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Benediktbeurer Gespräche der Allianz Umweltstiftung 2016 „Laudato si – die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus – rasch gelesen, geschwind kommentiert, schnell vergessen?“ Disku

Disku - umweltstiftung.allianz.de · 3 Die Benediktbeurer Gespräche. Alljährlich treffen sich auf Einladung der Allianz Umweltstiftung streitbare und neu- gierige Geister im Kloster

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Benediktbeurer Gesprächeder Allianz Umweltstiftung 2016

„Laudato si – die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus – rasch gelesen, geschwind kommentiert, schnell vergessen?“

Disk

u

1

Pater Karl Geißinger,

Rektor des Zentrums für Umwelt

und Kultur im Kloster Benediktbeuern,

Benediktbeuern

Dr. Klaus Wehmeier,

Vorsitzender des Kuratoriums

der Allianz Umweltstiftung,

Berlin / München

Dr. Lutz Spandau,

Vorstand der Allianz Umweltstiftung,

Berlin / München

Dr. Gregor Maria Hanke OSB,

Diözesanbischof des Bistums Eichstätt,

Eichstätt

Bärbel Dieckmann,

Präsidentin der Deutschen Welt-

hungerhilfe e.V.,

Bonn

Prof. Dr. Joachim Fetzer,

Mitglied des Vorstands des

Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik –

EBEN Deutschland e.V.,

Berlin

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim

Schellnhuber,

Direktor des Potsdam-Instituts für

Klimafolgenforschung,

Potsdam

Diskussion des Tagungsthemas

Impressum

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53

61

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DI E BE N E DI KTBE U R E R G E S P R ÄCH E DE R ALL IANZ

U MWE LTSTI F TU NG

am 29. April 2016 hatten zum Thema: „Laudato si –

die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus – rasch gelesen,

geschwind kommentiert, schnell vergessen?“

I N H A L T

3

Die Benediktbeurer Gespräche.

Alljährlich treffen sich auf Einladung der

Allianz Umweltstiftung streitbare und neu-

gierige Geister im Kloster Benediktbeuern.

Die Benediktbeurer Gespräche sollen

den Blick weiten für die Fragestellungen

von morgen.

Leitmotiv der Benediktbeurer Gespräche ist,

die gesellschaftliche Auseinandersetzung zu

fördern, starre Konfrontationen aufzulösen

und die umweltpolitischen Diskussionen zu

versachlichen.

Mit ihrer Streitkultur haben sich die Be ne-

diktbeurer Gespräche zu einem Forum des

kontinuierlichen Neu-, Anders- und Weiter-

denkens entwickelt. Damit tragen sie dazu

bei, den Boden für eine nachhaltige Zu kunft

zu bereiten, denn die kann „in Zeiten, in

denen es keine linearen Handlungsanweisun-

gen mehr gibt, nur im kontinu ierlichen

gesellschaftlichen Lernprozess entstehen“,

so Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz

Umweltstiftung.

„Laudato si – die Umwelt-Enzyklika von

Papst Franziskus – rasch gelesen, geschwind

kommentiert, schnell vergessen?“ war das

Thema der zwanzigsten Benediktbeurer

Gespräche am 29. April 2016.

Die Referate und aus ihnen resultierende

Schlussfolgerungen werden mit diesem

Band der Schriftenreihe „Benediktbeurer

Gespräche der Allianz Umweltstiftung“

publiziert.

„Mitwirken an einem lebenswerten Dasein

in der Zukunft.“ Diese Maxime für Schutz,

Pflege und Entwicklung von Natur und

Umwelt hat die Allianz Umweltstiftung in

ihrer Satzung verankert. Anlässlich ihres

100-jährigen Jubiläums im Jahr 1990 über-

nahm die Allianz mit Gründung der Um welt-

stiftung in einem neuen Bereich gesell -

schaftliche Verantwortung.

Bei allen Projekten bindet die Allianz

Umweltstiftung den wirtschaftenden

Menschen ein. Dabei ist das wesentliche

Ziel aller Förderprojekte der Schutz des

Naturhaus haltes unter Berücksichtigung

der wirtschaftlichen Entwicklung.

Ökologisch und ökonomisch, sozial und

kulturell – jedes Projekt leistet auf seine Art

einen Beitrag zur praktischen Umsetzung

eines aktuellen Zukunftsthemas. Denn immer

geht es um die Idee des „Sustainable De -

vel opment“, die beispielhafte Realisierung

nachhaltigen Wirtschaftens – also um die

Förderung einer dauerhaft umweltgerechten

Entwicklung, die auch künftigen Generatio-

nen ein lebenswertes Dasein ermöglichen

soll.

Ausgehend von der Überzeugung, dass

grundlegende Umweltfragen nur im gesell-

schaftlichen Konsens zu lösen sind, hat die

Allianz Umweltstiftung ein unabhängiges

Diskussionsforum geschaffen.

D I E A L L I A N Z U M W E L T S T I F T U N G

DI E ALL IANZ U MWE LTSTI F TU NG:

Aktiv für Mensch und Umwelt.

5

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen zu den 20. Benedikt-

beurer Gesprächen der Allianz Umweltstiftung.

Wir treffen uns nun schon zum zwanzigsten

Mal hier im Zentrum für Umwelt und

Kultur des Klosters Benediktbeuern. Das

Konzept dieses Symposiums hat sich seit

zwanzig Jahren nicht verändert, denn es hat

sich schlicht und einfach bewährt. Es beginnt

mit einem Abend der Begegnung, gestern

wieder wunderschön, mit Festvortrag, Musik

und bayerischem Buffet. Gefolgt von einem

Symposium zu hochaktuellen Umweltthemen

am nächsten Vormittag: mit prominenten

Referenten und Gästen sowie einer spannen-

den Podiumsdiskussion, die, wie stets in den

bewährten Händen von Dr. Spandau liegt.

Längst sind die Benediktbeurer Gespräche

zu einer Institution geworden – hier in

Benediktbeuern und für uns im Zentrum für

Umwelt und Kultur. Bei uns im Haus zählen

sie zu den Höhepunkten des Kultur- und

Bildungsjahres. Diese Veranstaltung ist zu

einer Institution geworden, die Impulse

setzt, Signale und Anstöße gibt, die aktuelle

Umweltfragen differenziert betrachten lässt,

zum Dialog ermutigt und uns alle zu konkre-

tem Handeln anregt. Ich möchte Ihnen, Herr

Dr. Spandau, Ihren Mitarbeiterinnen und

Mitarbeitern sowie dem Kuratorium der

Allianz Umweltstiftung ganz, ganz herzlich

danken für diese Institution. Ein ganz

herzliches „Vergelt’s Gott!“.

Wir hoffen natürlich, dass diese Benedikt-

beurer Gespräche auch in den nächsten

zwanzig Jahren weiterhin so stattfinden

werden, auch unter der Leitung von Herrn

Dr. Spandau. Dass dies möglich ist, das

beweist uns Jahr für Jahr unser sehr verehr-

ter Herr Prof. Haber, einstmals Lehrer von

Herrn Dr. Spandau. Er ist das beste Beispiel

dafür, dass man dies durchaus schaffen

kann. Es ist schön, Herr Prof. Haber, dass

Sie mit Ihrer Frau treu zu unseren Benedikt-

beurer Gesprächen kommen und dabei

nicht nur ein aufmerksamer Zuhörer sind,

sondern uns auch jedes Mal ganz wichtige

Impulse geben.

B E G r ü S S U N G P A T E r K A r L G E I S S I N G E r

„L AU DATO S I – DI E U MWE LT-E NZ YKLI K A VON

PAP ST F R AN Z I S KU S – R ASC H G E LE S E N , G E SC HWI N D

KOM M E NTI E RT , SCH N E LL VE RG E S S E N?“

Begrüßung durch Pater Karl Geißinger, Rektor des Zentrums

für Umwelt und Kultur im Kloster Benediktbeuern.

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Institut für Klimafolgenforschung, sehe ich,

sind die wichtigsten Themenschwerpunkte

der Enzyklika vertreten. Wir erwarten eine

spannende Diskussion und hoffen auf

wertvolle Impulse.

Laudato Si, die Enzyklika von Papst

Franziskus, hat weltweit nicht nur in kirch-

lichen Kreisen hohe Beachtung gefunden.

Sie verknüpft die Fragen der Zukunft der

Schöpfung, der Zukunft des Menschen und

dessen Umgang mit der Natur und den

ganz großen Fragen und Problemen unserer

Zeit: beispielsweise mit der Frage nach

Frieden, nach sozialer Gerechtigkeit, Armuts-

bekämpfung und Menschenwürde, nach

gerechter Verteilung der Güter dieser Erde,

gerechten Wirtschaftssystemen und so weiter.

In dieser Enzyklika geht es einfach um die

Sorge um das gemeinsame Haus, um die

Gegenwart und Zukunft des Menschen in

dieser Schöpfung.

Ich möchte nicht auf die einzelnen Themen-

felder eingehen, das machen ja die Referen-

tinnen und Referenten. Aber ich möchte

einen Punkt ansprechen, der für uns, auch

für jeden hier im Saal, von großer Bedeutung

ist. Der Papst gibt in seiner Enzyklika einen

Weg vor, wie man diese schwierigen Themen

angehen kann, die oft auf den ersten Blick

unlösbar zu sein scheinen: Es ist der Weg des

Dialogs. Im ersten Kapitel schreibt der Papst,

ich zitiere: „Ich lade dringlich zu einem

neuen Dialog ein über die Art und Weise,

wie wir die Zukunft unseres Planeten

gestalten. Wir brauchen ein Gespräch, das

uns alle zusammenführt, denn die Heraus-

forderung mit der Umweltsituation, die wir

erleben, und ihre menschlichen Wurzeln

20 Jahre Benediktbeurer Gespräche. Das

ausgewählte Jubiläumsthema ist, zu diesem

besonderen Anlass absolut passend, die

Enzyklika von Papst Franziskus: „Laudato

Si – über die Sorge für das gemeinsame

Haus”. Zu diesem besonderen Symposium

ist heute auch ein langjähriger Freund und

Begleiter unseres Klosters und des Zentrums

für Umwelt und Kultur zu uns gekommen:

Bischof Gregor Maria Hanke, der Diözesan-

bischof aus Eichstätt.

Du hast, lieber Bischof Gregor, als Abt

des Klosters Plankstetten, und ich denke,

auch sicher als einer der ersten in der Kirche

in Bayern, schon sehr früh das Anliegen

der Schöpfungsbewahrung aufgegriffen und

dies vor allem sehr konsequent und konkret

im Kloster Plankstetten umgesetzt. Und

schon vor Jahrzehnten hast du uns hier im

Zentrum für Umwelt und Kultur aufgezeigt,

dass Schöpfungsverantwortung ganz wesent-

lich zum Christsein gehört, zur christlichen

Spiritualität und zum christlichen Handeln.

Ganz herzlich willkommen bei uns!

Wir freuen uns sehr, dass es Herrn

Dr. Spandau wieder gelungen ist, die rich-

tigen Referentinnen und Referenten für

dieses Thema zu gewinnen. Herr Prof.

Schellnhuber, der ja maßgeblich an der

Enzyklika mitgearbeitet hat, wird etwas

später eintreffen. Sehr herzlich darf ich Sie,

Frau Bärbel Dieckmann, von der Deutschen

Welthungerhilfe bei uns willkommen

heißen. Sie waren ja auch gestern Abend

schon unser Gast. Mit Ihnen, verehrter

Bischof Hanke, Herrn Prof. Fetzer vom

Deutschen Netzwerk Wirtschaftsethik und

Herrn Prof. Schellnhuber vom Potsdam-

Dialogfähig sein, den Dialog stets wieder

von Neuem führen, Wege des Dialogs immer

wieder suchen und neue Wege gehen –

das ist heute mehr denn je gefragt, wenn wir

an die großen Themen denken. Religionen,

Kulturen, die sich heute begegnen, die sich

bekriegen. Wie kommen wir alle mitein-

ander klar? Ein Auftrag, der jeden von uns

persönlich angeht und der uns auch als

Kloster herausfordert. Und es ist ein Auftrag,

den wir, den Sie und ich, in unserem Alltag

tagtäglich annehmen müssen. Wir sind sehr

gespannt auf die 20. Benediktbeurer

Gespräche. Und ich darf nochmals alle Gäste,

die schon seit vielen Jahren kommen, und

alle, die hier heute zum ersten Mal dabei sind,

sehr herzlich im Kloster Benediktbeuern, im

Zentrum für Umwelt und Kultur begrüßen.

interessieren und betreffen uns alle.“

Diesen Dialog zu führen, haben sich ja die

Benediktbeurer Gespräche von Anfang an

zur Aufgabe gemacht.

Und diesen Dialog zu führen, das ist

auch unser Auftrag und unser Bemühen

hier im Zentrum für Umwelt und Kultur –

verstanden und umgesetzt als Auftrag einer

Bildungsstätte, die vor allem auch junge

Menschen anspricht. Das wird nicht leichter

in der Zukunft, denn wie dialogfähig und

dialogbereit sind wir eigentlich? Es ist

nicht einfach in der heutigen Zeit, in dieser

virtuellen Welt, in der wir ja auch leben,

überhaupt noch einen direkten Dialog zu

pflegen. Welche Auswirkungen, so frage ich

mich, haben die neuen Entwicklungen

unserer Kommunikationstechnologien auf

unseren Alltag, ja, auf unser Selbstverständ-

nis als Mensch? Was passiert denn, wenn

die virtuelle Welt des Internets zunehmend

die reale Welt leibhaftiger Begegnungen

mit anderen Menschen, mit seiner natür-

lichen und unmittelbaren Umwelt also,

verdrängt und selbst zur alles beherrschen-

den Wirklichkeit wird?

Werden wir reicher an Erfahrungen,

weil die Welt unserer virtuellen Freundes-

kreise keine Grenzen mehr kennt? Oder

verarmen wir zusehends menschlich?

Wie können wir diese Fragen immer wieder

reflektieren, wenn wir das Interesse und

die Sensibilität für Umweltthemen und

soziale Fragen gerade bei jungen Menschen

wecken wollen?

B E G r ü S S U N G P A T E r K A r L G E I S S I N G E r

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Meine Damen und Herren, liebe Gäste

der Benediktbeurer Gespräche 2016,

es ist mir eine besondere Freude, Sie

in diesem Jahr als neuer Vorsitzender des

Kuratoriums der Allianz Umweltstiftung

in Benediktbeuern herzlich zu begrüßen.

Ich habe in dieser Funktion im Sommer 2015

die Nachfolge von Prof. Dieter Stolte ange-

treten und heiße Sie nun heute in diesem

wunderschönen Kloster willkommen.

2015 feierte die Allianz Umweltstiftung,

wie viele von Ihnen wissen, ihren 25. Geburts-

tag. Doch auch in diesem Jahr gibt es ein

stolzes Jubiläum: Bereits zum 20. Mal finden

hier im Kloster die Benediktbeurer Gespräche

der Allianz Umweltstiftung statt.

Im Sinne dieser Veranstaltung und ihrer

Leitmotive – Fördern der gesellschaftlichen

Auseinandersetzung, Aufbrechen starrer

Konfrontationen und Versachlichen umwelt-

politischer Diskussionen – sind bei unseren

Symposien in den letzten 20 Jahren viele

aktuelle, umweltrelevante Themen diskutiert

worden. Hervorragende Referenten aus

allen erdenklichen Fachbereichen und gesell-

schaftlichen Gruppen haben bemerkens-

werte und unvergessliche Beiträge geleistet.

Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur,

von Umweltverbänden sowie Presse,

Funk und Fernsehen, aber auch enga-

gierte und interessierte Privatpersonen: Sie

alle haben mit uns über die Gestaltung

der Zukunft diskutiert, Prognosen erstellt,

Impulse gegeben sowie nach Antworten und

Lösungen gesucht, wie ein lebenswertes

Dasein in der Zukunft aussehen könnte.

Einen Zusammenschnitt der in all diesen

Jahren behandelten Themen mit vielen

interessanten Referenten hat Ihnen Herr Dr.

Spandau gestern Abend in seinem recht

ungewöhnlichen und sehr unterhaltsamen

Rückblick präsentiert.

Für das Symposium zum 20-jährigen

Jubiläum der Benediktbeurer Gespräche ist

natürlich auch ein besonderes Thema

formuliert worden: „Laudato si, die Umwelt-

Enzyklika von Papst Franziskus: rasch

gelesen, geschwind kommentiert, schnell

vergessen?“

B E G r ü S S U N G D r . K L A U S W E H M E I E r

„L AU DATO S I – DI E U MWE LT-E NZ YKLI K A VON

PAP ST F R AN Z I S KU S – R ASC H G E LE S E N , G E SC HWI N D

KOM M E NTI E RT , SCH N E LL VE RG E S S E N?“

Begrüßung durch Dr. Klaus Wehmeier, Vorsitzender des

Kuratoriums der Allianz Umweltstiftung, Berlin/München.

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Ich freue mich auf herausragende Fach-

leute, die uns die vielfältigen Aspekte

unseres heutigen, sehr komplexen Themas

erläutern werden. Sie alle sind Persönlich-

keiten mit besonderer Erfahrung und hoher

fachlicher Kompetenz.

Ich begrüße

Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim

Schellnhuber, Direktor des Potsdam-

Instituts für Klimafolgenforschung,

Herrn Diözesanbischof Dr. Gregor Maria

Hanke aus dem Bistum Eichstätt,

Frau Bärbel Dieckmann, Präsidentin der

Deutschen Welthungerhilfe, Berlin,

und, ebenfalls aus Berlin, Herrn Prof.

Dr. Joachim Fetzer, Vorstandsmitglied des

Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik.

Meine Damen und Herren, die Benedikt-

beurer Gespräche bieten allen Teilnehmern

und Zuhörern Jahr für Jahr eine einmalige

Plattform für den gepflegten Meinungs-

austausch. Zur Premiere 1997 und in den

folgenden fünf Jahren, war der Barock-

saal des Klosters Schauplatz unseres Sympo-

siums. Doch Qualität spricht sich schnell

herum, und das Publikumsinteresse wuchs

stetig. Deshalb wurde, deutlich größer

und extra für besondere kulturelle und wissen-

schaftliche Veranstaltungen, der Allianz

Hörsaal des Zentrums für Umwelt und Kultur

eingerichtet.

Die alljährlichen Benediktbeurer Gespräche

sind ein Gradmesser für die konstant hohe

Qualität der Arbeit und des Engagements

unserer Stiftung. Doch nicht zuletzt verdan-

B E G r ü S S U N G D r . K L A U S W E H M E I E r

Im Sommer 2015 hat Papst Franziskus

die erste Umwelt-Enzyklika der Kirchen-

geschichte veröffentlicht. Darin ruft er uns

dazu auf, die gesamte Menschheitsfamilie

bei der Suche nach einer nachhaltigen

und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen.

Als neue Tugenden und Grundhaltungen

schlägt der Papst Genügsamkeit und Demut

vor. Er schreibt, wir alle müssten wiederent-

decken, was wir im Leben wirklich brauchen

und uns neu in den Dienst des Lebens stel-

len. Ein spiritueller Weg zur Erneuerung

des persönlichen und gemeinschaftlichen

Lebens hat aber, so Papst Franziskus, nicht

nur mit unserem persönlichen Lebensstil

zu tun, sondern muss auch Auswirkungen

auf Politik und Wirtschaft haben.

Die Enzyklika soll dabei helfen, die

Dringlichkeit und die Schönheit der Heraus-

forderungen zu erkennen, die vor uns

stehen. Die Bewahrung des „gemeinsamen

Hauses Erde“ kann nur durch einen inten-

siven Dialog und ein Zusammenwirken aller

Menschen guten Willens gelingen, meint

der Papst. Der frühere Bundesumweltminister

und Exekutivdirektor des Umweltprogramms

der Vereinten Nationen, Prof. Klaus Töpfer,

bezeichnet die Enzyklika gar als eine „Thera-

pieanleitung für unsere Gesellschaft“.

Mit unserer Veranstaltung wollen wir

einen Beitrag zu dem geforderten Dialog

leisten, indem wir auf diese Enzyklika

eingehen und darüber diskutieren, welche

Wirkung die Kraft der Kirche entfalten

kann. Was wurde bislang angestoßen?

Trägt Deutschland eine besondere Verant-

wortung und muss unser Land deshalb

eine Vorreiterrolle einnehmen?

ken wir die große Beliebtheit dieses Dis-

kussionsforums auch dem überragenden Fach-

und Sachwissen der geladenen Referenten

aus vielen Bereichen des täglichen Lebens.

Durch sie und in der Diskussion gewinnen wir

trotz einer oft kontroversen Ausgangsbasis

neue Erkenntnisse und stimmen nach oft

lebhaften Gesprächsrunden in vielen Punkten

überein.

Der Vorstand, die Mitarbeiter und das

Kuratorium der Allianz Umweltstiftung –

wir alle bedanken uns bei den Salesianern

Don Boscos für ihre Gastfreundschaft.

Wir freuen uns über die seit nunmehr

20 Jahren ungebrochen positive Resonanz

auf unsere Benediktbeurer Gespräche.

Und wir sind sicher, dass es zum aktuellen

Thema „Laudato si’ – die Umwelt-Enzyklika

von Papst Franziskus – rasch gelesen,

geschwind kommentiert, schnell vergessen?“

viel Interessantes zu hören und mindestens

ebenso viel zu diskutieren gibt.

Jetzt bitte ich den Vorstand unserer

Umweltstiftung, Herrn Dr. Lutz Spandau,

das Mikrofon und die wie gewohnt

objektive Gesprächsleitung der Benedikt-

beurer Gespräche 2016 zu übernehmen.

Ich wünsche ihm und uns allen einen

erkenntnisreichen und diskussionsfreudi-

gen 20. Geburtstag.

1 3

Meine Damen und Herren,

den Hang zum Untergang kann man

sehr schön dort studieren, wo jeder gebildete

und interessierte Mensch ab und an sein

sollte: im Buchladen. Wenn man an dem

Frauenbücher-Tisch vorbeigegangen ist, das

Non-Book-Gebiet mit Grußkarten, Notiz-

büchern und niedlichem Krimskrams durch-

schritten hat, gelangt man in der Regel zum

Tisch „Zeitgeschehen“. Da liegen dann

viele Bücher, in denen man erklärt bekommt,

warum der Freihandel die Welt zerstört, wie

man den baldigen Zusammenbruch des

Finanzsystems übersteht, wo man der Ver-

giftung durch die Agrarindustrie vielleicht

noch entkommen kann, und natürlich,

wie die Politiker, die Manager, die Journa-

listen, die Lehrer, die Pfarrer und die Über-

haupts lügen, betrügen und alles an den

Abgrund führen. Es ist schon erstaunlich,

denke ich dann oft. Wenn es den Menschen

in diesem Lande so schlecht ginge, wie es die

allgemeine Apokalyptik zu Lande, zu Wasser

und in der Luft nahelegt, müssten sich doch

entweder überall Revolutionen abzeichnen,

oder aber zumindest die Migrationsströme von

hier weggehen und nicht hierherkommen.

Auf diesem Tisch „Zeitgeschehen“ fand ich

im Juni vergangenen Jahres hohe Stapel der

damals neuen Papst-Enzyklika „Laudato Si –

über die Sorge für ein gemeinsames

Haus“. „Verkauft sich das gut?“, fragte ich

etwas ungläubig den Buchhändler. „Ja, die

Nachfrage ist enorm, wir müssen bereits

wieder nachbestellen“, antwortete der Buch-

händler. Aha, ein weiteres Werk also, nun

ein „Weltuntergangs-Szenario“, welches mir

vermitteln wird, dass mir das Leben nicht

gut gefallen und ich mich in meinem Herzen

vom Optimisten zum Pessimisten wandeln

sollte.

Mit diesem Gedanke erwarb ich die Enzy-

klika und war mir sicher, dass ich nun erfahre,

dass alles den Bach runtergehen wird.

Weit gefehlt!

Sehr schnell musste ich feststellen, dass

die Enzyklika sich ausdrücklich an alle

Menschen guten Willens richtet und damit

nicht nur diejenigen anspricht, die sich

seit Jahren für den Umwelt- und Naturschutz

oder die ökologischen Anliegen einsetzen.

E I N F ü H r U N G D r . L U T Z S P A N D A U

„L AU DATO S I – DI E U MWE LT-E NZ YKLI K A VON

PAP ST F R AN Z I S KU S – R ASC H G E LE S E N , G E SC HWI N D

KOM M E NTI E RT , SCH N E LL VE RG E S S E N?“

Einführung von Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz

Umweltstiftung, Berlin/München.

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zutreten“. Es sind zum Teil dramatische

Einsichten, die uns Papst Franziskus vor

Augen führt; Einsichten, die auf einem

aktiven Dialog mit den Wissenschaften

und den Umweltexperten basieren.

Es zählt zu den Stärken der Enzyklika,

dass sie die ökologische Frage unmittelbar

mit der sozialen Frage verknüpft. Wir

sollen die Klage der Armen ebenso hören

wie die Klage der Erde, ermahnt Papst

Franziskus. Zitat: „So beeinträchtigt zum

Beispiel die Erschöpfung des Fischbestandes

speziell diejenigen, die vom handwerklichen

Fischfang leben; die Verschmutzung des

Wassers trifft besonders die Ärmsten, die

keine Möglichkeit haben, abgefülltes,

sauberes Wasser zu kaufen, und der Anstieg

des Meeresspiegels geht hauptsächlich die

verarmten Küstenbewohner an, die nicht

wissen, wohin sie umziehen könnten.“

Zitat Ende.

Das Amazonas-Gebiet ist eines der Themen

in der Enzyklika. Zitat: „Die Ökosysteme der

tropischen Urwälder enthalten eine biolo-

gische Vielfalt von enormer Komplexität.

Werden diese Wildnisse niedergebrannt oder

eingeebnet, um Bodenbewirtschaftung zu

entwickeln, gehen in wenigen Jahren unzäh-

lige Arten verloren, wenn die Gebiete sich

nicht sogar in trockene Wüsten verwandeln.“

Zitat Ende.

Papst Franziskus spart nicht mit Kritik

an transnationalen Unternehmen, die diese

natürlichen Ressourcen aus kurzfristigen

finanziellen Interessen heraus zerstören.

Scharfe Anklagen an eine neoliberale und

technokratische Wirtschaftsordnung ziehen

sich wie ein roter Faden durch die Enzy-

klika. Ich zitiere: „Man hat die Lektionen

der weltweiten Finanzkrise nicht gelernt,

Auch wenn mit diesem Lehrschreiben

erstmals in der Geschichte der Päpste syste-

matisch Umweltfragen thematisiert werden,

ist es dennoch keine „Öko-Enzyklika“. Der

Papst bettet seine diesbezüglichen Aussagen

in Überlegungen zu Armut und Gerech-

tigkeit ein, verschränkt mithin präzise Analy-

sen der ökologischen Herausforderungen

Klimawandel, Biodiversität, Wasser, Boden

etc. mit ebenso präzisen Analysen ihrer

sozialen Konsequenzen, vor allem für die

Ärmsten und Armen.

Die Enzyklika markiert die endgültige

Absage an ein jahrhundertelanges, auch kirch-

liches, Missverständnis, den sogenannten

Herrschaftsauftrag „Macht Euch die Erde

untertan“ als Freibrief für jegliches mensch-

liches Handeln zu verstehen. Stattdessen

gilt es, diesen Handlungsauftrag zu interpre-

tieren im Sinne von „die Erde zu bebauen

und zu behüten“.

Bevor der Papst in poetischen Tönen

die Mutter Erde preist, richtet er den Blick

auf die weltweite Naturzerstörung. Der

Text wartet mit einer schonungslosen und

mitunter beklemmenden Analyse der

ökologischen Krise auf. Umweltverschmut-

zung und Erderwärmung, Wasserknappheit,

Wegwerfkultur, Verlust der biologischen

Vielfalt, Atommüll, Überfischung und

Verschmutzung der Ozeane … – die Schöp-

fung ist schwer verwundet, die Schwester

Erde stöhnt.

„Niemals haben wir unser gemeinsames

Haus so schlecht behandelt und verletzt wie

in den letzten beiden Jahrhunderten“, klagt

der Papst. Und weiter: „Das Problem ist,

dass wir noch nicht über die Kultur verfügen,

die es braucht, um dieser Krise entgegen-

E I N F ü H r U N G D r . L U T Z S P A N D A U

Selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung

schreibt im Juni 2015: „Die Enzyklika

Laudato Si sei teils ein klares, kluges und

abwägendes Lehrschreiben, teils aber auch

ein moralinsaures Gebräu. Versatzstücke

von Verelendungs- und Weltverschwörungs -

theorien machen dieses ökologische Mani-

fest mitunter ungenießbar.“

Ja, was denn nun? Ist die Enzyklika

Laudato Si ein weiterer Beitrag zur Lust am

Weltuntergang oder ein Aufruf zur Über-

nahme von Verantwortung für diese eine

Welt?

Mit den heutigen Benediktbeurer Gesprächen

wollen wir auf die Leitlinien, Kritikpunkte

und Forderungen der Enzyklika Laudato Si ein-

gehen und diskutieren, welche Wirkung

diese entfalten können.

Dazu haben wir renommierte Experten

eingeladen.

Prof. Hans Joachim Schellnhuber ist einer

der weltweit renommiertesten Klimaforscher.

Er ist langjähriges Mitglied des Weltklima-

rates, dem 2007 der Friedensnobelpreis

verliehen wurde. Er fungiert als wissenschaft-

licher Chefberater der Bundesregierung in

Fragen des Klimawandels und der internatio-

nalen Klimapolitik und war langjähriger

Berater des Präsidenten der Europäischen

Union.

Prof. Schellnhuber war einer der wesent-

lichen Berater des Papstes bei der Entstehung

der Enzyklika Laudato Si. Wie kaum ein

Zweiter war Prof. Schellnhuber von Anfang

an am Zustandekommen der Enzyklika betei-

ligt, alle Treffen hat er mitgestaltet, zuletzt als

Wortführer der etablierten Klimaforschung.

und nur sehr langsam lernt man die Lek-

tionen der Umweltschädigung“. Und weiter:

„Die Ressourcen der Erde werden auch

geplündert durch ein Verständnis der Wirt-

schaft und der kommerziellen und pro-

duktiven Tätigkeit, das ausschließlich das

unmittelbare Ergebnis im Auge hat.“ Zitat

Ende. Die Unterwerfung der Politik unter

die Technologie und das Finanzwesen zeige

sich in der Erfolglosigkeit der Weltgipfel

für Umweltfragen, so der Papst.

Nach der Veröffentlichung der Enzyklika

konnte man eine lebhafte Debatte erleben.

So war in der Zeit vom 2. Juli 2015

unter der Überschrift „Toll, was der Papst

so schreibt“ zu lesen: „Die Enzyklika des

heiligen Franz sei eben sehr, sehr süd-

amerikanisch geprägt und auf das, was wir

hier im Wirtschaftsraum Europa erleben,

nicht übertragbar.“

In der Zeitschrift Cicero vom Juni 2015

wurde unter der Überschrift „Der Papst gibt

Energiespartipps“ ausgeführt: „Bewegend

und tief, streckenweise albern – die neue

Enzyklika Laudato Si ist ein Frontalangriff

auf die Wirtschaftsweise des Westens und

schießt über das Ziel hinaus.“

Zeit Online vom Juni 2015 führt unter

der despektierlichen Überschrift „Denn du

bist wuhundeherbar, Herr“ aus: „Der Papst

hat seine Umwelt-Enzyklika Laudato Si

genannt. Der Titel weckt sentimentale Erin-

nerungen an Lagerfeuer und Weltverbesse-

rungspläne. Aber wer braucht den Sonnen-

gesang des Franziskus, wenn er Solarzellen

auf dem Dach hat?“ Und weiter: „Klar,

dass jetzt auch der Papst gegen Klimawandel

ist. Aber war der nicht mit dem Flugzeug auf

den Philippinen und zum Weltjugendtag

in Brasilien?“

1 6

Theologie und Ökologie, von der Bewah-

rung der Schöpfung über den verantwort-

lichen Umgang mit Lebensmitteln bis

zur Warnung vor einer grenzenlosen Tech-

nologiegläubigkeit.

Für eine „Ökologie des Herzens“ sprach

er sich in seinem ersten Hirtenwort aus.

Damit ist er inhaltlich ein Teil der Enzyklika,

denn auch diese basiert auf der Schöpfungs-

idee und dem Schöpfungsglauben.

Bischof Hanke, herzlich willkommen in

Benediktbeuern, wo Sie uns sicherlich dar-

legen werden, welche Wirkung die moralische

Kraft der Kirche in Bezug auf die Enzyklika

entfalten kann und was bisher von der

Kirche angestoßen wurde.

Bärbel Dieckmann ist seit 2008 Präsidentin

der Welthungerhilfe. Bärbel Dieckmann

glaubt an das Recht auf Nahrung. Die Welt-

hungerhilfe hat seit ihrer Gründung nahezu

7.800 Hilfsprojekte in 70 Ländern mit einem

Fördervolumen von fast 3 Milliarden Euro

durchgeführt.

„Wir müssen die Menschen in die Lage

versetzen, jetzt und in Zukunft für sich selbst

zu sorgen“, so Bärbel Dieckmann.

Von 1994 bis 2009 war sie Oberbürger-

meisterin der Stadt Bonn. Ein Schwerpunkt

der politischen Arbeit der SPD-Politikerin

liegt auf der Umwelt- und Entwicklungs-

politik. So war sie zum Beispiel Vorsitzende

des Weltbürgermeisterrates zum Klimawandel.

In seiner Enzyklika würdigt der Papst

auffallend häufig sogenannte NGO’s, also

die „Nicht-Regierungs-Organisationen“.

Diese Enzyklika, meint er, sei kein ver-

quastes Schriftstück, das nur für Scholastiker

von Interesse sei, sondern analysiere zum

Teil knallhart und setze sich mit unserer Kul-

tur der Verschwen dung auseinander, die uns

langfristig ins Verderben treibe. Wortwört-

lich führt Prof. Schellnhuber aus: „Der beste

Botschafter für Klimaschutz sitzt heute im

Vatikan.“ Und an anderer Stelle: „Diese

Papst-Schrift ist eine Regierungserklärung.“

Prof. Schellnhuber war der einzige Wissen-

schaftler, der vom Papst zur Vorstellung der

Laudato Si in Rom eingeladen wurde.

Wir begrüßen Sie herzlich bei den Benedikt-

beurer Gesprächen der Allianz Umweltstiftung

und freuen uns auf Ihre Ausführungen, in

welchen Sie uns sicher auch darlegen werden,

ob von Ihrer Seite Kritik an der Enzyklika

angemeldet werden muss.

Bischof Dr. Gregor Maria Hanke trat

1981 in das Benediktinerkloster Plankstetten

ein, wo er 1983 die Priesterweihe empfing

und zehn Jahre später zum Abt gewählt

wurde. Von 1994 an stellte das Klostergut

unter seiner Leitung die Bewirtschaftung auf

streng ökologische Richtlinien um. Die

regionale Vermarktung der Produkte des

Klosterbetriebes begründet den Ruf als

„grünes Kloster“.

Im Oktober 2006 ernannte Papst Benedikt

XVI. Gregor Maria Hanke zum 82. Bischof

von Eichstätt.

Bischof Hanke hat eine grundlegend öko-

logische Haltung, die weit über Wirt-

schaftsfragen hinausgeht. Er ist ein gefragter

Gesprächspartner für Fragen zwischen

E I N F ü H r U N G D r . L U T Z S P A N D A U

1 8 1 9E I N F ü H r U N G D r . L U T Z S P A N D A U

Seit 2005 ist Prof. Joachim Fetzer Mitglied

im Vorstand des Deutschen Netzwerks

Wirtschaftsethik und von 2012 bis 2015 war

er geschäftsführendes Vorstandsmitglied.

Prof. Fetzer hat evangelische Theologie und

anschließend Volkswirtschaftslehre studiert.

Daher ist er nicht nur als Wirtschaftsethiker,

sondern auch als Theologe geradezu prä-

destiniert für unsere diesjährigen Benedikt-

beurer Gespräche – seien Sie herzlich

willkommen!

Lieber Herr Prof. Fetzer, in der Laudato Si

wird Politik als ein willenloses Instrument im

Dienste einer auf Gewinn maximierung

fixierten Wirtschaft und eines unkontrollier-

baren Finanzwesens dargestellt. Die F.A.Z.

kommentiert diese Wirtschaftskritik folgender-

maßen: „Die Beschreibungen der Krisen-

phänomene sind in einem schlichten und

schrillen Ton gehalten, ein prophetischer

Weckruf entpuppt sich als abgestandene Pole-

mik. Das Ergebnis: bestenfalls ein geschwät-

ziges Einerseits-Andererseits, meist ein

Steinbruch für Argumentationsfragmente

jeder Art.“

Und in Cicero wird ausgeführt: „Der

radikale Angriff aber auf die Wirtschafts-

weise des Westens könnte Laudato Si zu

einer Kampfschrift machen, die Brücken eher

abreißt als aufbaut. Der Weg ins Himmel-

reich wird auch künftig nicht mit Mehrweg-

tüten gepflastert sein.“

Alles Polemik oder bemerkenswerte Aus-

sagen eines Kirchenoberhauptes? Wir freuen

uns, lieber Herr Prof. Fetzer, Ihre Position

zu diskutieren.

Diese tragen auf lokaler Ebene viel zur

Verbesserung des Lebensumfeldes und der

Umweltbedingungen bei. Sie sind mutige

Stimmen, die die Bevölkerung sensibilisieren

und kritisch mitwirken, damit jede Regie-

rung ihre eigene und nicht delegierbare

Pflicht erfüllt.

Vereinigungen, die sich für das Gemein-

wohl einsetzen, entwickeln dabei eine

solidarische Bindungskraft, aus der örtlich

soziale Gewebe entstehen. Darüber hinaus

wird die Beziehung zwischen globaler

Umweltkrise, Armut und sozialer Ungerech-

tigkeit thematisiert, aus deren Folgen eine

weltweite Zunahme der Migration entsteht.

In Kenntnis dieser Situation erstaunt die

Schwäche der internationalen politischen

Reaktion – auch das ist in der Enzyklika zu

lesen. In solchen Zeilen finden sich alle

Wegbereiter und Unterstützer ihres Verban-

des wieder, liebe Frau Dieckmann.

Unterstützt die aufrüttelnde Enzyklika

und die Kraft, die sie ausstrahlt, Ihre Arbeit,

oder mutet uns der Papst etwa doch zu viel

zu? Wir danken Ihnen, dass Sie nach

Benediktbeuern gekommen sind und freuen

uns auf Ihre Ausführungen.

Das Deutsche Netzwerk Wirtschafts-

ethik ist eine partnerschaftliche, gemeinsam

von Wissenschaft und Praxis getragene,

nichtstaatliche Organisation. Der Verein

wurde 1993 gegründet und verfolgt das Ziel,

den offenen Austausch von Gedanken

und Ideen über alle ethischen Belange des

Wirtschaftens zu fördern und das wirtschaft-

liche Handeln ethisch zu orientieren.

Meine Damen und Herren, wie immer

bei den Benediktbeurer Gesprächen gibt es

Fragen über Fragen. Lassen Sie uns keine

Zeit verlieren, lassen Sie uns einsteigen in

die Benediktbeurer Gespräche der Allianz

Umweltstiftung 2016: „Laudato Si, die

Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus –

rasch gelesen, geschwind kommentiert,

schnell vergessen?“

2 1V o r T r A G D I ö Z E S A N B I S c H o F D r . G r E G o r M A r I A H A N K E o S B

„L AU DATO S I – DI E U MWE LT-E NZ YKLI K A VON

PAP ST F R AN Z I S KU S – R ASC H G E LE S E N , G E SC HWI N D

KOM M E NTI E RT , SCH N E LL VE RG E S S E N?“

Vortrag von Diözesanbischof Dr. Gregor Maria Hanke OSB,

Bistum Eichstätt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

liebe Mitbrüder,

es ist nicht meine Intention, die Enzyklika

heute zu exegieren, dazu haben wir hier im

Auditorium Berufenere sitzen. Vielmehr

spreche ich zu Ihnen als Bischof, der die

Enzyklika operabel machen möchte für die

Pastoral. Das heißt, mancher Aspekt, der

vielleicht in Ihren Augen und Ohren wichtig

geklungen haben mag, wird durch diese

Perspektive nicht berücksichtigt oder keine

besondere Berücksichtigung finden. Mir geht

es, wie gesagt, darum, wie ich die Enzyklika

einspeisen kann in das pastorale Handeln der

Kirche, in der Pfarrgemeinde, den Verbänden

und den geistlichen Gemeinschaften.

„Laudato Si – die Umwelt-Enzyklika von

Papst Franziskus – rasch gelesen, geschwind

kommentiert, schnell vergessen?“ Ich habe

mir noch nicht den Spaß gemacht, bei

meinen Hauptamtlichen zu fragen, wer sie

ganz gelesen hat. Aber ich glaube, bei

solchen Dokumenten, da sollte man nicht

unbedingt allzu optimistisch sein. Das recht

schnell mit dem Etikett „Umwelt-Enzyklika”

versehene Lehrschreiben „Laudato Si“ von

Papst Franziskus fügt sich, wie der Papst

selbst auch an einer Stelle der Enzyklika

formuliert, in die lange Reihe der päpstlichen

Sozialverlautbarungen ein. Es ist eigentlich

keine Umwelt-Enzyklika, kein Umwelt-

Manifest im engeren Sinne, sondern

diese Enzyklika knüpft bewusst an die große

Tradition der kirchlichen Soziallehre an –

an eine Sozialverlautbarung also, die Emp-

fehlungen und Anleitungen für das Handeln

des Menschen sein will.

Eine Kernforderung von „Laudato Si“ ist

der Ruf nach einer ökologischen Umkehr,

nach einer auch persönlichen Bekehrung, die

hinsichtlich der Schöpfung und den Schöpfer

auf einen neuen Lebensstil setzt. Ökologie

ist also in den Augen von Papst Franziskus,

und somit auch der Kirche, nicht einfach

nur ein Seitenarm der kirchlichen Soziallehre,

sondern sie ist wesentlich verbunden mit

Sozialverhalten, mit christlichem Sozial-

verhalten. In seiner Enzyklika „Caritas in

veritate“ hat Papst Benedikt XVI. bereits

darauf hingewiesen, dass es aus ökologischer

Verantwortung unerlässlich ist, den „Lebens-

stil zu überprüfen, der in vielen Teilen der

Welt zum Hedonismus und Konsumismus

neigt und gegenüber den daraus entstehenden

Schäden gleichgültig bleibt.

2 2 2 3

unter den Gläubigen die Lösungswege

blockieren, reichen von der Leugnung des

Problems bis zur Gleichgültigkeit, zur

bequemen Resignation oder zum blinden

Vertrauen auf die technischen Lösungen.”

Dagegen setzt der Papst auf ein Bewusst-

sein, dass die Menschheit gemeinsam für die

Schöpfung verantwortlich ist. Wir brauchen

eine neue universale Solidarität, so sein

Aufruf. Wir brauchen eine Ökologie des

Herzens. Ein dauerhaft wirksamer Umwelt-

schutz kann also nicht allein auf die eine

oder andere klimaschonende Erfindung

setzen, auch nicht auf bloße gesetzgeberische

Reglementierung, sondern bedarf eines

ganzheitlichen Umdenkens. Nötig ist ein

anderer Lebensstil und ein anderer Blick auf

das, was unser Leben reich macht. Für die

Motivation dieses Umdenkens, dieser neuen

Lebenshaltung, bedarf es der Ökologie des

Herzens.

Aurelio Peccei, ein Mitglied des Club of

Rome, hat bereits vor mehreren Jahrzehnten

den Grund der menschengemachten, selbst-

zerstörerischen Umweltverschmutzung

analysiert: “Unsere Krise hat eine kaum greif-

bare und bislang noch unfassbare, aber fun-

damentale Ursache, die in uns selbst liegt und

so stark wirkt, dass sie all unser ansonsten

unerklärliches Missgeschick verursacht.

Diese Ursache ist unser Zustand innerer

Unordnung.”

Der Mensch trägt seine innere Unordnung

in die Schöpfung hinein. Weil der Mensch

seine innere Unordnung in die Schöpfung

projiziert, beginnt der persönliche Weg

zu einem nachhaltigen Leben, seine Änderung

des Lebensstils im Inneren des Menschen,

sozusagen mit der Ökologie des Herzens.

Notwendig ist ein tatsächlicher Gesinnungs-

wandel, der uns dazu anhält neue Lebens-

weisen anzunehmen.”

Franziskus hat diese Forderung in „Laudato

Si“ aufgegriffen, in einer eindrücklichen

Bildsprache weitergeführt und praktisch für

uns ausgefaltet. Er lädt uns in seinem Schrei-

ben vor allem zu einem neuen Lebensstil

ein: im Umgang miteinander, bei der Wahr-

nehmung politischer Verantwortung sowie

mit der Schöpfung und ihren Ressourcen.

Man könnte sagen, diese Handlungsfelder

sind miteinander vernetzt. So wie der

Mensch sich seiner Umwelt gegenüber

benimmt, geriert, so benimmt er sich in der

Regel auch im Umgang miteinander, und so

benimmt er sich auch in anderen Bereichen.

Statt Herrschaft und Technokratie soll

die bewegende Kraft dieses Lebensstils die

in Liebe gründende Beziehungsfähigkeit des

Menschen sein: Beziehung zu Gott, zur

Schwester, zum Bruder, Beziehung zur Schöp-

fung. Ein neuer Lebensstil, geprägt von

Beziehungsfähigkeit.

Alles, auch wir selbst, alles befindet sich

in dem einen Haus der Schöpfung. Im Begriff

Ökologie steckt ja das griechische Wort

Oikos, „das Haus, die Hausgemeinschaft”.

Ökologie ist folglich die Sorge um das gemein-

same Haus, das uns der Schöpfer anvertraut

hat. Oftmals scheitern Bemühungen zu

einem nachhaltigen Umweltschutz am reinen

Unwillen, etwas im eigenen Leben zu

ändern, stellt Papst Franziskus fest: „Leider

pflegen viele Anstrengungen, konkrete

Lösungen für die Umweltkrise zu suchen,

vergeblich zu sein. Nicht allein wegen der

Ablehnung der Machthaber, sondern auch

wegen der Interessenlosigkeit der Anderen,

also uns. Die Haltungen, welche selbst

V o r T r A G D I ö Z E S A N B I S c H o F D r . G r E G o r M A r I A H A N K E o S B

haltens und der Bescheidenheit. Die

Nachfolge Jesu im Neuen Testament zeigt

sich nicht nur durch die innere Wandlung

des Jüngers, der Jüngerin, sondern durch

den Lebenswandel und den Lebensstil.

Die Briefe des Neuen Testaments bieten

ein reiches Repertoire an Mahnungen und

Ermunterungen bescheiden zu leben und

weder Überfluss und Reichtum noch Über-

sättigung zu suchen, sondern bereit zu

sein zum Teilen und Helfen. Mit dem bewusst

schlichten Lebensstil bekundeten die Christen,

nicht Besitzer der Güter dieser Erde sein

zu wollen und zu können, sondern nur deren

Verwalter – mit einem Lebensstil des Maß-

haltens in einem Leben unter Anerkennung

der Grenzen. Ein grenzenloser Lebensstil

wurzelt in der irrigen Vorstellung, unsere

Welt sei quasi ein unendliches System.

Das Christentum setzt jedoch zur

Werbung für den einfachen Lebensstil

nicht auf Drohszenarien und die Angst vor

dem kommenden ökologischen Untergang

und Kollaps. Es will den Menschen in

die Verantwortung für dieses Oikos, für

dieses Lebenshaus, rufen und wirbt sogar

mit der Bescheidenheit, mit der Schön-

heit des bescheidenen Lebensstils, die

den Blick viel eher freigeben kann auf imma-

terielle Werte als ein materiell überladenes

Leben. Immaterielle Kostbarkeiten –

Werte ist vielleicht ein etwas schwieriger

Begriff – immaterielle Kostbarkeiten unseres

Lebens, das sind Beziehungen, Fähigkeit

zur Begegnung, Freundschaft, Anerkennung,

Friede und noch vieles andere mehr.

Der Einzelne soll seine Gedanken, seine

Begierden und Gefühle, seine Schuld wahr-

nehmen und im Lichte Gottes heilen lassen.

Rhythmus, Struktur, kurz, eine gute Ord-

nung des Lebens kann hilfreich sein. Es ist

eine Erfahrung des Mönchtums, dessen

Tradition ich angehöre, dass innere Ordnung

äußere Ordnung fördert. Der innere Prozess

hat sich zugleich im praktischen Alltag zu

konkretisieren: im Verhalten zueinander, im

Umgang mit dem uns anvertrauten Gut, in

der Achtsamkeit gegenüber der Schöpfung.

Mönchsregeln, Klosterregeln sind von ihrem

Ursprung her nicht gesetzgeberische Maß-

nahmen, sondern gemeinsame Schnittmengen

für eine lebendige Gemeinschaft: um der

inneren Ordnung zu dienen, die sich dann

auch äußerlich manifestiert.

Im Hinblick auf die Ökologie des Herzens

ist es wichtig, dass dem Menschen die soziale

Dimension seines Verhaltens und seiner

Schuld zugänglich wird. Wie wichtig dieser

Aspekt ist, zeigt die Aporie, in die wir uns

durch immer mehr Wirtschaftswachstum und

Wohlstand hineinmanövriert haben. Legt

man unseren europäischen Wohlstand als

Matrix für den Lebensstandard der gesamten

Welt zugrunde, müsste die Weltwirtschaft

mindestens fünfzehnmal so groß sein wie

zurzeit. Nun ist aber die Welt ein endliches

System, und wir verhalten uns in Teilsystemen

dieses größeren Systems – etwa in der

Wirtschaft oder durchaus auch im privaten

Leben, im Konsumbereich – als sei die Welt

ein unendliches System. Eine Aporie, die

drastisch belegt, wie wichtig die Umkehr ist

und wie bedeutsam der innere Prozess, um

die Umkehr zu einem neuen Lebensstil,

dem Lebensstil des Maßhaltens, in Gang zu

setzen. Christliches Leben war von Anfang

an geprägt von einem Lebensstil des Maß-

2 4

Ein erster Punkt, den ich auch in meinem

Mitarbeiterkreis auf der Basis von „Laudato

Si“ versuche, weiterzugeben: Es ist sehr

wichtig, dass wir beginnen zu fragen und zu

hinterfragen. Ich glaube, die Oberflächlich-

keit unseres Lebens ist der größte Feind

eines profunden ökologischen Lebensstils.

Die Oberflächlichkeit, das heißt, alles so zu

nehmen, wie es mir geboten wird, alles zu

nehmen, wie es mir den Möglichkeiten nach

zur Verfügung steht. Wir müssen uns im

täglichen Leben viel mehr fragen, wir müssen

uns viel mehr informieren, wir müssen viel

mehr hinterfragen. Das beginnt ganz

praktisch: Woher kommen die Lebensmittel,

die Dinge, die ich für mein tägliches Leben

verwende? Welche Zusammenhänge sind

damit verknüpft? Ich muss mich durch diese

Fragen selbst sensibilisieren, muss meinen

Horizont erweitern – weg von der Oberfläch-

lichkeit, hin zum kritischen Hinterfragen. Das

ist schon ein wesentlicher erster Schritt.

Ein zweiter Schritt etwas zu verändern,

ist, meine Lernbereitschaft auf dem Weg zur

Veränderung zu stärken: Wir brauchen

Modelle und Lehrräume – nicht Leerräume

mit Doppel-e, sondern welche mit „eh“!

Orte, in denen wir lernen können, konkrete

Schritte zur Veränderung zu setzen.

Benediktbeuren ist so ein wunderbarer Ort.

Ein Ort, an dem wir zusammenkommen

können, lernen können, uns austauschen

können, uns gegenseitig bestärken können.

Es braucht Räume und Orte mit über-

zeugenden Menschen, Räume und Orte,

die gelebte Modelle sind; an denen unsere

Verantwortung für das Haus des Lebens

spürbar und erfahrbar wird.

Als Christen sind wir überzeugt, dass ein

schlichter Lebensstil in der Nachfolge Jesu

letztlich mehr erfüllt als die pausenlose

Jagd nach mehr Konsum und mehr Besitz.

Oftmals dient das Habenwollen lediglich

einem nach außen gelagerten Ego zu dessen

Erfüllung, einer Erfüllung mit Materiellem.

Wenn ich aber dieses Ego nicht nach außen

verlagere, sondern nach innen, in meinem

Inneren lebe, dann finde ich Zugang zu den

immateriellen Kostbarkeiten, zu diesen

anderen Werten, wie ich sie eben erwähnt

habe.

Wenn man „Laudato Si“ nur als Medien-

phänomen betrachtet, kann man die Reak-

tionen auf das Lehrschreiben sicher mit

„rasch gelesen, geschwind kommentiert,

schnell vergessen“ zusammenfassen. Wir

haben ja soeben einige Beispiele gehört.

Päpstliche Enzykliken sind aber keine Presse-

erklärungen; sie verstehen sich nicht als

kurzfristige Wortmeldungen im schnell-

lebigen Medienbetrieb. Sie sind vielmehr

Äußerungen des kirchlichen Lehramts,

die Hilfestellung geben wollen für ein gelun-

genes, für ein gutes Leben.

„Laudato Si“ als eine der Sozial-

Enzykliken, als Teil der katholischen Sozial-

lehre muss nun von uns mit Leben gefüllt

werden – von uns, den Gläubigen. Natürlich

sind alle dazu eingeladen. Wir haben es

gehört, Papst Franziskus hat ja zu einem

globalen Dialog aller Kräfte, die sich der

Verantwortung für dieses Oikos, für dieses

Lebenshaus, bewusst sind, eingeladen.

Ich möchte einige Aspekte darlegen, wie

man konkrete Schritte unternehmen kann.

Ansichten, die mir wichtig sind.

V o r T r A G D I ö Z E S A N B I S c H o F D r . G r E G o r M A r I A H A N K E o S B

2 6 2 7

Dort, wo wir eingeführt werden in die

Geschwisterlichkeit mit der Schöpfung und

wo diese auch erfahrbar wird. Die Tradition

der Kirche bietet dazu viele Vorbilder.

Unsere Klöster sind geeignete Räume, um

Menschen diese Möglichkeit zum Lernen und

Denken, zum Nachdenken und Umdenken

zu geben. In unseren Bildungshäusern und

Pfarrgemeinden lassen sich solche Räume

vielfach etablieren. Dort können wir ganz

konkrete Schritte miteinander gehen,

voneinander lernen und auch bereits etwas

bewegen.

Und noch ein dritter Punkt: Wir brau-

chen geistliche Impulse, geistliche Impulse

als Stärkung. Für mich war es, auch in

meiner Plankstettener Zeit, immer wichtig zu

betonen, dass die Ökologie nicht einfach eine

neue Form des Wirtschaftens ist, die die

alte Form des Konsumismus oder Mehrhaben-

wollens ablöst. Das allein genügt nicht.

Nein, für mich war der Weg der Ökologie

immer auch ein spiritueller Weg, ein Weg

gelebter Christus-Beziehung.

Dazu brauchen wir Vorbilder! In

der Beziehung mit Christus darf sich der

Mensch als beschenkt und von Gott geliebt

erfahren. Mein Leben beginnt zunächst

einmal mit einem Geschenk, nicht mit

erwerben wollen, mit haben müssen, mit

jemand sein wollen. Es geht darum zu

lernen, dass diese Liebe mein Ego übersteigt.

Sie eint mich mit dem Nächsten, sie gilt

genauso dem Nächsten und verbindet mich

mit ihm. Durch diese Christusbeziehung

bin ich bereits mit dem Nächsten verbunden,

bin ich verbunden mit der Schöpfung.

Franz von Assisi ist solch ein Vorbild. Ich

will ihn nur paradigmatisch nennen.

Er lebte eine aus der Christusbeziehung

wachsende Geschwisterlichkeit mit Mensch

und Natur exemplarisch vor. Seine Einheit

mit dem Herrn wurde mit den Wundmalen

sogar physisch sichtbar, so eins war er mit

Christus. Und aus dieser gelebten Einheit

mit Christus, auf den hin ja, wie der

Kolosserbrief sagt, die ganze Welt geschaf-

fen ist, alles geschaffen wurde, wurden

ihm Sonne, Mond, Wasser, alle Geschöpfe,

ja selbst der Tod zu Geschwistern. Sein

Sonnengesang legt Zeugnis ab von seiner

liebenden Beziehung zu Christus, die ihm

die ganze Schöpfung Familie sein ließ.

Als körperlich Leidender hinterließ er uns

diesen wunderbaren Hymnus, der ja mit der

Enzyklika von Papst Franziskus verbunden

ist. Diesen Hymnus, der zugleich ein

Zeugnis der Geschwisterlichkeit mit dem

ganzen Haus des Lebens, dem Oikos des

Lebens, gibt. Und daraus erwächst so etwas

wie Humanökologie, um einen modernen

Begriff für die Achtung vor der Würde eines

jeden Menschen und des gesamten Lebens

zu gebrauchen.

Meine sehr verehrten Damen und

Herren, ganz schlicht und einfach herunter-

gebrochen auf eine pastorale Handlungs-

anleitung: Diese Enzyklika „Laudato Si“, die

ich mit großer Freude erwartet und entge-

gengenommen habe, ist für mich ein Impuls,

Fragen zu stellen, mich dafür zu sensibili-

sieren, in welchen Zusammenhängen ich

lebe; wo all das, was ich tagtäglich brauche

und benutze, herkommt; welche Konnexe an

den Dingen des alltäglichen Lebens hängen …

Da werden wir oft überrascht sein, wohin uns

so ein Konnex führt: in welche wirtschaft-

lichen Zusammenhänge, in welche Länder.

V o r T r A G D I ö Z E S A N B I S c H o F D r . G r E G o r M A r I A H A N K E o S B

der Veränderung zu gehen. Nicht mit

Drohszenarien, sondern mit Schönheit,

mit der Schönheit der Gabe der Schöpfung.

Mit der Schönheit, die sich in den Grenzen

unseres Lebens auftun kann – wenn ich

denn diese Grenzen anerkenne und in

meinen persönlichen Lebensstil integriere.

Jetzt kommt es auf uns an, auf jeden Einzel-

nen von uns; auf uns als Gemeinschaften

und auf uns als Netzwerke, um so, wie einst

Franz von Assisi, eine ökologische Umkehr

im Sinne von „Laudato Si“ im eigenen

Leben zu vollziehen. Dazu wünsche ich

uns allen viel Kraft und für heute viele frucht-

bare Anregungen. Alles Gute, vielen Dank.

Und es wird uns erstens aufgehen, in

welch großer Verantwortung wir eigentlich

stehen. Zweitens müssen wir lernen,

diesen neuen Lebensstil zu leben. Um das

zu erreichen, müssen wir uns gegenseitig

bestärken, müssen uns immer wieder

zusammenfinden, und dazu wiederum

braucht es Räume. Ich finde es wunderbar,

dass es hier diesen Ort und dieses Forum

für diese Gespräche gibt.

Und drittens: Für uns Christen ist

es wichtig, sich immer wieder geistliche

Impulse schenken zu lassen, geistliche

Impulse, die uns auf diesem Weg bestärken

und bestätigen.

Denn dieser Weg, das zeigen die letz-

ten Jahrzehnte so vieler Bemühungen um

Verbesserungen im Bereich der Umwelt,

dieser Weg ist kein Automatismus. Dieser

Weg ist manchmal Kampf: ein Kampf

im eigenen Inneren, wenn es um Entschei-

dungen geht, meinen Lebensstil zu verän-

dern; darum zu sagen, ich verhalte mich

jetzt bei meinem Konsum genau so und nicht

anders, und ich drücke mich jetzt nicht

mehr um meine Verantwortung. Und Kampf

gibt es auch in der Öffentlichkeit, wenn es

darum geht, für diese Veränderung des persön-

lichen Lebensstils konsequent einzutreten.

Oft werden Sie dabei auf Widerstand treffen,

denn Veränderungen sind Risikofaktoren.

Diese Erfahrung werden Sie immer wieder

machen, egal auf welchem Gebiet. Da ist der

Mensch sehr ängstlich und leicht zum

Rückzug bereit.

Unser Beitrag, glaube ich, den wir als

Christen liefern können, ist, dass wir die

Menschen positiv motivieren, diesen Weg

2 9V o r T r A G B ä r B E L D I E c K M A N N

Bündnis in Deutschland zusammen-

geschlossen, weil Hunger und Armut globale

Herausforderungen, weit jenseits von Reli-

gionszugehörigkeiten sind. Die Welthunger-

hilfe ist eine Organisation, die vor 54 Jahren

auf Anregung des damaligen Bundespräsi-

denten Heinrich Lübke bewusst als eine

nicht konfessionelle Organisation gegründet

worden ist.

Aber die konfessionellen Einrichtungen

und uns eint die gleiche Zielrichtung. Diese

Enzyklika hat für uns auch bedeutet, dass

Herausforderungen, die seit Jahren offen-

sichtlich sind, noch einmal auf den Tisch

gebracht worden sind. Denn es hat so viele

Jahre gegeben, in denen man Probleme

einfach verleugnet hat, in denen Gleichgül-

tigkeit vorgeherrscht hat.

Meine Damen und Herren,

die Enzyklika des Papstes aus dem Jahr

2015 ist von vielen als sehr positive Botschaft

wahrgenommen worden. Wir als Nicht-

regierungsorganisationen haben im vergange-

nen Jahr mitgearbeitet an den SDGs1, wir

haben mitgearbeitet an den Beschlüssen in

Elmau, wir haben mitgearbeitet an den

Vorbereitungen der Pariser Klimakonferenz.

Ich bin selbst dort gewesen. Gerade im Jahr

2015 war diese Enzyklika eine wichtige

Stellungnahme von einer ganz anderen Seite

– vonseiten der katholischen Kirche und

eines Papstes. Und Sie haben das richtig

beschrieben, Herr Bischof Hanke, es ist die

Enzyklika eines Mannes, der aus eigener

Erfahrung weiß, wozu Verwerfungen führen

können – ökologische, aber auch soziale

Verwerfungen.

Zudem war es eine Enzyklika, die die

Arbeit der Nichtregierungsorganisationen

bestärkt hat; nicht nur in Deutschland,

sondern in vielen Teilen der Welt. Auch da

stimme ich mit Ihnen überein: Diese Gedan-

kengänge sind nicht neu in den Kirchen.

Wir arbeiten selbst mit Misereor und Brot

für die Welt zusammen. Wir sind in einem

„L AU DATO S I – DI E U MWE LT-E NZ YKLI K A VON

PAP ST F R AN Z I S KU S – R ASC H G E LE S E N , G E SC HWI N D

KOM M E NTI E RT , SCH N E LL VE RG E S S E N?“

Vortrag von Bärbel Dieckmann, Präsidentin der

Deutschen Welthungerhilfe, Bonn.

1 SDGs = Sustainable Development Goals = Ziele nachhaltiger Entwicklung = politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen (UN) zur Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene.

3 0

Wir erleben eine Welt, in der zwei Milliar-

den Menschen keinen Zugang zu sauberem

Wasser und zu sanitären Einrichtungen

haben. Wir erleben eine Welt, in der ein Teil

der Menschheit so oder ähnlich entwickelt

wie in Deutschland lebt. Ich erwähne

ausdrücklich die Bundesrepublik Deutsch-

land, auch wenn ich als Kommunale sehr

wohl weiß, dass es auch bei uns Armut gibt.

Doch verglichen mit dem, was in vielen

anderen Ländern passiert, haben wir große

soziale Sicherheit.

Wir wissen längst, dass wir Armut und

Hunger nur bekämpfen können, indem wir

die Menschen in die Lage versetzen, sich

und ihre Familien zu versorgen. Drei von

vier Hungernden auf der Welt leben in

ländlichen Regionen. Sie leben also eigent-

lich dort, wo Lebensmittel produziert

werden könnten. Deshalb setzen wir uns für

das Recht auf Nahrung ein, und auch dafür,

das wird ja auch in der Enzyklika betont,

dass wir in einem gerechten Weltwirtschafts-

system – und auch darauf komme ich

nachher noch mal zurück – die Menschen

mit Hilfe zur Selbsthilfe in die Lage verset-

zen müssen, selbst für ihren Lebensunterhalt

aufkommen zu können; dass wir den

Menschen helfen müssen, Lebensmittel zu

produzieren, ihre Familie zu ernähren und

möglichst auf dem nächsten Markt noch

etwas zu verkaufen, um mit einem eigenen

Einkommen Medikamente zu kaufen oder

ihre Kinder zur Schule zu schicken. Und wir

müssen uns, wenn wir die Armut überwin-

den wollen – und damit komme ich zur

Weltwirtschaft, auf die der Papst ebenfalls

eingeht – dafür einsetzen, Arbeitsplätze und

soziale Sicherungssysteme zu schaffen.

Ich habe an vielen Klimakonferenzen als

Oberbürgermeisterin teilgenommen, und es

hat mich oft erstaunt, wenn in der letzten

Nacht alles, was zehn Tage vielleicht als

Chance diskutiert worden war, von manchen

Ländern – meistens waren es China und die

Vereinigten Staaten – einfach wieder hinweg-

gefegt wurde; obwohl da keiner saß, der

nicht genau wusste, dass es dringenden Hand-

lungsbedarf gab. Es gab aber auch Resigna-

tion. Und es gab diese Haltung, wir ändern

die Verhältnisse nicht wirklich, obwohl so

viele daran arbeiten.

Auch deshalb war das Jahr 2015 – für uns,

für mich und die vielen Menschen, die in

Nichtregierungsorganisationen arbeiten – ein

wichtiges Jahr, und die Enzyklika hat dazu

beigetragen. So enthält sie einige wichtige

Grundaussagen: Wir leben in einer globali-

sierten Welt, aber wir dürfen keine Globali-

sierung der Gleichgültigkeit zulassen.

Wir brauchen im Gegenteil eine Globalisie-

rung der Solidarität, eine universale Solidari-

tät! Ich gehe nachher noch einmal darauf

ein. Ich glaube, wir können das: Wenn wir

solidarisch sind, wenn wir gemeinsame Ziele

haben, wenn wir wissen, was wir wollen,

dann sind auch Lösungen möglich! Auch das

zeigt die Enzyklika.

Ich möchte an ein paar Punkten noch

einmal deutlich machen, was das in der

konkreten Arbeit einer Nichtregierungs-

organisation bedeutet. Wir bekämpfen

Hunger und Armut. Das ist unser Mandat.

Gleichzeitig erleben wir eine Welt, in der

immer noch fast 800 Millionen Menschen

dauerhaft unterernährt sind. Kinder, die

im Alter von fünf Jahren schon so geschädigt

sind, dass sie nur sehr verringerte Chancen

auf ein gesundes Leben haben.

V o r T r A G B ä r B E L D I E c K M A N N

3 2 3 3

Fakten liegen schon lange auf dem Tisch.

Klimaveränderung ist heute die vielleicht

größte Herausforderung. Der Korridor, in

dem wir die Entscheidungen dazu treffen

können, ist nicht mehr allzu groß. Auch ich

habe die Pariser Klimakonferenz als Erfolg

empfunden. Und trotzdem weiß ich auch, es

sind eine Menge Beschlüsse gefasst worden,

die jetzt umgesetzt, die realisiert werden

müssen. Die Klimaerwärmung ist heute schon

ein Grund für ökologische Herausforderungen

und Probleme. Herr Prof. Schellnhuber

wird sicher gleich noch darauf eingehen.

Aber die Klimaerwärmung ist eben auch eine

der Ursachen für Armut und die fehlenden

Existenzmöglichkeiten vieler Menschen.

Ein Beispiel ist Äthiopien: Das Thema

ging in den letzten Wochen stark durch die

Medien. Richtig, El Niño ist ein Klimaphäno-

men, das es immer gegeben hat und das

nicht erst durch den Klimawandel verursacht

worden ist. Es ist jedoch durch ihn verstärkt

worden. Viel schlimmer aber ist, der Klima-

wandel hat in den jetzt davon betroffenen

Regionen bereits dazu geführt, dass sie noch

anfälliger sind, wenn sie zusätzlich Wetter-

und Ozeananomalien wie El Niño überstehen

müssen. Das ist in Äthiopien der Fall, das

ist in Simbabwe der Fall, und dieses Mal war

auch Südafrika davon betroffen. Doch in

Äthiopien war es ganz extrem. Zwar gab es

hier schon vorher weitreichende Maßnahmen,

weil die Katastrophe erwartet wurde.

Dadurch konnte man die Folgen gewisser-

maßen eingrenzen. Doch grundsätzlich hat

sich wieder einmal gezeigt, dass die Heraus-

forderungen dort besonders groß sind, wo

der Klimawandel schon Existenzgrundlagen

genommen hat.

Hunger ist meist die Folge von Armut.

Menschen, die keine alternativen Einkom-

mensmöglichkeiten haben, können Lebens-

mittel nicht kaufen, weil dazu die finan-

ziellen Mittel fehlen. Beschäftigungslosigkeit

verursacht Perspektivlosigkeit, und Beschäf-

tigungslosigkeit ist eine der hauptsächlichen

Flucht- und Migrationsursachen.

Damit komme ich zum Stichwort „soziale

Sicherungssysteme“. Ich bin der festen

Überzeugung, dass wir in allen Ländern der

Welt soziale Sicherungssysteme brauchen.

Ein Faktor der Erfolgsgeschichte der Bundes-

republik Deutschland ist, dass wir nicht nur

ein marktwirtschaftliches System haben;

sondern dass die Gründungsväter und -mütter

1949 eine soziale Marktwirtschaft mit ganz

klaren Aussagen auch zur sozialen Siche-

rung auf den Weg gebracht haben.

Wir brauchen Produktivitätssteigerungen

in der Landwirtschaft, das ist wahr. Aber wir

brauchen sie vor allem in Ländern, in denen

Hunger und Armut herrschen. Ich sage das

deshalb, weil manchmal die Illusion besteht,

dass mit Produktivitätssteigerung in Europa

oder den Vereinigten Staaten Hunger in

der Welt bekämpft werden könnte. Das ist

nicht der Fall. Das ist ökologisch der falsche

Weg: Wir brauchen eine regionale Versor-

gung. Denn solange Menschen nicht kaufen

können, was bei uns produziert wird, dient

es auch nicht der Hunger- und Armutsbe-

kämpfung.

Ein weiterer wichtiger Punkt der Enzyklika,

der unmittelbar an unsere Arbeit anknüpft:

das Klima. Es ist fast ein Thema, bei dem man

ein bisschen ironisch werden könnte. Die

V o r T r A G B ä r B E L D I E c K M A N N

Ich komme zu den Fluchtursachen. Meine

Damen und Herren, ich glaube, neben allen

wichtigen Beschlüssen, die wir gefasst

haben, gibt es heute noch einen weiteren

Punkt, der im öffentlichen Fokus steht und

vielleicht die Gelegenheit bietet, nach

Lösungen für globale Herausforderungen zu

suchen. Das ist die Flucht. Flucht ist ja

überhaupt nichts Neues. Fluchtbewegungen

hat es immer gegeben: aus politischen

Gründen, oder weil es kriegerische Ausein-

andersetzungen gab. Und natürlich hat es

auch Migrationen immer gegeben, wenn

Menschen sich dazu entschlossen haben,

ihre Länder zu verlassen, um woanders einen

besseren Arbeitsplatz zu bekommen.

Positiv daran ist unter anderem die

finanzielle Summe, die Migranten in ihre

vielen Herkunftsländer schicken: sie ist

weit höher als die Summe der weltweit ge-

zahlten Entwicklungshilfe. Das heißt,

Migration ist also auch ein unglaublich

wichtiger Faktor für die Entwicklung vieler

Länder.

Und in einer globalisierten Welt haben

viele Menschen die Chance, ihre Heimat-

länder zu verlassen. Doch Migration ist

freiwillig – Flucht hingegen ist immer

erzwungen, egal ob Krieg, Hunger, Armut

oder eine Mischung aus allem der Auslöser

ist, seine Heimat zu verlassen. Ich habe

all die Jahre in den vielen Krisenländern,

die ich besucht habe, nicht viele Menschen

mit dem Wunsch getroffen, in Zukunft in

Deutschland zu leben.

In dem Zusammenhang sind auch die

erneuerbaren Energien zentral. Wir brau-

chen sie ganz besonders in den Entwick-

lungsländern. Wir brauchen sie aber auch

in den entwickelten Ländern. Für mich

ist es nach wie vor unbegreiflich, wie lange

wir gebraucht haben, diesen Schritt zu

gehen.

Und ich erinnere an dieser Stelle an die

Bücher und Publikationen von Hermann

Scheer zum Thema erneuerbare Energien

und die darin beschriebenen Herausforde-

rungen, die er bereits vor 30 Jahren exakt

formuliert hat. Lieber Herr Dr. Spandau,

vielleicht fragen Sie ja später in der

Buchhandlung mal nach seinem Erstlings-

werk darüber. Manche Büchereien führen

es bestimmt noch. Wir haben sehr lange

gebraucht, um diese Schritte endlich zu

gehen. Schritte, die essentiell sind für die

Beseitigung von Armut und Hunger.

Prof. Töpfer, übrigens in den ersten

vier Jahren meiner Amtszeit Vizepräsident

der Welthungerhilfe, hat einmal gesagt,

dass es ein großer Fehler bei den MDGs2

gewesen ist, die Energiefrage nicht anzu-

sprechen. Energiemangel hat weltweit auch

zur Verstärkung von Hunger und Armut

geführt. Denn immerhin werden nicht nur

bei uns Lebensmittel weggeworfen oder zu

viel produziert. In vielen Ländern der

Welt, in denen Nahrungsmittel produziert

werden, gibt es auch riesige Nachernte-

verluste. Weil es dort keine Infrastruktur,

keine Kühl- und Transportketten gibt.

2 MDGs = Millennium Developments Goals = Zur Jahrtausendwende formulierte Entwicklungs- ziele für 2015

3 4 3 5

Wir werden einen Beitrag dazu leisten

müssen, dass die Menschen aus Afrika und

Asien in ihren Ländern bleiben, leben und

existieren können; und dass sie nicht durch

ungerechte Welthandelspolitik oder durch

Verhältnisse, die wir verursacht haben –

zum Beispiel mit dem Klimawandel – ihrem

Heimatland den Rücken kehren müssen.

Deshalb wünsche ich mir weltweit

mehr Engagement der Zivilgesellschaft, der

Kirchen und der Politik, um die Bedingungen

für die Menschen in diesen Ländern zu

verbessern. Dazu gehören gute sozioöko-

nomische Entwicklungen, dazu gehört aber

auch der Einsatz für bessere Regierungs-

systeme, der Kampf gegen Korruption und,

was mir ganz besonders am Herzen liegt,

mehr Engagement für die Frauenrechte. Es

gibt viele Länder, und auch das ist übrigens

in der Enzyklika erwähnt, in denen Frauen

Verantwortung für die Entwicklung tragen,

aber nach wie vor keine oder wenig Rechte

haben, zum Beispiel weder Land- noch

Erbrecht.

Und ich spreche noch ein Thema an –

darüber können ja wir nachher diskutieren

– ein Thema, das vielleicht ein bisschen

provokativ ist: die Bevölkerungsentwicklung.

Ich weiß, es ist ein schwerer Entschluss, die

private Entscheidung anderer Menschen

über die Größe ihrer Familie zu beeinflussen

oder beeinflussen zu wollen. Aber wir

arbeiten in vielen Ländern, in denen die

Fortschritte durch die Bevölkerungsentwick-

lung inzwischen wieder rückläufig sind.

Die meisten Menschen lieben ihre Heimat.

Ich habe auf meinen Reisen viele Menschen

getroffen, die ein enges Verhältnis zu ihrer

Familie und zu ihren Freunden haben;

Menschen, bei denen es trotz großer Armut

einen großen Zusammenhalt gibt. Aber

ebenso gibt es hier die absolute Hoffnungs-

losigkeit. Ausdruck dieser Hoffnungslosigkeit

sind seit Jahren schon die Flüchtlingslager

an den Brennpunkten der Welt. Wer je in

Dadaab3 gewesen ist – ich war vor einigen

Jahren dort – erlebt, wie etwa 450.000

Flüchtlinge aus Somalia in einer riesigen

Zeltstadt leben. Oder wer die Lage im Süd-

sudan kennt, mit diesem grausamen Bürger-

krieg in einem Land, das seine Bevölkerung

problemlos ernähren könnte, in dem

jedoch die kriegerische Auseinandersetzung

zweier verfeindeter Männer dazu führt,

dass über 400.000 Menschen auf Überlebens-

hilfe durch die Welthungerhilfe angewiesen

sind.

Weltweit sind mehr als 60 Millionen

Menschen auf der Flucht. Die meisten Flücht-

linge sind in die Nachbarländer gegangen,

wo sie zunächst in großen Flüchtlingslagern

unterkommen. So wie die 2,7 Millionen

syrische Flüchtlinge, die in der Türkei

untergekommen sind. Es sind Menschen, die

in ihren Ländern keinerlei Zukunftschancen

mehr sehen. Verstehen Sie das jetzt bitte

nicht als Argumentation gegen die Willkom-

menskultur in Deutschland. Diese Willkom-

menskultur brauchen wir in Deutschland

und Europa, denn es werden auch in Zukunft

Menschen zu uns nach Europa kommen.

Aber ich möchte auch, dass wir uns bewusst

machen: Allein in Europa werden wir das

Flüchtlingsproblem nicht lösen können.

V o r T r A G B ä r B E L D I E c K M A N N

3 Dadaab in Kenia, das größte Flüchtlingslager der Welt

3 6 3 7

dass der Papst die Rolle der Zivilgesell-

schaft so betont hat. Wir arbeiten ja nicht

nur mit den Nichtregierungsorganisationen

in Deutschland, Europa und den Vereinigten

Staaten zusammen, sondern auch mit der

Zivilgesellschaft in den Entwicklungsländern.

Mit Menschen also, die oft auch in korrup-

ten oder fragilen Staaten noch die Kraft

aufbringen, sich für die Menschen in ihrem

Land einzusetzen.

Deshalb sehe ich jetzt eine Chance:

die SDGs als Zielauftrag, den wir umsetzen

müssen, eine Enzyklika, die ebenfalls in

die Richtung weist, dass soziale sowie wirt-

schaftliche Entwicklung und Ökologie

eng zusammen gedacht werden müssen,

dazu das Klimaabkommen von Paris. Mög-

licherweise sind wir die erste Generation,

die es schaffen kann, den Hunger in der

Welt zu besiegen; und ich glaube, wir sind

die letzte, die es schaffen muss, den Klima-

wandel in den Griff zu kriegen.

Und jetzt wünsche ich uns allen, dass

wir heute Nachmittag mit ganz viel Moti-

vation auseinandergehen und im Sinne der

Enzyklika weiterarbeiten. Vielen Dank.

Das sind oft Länder, in denen Kinder-

und Müttersterblichkeit stark gesunken sind,

in denen aber die alten Reflexe „Ich muss

viele Kinder haben, um im Alter gesichert zu

sein“ nach wie vor existieren. In vielen

Ländern können Frauen ihre Familienpla-

nung nicht selbstbestimmt entscheiden. Sie

werden ganz jung zur Heirat gezwungen

und haben mit 20 oder 21 Jahren bereits

drei oder vier Geburten erlebt.

Wir müssen uns wohl damit befassen,

dass die Erde nur eine begrenzte Anzahl

Menschen aufnehmen kann. Ob das jetzt 10,

11 oder 12 Milliarden Menschen sind, das ist

nicht unser heutiges Thema. Denn diese

Frage hängt von vielem ab. Aber ich glaube,

die Ressourcen sind begrenzt. Und: Ökologie

ist auch mit einer am Ende vollkommen

ausgelaugten Welt nicht mehr möglich.

Nicht zuletzt, das thematisiert auch

der Papst, brauchen wir eine nachhaltige

Weltwirtschaft. Handel ist ein Wohlstands-

treiber, aber gleichzeitig auch eine Ent-

wicklungsbremse für viele Länder. Und wir

haben mehr vom Handel profitiert als die

Entwicklungsländer.

Lassen Sie mich einen letzten Punkt

ansprechen und damit wieder zur Enzyklika

kommen. Mit den neuen globalen Koope-

rationsmöglichkeiten, mit neuen Partnerschaf-

ten können wir die Welt verändern. Das,

glaube ich, können wir durch Regierungspart-

nerschaften, aber auch durch Partnerschaften

mit Nichtregierungsorganisationen erreichen.

Deshalb haben wir es besonders begrüßt,

V o r T r A G B ä r B E L D I E c K M A N N

3 9V o r T r A G P r o F . D r . J o A c H I M F E T Z E r

Sehr geehrter Herr Bischof, verehrte

Brüder des Klosters, sehr geehrte Damen

und Herren,

zunächst möchte ich mich einfach bedan-

ken: Es ist wunderschön, erstmals in

Benediktbeuern zu sein – und das sicher

nicht zum letzten Mal. Herzlichen Dank

der Allianz Umweltstiftung und Ihnen, Herr

Dr. Spandau, für die Einladung.

Lassen Sie mich etwas polemisch begin-

nen: Es war für mich – als ordoliberal gepräg-

tem Lutheraner – wirklich ein Kampf, mich

durch diese Verlautbarung des Apostolischen

Stuhles Nummer 202 zu quälen. Ohne die

Einladung hierher hätte ich es auch nicht

getan; und ich vermute, das ging manchen

so, die dieses Werk für die FAZ und andere

rezensieren mussten. Herr Dr. Spandau hat

einiges zitiert.

Doch nach dem ersten Entsetzen wollte

ich immer mehr verstehen: Was ist es eigent-

lich genau, was dich beim Lesen so aufregt?

Seit 25 Jahren habe ich mit Wirtschaftsethik

zu tun. Die Verknüpfung von Umwelt- und

Gerechtigkeitsthemen in der Enzyklika

ist ja wunderbar. Exakt dies ist die große

Leistung der UN Sustainable Development

Goals, für die ich als Mitglied im SDSN

Germany zu werben nicht müde werde.

Kein Widerspruch. Ich bin bei Benediktinern

in die Schule gegangen, habe meinen Sohn

in ein Franziskaner-Gymnasium gegeben,

und grundsätzliche Kritik an allem und jedem

kenne ich nach 15 evangelischen Kirchen-

tagen nun wirklich gut genug. Und der Titel

„Laudato Si“ weckt schöne Erinnerungen –

und man kann das auch sehr schön singen.

Warum also regt mich diese Enzyklika

so auf und widert mich teilweise sogar an?

Polemik oder Weckruf? – hatte Herr Spandau

vorhin gefragt. Bewusst eingesetzte Pole-

mik ist ein rhetorisches Stilmittel – ich nutze

es auch gern. Ich glaube aber, Papst Fran-

ziskus polemisiert nicht, ich befürchte Schlim-

meres. Ich befürchte, er meint tatsächlich,

was er schreibt. Ob dies dann Weckruf

sein kann? Dazu möchte ich Sie in meine

Leseerfahrung mit diesem Dokument mit-

nehmen.

„L AU DATO S I – DI E U MWE LT-E NZ YKLI K A VON

PAP ST F R AN Z I S KU S – R ASC H G E LE S E N , G E SC HWI N D

KOM M E NTI E RT , SCH N E LL VE RG E S S E N?“

Vortrag von Prof. Dr. Joachim Fetzer, Mitglied des Vorstands

des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik, Berlin.

4 0 4 1V o r T r A G P r o F . D r . J o A c H I M F E T Z E r

Über Verantwortung von Unternehmen

habe ich vor Jahren mal ein Buch geschrieben.

Die Diskussion über die Reichweiten von

Unternehmensverantwortung ist ein zentra-

les Thema der Wirtschaftsethik. Wie weit

haben Unternehmen Verantwortung und

endet die auch irgendwo? Sie reicht sicher

weiter als man lange Zeit gedacht hat. Hat

sie auch Grenzen? Wer kann eigentlich

wofür Verantwortung übernehmen? Wer ist

eigentlich wir? 7,3 Milliarden Menschen,

weltweite Interdependenzen – schön, dass

der Papst auch sagt, dass alles mit allem

zusammenhängt. Aber eigentlich ist doch gar

kein Akteur da, der für das Ganze die

Verantwortung übernehmen kann.

Wir haben im Oktober 2015 im Deut-

schen Netzwerk Wirtschaftsethik bei unserem

Business Ethics Summit auch die Verabschie-

dung der Sustainable Development Goals

durch die UN-Vollversammlung gewürdigt

und hierzu gerade eine Publikation veröf-

fentlicht. Hauptproblem bei der Umsetzung

dieser Weltagenda 2030 ist: Wer übernimmt

wofür die Verantwortung? Wie kann der

private sector mitwirken, der in dieser Welt-

plan-Logik eigentlich gar nicht vorkommt?

Und da haben wir nicht wirklich die perfekte

Blaupause; wir alle haben sie noch nicht!

Was heißt dann aber genau unverantwort-

lich?

Zurück zur Enzyklika. Franziskus schreibt:

„Wir sind in dem Gedanken aufgewachsen,

dass wir die Eigentümer und Herrscher

von Schwester Erde seien, berechtigt, sie

auszuplündern.“ So: An dieser Stelle ist jetzt

Schluss. Meine Damen und Herren, sind

Sie in dem Gedanken aufgewachsen, dass

wir die Eigentümer und Herrscher von

Gehen wir einfach zu Seite 1, Ziffer 1:

„Laudato Si, mi signore, gelobt seist du,

mein Herr, sang der heilige Franziskus von

Assisi. In diesem schönen Lobgesang erinnert

er uns daran, dass unser gemeinsames Haus

wie eine Schwester ist, mit der wir das

Leben teilen und wie eine schöne Mutter,

die uns in ihre Arme schließt. Gelobt seist

du, mein Herr, durch unsere Schwester,

Mutter Erde, die uns erhellt und lenkt und

vielfältige Früchte hervorbringt und bunte

Blumen und Kräuter …“ Da möchte ich den

Lobpreis eigentlich mitsingen. Aber ich ahne:

Wenn dies eine Umwelt-Enzyklika ist, dann

werden jetzt sehr unterschiedliche Sprach-

welten aufeinandertreffen. Es sind Bilder,

Vergleiche, Metaphern, die hier verwendet

werden: „wie eine Schwester“, „wie eine

Mutter“. Wie mütterlich ist die Natur

eigentlich wirklich? In bestimmten Momen-

ten, vor allem hier im Voralpenland, kann

man das wohl nachempfinden. Da kann man

diese Einladung zur Naturfrömmigkeit

annehmen. Ob uns das aber bei der Frage

nach der CO2-Reduktion und der sogenann-

ten planetarischen Grenzen weiterbringt?

Ob solche Naturfrömmigkeit emotionale

Ressourcen zur Sorge für das gemeinsame

Haus freisetzt?

Ich lese weiter: „Diese Schwester

schreit auf wegen des Schadens, den wir

ihr aufgrund des unverantwortlichen

Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter

zufügen, die Gott in sie hinein gelegt hat.“

Jetzt wird es schon schwieriger. Den Schrei

muss man erst einmal hören, vielleicht

muss man ihn sehen, vielleicht muss man

hingehen. Was heißt „unverantwortlicher

Gebrauch und Missbrauch der Güter“?

Unverantwortlich ist das Gegenteil von

verantwortlich.

könnt. Ihr müsst umdenken! Und wir in

der katholischen Soziallehre haben es schon

immer anders gesagt. Nicht wir, sondern Ihr

seid Teil des Problems und müsst euch

ändern.“ So lese ich zunächst diese Sätze

und im Inhaltsverzeichnis hatte ich ja schon

das 6. und letzte Kapitel entdeckt: „Die

ökologische Erziehung und Spiritualität“.

Das Umerziehungsprogramm, wenn man es

staatlich administrieren wollte. Aber das

will ja hoffentlich niemand. Vermutlich ist

es dieser scheinbar anklagende Grundton,

der den Rezensenten der FAZ und anderen so

gehörig gegen den Strich geht. Und es folgen

ja unzählige Passagen, die bereits zitiert

wurden: die ökologische Schuld der wohl-

habenden Länder, das strukturell perverse

System kommerzieller Beziehungen und Eigen-

tumsverhältnisse, die Anklage gegen multi-

nationale Unternehmen und so weiter.

Ich ärgere mich und frage: Lädt man

damit zum Dialog ein? Das ist der selbst

erklärte Anspruch. Lädt man so alle

Menschen zur Sorge für das gemeinsame

Haus ein? Oder bestärkt man damit nur

diejenigen, die in NGOs, in entwicklungs-

politischen Gruppen und auf Kirchentagen

ohnehin die Lektionen der südamerikani-

schen Befreiungstheologie, dieses Amalgam

aus christlicher Spiritualität, basiskirch-

licher Ekklesiologie und marxistischen Gesell-

schaftsdeutungen, schon gelernt haben und

sich nun von der päpstlichen Autorität

bestätigt fühlen? Für diese hätte dann die

Enzyklika als Zitatbaustelle einen Nutzen

und wird gewiss gerne so verwendet. Ich

habe nichts dagegen, aber mich stößt dies

eher ab – und sicher nicht nur mich.

Schwester Erde seien, berechtigt, sie

auszuplündern? Also ich bin es jedenfalls

nicht!

Ich bin aufgewachsen in einem der wohl-

habenden OECD-Länder: in Deutschland,

genauer gesagt in Augsburg. In der Stadt der

Fugger und der MAN, in der Stadt der

Confessio Augustana und in einem bürger-

lichen Unternehmerhaushalt, der viel von

dem vermittelt hat, was ich später bei

Max Weber in dessen „protestantischer Ethik

und dem Geist des Kapitalismus“ wieder-

gefunden habe. Sparsam sein, innerweltliche

Askese, Chancen nutzen, viel arbeiten, das

Unternehmen aufbauen, Verantwortung

übernehmen, nicht protzen, das Erarbeitete

nicht verbrauchen, sondern klug investieren

und stolz und dankbar sein für den Wohl-

stand, der sich daraus ergibt. Da gehörte

auch Kapitalakkumulation dazu, natürlich.

Aber ebenso: Man wirft seinen Müll nicht

vor die Türen anderer Leute und hinterlässt

ihn auch nicht der nächsten Generation.

Das Recht auf Ausplündern gehörte jeden-

falls nicht zu dem Lehrkanon meiner Eltern

und Großeltern. Nun weiß ich nicht, bei wem

Jorge Mario Bergoglio, jetzt Papst Franziskus,

aufgewachsen ist, aber ich nehme es ihm

einfach nicht ab, dass er hier wirklich eine

eigene Lernerfahrung schildert. Und wenn

doch, warum dann diese Vereinnahmung,

dass wir so aufgewachsen seien? Ich werde

das Gefühl nicht los, dass er eigentlich etwas

ganz anderes meint, dass er meint: „Ihr, vor

allem Ihr in den OECD-Ländern, Ihr Prota-

gonisten des Wohlstandes und des Wirt-

schaftswachstums, Ihr mit den immer neuen

Technologien, ihr Anhänger und Nutznießer

des Kapitalismus: Ihr meint wohl, dass ihr

die Erde beherrschen und ausplündern

4 2 4 3

andere, einladendere Sprachformen. Gerade

deshalb kommt es nicht nur darauf an, was

der Papst sagt, sondern wie.

Lassen Sie mich daher auf einige verwen-

dete Bilder und Motive eingehen. Und zeigen,

dass es auch anders ginge. Ich habe dazu ein

Buch mitgebracht, mit dem ich groß gewor-

den bin: Hans Jonas, „Das Prinzip Verantwor-

tung“, erschienen 1979 und immer noch

hoch aktuell. Frau Dieckmann, Sie sagten zu

Recht – und dem kann ich mich nur anschlie-

ßen – vieles in der Enzyklika ist inhaltlich

nicht wirklich neu. Vieles steht daher schon

in diesem Buch des großen Philosophen.

Vor allem die Frage: „Welche Ethik brauchen

wir im technologischen Zeitalter? Jonas ist

etwas bescheidener als der Papst, stellt Fragen

und versucht Antworten zu geben. Aber vor

allem ist die Bilderwelt und Metaphorik eine

grundsätzlich andere. Jonas sagt, der neue

kategorische Imperativ ist, dafür zu sorgen,

dass es eine Erde gibt, auf der eine Mensch-

heit leben kann, die noch Menschheit genannt

werden kann. Und Mensch sein heißt, sich

selber Zwecke setzen zu können: Eine

Menschheit, die nicht nur Müll und Altlasten

wegräumen muss – seien es Altlasten im

Klimaschutz, kaputte Sozialstrukturen, Staats-

schulden oder auch sonstiger Müll – sondern

„die sich selber in Freiheit noch Zwecke

setzen kann“. Dieser Imperativ sei deswegen

neu, weil wir früher nicht ahnten, dass wir

Verantwortung für das Ganze zu übernehmen

haben. Das ist weltgeschichtlich einfach etwas

Neues, so Hans Jonas. Und das haben wir bis-

her nicht gesehen, weil wir diese Denkweise

gar nicht hatten und haben konnten.

Oder doch ein Weckruf? Vielleicht. Es gibt

noch eine andere Lesart, auf die ich erst bei

der Re-Lektüre, gestoßen bin. Das 1. Kapitel

der Enzyklika soll ja eine Bestandsaufnahme

sein: „Was unserem Haus widerfährt“. Am

Ende der Einleitung schreibt Franziskus

Folgendes: „Das Ziel dieses Überblicks ist

nicht Informationen zu sammeln und unsere

Neugier zu befriedigen, sondern das, was der

Welt widerfährt, schmerzlich zur Kenntnis

zu nehmen, zu wagen, es in persönliches

Leiden zu verwandeln, und so zu erkennen,

welches der Beitrag ist, den jeder Einzelne

leisten kann.“ Der Leser soll nicht verstehen.

Der Leser soll Schmerzen haben, soll leiden.

Und das gelingt auch gut. Wer sich einlässt –

und das meine ich jetzt nicht ironisch – wer

sich einlässt auf die spirituellen Traditionen

des Sich-Versenkens in die Anbetung des

Schmerzensmannes am Kreuz, in die Anbe-

tung der Schmerzen des leidenden Christus,

wer sich darauf einlassen kann, der mag

daraus tatsächlich Sensibilität und Motivation

erfahren. Für den mag es ein Weckruf sein.

Durch Schmerzen zum Engagement? Kritiker

würden das vielleicht „masochistische

Motivationstheorie“ nennen. Ich bin (zumin-

dest für unsere Kultur) etwas skeptisch, dass

dies wirklich konstruktiv verstanden und

motivierend wirken kann.

Kurz, ein Teil der vermeintlich „abge-

standenen Polemik“ lässt sich vielleicht mit

diesem Element von Schmerzenstheologie

zumindest nachvollziehen. „Leide mit, dann

wirst du verstehen.“ Ich habe Zweifel, dass

dies konstruktiv aufgenommen werden kann,

außer von denen, die ohnehin schon über-

zeugt sind. Und die brauchen ja keinen Weck-

ruf. Und für die anderen braucht man

V o r T r A G P r o F . D r . J o A c H I M F E T Z E r

4 4 V o r T r A G P r o F . D r . J o A c H I M F E T Z E r

Eher wohl doch das Prinzip Verantwortung

für die Zukunft einer Menschheit, die diesen

Namen verdient und auf ihre Freiheit achtet,

noch gestalten zu können.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen,

den man erst erkennt, wenn man all die

rückwärts gewendeten, teilweise antimoder-

nistischen und kritischen Bilder und die

Aufzählung aller Übel einmal ignoriert, und

die Enzyklika auch mal auf ihren argumenta-

tiven Gehalt hin betrachtet: Worin liegt

eigentlich das Grundproblem? Sind es vor

allem die Gier und die Wirtschaft, welche

zum „Ausplündern der Mutter Erde“ geführt

haben? Das könnte man erwarten. Aber die

Wirtschaft wird in „Laudato Si“ ausdrücklich

nicht zum Sündenbock für alles und jedes

gemacht. Man findet dies in Kapitel 3, dem

argumentativen Kern der Enzyklika: „Was ist

die menschliche Wurzel der ökologischen

Krise?“ Das Grundproblem sei nicht, so

Franziskus ausdrücklich, eine falsche Wirt-

schaftstheorie oder der Eigennutz oder die

Gier. Das Grundproblem ist, „wie die Mensch-

heit… die Technologie und ihre Entwick-

lung, zusammen mit einem homogenen und

eindimensionalen Paradigma, angenommen

hat.“ Am Beginn vieler Probleme stehe

die „Neigung … die Methodologie und die

Zielsetzung der Technowissenschaft in

ein Verständnismuster zu fassen, welches das

Leben der Menschen und der Gesellschaft

bedingt.“ Nicht die Ökonomisierung aller

Lebensbereiche wird beklagt, sondern

Franziskus fordert: „Die Politik darf sich

nicht der Wirtschaft unterwerfen, und diese

darf sich nicht dem Diktat und dem …

Paradigma der Technokratie unterwerfen.“

Die Erde ist bei Jonas 1979 wie ein ver-

letzliches Kind, für das wir jetzt um alles in

der Welt, gefälligst und verdammt noch mal,

endlich Verantwortung übernehmen müssen.

Auch das ist ein Imperativ, aber eine andere

Bildwelt als bei Franziskus 2015. Dessen

Denkschema ist nicht eine weltgeschichtlich

neue Situation, die nach Verantwortung für

die Freiheit der nächsten Generationen ruft.

Das päpstliche Denkschema ist ein vorge-

gebener Rahmen, die historisch vorhandene

Natur – teilweise sehr naturromantisch,

teilweise antimodernistisch. Diese Natur

wird als Schöpfung verstanden.

Der Mensch bei Franziskus bleibt einge-

bettet in angeblich feste Grenzen, die er mit

der technologisch-ökonomischen Entwick-

lung überschreitet. Das ist kein neuer

Imperativ, sondern eine sehr alte Denkweise.

Bei Franziskus ist die Erde kein hilfloses

Kind, für das Verantwortung übernommen

werden muss. Sondern es ist eine Schwester

und Mutter, die ausgeplündert worden sei.

Das ist nicht der lobpreisende Sonnengesang

des Franziskus von Assisi. Sondern es ist

die antiquierte und apokalyptische Sicht eines

Papstes und seiner Berater. Und aus diesem

Bild entsteht ein ständiger Schuldvorwurf,

den man mit guten Gründen ablehnen

kann. Hans Jonas hat das gleiche Anliegen,

aber er argumentiert nicht mit Schuld,

sondern weist auf neu entstandene Zukunfts-

verantwortung hin. Ich halte das für wesent-

lich angemessener. Wer das hilflose Kind

Erde liegen lässt, wird seiner Verantwortung

nicht gerecht. Die eindrucksvollen Ergeb-

nisse der Klimaforschung verlangen von der

Menschheit Lösungen für bisher nicht

erkannte Aufgaben. Allgemeine Schuldzu-

schreibungen sind aber keine Lösung.

unsere Gier ist, die uns treibt, oder

ob nicht Zahlenfixierung und allzu lineares

Denken viel bedeutendere Ursachen sind.

In der Art der Entwicklungspolitik, bei der

Finanzkrise, im Übermut des Westens nach

dem Fall des eisernen Vorhangs … Mit

mehr Zeit ließe sich leicht zeigen, wie der

Glaube an Zahlen und Modelle immer wieder

zu großen Fehlern geführt hat. Und mit

diesem Glauben an Sheets und Charts

verdient mancher Scharlatan im Vertrieb sein

Geld. Und ich frage mich, ob wir nicht auch

heute Gefahr laufen dem technokratischen

Paradigma aufzusitzen, wenn ein Förder-

programm nach dem anderen zur green eco-

nomy aufgelegt wird. Aber auch die Fixierung

auf ein einziges Thema und sei es das 2-Grad-

Ziel, kann in eine neue technokratische

Engführung münden.

Dass der Papst fast nichts zum Thema

Bevölkerungsentwicklung als einer Herausfor-

derung für die sogenannten planetarischen

Grenzen sagt, kann man verstehen. Es würde

Anlass bieten für selbstkritisches Nach-

denken über die eigenen Traditionen – aber

das ist nicht Stil dieses Lehrschreibens. Es

könnte aber auch Anlass bieten für einen

positiven Blick auf die technische und wirt-

schaftliche Entwicklung. Denn zu Beginn der

Industrialisierung, um 1800 herum, lebten

auf der Erde rund 1 Milliarde Menschen.

Heute sind es 7,3 Milliarden. Wie war es

denn damals mit dem Hunger bestellt? Ich

weiß nicht, Frau Dieckmann, ob Sie auch

darüber Zahlen dabei haben. Ich hege meine

Zweifel, ob vor Beginn der Industrialisierung

alle Menschen glücklich und satt von den

Früchten der „Schwester und Mutter Erde“

gelebt haben, obwohl es viel weniger waren.

Hat er Recht? Ich bin zwar immer skeptisch,

wenn jemand die eine und einzige Ursache

aller Übel zu finden geglaubt hat. Aber diese

Kritik müssen wir ernst nehmen. Denn ist

es heute im Unternehmensalltag nicht so, dass

alles aus dem Blick gerät, was nicht in ein

Excel-Sheet, eine Formel oder Zahl gepackt

werden kann? Motto: Was man nicht messen

kann, kann man nicht managen. Zahlenfixiert-

heit und Zahlengläubigkeit – das ist die

Alltagstechnokratie, welche Franziskus für

den menschlichen Kern des Problems hält.

Diesem Denken stellt der Papst in

Kapitel 4 ein anderes Denkmuster gegen-

über: Das Denken in interdependenten

und vernetzten Systemen. Was wir in der

Nachhaltigkeitsdebatte als die drei Dimen-

sionen der ökologischen, ökonomischen

und sozialen Nachhaltigkeit kennen,

das nennt er Umweltökologie, Wirtschafts-

und Sozialökologie. Und er fügt mit der

Kulturökologie eine vierte Dimension hinzu.

All dem stimme ich vollkommen zu.

Und bei der Betonung kultureller Tra-

ditionen können wir in Deutschland schon

mal selbstbewusst hingehen und sagen:

Soziale Marktwirtschaft heißt nicht „Markt

plus Sozialstaat“, sondern heißt „Denken in

interdependenten Ordnungen“ – also genau

das, was der Papst in Kapitel 4 seiner

Enzyklika fordert. Das können Sie bei Röpke

und andern Vätern der Sozialen Markt-

wirtschaft nachlesen.

Und mit dieser argumentativen Struktur

im Kopf, könnten wir nochmals mit der Rezep-

tion der Enzyklika anfangen, indem wir die

Einzelthemen noch einmal durchgehen und

uns fragen, ob es denn wirklich immer

4 5

4 6 V o r T r A G P r o F . D r . J o A c H I M F E T Z E r

nächsten großen Förderprogramme,

wofür auch immer, eindimensional techno-

kratisch vorschlagen. Und warum sollten

sie das tun? Nicht um schmerzhaft mit-

zuleiden, sondern als Fallstudiensammlung

für die Folgen eindimensional gedachter

Problemlösungen! Dafür taugt diese Enzy-

klika ganz hervorragend.

In jeder Medikamentenwerbung steht

der Satz „Zu Risiken und Nebenwirkungen

fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“

Vielleicht sollte man ja auch bei Neuauflagen

großer Förderprogramme, zu Energiemanage-

ments oder Ähnlichem immer den Hinweis

bringen: „Zu Risiken und Nebenwirkungen

fragen Sie Ihren Papst oder Wirtschaftsethiker.“

Oder noch besser: „Bedienen Sie sich ihres

eigenen Verstandes und nehmen Sie sich die

Zeit dazu.“ Aber wer hat die schon? Ich

danke Ihnen.

900 Millionen Hungernde heute sind ein

Skandal! Ja – aber in der Enzyklika wäre es

zumindest einer nachdenklichen Erwäh-

nung wert gewesen, ob Technik, Medizin,

technologische Landwirtschaft, weltweite

Arbeitsteilung und Ähnliches nicht auch

etwas mit der Ernährung der anderen 6,x

Milliarden Menschen zu tun haben könnten?

Doch das fehlt vollkommen. Dann würde

sich das Bild dieser angeblichen „Ausplünde-

rung“ gründlich ändern.

Nicht alles, was bei uns weggeworfen

wird, wird gleichsam „vom Tisch der Armen

geraubt“. Es ist vielleicht ein Skandal unserer

„Wegwerfgesellschaft“, aber eben kein

Raub. Für ein Nachdenken darüber, wie man

das ändern kann, ist es allerhöchste Zeit.

Hier jedoch von Raub zu reden, ist eine

Denkweise, in der Eigentumsrechte letztlich

keine Rolle spielen. Und da müssten wir

über die ordnungspolitischen Grundlagen des

Papstes schon mal ein bisschen nachdenken.

Gute klimapolitische Berater hat der Papst,

bei den wirtschaftspolitischen könnte er

noch nachlegen. Wobei es natürlich nicht

Aufgabe des Papstes ist, eine Wirtschaftsord-

nung zu entwickeln. Das ist Aufgabe der

Ökonomen, vor allem jedoch der Politik und

der wirtschaftspolitischen Berater unserer

Regierungen. Die könnten sich in der Tat diese

Enzyklika mal vornehmen, bevor sie die

4 8

DI E BE N E DI KTBE U R E R G E S P R ÄCH E

DE R ALL IANZ U MWE LTSTI F TU NG 2016

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„L AU DATO S I – DI E U MWE LT-E NZ YKLI K A

VON PAP ST F R AN Z I S KU S – R ASC H G E LE S E N ,

G E SC HWI N D KOM M E NTI E RT , SCH N E LL

VE RG E S S E N?“

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DI E BE N E DI KTBE U R E R G E S P R ÄCH E

DE R ALL IANZ U MWE LTSTI F TU NG 2016

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„L AU DATO S I – DI E U MWE LT-E NZ YKLI K A

VON PAP ST F R AN Z I S KU S – R ASC H G E LE S E N ,

G E SC HWI N D KOM M E NTI E RT , SCH N E LL

VE RG E S S E N?“

5 3B E r I c H T ü B E r D E N V o r T r A G V o N P r o F . D r . D r . H . c . H A N S J o A c H I M S c H E L L N H U B E r

„L AU DATO S I – DI E U MWE LT-E NZ YKLI K A VON

PAP ST F R AN Z I S KU S – R ASC H G E LE S E N , G E SC HWI N D

KOM M E NTI E RT , SCH N E LL VE RG E S S E N?“

Ein Bericht von Jochen Driemel, freier Autor und Texter,

über den Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim

Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klima-

folgenforschung, Potsdam.

schwarzen Licht des Universums und ist

das erste Bild einer eindrucksvollen Power-

Point-Präsentation des Klimafolgenforschers

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim Schellnhuber

aus Potsdam.

Von besonderem Interesse an dem mit

Spannung erwarteten Referat von Prof.

Schellnhuber sind die verschiedenen Funk-

tionen und Professionen des in Fachkreisen

hoch geschätzten Naturwissenschaftlers:

So ist er u.a. Mitglied des Weltklimarates

und der Päpstlichen Akademie der Wissen-

schaften, der 80 vom Papst ernannte

Personen auf Lebenszeit angehören; zudem

war er Chefberater der Bundesregierung

in Sachen Klimawandel und Klimapolitik

während der G8- und EU-Ratspräsident-

schaften Deutschlands im Jahr 2007 und

langjähriger Berater des Präsidenten der

Europäischen Kommission José Manuel

Barroso.

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim Schelln-

huber ist Direktor des Potsdam-Instituts für

Klimafolgenforschung und Mitglied der

Päpstlichen Akademie der Wissenschaften.

Er hat sein wissenschaftliches Know-how

beratend in die Enzyklika einfließen lassen,

hat gemeinsam mit hochrangigen katho-

lischen Würdenträgern das vieldiskutierte

Lehrschreiben im Vatikan präsentiert

und die Benediktbeurer Gespräche 2016

durch einen fundierten Blick auf die Zusam-

menhänge zwischen Evolution, Klima-

entwicklung, menschlicher Verantwortung

und Glauben an die Zukunft bereichert.

Last but not least plädiert Prof. Schelln-

huber für eine Kultur des Teilens, nicht des

Habens.

Leuchtend blau ist sie, und von ähnlich

faszinierender Strahlkraft, wie sie nur die

schönsten aller großen Glasmurmeln besaßen,

für die wir als Kinder beim Tausch „mindes-

tens drei andere“ haben wollten – und

dann tatsächlich auch vier oder fünf für so

ein begehrtes Exemplar bekamen. Die große

blaue Kugel, die wir hier sehen, ist mehr

als selten. Sie ist einzigartig und trägt den

Namen Erde. Der Blaue Planet, fotografiert

von einem Mond-Roboter, schwebt im

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werden konnte. Wenn man zudem bedenkt –

und daran erinnert Prof. Schellnhuber uns

Zuhörer mit seinem Rückblick auf die

Entwicklung des Planeten Erde – dass die

Eruption des Vulkans Toba auf Sumatra vor

74.000 Jahren, bei dem die Sonne durch

Aerosole, Schwefeldioxyd und dergleichen

verdunkelt wurde, die Temperatur noch

einmal abkühlte, und dass die klimatischen

Folgen dieses Vulkanausbruchs nur einige

100 oder 1000 Menschen überlebten,

befinden wir uns bereits mittendrin in einer

hochsensiblen Thematik. Denn noch eine

ganze Weile, so Prof. Schellnhuber, quälte

sich der Mensch als Jäger und Sammler

durch die Zeit. Bis zu dem „Wunder“ vor

11.400 Jahren, als wir in die Phase des

Holozän eintreten: „Letztendlich ist es wohl

mehr ein Zufall oder eine Laune der Schöp-

fung – extrem schwer zu erklären“, sagt der

Naturwissenschaftler. Jedenfalls wird das

Klima absolut stabil, obwohl es, so Prof.

Schellnhuber, sehr unwahrscheinlich war,

dass so etwas plötzlich passierte: „Das war

the window of opportunity, das Fenster, in

dem Zivilisation entstehen konnte – das

Klimaparadies, wenn Sie so wollen. Wir sind

gerade dabei, dieses Paradies zu verlassen.

Ob aus Gier oder Zufall, aus Laune, Verblen-

dung oder aus besseren Gründen, darüber

können wir diskutieren. Auf jeden Fall erfolgte

daraufhin die Explosion der Menschheit als

Spezies, der erfolgreichsten Art auf diesem

Planeten. Inzwischen sind es 7,5 Milliarden

Menschen, und jedes Jahr kommen 100

Millionen hinzu.“

Grundlage für die Ausweitung der Popu-

lation war die Neolithische Revolution, die

Erfindung von Ackerbau und Viehzucht.

Prof. Schellnhuber repräsentierte die

etablierte Klimaforschung und ist der einzige

Wissenschaftler, der von Papst Franziskus

zur Präsentation der Enzyklika in Rom einge-

laden wurde – einem Medienspektakel

vor 400 Journalisten und 50 Fernsehteams

aus aller Welt.

Zurück zur Erde, denn um diese „fragile,

wunderschöne Kugel“ dreht es sich, wenn

der Klimaforscher von der Herausforde-

rung Klimawandel spricht. Und, so vermutet

er, hätte Franziskus von Assisi unseren

Blauen Planeten, ebenso wie wir jetzt, aus

der Mondperspektive gesehen, dann wäre

sein Sonnengesang vermutlich länger

und noch euphorischer ausgefallen. Jeden-

falls ist dieses Bildmotiv ein attraktiver

Aufhänger zur Sensibilisierung der Zuhörer

für einen wissenschaftlichen Vortrag, der

auch an ökologischeres Denken und Handeln

und unsere Verantwortung für zukünftige

Generationen appelliert.

Ein Chart demonstriert die Klimaverände-

rung im Laufe der letzten 100.000 Jahre,

zeigt mittels zweier Achsen die Entwicklung

in unserem Temperaturraum: vertikal die

globale Mitteltemperatur „delta T“, die

Abweichung im Vergleich zu vorindustriellen

Werten; horizontal die 100.000 Jahre vor

unserer Zeit.

Während der letzten Eiszeit, mit oft radi-

kalen Veränderungen der Mitteltemperatur

um 10° C oder 20° C, teils innerhalb von

Jahrzehnten, herrschten Umweltbedingun-

gen, in denen keine Zivilisation entstehen

und die Landwirtschaft nicht erfunden

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zwei, drei Jahrzehnten führende Wissen-

schaftsnation der Welt. Der Erste Weltkrieg

kommt, die Phase der Zwanziger Jahre,

Hitlers Machtergreifung 1933 mit weiterer

Aufrüstung, während mit Japan im Fernen

Osten eine weitere Kohlenstoffmacht heran-

wächst. In den 1950er-Jahren, in der

Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten

Weltkrieg, gibt es erste Zeichen eines

florierenden Welthandels. Billiges Erdöl

aus dem Mittleren Osten ist für alle verfüg-

bar, in Ländern ohne Sozialstandards lässt

man billig arbeiten, weltweit wächst die

Wirtschaft mit großer Beschleunigung, der

Warenfluss rund um den Globus ist nahezu

grenzenlos.

In dieser Phase der Globalisierung, anfangs

der 1990er-Jahre, startet der eigentliche Gigant

der Moderne voll durch: In nur zwei Jahrzehn-

ten schafft das Reich der Mitte – die große

rote Fläche auf dem Chart symbolisiert Chinas

CO2-Ausstoß der letzten 20 Jahre – wozu

Europa zwei Jahrhunderte gebraucht hat!

„China“, so Prof. Schellnhuber, „wird

zur Werkbank der Welt. Gleichzeitig stellt

sich die Frage, wie die Entwicklung weiter-

geht; schließlich wird ja ständig Wirt-

schaftswachstum gefordert – global, regional,

lokal. Ist die höchste Stufe der Menschheit

erreicht, wenn diese Karte vollkommen

rot ist? Dann jedoch bräuchten wir wohl 15

Planeten ähnlich der Erde, vielleicht sogar

150! Das ist der Zustand der Welt im Augen-

blick. Wir stehen jetzt tatsächlich am

Wendepunkt.“

Die zweite große Stufe der Zivisilisati-

onsentwicklung sieht Prof. Schellnhuber

als „Steilstufe in der Evolution. Sie hat

die fossilen Brennstoffe und den Einsatz der

fossilen Brennstoffe hervorgebracht.“ Prof.

Schellnhubers Sichtweise der Geschichte

der Moderne, die um 1500 n. Chr. beginnt

und mit der industriellen Revolution gegen

Ende des 18. Jahrhunderts einen ersten

gewaltigen technischen Schub bekam, ist

nicht die aus Geschichtsbüchern und

Erzählungen überlieferte; sie basiert auf

The C-Story of Humanity, der Kohlenstoff-

geschichte der Menschheit. Zur Verdeut-

lichung blendet er eine Weltkarte mit den

Emissionen seit 1751 ein und fügt, in

historisch adäquater Bildfolge, weitere Charts

hinzu. Diese aus Chroniken, Wirtschafts-

daten, Statistiken und selbst Baumringmes-

sungen rekonstruierte Animation zeigt

die kumulierten Kohlenstoff-Emissionen in

Millionen Tonnen. Und jedes Mal, wenn

die Farbe der logarithmischen Skala sich in

Richtung Rot verändert, multipliziert sich der

kumulierte Ausstoß mit dem Faktor 10.

Prof. Schellnhubers Charts demonstrieren

eindrucksvoll die Dramatik der kontinen-

talen und weltweiten Entwicklung und

deren Folgen für unseren Planeten: die frühen

Anfänge der Industrialisierung in England

und Schottland, das Übergreifen auf euro-

päische Länder wie Deutschland, vorwiegend

im Textilbereich Belgien, später dann Spanien.

Die USA kommen dazu, und in der Gründer-

zeit holt das British Empire auf – Indien

erscheint, dann New South Wales, Südafrika,

Argentinien und so weiter …

Inzwischen etabliert sich Deutschland,

hinter Großbritannien, als zweite Kohlen-

stoffmacht auf dem Erdball und wird binnen

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Bei alldem sieht sich Prof. Schellnhuber,

wie er sagt, weder als Kapitalismuskritiker

noch als Verteidiger des Kapitalismus, son-

dern in erster Linie als Naturwissenschaftler.

Er warnt jedoch davor, dass unsere Zivili-

sation bei ungebremster Entwicklung und

Dynamik in den nächsten Jahrzehnten

„letztendlich den Wärmetod sterben wird“.

Andererseits ist er davon überzeugt, dass es

mit Energie und moralischer Kraft gelingen

wird, doch noch eine Wende einzuleiten.

„Im Augenblick jedenfalls“, so Prof. Schelln-

huber, „geht das Klimasystem durch die

Decke.“ Er sagt das mit dem Hinweis auf die

Entwicklung der globalen Mitteltemperatur

seit Beginn der instrumentellen Aufzeich-

nungen 1880 bis heute und erwähnt dabei

typische Symptome und erschreckende

Fakten für die zunehmende Erderwärmung:

z.B. Wintertemperaturen von + 13° C in

Grönland, in der Arktis + 8° C über dem

langjährigen Mittelwert, beides und mehr

mitverursacht durch immer heftiger

auftretende Wetterphänomene wie El Niño.

Ungeachtet dieser Tatsachen, behaupten

und verbreiten viele Menschen, zumeist im

Internet, es gäbe keine Erderwärmung. Dazu

Prof. Schellnhuber: „In der Demokratie hat

jeder das Recht auf seine eigene falsche

Meinung.“

Ziel der internationalen Klimapolitik ist die

Begrenzung der Erderwärmung auf weniger

als 2° C. Warum? Die einfachste Antwort

laut Prof. Schellnhuber: „Die globale Mittel-

temperatur kommt durch Tausende von

Prozessen wie Rückkopplungen, Interdepen-

denzen, Telekonnektionen zustande und ist

in Entstehung und Entwicklung dem

Verhalten der menschlichen Körpertempe-

ratur sehr ähnlich … Die liegt zwischen

36,5° C und 37° C … Ob draußen oder

drinnen, warm oder kalt, der Körper hält die

Temperatur immer im optimalen Bereich für

alle metabolischen Vorgänge … 39° C Körper-

temperatur ist für einen Erwachsenen

ziemlich unangenehm, 5° C oder 6° C mehr

bedeuten Exitus … Lebenswichtige Organe

kollabieren … Ähnlich ist es mit dem System

Erde … Die vitalen Organe, verantwortlich

für die Lebensbedingungen auf unserem

Planeten, sind die großen Ökosysteme: der

Amazonas-Regenwald, das Great Barrier Reef

… die Eisschilde … der Golfstrom … die

Jetstreams zwischen Troposphäre und

Stratosphäre …“

Was geschieht mit diesen lebenswich-

tigen Organen bei Klimaveränderungen?

Wann geraten sie in Schwierigkeiten? Wann

kippen sie um? Wann sterben sie? Die

Beantwortung dieser Fragen, ist eine riesige

wissenschaftliche Herausforderung und,

für den Klimafolgenforscher Prof. Schelln-

huber, „… ähnlich wie damals um die

Wende zum 20. Jahrhundert, als uns Quan-

tentheorie und Gravitationsphysik ein völlig

neues Bild von der Welt gezeichnet haben.

Nur dass wir heute nicht allein die Kräfte

der Natur versuchen zu verstehen, sondern

auch die Kräfte des Menschen in dessen

Interdependenz mit der Natur …“

Die weitere Entwicklung des Klima-

wandels verläuft zurzeit entlang des soge-

nannten RCP 8,5 Szenarios. Dieses von

Wissenschaftlern erarbeitete Szenario für die

Representative Concentration Pathways

(RCP) bewirkt einen, im Vergleich zum

vorindustriellen Zustand, bis zum Jahr 2100

prognostizierten Temperaturanstieg von ca.

4,8° C – vorausgesetzt, der fossile Brennstoff

Kohle wird auch weiterhin zur Energie-

gewinnung eingesetzt. Bis zum Jahr 2500

würde das zu einer globalen Erderwärmung

von ungefähr 8° C, auf den Kontinenten

zwischen 11° C und 12° C führen. „Mit

diesen Werten“, so Prof. Schellnhuber weiter,

„würden wir eine ganze Reihe von Stopp-

schildern überfahren.“ Zunächst betroffen

wären das westantarktische Eisschild,

Grönland, die Korallenriffe; mit Werten ab

etwa 4° C Erderwärmung auch der Golfstrom

und andere Meeresströmungen. Schließlich

würde, bei einem Wärmeplus von ca.

6° C bis 8° C, der ostantarktische Eisschild

abschmelzen, was zu einem Anstieg des

Meeresspiegels von 70 Metern (!) führen

würde. Zum besseren Verständnis: Vor

20.000 Jahren lag der Meeresspiegel 120

Meter tiefer als heute, der große Fennoskan-

dische Eisschild reichte bis Berlin, die Alpen

bedeckte ein großer Gletscher, wovon später

„Restpfützen“ übrig blieben, die heute

Chiemsee, Starnberger See oder Ammersee

heißen.

„Wir sollten wirklich alles tun“, warnt

der Naturwissenschaftler, „um die Stopp-

und Warnschilder nicht zu überfahren! …

Bei der Diskussion über Lösungen sollten

wir die Wahl zwischen 1,5° C und 2° C

Erderwärmung endlich zum Stoppen

bringen …“

Bei der UN-Klimakonferenz 2015 in

Paris, sagt Prof. Schellnhuber, hat man wohl

auch die richtigen Beschlüsse gefasst. Doch

selbst die reichen nicht, um mit einem

blauen Auge davonzukommen: „Wenn wir

nicht verdammt viel Glück haben … dann

haben wir das Raumschiff Erde bereits auf

Grund gesetzt! Das ist die Situation.“

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im wirtschaftlichen, sozialen und vor

allem spirituellen Bereich.“ Dabei erinnert

sich der Naturwissenschaftler an das Pri-

vileg Zuhörer bei der Rede Nelson Mandelas

gewesen zu sein, mit der sich dieser bei

den Berkeley-Studenten für die Divestment-

Bewegung bedankt hat; für den Boykott von

Waren aus dem Apartheid-Regime, durch

den es dann letztendlich in die Knie gezwun-

gen wurde: „Der Sieg über die Apartheid“,

resümiert Prof. Schellnhuber, „wurde also

durch die Moral und nicht mit Waffengewalt

errungen. Nelson Mandela sagte damals, und

das ist seither mein Lieblings-Leitspruch:

‚Everything seems impossible until it’s done.’

Diesen Satz sollten wir uns immer vor Augen

halten.“ Dem ist, mit Blick auf Gegenwart

und Zukunft, nichts hinzuzufügen.

Gegen Ende dieses Jahrhunderts werden

ca. 11 Milliarden Menschen auf der Erde

leben. Prof. Schellnhuber resümiert: „11

Milliarden Menschen, 4° C Erderwärmung

und vielleicht 20 oder 30% Menschen,

die so viel besitzen wie die ärmere Hälfte.

Kann das gut gehen? Ich kann es mir nicht

vorstellen. Das heißt, alles ist falsch auf

diesem Planeten – obwohl wir im Wohlstand

leben! Die Früchte der industriellen Revolu-

tion sind großartig: Wissenschaft, Technik,

Medizin, all diese Dinge. Wir leben im

Paradies, zerstören es aber gleichzeitig. Das

ist die Wahrheit … Was müssen wir jetzt

tun, was können wir tun? Ich glaube es gibt

noch Hoffnung!“

Warnende, aufrüttelnde Worte und am

Schluss seines faktengeladenen naturwissen-

schaftlichen Beitrags zu den 20. Benedikt-

beurer Gesprächen doch noch Tröstliches aus

dem Munde einer hochdekorierten Kapazität

in der Klimafolgenforschung. Voraussetzung

für menschliche Zuversicht beim Gedanken

an die Zukunft ist „eine radikale Umkehr

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‘‘

’’Dr. Spandau

Papst Johannes Paul II. hat geholfen, den

Sowjetkommunismus zu besiegen. Ohne die

protestantische Kirche, wir haben es

vorhin gehört, lassen sich weder Friedens-

noch Umweltschutzbewegungen denken.

Die Kirchentage sind heute ein lebendiges

Zeugnis politischen Engagements. Nun

kommt die Enzyklika „Laudato Si“ mit vehe-

menter Technik- und Kapitalismuskritik, wie

wir heute bereits gehört haben. Sind poli-

tische Aktivitäten das neue Betätigungsfeld

von Christen? Oder anders gesagt: Muss

Kirche neutral sein? Oder muss Kirche Hal-

tung zeigen? Gerade in Bezug auf den Vortrag

von Prof. Schellnhuber und die dramatischen

Szenen, die wir von Frau Dieckmann

geschildert bekommen haben: Muss Kirche

neutral sein, oder muss Kirche Haltung

zeigen?

Diözesanbischof Dr. Hanke

Ich möchte die Frage ein bisschen umfor-

muliert beantworten. Glaube hat Öffentlich-

keitscharakter. Es gibt keinen privaten

Glauben. Das wäre ein deformierter Glaube.

Die letzten Worte Jesu an seine Jünger

lauteten: „Gehet hinaus in alle Welt. Verkün-

det der ganzen Schöpfung das Evangelium.“

Also, wir sind dazu berufen, Sauerteig zu

sein. Der Glaube muss Sauerteig sein. Des-

halb haben wir auch den Auftrag, die frohe

Botschaft des Evangeliums, zu der auch

unsere Verantwortung für die Mitmen-

schen, für das ganze Leben, für die Lebens-

welt gehört, wahrzunehmen und spürbar

zu machen. Das ist jetzt keine spezifisch

politische Schiene – vielleicht könnte es

eine werden. Aber ob es sich dann politisch

niederschlägt und in welcher Form der

Politik und welcher Partei, das ist die Ent-

scheidung des jeweils einzelnen Christen.

Aber die Öffentlichkeitswirksamkeit, die ist

uns mit auf den Weg gegeben.

Dr. Spandau

Ist dann die ökologische Krise eine Art

Offenbarung für die Kirche oder bringt sie

eine neue Anrede an die Gläubigen

mit sich?

Diözesanbischof Dr. Hanke

Die ökologische Krise als Offenbarung,

diese Sicht fällt mir etwas schwer. Denn wir

sind ja Mitverursacher der ökologischen

Krise!

D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

„L AU DATO S I – DI E U MWE LT-E NZ YKLI K A VON

PAP ST F R AN Z I S KU S – R ASC H G E LE S E N , G E SC HWI N D

KOM M E NTI E RT , SCH N E LL VE RG E S S E N?“

Abschließende Diskussion der Referenten und Teilnehmer.

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’’D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

Laudato Si, mit der Papst Franziskus wort-

und gedankengewaltig in die Umweltdebatte

eingegriffen hat. Ja, die Klimafrage wird in

der Enzyklika auch angesprochen – und das

auf bemerkenswert kundige und hellsichtige

Weise. Aber diese Thematik steht nicht

im Zentrum der Kirchenschrift, während sie

zweifellos der Gegenstand ist, um den mein

Buch kreist. Dabei bemühe ich mich, die

Vernunft als Navigationsprinzip zu nutzen,

während die Enzyklika selbstredend sich

vom Glauben leiten lässt. Insofern finden sich

in der Laudato Si und meinem Beitrag eine

Reihe von Gemeinsamkeiten, obwohl die

jeweiligen Befunde und Bewertungen das

Ergebnis völlig unterschiedlicher Auseinander-

setzungen mit Himmel und Erde sind.

Dieses Buch spricht somit, ebenso wie die

Enzyklika, nicht von einer fernen, mystischen

Apokalypse sondern von einem nahenden

profanen Desaster, auf das unsere Zivilisation

starrsinnig zusteuert. Der Begriff Selbst-

verbrennung erscheint mir für diese kollektive

Torheit durchaus angemessen.“ Ende des

Zitats.

Herr Prof. Schellnhuber, ist es wirklich

so dringend, dass wir mit solch kräftiger

Sprache auf die Problematik, die wir haben,

hinweisen, weil wir sonst die Kurve nicht

kriegen?

Prof. Dr. Dr. h.c. Schellnhuber

Die traurige Tatsache ist die, dass diese

Sprache noch untertreibt. Und das ist das

Resultat von 30 Jahren wissenschaftlicher

Auseinandersetzung mit dem Thema.

Wissen Sie, viele meiner Kollegen und Kol-

leginnen sind über die Jahre hinweg einge-

schüchtert worden; im Wesentlichen durch

In der ökologischen Krise, wenn ich das

mal so salopp formulieren darf, ist die

Stimme Gottes an uns gerichtet, etwa derart:

„Wo bleibt eure Verantwortung? Ihr habt

einiges übersehen! Ihr kommt eurem Auftrag,

dem Auftrag, den ich euch gegeben habe,

zu bebauen, zu kultivieren, zu fördern nicht

nach!“ Also es ist eine Herausforderung.

In der ökologischen Krise steckt auch ein

prophetischer Aufruf.

Dr. Spandau

Herr Prof. Schellnhuber, Sie haben ein

Wort angesprochen, das wir auch heute

Morgen schon öfter gehört haben, und das

wir dann vielleicht auch in der Diskussion

noch einmal aufgreifen wollen. Sie haben

gesagt: der Aufruf zur Verantwortung. Etwas,

das aus meiner Sicht immer mehr verloren

geht, ist doch, dass die Menschen sich

trauen Verantwortung zu übernehmen –

auch Verantwortung fürs eigene Leben zu

übernehmen, anstatt sie zu delegieren.

Eine Situation, bei der wir wohl noch einmal

ganz intensiv nachhaken müssen, wenn wir

über andere Lebensstile reden. Meine

Damen und Herren, Sie haben es gestern

mitbekommen: Ich gehe durchaus Risiken

ein, wenn ich hier Bücher zeige. Da kann

man viel Ärger bekommen. Aber ich mache

nur das, was Prof. Schellnhuber schon

gemacht hat: Ich lege Ihnen sein Buch

„Selbstverbrennung“ ans Herz. Es ist dick,

aber unglaublich lesenswert! Ich habe das

nicht nur vorn angelesen, sondern bis ganz

hinten komplett durchgearbeitet. Und ich

möchte kurz aus Ihrem Buch zitieren. Darin

schreiben Sie, ich zitiere: „Dieses Buch

erscheint im selben Jahr wie die Enzyklika ‘‘

wir müssen bei den Investitionen jetzt

schon so massiv umlenken, dass wir

in vielleicht 15 oder 20 Jahren beispiels-

weise Verbrennungsmotoren auf deut-

schen, europäischen und weltweiten Straßen

überhaupt nicht mehr einsetzen müssten.

In Deutschland müssten wir spätestens in

15 Jahren die letzte Braunkohleförderung

schließen. Und wir müssten, um jetzt

eine ganz andere Seite zu betrachten, inner-

halb von fünf bis sechs Jahren ein welt-

weites Moratorium auf die Zerstörung von

Regenwäldern haben. Denn das wirklich

Bestürzende ist doch, durch die Emissionen

tun wir nicht nur das Falsche, wir töten

auch unsere besten Freunde. CO2 wird von

den Weltmeeren, von den marinen Öko-

systemen, vor allem aber auch von den tro-

pischen Kurssystemen gebunden und

aufgenommen.

Statt diese Ökosysteme zu fördern, zer-

stören wir sie auch noch in einer unglaub-

lichen Geschwindigkeit. Gerade habe

ich bei einer wissenschaftlichen Zeitschrift,

die eine Art Roadmap erstellt – man muss

heute ja wohl immer so einen neudeutschen

Begriff verwenden – eine Arbeit eingereicht.

In dekadischen Stufen, Jahrzehnt für

Jahrzehnt bis 2050, wird hier gezeigt, welche

Maßnahmen geschehen müssen, um über-

haupt nur den Hauch einer Chance zu haben,

die Erderwärmung auf 2° C zu begrenzen.

Das beginnt bei der Reform des europäischen

Emissionshandels – wir können gleich noch

darüber sprechen – der in einem skandalösen

Zustand ist. Aber das geht bis tief in Lebens-

stile hinein; und auch darüber sollten wir

noch sprechen.

den Generalverdacht, ein Alarmist zu sein.

Wenn sie aber mit knapper Not ein bren-

nendes Haus gerade noch verlassen können

und „Feuer!“ schreien, sind Sie dann ein

Alarmist? Oder weisen sie vielleicht ihre Mit-

menschen darauf hin, dass vielleicht die

ganze Stadt Feuer fängt? Das ist die Situation.

Aber ich will das jetzt auch kurz auf Zahlen

herunterbrechen. Frau Dieckmann war

dabei, ich war dabei: In Paris ist in der Tat

das denkwürdige Ergebnis erzielt worden,

die Erderwärmung auf deutlich unter 2° C

zu begrenzen. Ob wir 1,5° C schaffen, lasse

ich mal dahingestellt. Das war auch ein

Entgegenkommen an die Entwicklungslän-

der, in diesem Fall durchaus zu Recht. Aber

was bedeutet das? Wir emittieren im Augen-

blick knapp 40 Milliarden Tonnen CO2

aus Bauwirtschaft, Verkehr, Industrie und

so weiter. Und innerhalb der nächsten drei

bis vier Jahrzehnte müssen diese Emissionen

auf null gefahren werden. Auf null! Also

nicht nur etwas reduziert. Das bedeutet,

die Moderne muss komplett neu erfunden

werden. Das geht natürlich nicht über Nacht.

Aber gewissermaßen über Nacht müssen

wir dafür die Grundlagen schaffen. Das heißt,

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’’D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

in den Nachwuchstrainerbereich zu

investieren? Nein, Sie holen den letzten

Stürmer von der Bank, den sie noch

haben – ob er nun Lewandowski, Götze

oder Müller heißt. Und Sie werfen alles

nach vorne, weil es besser ist, mit fliegen-

den Fahnen unterzugehen und 0:4 zu

verlieren, als sich gar nicht zu wehren.“

Im Augenblick sind wir genau in der 110.

Minute: Wir müssen alles gleichzeitig

nach vorne werfen, damit das Spiel Klima

gegen Menschheit schließlich doch noch

3:2 für die Menschheit ausgeht.

Dr. Spandau

Zwei Anmerkungen dazu: Wir wollen

natürlich auch beispielgebend sein. Deswe-

gen gibt es hier an diesem Ort freitags immer

nur fleischlos. Das gehört hier einfach dazu,

in der Hoffnung, dass so etwas vielleicht

auch von einigen Anderen übernommen

wird. Im Rahmen unserer Filmbühne haben

wir kürzlich den Film „Frisch auf den Müll“

gezeigt, in dem dargelegt wurde, dass jeder

von uns im Jahr 80 Kilogramm Lebensmittel

direkt wegwirft. Jeder von uns wirft sie

einfach weg, weil zum Beispiel das Mindest-

haltbarkeitsdatum abgelaufen ist, und das

gibt uns das Recht, diese Lebensmittel

wegzuwerfen. Wie viel in den Supermärkten

aus den Regalen genommen wird, weil

morgen das Mindesthaltbarkeitsdatum

abläuft, das mögen wir gar nicht beurteilen.

In diesem Kontext möchte ich noch einmal

aufgreifen, was der Herr Bischof eben gesagt

hat: das Thema Verantwortung. Sie haben

im Magazin „Stadt“ der Robert Bosch Stiftung

geschrieben: „Die Welt kann nicht warten

auf den perfekten Plan, der von oben vorge-

geben wird. Sie muss von unten selbst

etwas in Gang bringen.“ Zeigen diese großen

Konferenzen nicht auch, und Sie haben es

ja soeben angesprochen, dass wir viel mehr

Jeder von uns kann über Nacht die Klima-

bilanz dieses Planeten verändern – indem er

zum Beispiel auf Schweinebraten verzichtet.

Das ist so! Also ich esse sowieso keinen,

seit ich in meiner niederbayerischen Heimat

jeden Sonntag in einem Wirtshaus einen

Schweinebraten essen musste, der im Wesent-

lichen aus Fett bestand, mit einer hauch-

dünnen Fleischschicht dazwischen und dick

mit Kümmel bestreut. Ich glaube, das isst

man hier im Voralpenland immer noch.

Mir aber hat das für immer die Lust auf

Schweinebraten verdorben. Was ich damit

sagen will: Die schnellsten Effekte beim

Klimaschutz könnte man in der Tat durch

veränderte Essgewohnheiten erreichen.

Allein 15 % aller Emissionen aus der Land-

wirtschaft könnte man vermeiden, wenn wir

Lebensmittel nicht mehr einfach weg-

schmeißen würden. Das ist erschreckend.

Das heißt, von den eigentlich absolut selbst-

verständlichen Maßnahmen – dem Respekt

vor Lebensmitteln, dem Respekt vor denen,

die sie sich nicht leisten können, bis hin

zu technischen Neuerungen und Reformen

von Institutionen – müssten wir im Augen-

blick quasi alle ergreifen! Ich will Ihnen ein

letztes Beispiel geben. In einer Diskussion

vorgestern in Hannover bin ich vom Cheflob-

byisten der deutschen Automobilindustrie

etwa in dem Sinne angesprochen worden:

„Ja, wir haben verstanden: Klimaschutz ist

sinnvoll, aber wir dürfen nichts überstürzen.

Wir agieren wie die Förster, die nach und

nach eine Generation von Bäumen wachsen

sehen.“ Er hat sich also einen grünen

Anstrich gegeben. Und ich habe dann gesagt:

„Nein, es ist anders. Es ist wie beim Champi-

ons League Finale. Wenn Sie im Champions

League Finale in der 110. Minute in der

Verlängerung 0:2 zurückliegen, was machen

Sie dann? Denken Sie dann darüber nach, ‘‘

Dr. Spandau

Wenn man auf die Homepage der Welt-

hungerhilfe schaut, dann wurden 2015 ver-

schiedene Forderungen an die großen Konfe-

renzen der Welt formuliert. Es wurden

Forderungen an die Klimakonferenz in Paris

formuliert, es wurden an den UN-Gipfel in

New York konkrete Forderungen zur nachhal-

tigen globalen Entwicklung formuliert, es

wurden Forderungen an die Finanzierungs-

konferenz, die in Äthiopien stattgefunden hat,

formuliert. Da haben Sie, Frau Dieckmann,

sich ganz deutlich geäußert. Sogar zur G7-

Konferenz haben Sie ganz explizite Stellung-

nahmen abgegeben, aber noch nicht zur

Laudato Si. Wir haben Sie ja zum Glück heute

eingeladen, um das hier korrigieren zu

können. Hat die Laudato Si dann vielleicht

doch nicht die Bedeutung wie diese anderen

Konferenzen?

Bärbel Dieckmann

Das ist eine interessante Frage in der

momentanen entwicklungspolitischen Szene

insgesamt. Herr Minister Müller hat ja vor

einigen Monaten in einer großen Rede in

Berlin damit begonnen, diese Frage zu stellen:

Was hat Entwicklungszusammenarbeit auch

mit den Religionen weltweit zu tun?

Bottom-up, also freiwillige Verände-

rungen aus der Gesellschaft heraus anstre-

ben müssen, als dass wir sie uns von oben

aufdrücken lassen? Waren die großen

Veränderungen, wir haben es hier gestern

Abend in unserem Rückblick von Sepp

Daxenberger gehört, nicht allesamt Verän-

derungen, die von den Menschen, von

Bottom-up also, ausgegangen sind?

Prof. Dr. Dr. h.c. Schellnhuber

Nein. Ich thematisiere das in meinem

Buch auch, in dem Kapitel „Klimaschutz

als Weltbürgerbewegung“. Ich habe das

früher auch immer gedacht. Aber wenn ich

einen öffentlichen Vortrag hielt, stand am

Schluss in der Regel ein älterer Herr auf und

sagte: „Die Lösung ist Kernkraft.“ Glauben

Sie mir, das ist nicht die Lösung. Aber

darüber können wir jetzt lange diskutieren.

Doch meistens stand dann auch eine ältere

oder auch jüngere Dame auf und fragte:

„Was kann ich als Einzelne tun?“ Früher

habe ich immer gedacht, das sei eine unpoli-

tische Frage: Wir haben den Emissionshandel,

wir haben Rahmenbedingungen, die wir

setzen, wir können Steuern einnehmen.

Aber dann habe ich irgendwann vor ein paar

Jahren begriffen, das ist die politischste aller

Fragen überhaupt: Was kann ich als Einzel-

ner tun? Zumindest in einer demokratischen

Gesellschaft geht alle Macht vom Volke aus:

als Konsument, als Wähler, als Kleinsparer,

als Investor, als was auch immer! Das größte

Unternehmen bricht in die Knie, wenn keine

Kunden mehr durch die Ladentür kommen.

Große Banken brechen zusammen, wenn die

kleinen Anleger ihr Geld abziehen. Mit

anderen Worten, die Politik muss die rich-

tigen Rahmenbedingungen setzen. Der Papst

kann ein großes Narrativ erzählen, das uns

Orientierung gibt. Aber für ihre eigene

Zukunft sind die Menschen schon selbst

verantwortlich.

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D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

sind uns trotzdem immer bewusst, dass

es am Ende auch politische Entscheidungen

sein müssen, um die Weichen auf Erfolg

zu stellen. Und, Herr Prof. Schellnhuber, ich

stimme in sehr vielen Punkten mit Ihnen

überein. Aber ich bin nicht ganz so optimis-

tisch, ob der politische Druck von Wählern

und Wählerinnen in den vergangenen Jahren

wirklich groß genug war, um tatsächlich

politische Entscheidungen zu verändern.

Wenn Sie nämlich fragen, nach welchen

Kriterien wählen die Wähler? Dann ist das

Wahlmotiv nicht in erster Linie der Klima-

wandel, nein, man wählt aus ganz anderen

Gründen. Deshalb glaube ich, müssen wir

Politik und Willensbildung von unten

ergänzen. Das wird ohne politische Entschei-

dungen nicht gehen. Für mich ist da übri-

gens immer Al Gore ein ganz interessantes

Beispiel, dessen Haltung ich in den vergan-

genen Jahren sehr schätzen gelernt habe. Ich

habe ihn auch mehrfach erlebt. Als Vizepräsi-

dent der Vereinigten Staaten hat er Klima-

schutz nicht wirklich in Angriff genommen;

was uns wiederum zeigt, welche Abhängig-

keiten von ganz anderen Kräften es in der

Politik gibt. Vielleicht kommen wir in diesem

Punkt nachher auch noch mal zur Wirt-

schaft.

Dabei hat er sich natürlich nicht nur auf

den Katholizismus und den Protestantismus

bezogen, sondern vielmehr darauf, was zum

Beispiel Buddhismus in Myanmar und was

Hinduismus in Indien bedeutet? Wie weit

haben Religionen auch Einfluss auf politische

Entscheidungen? Vorher gab es eher bei den

Entwicklungsorganisationen – sicher nicht

bei Miserior oder Brot für die Welt – eine

Orientierung, wie wir sie vertreten haben:

Wir wollen einen säkularen Staat, denn nur

dann gibt es Religionsfreiheit. In vielen

Organisationen ist das auch schon der Fall.

Ich vertrete also eher die Meinung, dass

Religionen auch einen großen Einfluss auf

die Willensbildung der Menschen haben –

auch bei Entwicklungen, die eher kritisch für

uns sind. Deshalb bleibe ich trotzdem dabei,

nur ein säkularer Staat bedeutet Religions-

freiheit, und wir brauchen eben auch die

politischen Entscheidungen. Lassen Sie mich

bitte noch einen Satz dazu sagen, warum wir

dazu Stellung nehmen: In den acht Jahren

meiner Projektbesuche habe ich eigentlich

kein Projekt kennengelernt, bei dem ich

nicht sagen könnte, dass es den Menschen

dort, wo wir gearbeitet haben, hinterher

nicht besser ging als vorher. Aber da können

wir eine noch so gute Arbeit machen: Wir ‘‘

Diözesanbischof Dr. Hanke

Herr Prof. Fetzer, danke, dass Sie mich

direkt darauf schnell noch etwas sagen

lassen.

Frau Dieckmann, Sie haben natürlich

Recht. Ganz klar, bei den Wählern hatten

Klimapolitik und Umweltpolitik nicht

die Priorität bei den letzten Wahlen. Aber

weshalb nicht? Weil wir es noch nicht

geschafft haben, die mentale Revolution in

unseren Köpfen und Herzen zu vollziehen.

Und daran, glaube ich, müssen wir arbeiten.

Dann wird sich auch die Politik ändern.

Dr. Spandau

Herr Prof. Fetzer, bevor sie auf Prof.

Schellnhuber eingehen: Rockefeller, das

Symbol des Raubtierkapitalismus, das

Symbol für unermesslichen Reichtum, steigt

aus dem Ölgeschäft aus und investiert in

Zukunft nur noch ökologisch. Das haben

wir Zeitungsberichten entnehmen können.

Rockefeller wird zum Gutmenschen,

der schlicht ausgerechnet hat, wo unterm

Strich die bessere Rendite erspielt wird,

schreibt der Tagesspiegel am 29. März dieses

Jahres. Und auch unsere Stifterin, die

Allianz, hat 2015 angekündigt, nicht länger

in Bergbau- und Energiefirmen zu investie-

ren, die mehr als 30 % des Umsatzes aus

der Stromerzeugung mit Kohle generieren.

Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges

Zeichen. Da müsste ihr Herz doch regel-

recht höherschlagen?

Prof. Dr. Dr. h.c. Schellnhuber

Ich würde gerne noch eine Replik machen.

Dieses Argument verstehe ich natürlich. Ich

sage nicht, dass die Politik in den Institu-

tionen keine Rolle zu spielen hat. Aber man

darf nicht Ursache und Wirkung verwechseln.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel, und das habe

ich hautnah erlebt. Ich kenne Angela Merkel

seit dreißig Jahren und habe sie bei mancher

Gelegenheit beraten. 2011 ist im März

etwas geschehen, das die Welt verändert hat:

das große Erdbeben, der Tsunami und dann

der Reaktorunfall in Fukushima. Die Politik

musste darauf innerhalb von zwei Tagen eine

Reaktion entwickeln. Sie wissen, Angela

Merkel hat sich der Presse gestellt und gesagt:

„Obwohl wir gerade vor ein paar Monaten

einen Verlängerungsplan für die Kernkraft in

Deutschland beschlossen haben, machen wir

jetzt eine Kehrtwende um 180 Grad.“ Es gab

natürlich die verschiedensten Reaktionen –

von Häme bis Entsetzen, doch es gab auch

Beifall. Aber glauben Sie, dass diese Entschei-

dung gefallen wäre, wenn nicht jede Befragung

auf der Straße gezeigt hätte, dass 95 % der

Menschen erwarten, dass genau das geschieht,

und wenn nicht dreißig Jahre lang eine

Anti-Atomkraft-Bewegung aufgebaut worden

wäre? Deswegen Folgendes: Es müssen

verschiedene Dinge zusammenkommen –

die Natur muss zu uns sprechen, und das

wird sie spätestens beim nächsten Hurricane

oder bei der nächsten Sturmflut. Da können

Sie ganz sicher sein. Und ihre Sprache wird

immer deutlicher werden. Die Grundstim-

mung in einer Bevölkerung muss sein, dass

wir die Bewahrung der Schöpfung wichtiger

nehmen, als nur immer reicher zu werden.

Dann wird die Politik auch die richtigen

Entscheidungen treffen; jedenfalls wenn es

Politiker sind, die ihrer historischen Verant-

wortung gerecht werden.

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’’D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

nehmen. Denn dann brauchen Verände-

rungen mehr Zeit, als uns die Klimaforschung

im Moment sagt. Und wie man diesen Zeit-

Gap auflöst, weiß ich auch nicht. Das ist in

der Tat ein Problem. Nur, was macht man

jetzt daraus?

Das Deutsche Netzwerk Wirtschaftsethik

gibt es jetzt seit 1993 und Wirtschaftsethik

schon ein bisschen länger. Im Wesentlichen

geht es immer um drei Themen: die Werte-

ebene, die Unternehmensebene, die Makro-

ebene und darum, diese drei Ebenen zu

verknüpfen. Was sind wirtschaftsethische

Fragestellungen? Worum geht es eigentlich

bei den Wertethemen? Bei den Panama

Papers, zum Beispiel, geht es schon längst

nicht mehr um die Frage, wie das Geld hin-

und hergeschoben wird. Da geht es um

eine ganz andere Frage, nämlich: Wie viel

Privatheit ist überhaupt noch legitim?

Welche Form von Nichttransparenz wird in

der Gesellschaft in fünfzig Jahren noch akzep-

tiert sein? Ob die Welt besser wird, wenn

Transparenz zum Selbstzweck wird, ist eine

ganz andere Frage. Werteebene heißt:

Verstehen, welche Fragen da enthalten sind.

Herr Schellnhuber, ich kann es gar nicht

glauben, dass es tatsächlich noch Menschen

gibt, die sagen, dieses Phänomen gibt es

nicht.

Das Zweite ist die Unternehmensebene –

auch eine eigene Ebene; und dann, wie

gesagt, ist da drittens noch die Makroebene.

Die Frage ist, was passiert auf welchen

Ebenen? Individualebene Unternehmen und

Gesamtgesellschaft – das ist schon etwas,

worüber man ein bisschen nachdenken kann;

und die meisten, die mit viel moralischer

Empathie an die Sache herangehen, geben

Prof. Dr. Fetzer

Also die Frage, wobei mein Herz höher-

schlägt, gehört eher nicht auf dieses Podium.

Aber es ist zumindest ein Zeichen dafür, dass

es Veränderungen gibt. Herr Prof. Schelln-

huber würde natürlich sagen, es geht alles

viel zu langsam. Das ist auch vollkommen

richtig. Ich bin jetzt wohl auch ein bisschen

polemisiert worden; ist natürlich auch ein

bisschen Rollenspiel. Wenn Sie mich fragen

würden: „Wo stehen Sie denn jetzt eigent-

lich? Was hat das jetzt mit dieser Wirtschafts-

ethik auf sich, die ich hier natürlich auch als

Vorstand des Deutschen Netzwerks Wirt-

schaftsethik vertrete?

Dr. Spandau

Dann formuliere ich meine Frage um:

Wann schlägt ihr Herz höher?

Prof. Dr. Fetzer

Das interessiert Sie jetzt gar nicht.

Dann würde ich natürlich sagen, wir sind

so ein bisschen die Wirtschaftsversteher

unter den NGOs.

Dr. Spandau

Das ist schon einmal kein Nachteil.

Prof. Dr. Fetzer

Das ergibt einen unterschiedlichen

Sprachduktus. Wenn ich die Audi-Gespräche

geführt hätte oder wir die Förster wären, die

langsam umsteuern – das muss man immer

peu à peu machen. Da wäre ich, denke ich,

vollkommen dabei. Damit wurde auch

ganz sicher vor 40 Jahren angefangen, als

man das schon alles wusste. Das heißt, diese

Frage ist richtig. Wir können Drohszenarien

malen ohne Ende, besonders wenn wir

Kulturfragen und Denkmentalitäten mit- ‘‘

unmittelbar vor der Wertungsfrage auf.

Dann müssen wir uns alle ändern, oder man

sucht irgendeinen Sündenbock. Dabei haben

wir immer die Aufgabe, ein bisschen mehr

Komplexität reinzukriegen, weil es da auch

recht verstörende Sätze gibt. Aus unserem

Stall stammt zum Beispiel so ein Satz: „Wir

müssen solidarisch sein.“ Natürlich muss

die Welt solidarisch sein. Dann kommt der

Kollege Homann und sagt: „Na ja, Wettbe-

werb ist das beste Mittel zur Verwirklichung

der Solidarität aller Menschen, also brauchen

wir mehr Wettbewerb.“ So würde das heute

natürlich niemand sagen. Aber es stellt

sich die Frage, welche Instrumente in einer

anonymen, globalisierten Welt tatsächlich

solidaritätsfördernd sind; und ob die immer

nur im Herzen sein müssen. Ich glaube,

ohne Herz geht es nicht. Aber gibt es nicht

auch Instrumente, bei denen wir emotional

vielleicht sagen, die sind uns unsympathisch?

Manchmal muss man da eben auch gegen

den Strich denken, und das ist eine unserer

Aufgaben. Ich möchte das mal an einem

Solidaritätsbeispiel klarmachen: Korruption

wird glücklicherweise in der Enzyklika als

eines der Themen angesprochen. Ich bin in

einem Bauunternehmen aufgewachsen,

und da hat sich in den 60er-Jahren der

Innungsobermeister noch hingestellt und

gesagt: „Wir machen uns doch mit den

Preisen wechselseitig das Leben schwer. Wir

müssen solidarisch sein.“ Wenn Menschen

Solidaritätsgefühle unter den Teilnehmern

der gleichen Marktseite haben, dann nennt

man das heute Kartellabsprachen. Irgend-

wann unter Ludwig Erhard – ist die Brigade

Erhard losgelaufen und hat gefordert: „Wir

brauchen ein Kartellrecht!“ Wie auch immer,

erst Ende der 90er-Jahre gab es erst einmal

vernünftige Regelungen – und es gab die

Kronzeugenregelung. Im Moment fliegen alle

Kartelle auf. Wir bauen jetzt gerade ernsthaft

das Vermächtnis von Ludwig Erhard in

unsere Rechtsordnung ein. Das sind lange

Prozesse, die man dann aber auch in dieser

Dimension deuten soll; und es ist nicht

immer gleich die moralische Intuition, die

uns zu einer Antwort führt.

Kommen wir zu den Makrofragen.

Also, wenn der Klimaforscher politisch wird,

wechselt er dann gleich die Szenerie? Ich

denke, es gibt da schon auch eine natürliche

Nähe zwischen den Feldern. Ich bin stark

von Luhmann1 geprägt: Wissenschaftssystem,

Politiksystem, Wirtschaftssystem und in der

Frage der moralischen Orientierung. Da

haben Kirchen die Aufgabe, auch solche

Werte anzusprechen, die vielleicht auch in

den anderen Systemen nicht so arg kontra-

produktiv sind. Irgendwie gehören die

zusammen, wir haben das in der Adenauer

Stiftung beim Thema Gemeinwohl mal so

gemacht. Jedenfalls ist eine gute Gesellschaft

eine Gesellschaft, in der die eben genannten

vier Themen gleichberechtigt zusammen-

wirken und wo nicht eines der Systeme –

auch nicht das ökonomische – dominiert.

1 Niklas Luhmann (1927 – 1998), deutscher Soziologe

und Gesellschaftstheoretiker

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D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

Ich finde die Idee, diese Themen

zusammenzuführen, und die Idee, die zum

Beispiel Horst Köhler in diesem Zusammen-

hang immer propagiert, die Welt als globale

Partnerschaft zu denken, wunderbar –

sich also einfach mal die Frage zu stellen,

wer hat dabei welche Aufgabe zu erfüllen.

Also, jetzt haben wir 17 Weltziele, unter-

teilt in 169 Einzelziele. Diejenigen mit dem

politischen Gedanken im Kopf stehen schon

alle da und sagen, jetzt müssten wir einmal

so eine Welt-Planwirtschaft „Wer macht

was?“ aufstellen. Dann brauchen wir beglei-

tende Monitorings, Messungen und so

weiter …

Leute, Wirtschaft funktioniert anders –

und globale Wirtschaft sowieso! Wo sind

die richtigen Anreize? Damit sind wir

beim Emissionshandel, wo zum Beispiel

das Thema Anreize setzen überhaupt nicht

vorkommt. Es gibt aber auch Gefangenen-

dilemma-Situationen. Das ist unser täg-

liches Brot in der Wirtschaftsethik: Eigent-

lich wollen alle das Gleiche und Gute,

sie tun es aber nicht! In der Endphase der

Finanzkrise konnten Sie mit keinem Banker

reden – jedenfalls nicht im Vertrauen – der

beim Wein nicht gesagt hätte: „Natürlich

geht das den Bach runter. Aber wenn ich als

Erster aussteige, verliere ich meinen Job.“

Es gibt einfach Chicken Games, Feiglings-

spiele: Wer zuerst bremst, hat verloren.

Wenn das die Spielregel ist, dann frage ich

Sie, wie heben wir das auf? An dieser Stelle

könnten wir lange konsensorientiert disku-

tieren. Dass ich an dieser Stelle Wert auf

andere Akzente lege – selbst in der Hoffnung

und mit dem Vertrauen, dass sich der Einsatz

lohnen würde – gehört ein bisschen zur

Wenn ich jetzt aber den Systemwechsel

einleite und sage, ich kann ausrechnen, dass

wir jetzt ganz schnell sein müssen, dann

haben Sie genau die Fragen, die Hans Jonas

im letzten Kapitel, im „Prinzip Verantwor-

tung“, schon gestellt hat. Wenn es eilig wird,

wenn Sie Gesellschaften schnell umbauen

wollen, dann können Sie nicht mit Demokra-

tie, Wertevermittlung und Ordoliberalismus

arbeiten. Und diese Frage hat Hans Jonas

präzise gestellt. Denn die schnelle Industria-

lisierung hat Stalin in Russland besser hin-

gekriegt als die Engländer. Die Frage ist,

wollen wir das? Oder müssen wir nicht auch

feststellen, es gibt Menschenrechte, es gibt

Freiheitsrechte. Wir haben die Idee einer

freien Welt, zu der auch gehört, dass wir über-

haupt noch leben, keine Frage. Gehören da

nicht auch alle gleichberechtigt zusammen?

Wir müssen immer ausbalancieren, wo

wir die Dringlichkeit der Aufgaben sehen

und wo sie in Konflikt gerät mit anderen

gesellschaftspolitischen Aufgaben. Ich sage

Ihnen nicht etwa, dass ich hier die Welt-

formel habe. Sondern ich sage, dass wir bei

diesen Makrothemen auch ein bisschen

vorsichtig sein müssen. Und ich bin begeis-

terter Propagator der Nachhaltigkeitsziele. ‘‘

Polemik. Wir können uns dann ja hinterher

noch zusammensetzen und diesen Weltplan

fertigstellen.

Dr. Spandau

Also hochspannend! Wir werden auch

darauf gleich noch tiefer eingehen. Haben

Sie bitte Verständnis, wir müssen Bischof

Gregor Hanke vorher noch verabschieden.

Diözesanbischof Dr. Hanke

Ich würde es auch gern hören!

Dr. Spandau

Das heißt, Sie haben noch mehr Zeit?

Diözesanbischof Dr. Hanke

Die Firmung muss warten.

Prof. Dr. Dr. h.c. Schellnhuber

Zunächst einmal, ich finde das sehr

interessant, Herr Fetzer. Ich finde es auch

gut, dass ich mit Ihnen hier sitze und Sie

mein Sparringspartner sind. Ich wollte

sie nämlich auch etwas fragen. Erstmal zur

Spieltheorie, mit der ich mich auch ein

bisschen befasst habe. Sie ist ja von John

von Neumann entwickelt worden, einem

bekannten theoretischen Physiker. Und

die Spieltheorie sagt im Wesentlichen –

Gefangenendilemma und dergleichen –

dass Menschen halt am Schluss doch ihren

Eigennutz zu maximieren versuchen. Und

dass am Schluss im Grunde genommen alle

angeschmiert sind, das Kollektiv sowieso.

Das Interessante ist aber, im Institut für

Advanced Studies in Princeton, wo ich auch

einmal gearbeitet habe, da haben diese

frühen Spieltheoretiker versucht, das in

der Wirklichkeit nachzustellen. Als Versuchs-

kaninchen haben Sie die Sekretärinnen

genommen. Die Spieltheoretiker waren

völlig erbost darüber, dass sich diese

Frauen viel solidarischer verhalten haben,

als in der Theorie vorhergesagt. Das hat

einfach nicht funktioniert. Der Mensch hat

sich hier also nicht als Homo oeconomicus

maximiert, sondern er hat sich solidarisch

verhalten. So viel zur Spieltheorie. Insofern

ist deren Reichweite für die Wirklichkeit

sehr begrenzt.

Zweite Bemerkung: Wenn ich Sie richtig

verstanden habe – aber vielleicht sagen Sie

es noch einmal oder bestätigen das – haben

Sie eine Art Gegensatz konstruiert zwischen

einer freiheitlich-demokratischen, toleranten,

diskursiven Gesellschaft und der schnellen

Lösung von Problemen. So nach dem Motto:

Das Zentralkomitee der Kommunistischen

Partei Chinas kann schnell was lösen, aber

wir können es nun einmal nicht. Das heißt,

Sie konstruieren meiner Meinung nach

einen falschen Gegensatz zwischen Freiheit-

lichkeit und angemessener verantwortungs-

voller Reaktion auf ein großes Problem.

Ich glaube im Gegenteil, dass freiheitlich-

demokratische Gesellschaften die einzigen

sind, die wirklich große Probleme lösen

können.

Dritte Bemerkung: Ich hab’ da mal so

eine Idee, und dazu möchte ich jetzt den

Wirtschaftswissenschaftler gerne etwas

fragen – oder den Wirtschaftsethiker, wie

auch immer. Sie sind ja ein multiples

Talent, glaube ich: Wir haben das vor

Kurzem mit sehr angesehenen Ökonomen

diskutiert. Ich glaube, es gäbe eine sehr

gute Möglichkeit, bei der wir aber, wie

stets bei politischen Entscheidungen, am

Schluss die Wertfrage stellen müssen.

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bezahlen mussten. Zum Beispiel für

CO2-Emissionen und dergleichen. Was wäre

denn, wenn wir diesen Deutschlandfonds

speisen würden mit einem Gemeinwohlanteil

bei der Vererbung: progressiv 50 % bei großen

Vermögen, arme Leuten zahlen gar nichts

ein. Was glauben Sie, wie schnell wir die

nötigen Gelder zusammen haben? National-

fonds, die sich durch das Weitergeben unse-

res Vermögens an künftige Generationen

ergeben, wären bei unserem Klimaproblem

völlig logisch. Sie können also gern eine

Individualkomponente behalten, geben aber

einen Teil dem Gemeinwohl weiter. Was

halten Sie von diesem Vorschlag?

Dr. Spandau

Ein wunderbarer Vorschlag, das disku-

tieren wir gleich. Übrigens, das Zentrum

für Umwelt und Kultur bekommt auch

etliche Erbschaften, wodurch dann wieder

die Bewahrung der Schöpfung entsteht. Also

da ist schon auch Einiges in Bewegung

gekommen. Herr Bischof, bevor sie gehen,

eine kurze Frage: Wie lange Sie antworten,

ist jetzt ganz Ihre Sache. Was nehmen Sie

heute aus Benediktbeuern mit?

Diözesanbischof Dr. Hanke

Dass hier offen diskutiert werden darf.

Dass wir weiterhin, um zum Ziel zu kom-

men, diskutieren müssen – und darauf

möchte ich noch eingehen: Ich habe mich

jetzt an eine Situation erinnert, die Psycho-

therapeuten ja immer wieder unterkommt.

Herr Prof. Schellnhuber hat Eckdaten

genannt, die ganz klar evident sind. Daran

ist nicht zu rütteln. Das ist die Zukunft.

Prof. Fetzer hat auch Realitäten benannt,

nämlich dass der Wandel nicht so leicht zu

machen ist. Dass wir die menschliche

Was wir wissen, ist, dass heute auf der

Welt etwas ganz Paradoxes vor sich geht:

Wir haben einen Liquiditätsüberdruck. Das

heißt, Billionen flottieren um den Erdball

und landen in Panama oder sonst wo,

gleichzeitig haben wir einen ungeheuren

Investitionsstau.

Die beiden Partner kommen nicht zusam-

men, die Ehe wird nicht vollzogen. Beim

Klimaschutz wissen wir genau, wo wir

investieren müssten, doch das Geld dafür

ist angeblich nicht da. Das liegt auf Privat-

konten, noch und nöcher. Jetzt kommt

meine Lösung des Problems, das ist wahr-

scheinlich völlig naiv, denn ich bin Physiker.

Es ist eine Idee, die beim ökonomischen

Diskurs entstanden ist. Ich habe viel zu

tun mit dem norwegischen Staatsfonds. Die

Norweger haben sich inzwischen auch

entschieden, aus der Kohleförderung aus-

zusteigen. Mit seinen 800 bis 900 Milliarden

Euro ist der norwegische Staatsfonds der

größte der Welt. Das Geld wird angelegt in

Aktien, sicherlich, aber auch nach ethischen

Gesichtspunkten. Das Parlament hat beschlos-

sen, aus der Kohleförderung auszusteigen.

Genau solche Nationalfonds bräuchten wir,

um die entsprechenden Infrastrukturmaßnah-

men durchzuführen – für Elektromobilität

oder wofür auch immer. Was wäre denn,

wenn wir einen Deutschlandfonds auflegen

würden, den man zum Beispiel aus der

CO2-Steuer speisen könnte oder so. Aber ich

habe eine weitergehende Idee: Wenn Sie

etwas vererben, dann ist das etwas, was an

künftige Generationen weitergegeben wird.

Aber strikt privatisiert: Sie geben es nur

weiter an Ihr eigenes Fleisch und Blut. Das

Vermögen ist jedoch aufgehäuft worden,

indem Sie die Externalitäten niemals ‘‘

Schwerkraft bedenken müssen und dass

die Wirtschaft gewisse Eigendynamiken hat.

Was Sie jetzt von den großen Wirtschafts-

konglomeraten schildern, erlebe ich ja im

privaten persönlichen Bereich genauso. Ich

meine, ich verhalte mich da auch oft doppel-

bödig. Ich will ökologischer sein, muss

mich aber anders verhalten. Heute Morgen,

zum Beispiel, habe ich mit Blick auf diese

Tagung überlegt, ob ich nicht von Eichstätt

aus mit dem Zug anreise. Dann hätte ich

es aber bis 9:30 Uhr nicht geschafft …

Dr. Spandau

Wir geben das gern an die Bahn weiter.

Diözesanbischof Dr. Hanke

... Also habe ich mich entschlossen,

mit dem Wagen zu kommen. Das ist ein

Kompromiss und entspricht nicht ganz

meinem Ideal, das ich eigentlich gerne gehabt

hätte. Gut, aber jetzt noch mal zurück zu

dieser therapeutischen Situation. Es muss

etwas geschehen. Gibt es denn, eine Frage

an Sie beide, Prof. Schellnhuber und

Prof. Fetzer, gibt es denn nicht die Möglich-

keit, zwischen einem unveränderlichen

Eckdatum und einer Situationsbeschreibung,

die auch viel Realität in sich trägt, einen

Prozess in Gang zu setzen? In der Psycho-

therapie spricht man oft von der paradoxen

Intervention, die dann plötzlich den Knoten

löst. Eine solche paradoxe Intervention

haben wir ja auch im Gesellschaftspoli-

tischen erlebt, nämlich mit Fukushima. Auf

einmal ging da etwas, auf einmal kam ein

Prozess in Gang, den man politisch so nicht

hätte planen können. Meine Frage: Gibt es

nicht auch dieses Instrumentarium, mit dem

wir einen Prozess in Gang bringen können,

der wirklich diese beiden Realitäten mitein-

ander vermengt, um dem Ziel näher zu

kommen? Ich bin ja kein Wissenschaftler.

Und ich denke hier als Laie an die nicht ganz

einfache Aufgabe zurück, die ich 1993/94

hatte: mein Kloster mit allen seinen Betrie-

ben auf Ökologie umzustellen. Die erste

Kapitelsitzung: „Das geht nicht. Wie soll das

gehen?“ Zu dritt haben wir dafür plädiert,

die anderen waren hervorragende Bedenken-

träger, die auch tatsächlich Argumentations-

hürden aufgebaut hatten. Die musste man

nun ehrlicherweise überspringen, um ans Ziel

zu kommen. Das ist jetzt natürlich ein

Beispiel auf niedriger Ebene. Ich habe dann

einen Prozess in Gang gesetzt, habe Fach-

leute von außen geholt und immer wieder

den Konvent in Situationen versetzt – durch

eine Bildersprache und viele, viele Gespräche.

Nach einem Jahr ist die Abstimmung nicht

nur mit absoluter Mehrheit, sondern mit über-

wältigender Mehrheit für die Umstellung auf

Ökologie, für die komplette Umstellung des

Klosters in allen Bereichen vonstatten gegan-

gen. Klar, das ist ein definierter, kleiner,

familiärer Bereich. So ein Kloster ist schließ-

lich keine offene Gesellschaft, in der ja noch

wesentlich andere Faktoren zu berücksich-

tigen sind. Aber jetzt will ich aufhören und

lieber hören: Kann man denn nicht so

einen Prozess initiieren?

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Erbschaftssteuer-Urteil? Natürlich zitiere

ich dann einen der Väter der sozialen Markt-

wirtschaft, der sagte: „Das Vererben ist das

Überbleibsel einer feudalistischen Gesell-

schaft.“ Wenn wir in Individuen denken,

dann fängt jedes Individuum neu an, und das

Einzige, was an dieser Stelle hilft, ist eine

Erbschaftssteuer von 100 %. Das kann ich an

dieser Stelle sehr wohl sagen, würde mich

aber erst noch einmal mit den katholischen

Freunden abstimmen. Weil dadurch natür-

lich das Thema Familie als Kern der Gemein-

schaft an Bedeutung verliert. Gut, wir

können das ja mal denken, und da bin ich im

Prinzip sofort dabei. Und ja doch, einfach

auch mal kurz darüber nachdenken, ganz wie

Papst Franziskus es jetzt in dieser Enzyklika

fordert. Die Risiken und Nebenwirkungen

eben nicht in andere Systeme zu denken und

dann sagen: Was bedeutet das für Familien –

also nicht nur für Familienunternehmen

steuerlich oder so, das ist jetzt gar nicht wich-

tig – sondern was bedeutet das langfristig für

die Beziehungsstrukturen? So etwas darf

man dann auch mal mitdenken, und da wäre

ich auch durchaus dabei. Sie sehen also,

wenn wir uns einigen, gibt es wieder ein

neues Thema.

Aber was wirklich wichtig ist: Natürlich

ist die Welt nicht so, und die Spieltheorie

funktioniert nur dann, wenn die Leute

gar nicht miteinander reden können. Wir

wissen aber doch, dass wir miteinander

reden können. Wir sind 7,3 Milliarden

Menschen weltweit, und hier bei uns rund

80 Millionen. Im politischen System in

Berlin – ich nehme das immer wahr – ist

es höchst spannend, ob es denn klappt,

dass zwei Ministerien mal miteinander reden

oder nicht. Ressort-Logiken haben eine ziem-

lich hohe Eigenlogik. Und es steckt schon

Einwurf Dr. Spandau

Das heißt, Sie haben immer noch Zeit?

Wunderbar!

Diözesanbischof Dr. Hanke

Ich hab’ heute schon eine ökologische

Sünde begangen, indem ich mit dem Auto

angereist bin. Ich beichte hier gleich die

zweite: Wir werden uns nicht in allem immer

an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten.

Dr. Spandau

Bitte, Herr Prof. Fetzer.

Prof. Dr. Fetzer

So, der Therapeut hat …

Diözesanbischof Dr. Hanke

Ich bin kein Therapeut.

Prof. Dr. Fetzer

Na ja, Sie haben ja diese Rolle gerade

eingestellt.

Dr. Spandau

Wie führen wir diese Welten zusammen?

Prof. Dr. Fetzer

Na ja, ich wurde jetzt jedenfalls erstmal

in eine Rolle gebracht, und da muss ich

jetzt dringend wieder raus, aus dieser Beden-

kenträgerrolle des Bremsers und so weiter …

Da hab ich jetzt null Bock drauf, um das mal

ganz vorsichtig zu sagen. Und diese Prozes-

se, die gibt es natürlich. Und dass man in so

einem Gespräch eine bestimmte Position

einbringt, das macht schon Sinn. Da bin ich

auch sofort dabei. Bei der Erbschaftssteuer

gab es schon vor einem Jahr oder vor andert-

halb Jahren das Urteil vom Bundesverfas-

sungsgericht. Da klingelte bei uns das Tele-

fon: Ist die Welt jetzt gerechter mit diesem ‘‘

ziemlich viel Realitätsgehalt drin, sich

auch mal vorzustellen, dass wir nicht ständig

mit jedem anderen reden müssen, sondern

eben jeder seine Peergroups um sich hat

und jeder seine Eigenlogiken entwickelt und

pflegt. Wir müssen die Veränderungen der

Gesellschaft auch so denken, dass wir sie

zumindest in Teilen weiterhin zur Kenntnis

nehmen. Für die Wirtschaft heißt das, sie ist

an dieser Stelle ganz schlecht aufgestellt.

Sie haben das mit dem Fußballspiel ange-

sprochen: Wenn man nur noch eine Viertel-

stunde Zeit hat und man 0:2 zurückliegt –

genauso ist das in der Weltgesellschaft: Der

Schiedsrichter ist schon längst gegangen,

ein paar Büsche sind gepflanzt, dann steigt

man plötzlich um von Fußball auf Faust-

kampf, weil man dann nämlich gewinnt –

wenn man entsprechend aufgestellt ist. Das

ist die eine Gefahr. Das heißt, wir haben

bisher keine Weltgesellschaft, in der wir

sagen können, dass all das, was wir gelernt

haben in der sozialen Marktwirtschaft –

Rechtsstaatlichkeit, Verfassungsrecht, Eigen-

tumsordnung, Kartellrecht und so weiter

auch weitgehend vorherrscht.

Der Papst schreibt über grüne Gentech-

nik, da entstehen Oligopole. Das mag bei uns

nicht so schlimm sein, wir haben hier eine

Missbrauchsaufsicht. Aber in Kenia gibt es,

denke ich, keine Missbrauchsaufsicht für

große Unternehmen, da habe ich eine ganz

andere Situation. Die Wirtschaft muss

lernen, dass sie nicht nur ein wirtschaftlicher

Akteur ist, der spielt, sondern auch gleich-

zeitig und ständig einer ist, der durch sein

Spielen Regeln setzt. Die Verantwortung

für diese Spielregeln weist die Wirtschaft

meistens noch sehr stark von sich: „Das ist

ja gar nicht unser Job, damit haben wir gar

nichts zu tun.“ Faktisch aber ist die inter-

nationale Wirtschaft natürlich längst ein Regel-

setzer und damit in einer politischen Rolle.

Jedoch würde ich eben nicht sagen, das liegt

alles an Eigennutz und Gier, sondern es liegt

vielmehr daran, dass sie diesem Teil ihrer

gewachsenen Verantwortung überhaupt

nicht gerecht wird. Weil sie diesen Part nicht

gelernt hat, weil dieser Teil unternehmerischer

Verantwortung in unseren Strukturen nicht

enthalten ist.

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’’D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

tiefem Misstrauen erfüllt. Aber ich finde

es trotzdem großartig. Also, vieles von dem,

was sie eben sagten, kann ich unterschrei-

ben. Gerade die Wirtschaft, die sich nicht

einfach zurücklehnen darf, sagt: „Schafft uns

level playing field...“, wie das im internatio-

nalen Jargon so schön heißt, „perfekte

Rahmenbedingungen für jedermann, dann

liefern wir auch.“ Nein, natürlich ist die Wirt-

schaft eine der großen Gestaltungsmächte

der Wirklichkeit.

Doch zurück zu Ihrem therapeutischen

Ansatz: Paradoxe Interventionen. Im Augen-

blick werden wir, glaube ich, eher von kog-

nitiver Dissonanz beherrscht. Davon,

dass wir, entgegen aller Evidenzen, nach

wie vor mehr das Falsche tun. Aber Para-

doxe Interventionen kann es geben. Eines

meiner Hobbys ist die Geschichtsforschung.

Deshalb steht in meinem Buch auch sehr

viel über historische Entwicklungen; und

es lehrt, dass in der Regel, also in normalen

Zeiten, die Beharrungskräfte riesengroß sind.

Ein etabliertes, funktionierendes System,

ein „never change a running system“ birgt all

die Inertien – die Trägheit, die Bedenken, die

Zweifel – wie sie Herr Fetzer beschreibt.

Kinder spielen am Waldrand Fußball.

Plötzlich kippt das Tor um. Dann sagt man:

„Halt, stopp, Spielpause!“ Gibt es ein

Foul, heißt es wieder: „Halt, stopp, Spiel-

pause!“ Das ist das Thema: Wir müssen

lernen, schnell zu reagieren und ständig die

Seiten zu wechseln. Jetzt spielen wir im

Wettbewerb, und müssen plötzlich mit den

anderen reden, um die Spielregeln neu zu

definieren. Dieser ständige Wechsel der

Seiten, noch verstärkt durch die Globalisie-

rung, ist großen Teilen der Wirtschaft bei

ihrer Mitverantwortung überhaupt noch

nicht bewusst. Das heißt natürlich, dass es

im responsible lobbying beim Mitwirken an

der Politik auch weiterhin nach dem Motto

gilt „Was nützt es uns?“ Wir beeinflussen

die Politik so, wie es uns nützt. Ich glaube

allerdings, die katholische und die evan-

gelische Kirche beeinflusst die Politik auch

gerne in der Art, wie es zu ihrer Denkweise

gehört. Aber ich möchte nicht immer nur

polemisieren, und sage deshalb an dieser

Stelle: Die Wirtschaft ist nicht nur ein wirt-

schaftlicher Akteur, sie ist auch zum Regel-

setzer in der globalen Welt geworden,

weil andere Regelsetzer fehlen. Sie wird

aber dieser Aufgabe nicht gerecht. Den Mit-

telteil der Enzyklika könnte man als Ein-

ladung betrachten, wie wir durch vernetztes

Denken diese Verantwortung mehr wahr-

nehmen.

Dr. Spandau

Wir müssen Prof. Schellnhuber noch zu

Wort kommen lassen!

Prof. Dr. Dr. h.c. Schellnhuber

Ganz kurz, Herr Bischof. Zunächst stelle

ich fest, dass Herr Fetzer und ich uns auf-

einander zubewegen, was mich mit ‘‘

Dr. Spandau

Herr Bischof, ich weiß, dass sie schon

vieles aus Benediktbeuern haben. Ich

weiß aber auch, dass Sie das große Bene-

diktbeurer Rezeptar noch nicht haben.

Das überreiche ich Ihnen jetzt gerne –

mit ganz herzlichem Dank, dass Sie bei

den Benediktbeurer Gesprächen unser

Gast waren. Und ganz herzlichen Dank,

dass Sie sich über die Maßen Zeit genom-

men haben. Es ist wunderbar, dass Sie bei

uns waren. Kommen sie gut nach Hause,

grüßen Sie die Festveranstaltung und

sagen Sie, hier in Benediktbeuern waren

wir mehr. Ganz herzlichen Dank.

Diözesanbischof Dr. Hanke

Es ist besser, dass ich jetzt gehe. Denn

wenn Prof. Schellnhuber und Prof. Fetzer

sich näherkommen, dann kann das auf

meinen Buckel gehen.

Dr. Spandau

Ja, Frau Dieckmann, irgendwie sind wir

raus aus der Diskussion.

Bärbel Dieckmann

Ja, ich muss jetzt die Einheit der

beiden hier ein bisschen stören. Ganz

ehrlich gesagt, stört mich die Debatte

im Moment. Ich gehe immer noch davon

aus, dass der Mensch vernunftbegabt

ist. Und dass wir in der Situation, in der

wir jetzt sind, die Kraft aufbringen müssen,

ein paar Dinge zu entscheiden. Ich beginne

mal mit Fukushima. Ich habe die Bundes-

kanzlerin in der Situation überhaupt nicht

bewundert. Wir wussten nämlich schon

30 Jahre vorher, was Atomenergie bedeu-

tet, und die Mehrheit der Deutschen

wusste es auch.

Aber es zeigt sich auch immer wieder, in

der Geschichte gab es Momente, in denen

man sah, dass das System, wenn es immer

weiter vertieft wird, direkt ins Verderben

führt.

Dann trat eine politische Persönlichkeit

auf – getragen übrigens von einer zivilgesell-

schaftlichen Stimmung – und hat die Dinge

herumgerissen. Das war zum Beispiel

Roosevelt mit seinem New Deal. Später, als

es um den Zweiten Weltkrieg ging, gab es

eine berühmte Rede, in dem ein „anderer

Roosevelt“ die amerikanischen Autobauer

einlud und sagte: „Meine Herren, ich

erwarte, dass Sie jetzt mit Ihren Fabriken,

Förderbändern und so weiter 20.000 Panzer

bauen, so und so viele Flugzeuge, so und

so viele Geschütze!“ Und so weiter. Dann

sagten die Autobauer: „Aber Herr Präsident,

dann können wir keine Automobile mehr

für den Privatverkauf bauen!“ Darauf

Roosevelt: „Sie haben mich falsch verstan-

den. Sie werden kein einziges Automobil

mehr bauen. Sie bauen nur noch Geschütze,

Flugzeuge und Panzer.“ So ist es gekommen.

Und Abraham Lincoln hat auf dem Höhe-

punkt des amerikanischen Bürgerkrieges die

National Academy gegründet. Da bin ich

Mitglied und ich hatte die große Ehre, mich

in das Buch einzutragen, wo auf ersten Seite

der Eintrag von Abraham Lincoln ist. Das

war einer der bewegendsten Momente

meines Lebens. Mit diesen Beispielen will

ich sagen, es gibt Augenblicke in der

Geschichte, wo das normale Geschehen

durchbrochen wird, wo die Einsicht klar

wird – von unten wie von oben – dass eine

Zeitenwende bevorsteht. Und die gelingt

dann auch.

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’’

D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

Mitleid mit Menschen habe, weil ich

sie leiden sehe wegen Handlungen, die wir

begehen.

So, jetzt komme ich noch mal ganz

kurz zu einem Thema, von dem ich glaube,

dass wir uns vielleicht doch einigen könn-

ten. Es gibt Menschenrechte, denen alle

Staaten oder viele Staate der Welt zugestimmt

haben. Durch diese Menschenrechte gibt es

ein Recht auf Nahrung, und es gibt ein

Recht auf eine bestimmte Gesundheitsvor-

sorge. Diese Punkte könnten wir hier schon

mal formulieren als etwas, bei denen wir

uns weltweit einig sind. Und davon könnten

wir dann runterbrechen, und so kommen

wir nämlich auch an die Wirtschaft. Lassen

Sie mich da bitte noch ein paar Beispiele

nennen. „Land grabbing“ – ich bin diesem

Thema selbst mal nachgegangen: Nicht nur

die Chinesen investieren in Afrika, es sind

auch europäische und deutsche Firmen

daran beteiligt.

Muss das wirklich sein, dass für die

Gewinnmaximierung eines europäischen

Unternehmens mit Hilfe von Korruption in

bestimmten Ländern – die kann ich Ihnen

genau nennen, weil ich mir alles sehr

genau angeguckt hab’ – ein System geschaf-

fen wird, bei dem die Firma noch nicht

einmal dorthin geht? Dann die geringen

Löhne, verglichen mit Europa; anstatt die-

jenigen, die dort arbeiten, vernünftig zu

bezahlen, ihnen vielleicht Schulen einzurich-

ten, Kitas für die Kinder … Also ich muss

Ihnen ganz ehrlich sagen, ich verstehe das

nicht mehr. Sie können mit mir auch

gern über Erbschaftssteuer sprechen, ich

hab’ auch Ihr Argument verstanden, dass

dies Familien stört. Aber ganz ehrlich

gesagt, mich interessieren viel mehr noch

die Beziehungen von Familien, in

Es gab in Deutschland keine Verteidigung

von Atomkraftwerken. Es gab in der vorheri-

gen Regierung einen Atomkompromiss mit

einem vernünftigen Ausstieg. Muss es denn

immer erst eine Katastrophe geben, bevor

man das Richtige tut – und das dann auch

nur, weil die Landtagswahl in Baden-Württem-

berg bevorstand? Entschuldigen Sie, dass ich

an dieser Stelle mal ein bisschen scharf

werde.

Das ist für mich in der jetzigen Situation

leider auch so. Ich gebe zu, ich habe heute

Morgen die Flüchtlingskrise so ein bisschen

wie Fukushima verwendet. Weil möglicher-

weise eine große Anzahl von Menschen

auf der Welt nicht mehr akzeptieren will,

was wir hier in Europa machen und was in

den USA ausgelöst wird. Und wir wissen

viele Dinge schon lange, Herr Prof. Schelln-

huber. Das ist nicht nur die Frage des

Klimawandels; sondern wir wissen auch,

was mit bestimmten Düngern, was mit Gen-

technik passiert und so weiter. Aber wir

handeln einfach nicht. Es ist heute Morgen

kritisiert worden, dass in der Enzyklika

von zu viel Mitleid gesprochen wird. Ich muss

ganz ehrlich sagen, das will ich mir gerne

erhalten. Und auch, dass ich ab und zu ‘‘

in Bangladesch; und da lässt ja nicht nur

H&M arbeiten, sondern auch Firmen mit sehr

teurer Ware. Firmen, die dort produzieren

lassen, wissen genau, dass 50 Eurocent mehr

Lohn reichen, damit die Näherin davon

leben kann; und trotzdem könnten wir uns

die Mode dann noch leisten. Ich finde, wir

müssen mehr dafür kämpfen, über solche

Dinge nicht nur zu reden, sondern sie auch

umzusetzen. Auch deshalb habe ich das

heute Morgen anfangs erwähnt, so meine

Vorstellung von sozialer Marktwirtschaft,

von einem Wirtschaftssystem, das Unterneh-

mertum und Wirtschaft unterstützt. Gleich-

zeitig aber habe ich deutlich gemacht, dass

es eine Grenze von Gewinnmaximierung

geben muss. Und ich war Ihnen heute

Morgen dankbar, Herr Prof. Schellnhuber,

dass Sie diese Zahlen von Oxfam gezeigt

haben. Ich hab sie mir sehr genau angeguckt.

Wenn ich Ihnen sagen würde, wer diese 60

sind – es lohnt sich, mal ins Internet zu

schauen! – dann sehen Sie auch, wie zum

Beispiel mit großen Handelsketten, ja, mit

einem extrem ungerechten Handel auf der

Welt, diese Milliarden verdient werden. Jetzt

sag’ ich noch einen moralischen, einen ein

bisschen emotionalen Satz. Angesichts

dessen, was ich in der Welt schon so alles

gesehen hab, frag ich mich manchmal, was

macht man eigentlich mit 80 Milliarden Euro

oder Dollar? Wissen Sie, was ich meine?

Es gibt doch so eine Grenze von Wohlstand,

und ich freue mich natürlich auch, dass es

meiner Familie und mir gut geht. Aber

es gibt eine Grenze, und da frage ich mich,

könnte man da nicht vielleicht bewusst

christlich-moralisch argumentieren: Diese

Grenze sollte man nicht überschreiten,

sondern man könnte dann auch etwas für

das Gemeinwohl tun.

denen die Eltern nicht mehr in der Lage

sind, ihre Kinder zu versorgen; oder wo

deren Kinder an Ebola sterben, denn das

sind wirklich gestörte, belastete Familien-

beziehungen. Deshalb bin ich auch für

Steuersysteme. Verstehen Sie mich nicht

falsch, ich will nicht jedem alles nehmen.

Überhaupt nicht. Aber ein bisschen mehr

Steuern zahlen sollte schon sein; und zwar

auch in anderen Ländern, nicht nur in

Europa, sondern in der ganzen Welt. In

Afrika, zum Beispiel, in vielen asiatischen

Ländern, in Pakistan wird kein Euro Steuern

bezahlt. Dort zahlt die Oberschicht über-

haupt keine Steuern! Ein bisschen Beteili-

gung an diesen gesellschaftlichen Aufgaben

mag schon sein. Ich werbe auch für Ihren

Klimafonds, ich habe nichts dagegen. Aber

wir könnten Gemeinwohlinteressen aus

staatlichen Mitteln mitfinanzieren, wenn es

auch von jenen mit größeren Einkommen

eine Beteiligung gäbe. Ich glaube, bei der

Definition dessen, was passieren müsste oder

was Gemeinwohl ist, sind wir schon ein

Stück weiter als wir es vor Jahren gewesen

sind. Deshalb frage ich mich immer, ob wir

erst wieder auf die nächste Katastrophe

warten müssen? Oder können wir nicht doch

auch mit Regeln, die wir bereits haben, schon

manche Dinge wahrnehmen und beeinflus-

sen. Das würde ich mir wünschen.

Ich bin für Unternehmertum, ich bin

auch für kreatives Unternehmertum. Aber

ich kann zum Beispiel nicht verstehen,

warum Shell über Jahre Milliardengewinne

in Nigeria macht und dort ökologisch und

ökonomisch alles untergeht? Versteh’

ich einfach nicht! Tut mir leid, vielleicht

bin ich dazu nicht klug, nicht schlau genug.

Die hätten ja mit ihren Gewinnen auch

einen Ausgleich finanzieren können. Ich

kenne auch die Situation der Näherinnen

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Prof. Dr. Dr. h.c. Schellnhuber

Also, wenn Sie mich als Wissenschaftler

fragen, vermutlich nicht. Wenn sie mich als

Menschen fragen, der mit jeder Faser das

liebt, was unsere Kultur hervorgebracht hat

und was unsere Kinder uns geben können,

lautet die Antwort ja. Das ist eben die

paradoxe Situation, die paradoxe Interven-

tion des Menschlichen, um auf den Bischof

zurückzukommen. Die Chancen stehen

gegen uns. Aber die Chancen sind natürlich

nur dann null, wenn wir versuchen, uns in

diesem Fall unserem Schicksal zu ergeben.

Das wollte ich Ihnen vorhin auch noch

sagen, und die Frage heißt, was ist jetzt

richtig: Wo ein Weg ist, da ist ein Wille?

Oder muss es nicht doch heißen: Wo ein

Wille ist, da ist ein Weg? Ich glaube, wo ein

Wille ist, ist auch ein Weg. Im letzten

Kapitel dieses Buches habe ich ein bisschen

meine Lebensphilosophie mitgeteilt, die

übrigens ganz ähnlich der Ihren ist, Frau

Dieckmann. Der Epilog heißt „Geschenke an

Michelangelo“. Ich glaube, das ist das

Schönste, was ich je geschrieben habe. Das

Wichtigste sind nur fünf Seiten. Dabei geht

es um die Kultur des Teilens – also statt der

Kultur des Habens die Kultur des Teilens.

Ich werde es an einem ganz einfachen

Beispiel erklären, das habe ich von meiner

Frau gelernt. Stellen Sie sich vor, hier

irgendwo in den Alpen finden Sie eine Stelle

beim Wandern, die unbeschreiblich schön ist.

Was werden Sie tun? Sie werden zwei- bis

dreimal allein dorthin kommen und das

Panorama bewundern. Irgendwann merken

Sie, dass es noch viel schöner wäre, wenn

Sie jemanden mitbringen würden, um diesen

Anblick mit ihm teilen zu können. So ist es

mit allen Gütern auf der Welt.

Dr. Spandau

Vielen Dank für dieses wirklich berech-

tigte emotionale Statement. Wenn ich das

jetzt noch einmal Revue passieren lasse,

fallen mir spontan drei Begriffe auf,

die vielleicht noch einmal zusammenfas-

sen, was Sie gesagt haben: der Begriff

Freiheit, der Begriff Nachhaltigkeit und der

Begriff Würde. Alle drei Begriffe zogen sich

jetzt durch Ihr Statement. Da frage ich

mich, ob wir wirklich so weit auseinander

liegen? Wenn ich im Forum Wirtschafts-

ethik lese, was Prof. Fetzer dazu schreibt:

Bei Nachhaltigkeit in der Wertetrias geht es

nicht darum, die Welt oder unseren Wohl-

stand zu erhalten, sondern darum, künftigen

Generationen ein Leben in Freiheit und

Würde zu ermöglichen. Wir sind uns doch

eigentlich alle einig, also könnten wir an

dieser Stelle eigentlich aufhören. Oder

können Sie uns erklären, worum wir uns

hier eigentlich streiten, wenn wir bei diesen

wichtigen Punkten Freiheit, Würde, Nach-

haltigkeit so kontrovers diskutieren? Oder

wir beschließen, dass wir uns einig sind,

dann würde ich nämlich weitermachen mit

Herrn Prof. Schellnhuber. Ihm stelle ich jetzt

gern noch eine Frage, die in die Humanöko-

logie geht – wir haben das bei Prof. Haber,

immer wenn es menschelte, gelernt. In

Ihrem Buch schreiben Sie nämlich unter

anderem, dass Ihr Sohn am 4. März 2058

seinen 50. Geburtstag feiern wird. Am

6. Mai 2062 wird meine Enkeltochter ihren

50. Geburtstag feiern. Also liegen die beiden

gar nicht so weit auseinander. Haben wir es

bis dahin geschafft, Ihrem Sohn und meinem

Enkelkind eine lebenswerte Zukunft bereitet

zu haben?

‘‘

geht’s aber gut – und woanders gucken

wir gar nicht hin. Sondern dass wird nur

gehen, wenn wir auch unsere Verantwor-

tung für andere wahrnehmen. Und damit

meine ich nicht, diesen Menschen die

Verantwortung abnehmen. Aber wir müssen

wissen, dass auch unser Tun einen ganz

gravierenden Einfluss hat auf das, was

woanders passiert. Wir haben es heute beim

Thema Klimawandel besprochen, wir haben

dazu auch über unsere Essgewohnheiten

gesprochen. Darauf könnte man noch lange

eingehen, auch auf die Handelsbedingungen

und so weiter. Aber wie gesagt, ich halte am

Ziel fest, dass wir es schaffen können. Ich

möchte auch, dass wir es weiter versuchen,

Mehrheiten dafür zu finden und auch weiter

wirklich alles dafür tun, dieses Ziel zu

erreichen.

Dr. Spandau

Herr Prof. Fetzer, Ihre Prognose für das

Kind von Herrn Prof. Schellnhuber und mein

Enkelkind? 2058 bis 2062…

Prof. Dr. Fetzer

Frau Dieckmann hat ja aus dem mora-

lischen Anspruch in ihrem Herzen keine

Mördergrube gemacht. Das hatte auch

eine Faszination. Ich werde das wahrschein-

lich nie können, werde dann wohl auch nie

irgendwo Oberbürgermeister werden, das

ist vollkommen klar. Ich sage es jetzt noch

mal, das klingt jetzt polemisch, aber es ist

nicht so gemeint. Es ist mir fast egal, ob wir

das schaffen werden. Ich würde es da mit

Luther halten. Wenn ich wüsste, dass morgen

die Welt untergeht, dann würde ich, Herr

Schellnhuber, nicht versuchen, krampfhaft

die Welt zu retten, sondern zwei Apfelbäume

pflanzen.

Dr. Spandau

Frau Dieckmann, werden wir es geschafft

haben zwischen 2058 und 2062, dass jeder

sein Recht auf Nahrung eingelöst bekommt?

Bärbel Dieckmann

Wir können es schaffen. Das ist eigentlich

die gute Botschaft. Es werden jetzt schon

ausreichend Nahrungsmittel produziert. Mit

gewissen Produktivitätssteigerungen in den

Gebieten, in den ländlichen Regionen, dort,

wo heute die Hungernden leben, ist das

möglich. Deshalb halte ich an dem Ziel fest

und bin auch optimistisch, dass wir es schaf-

fen. Ich glaube auch, wir müssen es schaf-

fen! Sie haben eben über Kinder und Enkel

gesprochen, und das wird viele hier im

Saal beschäftigen. Ich bin 1949 geboren. Das

ist eine Generation, die unbelastet vom Krieg

in Deutschland aufgewachsen ist; in einer

Zeit, in der es eigentlich immer nur Fort-

schritte gegeben hat. Ich bin dankbar für

dieses Leben, aber ich wünsche mir, dass so

etwas auch noch für die nächste Generation

möglich ist. Ich möchte nicht in einer End-

generation denken. Aber ich habe die Wahr-

nehmung, dass dieser Weg nicht mehr mit

Isolierung geht und wenn wir sagen, uns

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tigen Weg! Was mag wohl in all den

Menschen vorgehen, die bei meinem Buch-

händler die Enzyklika gekauft und darin

gelesen haben? Was mag in Ihnen vorgehen,

wenn Sie die von uns und dem Zentrum für

Umwelt und Kultur überreichte Enzyklika

lesen? Werden Sie diese rasch lesen und

schnell vergessen?

Einen bescheidenen Beitrag, dass die

Laudato Si nicht rasch gelesen, geschwind

kommentiert und schnell vergessen wird,

wollten wir mit diesen Benediktbeurer

Gesprächen leisten.

Wir haben herausgearbeitet, dass es Papst

Franziskus nicht nur um eine äußere Rettung

der Natur geht, sondern um eine Bewahrung

von Gottes Schöpfung. Wir Menschen sollen

Abstand nehmen von unseren übersteiger-

ten Machbarkeits vorstellungen, sollen auf

einen anderen Lebensstil setzen und eine öko-

logische Umkehr vollziehen. Dazu schlägt der

Papst kulturkonservative und technikkritische

Töne an. Allerdings rückt er auch das ver-

heerende biblische Missverständnis „Macht

Euch die Erde untertan“ zurecht.

Die Frage ist, wann fange ich an. Also

nicht diese Prognostiziererei „Schaffen wir’s

oder schaffen wir’s nicht?“ Es ist unsere

verdammte Pflicht, daran zu arbeiten; da

werden wir das Unsere tun. Das gilt dann

auch zum Beispiel für die Wirtschaft:

Es geht nicht darum, Verantwortung für

andere zu übernehmen, sondern um Verant-

wortung für die Regeln in der Welt, in der

wir leben. Von der Wirkung her ist das dann

nämlich das Gleiche, da ist nur eine leichte

Verschiebung. Obwohl wir global vernetzt

sind, ist die Verantwortungslosigkeit, die wir

teilweise in Europa haben, gigantisch. Das

ist eine neue Verantwortung, und ihr werden

wir bisher noch nicht gerecht. Darum müs-

sen wir Apfelbaum für Apfelbaum abarbeiten,

und ob das dann letztlich reicht oder nicht,

das überlassen wir mal unserem Herrgott.

Dr. Spandau

Meine Damen und Herren, trotzdem

werden wir in der Allianz Umweltstiftung

beides tun, nämlich weiterhin Bäume

pflanzen und versuchen die Welt zu retten;

weil wir glauben, dass beides möglich ist.

Also vielen Dank, wir sind auf dem rich-

‘‘All unseren Gästen danke ich für ihre Teil-

nahme. Ich darf Sie nun zum gemeinsamen

Mittagessen einladen, das freitags, wie

immer an diesem Ort, natürlich fleischlos ist.

Danke für Ihr Kommen, gern waren wir

Ihre Gastgeber.

Bleiben Sie uns gewogen und kom-

men Sie im nächsten Jahr, am 4. und 5. Mai

2017, gesund und gut gelaunt zu unseren

21. Benediktbeurer Gesprächen.

Die Natur kann nicht grenzenlos

benutzt und ausgebeutet werden, sondern

der biblische Schöpfungsbericht ist als ein

Bebauen und Hüten der Natur zu verstehen.

Wir Umweltplaner reden in diesem Kon-

text vom Schützen, Pflegen und Entwickeln

der Natur und der Umwelt. Zusammenfas-

send laden wir, im Sinne des Papstes, zu

einem Lebensstil der Entschleunigung und

Achtsamkeit ein.

Vielleicht haben ja auch einige Politiker

das Lehrschreiben bei meinem Buch-

händler gekauft und lassen sich nun bei

ihren Entscheidungen von dieser franzis-

kanischen Schöpfungs spiritualität leiten

und inspirieren.

Für die Diskussion der Laudato Si und

ihrer Konsequenzen danke ich allen Teilneh-

mern der diesjährigen Benediktbeurer

Gespräche. Zur Erinnerung überreiche ich

Ihnen traditionell das „Benediktbeurer

Rezeptar“. Es ist ein Dankeschön für Ihre

Mitwirkung, Ihre Beiträge, Ihre Diskussionen.

Es soll Sie aber auch dazu verleiten, das

Kloster Benediktbeuern mal wieder zu

besuchen.

8 9I M P r E S S U M

BE N E DI KTBE U R E R G E S P R ÄCH E DE R ALL IANZ U MWE LTSTI F TU NGBand 20

Herausgeber

Allianz Umweltstiftung

Pariser Platz 6

10117 Berlin

Telefon: 030/20 67 15 95 - 50

Telefax: 030/20 67 15 95 - 60

E-mail: [email protected]

Internet: www.allianz-umweltstiftung.de

Redaktion

Dr. Lutz Spandau

Susanne Luberstetter

Fotos

Gabriele Hartmann (S. 5, 9, 13, 21, 29, 39, 48 - 51,

53, 61 - 66, 71 - 80, 85, 86)

Horst Munzig (Titel, U2, 2, 4, 8, 11, 12, 17 - 20, 25,

28, 31 - 38, 42, 47, 52, 57 - 60, 68, 69, 82, 83, 88)

Gestaltung

Susanne Hampel

Lektorat

Jochen Driemel

Druck

DBM Druckhaus Berlin-Mitte GmbH

Berlin 2016

R E F E R E NTE N

Dr. Gregor Maria Hanke OSB

Diözesanbischof

Bistum Eichstätt

Leonrodplatz 4

85072 Eichstätt

Bärbel Dieckmann

Präsidentin

Deutsche Welthungerhilfe e.V.

Büro Berlin

Reinhardtstraße 18

10117 Berlin

Prof. Dr. Joachim Fetzer

Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik –

EBEN Deutschland e.V.

Bayreuther Straße 35

10789 Berlin

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim

Schellnhuber

Direktor

Potsdam-Institut für

Klimafolgenforschung

Telegraphenberg A 31

14473 Potsdam

MODE R ATION

Dr. Lutz Spandau

Vorstand

Allianz Umweltstiftung

Pariser Platz 6

10117 Berlin