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164 L. Hermann: (Aus dem physiologischen Institut der Universit~t KSnigsberg i. Pr.) Die Wirkung hoehgespannter Str6me auf das Blut. Yon L. Hermann. Die yon R o ll e t t ~) entdeckte Erscheinung, dass Blut dutch die Enfladungsstriime yon Leydener Flasehen oder Induktorien 9) lack- farben wird, ist bisher noch nicht erkli~rt. Rollett selbst i~ussert sich in diesem Sinne am Schlusse einer langeren Diskussion der Er- kliirungsmiiglichkeiten. Zur Ausffihrung des R o I let t' schen Versuches empfiehlt sich folgendes Verfahren, welches zugleich die bequemste mikroskopische Beobachtung gestattet und die ungemein st0rende Gasentwicklung unter dem Deckglas vollkommen vermeidet. Auf eine Glasplatte yon 180 mm Lange und 60 mm Breite klebt man zwei Stanniolstreifen yon 80 mm Lange und 15 mm Breite der Li~nge entsprechend so auf, dass sie bis an die Schmalseiten der Glasplatte reichen, also zwischen sich einen Raum yon 20 mm Liinge frei lassen. Von der zu untersuchenden Fltissigkeit wird ein grosser Tropfen in die Mitte des freien Raumes gebracht und ein di~nnes, quadratisches Deckglas yon 15 mm Seite aufgelegt. Der Raum unter dem Deckglase muss vollstandig und gleichm~ssig vonder Flfissigkeit erft~llt sein. Hierauf legt man zwei mit der gleichen Flt~ssigkeit oder mit physiologischer KochsalzlOsung getri~nkte Fliesspapierst~cke 'so auf, dass sie, mit ihrem gri~ssten Theile auf dem Stanniol aufliegend, die Ri~nder des Deckgli~schens gerade bert~hren und mit der Fli~ssigkeit eine leitende Verbindung herstellen. Will man die Rollett'schen Stromver- theilungsfiguren darstellen, d. h. das Fortschreiten der Aufhellung nach" Spannungskurven demonstriren, so gibt man den inneren Enden der Papierbli~tter eine zugescharfte Gestalt, so dass sie nur mit der Mitte der Querseiten des Deckglases in Berfihrung sind. 1) Sitzungsber. d. i~sterr. Akademie, math.-naturw. Klasse, Abth. 2 Bd. 47 S. 356, 1863; Bd. 48 S. 178, 1864. Auch in Moleschott's Untersuchungen zur Naturlehre etc. Bd. 9 S. 260, 474. 2) Die letzteren wurden zuerst yon E. Neumann verwendet, Archly ff~r Anat. und Physiol. 1865 S. 682.

Die Wirkung hochgespannter Ströme auf das Blut

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164 L. Hermann:

(Aus dem physiologischen Institut der Universit~t KSnigsberg i. Pr.)

D i e W i r k u n g h o e h g e s p a n n t e r S t r 6 m e a u f d a s B l u t .

Yon

L. Hermann.

Die yon R o l l e t t ~) entdeckte Erscheinung, dass Blut dutch die Enfladungsstriime yon Leydener Flasehen oder Induktorien 9) lack-

farben wird, ist bisher noch nicht erkli~rt. R o l l e t t selbst i~ussert sich in diesem Sinne am Schlusse einer langeren Diskussion der Er- kliirungsmiiglichkeiten.

Zur Ausffihrung des R o I l e t t ' schen Versuches empfiehlt sich folgendes Verfahren, welches zugleich die bequemste mikroskopische Beobachtung gestattet und die ungemein st0rende Gasentwicklung unter dem Deckglas vollkommen vermeidet. Auf eine Glasplatte yon

180 mm Lange und 60 mm Breite klebt man zwei Stanniolstreifen yon 80 mm Lange und 15 mm Breite der Li~nge entsprechend so auf, dass sie bis an die Schmalseiten der Glasplatte reichen, also

zwischen sich einen Raum yon 20 mm Liinge frei lassen. Von der zu untersuchenden Fltissigkeit wird ein grosser Tropfen in die Mitte

des freien Raumes gebracht und ein di~nnes, quadratisches Deckglas

yon 15 mm Seite aufgelegt. Der Raum unter dem Deckglase muss vollstandig und gleichm~ssig vonder Flfissigkeit erft~llt sein. Hierauf legt man zwei mit der gleichen Flt~ssigkeit oder mit physiologischer

KochsalzlOsung getri~nkte Fliesspapierst~cke 'so auf, dass sie, mit ihrem gri~ssten Theile auf dem Stanniol aufliegend, die Ri~nder des Deckgli~schens gerade bert~hren und mit der Fli~ssigkeit eine leitende

Verbindung herstellen. Will man die R o l l e t t ' s c h e n Stromver-

theilungsfiguren darstellen, d. h. das Fortschreiten der Aufhellung nach" Spannungskurven demonstriren, so gibt man den inneren

Enden der Papierbli~tter eine zugescharfte Gestalt, so dass sie nur mit der Mitte der Querseiten des Deckglases in Berfihrung sind.

1) Sitzungsber. d. i~sterr. Akademie, math.-naturw. Klasse, Abth. 2 Bd. 47 S. 356, 1863; Bd. 48 S. 178, 1864. Auch in Moleschot t ' s Untersuchungen zur Naturlehre etc. Bd. 9 S. 260, 474.

2) Die letzteren wurden zuerst yon E. Neumann verwendet, Archly ff~r Anat. und Physiol. 1865 S. 682.

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Handelt es sich aber, wie in der vorliegenden Arbeit, nut um die Untersuchung der Blutki~rperver~tnderuno'en, so macht man die Papierbli~tter rechteckig und legt sie an die ganzen Querseiten des Deckglases an.

Der Vortheil dieser Anordnung liegt darin, dass keine Metail- elektroden unter dem Deckglase liegen, also niemals GasentwicMung unter dem Glase stattfindet. Zum gleichen Zweck babe ich fri~her Thonlager verwendetl), we]che aber viel leichter als das Papier eintrocknen, und dann zu Glt~h- und Funkenerscheinungen Anlass geben.

Die grosse Glasplatte wird auf dem Hartgummitisch des grossen Zeiss ' schen Stativs mittels einer nur auf dem Glase aufliegenden Federklemme befestigt, und die StrOme werden mittels zweier Reit- klemmen zugeleitet, welche an den den Objekttisch i~berragenden Sehmalseiten Glas und Stanniol zwischen sich fassen.

Die StrSme entnehme ich einem kleinen R u h m k o r f f ' s c h e n ]nduktor yon 3 cm Funkenl~,nge. Als primi~re Kette dienen sechs Akkumulator-Elemente mit einem Vorschaltwiderstand yon 2 his 4 Ohm; bei diesem Betriebsstrom ist die Funkenliinge etwas tiber ] era.

Das Blut wird zweckmassig so stark mit physiologischer Koch- salz]bsung verdiinnt, dass das Gesichtsfeld zwar reichlich Blutk0rper- chen enthlilt, aber so viel Zwischenfli~ssigkeit, dass sie dutch Zwisehen- r~ume von mindestens der Gr6sse eines Blutkbrperchens yon eilmnder getremit sin& Die Aufllellung ist dann immer noch auch makroskopisch gut siehtbar. Zur Beobachtung dienen die Zeiss ' schen Objektive B Bun(! E.

Dass die Ver~tnderungen der Blutki3rper durch den Strom niehts mit Kontraktilit~tt zu thun haben, hat schon Rol Ie t t aberzeugencl dargethan. Am entsehiedensten wird ein solcher Erklhrungsversueh beseitigt durch die Thatsache, dass die Aufhellung an mehrere Tage altem, ja an in Faulniss be~oriffenem Blute ebensogut und unter den- selben Erscheinungen eintritt wie an frischem, was iibrigens schon R o l l e t t fand.

Bei meinen Versuchen tlber den galvanisehen Inhaltsaustritt aus ~Nerven- und Muskelfasern und ~thnlichen Aufgaben war mir die starke Erhitzung auikefallen, welche InduktionsstrSme in dtinnen

1) Vgl. meinen Leitfhden f~r das physio]ogische Praktikum S. 205. Leipzig 1898.

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Flilssigkeitsschichten hervorbringen 2). Diese Erhitzung bewirkt sehr leicht durch Wasserverdampfung Beschlagen der kalten Frontlinse des Objektivs. Auch bei den Aufhellungsversuchen am Blute kommt sehr leicht ein solches Beschlagen vor; ausserdem aber ftihlt man mit dem auf das Deekglas aufgelegten Finger die Erhitzung unmittelbar. Diese Umsti~nde veranlassten mich, tier tibrigens schon von R o 11 e t t er0rterten Frage niiher zu treten, ob nicht die Veri~nderung des Blutes lediglich Folge seiner galvanischen Erwiirmung ist.

Dass Iuduktionsstri~me in Objekten unserer Art eine ungemeiu viel st~rkere Erwiirmung hervorbringen, als die st~rksten constanten Str0me welche ohne ganz ungewOhnliche Mittel in den Objekten hervorgebracht werden k0nnen, ist leicht begreiflich. Schon bei 1 cm Funkenlange kann die Spannung der sekundaren Strbme auf etwa 30000 Volt veranschlagt werden, wiihrend die sti~rksten disponiblen stationiiren StrOme bei Zuhilfenahme stadtischer Elektriziffttswerke hSchstens nach Hunderteu yon Volt zi~hlen, da Hochspannungs- akkumulatoren yon einigen Tausend Volt, wie sie in einzeluen physikalischen Instituten vorhanden sind, bisher kaum zu physiologi- schen Versucheu Verwendung gefunden haben. Auch mit Beriick- sichtigung des Umstandes, dass das Stromintegral yon WechselstrSmen nur einen Bruchtheil des konstant gedachten Stromes ausmacht, bleibt die Ueberlegenheit der WechselstrOme bei so schlechten Leiteru wie eine kapillare Blutschicht far alle Effekte, in welchen der Wechsel der Stromrichtung gleichgiiltig ist, eine enorme, und nameutlich die erwiirmende Wirkung darselben, welche dem Q u a d r a t e der Spannung proportional ist, unvergleichbar mit derjenigen konstanter Str0me.

Der Anblick der Verliuderungen, welche die Spannungsstr(ime an den BlutkOrpern hervorbringen, ist schon you R o l l e t t in den Hauptphaseu beschrieben worden. Hinzuzuft~gen ist zunlichst, dass man sehr gewShnlich die R o IIe t t noch Unbekannte, yon W e y 1 ~) beschriebene zierliche Aufreihung der BlutkOrper zu Gesicht bekommt. Wegen des relativ guten LeitungsvermSgens der Zwischenfliissigkeit ist diese schi~ne Erscheinung freilich beim Blute weniger augenfallig als bei Suspensionen, deren Medium schlecht leiteta). Bei den

1) u dieses Archiv Bd. 70 S. 520. 1898. 2) Archiv s Anat. und Physiol. 1876 S. 712. 3) Vielleicht das schSnste Object ist mit Brunnenwasser sehr stark ver-

diinnte Milch. Die Wechselstr6me machen hier sofort Aufreihung in der Richtung

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scheibenfSrmigen Blutki~rpern der Si~ugethiere besteht die Haupt-

wirkung in Aufschwellung zu Kugeln und dann Verblassen derselben

unter hustri t t des Farbstoffes; in diesem Augenblick tritt die makroskopische Aufhellung ein. Die verblassten Reste verschwinden

niemals, obwohl sie oft nur bei sehr eng gestellter Irisblende oder

schiefer Beleuchtung noch erkennbar sind. Mannigfacher sind die Ver~nderungen der FroschblutkSrper,

welche besonders genau yon E. N e u m a n n ~) festgestellt worden sind. Hier weichen meine Beobachtungen in einem wesentlichen

Punkte von denjenigen R o l l e t t ' s ab, welcher angibt, dass die Kerne naeh der ersten Einwirkung der Striime meist nicht so deut-

lich, wie am frischen Blutk~irperchen sind. Ich finde gerade das Gegentheil, wenigstens fax' die yon mir hauptsiichlich untersuchte starke Verdannung mit KochsalzlSsung, und auch N e u m a n n macht analoge Angaben. Vor Einwirkung der Strbme sind die

Kerne fast unsichtbar, nur ein sehr undeutlicher~ stets elliptischer Kontour im Innern des KSrperchens ist in der Regel zu sehen. Die

Praexistenz der Kerne ist trotzdem zweiibllos; an zufhllig auf dem Rande stehenden K(irpern sieht man sehr sch5n die bekannte

centrale Verdickung; auch sieht man einen deutlicheren Kernkontour~ wenn bci Bewegung des Deckglases stehende BlutkSrper sich auf

die Fli~che legen und dabei einen Augenblick in geneigte Lage

kommen. Die erste Wirkung der DurchstrSmung, auch wenn diese nur

einen Augenblick gedauert hat, ist nun ausnahmslos eine u n g e m e i n d e u t l i c h e K o n t o u r i r u n g d e s K e r n s , welcher dabei zugleich

stets k 1 e i n e r und r u n d wird. Hierauf folgt sehr bald der Ueber-

gang des elliptischen BlutkSrpers in die Kreisform, und zwar zeigt die Betrachtung des relativ kleinen Durcbmessers des Kreises, dass die elliptische Platte sich in eine K u g e l verwandelt hat~ in deren

Zentrum der Kern liegt. Dann folgt Verblassen des K0rpers~ und in diesem Augenblick die Aufhellung der Schicht. Auch hier bleiben

die verblassten K0rper stets erkennbar, wenn auch of~ erst mit den schon angefi~hrten Hilfsmitteln. Das Eudstadium der Stromwirkung besteht also in einer Verwandlung der platten elliptischen KSrper in

der StrSmungslinien, und die an einander gereihten Milchkiigelchen zeigen oft Koa- fiuenzen zu grSsseren Tropfen (beilhufig ein sprechender Beweis ftir die Nicht- existenz einer Membran).

1) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865 S. 682.

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entfarbte, relativ kleine Kugeln, deren blasser Randtheil meist klein ist im Verhaltniss zu dem runden, stets stark ki)rnigen Kern.

Das yon N e u m a n n regelmassig beobachtete Konfiuiren mehrerer so ver~nderter BlutkSrper habe ich zwar ebenfalls oft gesehen, aber durchaus nicht regelmiissig. Der Grund liegt wohl zweifellos darin, dass ich stets mit SalzlSsung verdiinntes Blut verwendet babe, in welchem die Blutki)rper nur ausnahmsweise sich direkt bertihren; letzteres aber wird zum Konfiuiren jedenfalls erforderlich sein.

Unsere Aufgabe ist nun, die Veranderungen des Blutes durch Wiirme mit denjenigen durch hochgespannte Stri)me zu vergleichen. Wie bereits erwahnt, hat schon R o l l e t t in dieser Richtung Ver- suche angestellt; er gibt eine gewisse Anhlogie der beiden Er, scheinungen zu~ lasst aber den Gedanken eines tieferen Zusammen- hanges desswegen fallen, well er mit dem Thermometer bei der Aufhellung des Blutes die Temperatur nur um 3--5 o, beispielsweise yon 171/2 auf nur 21 o steigen sah, wahrend er auf dem Wasser- bade erst bei 45--60 o Formveranderungen der Blutki)rper konstatiren konnte.

Aber dies Argument ist ohne Bedeutung. Das Thermometer kann vor Allem nur die sehr geringe s u m m a r i s c h e Erwi~rmung der Flt~ssigkeit angeben, und nicht die enorm viel hi)here durch den einzelnen Entladungsschlag; R o l l e t t hellte das Blut durch eine Reihe yon Flaschenentladungen auf; zwischen je zwei Entladungen lag eine erhebliche Zeit, gegen welche die Dauer der Funken, d. h. der Durchstri)mungen, in welche die Erhitzung fallt, gradezu ver- schwindet. Die Erhitzung ist untrennbar mit der DurchstrSmung verbunden, u n d e s hat far den Physiker durchaus niehts Wider- sinniges, dass ein Entladungsstrom fi~r einen ausserst kurzen Moment die Temperatur der Flt~ssigkeit auf mehrere Hundert Grade steigert. Von Verdampfung, Koagulation u. dgl. kann far die minimale Ent- ladungsdauer nicht die Rede sein und noch weniger yon einer Wirkung auf das Thermometer, selbst wenn die Quecksilbermasse verschwindend klein ware gegen diejenige der durchstri)mten Fliissig- keit; da aber aus naheliegenden Griinden letztere mi)glichst klein genommen wird, so sind die Verhaltnisse ffir das Thermometer so ungtinstig wie mi)glich. Ausserdem ist zu erwi~gen, dass, wenn die Elektroden annahernd punktfi)rmig sind, die Durchstri)mung der Flt~ssigkeit eine sehr ungleiche ist und jede Stromlinie ihre besondere Erwarmung haben muss; yon diesen Verschiedenheiten kann das

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Thermometer nichts nachweisen. Ich babe tibrigens nicht unterlassen,

solche Thermometerversuche anzustellen, wozu ich die Fltissigkeits-

menge so klein nahm, wie mit der Aufnahme des Thermometergefi~sses

vereinbar war. Ich konstatirte mit InduktionsstrSmen Steigen des

Thermometers bis um etwa 7 o, konnte aber keine Aufhellung herbei-

ft~hren, w~thrend dies R o l l e t t mit Flaschenentladungen auch an

grSsseren Blutmengen offenbar gelungen ist.

Bei kapillaren Blutschichten unter dem Deckglase ist, wie schon

bemerkt, die Erwarmung durch die InduktionsstrSme so stark, dass

sie meist dam aufgelegten Finger erkennbar ist, und zum Beschlagen

der Frontlinse fahren kann. Es wird nicht tiberfli;~ssig sein, den

Einfluss der D i m e n s i o n e n der in parallelen Stri)mungslinien

durchstr6mten parallelepipediscben Fliissigkeitsscbicbt auf deren Er-

wgwmung uns vor Augen zu ftihren. Ist E die elektromoto~ische

Kraft~ J die Stromsti~rke und W d e r Widerstand des durchstrSmten

flt]ssigen Leiters, so betri~gt, wenn der Strom keine anderen Arbeiten

leistet, bekanntlich die in der Zeiteinheit entwickelte W~trmemenge

worin a eine von den gew~thlten Maasseinheiten abh~ngige Konstante *) ;

ist w der Widerstand des tlbrigen Kreises, so ist

E J - : W T w '

a E 2 W also Q = ( W + ~0 ~"

Wenn, wie in unserm Falle, w gegen Wkle in ist2), so ist angenahert a E ~

O = W" die in der Zeiteinheit erfolgemle Temperatur- Nennen wir 0

erhi)hung, so ist Q - - cp o,

worin c die spezifische Wi~rme der Fli~ssigkeit und p ihre Gewichts-

nlenge. Die Erwarmung in der Zeiteinheit ist also

a L "~ & _ c p W

(welche GrSsse fiir die Zeit t Seeunden n0ch mit t, bei inkonstanten

1) Ist J in AmpSre, W in Ohm, Q in kleinen (Gramra-)Kalorieen ausgedriickt, und ist die Zeiteinheit die Sekunde, so ist a ~ 0,24.

2) Der Widerstand tier sekund~tren" Spirale des kleinen Ruhmkorff ist 2280 Ohm; derjenige der durchstrSmten kapillaren Fliissigkeitsschicht ist auf mindestens 20 000 Ohm zu veranschlagen.

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Strbmen mit d t zu multipliziren und tiber die Zeit t zu integriren

ist). Ist nun 1 die Lange, q der Querschnitt d e r durchstrOmten Flfissigkeit, ferner s ihr spezifisches Gewicht und E ihr spezifisches LeitungsvermSgen, so ist

1 p-----lqs und W-~-q-~,

a E ~" also # = - - csl 2 Die Erwarmung ist also vom Querschnitt tier Fliissigkeit unabhangig, dagegen umgekehrt proportional dem Quadrate der Schichtlange und

direkt proportional ihrem LeitungsvermSgen, stets vorausgesetzt, class die iibrigen Widerstande im Kreise gegen denjenigen der Flilssig- keit verschwinden 1).

Von Interesse ist noch der Fall, dass der Strom sich auf z w e i fli~ssige Schichten zu vertheilen hat. Bezeichnen wir far dieselben

alle GrSssen mit den Indices 1 und 2, so ist

J l = EW. wW~ + w W 2 + W1W2;

verschwindet auch hier w gegen W~ und W_~, so wird E E

J I = W 1 und ebenso J 2 - = W - 2,

a E 2 a E 2 ~1 and es wird wie oben a l = c ~ - p ; ~ = e~-ll~S,

und ebenso b~2 --= a-~2 )~--~- c 2 l~ 2 s 2

Die Erwarmungen sind also far jede Flt~ssigkeit so, als ob sie allein im Kreise ware, und die beiden Erwarmungen verhalten sich bei

gleichen Dimensionen und spezifischen Gewichten wie die Leitungs-

verm5gen. Um die Erwarmung der Blutschicht objektiv nachzuweisen, brachte

ich ausserst kleine Partikelchen eines Paraffins, dessen Schmelzpunkt ich zu 55 o gefunden hatte, mit unter das Deckglas. Dass dieselben

bei starken StrSmen, welche das Blut aufhe]len, schmelzen, ist

1) Versehwindet w nicht gegen W, so wird aE~Z

es(l +q ~w) ~' ufid wi~chst also nieht mehr dem LeitungsvermOgen proportional, sondern erreieht, wie man leieht findet, ein Maximum bei demjenigen Werth yon 4, ftir welehen l = q Z w, oder W = w. Auch hat dann der Quersehnitt erhebliehen, und zwar vermindernden Einfluss.

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~usserst leicht sichtbar; die unregelmi~ssig kontourirten K6rperchen

nehmen gerundete Formen an und gehen schliesslich in vbllig runde, scharf kontourirte Tropfen fiber. Weir schwieriger ist es festzustel]en, ob die Schmelzung dem Aufhellungsstadium vorangeht oder nach- folgt. Vor Allem ist es sicher, dass die Paraffinpartikel, m6gen sie

auch noch so winzig und nicht viel grhsser als ein Blutkbrperchen

sein, in ihrer Temperatur stets erheblich hinter derjenigen tier uin- gebenden Flfissigkeit zurfickbleiben miissen; denn sie werden als sehr vollkommene Nichtleiter nicht mit durchstrOmt, also nur indirekt

durch die umgebende Flfissigkeit erwi~rmt. Trotzdem sieht man an sehr kleinen Partikeln schon unzweifelhafte Randveri~nderun~en in den ersten Stadien der Blutkbrperver~mderung, noch vor dem Ver-

blassen des Stromas. Aus diesen Versuchen ist zu sehliessen, dass die Temperatur der durchstrhmten Flfissigkeit zur Zeit tier Blut-

kiirperverhnderungen bereits auf etwa 55~ gestiegen ist. Wesentlicher aber ist die Feststellung, ob in der That blosse

Erwhrmung des Blutes gteiche Ver;tnderungen hervorbringt, wie die Elektrisirung. Ausser R o l l e t t hat namentlich Max S c h u l t z e in einer bekannten Arbeit 1) den Einfluss der Wi~rme auf rothe Blut-

kbrper beschrieben. Abweichend yon R o l l e t t sah er das Blut bei Temperaturen yon etwa 60 0 vollkommen durehsichtig (lackfarben) werden. Die Auflbsung durch Hitze muss auch ich mit flier Be-

stimmtheit bestatigen. Welt leichter als mit grhsseren, im Wasser- bade erwi~rmten Blutmengen und auch viel leichter als auf dem heizbaren Objekttisch (den fibrigens R o l l e t t schon vor Sch ul t z e

in ganz ahnlicher Form verwendet hat) gelingt die Aufheilung auf

die einfachste Weise fiber einer kleinen Flamme. Man bringt nicht zu wenig yon dem mit physiologischer Kochsalzlhsung stark ver-

dfinnten Blute eines Saugetbiers auf einen reebt dt~nnen gewbbn- lichen Objekttrager (ich verwende solche yon 0,8 mm Dicke), be- deckt die Flfissigkeit mit einem Deckglase yon 15 mm Seite und

saugt die fiber die Rhnder hervorgetretene Flassigkeit mit Fliess-

papier ab. Die gleichmi~ssige Schicht zeigt das bekannte leicht opake Aussehen. Man erwi~rmt nun husserst vorsichtig, immer nur auf Bruchtheile einer Sekunde, dutch Hineinhalten in eine kleine Spiritus- flamme. Bei 5fterein Wiederholen dieser Prozedur gelingt es stets,

1) Der heizbare Objekttisch. Arch. f. mikroskop. Anat. Bdo 1 S. 1. 1865. (Vgl. daselbst S. 26 ft. und S. 31.)

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in einem bestimmten Moment das charakteristische Durchsichtig- werden der Schicht zu constatiren, welches in der Regel nicht so- fort in der ganzen Fli~che aufiritt. Untersucht man in diesem Moment unter dem Mikroskop, so findet man in den noch opaken Stellen die Blutki~rper nur kugelig geworden, aber noch nicht entfiirbt, in den lackfarbenen dagegen sind nut noch sehr schwer erkennbare blasse Stromata vorhanden. Noch einen Augenblick in die Flamme gehalten, wird auch der opake Rest vSllig durchsichtig.

Wenn man in jedem Stadium der Einwirkung das Pri~parat unter alas Mikroskop bringt, so sieht man, dass der Gang derselben genau derselbe ist, wie bei der Elektrisirung.

Sehr interessant gestaltet sich die letztere Art der Beobachtung an dem (ebenfalls mit Salzli~sung verdilnnten) Froschblut. Vor hllem findet auch bier schliesslich die gleiche Aufhellung statt wie am Si~ugethierblut und wie bei der DurchstrSmung, und das Endstadium zeigt genau denselben Zustand wie bei letzterer, niimlich sehr deut- tiche, stark lichtbrechende, runde Kerne in ganz verblasstem, kugelig gewordenem Stroma. Aber die Vorstadien der Einwirkung sind schein- bar etwas verschieden yon denjenigen bei tier Elektrisii~ung. In den Stadien der Erwarmung nehmen die elliptischen KOrper die ver- schiedensten Gestalten an: sie werden wurstfSrmig, zuweilen vSllig stabfOrmig, oft biscuitfSrmig~ zeigen mitunter an einem Ende eine scharfe Zuspitzungl), ferner sind sie sehr vielfach seitlich verbogen. Bei etwas l~tngerer Einwirkung der Warme gehen si~mmtliche K(irper in die Kugelform fiber, unter entsprechender Verkleinerung des Durch- messers. Es ist vOllig evident, dass diese ganze Reihe yon Ver- i~nderungen auf einem Weichwerden und schliesslich vollkommener SchmelzuDg der KSrperchen durch die Warme beruht; die Schmelzung verwandelt sie schliesslich in wahre kugelige Tropfen. Der Kern wird meist schon vor diesem Stadium deutlicher und ist im Kugel- stadium sehr scharf kontourirt und granulirt. Das ni~chste Stadium ist dann plOtzliche Entfi~rbung und Verblassung des Stroma, und dies Endstadium stimmt, wie schon bemerkt, vollkommen init demjenigen bei der Elektrisirung iiberein. Nicht selten sieht man auch hier Kon-

fluiren mehrerer Kugeln zu Massen, welche dann mehrere Kerne ent- halten. Noch weitere Erhitzung fiihrt zu Eiweisskoagulationen und Eintrocknung.

1) Aehnliche Formen sah auch Neumann (a. a. O. S. 679 und Tafel 15 Fig. 2) bei derk o n s t a n t- u Durchstr0mung yon Froschblut.

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Wie man sieht, weichen die beobachteten Veri~nderungen yon denjenigen bei der Elektrisirung einzig in dem Punkte ab, dass die im initialen Schmelzungsstadium auftretenden mannigfachen Deforma- tionen bei der DurchstrOmung nicht zur Beobachtung kommen. Ich halte aber diese Abweichung auch nicht entfernt for geniigend, mu die Ansicht, dass die Elektrisirung nur durch die Erwarmung wirkt, zu widerlegen. Der Grund kann sehr wohl darin liegen, dass die Erwi~rmung durch die InduktionsstrSme, welche in jedem Theilchen der Fliissigkeit direkt erfolgt, weit schneller und vor Allem weit gleichmiissiger ist als die vom Glase mitgetheilte indirekte durch die Flamme. Ja miiglicher Weise werden die BlutkSrperchen bei der Durchstr0mung noch sti~rker erhitzt als die umgebende Fltissigkeit, sie brauchen dann nach tier obigen Entwicklung nur besser leitend zu sein als letztere, was allerdings nicht wahrscheinlich ist. Die Gleich- massigkeit der inneren Erwi~rmung der ganzen Schicht schliesst jede Art von Flfissigkeitsstrbmungen unter dem Deckglase aus, welche im Gegentheil bei der Erwi~rmung in der Flamme fast unvermeidlich sin(|. Solche StrSmungen abet kSnnen die Deformationen und Vet'- hiegungen tier erweichten Kiirper nur begiinstigen, wahrend die gleich- massige Erwi~rmung vermuthlich den erweichten KOrper direkt und ungestSrt in die Tropfenform iiberftihrt.

Alles spricht also dafiir, dass die Aufhellung des Blutes dutch Entladungs- und InduktionsstrSme nut" auf Erwi~rmung beruht. Zum Mindesten ist kein Grund mehr vorhanden, eine spezifische Elektrizitats- wirkung auf die Blutki)rper anzunehmen, solange eine solche nicht durch neue Thatsachen bewiesen ist. Schon R o l l e t t w(irde h(ichst- wahrscheinlich zu diesem Ergebniss gekommen sein, wenn er nicht die Erwarmung auf Grund seiner Thermometerversuche ungemein unterschi~tzt hatte.

Die Schmelzbarkeit der rothen BlutkSrper durch Warme spricht, i n Verbindung mit ihrer schon bekannten LSslichkeit in Aether,

Chloroform, Alkohol, Schwefelkohlenstoff, yon Neuem dafter, dass in der Konstitution der Stromata FettkSrper (Lecithin, Cholesterin) eine erhebliche Rolle spielen, wiihrend in dem dutch W~trme sich nnr zusammenziehenden Kern wohl namentlich Eiweiss- und ~uclein-

stoffe vertreten sind.