Vbgel im Museu Naeional, Rio, kein Vergleiehsmaterial fan& Es stellt sich heraus, dab es sieh um den Gelbkin~speeht, Trichopicus cactorum (d'Orb.), handelt, eine bisher fiir 13rasilien offenbar no& nicht naehgewiesene Art, deren seit langem bekanntes Verbreitungs- gebiet weiter sfidlieh und siidwestlieh auf dem Kontinent liegt. Die Art erinnert im ganzen etwas an unsere Buntspeehte. Herr AGUIRRE, erfahrener Kenner tier Tierwelt Brasiliens, mit dem ieh seit 20 Jahren zusammenarbeite, erlegte den Speeht am 29. Oktober 1958 in 3 Exem- plaren auf der Estgneia ,,Miranda" zwisehen den Fliissen Miranda und Aquidau- ana, Munizip Miranda, im Siidosten des sogenannten ,,Pantanal": einer groBen savannenartigen Niederung im westliehen Mato Grosso, in der sieh die Zufliisse des oberen Paraguaystromes ausbreiten. In der Regenzeit steht dieses Land auf weite Streeken unter Wasser, was die Bezeiehnung P a n t a n a 1 = Sumpfgebiet reehtfertigtl). Phytographiseh billigt man dem Pantanal den Rang einer selbstiin- digen Provinz in Siidamerika zu (HuEex 1957, Inst. Forest. Lat. Am., Merida, Venezuela, Boll. II). Jagd und F.isehfang im P antanal werden zusammenfassend yon A. AGUIR•E (1958, Min. Agric. Rio ,de Janeiro, Dep. Nac. Prod. An.) behandelt. Die Speehte kletterten an Palmen herum, den auffallendsten ~/iumen des Ge- biets. In den ausgedehnten Grasfluren wiiehst iiberall verstreut und gruppenweise die Carand£ (Copernicia australis), eine iiberaus sehlanke kleinkronige Fgeher- palme, Gattungsgenossin der ihrer Waehsproduktion wegen beriihmten Carnauba (Copernicia cerifera) Nor.dostbrasiliens. Daneben ist aueh die Bocain, va-Palme (Acroeomia sclerocarpa) h//ufig, deren ,,e6cos" (Frfiehte) sieh bei Menseh und Tier (besonders aueh den Aras!) grol3er .Beliebtheit erfreuen. Das Vorkommen des Gelbkinnspeehts im westliehen Mato Grosso ist nieht so verwunderlich, da die Art aus dem angrenzenden Paraguay und Bolivien (auBer~ dem aus ,S/idperu, Argentinien und Uruguay) bekannt }st. Hinsiehttich der Land- I) H. WILHELMY (1958, Umschau: 555--559) erklgrte kiirzlich in einem vorziiglich bebilderten Artikel, die Bezeiehnung ,,Pantanal" sei irrefiihrend, da es hier keine Dauersiimpfo g~ibe wie z.B. am Nil. In Brasilien ist man der Meinung, dab die allj~ihrliche, 5 bis 6 Monate anhaltende ~berschwemmung des Gebietes, die nur zu oft zu riesigen Viehsterben fiihrt (den Vieh- und Pferdebestand des Pantanal sch~tzte man 1957 auf 5 Millionen; die Est~mcia Miranda hatte 1958 90 000 Stiick Zeburinder[), die Bezeichnung Pantanal hinreichned begrfindet. Diese nasse Periode ist fiir das Leben in jener Region yon viel gr5gerer Bedeutung als die danach folgende kilrzere Trockenperiode, in der der Reisende den Pantanal als eine Art ,,gepflegte englische Parklandschaft" (WIL•ELMY), die alie Schrecken der Regenzeit verloren hat, genieBt.

Die SpechteTrichopicus cactorum undScapaneus leucopogon in Brasilien

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Heft 4] 1961 J 401

Die Spechte Trichopicus cactorum u n d Scapaneus leucopogon in Brasilien

Von Helmut Sick

Funda~5o Brasil Central, Museu Nacional, Rio de Janeiro

Trichopicus cactorum

Von Herrn A. AGUIRRE, Jagd- und Fischfangbehbrde (Divis~o de Caga e Pesca) Rio de Janeiro, erhielt ieh einen in Mato Grosso gesammelten Speeht, fiir den ieh in der reiehhaltigen Kollektion brasilianiseher Vbgel im Museu Naeional, Rio, kein Vergleiehsmaterial fan& Es stellt sich heraus, dab es sieh um den Gelbkin~speeht, Trichopicus cactorum (d'Orb.), handelt, eine bisher fiir 13rasilien offenbar no& nicht naehgewiesene Art, deren seit langem bekanntes Verbreitungs- gebiet weiter sfidlieh und siidwestlieh auf dem Kontinent liegt. Die Art erinnert im ganzen etwas an unsere Buntspeehte.

Herr AGUIRRE, erfahrener Kenner tier Tierwelt Brasiliens, mit dem ieh seit 20 Jahren zusammenarbeite, erlegte den Speeht am 29. Oktober 1958 in 3 Exem- plaren auf der Estgneia ,,Miranda" zwisehen den Fliissen Miranda und Aquidau- ana, Munizip Miranda, im Siidosten des sogenannten ,,Pantanal": einer groBen savannenartigen Niederung im westliehen Mato Grosso, in der sieh die Zufliisse des oberen Paraguaystromes ausbreiten. In der Regenzeit steht dieses Land auf weite Streeken unter Wasser, was die Bezeiehnung P a n t a n a 1 = Sumpfgebiet reehtfertigtl). Phytographiseh billigt man dem Pantanal den Rang einer selbstiin- digen Provinz in Siidamerika zu (HuEex 1957, Inst. Forest. Lat. Am., Merida, Venezuela, Boll. II). Jagd und F.isehfang im P antanal werden zusammenfassend yon A. AGUIR•E (1958, Min. Agric. Rio ,de Janeiro, Dep. Nac. Prod. An.) behandelt.

Die Speehte kletterten an Palmen herum, den auffallendsten ~/iumen des Ge- biets. In den ausgedehnten Grasfluren wiiehst iiberall verstreut und gruppenweise die Carand£ (Copernicia australis), eine iiberaus sehlanke kleinkronige Fgeher- palme, Gattungsgenossin der ihrer Waehsproduktion wegen beriihmten Carnauba (Copernicia cerifera) Nor.dostbrasiliens. Daneben ist aueh die Bocain, va-Palme (Acroeomia sclerocarpa) h//ufig, deren ,,e6cos" (Frfiehte) sieh bei Menseh und Tier (besonders aueh den Aras!) grol3er .Beliebtheit erfreuen.

Das Vorkommen des Gelbkinnspeehts im westliehen Mato Grosso ist nieht so verwunderlich, da die Art aus dem angrenzenden Paraguay und Bolivien (auBer~ dem aus ,S/idperu, Argentinien und Uruguay) bekannt }st. Hinsiehttich der Land-

I) H. WILHELMY (1958, Umschau: 555--559) erklgrte kiirzlich in einem vorziiglich bebilderten Artikel, die Bezeiehnung ,,Pantanal" sei irrefiihrend, da es hier keine Dauersiimpfo g~ibe wie z.B. am Nil. In Brasilien ist man der Meinung, dab die allj~ihrliche, 5 bis 6 Monate anhaltende ~berschwemmung des Gebietes, die nur zu oft zu riesigen Viehsterben fiihrt (den Vieh- und Pferdebestand des Pantanal sch~tzte man 1957 auf 5 Millionen; die Est~mcia Miranda hatte 1958 90 000 Stiick Zeburinder[), die Bezeichnung Pantanal hinreichned begrfindet. Diese nasse Periode ist fiir das Leben in jener Region yon viel gr5gerer Bedeutung als die danach folgende kilrzere Trockenperiode, in der der Reisende den Pantanal als eine Art ,,gepflegte englische Parklandschaft" (WIL•ELMY), die alie Schrecken der Regenzeit verloren hat, genieBt.

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sehaftsformen, .die der Speeht in diesen Gebieten bevorzugt, liegen recht gegen- s~tzliehe Beriehte vor. In Paraguay wurde die Art yon KRIEG (1948, zwischen Anden und Atlantik: 29; A. LAUBMANN 1939, Die VSgel yon Paraguay: 219) bei Puerto Sastre auf dem Westufer des Paraguayflusses ge.sammelt, 280 km Luft- linie sfidwestlieh yon Miranda. Der Vogel war hier nicht selten. Es ist die Rede yon baumlGsen Kamps, Galeriewald und auch yon Palmaren, in denen, wie ira Pantanal, Copernicia australis dominiert. So scheint sich dort ein ganz ~hnliches Landschaftsbild zu zeiehnen wie auf der brasilianischen Seite des Paraguay- stroms.

Andererseits kam schon im vorigen Jahrhundert aus Bolivien die Nachricht, dab Trichopicus dort sein Nest in S~ulenkakteen (Zeugen besonders trockenen Bodens!) maehte, worauf sich der wissenschaftl~che Name der Art griindet. Das- selbe h5ren wir au,s Argentinien, wo der Speeht ,Carpintero de los eardones" = Kakteenspedlt, genannt wird. ~ei HARrERT & VENTURI (1909, Nov. Zool. XVI, 2: 227) ist zu lesen, daft die NisthShlen dieser V5gel sehr auffielen, da sic sich oben in hohen Cereu~-Kakteen befanden, die an den Bergh~ngen wuchsen. OLaOG (1959, Las ~ves Argent inns: 177) gibt an, daft die Art in Troekenw~ldern (montes = matas xer6filas) vork~me.

So erhebt sieh die Frage, ob eine periodisch iiberschwemmte Savanne wie die bei Miranda in Mato Grosso (und wohl aueh diejenige bei Puerto Sastre) zum Brutgebiet des Gelbkinnspeehts geh5ren kann, oder ob die V5gel hierher nur auf Wanderungen gelangen. IEinen nach Qsten vorgeschobenen Vorposten des ariden Chaco Boreal (dieser ist der Gegend von P to. Sastre unmittelbar be- nachbart) bildet der Sockel bei der brasilianisehen Grenzstadt Corumb£ auf dem 5stlichen Paraguay-Ufer, am Westrand des Pantanal -- ein Gebiet, das sowohl floristiseh als auch faunistisch viel Verwandtschaft mit dem Chaco, ja mit den Diirregebieten NO-Br~siliens hat (vgh PINTO 1948, Bol. Mus. Par£ E. Goeldi X: 351--354). f3ber ein Vorkommen von Trichopicus cactorum bei Corumb£ ist freilich nichts bekannt; Miranda ist fund 200 kin von Co rumb£ entfernt.

Die EierstScke des einzigen n~iher untersuchten Stiickes wurden al~s gering entwickelt bezeiehnet. ~Das Auftreten in einem Trupp (aul]er den 2 pr~parierten Exemplaren sehol3 Herr AGUIRRE noch auf ein drittes Stiick, das im diehten Maeega-Gras nicht zu finden war) brancht nicht nnbedingt gegen die Fortpflanzung der Art am Oft zu sprechen. Es konnte sich um e inen Familienverband gehandelt haben, und im iibrigen geben such andere hiesige Kampspechte, wie Colaptes campestris, ihre Geselligkeit in der ~3rutperiode nicht g~nzlieh auf. Die Jahreszeit (Oktober) ist in diesem Zusammenhang ebenfalls nieht eindeutig.

Bemerkenswert ist, daft die Roosevelt-.Rondon-Expedition (NAUMEIJRG 1930, Bull. Am. Mus. Nat. Hi,st. LX), die den Gelbkinnspecht aus Paraguay mitbraehte und darauf den Pantanal durchzog, die Art hier, also in ]3rasilien, nicht sammelte

- - aus Zufall.~ l)brigens hatte bereits NATTERER den nSrdlichen Pantanal dureh- streift; der Specht, der zu jener Zeit noch gar nicht beschrieben war, befindet sich

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nicht in NATTERERS Ausbeute. Auch PINTO (1938, Cat. Aves do ]3r~0sil I; 1948, lit. cit.) fiihrt die Art nicht auf. Und schliel31ich fand auch A. SCHNEIDER, der 1941 sfidlich Porto Murtinho auf der br~silianischen Seite des Paraguayflusses in Mato Grosso sammelte (woriiber noeh nicht verSffentlicht wurde), ~richopicus cactorum nicht. Dieses Gebiot sehlieBt unmittelbar nSrdlich an den yon KRIEG bearbeiteten paraguayischen Chaco an, liegt also zwischen dieser Gegend und unserer Lokalit~t Miranda und hut einen ganz ~hnlichen Charakter.

Zusammenf~s,send ist festzustellen, dub Trichopicus cactorum den Pantanal offenbar nur gelegentlich aufsucht, auI3erhalb der Fortpflanzungszeit. Odor sollten die Spechte in Mato Grosso zum Nisten in Palmst~mmen fibergeg, angen sein?

Ich danke Herrn A. AGUmRE ffir die ~berlassung des Materials und den Kollegen D. AMADON und C. O'BRIEN ffir die Best~itigung meiner ~estimmung anhand yon 1 dem New Yorker Museum leihweise fibersandten Exemplar unseres Spechtes.

Scapaneus leucopogon

Bei Arbeiten im Museu Naeional, Rio, stiel3 ich ,in einer Sehublade mit aul3erbrasilianisehen VSgeln auf einen Specht, den ich sogleich als Pr~parat, meines Kollegen .SCHNEIDER (gebalgt yon Frau M. SCHNEIDER, die ich 1939 selbst beim Pr~parieren angeleitet hatte) erkannte. D~s Feldetikett, ein kleines Nummernschild, war unter .den grol3en Ffil3en des Vogels verborgen, und auch &as Museumsetikett enthielt nur eine Nummer. Es handelte sich um Scapaneus leuco- pogon (Val.), einen grol3en schwarzen Specht mit weil31ich-eremefarbigem Riicken und rotem Kopf, eine i/hnlich Trichopicus cactorum auf des sfidliche Sfidamerika beschr~nkte Art. Weitere Nachforschungen fSrderten noch 2 Exemplare des Spechtes zutage, diese mit der Herkunft'sangabe: Porto Quebracho, ~Mato Grosso, A. SCHNEIDER (ohne Datum; SCHNEIDER hielt sich dort yon April bis 'September 1941 auf). Alle 3 Stficke ~sind Weibchen, Fliigel 185--190, Schwartz 92--107; Angaben fiber den Zustand der Gonaden liegen nieht vor.

Gleich dem Gelbkinnspecht fanden diesen Scapaneus sowohl die Expedition ROOSEVELT-RONDON als aueh KRIEG (S. O.) in Paraguay, nieht aber in Br~silien. Der Vogel wird als Kemp-Art oder als Bewohner von Trockenwald bezeiehnet. PINTO (1938: 351--52) fal3t unsere Kenntnisfse fiber das Vorkommen des Vogels in Brasilien mit folgenden Worten zusammen: ,,Br~silien wird yon VALENCIENNES und WAGLER (1926--27) als Herkunft der Art angegeben; aus neuerer Zeit ist in- dessen kein sicherer Nachweis auf brasilianisehem ]3oden zu verzeichnen." MSg- licherweise haben wir es auch hier mit einem Vogel zu tun, der nur auf Wanderun- gen ins sfidliche Brasilien kommt, und zwar in Anzahl, sod,~13 er dann zeitweise nicht selten ist.