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Die Macht und Ohnmacht der Bilder Einige Anmerkungen zum Reformationsjubiläum 1 von Andreas Pawlas I Bilder für menschliches Leben elementar Da Bilder in ihrer Macht und Ohnmacht, für menschliches Leben elementar sind, muss jede Beschäftigung mit ihnen bruchstückhaft bleiben. Allerdings ergibt sich eine spannende Beziehung zu den Bildern aus der Sicht der Reformation. Denn eigentlich will sich Reformation am „Wort” als Glaubensgrundlage orientieren 2 mit einer oft 1 Vortrag auf dem Einkehrtagung der Schleswigholsteinischen Genossenschaft des Johanniterordens am 20.9.2015 in Ueteresen 2 Vgl. z.B. Röm. 10,17 mit dem vielzitierten „Fides ex auditu” (So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.) von z.B. E. Bizer, Fides ex auditu. Eine Untersuchung über die Entdeckung der Gerechtigkeit Gottes durch Martin Luther. Neukirchen-Vluyn 1966 bis zu D. Gebhard, Glauben kommt vom Hörensagen, Göttingen 2010. Oder Ringleben kann betonen: „Wie Gott in der Sprache wohnt, so wohnt Gottes Wort im Geist und kommt im Wortgeschöpf(dem Menschen) in sein Eigentum (Joh 1,11a).” Vgl. J. Ringleben, Gott im Wort. Luthers Theologie von der Sprache her. Tübingen 2010, S. 119; Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 24; vgl. auch P. Stoellger, JENSEITS DER SCHRIFT DER PROTESTANTISMUS NACH DEM ICONIC TURN, in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN- KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 58

Die!Macht!und!Ohnmacht!der!Bilder!!! IBilder ......Vgl. z.B. allein die repräsentative Einreihung von Ramses II. unter die Reihe der Götter in Abu Simbel. 29 Vgl. z.B. die Zerstörung

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     Die  Macht  und  Ohnmacht  der  Bilder      Einige  Anmerkungen  zum  Reformationsjubiläum1  von  Andreas  Pawlas      I  Bilder  -­‐  für  menschliches  Leben  elementar        Da   Bilder   in   ihrer   Macht   und   Ohnmacht,     für  menschliches   Leben  elementar   sind,    muss   jede  Beschäftigung  mit  ihnen    bruchstückhaft  bleiben.  Allerdings  ergibt  sich  eine  spannende  Beziehung  zu   den   Bildern   aus   der   Sicht   der   Reformation.    Denn  eigentlich  will  sich  Reformation  am  „Wort”  als  Glaubensgrundlage  orientieren2    mit  einer  oft  

                                                                                                                         1 Vortrag auf dem Einkehrtagung der Schleswigholsteinischen Genossenschaft des Johanniterordens am 20.9.2015 in Ueteresen 2

Vgl. z.B. Röm. 10,17 mit dem vielzitierten „Fides ex auditu” (So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.) von z.B. E. Bizer, Fides ex auditu. Eine Untersuchung über die Entdeckung der Gerechtigkeit Gottes durch Martin Luther. Neukirchen-Vluyn 1966 bis zu D. Gebhard, Glauben kommt vom Hörensagen, Göttingen 2010. Oder Ringleben kann betonen: „Wie Gott in der Sprache wohnt, so wohnt Gottes Wort im Geist und kommt im Wortgeschöpf(dem Menschen) in sein Eigentum (Joh 1,11a).” Vgl. J. Ringleben, Gott im Wort. Luthers Theologie von der Sprache her. Tübingen 2010, S. 119; Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 24; vgl. auch P. Stoellger, JENSEITS DER SCHRIFT DER PROTESTANTISMUS NACH DEM ICONIC TURN, in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 58

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beklagten   (angeblichen)  Betonung     des  Rationalen  und   Lehrhaften3.  Trotzdem  gibt  es  gegenwärtig  Stimmen,    die  innerhalb  der  Geschichte  der   Bilder     gerade   der   Reformationszeit     eine   „herausragende  Stellung”4  zumessen.    Sie  wird  sogar  als  die  „Achsenzeit”    im  Umgang  mit   dem   Bild   angesehen5.  

  Denn   in   ihr  hätten   sich   einerseits     sowohl   die   Theologen   als   auch   die   Laien,    Magistrate  genauso  wie  der  Gemeine  Mann    spirituell,  emotional  und  rational   intensiv     mit   dem   Phänomen   „Bild”   beschäftigt.     Darüber  hinaus   gelte   aber   auch   das   durchaus   gemäßigte   Urteil   Martin  Luthers:    die  Bilder  seien  „weder  gut  noch  böse,    man  kann  sie  haben  oder   nicht   haben”6,     als   „Freibrief“   verstanden,     mit   dem   die  Moderne   beginne7,     denn   dadurch   verlören   Bilder     ihre   kultische  Machtfunktion,    weil  sie  nicht  mehr  angebetet  würden.8  Das  ist  auch  das  Resümee  der  Reformationszeit.      

                                                                                                                         3

Vgl. J. Kunstmann, Bild und Religion, International Journal of Practical Theology, 2003, Vol. 7 Issue 1, p. 23; bis dahin, dass das „Wort” im Protestantismus „nahezu zum Fetisch” erhoben wurde. Vgl. H.-M. Barth, Dogmatik. Evangelischer Glaube im Kontext der Weltreligionen. Gütersloh 20022, S. 582

4 Vgl. P. Blickle, Bilder und ihr gesellschaftlicher Rahmen. Zur Einführung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J.

Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 4.

5 So Hans Belting bestätigend P. Blickle, Bilder und ihr gesellschaftlicher Rahmen. Zur Einführung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/

H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 4.

6 Vgl. WA 10 III, 35,7-9 („... die bilder seindt weder sonst noch so, sie seindt weder gut noch bóße, man mag sie han oder nit

haben”) u.ö. 7

Vgl. W. Hofmann, Luther und die Folgen für die Kunst, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die Kirchen. Der Streit um die Bilder heute. München 1984, S. 70

8 Vgl. P. Blickle, Bilder und ihr gesellschaftlicher Rahmen. Zur Einführung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J.

Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 4.

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Dennoch   können   dazu   im   Blick   in   die   heutige   Zeit   Zweifel  aufkommen.   Denn   wie   soll   man   es  verstehen,  dass  z.B.  in  Moskau  Lenin    nach  dem   Vorbild   mittelalterlicher   Reliquien    einbalsamiert  und  nach  wie  vor    zur  Schau  gestellt   wird,9     oder   dass   in   Deutschland  Bildzeichen   wie   etwa   das   Hakenkreuz    nach  wie   vor   verboten   sind10,     oder   auch  dass   in   einem   ganz   anderen   Sinne     etwa   solchen   Philosophen   wie  Dewey  und  Habermas  ein  „iconoclastic  view”11  unterstellt  wird.      Aber   ein   solcher   Umgang   mit   dem   Bildhaften     darf   es   nicht  verwundern.    Denn  offensichtlich  ist  das  Bildhafte    auf  das  Engste  mit  der  menschlichen    Wahrnehmung  der  Wirklichkeit    und  ihrer  inneren  Verarbeitung  verbunden.    Es   ist  offenkundig,  dass   „der  homo  pictor  immer  schon    in  der  Bildsphäre  ist,  lebt  und  sich  vorfindet.“12    Ferner  darf  auch  nicht  übersehen  werden,    dass  die  Vernunft  erst  „durch  die    Vermittlung  des  Bildes   ...   sehend  und  beredt”  wird.13    Und  dennoch  darf   nicht   vergessen   werden,     dass   für   ein   menschliches   Wesen    Vernunft  nicht  alles  ist,    und  dass  das  Hören    entwicklungsmäßig  vor  dem  Schauen  kommt,    

                                                                                                                           9

Vgl. P. Blickle, Bilder und ihr gesellschaftlicher Rahmen. Zur Einführung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 2f. (insgesamt sollen 70000 Lenin-Denkmäler in Rußland gestanden haben)

10 Vgl. §86 Abs.1 S.4 StGB („Wer Propagandamittel ..., die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen

nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”)

11 Vgl. C. A. Finnegan/ J. Kang, “Sighting” the Public: Iconoclasm and Public Sphere Theory, in: Quarterly Journal of Speech Vol.

90, No. 4, November 2004, pp. 377-402 hier: S. 380 12

Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 141

13 Vgl. E. Biser, Art Bild, in: H. Krings/ H. M. Baumgartner/ C. Wild (Hrsg.), Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Bd. 1

München 1973, S. 254

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weshalb   die   Dimensionen   des   Glaubens    mehr   und   auch   Anderes  umschließen   muss     als   die   Dimension   der   Vernunft.     Und   so   ist  Kunstmann  zuzustimmen,    der  unter  Bilder  ebenso  wie  Luther14    auch  Vorstellungen   mit   einschließen   will,     und   damit   die   gesamte  Lebenssteuerung,      da   sie   letztlich  nicht  von  Begriffen     sondern  von  Vorstellungen  geleitet  werde.15    Andererseits  ergibt   sich  gerade  aus  dieser   zumindest   möglichen   Universalität   und   Potenz     seit  Menschengedenken16   die   politische,   religiöse     oder   wirtschaftliche  Macht  der  Bilder,    und  als  ihre  Kehrseite  der  Streit  um  die  Bilder.      Und   in   der   gegenwärtigen   Postmoderne     spricht  man  etwa  vom  „iconic  turn”17,    „imagic  turn”18  oder  „pictorial   turn”19   oder   gar   vom   „ikonischen  Zeitalter”20   und   von   einer   unübersehbare  ‚Bilderflut‘,  die  auf  uns  eindringt.  Dagegen  war  es  in  vergangenen  Zeiten   so,  dass  die  Beschäftigung  mit  Bildern     immerhin   vergleichbar   mit   dem   zu   tun  hatte,     „was   in   einer   Gemeinschaft     wirklich   wichtig   war”21.     Von  diesem  Gedanken  her  ist  völlig  konsequent,    dass  darum  Bilder  auch  immer   in   Verbindung     zu   dem   letztlich   Lebensbestimmenden,     also  zum   Göttlichen/   Religiösen   gesehen   wurden.     Und   ebenso  konsequent  war  es,    dass  die  Bilder  und   ihre  Macht    Grund  für  eine  Fülle   intensiver,     bis   hin   in   politische   Unruhen   reichende    Massen-­‐Auseinandersetzungen  waren.    Es  ging  dann  dabei  nicht  –    wie  Belting  vermerkt   –     um   das   „Bildsein   der   Bilder”   im   modernen   Sinne,    sondern  um  die   „Repräsentation   einer   Idee”.22    Das  war   dann   auch  

                                                                                                                         14 Vgl. WA 14,622,14-24 15

Vgl. J. Kunstmann, Bild und Religion, International Journal of Practical Theology, 2003, Vol. 7 Issue 1, p. 30f. 16

Zur politisch-religiösen (Propaganda-) Macht der Bilder im alten Orient vgl. z.B. I. Winter, On Art in the Ancient Near East: Of the First Millennium B.C.E, Band 1, Leiden 2010

17 Vgl. G. Boehm, Die Wiederkehr der Bilder, in: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 21995 (11994), S. 13

18 Vgl. Ferdinand Fellmann: Symbolischer Pragmatismus. Hermeneutik nach Dilthey. Hamburg 1991, S. 26

19 Vgl. W. J. T. Mitchell, The Pictorial Turn, in: Artforum, März 1992, S. 89-95, hier S. 89; vgl. dazu E. Führ, lkonik und

Architektonik, in: Die Realität des Imaginären. Architektur und das digitale Bild. 10. Internationales Bauhaus-Kolloquium, Weimar 2007, S. 49

20 Vgl. G. Boehm, Die Bilderfrage, in: Ders. (Hrsg.), Was ist ein Bild? München 21995 (11994), S. 325 21

Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 11f.

22 Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und

Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 11f.

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der   Grund,   weshalb   Bilder     als   „Medium   der  Machtausübung”23   verstanden     und   etwa   mit  dem   Ziel     der   Machtveränderung   attackiert  wurden.    Dem  liegt  die  Wahrnehmung  Stoellgers  zugrunde,   dass   Macht   offenbar   Manifestation  braucht,  wozu  dann  Bilder  dienen  können.    Dabei  sei   das   Sich-­‐Zeigen   von   Macht     theologisch  traditionell     eben   die   Offenbarung   Gottes   gewesen,     „von   der  Schöpfung,   dem(n)   brennenden   Dornbusch     über   die   Geschichte  Israels,  dem(n)  Tempelkult    bis  zu  Inkarnation“  und  Auferweckung.        Und  wenn  weiter  Sichtbarkeit    und  Macht  zusammengehören,  dann  findet   sich   dort   auch   der   Ort   für   den   Kampf   um   „Aufmerksamkeit,    öffentlichen  Einfluß,    Quoten  und  letztlich  um  Deutungsmacht.“24  Ist  nun   unser   „säkulares”   Zeitalter     über   solche   Auseinandersetzungen  erhaben?    Oder  könnte  es  etwa  sein,    dass  hinsichtlich  der  Bilder    nur  alte   Fragen   von   Religion   und   Macht     in   einem   neuen   Gewand  erscheinen?     Hier   ist   gefordert,   verantwortlich   Rechenschaft   zu  geben.  Und  da  ist  ein  Blick  auf  die  „Achsenzeit”    im  Umgang  mit  dem  Bild   unvermeidlich,   nämlich   ein   Blick   auf   die   von   Bilderstürmen    geschüttelte   Zeit   der   Reformation     mit   der   Position   Luthers.   Dabei  darf   jedoch   nicht   übersehen   werden,   dass   die   dort   angeführten  Argumente    kaum  ohne  die  vorlaufenden  Positionierungen,  wie  etwa  dem   alttestamentliche   Bilderverbot25   und   dem   byzantinischen  Bilderstreit26  verständlich  sein  können.27                                                                                                                                        23

Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 12

24 Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI

ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 143 25

So auch selbst im Blick auf die moderne Kunst der Argumentationsgang von G. Boehm, Die Bilderfrage, in: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 21995 (19994), S. 327-329

26 Vgl. auch W. Hofmann, Luther und die Folgen für die Kunst, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die

Kirchen. Der Streit um die Bilder heute. München 1984, S. 68 27

Als geschichtlich entscheidende „Bilderstürme” werden von Asmuth gesehen und von Krüger offenbar akzeptiert: die Ausbildung des biblischen Bilderverbots, der byzantinische Bildersturm und der reformatorische Bildersturm. Vgl. M. D. Krüger, Rezension Asmuth, Christoph: Bilder über Bilder, Bilder ohne Bilder. Eine neue Theorie der Bildlichkeit. Darmstadt 2011, in: ThLZ 12/2012, Sp. 1383.

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II   Entmächtigung   der   Bilder   durch   das   alttestamentliche  Bilderverbot      Schauen  wir  auf  die  altägyptischen  Kultur,  ist  zu  sehen,  dass  dort  die  unbedingte  Verehrung     der  Bilder   von  Göttern   und   Pharaonen28     zum  politischen   Alltag   gehörte.     Allerdings  entsprechend   auch   die   Beschädigung  oder   Vernichtung   der   Bilder     von   „in  Ungnade   gefallenen”   politischen  Personen    bis  hin  zum  Pharao29.    Denn  offenbar   sollte   in   der   Alten   Welt   ein  (Kult-­‐)   Bild   grundsätzlich     „das   Heilige  sichtbar   erscheinen   lassen     und   damit  irdisch  vergegenwärtigen”.30    Zu  dieser  Stufe   des   religiösen   Verstehens   gehörte   dann   auch   „eine  weitgehende     oder   vollständige   Identifikation   des   Bildes     mit   der  durch   dieses   repräsentierten   Gottheit,   deren   Realpräsenz   im   Bild  angenommen   wird.”     Und   dem   Bild   wurde   dann   nicht   mehr     eine  vermittelnde   Funktion   zugedacht,     sondern   „eine   eigenständige  sakrale   Macht”.     Die   stellte   dann   die   Grundlage     der   kultischen  Verehrung   des   Bildes   dar.31     Darum   musste     bei   einem  unfreundlichen   Machtwechsel     eine   Zerstörung   der   bislang  herrschenden    Pharaonen-­‐Bilder  nur  konsequent  erscheinen.    Es   ist   nun   genau   diese   Gedankenwelt,   die   im   Hintergrund   steht,  wenn  Gott  im  Alten  Testament  seinem  Volk  am  Sinai  im  Rahmen  des  Dekalogs   verbietet,   sich   Bilder   zu   machen.   In   Erläuterung   zu   der  Weisung    „Du  sollst  keine  anderen  Götter  haben  neben  mir.”    heißt  es  weiter    „Du  sollst  dir  kein  Bildnis  noch  irgendein  Gleichnis  machen,    weder  von  dem,  was  oben  im  Himmel,    noch  von  dem,  was  unten  auf  

                                                                                                                         28

Vgl. z.B. allein die repräsentative Einreihung von Ramses II. unter die Reihe der Götter in Abu Simbel. 29

Vgl. z.B. die Zerstörung des Gesichtes von Hatschepsut, Echnathon usw. in ihren Portraits und Statuen nach ihrem Tode 30

Vgl. G. Lanczkowski, Bilder I. Religionsgeschichtlich, in: TRE Bd 6, S. 516. Dabei wurde dem Bilde Heiligkeit zusätzlich durch eine Konsekration verliehen, die oft mit einer Salbung verbunden war.

31 Vgl. G. Lanczkowski, Bilder I. Religionsgeschichtlich, in: TRE Bd 6, S. 516. Allerdings verweist Thümmel im Blick auf die

(spätere) heidnische Antike auf Übergänge zwischen unreflektierter Identifizierung und vergeistigter Auffassung des dort unbestrittenen Zusammenhanges von Götterbild und Gottheit. Vgl. H. G. Thümmel, Bilder IV. Alte Kirche, in: TRE Bd 6, S. 525

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Erden,     noch   von  dem,  was   im  Wasser  unter  der   Erde   ist:     Bete   sie  nicht  an  und  diene  ihnen  nicht!”32        

Und   unter   Bildnis   (   (לפם   ist   dabei  präziser   eine   aus   Stein   gehauene     oder   aus   Holz   geschnitzte  Götzenstatue,     also   ein   „Kultbild”33,   zu  begreifen.  Dessen  Anbetung  ist   untersagt.     Insofern   verbietet   das   Bilderverbot     nicht   generell  Bilder  -­‐    sondern  das  Bilderverbot    wendet  sich  gegen  die  Idolatrie.34    Allerdings   darf   hier   nicht   übersehen   werden,     dass   es   vor   der  „Entzauberung  der  Bilder”    in  der  Reformationszeit    wohl  kaum  Bilder  gab,  die  nicht  Gottheiten    und  (göttlich  verehrten)  Herrschern    sakral  oder   quasisakral   gewidmet   waren.35     Auf   jeden   Fall   wird  kulturgeschichtlich    das  dem  Alten  Gottesvolk  vorgegebene    und  wohl  auch   durchgehaltene36   Bilderverbot     als   weitgehend   einzigartig                                                                                                                            32

Vgl. Ex 20, 3-5a, vgl. auch Dtn 4,15-19 oder Dtn 5,8-10 33

in: O. Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments. Bd. 2, Jahwe der Gott Israels, Schöpfer der Welt und der Menschen , Göttingen 1998, S. 173; Die appositionelle Erweiterung Dm 5,8aßb (»irgendeine[rJ Gestalt im Himmel, auf Erden oder im Wasser«, vgl. 4,16b-17) bezieht sich auf anthropomorphe und theriomorphe Größen als Vorbild einer Kultstatue.” Vgl. C. Uehlinger, Art. Bilderverbot, in RGG I4, Sp. 1575

34 Vgl. J. Kunstmann, Bild und Religion, International Journal of Practical Theology, 2003, Vol. 7 Issue 1, p. 30f.

35 Es bleibt dahingestellt, ob E. Cancik-Kirschbaum, Religionsgeschichte oder Kulturgeschichte? Über das Verhältnis von Kunst

und Religion im Alten Orient, in: Richard Faber/Volkhard Krech (Hg.), Kunst und Religion. Studien zur Kultursoziologie und Kulturgeschichte, Würzburg (Königshausen & Neumann) 1999, 101-118 damit Recht hat, „dass bereits die altorientalischen Hochkulturen eine von ihren Religionen unterschiedene und mithin ,,autonome” Kunst besaßen und leitet daraus das Plädoyer ab, die Debatten über das Verhältnis von Religion und Kunst von religionsgeschichtlichen Perspektivbeschränkungen zu befreien und als kulturgeschichtliche Debatten zu führen.” Vgl. C. Albrecht, Kunst und Religion. Ein Forschungsüberblick, in: IJPT 2004, vol. 8, pp. 251-287, Hier 258

36 Stoellger meint hier betonen zu müssen, dass es im alten Israel faktisch Bilder gab. Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und

die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 27. O. Kaiser relativiert das jedoch: „Die in der Tat gefundenen Horte mit Terrakottafigurinen männlichen und weiblichen Geschlechts befinden sich sämtlich außerhalb der offiziellen Heiligtümer und

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gewertet.  Und   faktisch   führte  es   zu  einer   (gewollten)    Absonderung  dieses  Volkes    unter  den  Völkern  der  Alten  Welt.    Und  später  wusste  man   zu   analysieren,     dass   wohl   der   „ferne   und   unnahbare,     der  unsichtbare   jüdische   Gott   ..     seine   entscheidende   Alterität    gegenüber  der  Menschenwelt    nur  dann  (behält),  wenn  gewährleistet  wird,    daß  er   in   ihr  keine  mögliche  Entsprechung  besitzt.     Jedes  Bild  müßte  diesen  prinzipiell   fremden    und  abgründigen  Gott    verkürzen  und  mindern.”37  Gleichzeitig  wird  damit  aber  dem  (Götzen-­‐)  Bild    eine  gewaltige  Macht   zuerkannt,     nämlich   tatsächlich   die   Fähigkeit,   „ein  ungreifbares     und   fernes   Sein   zu   vergegenwärtigen”,     gar   eine  „Gleichheit  mit  dem  Dargestellten.”    Aus  dieser  Perspektive    ist  dann  das  alttestamentliche  goldene  Kalb38    tatsächlich  ein  Gott.    Denn  das  „Bild   und   sein   Inhalt   verschmelzen   bis   zur   Ununterscheidbarkeit.”39    Und  genau  darum  muss  dem  Alten  Gottesvolk    ein  verfügbares  Bild  des  unverfügbaren  Gottes    untersagt  sein.      Otto  Kaiser  bemerkt  hierzu,  dass  die  bildlose  Verehrung  Jahwes    nach  der   Zerstörung   der   selbständigen   Staatlichkeit   Israels   (722/587   v.  Chr.)    den  Charakter  des  status  confessionis  erhielt.  Denn  sie  verlieh  sehr   wohl   dem   „Unterschied     zwischen   Jahwe   und   den   anderen  Göttern     auf   unmittelbare   Weise   Ausdruck”,     aber   gab   auch   den  Siegern,     die   zwar   die   goldenen   und   silbernen     Tempelgeräte   nach  Babylon   bringen   konnten,     keine   Möglichkeit,   ein   Gottesbild   aus  Jerusalem     und   damit   den   Gott   der   Besiegten     im   Triumph   nach  Babylon  fortzuschleppen.40    

                                                                                                                         können als Zeugnisse der weiterhin kanaanänisch beeinflussten Volksreligion betrachtet werden.” Vgl. in: O. Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments. Bd. 2, Jahwe der Gott Israels, Schöpfer der Welt und der Menschen , Göttingen 1998, S. 172. Vgl. auch P. Welten, Bilder II. Altes Testament, in: TRE Bd 6, S. 520: „Angesichts des reichhaltigen Bildmaterials aus dem alten Israel könnte man vermuten, das Bilderverbot sei nur partiell und vielleicht auch erst spät bekannt geworden und zur Wirkung gekommen. Diese Vermutung wird allerdings dadurch, daß sich neben Ex 20,4-6 und der Parallele in Dtn 5,8-10 auch in allen anderen alten Gesetzeskorpora entsprechende Formulierungen finden (Ex 20,23; 34,14.17; Lev 19,4; Dtn 4, 16-19; 27,15), widerlegt.”

37 Vgl. G. Boehm, Die Bilderfrage, in: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 21995 (11994), S. 329

38 Vgl. 2. Mose 32

39 Vgl. G. Boehm, Die Bilderfrage, in: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 21995 (11994), S. 330

40 in: O. Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments. Bd. 2, Jahwe der Gott Israels, Schöpfer der Welt

und der Menschen , Göttingen 1998, S. 174

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Und  weiter  hebt  Kaiser  hervor:  „Der  bildlos  verehrte  Gott    steht  nicht  nur  höher  als  alle  anderen  Götter,    sondern  er  ist  seit  der  Schöpfung  der   Welt     der   einzige   Gott.     Hat   er   Israels   Väter   und   ihre  Nachkommen    erwählt  und  daher  aus  Ägypten  befreit  ..  ,    so  schulden  sie   ihm  Gehorsam.”41    Gleichzeitig  klingt  damit  der  generell    mit  der  Dimension   der   Hörens   verbundene   Aspekt   des   Gehorchens  hindurch.42      

So   bleibt   festzuhalten,   dass   im   Alten   Gottesvolk     das   Bilderverbot  insgesamt  eine  massive    Entmächtigung  der  Bilder   bedeutete.    Das  schloss  allerdings  nicht  aus,    dass  im  „Wort  Gottes”,    also  dem  Alten  Testament,    durchaus  von  Erscheinungen  Gottes  die  Rede   ist43    und  eine  überwältigend  Fülle  von    „Figurationen  Gottes”  benutzt  wurden,    wie   etwa   “Arm”,   “Hand”,   “Burg”,   “Turm”,     “Stein”,   “Fels”,   “Berg”,  “Auge”,   “Kreis”,     “Rad”,   “Feuer”,   “Sonne”,   “Kind”.     Und   in   dieser  

                                                                                                                         41

Vgl. O. Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments. Bd. 2, Jahwe der Gott Israels, Schöpfer der Welt und der Menschen , Göttingen 1998, S. 179 mit Bezug auf 5. Mose 4,36-40

42 Vgl. R. Bultmann, Der Begriff des Wortes Gottes im Neuen Testament, in: R. Bultmann, Glauben und Verstehen. Gesammelte

Aufsätze. Bd. I Tübingen 19666, S. 273: „Vom Hören hängt alles ab; wer Ohren hat zu hören, der höre! Seht zu, was ihr höhrt! Hört und erfaßt es! Das Hören ist also kein bloßes Anhören, sondern ein Gehorchen, das mit dem Tun verbunden ist”.

43 „Aber man sollte bemerken, Gott spricht nicht nur, Gott zeigt sich auch. Er zeigt sich biblischer Tradition zufolge nicht allein und

daher nicht exklusiv im Wort, sondern biblischer Narration zufolge durchaus auch visuell: vom Dornbusch zur Rauch und Feuersäule, von der Sintflut und dem Regenbogen bis zur Schönheit der Schöpfung.“ Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 28. Allerdings weist hier Stoellger gleichzeitig auf das Phänomen der „Präsenz im Entzug“ hin, denn als Mose Gott sehen soll, erhält er die „Schau des Vorubergegangenen, das nicht nichts sieht, aber sich doch mit den Spuren des Vorubergegangenen begnugen muss.“(S. 30)

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Tradition  stehend  hat  dann  auch  Jesus    unbefangen  in  seinen  Reich-­‐Gottes-­‐  Gleichnissen  von  Gottes  Sein  erzählt.44      

 

 

 III  Der  Streit  um  die  Macht  der  Bilder  in  Byzanz      In   der   heidnischen   Umwelt   des   frühen   Christentums     wurde   „das  Fehlen  eines  Gottesbildes    bei  den  Christen  als  etwas  Seltsames    und  Anstößiges”   wahrgenommen   –     und   wird   es   in   anderen   religiösen  Kontexten    heute  noch  immer45.    Aber  auch    aus  der  Perspektive  des  Neuen   Gottesvolkes     ließen   Gottes   Geistigkeit   und   Unfassbarkeit    eine   Darstellung   nicht   zu.     Götterbilder   seien   etwas   Geschaffenes,    Gott   aber   sei   der   Schöpfer.     In   diesem   Sinne   waren   die   damaligen  Sprecher    der  Christenheit  gegen  die  Bilder46    und  es  wurde  vor  allem    im   apologetischen   Schrifttum     eine   Polemik   gegen   die   Götterbilder  entfaltet,    welches  Argumente    des  alttestamentlichen  Bilderverbotes    gegen  die  Argumente    der  griechischen  Popularphilosophie   setzte.47                                                                                                                              44

Vgl. R. Volp, Bilder VII. Das Bild als Grundkategorie der Theologie, in: TRE Bd 6, S. 562 45

Vgl. z.B. die hinduistische Kritik Vivekanandas: „Idolatry is condemned! Why? Nobody knows. Because some hundreds of years ago some man of Jewish blood happened to condemn it? That is, he happened to condemn everybody else's idols except his own. If God is represented in any beautiful form or any symbolic form, said the Jew, it is awfully bad; it is sin. But if He is represented in the form of a chest, with two angels sitting on each side, and a cloud hanging over it, it is the holy of holies. If God comes in the form of a dove, it is holy. But if He comes in the form of a cow, it is heathen superstition; condemn it!” Vgl. Swami Vivekananda, “Defence of Image Worship,” in Religion Today A Reader, ed. Susan Mumm (Aldershot, Hants.: Ashgate in association with The Open University, 2002), 22

46 Vgl. z.B. H. Koch, Die altchristliche Bilderfrage nach den literarischen Quellen, Forschungen zur .Religion und Literature des

Alten und Neuen Testaments, no. 27 (Göttingen, 1917); Walter Elliger, Die Stellung der alten Christen zu den Bildern in den ersten vier Jahrhunderten, Studien über christliche Denkmäler, no. 20 (Leipzig, 1930); vgl. aiuch R. Griggg, Aniconic Worship and the Apologetic Tradition: A Note on Canon 36 of the Council of Elvira, in: Church History Vol. 45, No. 4 (Dec., 1976), pp. 428-433 S. 428; vgl. auch C. Uehlinger, Art. Bilderkult III. Bibel, in RGG I4, Sp. 1570

47 Vgl. R. Griggg, Aniconic Worship and the Apologetic Tradition: A Note on Canon 36 of the Council of Elvira, in: Church History

Vol. 45, No. 4 (Dec., 1976), pp. 428-433 S. 428. Es kann also für die Frühzeit des Christentums keinesfalls behauptet werden, dass es sich „ursprunglich auch deshalb gegenuber anderen Religionen durchgesetzt“ habe, weil es „starke Bildprogramme -

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Dabei   wurde   auch   erstmals     das   Argument   verwendet,     dass   der  geistige   Mensch     das   eigentliche   Bild   Gottes   sei.48     Dann   kam   im  Jahre  306    auf  der  Synode  von  Elvira  (Spanien)    ein  Beschluss  gegen  Bilder   in   Kirchen   zustande,     bzw.   dass   sie   nicht   verehrt     und  angebetet   werden   sollten,49     und   das   lässt   auf   das   Aufkommen    christlicher   Wandmalereien   usw.   schließen.     Diese   bildkritische  Position     bleibt   im   damaligen   lateinischen   Westen     zunächst  weitgehend   bestimmend.50     Dagegen   kommt   es   im   griechischen  Osten     seit   dem   6.   Jahrhundert     zu   einem   Veränderungsprozess.    Dabei  wird  das  christliche  Bild  zur  Ikone.          Darunter   sind   meist   handliche   Tafeln     mit   dem  Bild   eines   Heiligen   zu   verstehen,     die   man  derartig    mit  dem  Dargestellten  verbunden  sieht,    dass  es  sowohl  die  Hilfe    des  Heiligen  vermitteln  kann     als   auch   die   dem   Heiligen   zustehende    Verehrung   empfangen   kann.   Darin   wirkt  allerdings   im   Kern     antikes   paganes   Denken  ungebrochen   weiter,51   dass   die   dem   Abbild  angetane   Verehrung     und   Anbetung   auf   das  Urbild   übergeht.52   Aber   durch   die  Wirkungsmacht   der   Bilder     sahen   es   offenbar    nicht   nur   einfache   Gemüter53   ermöglicht,     den  Heiligen  an  allen  Orten  präsent  zu  haben,    sei  es  in   Häusern,   Mönchszellen,     Schiffen   oder  

                                                                                                                         Christus am Kreuz, Passionsgeschichte, Heiligendarstellungen - entwickelt“ hätte, wie H. Burda, Vom Wort zum Bild: Iconic Turn, in: forum 1/2013, S. 8 unterstellt.

48 Vgl. H.G. Thümmel, Bilder IV. Alte Kirche, in: TRE Bd 6, S. 525

49 Canon XXXVI: „Ne picturae in ecclesia fiant.” und „Placuit picturas in ecclesia esse non debere nec, quod colitur aut adoratur, in

parietibus depingatur.” Vgl. Concilium Eliberitanum - Documenta Omnia, in: http://www.documentacatholicaomnia.eu/04z/z_0306-0306__Concilium_Eliberitanum__Collectio_canonum_falso_Isidori_Mercatore_adscripta__LT.doc.html v. 30.10.2012, XXXVI, S. 2 u. S. 5

50 Allerdings besingt z.B. Paulinus v. Nola (354-431) selbst in Auftrag gegebene Bilddekorationen in den Basiliken zu Nola und

Fundi, oder Gregor I. d. Gr. (540-604) wendet sich gegen die Zerstörung von Heiligenbildern, da sie besonders für die Analphabeten belehrenden Wert hätten. Vgl. H.G. Thümmel, Bilder IV. Alte Kirche, in: TRE Bd 6, S. 528f.

51 Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 532

52 Eben analog dazu, wie man sich vorstellt, dass die einer Ikone dargebrachte Verehrung auf das Urbild übergeht. Vgl. H.G.

Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 536 53

Vgl. J. Papajohn, Philosophical and Metaphysical Basis of Icon Veneration in the Eastern Orthodox Church, in: Greek Orthodox Theological Review, 2 no 1 Easter 1956, p 84: „... it has to be conceded that many peasants conceived of the animation of the idols in its most realistic sense...”

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Gefängnissen.    Diese  Ikonen  wurden  aber  auch  wie  ein  Amulett    am  Körper   getragen   oder   über   der   Tür     zum   Schutz   für   das   Haus  angebracht.     Und   wenn   man     zu   Ehren   berühmter   Bilder   Kirchen  errichtete     und   dort   und   an   anderen   Orten     zur   Verehrung   des  Heiligen   etwa     brennenden   Kerzen   oder   Lampen   aufstellte,     oder  wenn  Bekränzung  und  Weihrauch,     Kuß  und  Proskynese,  Waschung  und   Salbung,   Vergoldung   und   Anheften   von   Münzen   dazugehörte,    dann   hatten   alle   „diese   Formen   der   Verehrung   ..   heidnische  Vorbilder.”54  Allerdings  mag  dabei  auch    die  humane  Grunderfahrung  anklingen,    dass  die  Ikone,    die  in  aller  Regel  „gesichtshaft  codiert  ist”,    auf   die   „ursprüngliche   kindliche   Erfahrung     des   Angeblicktseins  zurückverweist”     und   dass   dann   die   Wirkungsmacht   von   Ikonen    offenbar   darin   bestehe,     „uns   unter   ihrem   Blick   zu   bannen”55     und  damit   uns   der   Orientierung,   Hilfe     oder   gar   Wundertätigkeit56   zu  vergewissern.   Wegen   dieser   Überzeugungen    kam   es   schließlich   in   der   Ostkirche   zum  sogenannten   „Bilderstreit”,     der   im   Jahre   726  damit  begann,    dass  Kaiser  Leon   III.    nicht  nur  Predigten  gegen  die  Bilder  hielt,  sondern  auch  das   Christusbild     am   Chalke-­‐Tor   des   Palastes  abnehmen  ließ.        Im  Jahre  730  ließ  er  ein  Gesetz    zur  Beseitigung  aller   Bilder   folgen     und   den   Patriarchen  auswechseln.57     Und   der   Vorwurf   war,   dass   ansonsten   nicht   der  Dreieinige   Gott58   verehrt   würde,     sondern   falsche   Götter.59     Dieser  Angriff   der   Ikonoklasten     auf   die  Macht   der   Bilder     fand   allerdings                                                                                                                            54

Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 532 55

Vgl. Jacques Lacan, Was ist ein Bild/Tableau, in: Boehm, Was ist ein Bild? München 21995 (11994), S. 78 56

Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 533 57

Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 535 58

Gerade bezüglich des Monotheismus resümiert G. Young, Byzantine Iconoclasm: An Imperial Religious Policy Aimed At Unification? in: PHRONEMA, VOL. XXIII, 2008, S. 35-49, hier S. 45: „Nevertheless, both Leo III and Muslim opponents of Christianity utilised accusations of idolatry in order to assert a superior understanding of monotheism.”

59 Vgl. T. Sideris, The Theological Position of the Iconophiles during the Iconoclastic Controversy, in: St Vladimir's Theological

Quarterly, 17 no 3 1973, p 210-226 hier S. 211: „ Idolaters, therefore, are those who believe and worship not the one God in the Trinity, but false gods.” Vgl. aber auch die Einwürfe von Vgl. G. Florovsky, Origen, Eusebius, and the Iconoclastic Controversy, in: Church history. 1950), p. 77-96 hier: S. 77: „It has been variously suggested that originally the conflict had nothing to do with doctrine, and theological arguments or charges were invented, as it were, post factum, as efficient weapons in the struggle. Some historians went so far as to suggest that the religious problem was simply a kind of a “smoke screen,” manufactured and employed by the rival parties as a disguise to conceal the true issue, which was economic.” Dagegen jedoch K. Baus, Art. Bilderstreit, in LThK II2, Sp. 461f.: „Drei Hypothesen scheiden aus: 1) die bilderfeindl(ichen) Kaiser sein rationalist(ische) Aufklärer gewesen,

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weder  die  Billigung  Roms    noch  der  Franken60.    Das  beeinflusste  aber    den   Bilderstreit   im   Osten   wenig.     Aber   hier   nötigten   die   von   den  Ikonoklasten   erhobene   Vorwürfe   die   gesamte   Kirche,     ihre   Position    zum   Gebrauch   der   Bilder   klarzustellen.     Das   geschah   etwa   durch  Theodor  Studites,    das  siebte  Ökumenische  Konzil  von  78761    und  vor  allem  durch   Johannes  von  Damaskus.    Gegenüber  dem  Vorwurf  der  Idolatrie62     betont   Johannes   ausdrücklich,     dass   ein   Bildnis   des  unsichtbaren  Gottes  zu  machen,    eine  Dummheit  und  Pietätlosigkeit  sei,     dennoch   habe   Gott   den   Menschen     nach   seinem   Bilde  geschaffen.63     Auf   keinen   Fall   bete   Johannes   die   Schöpfung   an,    sondern   den   Schöpfer   –     den   Schöpfer,     der   Mensch   (in   Christus)  geworden   sei.64     So   ermögliche   die   Inkarnation     die   Darstellung  Christi.65   Und   wenn   dann   Christus   von   Paulus     „Ebenbild   Gottes”66  genannt  werde,     so   habe   Gott   zuerst     ein   identisches   Bild   von   sich  gemacht,67     dessen   Verehrung   und   Anbetung   ohne   Frage   sei.     Und  mit  Bezug  auf   St.   Basilius    wird   im  Konzil   von  787   verglichen:  wenn  das   Bild   des   Kaisers   für   den   Kaiser   stehe     und   es  keine   zwei   Kaiser  gebe    und  Herrschaft  und  Herrlichkeit  nicht  geteilt  werde,     so  habe  „unser   Herrscher”   (Christus)     auch   eine   Macht   und   nicht   mehrere,    und  so  gebe  es  für   ihn  eine  Herrlichkeit    und  nicht  mehrere    zerteilt  zwischen   ihm   und   dem   Bild.68     Allerdings   unterschied   das   Konzil    hinsichtlich   der   Bilder,     dass   ihnen   nur   Verehrung     (άσπασμον   /  τιμητικήν   ιτροσκύνησιν)   zukomme     im   Gegensatz   zu  wahrhaftiger  

                                                                                                                         die jeden Aberglauben bekämpften; 2) der Kampf gegen die Bilder habe die rel(igiöse) u(nd) wirtschaftl(iche) Macht des Mönchtums brechen wollen; 3) Kaiser Leon III. ... sei von seiner syr(ischen) Heimat her von vornherein bilderfeindlich eingestellt gewesen.”

60 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder V/2. Im Westen, in: TRE Bd 6, S. 540; vgl. auch H.-G. Beck, Die griechische Kirche im Zeitalter

des Inkonoklasmus, in: H. Jedin(Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte Bd. III, Freiburg/ Basel/ Wien 1985, S. 35 61

Vgl. zuletzt E. Lamberz (Hrsg.), Concilium Universale Nicaenum Secundum. Concilii Actiones IV- V. Berlin u. a.: De Gruyter 2012

62 Vgl. T. Sideris, The Theological Position of the Iconophiles during the Iconoclastic Controversy, in: St Vladimir's Theological

Quarterly, 17 no 3 1973, p 210-226 hier S. 210 63

De fide orthodoxa 4.16 vgl. http://www.documentacatholicaomnia.eu/04z/z_0675-0749__Ioannes_Damascenus__De_Fide_Orthodoxa__EN.pdf.html

64 Vgl. De Imaginibus, Oratio I, PG 94, 1236A-B. Vgl. ebenso De fide orthodoxa 4.16 vgl. http://www.documentacatholicaomnia.eu/04z/z_0675-0749__Ioannes_Damascenus__De_Fide_Orthodoxa__EN.pdf.html

65 nicht nach seiner Gottheit, sondern nur nach seiner Menschheit, mit der aber die Gottheit unzertrennlich verbunden sei Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 536

66 είκων του θεού Vgl. 2. Kor. 4,4 oder Kol. 1,15 67

Vgl. T. Sideris, The Theological Position of the Iconophiles during the Iconoclastic Controversy, in: St Vladimir's Theological Quarterly, 17 no 3 1973, p 210-226 S. 212

68 Mit Bezug auf Nicaeanum II, Actio IV, Mansi 13, 69D. Zugespitzt bei Johannes von Damaskus (PG 94, 1264A: „Ει η εικων του

βασιλεως εστι βασιλευς, και η εικων του Χριστου, Χριστος, και η εικων του αγιου αγιος. Και ουτε το κρατος σχιζεται, ουτε η δοξα διαµεριζεται, αλλ η δοξα της εικονος του εικοιζοµενου γινεται.” (The Emperor's image is the Emperor, and the image of Christ is Christ, and the image of the saint is the saint. And the power is not divided in two and the glory is not parted in two; but the glory of the image belongs to the painted.)

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Anbetung     (άληθινήν  λατρείαν),    welche  allein  der  göttlichen  Natur  zustehe.69     Insgesamt   war   dann   die   Menschwerdung   Gottes     das  Hauptargument   der   Ikonophilen     gegenüber   den   Ikonoklasten.70  Denn  wenn   „das  Wort   Fleisch  ward     und  wenn   die   Schöpfung     das  Medium  der  Versöhnung  ist,    wenn  also  die  Welt  gleichnisfähig  wird    fur  Gottes  Gegenwart    (wie  in  den  Reich-­‐Gottes  Gleichnissen  Jesu)  –    dann   wird   das   Sichtbare     als   Raum   der   Wahrnehmung     des  unsichtbaren   Gottes   gewürdigt;   ...   Das   Wort   wird   konvertibel,    konvertierbar   ins   Bild   –     weil   das   Sehen   seiner   Herrlichkeit     und  damit  das  Sichtbare    zum  gleichberechtigten  Medium  geworden  ist  –    möglicherweise   gar   zum  Heilsmedium.    Nicht  die  Schrift  allein   oder  nur  das  Wort    sind  Gottes  wurdig,  sondern  auch  das  Bild.    Christus  als  Bild  Gottes.“71      

Nach   jahrzehntelanger   Auseinandersetzung     und   wechselnder  Herrschaft    der  Ikonophilen  und  Ikonoklasten    stellte  im  Jahre  843  die  Kaiserwitwe  Theodora    die  Bilderverehrung  wieder  her   -­‐   zur  großen  Genugtuung  des  mit  ihr  auch    durch  die  Produktion  der  Ikonen    stark  verbundenen   Mönchtums72.     Und   so   setzte   schließlich   eine  Bilderfreudigkeit   ein     in   der   Verehrung   der   Ikonen     zusammen  mit  der   von  Kreuzen,     Reliquien  und   Evangelienbüchern,     die   ein   in   der  Ostkirche   verbindlicher     und   hoch   affektiv73   wahrgenommener    Bestandteil  des  Lebens  wurde.74    Der  ikonoklastische  Anschlag    gegen  die  Macht  der  Bilder    durch  eine  Wiederbelebung  des  Bilderverbotes    war   damit   abgewehrt,     was   am   Ende   einen   erheblichen  Machtzuwachs     für   Bilder   bedeutete.     Andererseits   gab   es   eine  gewisse  Einschränkung  der  Macht  der  Bilder  dadurch,    dass  es  üblich                                                                                                                            69

Mit Bezug auf Nicaeanum II, Actio IV, Mansi 13, 377D vgl. T. Sideris, The Theological Position of the Iconophiles during the Iconoclastic Controversy, in: St Vladimir's Theological Quarterly, 17 no 3 1973, p 210-226 S. 217; vgl. auch H.G. Thümmel, Der byzantinische Bilderstreit, in: ThR 61, 1996, S. 355-371, hier S. 360

70 Vgl. T. Sideris, The Theological Position of the Iconophiles during the Iconoclastic Controversy, in: St Vladimir's Theological

Quarterly, 17 no 3 1973, p 210-226 S. 215; Vgl. auch J. Papajohn, Philosophical and Metaphysical Basis of Icon Veneration in the Eastern Orthodox Church, in: Greek Orthodox Theological Review, 2 no 1 Easter 1956, p 85

71 Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 25; vgl. auch P. Stoellger, JENSEITS DER

SCHRIFT DER PROTESTANTISMUS NACH DEM ICONIC TURN, in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 58

72 “Thus the victory of icon-veneration turned out to be also a victory for monasticism.” Vgl. A. Schmemann, Byzantium,

Iconoclasm and the Monks, in: St Vladimir's Seminary Quarterly, ns 3 no 3 Fall 1959, S. 29 73

Vgl. z.B. C. Barber, From Transformation to Desire: Art and Worship after Byzantine, in: The Art Bulletin, March 1993 Vol XXV, Number 1, S. 7-16 hier S. 7, der berichtet: „There are reports that worshippers talked to, embraced, and wept before these images.” Und er schlägt u.a. deshalb vor, eine Ikone als „ a site of desire” zu definieren (S. 11)

74 Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 536

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wurde,   die   Bilder   der   Heiligen     in   einen   festen   Bildkanon   zu   fassen    und  durch    eine  kirchliche  Weihehandlung75  zu  installieren.    Faktisch  zeigte  sich  darin  „ein  gewisser  Schwund    der  Repräsentationskraft”76    und  damit  wurde    ein  wichtiger  Teil  der  Macht  der  Bilder    in  kirchliche  Hände   gegeben.77   Wie   sollte   aber   kirchlicherseits   sodann   auf   die  maximale   Wirkungsmöglichkeit   eines   Bildes   verzichtet   werden,    nämlich   wie   „Christus   ist,   was   er   zeigt“,   und   damit   insgesamt   so  geweihte   Bilder     nicht   nur   etwas   bezeichnen     oder   auf   anderes  hinzeigen,     sondern   selbst   sind,     was   sie   zeigen   und   darstellen.78  Jedenfalls  erfullt  sich  diese  Logik    im  Osten  in  den  Ikonen,    später  im  Westen   in   den   Reliquien,     und   wird   nach   Stoellger   schließlich  verdichtet     in  der  Hostie  des  Abendmahls.79   Im  Westen  wurde  nach  einigen  Wendungen    gegenüber  den  Ikonoklasten    immer  wieder  auf  die  (pädagogische)    Nützlichkeit  der  Bilder  verwiesen.80    Damit  ist    im  Sinne   der   damaligen   Volksfrömmigkeit81     der   Weg   zu   einer  Bilderverehrung  vorgezeichnet,    zu  der  man  dann  im  Mittelalter  kam,    „wenn   sie   auch   nicht   dieselbe   Bedeutung     wie   in   der   Ostkirche  erhielt.”82   Dennoch   wurden   kirchlicherseits   Konzessionen     an   die  Volksfrömmigkeit   gemacht,   die   sich   wenig   um   feine     theologische  Distinktionen   kümmerte.     Es   wurden   sogar     sogenannte  „Gnadenbilder”  akzeptiert,    die  als  wundertätig  galten.    Wallfahrten  zu  diesen  „Gnadenbildern”    wurden  gefördert,    ohne  dass  der  spätere  Protest   der   Reformation     daran   etwas   hätte   ändern   können.83                                                                                                                            75 Vgl. J. Papajohn, Philosophical and Metaphysical Basis of Icon Veneration in the Eastern Orthodox Church, in: Greek Orthodox

Theological Review, 2 no 1 Easter 1956, p 89: „Finally, it should be mentioned that a portrait of Christ, or of the saints, does not become an “icon” in the sense taught by St. Theodore until it has been consecrated by the Church. Only when the Church through this consecration testifies to the correlation of an icon with the image of Christ is it established as a true “eikon.” Without this act of consecration, the reproduction remains only a religious picture.”

76 Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 538

77 Vgl. J. Papajohn, Philosophical and Metaphysical Basis of Icon Veneration in the Eastern Orthodox Church, in: Greek Orthodox Theological Review, 2 no 1 Easter 1956, p 89: „It is here that the permeating power of the spiritual existence of the Eastern Church is revealed”

78 Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 25; vgl. auch P. Stoellger, JENSEITS DER

SCHRIFT DER PROTESTANTISMUS NACH DEM ICONIC TURN, in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 58

79 Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 25

80 Immer wieder wird in diesem Sinne Gregor I. aus seinem Brief an Bischof Serenus von Marseille zitiert und dann die Bilder

„laicorum litteratura” genannt: „Nam quod legentibus scripturae, hoc idiotis praestat pictura cernentibus, quia in ipsa ignorantes vident, quod sequi debeant, in ipsa legunt qui litteras nesciunt; unde praecipue gentibus pro lectione pictura est” [Was denen, die lesen können, die Bibel, das gewährt den Laien das Bild beim Anschauen, die als Unwissende in ihm sehen, was sie befolgen sollen, in ihm lesen, obwohl sie die Buchstaben nicht kennen; weshalb denn vorzüglich für das Volk das Bild als Lektion dient]: MGH. Ep II, 270,14-16 (Okt. 600).

81 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder V/2. Im Westen, in: TRE Bd 6, S. 543

82 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder V/2. Im Westen, in: TRE Bd 6, S. 542

83 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder V/2. Im Westen, in: TRE Bd 6, S. 543f.

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Maßgeblich  für  das  Mittelalter    blieb  die  auch  dem  vorangegangenen  Bilderkult  zugrundeliegende  Bildtheorie,    in  der  durchaus  das  Schöne  mit  dem  Wahren    und  Guten   (Göttlichen)   identifiziert  wurde84    und  insgesamt  von  einer  unmittelbaren  Beziehung  des  Heiligenbildes  zum  Ikonophilen     durch   das   sogenannte     “sakramentale   Schauen”  ausgegangen   wurde.     Es   galt   als   eine   “fundamentale    spätmittelalterliche   Frömmigkeitshandlung”,     bei   der   man   meinte,  mittels  eines  Augenkontaktes    mit  dem  abgebildeten  Heiligen    “eine  kontemplative,     im  Extremfall  eine  ekstatische  Begegnung”    mit   ihm  haben  zu  können.85    Man  meinte  „Gott   im  Sehen  fassen,     im  Fassen  verzehren   (zu)   können     und   so   in   der   Verkörperung     körperlich   bei  ihm  (zu)  sein.“86     Insofern  wurden  Bilder  als   ‘Heilsmedien’  verehrt.87  Und  selbst  Luther  berichtete,    wie  konkret  er  selbst  diese    später  von  ihm  als  unsinnig  und  finster    beurteilte  Verbindung  vorreformatorisch  fühlte:     „Wir   ließen   uns   dünken,     daß   St.   Barbara,   Anna,   St.  Christophel,     jeder   auf   sein   Bild   sähe     und   unser   Gebet   erhörte.”88    Bezeichnend    für  das  Zeitalter  der  Reformation  ist  dann,    dass  genau  diese   Bildtheorie   in   Frage   gestellt   wird     und   durch   eine   andere  Sichtweise  ersetzt  wird.                

                                                                                                                         84

Vgl. R. Sprenger, Weltanschauung des Mittelalters im Spiegel der Kunst, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die Kirchen. Der Streit um die Bilder heute.München 1984, S. 55

85 Vgl. H. Oelke, Luther und das religiöse Bild, in: in: Lutherjahrbuch 57. Jg 1990, S. 265. Vgl. auch Vgl. O.J. Bräunlein, ‘Bildakte.

Religionswissenschaft im Dialog mit einer neuen Bildwissenschaft’, in: Brigitte Luchesi & Kocku von Stuckrad (eds.), Religion im kulturellen Diskurs: Festschrift fur Hans G. Kippenberg zu seinem 65. Geburtstag / Religion in Cultural Discourse: Essays in Honor of Hans G. Kippenberg on the Occasion of His 65th Birthday, Berlin & New York: Walter de Gruyter 2004, 195-231 hier 215„Die Konfrontation mit Bildern wurde als elementarer Kommunikationsvorgang— als Tausch der Blicke—verstanden. Nicht nur der Betrachter erfasst das Bild mit seinen Augen, sondern er wird umgekehrt von diesem angeblickt. Das Beten und die Ausrichtung des Blickes—intentio . . . waren untrennbar verbunden, und die Erwiderung dieses Blickes galt als selbstverständlich. Angestrebt wurde uber den Augenkontakt eine physische Verbindung, in der es letztlich um die Übertragung von Kraft ging.”. Vgl. auch K. v. Stuckrad, VISUAL GODS: FROM EXORCISM TO COMPLEXITY IN RENAISSANCE STUDIES, in: Aries Vol. 6, no. 1. Leiden 2006, S. 70: „Hence, the practice of looking, displaying, visualizing, and imagination is a sensual action that creates a relationship between the observer and the object of observation.

86 Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI

ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 146f. 87

Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 160

88 Vgl. Walch 2,923 („Ac fingebamus S. Barbaram, Annam, Christophorum, singulos ad suas statuas respicere, et exaudire preces

nostras.” WA 44,176,22-24)

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   IV  Luthers  neue  Entwertung  und  Bewertung  der  Bilder      Offenbar   kann   Luther   nicht   für   Bilderstürmereien     verantwortlich  gemacht  werden89,        

   -­‐   so  umstürzend   seine  Veränderung     in  der  Wertung  der  Macht  der  Bilder     durch   seine   Veränderung   der     „Bedingungen   der  Wahrnehmung”90   auch   war.     Denn   ihm   ging   es   eben   um   eine  Kirchenreform    und  nicht  um  eine   „Sozialrevolution”    wie  etwa  den  Wiedertäufern   in   Münster,     bei   denen   dann   auch   die   Bilder,     die  Epitaphien   und   Statuen     als   “Herrschaftssymbole”   angesehen  wurden91     und   deshalb   der   Entmachtung   durch   Zerstörung  ausgeliefert  wurden.     In  diesem  Vandalismus  sollte  eine  „öffentliche  Bildstrafe“   vollzogen   werden.   Und   wenn   dann   „die   ‘enthaupteten’    und   zu   Tode   ‘gefolterten’   Bilder     sichtbar   ausgestellt   bleiben   –    

                                                                                                                         89

Nach A. Holenstein/ H.R. Schmidt, Bilder als Objekte – Bilder in Relationen. Auf dem Weg zu einer wahrnehmungs- und handlungsgeschichtlichen Deutung von Bilderverehrung und Bilderzerstörung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 517 habe im Grunde „keinen „reformatorischen” Bildersturm gegeben, sondern nur einen „vorreformatorischen”. Der Bildersturm war Teil der Bewegung hin zur Reformation, aber nur selten Teil der institutionalisierten Reformation selbst (Goertz).”

90 Vgl. B. Roeck, Macht und Ohnmacht der Bilder. Die historische Perspektive. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J.

Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 33, der festhält: „... dass sich zwar die biologischen Voraussetzungen des Sehens zwischen Mittelalter und Neuzeit nicht verändert haben, wohl aber die Bedingungen der Wahrnehmung; sie waren anhängig von den Strukturen der Lebenswelt, die medial ganz anders strukturiert war als die der Moderne.”

91 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 550

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werden  Tote  präsentiert    (ähnlich  der  Exposition  der  toten  Leiber    der  Münsteraner  Täufer).“92    Und  mit  dieser  Zerstörung  der  Bilder    wird  gleichzeitig  evident  gemacht,    „dass  kein  Bild   ‘sich  selbst  reparieren’  kann“.    Diese  banale  Einsicht   ist   folgenreich,    weil   sie  unübersehbar  Zweifel  streut    „an  der  Lebendigkeit  des  Bildes    als  einem  ‘leiblichen  Selbst’.“93      Zu   öffentlicher   Stellungnahme   bezüglich  der   Bilder     sah   sich   Luther   1522     in   den  Wittenberger  Wirren  gezwungen,    die  sich  aus   den  Maßnahmen   Karlstadts   ergaben,    der  Weihnachten  1521   in  der   Stiftskirche    das   Abendmahl   unter   beiderlei   Gestalt  feierte     und   zu   dessen  Programm   zentral  auch   die   Entfernung   der   Bilder   als  “Ölgötzen”94     gehörte.     Dagegen   war   für  Luther  die  Bilderfrage    nur  von  sekundärer  Bedeutung,    denn,  wie  er  bereits  in  seiner    Römerbriefvorlesung  von  1515-­‐16  darlegte,    sah  er  die  Bilder  als  nicht  heilsnotwendig  an,    aber  auch  als  nicht  als  verboten95.    Sie  seien,  wie  andere  kultische  Einrichtungen,    „umbra  et  signa  rerum  et  puerilia”96.    Und   generell   würden     die   Vorschriften   des   mosaischen   Gesetzes    nicht  mehr   für  die  Christenheit  gelten.97     (In  bleibendem  Dissens   zu  dem  reformierten  Zweig    der  reformatorischen  Bewegung98,    weshalb  bei   Calvin   das   Bilderverbot     als   2.   Gebot   des   Dekalogs   erscheint.99    

                                                                                                                         92

Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 149

93 Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI

ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 155 94

„Das wir bilder in Kirchen un gots hewßern habe/ ist unrecht/ und wider das erste gebot. Du solst nich frombde gotter haben. Das geschnizte und gemalthe Olgotzen uff den altarien stehnd ist noch schadelicher und Tewfflischer. Drumb ists gut/ notlich/ loblich/ un gottlich/ das wir sie abthun/ un ire recht und urteyl der schrifft gebe.” Vgl. Karlstadt, Andreas: Von Abthuung der Bilder und das Keyn Bedtler unther den Christen seyn soll, Wittenberg 1522, S. 2,

95 Vgl. WA 56,493,32 - 494,17

96 Vgl. WA 56,494,3

97 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 546; vgl. WA 18, 76,6ff.; vgl.

auch WA 14,622,29ff.; vgl. auch WA 16,439,16-22 98

Zur Bilderfrage bei den Reformierten und ihrer generellen Ablehnung der Bilder siehe Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 551ff.

99 Vgl. J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion = Institutio Christianae religionis/ Johannes Calvin. Nach der letzten Ausg.

übers. und bearb. von Otto Weber, Neukirchen-Vluyn 1997 (1955), (Institutio II,8,17), S. 228. Lateinisch: „Non facies tibi sculptile, neque similitudinem vllam eorum quae in caelo sunt sursum, vel in terra deorsum, vel in aquis quae sub terra sunt. Non adorabis neque coles. Vgl. J. Calvin, Institutio Christianae religionis, Genf 1569, (Institutio II,8,17), S. 224

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Dagegen  stimmen  die  tridentinischen  Theologen    in  der  Bildertheorie    „weithin  mit  Luther  überein.”100)      V.   Loewenich   fasst   die   Ereignisse     nach   Luthers   Rückkehr   von   der  Wartburg    am  6.3.1522  kurz  zusammen.    Denn  da  hatte  Luther    in  der  3.  und  4.  Invocavitpredigt    zum  Bilderstreit  Position  bezogen.    Und  in  der   3.   Predigt   (Dienstag,   11.  März101)     bezieht   er   sich   auf   die  Bilder  und  sagt:    „umb  die  bilder   ist  es  auch  so  gethan,    das  sie  unnoettig,  sondern  frey  sein,    wir  mügen  sie  haben  oder  nicht  haben,    wie  wol  es  besser   were,   wir   hetten   sie   gar   nicht.     Ich   bin   jn   auch   nit   holt”102.    Aber  man  dürfe  aus  der  Freiheit     kein  “müssen”  machen103.     Ferner  sei   in  Ex  20,4  nicht  das  Machen,     sondern  das  Anbeten   von  Bildern  verboten104.     Man   müsse   Vers   4   von   Vers   5   her   verstehen.     Sonst  habe  Mose   selbst  mit   der   Errichtung   der   ehernen   Schlange     gegen  sein  Gebot  verstoßen105.    Außerdem  seien  auf  dem  Gnadenstuhl    die  zwei   Cherubim   angebracht   gewesen106.     Deshalb   solle  man   nur,  wo  man  die  Bilder   anbetet,     „sie   zerreyssen  und   abthun”107,     allerdings  nicht  „mit  eim  sturm  und  frevel,    sondern  sollen  der  Oberkeit    solchs  zu   thun   befehlen”108.     Man   könne   den   Bilderfreunden   auch   nicht  beweisen,    dass  sie  die  Bilder  anbeteten,    wenn  sie  das  bestritten109.    Man  könne  nur  predigen,    dass  die  Bilder  nichts  seien    und  dass  man  Gott  mit  ihrer  Aufrichtung    keinen  Dienst  tue;    dann  würden  sie  von  selbst   vergehen110.     Vielmehr   würde   durch   Bilderstürmerei     die  Bilderfreundschaft  nur  bestärkt111.112        

                                                                                                                         100

Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 556 101 Vgl. WA 10 III,21ff. 102

Vgl. WA 10 III,26,6f.; vgl. auch WA 28, 716, 23f. „.. es sol einem Christen Menschen frey stehen Bilder haben und nicht haben.” vgl. auch WA 10 III, 35,7-9 „... die bilder seindt weder sonst noch so, sie seindt weder gut noch bóße, man mag sie han oder nit haben”.

103 Vgl. WA 10 III,26,12 104 Vgl. WA 10 III,27,4.2lf; vgl. auch WA 18, 69,5ff. 105 Vgl. WA 10 III,27,10f; vgl. auch WA 18, 70,1ff.; vgl. auch WA 14,621,20-29 106 Vgl. WA 10 III,27,34 107

Vgl. WA 10 III,28,5; vgl. auch WA 28, 716, 31-3; WA 28, 678, 31f.. Insofern richtete sich, wie Stoellger bemerkt, das Schriftprinzip (das sola scriptura) Luthers gegen die Tradition und die Herrschaft des Lehramts uber die Schrift und ebenfalls gegen den Bildkult des Spätmittelalters. Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 27

108 Vgl. WA 10 III,28,24; vgl. auch WA 18, 72,3ff.; vgl. auch WA 14,621,13-19; vgl. auch WA 28, 678,18

109 Vgl. WA 10 III,28,10 110 Vgl. WA 10 III,28,16ff.; vgl. auch WA 16,440,10-14 111 Vgl. WA 10 III,29,7ff. 112 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 548

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In   seiner   nächsten   Predigt113    wiederholt   Luther   noch   einmal,     dass  die   Bilder   sollen   nur   abgetan   werden   sollten,     wenn   sie   angebetet  würden,   sonst   nicht,     „wie  woll   ich  wolt,     sie  weren   in   der   gantzen  weldt   abgethann     von   wegen   jres   myßbrauchs,     welchen   mann   jo  nichts  laügnen  kan”114.    Den  eigentlichen  Missbrauch  sieht  er  aber    in  der  mit  den  Bildern    verbundenen  Werkfrömmigkeit,    da  man  meine,    sich  durch  die  Bilder  ein  Verdienst  vor  Gott    erwerben  zu  können115.    Insgesamt   konnte   Luther   so     mit   seinen   Invocavitpredigten     dem  Bildersturm  des  Jahres  1522    Einhalt  gebieten.116  Zu  vielen   weiteren   Gelegenheiten,   aber   auch     mit  Wiederholungen   seiner   Argumente     nahm   Luther  zur  Bilderfrage  Stellung,    am  umfassendsten117  im  1.  Teil   seiner   Schrift     „Wider   die   himmlischen  Propheten,     von   den   Bildern   und   Sakrament”118.  Bemerkenswert  hier  die  Auffassung,  dass  die  Bilder  zuerst     aus   den   Herzen   gerissen  werden  müssten,    dann  täten  sie  den  Augen  keinen  Schaden119.    Und  Luther  bekräftigte  seine   Überzeugung,     dass   mit   der   „Werkfrömmigkeit”     auch   der  Bilderdienst   falle120.     Und   er   kritisierte,     dass   Karlstadts   Anhänger  unglaubwürdig   seien,     weil   sie   Bilder   auf   Münzen   und   Bechern  duldeten121     und   sogar   seine   Bibelübersetzung     mit   ihren   Bildern  benutzten122.   Und   gerade   in   diesem   Einsatz   von   Bildern     in   seiner  Bibelübersetzung     nahm   er   den   traditionellen123     pädagogischen  Aspekt   auf,     Bilder   als   pädagogische     und   didaktische   Hilfsmittel   zu  verwenden.124      

                                                                                                                         113 Vgl. WA 10/3, 30-36 114 Vgl. WA 10/3, 31,1-3 115 Vgl. WA 10/3, 31,9-11 116 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 548 117 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 549 118 Ende Dez. 1524; WA 18,62-125; über die Bilder S. 67-84 119 Vgl. WA 18,67,9 ff.; vgl. auch WA 14,622,18 120

„Denn wo die hertzen unterrichtet sind, das man alleyn durch den glauben Gotte gefalle und durch bilde yhm keyn gefallen geschicht, sondern eyn verlorner dienst und kost ist, fallen die leute selbs williglich davon, verachten sie und lassen keyne machen.” Vgl. WA 18,67,18-21; vgl. auch WA 16,440,23ff.

121 Vgl. WA 18,70,37ff.; vgl. auch WA 14,622,14-16; vgl. auch WA 28, 677, 36f.; vgl. auch WA 16,442,30-33

122 Vgl. WA 18,82,21ff. 123

Im Sinne von Gregor I. Bilder als „laicorum litteratura” MGH. Ep II, 270,14-16. 124

Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 550

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   Und   in   gleichem   Sinne   diente   seine     unglaublich   bilderreiche   und  gewaltige  Sprache    zu  einer  „grandiose(n)  Überführung    von  visueller  Vorstellungskraft  in  das  Verbale.“125    In  solcher  Berücksichtigung  des  Bildhaften    findet  schlicht  die  von  ihm  persönlich  erfahrene    humane  Grundkonstellation  ihren  Niederschlag,    dass  er,  wenn  er  von  Werken  Gottes  hört  und  liest,    sich  im  Herzen  ein  Bild  davon  mache126:      

   „...   ich   wolle,   odder   wolle   nicht,     wenn   ich   Christum   hore,     so  entwirfft   sich   ynn   meym   hertzen   eyn   mans   bilde,     das   am   creutze  henget,    gleich  als  sich  meyn  andlitz    naturlich  entwirfft  yns  wasser,    wenn   ich   dreyn   sehe,     Ists   nu   nicht   sunde   sondern   gut,     das   ich  Christus   bilde   ym  hertzen  habe,    Warumb   sollts   sunde   seyn,    wenn  ichs   (sein   Bild)   ynn   augen   habe?”127     Er   bekennt   unbefangen,     dass  der   Mensch   auch   im   religiösen   Leben     nicht   auf   Anschauung  verzichten   könne,     “weil  wir   ja  müssen   gedancken  und  bilde   fassen  

                                                                                                                         125

J. Helmke/ A. Ströhl, DAS VERTRAUEN IN DIE BILDER ZERSTÖREN, UM MIT BILDERN ARBEITEN ZU KÖNNEN! EIN GESPRÄCH ÜBER DAS DISKURSIVE MEDIUM FILM. in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 75

126 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 550

127 Vgl. WA 18,83,9-13

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des,     das   uns   jnn   worten   fürgetragen   wird,     und   nichts   on   bilde  dencken    noch  verstehen  können”.128     So  habe   sich  Gott  uns   in  der  Gestalt   Christi   gezeigt,     sich   zu   unserer   Natur   herabgelassen     und  begegne   uns   im   Sichtbaren     und   entsprechend   sei   die   Bibel     voller  Anschaulichkeit129:     „Das   ist   unseres   herr   Gots   weise   alzeit   gewest,    das   ohren   nicht   allein   horeten,     sed   etiam   oculis   viderent.”130  Insofern   ist   Volp   Recht   zugeben,     dass   Bilder   für   Luther   kein  „Appendix“   seien,     „sondern   die   Kraft   des   Wortes,   Zeugnis   und  Zeichen    des  Gedächtnisses  Christi“.131      Insofern   war   es   für   Luther   auch   konsequent,    katholische  Bilder    mit  reformatorischen  Bildern  zu   bekämpfen.     Unterstützt   durch   den   Maler  Lukas   Cranach       wurden   nun   z.B.   neue  Altarbilder   gemalt,     auf   denen   die   aktuelle  Gemeinde     und   ihre   wohlbekannten   Prediger    reportagehaft  ins  Bild  zu  gesetzt  wurde,    „womit  man   das   Bild     so   diskursiv   und   realistisch  machte,     daß   seine   metaphysische   Autorität  dahinschwand.”     Nach   Belting   war   damit   „die   Hierarchie     zwischen  den  beiden  Medien  gesichert:    die  Ohnmacht  der  Bilder    stand  gegen  die  Macht  der  Theologen.”    

                                                                                                                         128 Vgl. WA 37,63,25-6; vgl. auch WA 46, 308,1-310,5 129

Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 550 130

Vgl. WA 49,74,39-75,1. Stoellger formuliert das für die Gegenwart so: „Die Formen christlichen Glaubens und Lebens sind, wenn auch nicht in jedem Fall und oft nicht gänzlich, so doch von visueller Gestalt. So wie das Wort sichtbar wird, so der Glaube manifest, sofern er sich zeigt.“ Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 28. Und er erläutert das Bildhaft weiter (S. 28f.): Was steht eigentlich im Zentrum eines christlichen Gottesdienstes? Wort und Sakrament, das heißt vor allem das Abendmahl bzw. die Eucharistie. Und was steht im Zentrum des Abendmahls? Brot und Wein als sichtbare, fuhlbare und schmeckbare Gegenwart des Herrn? Fur einen Beobachter könnte das hoch erhobene Brot, die Hostie, wie ein Kultbild erscheinen, in dem Gott real gegenwärtig sei - und das gesehen, gegeben, empfangen und verzehrt wird. Wie auch immer man das sieht, die Hostie ist ein sichtbares Artefakt, hoch erhoben, ehedem mit dem Kreuz gestempelt: ein Bild, das zum Verzehr gemacht ist. Im Abendmahl ist der entscheidende Augenblick die ,wunderbare Wandlung' im Erheben der Hostie, in der Elevation, oder protestantisch der Verzehr und Verbrauch dieses Bildes. Und das ist selbstredend ein ganz besonderes Bildereignis: ein Artefakt (die Hostie) wird zur allseitigen Schau hoch erhoben, auf dass sie verschwinde im Mund der Feiernden. ... „Denn, auch wenn es fast jeder Lutheraner leugnen wurde: Im Abendmahl geht es um ein Bild Gottes als reale Gegenwart Gottes - und um ein Bild, das mit den Zähnen zermalmt wird als Gipfel des Gottesgenusses. Nicht ohne spekulative Neigung könnte man sagen: Der Ikonoklasmus des Bildverzehrs ist der Gipfel dieser Bildverehrung. Im Genuss Gottes verschwindet sein Bild im Rachen des Gläubigen. Die ganze Frömmigkeit dieses besonderen Bilderkultes zeigt sich in der Vernichtung des Bildes: der Bildzerstörung - auf das der das Bild genießende Mensch selbst (wieder) zum Bild Gottes werde.“

131 Vgl. R. Volp, Die Reformatorischen Kirchen und das Bild, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die

Kirchen. Der Streit um die Bilder heute.München 1984, S. 35

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     Und  das  Bild  würde  so  wie  ein  Text  zu  behandelt,    „so  daß  es  mehr  an   ein   kognitives   Verständnis     als   an   den   affektiven   Eindruck  appellierte.”    Die  Bilder  hätten  damit  gleichsam  Stichworte     fur  die  Memorierung     der   Inhalte   der   Religion   zu   liefern     und   damit   den  Betrachter     auf   seine   inneren   Bilder   zurückzulenken,     „aber   auch  diese   ähnlich   zu   steuern,     wie   es   das   Wort   in   der   Predigt   tat.”132    Sicherlich   unterschätzt   aber   Belting     mit   dieser   Auffassung   einer  blassen     „Wort-­‐   und   Theologen-­‐Hörigkeit”     in   der   Reformation   die  erhebliche  Macht  reformatorischer  Affektionen133,    die  sich  allein   in  einer   Fülle     von   neuen   Kirchenliedern   Ausdruck   verschaffte.   Aber  wenn  es  davon  abgesehen  allein  Aufgabe    der  reformatorische  Bilder  gewesen   wäre,     zur   Memorierung   der   Inhalte     der   Religion  beizutragen     und   damit   den   Betrachter     auf   seine   inneren   Bilder  zurückzulenken,     dann   wäre   es   auf   jeden   Fall   ein   Beitrag     zur  wichtigsten   theologischen   Aufgabe     der   Bildkategorie   nach   Volp,    nämlich  „im  Diesseits    Gottes  Jenseits  evident  werden  (zu)  lassen.”134      

Allerdings   muss     zur   Macht   der   Bilder   in   der   Reformationszeit    zugleich   festgehalten   werden,     dass   im   Umkreis   des   Bilderstreits    

                                                                                                                         132

Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 16f.

133 Vgl. Th. Kaufmann, Die Bilderfrage im frühneuzeitlichen Luthertum, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek

(Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 450

134 Vgl. R. Volp, Bilder VII. Das Bild als Grundkategorie der Theologie, in: TRE Bd 6, S. 566.

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Bilder   auch   als  Karikaturen   verwandt  wurden,     „um   die  Macht   des  Gegners  zu  brechen.”      

   Ebenso   waren   Bilder   zur   Denunziation   beliebt.   Es   hätten   Papst-­‐Karikaturen     seit   dem   Ausbruch   der   Reformation     mit   gleicher  Frequenz   floriert    wie  Luther-­‐Karikaturen.135    Und   in  dem  Maße  wie  nun   über   Streitschriften     und   Flugblätter   ausgetragen   Bilder     in  jedermanns   Hand   kamen,     wurden   Bilder   „demokratisiert”.     Und  dabei   verloren   sie   gerade   jene   Aura,     „von   denen   ihr   Kult   gelebt  hatte.”136  Jedenfalls  konnten  nun    nach  der  von  Luther  angestoßenen    “Revolution   der   Zeichentheorie”137,   in   welcher   die   „Beziehung  zwischen   dem   Ritual     und   dem   geschriebenen   Wort”     verändert  wurde138    und  damit  der  Gebrauch  der  Bilder  freigegeben  war,    Bilder  einerseits  didaktisch  hilfreich    für  den  Glauben  an  das  „Wort”  benutzt  

                                                                                                                         135

Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 20

136 Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und

Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 23 137

Vgl. B. Stollberg-Rilinger, Zeremoniell, Ritual, Symbol. Neue Forschungen zur symbolischen Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Zeitschfrift für historische 27, 2000, S. 289-405, hier S. 392

138 Vgl. E. Muir, Ritual in Early Modern Europe. Cambridge u. a. 1997, S. 150: “The process of gaining access to the sacred shifted

from experiencing the divine body through sight, touch, and ingestion to interpreting the scriptural Word, a process that had wide-ranging implications for the status of ritual as weil as for the mentality of lay believers”.

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werden,    ohne  sich  von  (sakraler)  Macht    gefangen  nehmen  zu  lassen.    Andererseits   –   und   sofern   die   Voraussetzung   stimmt,     dass   der  Betrachter   im   Glauben   gehaltenen   ist   –     stand   jeder   anderer  ästhetischer    oder  ornamentaler  Gebrauch  offen.139      Allerdings  sei  nach  Stoellger    (und  wohl  auch  nach  Ansicht    mancher  gegenwärtiger  Kunstfreunde)  diese  Duldsamkeit   Luthers     „eigentlich  das  Ärgste,    was  man  Bildern  antun  kann:    sie  nicht  ganz  für  voll  zu  nehmen,     als   dekorativ,   nutzlich   und   hilfreich,     wenn   sie   gefugig  gemacht  werden,     aber  damit   auch  eigentlich  entbehrlich.“     Jedoch  Luther  habe  eben  dadurch    die  Situation  vor  einem  Bild  „entspannt“:    Denn   damit   gehe   es   nicht   „um   das   Bild   an   sich,     sondern   um   den  rechten   Gebrauch.     Und   der   einzige   falsche   sei,   sie   anzubeten.“    Ansonsten  sei  alles  erlaubt.    Luther  habe  also  dem  Protestantismus,    sofern   er   sich   eben   im   Glauben   gehalten   weiß,   eine   sehr  weitgehende  Lizenz  zum  Bild  erteilt,    allerdings  „um  den  Preis    einer  argen   Depotenzierung.“     Dabei   sollte   jedoch   nicht   die   Bemerkung  Stoellgers   verschwiegen   werden,   dass   Bilder   „oft   raffinierter     und  bedeutsamer   (seien)   als   gedacht“     und   nicht   selten   kluger   als   ihre  Betrachter     oder   gar   “mächtiger   als   ihre   Verwender.“140     Denn  die‘Macht  des  Bildes’    sei  „ebenso  ‘Macht  des  Begehrens’    wie  ‘Macht  des  Zeigens’,    kurz  gesagt:Deutungsmacht.“141      

 

V   Ausblick:   Manipulation   durch   die   Macht   der   Bilder   in   der  Moderne?      Nun   lässt   sich   zur   Macht   des   Begehrens,     des   Zeigens   und   der  Deutung     manches   im   Blick   auf   die     umfangreichen                                                                                                                            139

„Alias levi pictura imagines privata in domo non possum damnare.” (deutsch nach Walch 3,1438 „Sonst kann ich es nicht verdammen, daß man in einem Privathaus schön gemalte ... Bilder habe”) Vgl. WA 14,622,30f.; vgl. auch WA 16,441,28-30. Und was die bisherigen sakralen Bilder und ihren Gegenwert anbelangt, so sollte in Bezug auf 1. Mose 35, 4 Fremde Götter, Bilder, Silber Gold usw. nicht vergraben werden, sed hoc agimus, ut transferatur ad pium et logitimum usum, et quae hactenus data sunt sacrificulis idolatricis, deinceps distribuantur in pios doctores et ministros Euangelii - also lieber diakonisch verwendet und den Dienern des Evangeliums zugeteilt werden. Vgl. WA 44,178, 18-21 übersetzt nach Walch 2, 926: „sondern wir gehen damit um, daß es zum göttlichen und rechten Gebrauche gewendet werde, und was bisher den abgöttischen Meßpfaffen gegeben worden ist, hinfort unter die frommen gottseligen Lehrer und Diener des Evangeliums ausgetheilt werden möge.”

140 Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 23; vgl. auch P. Stoellger, JENSEITS DER

SCHRIFT DER PROTESTANTISMUS NACH DEM ICONIC TURN, in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 57

141 Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI

ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 152

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Auseinandersetzungen   sagen,     die   sich   dann     nach   Ausgang   des  Zeitalters  der  Reformation    allein  in  den  reformatorischen  Kirchen142    oder  bezüglich  des  Barock    als  „Kunst  der  Gegenreformation“143  oder  dann   in   der   Aufklärung     hinsichtlich   der   Bilder   und   ihrer   Macht  ergaben.      

   Hier   kann   jedoch   nicht   der   Ort   sein,     sich   diesen   umfangreichen  Themen   zu   widmen.   Es   muss   auch   offen   bleiben,     wie   sich   nun  Boehms   These,     dass   die   Sinndichte   des   Bildes  prinzipiell     über   die  Möglichkeiten   sprachlicher   Erfassung     hinausgehe144,   zu   Luthers  Position   verhält.   Jedenfalls   war   es   damals   Luther   nicht   gelungen   –    vielleicht   gerade   wegen   seiner     differenzierten   Position   zu   den  Bildern  –   ,  allen  Bilderstürmern  Einhalt   zu  gebieten.    Das  mag  auch  mit  dem  von  Roeck    beschriebenen  Umstand  zusammenhängen,  dass  eine  Zerstörung  der  Bilder    eine  gewisse  „Folge  einer  geistigen    oder  politischen   Umwälzung,    nicht   deren   Ursache”   sein   könne.     Und   in  dieser   Folge   wurde   der   Prozess     des   Umsturzes   weiter  vorangetrieben.     Und   höhnisch   demonstrierten   dann     die  Bilderstürmer,     „dass   sie   ihre   Taten   vollbringen   können,     ohne   daß  

                                                                                                                         142

Vgl. hierzu die sorgfältige Nachzeichnung durch Th. Kaufmann, der zunächst festhält: „In wissenschaftsgeschichtlichem im Horizont betrachtet scheint die Stellung des frühneuzeitlichen Luthertums zur Bilderfrage - wie auch zu anderen so genannten Adiaphora -eindeutig zu sein: Es steht gleichermaßen in Distanz zur römisch-katholischen Idiolatrie einerseits, reformiertem Ikonoklasmus andererseits. Das Luthertum behielt - so Zeeden - von den überkommenen „gottesdienstlichen Gegenständen, mit denen die Kirchen vor der Reformation ausgestattet zu sein pflegten”, neben manchen anderen „katholischen Überlieferungen” Altäre, Kerzen, Bilder und Skulpturen” bei und erwies - so Fritz - seine „bewahrende Kraft” in Bezug auf mittelalterliche Kunstwerke, für die sich weder in qualitativer und quantitativer Hinsicht überzeugende Analogien in den anderen abendländischen Konfessionkirchentümer aufweisen lassen.” Vgl. Th. Kaufmann, Die Bilderfrage im frühneuzeitlichen Luthertum, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 407f. Jedenfalls versteht er dann diesen Umgang mit den Bildern als ein „konfessionskulturelle(n)(s) Identitätsmerkmal des Luthertums par excellence.” (S. 410)

143 Vgl. W. Weisbach, Der Barock als Kunst der Gegenreformation, Berlin 1921. Vgl. auch die Analyse von H. Burda, Vom Wort

zum Bild: Iconic Turn, in: forum 1/2013, S. 8: „Und die Höhepunkte der visuellen Kunste um 1500, also Raffael, Leonardo und Michelangelo, sind im Kontext einer päpstlichen Offensive zu sehen, die christliche Lehre durch große Bildwände zu verbreiten. Das war, wenn man so will, eine fruhe Version von »Iconic Turn«.“

144 Vgl. B. Collenberg-Plotnikov, Bild und Kunst. Zur Bestimmung des ästhetischen Mediums. In: http://www.fernuni-

hagen.de/philosophie/team/lg3/bernadette.collenberg.shtml v. 25.10.2012, Hagen 2003, S. 9 mit Bezug auf z.B.: M. Imdahl: „Ikonik”.In: G. Boehm (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 19952 (19941)S. 300-324, hier: bes. S. 310.

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Blitze  vom  Himmel  regnen    und  das  Firmament  einstürzt.”    Und  dabei  mochten  sie  glauben,     ihre  Welt  habe  sich  geändert,    dabei  hat  sich  nur  „deren    symbolische  Repräsentation  gewandelt.”145      Und  in  diesem  Wandel    der  symbolischen  Repräsentation    hatte  sich  dann  am  Ende  des  Reformationszeitalters    eine  relativ  unabhängige,    stark  aufblühende  Kunst  der  Malerei  entwickelt.        

   Und  das  Kunstwerk  –     in  den  „Kirchen  entbehrlich  geworden,    wenn  nicht  gar  aus  ihnen  vertrieben“  –    habe  dann  im  Museum,    eine  neue  Heimstatt   gefunden.     Nach   Hofmann   beginnt   darum   „theoretisch“    die  „Musealisierung  des  Kunstwerks“    mit  der  Reformation.        

                                                                                                                         145

Vgl. B. Roeck, Macht und Ohnmacht der Bilder. Die historische Perspektive. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 34

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   Das  sei  einerseits    „Korrelat  seiner  Entideologisierung“,    bringe  aber  mit   sich,   „dass  eine  neue   Ideologie     sich   seiner  bemächtigte“  –    die  dem   Kunstwerk   aber   eine   neue,   „von   Bildmagie     unberührte  Wirkungssphäre“  bot.146      Und   für   manche   gehört   in   diesen   Prozess     auch   die   bildnerische  Darstellung     des   sogenannten   „Schönen”.     In   der   christlichen  Tradition  mag  sich  damit  eine  Empfänglichkeit  auftun,    die  sinnliche  Offenbarung  der  Herrlichkeit  Gottes    in  der  Natur  wahrzunehmen147,    zum  Staunen  und  zum  Lobpreis,    woraus  sich  eine  ganz  eigene  Macht    und   eigener   Wahrheitsanspruch   schöner   Bilder   ergeben   kann.148    Allerdings   muss     theologisch   entgegengehalten   werden,     dass   der  ästhetische   Wahrheitsanspruch     nur   „ein   abgeleiteter”     relativer  Wahrheitsanspruch  sein  könne.    Das  Schöne  sei   ,,hier  und  jetzt”  nur  erst   der   –     aufleuchtende   und   wieder   verblassende   –     Glanz   des  Wahren.”149     Und   für   andere   bedeutet     die   Entwicklung   einer                                                                                                                            146

Vgl. W. Hofmann, Luther und die Folgen für die Kunst, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die Kirchen. Der Streit um die Bilder heute. München 1984, S. 74

147 Vgl. K. Huizing, Art. Bild III. Religionsphilosophisch, in RGG I4, Sp. 1561; vgl. auch EG 503

148 Vgl. z.B. M. Yoshida, The Power of Imaging - Art as Love and Struggle as Beauty, in: Asia Journal of Theology. Oct2008, Vol.

22 Issue 2, S. 288: „The power of art comes from the power of imaging in the midst of struggling. Seeing through the psyche's depth profoundly, beauty brings us God's re-velation and one can encounter God in the process of imaging to experience God's Love. Through imaging, God's Love is incarnated in the power of art. The power of the imaging becomes the power of art.”

149 E. Jüngel, „Auch das Schöne muß sterben” - Schönheit im Lichte der Wahrheit. Theologische Bemerkungen zum ästhetischen

Verhältnis, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 81 (1984), 106-126, hier S. 125. Und W. Gräb, Lebensgeschichten -

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„autonomen”  Kunst,  dass  man  die  Faszination  oder  Macht  des  Bildes    der   „persönlichen   Erfindung   eines   Künstlers”     zurechnet     und   sich  über   das   Bild   nicht   mehr   theologisch,   sondern   nur   noch   ästhetisch  streitet.150     Für   die   Christenheit   mag   bedeutsamer   sein,   dass   nun  vielfach  das  Bild  nicht  mehr  von  der  Präsenz  des  Jenseitigen  zeugen  will,    sondern  gänzlich  zu  Diesseits  zu  gehörten  scheint151.    Allerdings  gibt   es   auch   andere   Versuche,   die   Beziehung   von   Bild   bzw.     Kunst  zum   Religiösen   zu   beschreiben,     die   nicht   von   Gegensätzlichkeiten,    sondern   eher   von   Verwandtschaften   ausgehen.     Denn   nach   Erne  gebe   es   eine   in   ihrem   Kern     religiöse   Bestimmung   der   modernen  Kunst,     weshalb   er   von   „Familienähnlichkeiten”     im   Verhältnis   von  Kirche  und  Kunst”152  spricht.    Das  würde  immerhin  plausibel  machen,    weshalb  offenkundig  viele  moderne  Museen    als  Ausstellungsort   für  Bilder    sakralen  Räumen  ähneln,    womit  sie  bildhaft  beanspruchten,    zeitgenössische  Kult-­‐Orte  zu  sein,    „die  Ähnlichkeiten  aufweisen  mit  kirchlich-­‐   christlichen   Ritualen   und   Liturgien”.153   Eine   solche  Plausibilität   würde   allerdings   auch   nach   der   Analyse   von   Roeck  gelten,     nach   der   postreformatorisch   antireligiös     bzw.   Religion  ersetzend     der   Künstler   nunmehr   von   manchen   als   „inspirierter(n)  Schöpfergott”  verehrt  wird,     „der  Werke  hervorbringt,  die   ihrerseits    Gegenstand  religiöser  Verehrung  werden”.154    

                                                                                                                         Lebensentwürfe - Sinndeutungen. Eine praktische Theologie gelebter Religion, Gütersloh (Chr. Kaiser/ Gütersloher) 1998, 100-118), S. 111 kann differnzieren: ,,Das Ästhetische richtet sich auf das Gefallen an der Gestalt, das Religiöse auf das Betroffensein durch den Gehalt, der sich erschließt.”

150 Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und

Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 26 151

P. Sack, Die Macht der Bilder und die Bilder der Macht.Versuch zur Genealogie des White Cube. Heidelberg 2011 (in: http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=14&ved=0CDQQFjADOAo&url=http%3A%2F%2Farchiv.ub.uni-heidelberg.de%2Fartdok%2Fvolltexte%2F2011%2F1673%2Fpdf%2FSack_Die_Macht_der_Bilder_und_die_Bilder_der_Macht_2011.pdf&ei=9uygUNXeM8_Jswa3r4Aw&usg=AFQjCNG7BIQhFr-sJKk8zlfS7uHngw1UDw&sig2=YuerLJu7akh6NkRY-MG_9g), S. 43

152 Vgl. T. Erne, Formaufbau und Formzerstörung. Familienähnlichkeiten im Verhältnis von Kirche und Kunst. In: IJPT, vol. 10

2006, pp. 76–90, hier S. 78, der meint, „dass vieles ähnlich ist im Verhältnis von Kirche und Kunst, ähnlich, aber nicht gleich.” Er meint weiter: „„Familienähnlichkeiten” ist eine Metapher, die Ludwig Wittgenstein einfuhrt, um Beziehungen zu beschreiben, die logisch oder substanziell nichts gemeinsam haben und die doch irgendwie zusammengehören. Kunst wird nicht dadurch religiös, dass sie sich christliche Symbole bedient. Die Religion wird nicht dadurch zur Kunst, dass sie religiösen Sinn in Zeichen darstellt. Und doch haben beide irgendetwas gemeinsam.” Er bezieht sich auch auf D. Korsch, Herrschaft der Poesie. Eine kategoriale Deutung von Stefan Georges Kunstreligion, in: V. Drehsen/ W. Gräb/ D. Korsch (Hg.), Protestantismus und Ästhetik. Religionskulturelle Transformationen am Beginn des 20. Jahrhunderts, Gutersloh (Gutersloher Verlagshaus) 2001, 123-144, der vom „Bewusstsein der „Verwandtschaft” von Kunst und Religion, das eine „bleibende Differenz” einschließt, schreibt.

153 Vgl. Susanne Natrup, Ästhetische Andacht. Das postmoderne Kunstmuseum als Ort individualisierter und impliziter Religion, in:

J. Herrmann/A. Mertin/E. Valtink (Hg.), Die Gegenwart der Kunst in der Kunst der Gegenwart. Ästhetische und religiöse Erfahrung heute, Munchen (Fink) 1998, 74.

154 Vgl. B. Roeck, Macht und Ohnmacht der Bilder. Die historische Perspektive. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J.

Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 63; und U. Barth, Religion in der Moderne, Tübingen (Mohr Siebeck) 2003, 235-262, hier S. 261f. analysiert zu Recht, dass Kunst „vielerorts die Erbauungsfunktion der Religion übernommen hat.”

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   Aber   auch   ohne   allen   Künstlerkult     verbleibt   in   der   Moderne   die  Erfahrung,    dass  Bilder  das  „Unsagbare,  Unfaßbare,  Heilige     in  einer  Weise   sichtbar   machen     und   zur   Darstellung   gelangen   lassen  (können),    die  auratischen    und  gar  numinosen  Charakter   haben   kann.”155   Denn   ein   Bild  besitze   die   „merkwürdige   Kraft,     über   sich  selbst   zu   belehren”156   und   zeige     „einen  anderen   Anblick   der   Wirklichkeit.”157    Allerdings   fasst   Hofmann   zusammen:   „Auf   die  Kunst,   die   der   Religion   gehört,     folgt   die  Religion  der  Kunst,    deren  Glaubensartikel  der  jeweilige   Beschauer     mit   sich   selbst  auszumachen  hat.”158                                                                                                                                  155

Vgl. J. Kunstmann, Bild und Religion, International Journal of Practical Theology, 2003, Vol. 7 Issue 1, p. 33 156

M. Merleau-Ponty Der Zweifel Cézannes, in: G. Boehm (Hg.), Was ist ein Bild?, München 1995, S. 52 157

Vgl. J. Kunstmann, Bild und Religion, International Journal of Practical Theology, 2003, Vol. 7 Issue 1, p. 25 158

Vgl. W. Hofmann, Luther und die Folgen für die Kunst, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die Kirchen. Der Streit um die Bilder heute. München 1984, S. 74

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 Aber   sollte   Roeck   Recht   haben,   dass   quasi-­‐religiöse   Verehrung    hierbei  nicht  erfolge,  „weil  man  in  den  Bildern  Gott  vermutete    oder  weil  sie  auf  Göttliches  verwiesen“,  sondern  weil  sie  „in  einer  Welt,    in  der  die  Gottheit  fern  gerückt  ist,    das  Verlorene”159  substituieren?      Doch   damit   erhebt   sich   die   Frage,  was   hier   substituiert  wird.  Muss  nicht  damit  gerechnet  werden,    dass   in  dem  Moment,     wo   der   bei   Luther   bei   der  „Freigabe   der   Bilder”     noch   vorausgesetzte  tragfähige   Glaube     ignoriert   wird,     diese  Leerstelle   dann     von   anderen  „Glaubensüberzeugungen”     gern   besetzt  wird     und   dass   die   Bilder   und   ihre   Macht  damit   letztlich     vor   den   Karren   anderer    metaphysischer  Theorien  gespannt  werden?      Calvin  hat  die  Gefahr  des  Eindringens  quasi-­‐  religiöser  Mächte  in  die  menschliche  Seele    nur  zu  deutlich  gesehen  ,  wenn  er  sagte,    „daß  der  Menschengeist   zu   allen   Zeiten     sozusagen   eine   Werkstatt   von  Götzenbildern”     gewesen   sei.160     Oder   aus   anderer   Perspektive    meldeten   sich   hier   ebenso   Diskurs-­‐Theoretiker     wie   Dewey   and  Habermas   zu   Wort,     da   offenkundig   die   Bilder   der   Medien     den  öffentlich   nötigen   Diskurs   gefährden161     oder   manipulieren162  würden.    Ihnen  stand  noch  nur  zu  deutlich  vor  Augen,    wie  besonders  

                                                                                                                         159

Vgl. B. Roeck, Macht und Ohnmacht der Bilder. Die historische Perspektive. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 63

160 Vgl. J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion = Institutio Christianae religionis/ Johannes Calvin. Nach der letzten Ausg.

übers. und bearb. von Otto Weber, Neukirchen-Vluyn 1997 (1955), (Institutio I,11,8), S. 45. Lateinisch: „Vnde colligere licet, hominis ingenium perpetuam, vt ita loquar, esse idolorum fabricam.” Vgl. J. Calvin, Institutio Christianae religionis, Genf 1569, (Institutio I,11,8), S. 44; psychologisch bekräftigt durch z.B. J. Yandell, Graven Images: Idol and Icon, in: Psychological Perspectives Volume 52, Issue 4/2009, S. 430: „Calvin's pronouncement that “the human mind ... is a perpetual forger of idols” is valid at least in the recognition that we are not just passive cameras but also active projectors. If the unconscious is the “always happening,” as Jung characterized it, then the conscious is the always projecting. Whatever is going on inside us, we find in the outer world.”

161 „Vision separates us; conversation unites us”. So Dewey nach. C. A. Finnegan/ J. Kang, “Sighting” the Public: Iconoclasm and

Public Sphere Theory, in: Quarterly Journal of Speech Vol. 90, No. 4, November 2004, pp. 377-402 hier: S. 383 162

The modernity project of Habermas „appears on its face to be iconoclastic. It proceeds with a will to purge images and vision and to open a path to a more rational, dialogic public sphere. ... Habermas believes that images in modern society reproduce the feudal system by producing passive subjects who are vulnerable to propaganda. Habermas attests that the modern public sphere has declined with the rise of images and representation. Contemporary society, in which mass media are a primal means of communication, operates through “manipulation and show” that can only create manipulative publicity.” Vgl. C. A. Finnegan/ J. Kang, “Sighting” the Public: Iconoclasm and Public Sphere Theory, in: Quarterly Journal of Speech Vol. 90, No. 4, November 2004, pp. 377-402 hier: S. 386

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im   20.   Jahrhundert     Führerkulte   Einzug   gehalten   hatten,     deren  multimedialer   Einflussnahme     kaum   stand   zu  halten  war.     So  war   –    abgesehen  von  der  verspäteten    „Heimholung”  Napoleons  nach  Paris  –        

   Lenin   der   erste   moderne   Herrscher,     „der   nicht   nur   einbalsamiert    und   in   einem   Mausoleum   beigesetzt   wurde,     sondern   dem   eine  dauerhafte,    bis  heute  anhaltende  kultische  Verehrung    durch  Pilger  aus  seinem  Land    und  aus  aller  Welt  zu  teil  geworden  ist.”163     In  der  sogenannten   „aufgeklärten”   Moderne     wurden   also   nicht   mehr  Gestalten   der   Religion,     sondern   politische   Führer   als  messianische  Figuren     und   Heilande   angesehen     und   ihre   Portraits   gewannen    „magische   Macht   über   die   Menschen,     sie   zogen   Bewunderung,    Verehrung,   Anbetung   auf   sich.”   Und   das   nicht   nur   bei  Demonstrationen     und   Gedenkfeiern   und   -­‐märschen,     sondern  teilweise   auch   im   häuslichen   Alltag.     Auf   diese   Weise   wurde   der  ikonophile   Personenkult     zum   „Kennzeichen   der   modernen    politischen   Religionen”.     Mit   Hitlers   und   Stalins   Tod     fanden   diese  modernen   Bildreligionen,     die   das  Heil   auf   Erden   versprachen     und  nicht  im  Jenseits164,  kein  Ende,    sondern  wurden  bis  in  die  Gegenwart  hinein    durch  Mao,  Ho  Tschi  Minh,  Kim-­‐il-­‐Sung,    Che  Guevara,  Castro,  Ceausescu    und  viele  andere  fortgeführt.165                                                                                                                                163

Vgl. H. Maier, Die Politischen Religionen und die Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 486

164 Vgl. A. Holenstein/ H.R. Schmidt, Bilder als Objekte – Bilder in Relationen. Auf dem Weg zu einer wahrnehmungs- und

handlungsgeschichtlichen Deutung von Bilderverehrung und Bilderzerstörung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 526

165 Vgl. H. Maier, Die Politischen Religionen und die Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.),

Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 494

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   Und  die  Zerstörung  der  Bilder  dieser  “Heiligen”    nach  den  Umbrüchen  von   1945   und   1989   usw.     wies  durchaus   „Parallelen   zum  reformatorischen   Bildersturm  auf.”166      Diese   Bilder   mussten   ihre  Entmächtigung     durch  Zerstörung   genauso   erdulden    wie  die  damaligen  Heiligenbilder,    da   ihren   Verehrern   der  tragfähige  Glauben    abhanden  gekommen  war.      Die   Macht   der   Bilder     ist   dagegen   keineswegs   beschädigt     bei   der  quasi-­‐religiösen  Verehrung     für  die  „Stars”  aus  Politik,  Kunst,    Sport,  

                                                                                                                         166

Vgl. A. Holenstein/ H.R. Schmidt, Bilder als Objekte – Bilder in Relationen. Auf dem Weg zu einer wahrnehmungs- und handlungsgeschichtlichen Deutung von Bilderverehrung und Bilderzerstörung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 512

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Mode   oder   Musik,     mit   ihren   Fetischen   und   Emblemen,   ihren  Marken,    und  dem  gläubigen  Anbeten  des  Idols.167      

   Hier   wird   verschiedentlich     in   der   modernen   Gesellschaft     einer  „implizite   Religion”168     in   säkularem   Gewand   gehuldigt.     Und  aufmerksame   Beobachter   können   wahrnehmen,     wie   stark   „die  modernen   Bilderwelten     in   der   Werbung   und   ihren  Heilsversprechungen,     im   Film   und   vor   allem     im   gesellschaftlichen  Leitmedium,    dem  Fernsehen,  religiös  durchsetzt”  sind    und  teilweise  sogar  mit   „rituellem,     d.   h.   kultischem   Charakter”   versehen   sind169.    Es   wird   eben   nicht   nur   der   „Blick   aus   dem   Fenster   ..     durch   den  Fernsehapparat  ersetzt,    in  dem  alles  geschieht:    Musik,  Nachrichten,  Fußball,    Gerichtsszenen,  Hinrichtungen,  Ehedrama,    Hochzeit,  Spaß,  Spiel,  Ernst  und  Tragik“,    sondern  durchaus  „das  Leben  als  Film,    oft  als  Ersatz  fur  das  eigene“170,     in  sich  aufgenommen    und  evtll.  noch  durch   moderne   Programmier-­‐     und   Internet-­‐Technik     variiert   und  individualisiert.171     Die   Sehnsucht   der  Menschen     „nach   einem   Heil  und  einem  Glück,    das   jenseits  der  dinglichen  Welt  angesiedelt    sich  in   ihren  Dingen   real   repräsentiert”     ist   offenkundig.172   Deshalb   sind  viele   Unternehmen     durchaus   erfolgreich   in   ihrem   Versuch,   in  

                                                                                                                         167

Vgl. A. Holenstein/ H.R. Schmidt, Bilder als Objekte – Bilder in Relationen. Auf dem Weg zu einer wahrnehmungs- und handlungsgeschichtlichen Deutung von Bilderverehrung und Bilderzerstörung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 526f.

168 Vgl. U.H.J. Körtner, Theologie des Wortes Gottes. Positionen, Probleme, Perspektiven. Göttingen 2001, S. 250

169 Vgl. U.H.J. Körtner, Theologie des Wortes Gottes. Positionen, Probleme, Perspektiven. Göttingen 2001, S. 250; vgl. auch J.

Herrmann, FILM UND RELIGION. ERLEUCHTUNG GARANTIERT? In: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 83

170 Vgl. H. Burda, Vom Wort zum Bild: Iconic Turn, in: forum 1/2013, S. 9f.

171 Vgl. H. Burda, Vom Wort zum Bild: Iconic Turn, in: forum 1/2013, S. 8f.

172 Vgl. A. Holenstein/ H.R. Schmidt, Bilder als Objekte – Bilder in Relationen. Auf dem Weg zu einer wahrnehmungs- und

handlungsgeschichtlichen Deutung von Bilderverehrung und Bilderzerstörung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 527

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Markteting-­‐Interesse   mit   Hilfe   von   Bildern173,       welche   z.T.   sogar  religiös   oder   quasi-­‐religiös     aufgeladenen   sind,   manipulativ174     den  Verbraucher   zu   Kaufentscheidungen     zu   bringen   und   ökonomisch  auszunutzen.        

   Dabei   ist   allein   aus   der   Sicht     der   marktwirtschaftlichen    ökonomischen   Theorie   Kritik   zu   erheben,     denn   am   Ende   sei   „nicht    das   objektive   Bild   eines   Produktes,     sondern   dessen   Perzeption   ..  entscheidend     für   den   Kaufprozess”175   ,   wodurch  der   wirtschaftliche   Prozess     ethisch   fragwürdig  verzerrt  wird.      Maßgeblicher  muss   aber   die   Frage   sein,     was   ein  solcher   Bildgebrauch     mit   der   Seele   des  Konsumenten   macht,     wenn   es   im   Rahmen   der  

                                                                                                                         173

Offenbar ist der Anteil der Werbung, der auf visuelle Botschaften verzichten kann, minimal. Vgl. C. Homburg/ H. Krohmer, Marketingmanagement. Strategie - Instrumente . Umsetzung - Unternehmensführung. Wiesbaden 20072, S. 794

174 Vgl. J. Yandell, Graven Images: Idol and Icon, in: Psychological Perspectives Volume 52, Issue 4/2009, S. 427 mit Hinweis auf

Vance Packard’s “hidden persuaders” von 1957 175

Vgl. E. Göbel, Art. Werbung , in: Handbuch der Wirtschaftsethik hrsgg, im Auftrag der Görres-Gesellschaft von W. Korff u.a. Bd. 4.2 Konkrete wirtschaftsethische Problem!elder, Berlin 2009 (Gutersloh 1999) S. 653-670 hier S. 662

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Entwicklung    einer  „customer  relationship”    nicht  mehr  darum  geht,  „to  make  a   sale”,     sondern   „to   create  a   customer”176?    Denn  wenn  man   ihn   zu   einem     produkttreuen   „customer”   umgeschaffen   hat,    dessen   Streben   und   Lebensorientierung     und   Lebenshoffnung     sich  jetzt   nur   noch   nach   dem     ihm   in   den   Bildern   des   Films   und  Fernsehens     indoktrinierten  „Idol”   richtet,    kann  das  überhaupt  sein  „wahrer”  Lebenssinn  sein?    Wird  hier  nicht  genau  die  Leerstelle    des  bei   Luther   bei   der   „Freigabe   der   Bilder”     noch   vorausgesetzten  tragfähigen  Glaubens     von  einer   „Glaubensüberzeugungen”  besetzt,    deren   manipulatives   Ziel   nur   die   ökonomische     (und   irgendwann  dann  wohl  auch  politische)    Ausnutzung  ihrer  Glaubensanhänger  ist?      Um   so   wichtiger   muss   an   dieser   Stelle     die   bleibende  „religionskritische   Funktion     einer   bilderkritischen,   negativen  Theologie”  sein,    deren  Aufgabe  es  sein  muss,    die  „Unverfügbarkeit  Gottes”     und   damit   auch   die   Unzulänglichkeit     aller   weltlicher  Versprechen    von  Heil  und  Erfüllung  einzuschärfen,    und  damit  auch  die   zweifelhafte   Macht   der   Bilder     genauso   wie   die   Grenzen   von  Bilderverboten    immer  wieder  neu  zu  reflektieren.177    Insofern  bleibt  die   theologische,   reformatorische     Aufgabe   unaufgebbar,     „die  Zweideutigkeit   des   schönen   Scheins     kritisch   zu   reflektieren,”     und  damit  auch  „zwischen  Wahrheit    und  Lüge  zu  unterscheiden.”178        Aber   ist   eine   solche   kritische   Perspektive   nun   alles,   was   die  evangelische  Welt   zur   Bilderfrage   beitragen   kann?   Oder   haben   wir  denn   als   bildgeleitete  Menschen   überhaupt   keine   andere  Wahl,   als  uns   trotz   aller   „Unverfügbarkeit   Gottes”   und   „Unverfügbarkeit   des  Glaubens”  in  den  Unzulänglichkeiten  unseres  Lebens  auf  den  Weg  zu  machen,   um   in   evangelischer   Freiheit   unser   Bild   des   Glaubens   zu  finden   -­‐   in   Wahrhaftigkeit,   Eindringlichkeit   und   Schönheit?  Keinesfalls,  um  dieses  Bild  dann  anzubeten,  aber  durch  es  zum  Gebet  angeregt  zu  werden  und  darin  Gott  loben  und  danken.      

                                                                                                                         176

Vgl. J.-P. Thommen/ A.-K. Achleitner, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 5. Aufl. 2006, S. 130 177

Vgl. U.H.J. Körtner, Theologie des Wortes Gottes. Positionen, Probleme, Perspektiven. Göttingen 2001, S. 250 178

Vgl. U.H.J. Körtner, Theologie des Wortes Gottes. Positionen, Probleme, Perspektiven. Göttingen 2001, S. 249

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Jedenfalls  wird  der,    der  sich  so  hoffnungsvoll  auf   den   Weg   macht,   um   Glauben   und   sein  Bild   des   Glaubens   zu   finden,   nach   Luther  nicht  enttäuscht  werden.  Denn  -­‐  so  sagt  er   -­‐  das   dürfe   man   glauben,     dass   „der   heilige  Geist     wircket   in   uns   den   glauben,     do  bekommen   wir   dan   widder   Gottes   bild,     so  wir  im  Paradis  verlorn  hatten.”179      

   

 

                                                                                                                         179 Vgl. WA 47, 13