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Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck
nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito
DOGMATIK
Grundkurs II: Der Glaube der Kirche im Blick
auf die Dramatik der Kirche
WS 09/10
o. Univ.-Prof. Hw. Dr. Józef Niewiadomski
Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck
nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito
Inhaltsverzeichnis
TECHNISCHE VORBEMERKUNGEN ............................................................................................................ 1
0 PROLEGOMENA ........................................................................................................................................ 2
0.1 DER RAHMEN DES GLAUBENS AN DIE STERBENDE KIRCHE ..................................................................... 2 0.2 ZWISCHENRUF – DAS DRAMA DER KIRCHE AUF DEM MARKT DER RELIGIÖSEN ANGEBOTE ................... 3 0.3 WÜRDIGUNG DES DOGMAS .................................................................................................................... 3
1 EKKLESIOLOGISCHE REFLEXION IM UMKREIS DER INNSBRUCKER FAKULTÄT IN DEN
LETZTEN DEKADEN ......................................................................................................................................... 4
1.1 DEM GROßEN KARL RAHNER VERPFLICHTET – NICHT NUR DURCH DIE ADRESSE .................................... 4 1.2 DER DRAMATISCHE ANSATZ RAYMUND SCHWAGERS ............................................................................ 4
1.2.1 Kirchengründung als Prozess ........................................................................................................... 5 1.2.1.1 Kirche und Israel ...................................................................................................................................... 5 1.2.1.2 der dramatische Ansatz – das Drama Jesu ................................................................................................ 6
2 DOGMENGESCHICHTLICHE PRÄZISIERUNG DES EKKLESIOLOGISCHEN DRAMAS ...... 18
2.1 BIBLISCHE BILDER ZUR BESCHREIBUNG DES MYSTERIUMS .................................................................. 18 2.2 ERDUNG DES MYSTERIUMS IN DER ALTEN KIRCHE .............................................................................. 18
2.2.1 kleine Gemeinden in fremder Umwelt ............................................................................................. 18 2.2.2 Martyrium heute .............................................................................................................................. 19 2.2.3 Herausforderungen der damaligen Zeit .......................................................................................... 19 2.2.4 dramatisches Ringen um Kirchlichkeit ............................................................................................ 20
2.2.4.1 Integration und Ausgrenzung durch das Amt: ist das Amt notwendig? .................................................. 20 2.2.4.2 Frage nach Identität auf dem Hintergrund einer Negativfolie ................................................................ 22 2.2.4.3 die Heilige Kirche: Konflikte um Reinheit der Kirche ........................................................................... 24
3 DOGMENGESCHICHTLICHE PRÄZISIERUNG DES EKKLESIOLOGISCHEN DRAMAS ...... 24
3.1 KIRCHE ALS IMPERIUM ......................................................................................................................... 24 3.1.1 heidnisch-archaische Theologie als Grundlage der Politik ............................................................ 25
3.2 EINHEIT DES REICHES DURCH EINHEIT IN DER RELIGION ..................................................................... 25 3.2.1 Diokletianische Christenverfolgung ................................................................................................ 25 3.2.2 Rückgriff Konstantins auf das Erbe Diokletians ............................................................................. 25 3.2.3 Traum einer gewaltsamen absoluten Einheit und dessen Preis ...................................................... 26 3.2.4 Vollendung des Konstantinismus ..................................................................................................... 27
3.3 ZUSAMMENBRUCH DES TRAUMES UND DIE TRAUMKORREKTUREN ...................................................... 27 3.3.1 Augustinische Korrektur des ekklesiologischen Glaubensartikels: ................................................. 27 3.3.2 spirituelle augustinische Unterscheidung ....................................................................................... 28 3.3.3 Augustinische Prädestinationslehre ................................................................................................ 28
4 DOGMENGESCHICHTLICHE PRÄZISIERUNG DES EKKLESIOLOGISCHEN DRAMAS ...... 29
4.1 PAPST GELASIUS I ................................................................................................................................ 29 4.2 DER CÄSAROPAPISTISCHE ANSPRUCH DER FRÄNKISCHEN KÖNIGE ....................................................... 30 4.3 KIRCHLICHE AUTORITÄT ...................................................................................................................... 30
4.3.1 Dictatus Papae ................................................................................................................................ 30 4.3.2 extreme Folgen ................................................................................................................................ 31
4.4 DER SCHRECKEN DES NIEDERGANGS UND DIE TRAUMKORREKTUREN .................................................. 33 4.5 AMBIVALENZ DER TRIDENTINISCHEN REFORM ..................................................................................... 35
4.5.1 ecclesia militans .............................................................................................................................. 35 4.5.2 klare Konzeption des Ordo .............................................................................................................. 36
5 ERDUNG DES MYSTERIUMS IM GEGENWÄRTIGEN GESELLSCHAFTSPOLITISCHEN
KONTEXT: KIRCHE ALS SAKRAMENT ..................................................................................................... 39
5.1 DIGNITATIS HUMANAE ......................................................................................................................... 39 5.2 NOSTRA AETATE .................................................................................................................................. 40 5.3 GAUDIUM ET SPES ................................................................................................................................ 40 5.4 LUMEN GENTIUM ................................................................................................................................. 41
5.4.1 zum Aufbau ...................................................................................................................................... 42 5.4.2 erstes Kapitel: das Mysterium der Kirche ....................................................................................... 43 5.4.3 zweites Kapitel: das Volk Gottes ..................................................................................................... 46
Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck
nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito
5.4.4 drittes Kapitel: die hierarchische Verfassung der Kirche, insbesondere das Bischofsamt ............. 48 5.4.5 viertes Kapitel: die Laien ................................................................................................................ 51 5.4.6 fünftes Kapitel: die allgemeine Berufung zur Heiligkeit in der Kirche ........................................... 54 5.4.7 sechstes Kapitel: die Ordensleute ................................................................................................... 56 5.4.8 siebtes Kapitel: der endzeitliche Charakter der pilgernden Kirche und ihre Einheit mit der
himmlischen Kirche ...................................................................................................................................... 57 5.4.9 achtes Kapitel: die selige jungfräuliche Gottesmutter Maria im Geheimnis Christi und der Kirche
58
6 DER HEILIGE GEIST UND DIE KIRCHE ........................................................................................... 59
6.1 PFINGSTEN UND DIE FRAGE NACH DER ÖFFENTLICHKEIT ..................................................................... 59 6.2 SENDUNG DES GEISTES ........................................................................................................................ 59 6.3 DIE HEILIGKEIT DER KIRCHE ................................................................................................................ 60
7 UND DIE VOM GEIST GESCHAFFENEN STRUKTUREN ............................................................... 61
7.1 DER UNMODERNE KATHOLIZISMUS – EKKLESIALES DRAMA ................................................................ 61 7.2 WAS ALSO HEUTE TUN? IST DER DOGMATIKER DIE RICHTIGE ADRESSE? ............................................. 62
7.2.1 der entscheidende erste Schritt ........................................................................................................ 62 Exkurs: verhängnisvolle Rivalität ................................................................................................................ 63 7.2.2 der zweite Schritt ............................................................................................................................. 63 7.2.3 der dritte Schritt .............................................................................................................................. 63 7.2.4 Verdunkelung der Einheit der Kirche? ............................................................................................ 64
8 ESCHATOLOGISCHER CHARAKTER DER KIRCHE ..................................................................... 64
Dogmatik II
- 1 -
technische Vorbemerkungen „Ich glaube an die Kirche, weil dieser Saustall 2.000 Jahren nicht untergegangen ist.“
- 1600 s.t. bis 1730
- notwendige Unterlagen im eCampus
- Glaube der Kirche, Pneumatologie, Gnadenlehre
- Basiskurs, wo kaum etwas vorausgesetzt wird; darauf aufbauend Vertiefungen (MA-Studium)
- Frage nach Kirche, Gnade, Hl. Geist
- NR = Neuner-Ross: hat lateinische und griechische Texte der kirchlichen Lehre ins Deutsche
übertragen
- mit dieser Entscheidung hat er etwas losgetreten, was großen Anklang gefunden hat
- inzwischen wurde alles auf Deutsch übersetzt Denzinger-Hühnemann
- Neuner-Ross reicht aus (ist für viele LV’s brauchbar)
o Hilfe, weil man nachschlagen kann (auch bei der Prüfung?)
- der in dieser LV analysierte Teil kann auf einen Satz gebracht werden: „credo sanctam
ecclesiam catholicam“; Glaube und Kirche
Credo in
- Patrem
- Iesum Christum
- Spiritum Sanctum
o was danach kommt, ist Explikation des Glaubens an den Hl. Geist
o die erste Explikation heißt „Kirche“
- wenn ich an Gott glaube, glaube ich, dass sein Geist in der Geschichte wirkt
- dass die Gesichte nicht nur ein Sammelsurium von kulturpolitischen
Sachzusammenhängen ist
- dass die Geschichte vom Hl. Geist vorwärtsgetrieben und getragen wird
o er wirkt durch die Menschen
o wenn der Geist wirkt (der Geist der Wahrheit, der Paraklet, der Advocatus), dann gibt
es in dieser Kirche eine echte menschliche Gemeinschaft, die die Grenzen
überschreitet
o wenn der Geist in der Geschichte wirkt, dann gibt es die Kirche als die
grenzenüberwindende Gemeinschaft
o die Menschheit wird gesammelt
- das II. Vatikanum hat das dramatisiert:
o die eine Kirche wurde zugeordnet zur Vision der ganzen Menschheit
Prüfungsanforderungen
- Prüfung ist entweder als Gesamtprüfung oder – neu – ein Kolloquium abzulegen
o Kolloquium heißt: mehr als in der VO, siehe hierzu die Angaben auf den ausgeteilten
Blättern sowie nächster Punkt
Pflichtliteratur
- Skript von Raymund Schwager (www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/231.html)
- KKK, Art. 8-10
- LG (kleines Konzilskompendium) – es geht darum, wo man etwas findet – ist eine
Prüfungshilfe, nicht eine Erschwernis
Dogmatik II
- 2 -
0 Prolegomena nicht prüfungsrelevant
- Wahrnehmung einer „sterbenden Kirche“?
- die Menschen rennen der Kirche davon
o eine Erscheinung, die kaum so stark spürbar war, wie ab Mitte der 90er Jahre
o Kontext von „Global Village“ – weltweite Gemeinschaft, durch Medien konstruiert
o es sei doch selbstverständlich geworden, dass Menschen von einer Religion zur
anderen pilgern oder sich gar von der (organisierten) Religion abwenden
sie kümmern sich nicht um kirchliche Lehre, um kirchliche Disziplin
„Jedem Menschen seinen eigenen Gott.“ – Bastelreligiosität,
Auswahlreligiosität, Bricollageidentität
Zentrum dieser Religiosität ist nicht das Geheimnis, das Mysterium, das
Faszinosum, sondern das Subjekt
- fundamentale kirchliche Erfahrung der Gegenwart: die Menschen lassen sich nicht führen, sie
stellen den Anspruch der Hirten in Frage
- die Kunst der Lebensgestaltung in der Moderne besteht darin, das Surfen zu lernen
- früher war man gewohnt, dass der Klerus die „Hochwürden“ sind
- die Bischöfe sind „primus inter pares“, also Priester
- die lateinische Tradition, zB Augustinus, prägte das Wort „Humilitas“
o klassisch mit „Demut“ übersetzt
o auch lat. humus, Boden
o das Charakteristikum des christlichen Gottes ist, dass der Weg „nach unten“ der Weg
Gottes ist (iSv der Weg „vom Himmel auf die Erde herab“)
„Karriere nach unten“, zB zu den Notleidenden, zu den Letzten (am Bsp.
Mutter Theresa) eigentlich nur im jüdisch-christlichen Kontext denkbar
es ist der Weg der Tugend, der Heiligkeit; nicht hinauf, sondern hinunter
der inkarnierte Gott kommt zu uns auf die Welt
o das Christentum hat mit dem Motiv „Inkarnation“ etwas neues in die Welt gebracht
Gott steigt herab, verbindet sich mit Menschen, erwählt Menschen
Menschwerdung Gottes
damit hat der moderne Mensch Schwierigkeiten wir haben eine Kultur, in
der Rationalität einseitig gedeutet ist, rational ist Aufstieg, Verzicht ist
lebensfeindlich
- wir sind oft betroffen über das, was sich ereignet (Katastrophen, Tod)
o wenn wir betroffen sind, schweigen wir
o Betroffenheit aber braucht Gespräch, ansonsten wird der Mensch depressiv oder
aggressiv
o auch die inneren Erfahrungen müssen thematisiert werden
o wir müssen also einander erzählen
o wir brauchen Intersubjektivität
- die Geschichten brauchen einen Rahmen, ansonsten sind sie blind
o sie werden zu Schlagstöcken, man schlägt sich die Geschichten auf den Kopf
o solange zB der Rahmen der bürgerlichen Ehe funktioniert hat (Gesetzgebung,
Medien), solange er als „sinnvoll“ und „selbstverständlich“ ist, solange es ein „Gut“
war, lebten Menschen jahrzehntelang nebeneinander und miteinander
o als dieser Rahmen zerbrochen ist, entdecken die Menschen, die vielleicht gerade die
Goldene Hochzeit feierten, dass man keine gemeinsame Geschichte hatte
o wenn der Rahmen nicht da ist, wird ein und dieselbe Geschichte zu völlig fremden
Geschichten
o die Geschichten brauchen also einen Rahmen
o auch die heutigen Geschichten haben einen Rahmen
0.1 der Rahmen des Glaubens an die sterbende Kirche - der allgegenwärtige Rahmen, zumindest in Tirol, ist klar: die sterbende Kirche
Dogmatik II
- 3 -
o wird über die Kirche berichtet, dann über die Skandale
o werden Bilder gebracht, dann solche von alten Menschen
o der Rahmen der sterbenden Kirche ist fast allgegenwärtig
o es ist immer die Frage, worauf man seine Aufmerksamkeit richtet, und auch wie
o es ist auch die Frage, woran wir glauben
- der Rahmen mit der sterbenden Kirche geht Hand in Hand mit dem Glauben an den
entfesselten Neoliberalismus o nach dem Zusammenbruch des Ostblocks gab es zunächst den Glauben, der
Kapitalismus habe gesiegt
o es gäbe keine Alternative gegen diese Art und Weise der Wirtschaft
o es hat sich in unserer Kultur der Glaube breit gemacht, dass wir außerhalb des
Marktes keine Alternative gibt gibt es kein Leben außerhalb des Marktes?
o die Frage ist aber, ob der Markt und die Marktlogik auch das zu definieren haben, was
wir als „Heil“ bezeichnen
o extra mercatum nulla salus
o muss Religion sich der Logik des Angebots unterwerfen – die Kirche soll
marktförmig werden
war vor kurzem noch unumstößlich
nach der Wirtschaftskrise stolpert man über diesen Satz
0.2 Zwischenruf – das Drama der Kirche auf dem Markt der religiösen Angebote
- 1. Inhalt; entscheidend ist, dass das Glaubensthema von zentraler Bedeutung ist
- 2. Identifikation mit der sichtbaren Gestalt
- 3. Arbeit mit zeitgemäßen Mitteln
- würde katholisch bedeuten:
o ja zum Dogma
o ja zur Kirche als Institution und zum Sakrament
o ja zur zeitgemäßen Pastoral
- nennt man keine Inhalte mehr, entsteht Beliebigkeit
- im postmodernen pluralistischen Kontext ist Frage nach inhaltlicher Unverwechselbarkeit
wichtig:
o die Rückgewinnung der kirchlichen Inhalte
o ob das jemanden interessiert oder nicht ist zweitrangig
o entscheidend ist, sich bewusst zu werden, was es bedeutet, dass Gott zB „nach unten“
kommt; ob das die Gesellschaft dafür interessiert ist zweitrangig
0.3 Würdigung des Dogmas - wenn wir uns für Sachen einsetzten, die nicht in gesellschaftlicher Plausibilität liegen
(Solidarität mit den Armen) brauchen wir einen festen Grundsatz
- Dogmen machen das Leben nicht unfrei!
- eine der ersten Definitionen war der Vergleich mit einem Grenzstein;
o Dogmen als Leitplanken eines Weges, sie zeigen Grenzen an
- wenn man katholisch ist, ist hier und dort eine Grenze (rechts in den Abgrund und links in
den Sumpf)
- das Leben aber spielt sich nicht auf Leitplanken ab, sondern auf dem Weg
- Dogmen als Leitplanken, die in einem Fach wie Dogmatik analysiert werden, im Hinblick auf
ihre Leistungsfähigkeit
Dogmatik II
- 4 -
1 ekklesiologische Reflexion im Umkreis der Innsbrucker Fakultät in den letzten Dekaden
1.1 dem großen Karl Rahner verpflichtet – nicht nur durch die Adresse
Verleihung des Karl-Rahner-Preises 2009 an Dr. Michael Hauber
- Einführung durch Dr. Hauber zum Thema „Karl Rahner und die Kirche“
- Verleihung des Karl-Rahner-Preises durch P. Rektor Severin Leitner SJ
- der erste Entwurf zu Lumen Gentium stand, die Kirche sei das Licht der Welt, Rahner strich
es durch und ersetzte es durch Christus
- universaler Heilswille Gottes – Gott will das Heil aller Menschen
1.2 der dramatische Ansatz Raymund Schwagers - auch Raymund Schwager wurde umdestiniert
- ein Schweizer Jesuit (Schweiz hat das Verbot des Jesuitenordens bis in die 80er Jahre des 20.
Jh. nicht aufgehoben)
- er kam nach Innsbruck, in durchaus dramatischen Situationen
o Umbruch durch Konflikt zwischen Bischof und Dogmatiker
o Schwager kam vom Orden destiniert und übernahm den Posten
o er analysierte die Exerzitien des Ignatius von Loyola (Promotion)
legte Nachdruck auf Konflikte
ist keine Hagiographie
er zeigt die vielen Konflikte
er folgert systematisch, sein Verhältnis zur Kirche sei dramatisch gewesen
die Einheit der Kirche vollzieht sich in der Begegnung von Menschen
Momente wie in einem Drama: Entwicklung, Auseinandersetzung, Spannung,
Krise, Niederlage und Versöhnung
- die Einheit mit der Kirche ist eine dramatische, dh es muss auch Niederlagen, aber letztlich
auch Versöhnung geben
- diese Dramatik ist aber keine Tragik
o antike Ansicht: Tragödie ist von der Logik geprägt, dass das Geschick des Menschen
im Grunde vorherbestimmt ist
o wir sind eingebettet in das Spiel der Schicksalsmächte
- das Christentum hat die Tragik der Antike gebrochen
o Freiheitsauffassung des Menschen
o Glaube an die Auferweckung Christi
o letzter Fokus: unser Leben mündet im Tod; Christentum mit Hoffnung auf
Auferweckung stellt Tragik infrage
- Christentum ist belebt von sicherer Hoffnung auf ein letztes Versöhnen
- entscheidend: wo der Mut zur Dramatik fehlt und die Versöhnung vorschnell gesucht wird
dürfte nicht der allumfassende Hl. Geist am Werk sein, sondern eine götzenhafte
Verabsolutierung sichtbarer Strukturen
o wenn der Hl. Geist in der Geschichte wirkt, dann ist die Folge dieses Geistes
Entwicklung, Auseinandersetzung, Krise, Niederlage, … also Dramatik
- wirft man der Kirche Unheiligkeit vor, ist dies dogmatisch nicht der Fall
o wir alle leiden an einem moralisierendem Bild der Kirche
o der Pate der Skandalkultur ist der Satan
o Kirche als Werk des Hl. Geistes ist eine Gemeinschaft von Menschen, in der
Auseinandersetzung aber auch Versöhnung möglich ist, also das Leben dramatisch ist
Dogmatik II
- 5 -
1.2.1 Kirchengründung als Prozess
- Rahner kommt noch aus einer Zeit der neuscholastischen Tradition, wo die Theologie wie
Geometrie getrieben wurde (Kirche als societas perfecta)
o kaum geschichtliches Denken
- Schwager steht schon auf dem Standpunkt des II. Vatikanums
o in LG wird nicht über die Kirchengründung wie früher geredet
o hier wird geredet, dass es ein Prozess war
o geschichtliches Denken, Kirchengründung als Prozess
1.2.1.1 Kirche und Israel
- die Kirche geht auf Christus zurück, aber Christus fällt nicht vom Himmel herab
- er lebt in einer bestimmten Glaubenstradition
- seine Lehre und sein Wirken spielen sich im Rahmen des Glaubens Israel ab
- dessen Glaube gründet in Abraham
o Abraham wird ein Sohn verheißen
- der Besuch Gottes bei Abraham veränderte das Leben des Menschen
- weil Gott Abraham erwählt, weil er Beziehung zu ihm Aufnimmt, eine Beziehung, die zuerst
mit ganz alltäglichen Bedürfnissen zu tun hat (die Religion fängt bei den alltäglichen
menschlichen Bedürfnissen an), da fängt Religiosität an
o Gott verändert sogar diesen Namen, er begründet eine neue Geschichte
o so wie zB bei den Verliebten, man gibt sich Kosenamen eine neue Geschichte fängt
an
- Gott wendet sich Abraham zu, damit die anderen gesegnet werden
- Kirche ist eine Gemeinschaft, die auf Beziehungen aufbaut, auf Abraham und Sara, auf Isaak
und Jakob, …
- irgendwann sind alle Menschen in diesem Beziehungskontinuum enthalten
- wozu also ist Abraham erwählt – damit in ihm andere erwählt und gesegnet werden
o ich liebe dich, damit du die anderen lieben kannst
o Beziehungsstiftung
- Gott will nicht die Menschen einzeln retten, sondern sie zu einer Gemeinschaft schließen
o dies tut er, indem er jemanden anspricht, jemanden mitnimmt
o ich bin begeistert und begeistere jemand anderen („burning person“)
- Gott erwählt also Abraham, und in ihm sollen andere Völker gesegnet werden
- die Ekklesiologie, die bis ins AT zurückgeht, verfolgt den Gedanken der Erwählung des
Menschen
- das AT ist eine hochdramatische Gesichte
o Gott verbindet sich mit dem Menschen, er erwählt sie
o aber diese reagieren nicht mit Freude, sie lehnen es meistens ab
o anstatt auf Andere bezogen zu sein, macht der Mensch die Erfahrung, Erwählung als
selbstbezogen zu begreifen – man schließt sich ab
o das nennt man in der atl Tradition „Abfall“ und „Untreue“
o Konkurrenz, Lüge, Gewalt … all das ist da
o das AT ist aber von einem ganz eigenartigen Gedanken getragen
o die Glaubensgeschichte Israels erzählt im Prinzip ein und dieselbe Leier:
Gott erwählt die Menschen
die Menschen sind untreu
Gott intensiviert seine Beziehung
o Gott antwortet auf den Verrat also (deswegen ist Gott der Inbegriff der Liebe), indem
er seine Beziehung intensiviert
o aber nicht auf eine zuckersüße Weise, es ist hochdramatisch
o er kämpft um seine Beziehungspartner
o Gott ist kein postmoderner Liebhaber (heute da, morgen dort, übermorgen kennt man
ihn gar nicht mehr)
o dramatische Logik der Vertiefung
Dogmatik II
- 6 -
o das Ganze durch Leidensexistenzen
o man hat das Gefühl, diese Beziehung führe den Menschen zum Tod (vgl. Jeremia, der
seine Geburt verfluchte)
was sind echte Märtyrer?
Einzelexistenzen, in denen die Wahrheit zu erkennen ist
diese Wahrheit kostet einen enormen Preis
o Verfolgung im Namen des Gesetzes, sogar im Namen Gottes
Otto Neururer, Franz Jägerstätter
die Einzelexistenzen, die diese Wahrheit mit ihrem Tod erkaufen
- in Ex 28,25 definiert sich die Beziehung ganz klar
o Gott sammelt, er sammelt zur Gemeinschaft
o diese Gemeinschaft schenkt den Menschen neue Lebenskraft
o aber wie sammelt Gott die Menschen?
die Menschen sammeln sich, indem sie ausgrenzen
Religionsgemeinschaften ähnlich – anatema sit!
Gott erweist sich als heilig, indem er Menschen sammelt
an diese Frage knüpft sich das Drama Jesu
wenn Kirche eigene Gemeinschaft ist, in dem Gott seinen universalen
Heilwillen zeigt, muss sie andere Logiken aufzeigen, als dies der gängige
politische Verstand macht
1.2.1.2 der dramatische Ansatz – das Drama Jesu
- Kirche ist nicht ein Verein und auch nicht eine Idee, die dann verwirklicht wird; die Kirche
besteht darin, dass sie sich in der Geschichte verwirklicht
o im Verwirklichungsprozess wird sichtbar, was Kirche ist: eine bestimmte Art von
Sammlung von Menschen
o Drama: Begegnung von Menschen, auch Begegnung zwischen Menschen und Gott,
die sich nach einem bestimmten Muster ereignet: Einladung, Kommunikation,
Verweigerung, Ignorierung, Missverständnis, Kommunikationsabbruch und
Versöhnung
Bruch ist außerhalb der Kirche
hier geht es um die Infragestellung des moralisierenden Verständnisses
ein Drama setzt voraus, dass es mehrere Mitspieler gibt
Mitspieler, die von echter Freiheit gekennzeichnet sind (menschliche wie
auch den göttlichen Mitspieler)
Drama verträgt sich nicht mit Vorherbestimmung, das wäre Tragödie
es gibt eine Art Verhängnis in der Antike – Schicksal – dem die
Menschen und die Götter unterstellt sind
der christliche Gott ermöglicht Freiheit
Gott ist Autor, Regisseur und Mitspieler
auch die Menschen sind echte Mitspieler
Mitspieler, die ihre Rolle wahrnehmen oder auch verweigern können
sie können auch Rollen neu definieren
ein Drama, in dem Freiheit nicht ausgeblendet wird
- Martin Buber, hat das Theologietreiben und den lebendigen Glauben in Beziehung gesetzt:
o ist das Verhältnis zwischen Speisekartelektüre und einem festlichen Mahl
o Theologietreiben ist die Speisekarte, man hat Ahnung, Lust, aber es ist nicht die
Mahlzeit
o Speisekartenlektüre ohne Mahlzeit ist nicht möglich
o Mahlzeit ohne Speisekarte allerdings ist möglich
- Raymund Schwager entwickelte das Drama auf Basis von fünf Akten, die nicht reduziert
werden können
o es geht hier nicht um Benennungen, sondern um Nuancen
o es ist theologisch sehr viel Neues, was hier zur Sprache kommt
Dogmatik II
- 7 -
- Jesus hat nicht nur die Botschaft vom Reich Gottes verkündet, sondern auch ein Geschick
erlitten
- das hat etwas mit Sammlung zu tun
- Offenbarung besteht darin, dass Menschen durch die Initiativen Gottes zu einer Gemeinschaft
werden – Gott sammelt
- Jesus sammelt durch das Wort und durch sein Geschick, das was ihm widerfährt
1.2.1.2.1 erster Akt: Basileia-Botschaft
- bedingungslose Integration o gerade in Jesus weitet sich der Horizont aus; bedingungslose Integration von
Menschen, so wie sie sind
o bedingungslose Zuwendung zum Menschen; bedingungslose Integration und
Hoffnung, dass diese Menschen dann genauso handeln; dass durch die Erfahrung der
Annahme und der Liebe sie selber befähigt werden, selber zu lieben und zu
integrieren
- das Drama nimmt seinen Lauf, weil Gott Initiative ergreift
- die neue Initiative:
o wichtig ist auch das Alte: die lange Heilsgeschichte von Abraham bis hin zu den
Propheten ist eine Bemühung Gottes, das Volk Israel als Nukleus (Zentrum einer
größeren Geschichte) zu positionieren: Gott wählt ein Volk aus, damit es zum
Segen für Andere wird
man wird nicht um seinetwillen erwählt, sondern zum Segen für andere
das Versagen des Einzelnen, das Versagen des Volkes
das Volk bezogen auf Andere
so ist das Versagen kein beliebiges moralisches Versagen, sondern
die Umkehrung der Richtung, die Gott ermöglichte
anstatt Segen für Andere: Selbstbezug
Gottes Reaktion: die prophetische Botschaft und der Ruf zur Umkehr (dann
wird wieder die Gnade der Erwählung zuteil)
das ist das religionswissenschaftlich gängige Muster: Bekehrung,
dann Segen
wirst du brav, wirst du belohnt
o neue Initiative Gottes im Leben Jesu:
Schwager hat den Inbegriff des Neuen darin gesehen, dass Gott in Christus
sich bedingungslos dem Menschen zuwendet
Schwerpunkt auf „bedingungslos“
die Vergebung geht zeitlich und logisch der Umkehr voraus
o das Drama nimmt seinen Anfang darin, dass sich Gott dem Menschen ausliefert
o Basileia-Botschaft heißt, Heil und Botschaft verkehren den Platz
o wenn man das verinnerlicht, also sich von Gott lieben lässt, dann wird das Folgen
haben (analog zu einem Verliebtseinserlebnis)
o theologisch-programmatisch: wenn der Sünder per definitionem ein Feind Gottes
ist, so stellt die Basileia-Botschaft Jesu den Inbegriff von Feindesliebe dar
der Jesuanische Gott sammelt die Menschen, indem er alle seinem Heilswillen
unterstellt, er wendet sich allen zu
in Christus wendet sich Gott allen Menschen zu (egal, welche menschlichen
Grenzen es gibt)
die Hauptgrenze nämlich, die Grenze der Sünde, wird von Gott überschritten
- spärliche äußere Anzeichen
o Vollkommenheit Gottes
besteht darin, sich den Luxus leisten kann, tolerant zu sein
Gott ist ein schlechter Fundamentalist
Dogmatik II
- 8 -
ekklesialer Bezug: die Kirche wird dann kirchlich, wenn sie zuerst die
Botschaft der Toleranz (ist nicht laissez-faire!) fördert; die Kirche muss
Menschen so nehmen wie sie sind
o Auswahl der Zwölf
als Zeichen für die zwölf Stämme Israels
bei der grundsätzlichen Annahme aller symbolische Zeichen
(„Wellenbrecher“)
grundsätzliche Annahme heißt zuerst mal, die Wellen stehen zu
lassen
o Sündenvergebung
das wichtigste äußere Anzeichen
Jesus nähert sich den Sündern und vergibt Sünden
die Kirche erlebt Kirchlichkeit wenn sie vergibt (ist vielleicht die theologisch
entscheidende Herausforderung)
bedingungslos lieben heißt vergeben
aber wie oft soll man vergeben?
77 Mal 77, also immer, unendlich viele Male
Vergebung wird nicht inflationär
die Haltung der Vergebung, authentisch gelebt, fürchtet nicht, dass die
Vergebung inflationär wird
Integration von Außenseitern (Jesus integriert Außenseiter)
Verhinderung einer Steinigung, Mahlgemeinschaft mit Sündern und
Zöllnern, Hochzeit und Einladungen bei Pharisäern, …
all das tut Jesus in der Hoffnung, dass Menschen das weiterführen
o bedingungslose Annahme des Menschen so wie er ist, aus dem Glauben, der Mensch
wird von Gott so geliebt wie er ist, soll Folgen haben, und zwar, dass die Menschen
sich verhalten wie Jesus sich verhält
1.2.1.2.2 Zwischenspiel, nüchternes Urteil im Rückblick
- die Evangelien geben ein nüchternes Zeugnis – „… aber ihr habt nicht gewollt.“ – wem gilt
das? (Dem Volk Israel? Den Nichtgläubigen? Der liberalen Kritik an der Kirche?)
- Problem der Selbstgerechtigkeit – wer kann sich auf die Botschaft einer bedingungslosen
Vergebung einlassen?
o die Botschaft der bedingungslosen Liebe ist ein Skandal gerade für den modernen
Menschen, für den Menschen der Aufklärung, …
- der erste Akt, die Botschaft des Lebens Jesu im Dienste der bedingungslosen Integration
und der Befund des Scheiterns
o wen hat diese Botschaft verändert? Wer ließ sich darauf ein? – eigentlich niemand
o die Botschaft der bedingungslosen Integration scheitert – aber was ist mit Maria
1.2.1.2.3 zweiter Akt: Gericht; Verweigerung, Scheitern
- Ablehnung: Jesus scheitert mit seiner Basileia-Botschaft
o er scheitert historisch, aber auch vom systematischen Gesichtspunkt aus: die
Menschen lassen sich auf die Botschaft nicht ein
o Ablehnung der Integration heißt immer Isolation
o Girard: jeder glaubt sich allein in der Hölle und genau das ist die Hölle
o die vielen Menschen, die nicht nur an der Einsamkeit leiden und der
Kommunikationsunfähigkeit (verschulet und unverschuldet) können nur noch
verbittert existieren, alles verfluchen
- wichtiger ist, wie Jesus auf die Ablehnung reagiert
o Gegenfrage: wie reagieren Menschen auf die Erfahrung der geschenkten und nicht
erwiderten Liebe?
o oft schlägt es in Hass um
Dogmatik II
- 9 -
o jemand der sich unglücklich verliebt aber nicht angenommen wird, vielleicht sogar als
lächerlich bloßgestellt wird, dieser Jemand wird den vorher Angebeteten irgendwann
hassen
- zuerst predigt Jesus bedingungslose Liebe, dann predigt er Gericht – wie geht das?
o Unterscheidung von zwei Stadien der Verkündigung Jesus
durch die Erfahrung der zunehmenden Abstoßung hat Jesus seine Botschaft
immer mehr jener des atl Gerichts angeglichen hat – löst aber das
Grundproblem nicht
o was ist das für eine bedingungslose Liebe, die in Hass umschlägt?
ist das Bild des Gottes der die Sonne über allen aufgehen lässt nur ein
vorläufiges? Schlägt es in das Bild eines zornigen Gottes um?
- Gerichtspredigt Jesu ist keine Rachepredigt eines beleidigten Predigers (nicht nach dem
Muster eines abgelehnten Liebhabers), sondern sie ist als Offenbarung der faktischen
Situation der Menschheit zu interpretieren
o Schwager versteht die Gerichtspredigt Jesu in der Tradition der atl Tradition, die das
Gericht als Selbstgericht interpretieren
o es ist nicht Gott, der durch seine Aktivität den Menschen richtet und vernichtet,
sondern es ist der Mensch selber, der sich durch sein (Nicht-)Handeln in diese
Konsequenz bringt
volkstümliche Weisheit: wer jemandem eine Grube gräbt fällt selbst hinein
Gott agiert also nicht zusätzlich, es ist die innere Konsequenz meines
Handelns
o im Kontext der bedingungslosen Liebe: sitzt du in der Schei*e und jemand will dich
rausziehen, und du sagst „nein, ich stinke“, dann bleibst du eben dort sitzen; wenn du
Angst hast, dass sich jemand in dich verliebt, wirst du auch immer einsam bleiben
- in diesem Kontext könnte man nun darüber nachdenken, was die christliche Tradition am
Ende an die Wand malt: was ist die Hölle?
o es ist radikale Gottlosigkeit
o aber nicht dadurch, dass Gott dich in die Hölle steckt, sondern Ablehnung der
Rettung durch Gott
o gibt es einen Unterschied zwischen einem Gott der die Menschheit richtet, einem Gott
der sie gewaltsam vernichtet, der sie in die Hölle steckt, der ihr aber auch die
bedingungslose Liebe anbietet aber konfrontiert mit der Ablehnung der Menschen?
ist die Botschaft des Selbstgerichtes also nicht ein trojanisches Pferd?
wir sind in einem Drama, also in einer Entwicklung mit mehreren, nicht
reduzierbaren Akten
das Drama wird rekonstruiert wie ein therapeutischer Prozess, man kann nicht
beliebig einsteigen
1.2.1.2.4 dritter Akt: Transformation des Gerichtes (der Richter wird gerichtet)
- mit dem Verständnis des dritten Aktes fällt der Groschen
o gemäß der Botschaft vom 2. Akt heißt es: wenn du das bedingungslose
Heilsangebot abgelehnt hast, verfällst du dem Selbstgericht
implizit enthaltene Kritik der Marktlogik maßlose Heilsangebote
niemand ist gezwungen: wenn dir die Eine nicht gefällt, nimm die Andere;
man kann unter zig Angeboten wählen;
die Logik der Angebot legt den Trugschluss nahe, dass Angebote wertneutral
wären;
so war das Angebot Christi aber nicht verstanden
o 2. Akt: Ablehnung der Integration heißt Verlust des Heiles die Analogie zur
Marktlogik endet genau hier
o und genau hier setzt das Geheimnis des Kreuzes ein; und deshalb ist es nicht
kompatibel mit anderen Heilsangeboten
o die biblische Botschaft geht einen Schritt weiter:
im AT grundgelegt; Gott radikalisiert seinen Zugang zum Menschen
Dogmatik II
- 10 -
Kreuz als Transformation, als Verwandlung des Gerichtes
dem Isolierten, auf sich selbst Zurückgeworfenen, dem
Selbstdestruktionsprozess freigegebenen Menschen eröffnet sich eine neue
Chance, indem sein faktisch destruktives Handeln verwandelt wird
o Integration – Ablehnung – Selbstdestruktion – Transformation der
Selbstdestruktion (= Sammlung durch das Kreuz)
spätestens hier werden einige erschrecken: das Kreuz ist ein ambivalentes
Symbol
natürlich wurden Menschen, unzählige, im Zeichen des Kreuzes getötet und
ausgeschlossen – deshalb sind Kreuzzüge der Inbegriff der Pervertierung des
Kreuzes, da stand es im Dienste der Ausgrenzung
o theologisch gesprochen ist das Kreuz ein tiefstes Symbol der Integration
von außen betrachtet stellt das Kreuz nichts anderes dar als Viktimisierung
eines Menschen durch andere Menschen, insofern ist diese Viktimisierung
allen anderen Viktimisierungen vergleichbar
Jesus wurde zum Opfer, genauso wie Menschen immer wieder zu Opfern
werden
in diesem Sinne versinnbildlicht das Kreuz etwas, was immer passiert:
Menschen werden geschlagen, vergewaltigt, getötet, …
de Zuspitzung die wir beim Kreuz haben lautet: Jesus wurde unschuldig zum
Opfer gemacht; er war unschuldig
diese Perspektive der Unschuld verbindet das Kreuz wiederum auch mit allen
Opfern der Weltgeschichte, denn, und das ist der Punkt, warum das Kreuz
transkulturell verstanden wird, Jesus identifiziert sich mit den Opfern und
zieht sie an sich heran
die Christen glauben, dass im Geheimnis des Kreuzes – und das ist die
Transformation – Christus als Opfer sich mit Menschen identifiziert, also sie
als Menschen akzeptiert, ihnen auch bedingungslos vergibt und sie integriert,
insofern diese Menschen in ihren Taten selber Opfer sind; er ist Opfer und er
identifiziert sich mit den Menschen, insofern sie Opfer sind; modern
gesprochen gibt es kaum einen Täter, der nicht den Aspekt des Opferseins bei
sich entdecken wird
und weil ich das jemandem in die Schuhe schiebe glaube ich, stückweise
davon entlastet zu sein, aber faktisch habe ich die Schuld nur jemand anderem
zugeschoben, eben immer dann, wenn ich unglücklich werde
Beichtväter hat man abgeschafft, dafür Millionen in Psychotherapeuten
gesteckt, aber die heilen doch nicht, denn die wollen ihre Patienten erhalten
(ganz im Gegensatz zum Beichtvater)
dieses Geschäft lebt von der ständigen Schieberei; wir schieben die
Opfererfahrungen einander zu
o das Christentum muss den Schatz des Geheimnisses der Erlösung im Kontext
moderner Erfahrungen neu definieren
das Symbol des Kreuzes ist ein Symbol, zu dem interessanterweise Menschen
immer wieder neu finden, und zwar immer dann, wenn sie am Boden liegen,
weil es zutiefst Erfahrungszusammenhänge andeutet: ich kann jederzeit zum
Opfer werden (ist eine hochdestruktive Erfahrung)
o das Kreuz sagt im Kontext von hochdestruktiven Erfahrungszusammenhängen
(Sünden, Ausschluss, …), dass es möglich ist, diese Sackgassen zu sprengen, und
zwar nicht aufgrund eigener Anstrengung oder moralischen Willens, sondern es ist
möglich aufgrund von tiefen Erfahrungen;
die Selbstisolation wird nicht durch Gewalt gesprengt, sondern nur durch eine
noch tiefer liegende Beziehung
der banale Abklatsch hiervon: wie lange kann der Mensch Schmerzen
aushalten; fast immer dasselbe Ergebnis: wenn geliebte Menschen im Raum
anwesend waren, hielten sie den Schmerz länger aus
Dogmatik II
- 11 -
Transformation gelingt, weil dem destruktiven Zusammenhang eine noch
tiefere Beziehung zugrunde liegt
Christus ist nicht Sohn Gottes weil er am Kreuz gestorben ist, sondern weil er
Sohn Gottes ist kann er am Kreuz sterben und integrieren; das ontologische
Geheimnis dieser Person ist die Beziehung zum Vater
dadurch verwandelt er die Viktimisierung; deswegen stellt auch das
Geheimnis der Verwaltung den tiefsten Inhalt des Glaubensbekenntnis Gott
schreibt auf krummen Zeilen gerade
o so verstanden stellt das Kreuz nichts anderes dar, als Fortsetzung und Vertiefung
der Integration, die im ersten Akt angesprochen wurde; Integration durch das
Versagen hindurch
- ist meistens eine Zuspitzung, eine Weichenstellung
- stellt die größte Überraschung dar
- Jesus kündigt im zweiten Akt das Gericht an, es trifft aber anders ein, als er es angekündigt hat
- nicht die Menschen, die sich nicht einlassen zerstören sich selber, sondern sie rotten sich
gegen einen Dritten zusammen
o es tritt nicht Selbstgericht ein, sondern das Gericht trifft den, der es angekündigt hat
o der Richter wird gerichtet
o die vielfältige Transformation der Gerichtsbotschaft im Kreuzesgeschehen
- Grundproblem:
o das Grundgeheimnis der Wirklichkeit ist die Liebe, identisch mit dem dreifaltigen
Gott
o wenn der Sinn der Gesichte sich darin erschließt, dass alle in Gott vollendet werden,
und man denkt so, kommt man in große Probleme
o die Tradition kennt ein sehr ambivalentes Bild, das Gnadenbild
dieses Bild legt ein ambivalentes Bild nahe: in aller Ewigkeit ist Gottes ewige
Liebe, ist identisch mit Gottes ewigem Schmerz
ehe das Kreuz auf Golgota aufgerichtet wurde stand es schon im ewigen
Herzen der Trinität
das Eigentliche ist das Kreuz
o wie ist das Kreuz in diesem Zusammenhang zu denken?
viele Theologien fangen hier an
die Gestalt des Christentums ist zentriert auf Opfer, Abtötung, Verzicht
manche Theologien tabuisieren das Kreuz
- Lösung des dramatischen Ansatzes: Frage, welche grundsätzliche Bedeutung so ein
winziges Ereignis im römischen Reich für die Weltgeschichte hat?
o anstatt der Selbstisolation kommt es zur Zusammenrottung gegen Jesus
o es kommt zu einer Allianz der Gleichgültigen (Versagen der Jünger)
o es kommt zu einem Ausschluss, einem Ausschluss, der in Verbindung gebracht wird
mit dem Sündenbockmechanismus: im Kreuz nehmen wir war, was man als
Sündenbockmechanismus beschreiben kann
o von außen betrachtet gleicht die Kreuzigung Jesu jeder Sündenbockgeschichte – auf
einen Unschuldigen wird irgendetwas abgeladen, was die Gesellschaft verschuldet
(„es ist besser einer stirbt, als dass alle sterben“); ein Unschuldiger wird umgebracht
o von innen her: Jesus spielt in einem anderen Spiel
die Menschen machen Jesus zum Opfer, er entzieht sich aber den Tätern
er bleibt aber kein Opfer, er verlässt das Spiel der Gewalt und gibt sich
seinem Vater hin
die Täter mögen zwar über seinen Körper verfügen, sein Inneres erreichen sie
aber nicht und verfehlen damit ihr Ziel
dieses Opfer ist sperrig, weil es über eine Identität verfügt, die nicht aus der
Opferexistenz herkommt – die Identität des Sohnes – weil er Sohn Gottes ist
stirbt er am Kreuz
o Exkurs: Buch „Jenseits von Schuld und Sühne“
wenn Opfer stundenlang gefoltert werden gibt es mehr; die Folterer verfolgen
das Ziel, das Opfer 100 %ig zu dominieren
Dogmatik II
- 12 -
welche Art von Kommunikation gibt es zwischen Täter und Opfer
der Täter will nicht nur den Körper zerstören und den Geist brechen,
er will, dass das Opfer sich vollständig unterwirft
der Täter will, dass das Opfer diese Erfahrung des Folterns, wenn
auch im extremsten Hass, diesen Kreis schließt
es kommt zu einer sadomasochistischen Konstellation: der Täter will
gehasst werden
es gab eine Gruppe von Menschen, die am ehesten Folter widerstehen können,
Christen und Juden, weil sie in dieser Kommunikation des Täters dieser
Versuchung nicht erlegen sind, weil sie die ganze Zeit nie mit dem Täter in
Kontakt getreten sind, sondern sie haben gebetet, aber nicht auf die Folter
bezogen, sie haben einfach mit Gott kommuniziert
das Opfer spielte in einem anderen Spiel; es beachtet den Täter nicht
Hass ist kein Entzug, Hass ist eine direkte Kommunikation
also was spielt sich im Kreuz ab?
man hat Täter, man hat Jesus, man hat also die Opfer-Täter-
Konstellation
Jesus aber wendet sich an seinen Vater
die Täter verfügen über seinen Körper, er aber gibt sich an seinen
Vater hin
er entzieht sich den Tätern, aber über die Vermittlung des Vaters
wendet er sich seinen Tätern zu, aber anders: „Vater vergib ihnen,
denn sie wissen nicht was sie tun“
er kann sich an den Vater hingeben, weil er über eine Identität
verfügt, die den Inbegriff seiner Person ausmacht
bevor Jesus in die Situation der Kreuzigung kommt ist er eine Person,
und der Inbegriff dessen ist die Beziehung zu seinem Vater
aus der Kraft dieser Beziehung kann er auch im Tod sich an seinen
Vater hingeben, ja mehr noch, er kann den Tätern vergeben
o diese Kommunikationsfigur steht im Zentrum dessen, was wir christlich als
Erlösungslehre beschreiben
dh Christus stirbt, aber nicht als Opfer, sondern in einer aktiven Hingabe an
den Vater (sacrificium)
er wird zum victima gemacht wie jeder Vergewaltigte, wie Menschen sich zu
vicitma machen
aber indem er zum victima gemacht wird spielt er eben nicht macht, sondern
in diesem Prozess macht er das, was er schon im Leben tat: er gibt sich an
Gott hin
er integriert die Erfahrung des Opferseins in die Haltung der Hingabe Gottes
er identifiziert sich mit den Opfern
Jesus wird zum Opfer gemacht und dadurch identifiziert er sich mit den
Opfern der Geschichte
Mt 25, Gleichnis des Weltgerichts: am Ende der Tage wird der
Richter kommen, und die Menschen scheiden, die einen auf die rechte
und die anderen auf die linke Seite; Alles was ihr dem geringsten
getan hat, habt ihr mir getan und umgekehrt.
durch dieses Gleichnis wird gesagt, dass Christus sich mit all den
Geringsten identifiziert
wir neigen dazu, dieses Gleichnis als das letzte Bild der Geschichte
zu nehmen (Wenn es das ist, warum steht es dann nicht am Ende des
Evangeliums? Es steht vielmehr vor der Kreuzigung. Bringt die
Kreuzigung etwas Neues ein um dieses Gleichnis zu deuten? Wenn
nein, wozu ist die Kreuzigung dann gut, wenn ja, was heißt dann
dieses Gleichnis?)
Dogmatik II
- 13 -
Christus schlägt nicht zurück, wie Opfer das normalerweise tun, er
wendet sich den Tätern zu und vergibt ihnen
das Problem das bestehen bleibt: wer sind Täter und wer sind Opfer?
Verwischung ist es nicht, Antwort im vierten Akt
1.2.1.2.5 Zwischenspiel
- Christus deutet, was sich später ereignen wird
- es ist nicht nur ein Spiel der Viktimisierung, es ist ein Spiel der Integration, die Christus selber
verantwortet – das ist mein Leib und mein Blut für euch
- die Bedeutung des letzten Abendmahles
o Gründonnerstag rückt hermeneutisch die Erfahrung des Kreuzes zurecht
o für die Christen ist das Bild des Kreuzes ambivalent
o das Bild wird für Christen in eine Richtung gelenkt: mit den Symbolhandlungen
beim letzten Abendmahl wird das Geschehen das folgt umgedeutet; im Voraus
deutet Jesus das um, er spielt in einem anderen Spiel; ganz gleich, welches Spiel
seine Gegner (das Böse, das Teuflische) spielen, Jesus spielt darin ein anderes Spiel,
ein Spiel der Hingabe
o warum das wichtig ist: die Wirklichkeit wird umgedeutet; Jesus deutet es um: ganz
gleich was passieren mag, er spielt in einem Spiel der Hingabe
o Integration ist nicht Kehrseite des Ausschlusses; zuerst positive Integration; der
christliche Gottesbegriff sagt, Gott ist Liebe, es ist etwas; die Liebe kann gestört
werden, sie kann korrumpiert werden im menschlichen Kontext;
o das Christentum setzt bei den positiven Werten an
o die Hingabe des Sohnes an den Vater seit Ewigkeit her; deshalb geht dem Prozess der
Gründung der Kirche das Geheimnis der Trinität voraus; eine Beziehungsgeschichte,
die Ewigkeit prägt; eine Beziehungsgeschichte, die sich im universalen Heilswillen
entäußert; die Hingabe des Sohnes als der entscheidende Punkt Kirche geht aus der
geöffneten Seite Christi hervor
o das Geheimnis Seines Herzens heißt: Gott liebt auch jene, die es ablehnen sich
lieben zu lassen, und er liebt sie seit eh und je; und er liebt sie, weil er es sich leisten
kann; weil der die Liebe ist
1.2.1.2.6 vierter Akt: Österliches Urteil des Vaters
- Ostern ist nicht die Wiederbelebung eines Leichnams
- das Geheimnis von Ostern beinhaltet mehrere theologisch interessante Sachzusammenhänge
- Schwager überschrieb es als „das österliche Urteil des Vaters“, oder auch die Sammlung, die
nun der Vater vollbringt
o im dritten Akt war der Sohn der Agierende, durch seine Identifikation mit den
Opfern; er vergab den Tätern
- um den vierten Akt muss man das Gleichnis vom bösen Winzer bedenken: Jesus erzählt
dieses Gleichnis, um stückweise das ihm bevorstehende Schicksal anzudeuten
o Ostern zeigt nicht die Reaktion Gottes, wie sie die Zuhörer spontan im Gleichnis
beschrieben haben
o der Vater weckt den Sohn auf, und dieser erscheint mit einem Friedensgruß unter
denen, die ihn sogar verraten haben
o es ist nicht das Urteil im Sinne der Gerechtigkeit menschlicher Gerichte, denn diese
urteilen zugunsten des Opfers, indem sie die Täter bestrafen; hier ist es ein Urteil
zugunsten von Opfern und Tätern zugleich das Opfer wird auferweckt und den
Tätern wird vergeben („Friede sei mit euch“); Auferweckung ist also eine
Friedensbotschaft
o nicht nur Auferweckung, nicht nur Durchsetzung mit Gewalt; Auferweckung hat mit
Integration zu tun, Integration durch den Tod hindurch
Dogmatik II
- 14 -
o die Sache Jesu geht weiter: die Sache der Integration; Integration durch Ausgrenzung,
durch das Kreuz hindurch; Integration durch den Tod hindurch bedeutet nicht nur
einen theoretischen Prozess, sondern das bedeutet Versöhnung, auch Versöhnung im
Kontext der Beziehungen, die zerbrochen sind; auch Versöhnung im Kontext der
Beziehungen, die sich in das Gegenteil verwandelt haben
o Auferweckung heilt und transformiert die Beziehungen
o wenn Menschen spontan Angst von den Verstorbenen (iSv Gespenstern) haben, dann
haben sie das, weil die Toten sich rächen können; die Religionsgeschichte kennt ein
ganzes Arsenal solcher Handlungen, zB Halloween: Tote, die zurückkehren können;
Tote, die Beziehungen durch Rache perpetuieren; Beschwichtigung des Zornes und
der Rache der Toten; sich mit den Toten versöhnen
wie viel Geld geben moderne Menschen aus für Grabstätten, für Blumen, für
Kerzen;
das letzte Motiv ist jenes der Versöhnung, auch mit jenen, mit denen man sich
scheinbar nicht versöhnen kann
o der Auferweckte erscheint mit dem Friedensgruß; bei den Jüngern, aber wer ließ
sich ein? Gerade die Jünger müssten bekehrt sein, aber sie versagen kläglichst, und
als sie die Tür versperren, aus Angst vor den Juden, auch aus Angst vor den
Gespenstern, und plötzlich steht er da: „Friede sei mit euch“
er erscheint mit einer faktisch stattfindenden Integration (= erster Akt, diesmal
aber durch den Abgrund des Todes hindurch)
zu dieser Sammlung, wer gehört dazu?
o was passiert zu Ostern? Ausgerechnet zu Ostern steht er in der westlichen
Ikonographie alleine da auf dem Altar, mit der Fahne; aber er steht eben alleine da;
die Osterikone der Ostkirche ist eine ganz andere: wo sind die Grenzen der Integration
durch den Tod hindurch? Osterikone der Ostkirche sagt: Ostern heißt, Christus steigt
zu den Toten hinab, ja, sogar bis in die Hölle, bis zu Adam und Eva (im
Glaubensbekenntnis: „ad inferos“), und er führt die Toten heraus; tanzend werden
die Toten in die neue Gemeinschaft integriert; Christus führt die Toten aus dem
Schattenort der Toten, ja aus der Hölle; nimmt man die Hölle als Ort der absurden
Isolation, der absoluten Einsamkeit (jeder fühlt sich allein in der Hölle und das ist die
Hölle), und so steigt Christus da hinab, damit diese absolute Einsamkeit gebrochen
wird
o in der Frömmigkeitssprache, die sagt, Christus fällt in seinem Tod tiefer als der
Mensch je zu fallen vermag, zeigt, dass er die völlige Isolation umfängt (Hölle als
mögliche Isolation im Lichte von Ostern heißt, Christus umfängt die in der Hölle in
sich selbst Verschlossenen und führt sie hinaus in einem Reigentanz)
o neben dem Urteil zugunsten der Gegner, neben dem Friedensgruß als Integration, sind
auch Essen und Trinken, was in diesem Kontext wichtig ist
o die Jünger erkennen ihn am Brot brechen: Brot brechen steht als Haltung für die
symbolische Hingabe; aber diese Zeichen der Hingabe haben etwas mit primären
menschlichen Bedürfnissen zu tun
als wir von Abraham und Sara sprachen malten wir das Szenario eines
Mahles, und der Auferweckte isst und trinkt
Essen und Trinken stehen für die Verinnerlichung; es geht um etwas, das das
Willentliche übersteigt; Essen und Trinken geschieht eigentlich ohne Zutun
des Willens, man verdaut einfach so; sakramentale Verinnerlichung der
Hingabe Christi geht dem Willentlichen voraus
die bedingungslose Liebe ist auch etwas, was der konkreten
willentlichen Bekehrung vorausgeht, und deshalb verinnerlichen wir
die Hingabe Christi indem wir Eucharistie feiern, Eucharistie als
Sakrament der neuen Sammlung
- entscheidende Aspekte:
o das Urteil des Vaters unterscheidet sich vom Urteil des Menschen
der Vater weckt den Gekreuzigten auf, und schickt ihn mit dem Friedensgruß
zu jenen, die versagt haben (Integration der Gegner)
Dogmatik II
- 15 -
Grund, warum Kirche politisch heute dort greifbar wird, wo
Friedensinitiativen gesetzt werden, wo sonst alles versagt
o die Integration der Toten
zur Kirche gehören auch die Toten
Kirche ist eine Gemeinschaft durch die Grenze des Todes hindurch
- es geht um das Essen
o die Jünger erkennen Jesus in Emmaus
o stellt eine Fortsetzung dessen dar, was Christus vor seinem Tod tat
Umdeutung des nachfolgenden Schicksals; gleich was geschieht, all das wird
durch die Zeichenhandlung ( Gründonnerstag) umgedeutet als Zeichen der
Hingabe; Christus gibt sich an den Vater und die Menschen hin
- Hingabe wird verinnerlicht; spricht man von der Verinnerlichung, denkt man an ein
ethisches Lebensprogramm; durch das symbolische Handeln (Brotbrechen, Essen) wird
angedeutet, dass es hier um eine Verinnerlichung geht, die über den Aspekt des Willens
vorausgeht; es geht um ein Geschehen, in das ich mit hineingezogen werden, das nicht primär
durch mich initiiert wird ( Sakramente sind Zeichen für eine unsichtbare Wirklichkeit; in
den Sakramenten wird an uns gehandelt; wir sind zwar Handelnde weil wir die Zeichen
setzen, aber die entscheidenden Aspekte geschehen unabhängig davon; wir geraten in ein
Geschehen, das uns sukzessive in Besitz nimmt)
o es ist ein Sacrifitium (Opfer)
o heißt „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ „bringt Opfer“?
o Opfermentalität – Priesterleben ist Opferleben; ein Christ muss ständig kleine Opfer
bringen; kleine wäre banal, man muss viktimisieren
o Christus hat durch seine Hingabehaltung im Sterben die Viktimisierung in etwas
Gutes verwandelt; „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ heißt, die Erfahrungen zu
verbinden mit der Hingabe Christi auf das, was krumm und negativ ist wird durch
seine Hingabe gewandelt
o wenn wir zur Messe gehen passiert das: „Mach uns zu einer Opfergabe“; alles was in
meinem Leben läuft (ob gut oder schlecht) wird verbunden mit der Hingabe Christi;
o Eucharistie ist somit das Sakrament der neuen Sammlung, der Höhepunkt dessen, was
Kirche ist; Integration wird durch Widersprüche hindurch gefeiert
o der Stein der verworfen wurde, wird zum Eckstein der neuen Versammlung
o Mt 25 („Alles was ihr dem Geringsten getan habt, habt ihr mir getan; alles was ihr
dem Geringsten nicht angetan habt, habt ihr mir nicht angetan.“) und dritter Akt
Christus identifiziert sich mit Allen, insofern sie Opfer sind
was ich selber mir antue, das wird Christus angetan
es wird eine Unterscheidung eingeführt: jeder Mensch ist Täter und Opfer
zugleich
die entscheidende Unterscheidung (Christus als Richter) legt nahe, es ginge
um böse und gute Täter
diese Erzählung steht direkt vor der Passion; und die Passion heißt nichts
anderes, dass der Richter gerichtet wird; er wird zum Opfer, und als Opfer
identifiziert er sich mit den Opfern
dh, durch die Passion findet eine Verschiebung statt: nicht zwei Lager stehen
Christus gegenüber (hier die Guten und dort die Bösen), sondern es geht
durch den Menschen hindurch
als Täter bin und bleibe ich Gegner Christi, ich bin ein Teil dessen, was
Sammlung gegen Christus ist; indem ich dem Geringsten in mir Unrecht
antue, wenn ich mich verachte, verachte ich Christus
insofern sich Christus aber mit mir als Opfer identifiziert, bin ich in einem
Beziehungskontext seiner erlösenden Kraft
im Kontext des Kreuzesgeschehens bin ich gespaltener Mensch, und Paulus
reflektiert im Zusammenhang des Gnadenhandelns darüber
o der neue Schritt: lasse ich mich auf die Logik des Handelns Christi ein? Lasse ich
mich darauf ein, dass er sich mit mir identifiziert? Mehr noch: erlaube ich seine
Hingabe? Verinnerliche ich seine Hingabe?
Dogmatik II
- 16 -
indem ich nehme und esse, nehme und trinke; das sind Zeichen meines
Willens, Zeichen, dass ich mich auf diese Logik einlassen will; durch äußeres
Zeichen gebe ich meine Bereitschaft bekannt
lasse ich mich ein, so werde ich verwandelt
o worum es bei dieser Verwandlung geht:
Auferweckung ist nicht nur ein Trick oder ein Kunststück, sondern
Auferweckung ist Versöhnungsgeschehen
in Lk steht „da schaute Jesus Petrus an“, nach dem Versagen, nach der
Verleumdung; was hat Petrus in diesen Augen gesehen? Etwa eine
Anschuldigung? Er müsste das gesehen haben, was der Inhalt des ersten
Aktes ist, nämlich auch im Versagen, auch in der Krise lebt Jesus die
bedingungslose Liebe; der versagende Petrus wird zum Feind, aber Jesus
akzeptiert ihn
Petrus musste im jesuanischen Blick die bedingungslose Liebe gesehen
haben, die ihm ermöglicht, sich selbst realistisch einzuschätzen und sein
Versagen zu seiner Geschichte zu machen; er wird schuldfähig; das heißt, das
Versagen zu akzeptieren und nicht zu verdrängen oder auf Andere
abzuwälzen
es wird ihm Vergebung und bedingungslose Akzeptanz zuteil, und zwar durch
das Versagen hindurch; weil er akzeptiert wird, kann er „ja“ zu seinem
Tätersein sagen
Schuldvergebung bedeutet nicht, das Falsche aus dem Leben wegzuschaffen,
sondern, es zum Teil der Lebensgeschichte zu machen
es ist eine andere Heilung als jene nach dem Gewaltmonopol; das
Gewaltmonopol, das Gericht, bietet eine Sühnung an, indem das Opfer an die
Stelle des Täters und somit den Täter zum Opfer machen (zB, wenn
Angehörige die Exekution in den USA mitverfolgen wollen; Genugtuung)
- kirchlich gesprochen würde heißen, die Folge des vierten Aktes wäre die Schuldfähigkeit
des Menschen (o felix culpa)
o der Gesang der Osternacht im Lichte der Osterkerze kennt die Formulierung „o felix
culpa“, „oh glückselige Schuld, welch eine große Erlösung hast du gefunden“
o o felix culpa heißt, Schuld im Modus der Vergebung
o es gibt einen kirchlichen Zugang zur Frage Schuld, der sich vom juridischen,
therapeutischen und psychologischen Zugang unterscheidet: kirchlich gesehen gibt
es die Schuld immer schon im Modus der vergebenen Schuld
o von Pius X. wird berichtet, dass er einen Kaplan hatte, und bis zu 10 Mal täglich
beichtete; also neurotisch von Ängsten geplagt, schuldhaft zu sein
o diese Praxis brach zusammen (in den 70ern), und das ist gut, weil sie nicht das erfüllt
hat, was sie erfüllen sollte: sie hat die Menschen nicht von Schuld befreit, sie hat die
Menschen festgenagelt, und es war nur die Frage, wann der Mensch rausfällt
o oft ist an die Stelle der alten Beichtpraxis so etwas wie eine kirchlich abgesegnete
Laientherapie getreten
o im Lichte des bislang besprochenen heißt es, Gott vergibt die Schuld
bedingungslos; dh der Mensch, der sich Gott nähert, nähert sich ihm auch im
Bewusstsein der eigenen Schuld, aber auch im Bewusstsein, dass diese Schuld
schon vergeben ist; dieser Schritt auf Gott zu ist eigentlich die bewusste Annahme
dieser Vergebung
o das ganze geschieht im Horizont einer bedingungslosen Annahme, und so kann ich
stückweise zu dem Brüchigen in mir ja sagen
o da geht es nicht um Erklärungen, Rationalisierungen oder juridisch relevante Aspekte
der Wiedergutmachung, sondern um das sich gläubig angenommen wissen und das
Erleben dessen o o felix culpa: Schuld im Modus der vergebenen Schuld
o die Christen sind jene Menschen, die einen anderen Umgang mit der Schuld haben
können
Dogmatik II
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o schuldfähig zu sein, heißt Schuld als Teil meines Lebens annehmen, was nur geht,
wenn mir Schuldvergebung zuteil wird
o auf dem literarischen Markt gibt es kein besseres Beispiel als den Roman von Graham
Green, „Die Kraft und die Herrlichkeit“; Geschichte eines Skandalpriesters
gerade heute, in der Zeit von Skandalisierung, ist das eine heilsame Lektüre
er schildert einen Versager, aber er schildert die Geschichte mit einer Sprache,
die dem Vertrauen, dem Glauben auf die Vergebung entspringt; das ist eine
bewusste Wahrnehmung des Versagens
- Eucharistie: Wandlung der Exklusion durch Inklusion
o Christus verwandelt durch seine Taten die Verwerfung in etwas Gutes
o dadurch wird die Exklusion zur Integration, und in der Eucharistie wird das gefeiert
o Eucharistie als eine Antisündenbockgesellschaft
o die Metapher „Leib Christi“ hat bewusst die Konnotation mit Essen und Trinken
- Kirche und Staat sind nicht identisch, Kirche ist keine politische Partei und kein Verein
o dies sind sekundäre Bedeutungen, die aber als primär verstanden werden
o Kirche ist dies nicht, weil die Art von Sozialisierung, wie es Staat, Partei und Verein
verstehen, nicht ohne Polemisierung auf Gegner nicht auskommt Einheit auf
Kosten der Anderen
o es gab so eine Definition: Kirche ist, was die anderen nicht sind
o Vatikanum II hat Abschied genommen von dieser Logik; viele sagen dies sei der
Grund, warum die Kirche in Krisen schlitterte
o es war eine Revolution, deren Folgen bis heute nicht ganz absehbar sind
o wir alle sind auf irgendeine Art von der vorkonziliären Kirche beeinflusst
o um zu verstehen was Vatikanum II wollte, sollte man sich auf den Satz in LG leiten
lassen „Das Geheimnis der Kirche wird in ihrer Gründung sichtbar“
o der Gründungsprozess besteht in einem mühsamen, durch Rückschläge gezeichneten
Prozess der Sammlung von Menschen; eine Sammlung, die dem göttlichen Willen
entspricht
o Gott erwählt; Einzelne, Gruppen, ja ein ganzes Volk, damit der Erwählte zum
Segen für andere wird, also andere integriert
o Gott, eine Gemeinschaft von Personen; LG beginnt mit der Definition der Trinität
die Analyse der Kirche; eine Gemeinschaft, die integriert
o Sammlungsprozess heißt Integration
o Gott als eine Gemeinschaft, die sich auf die nichtgöttliche Wirklichkeit öffnet; Gott,
eine Gemeinschaft, die nicht zufrieden in sich ruht; sie öffnet sich auf die Menschen,
auf die ganz konkreten Menschen (Abraham, Sara, Isaak, Jakob, …)
o Gott beruft die Menschen, er erwählt sie, bis heute
o Gott beruft, damit die Berufenen zum Segen für die Anderen werden
o der ekklesiale movens: durch konkrete Menschen werden andere konkrete Menschen
integriert; er beruft, damit sie segnen
o dazu gehört aber auch die Erfahrung des Versagens, auch eine selbstbezogene
Interpretation der Erwählung
die Gefahr, dass die Erwählung pervertiert wird ist groß; Selbstbezug statt
Proexistenz
o die Reaktion Gottes auf solch ein Versagen ist die Gerichtsbotschaft, verstanden als
Selbstgericht Gerichtsbotschaft der Propheten; Aufruf zur Umkehr
o auf diesem Hintergrund gingen wir dazu über, das spezifisch Innsbrucker Modell
(fünfaktiges Drama Jesu) zu sehen; das Drama Jesu als das hermeneutische Raster,
das all jene Punkte unverzichtbar anbieten, die zur Kirchengründung gehören
man kann nicht auf einen Punkt verzichten ohne die Kirche verkürzt zu
verstehen
um zu verstehen was Sammlungsprozess ist, braucht es fünf Akte, als nicht
reduzierbare Akte
das Drama Jesu stellt die Verdichtung und Zuspitzung der Sammlung durch
Gott dar
Dogmatik II
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1.2.1.2.7 fünfter Akt: Die Erfahrung des Hl. Geistes
- biblisch gesprochen geht es darum, dass die bisher isolierte Gemeinde die Angst verliert, die
Türen öffnet und in die Öffentlichkeit hinaus geht
- die Dynamik des Geistes macht es möglich, dass, was bisher in kleinen Gruppen erfahren
wurde, der Gemeinschaft zuteil wird
- theologisch gesprochen: von der Sendung des Hl. Geistes bis zur Wiederkunft Christi (also
die Geschichte) wird das Christentum nach dem Modus des Dramas gelebt wird
o der Geist mach das Drama präsent
- der Schritt in die Öffentlichkeit und sukzessive Ausweitung bis an die Grenzen der Erde,
Juden und Heiden in einem harmonischen Miteinander
- heißt Anwalt, der Anwalt der Opfer; dem steht gegenüber eine
Gestalt die man Lügner nennen kann, der Satan
o der Satan ist der, der Öffentlichkeit durch Skandale regiert
o die Logik des Hl. Geistes ist die Logik des Anwaltes
2 dogmengeschichtliche Präzisierung des ekklesiologischen Dramas
2.1 biblische Bilder zur Beschreibung des Mysteriums - LG 5
o LG ist Prüfungsliteratur, man sollte es gelesen haben!
o LG setzt an, indem es das Geheimnis der Trinität mit dem Geheimnis der Kirche in
Verbindung bringt
o der ewige Vater hat nach seinem Ratschluss die Menschen zur Teilhabe am
göttlichen Leben erhoben, durch den Sohn sie integriert
- Bilder vom Hirten- und Bauernleben
- wichtig ist die dramatische Wahrheit vom verworfenen Stein; den Stein den die Bauleute
verwarfen wurde zum Eckstein;
2.2 Erdung des Mysteriums in der alten Kirche - „Die Kirche ist keusche Hure“: von sich aus, das was sie tut, die Sammlung von Menschen,
die an den Mechanismen der Sammlung dieser Welt (Lüge, Verrat) Anteil haben, wird
geheiligt durch den Hl. Geist (ist ein Bild der Kirchenväter)
o in den ersten Jh. war die Kirche kleine Gruppen in der Diaspora
2.2.1 kleine Gemeinden in fremder Umwelt
- bereits diese Situation der kleinen Gruppen sagt aus, wie sie sich verstanden haben: Überleben
nur durch Solidarität möglich
- sie fielen auf, weil sie in einer unsolidarischen Welt sich um Andere gekümmert haben
- Geschlossenheit und Fürsorge nach innen; der Geschlossenheit nach innen entsprach auch eine
nach außen; das entscheidende Zeugnis der Wahrheit nach außen hat die alte Kirche nicht
durch Dämonisierung abgelegt, sondern durch Martyrium
- will man die Kirche der alten Zeit auf einen Punkt bringen, so sind es Gemeinden, die eine
starke Solidarität hatte und eher das Martyrium erlitten als die anderen zu bedrohen
- Martyrium wird noch bei Athanasius in seinem Werk über die Menschwerdung als das
erstrangige Zeugnis der Wahrheit des Christentums vermittelt
o die Tatsache, dass Christen die Angst vor dem Tod verlieren, ist nach Athanasius ein
Wahrheitsargument für das Christentum
Dogmatik II
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2.2.2 Martyrium heute
- heute oft marginalisiert, betrifft die kirchliche Wirklichkeit aber immer
- das 20. Jh. war „das“ Jh. des Martyriums
- weltweit sterben täglich Menschen den Märtyrertod
2.2.3 Herausforderungen der damaligen Zeit
- „popular culture“, damals Gnosis, heute Esoterik
- der Einfluss der Gnosis auf das frühe Christentum war wohl enorm, uU bis zu 50 % der
Christen wären gnostisch angehaucht werden
o Gnosis ist im Grunde eine Strömung, die man heute mit New Age vergleichen kann
o im 1. und 2. Jh. war diese Strömung recht stark
o religiös spekulative Strömung, auf wenige Sätze zusammenfassbar:
das Unheil steckt in der materiellen Welt
sich über die Materie/den Leib erheben
Erlösung im Modus der Selbsterlösung
o Selbsterlösung durch Erkenntnis
o Synkretismus pur, aus verschiedenen Impulsen
o das Ganze nun fokussiert auf die christlichen Wahrheiten und Gestalten: Jesus, eine
Lichtfigur die erscheint mit einem Scheinleib, der aus der Leiblichkeit erlöst
o Dualismus (Materie-Geist, Licht-Dunkel); Erlösung durch Erkenntnis
- das ist die Bedrohung für das Christentum, weil jüdisch-christliche Tradition der
inkarnatorischen Logik verpflichtet ist
o wenn Erlösung, nicht aus der Welt, sondern in die Welt;
o Schöpfunglaube, Inkarnation, Vermittlung des Heils durch Sakramente
o hat alles fundamental mit Leiblichkeit, mit der materiellen Welt zu tun
o kein böser Demiurg, kein Dämon
o Materie ist Ergebnis der Schöpfung Gottes
o Gott selber wird Mensch, Inkarnation
o der Mensch wird leiblich auferstehen, die Leiblichkeit ist nichts Zufälliges
- Gnosis ist die Infragestellung der Kirchlichkeit mit der man sich immer wieder
auseinanderzusetzen hat
- Herausforderung damals und heute
- in dieser Umwelt werden stückweise das Ringen um eine kirchliche Identität spürbar
- die Auseinandersetzung um Kirchlichkeit spürbar durch Aspekte:
o Amt, die Bedeutung des Amtes in der Kirche; die Bedeutung des monarchischen
Episkopats
o Tradition, öffentliche Tradition und nicht geheime
o Kanon, die Frage der Hl. Schrift
- all diese Fragen stehen heute unter einem ungeheuren Verdachtsmoment, nicht zuletzt durch
Filme wie „Da Vinci Code“ hat man die Vorstellung dieser Zeit in den Kontext der
Verschwörung gestellt
o Kirche sei eine geheime Verschwörerorganisation, die so etwas wie einen
Geheimbund in die Welt setzte und andere Tendenzen aussetzte
o was ist das trockene Wissen dahinter? Was ist die Wahrheit? – das gilt es hier zu
lernen!
- gelingt es der Kirche das zu verwirklichen, was wird durch die Reflexion der Akte als
entscheidend empfinden: Integration, Annahme, Antwort, Transformation, Integration durch
den Bruch hindurch
o der Akzent auf dem nach Vat. II Wert gelegt wird: Gott der sammelt und integriert,
ein Gott der nicht ausgrenzt
o wie kann eine Abgrenzung zu einer esoterischen Welt geleistet werden?
o wir werden Zeugen sein eines sehr dramatischen Ringens, wo plötzlich im kirchlichen
Handeln oft das exakte Gegenteil von dem Notwendigen getan wird
Dogmatik II
- 20 -
o anatema sit – wird sogar in der Kirchengeschichte zu einer Form des dogmatischen
Denkens
o Gott rettet indem er Menschen zu einer Gemeinschaft bringt dh, Gott nimmt Menschen als Beziehungswesen wahr
der universale Heilwille Gottes wird greifbar im Zeichen
wenn das Kreuz zum zentralen Symbol avancierte, so ist das kein Zufall; hier
wird etwas sichtbar gemacht, was im Grunde bei allen
Vergemeinschaftsprozessen klammheimlich am Werk ist
mit dem Kreuz wird symbolisiert was gang und gäbe ist, eine
Vergemeinschaftung auf Kosten Anderer
gleichzeitig wird am Kreuz etwas ablesbar, was die Kirchlichkeit von den
allgegenwärtigen Vergemeinschaftungen unterscheidet: die Inklusion; diese
Inklusion geschieht durch Versöhnung; eine andere Versöhnung wie oft im
politischen Kontext gegeben
Kirche als eine Gemeinschaft österlichen Vertrauens: echter Neubeginn;
Integration leben, Liebe entdecken
- die Reflexion des geschichtlichen Werdens gehört zum Selbstverständnis der Kirche
- geerdet wurde die Kirchlichkeit durch die tägliche Solidarität
o Christen fielen im römischen Reich durch extreme Solidarität auf
o und durch Martyrium; Martyrium als eine wichtige Haltung im Konflikt; nicht das
Getötetwerden macht den Märtyrer aus, sondern seine Haltung (eine, die der Christi
ähnelt; „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an …“)
- nun kommt die Herausforderung und die Ambivalenz
o synkretistische Religiosität; die Hälfte der Christen im römischen Reich dürfte
gnostisch angehaucht gewesen sein
o dramatische Auseinandersetzung mit dieser populären Kultur um die Frage der
kirchlichen Identität
2.2.4 dramatisches Ringen um Kirchlichkeit
- identitätsstützende Elemente:
o ein monarchisches Episkopat
o Frage der öffentlichen Tradition
o Festlegung des Kanon des NT
- in allen diesen drei Punkten spielt die Frage nach der Ausgrenzung ( Drama Jesu) eine große
Rolle
o Grenzziehung, iSv Errichtung von Zäunen; Identität hat mit Grenzziehung zu tun
- René Girard: Menschen finden zueinander durch Ausgrenzen Anderer
- in der alten Kirche geht es um Abgrenzung zu anderen Arten von Identität und Kirchlichkeit
- Abgrenzung zu einer freien Religiosität und zu einer alternativen Kirche, die sich auch als
Institution begreifen kann
- heute: wozu braucht es Kirche?
o der Individualismus der heutigen Zeit spiegelt sich stark in der Kirchlichkeit wieder
o LG 9: Gott will die Menschen nicht einzeln sammeln, er will Gruppen
o wenn Gott will, dass Menschen in Beziehungen zueinander stehen, dann hat das etwas
mit der Kirchlichkeit zu tun
- die Ausbildung der Kirchlichkeit in der alten Kirche vollzieht sich Hand in Hand mit der
Amtsfrage
2.2.4.1 Integration und Ausgrenzung durch das Amt: ist das Amt notwendig?
- welche Rolle hat nun das Amt und wie soll es theologisch eingeschätzt werden?
- diese Frage wird in der theologischen Diskussion am Bsp. von zwei ntl Schriften diskutiert
Dogmatik II
- 21 -
Exkurs: Tim und Tit
- bei der Frage, wie diese Briefe ausgelegt werden sollen, scheiden sich die kirchlichen Geister
im Westen
- das Thema der Pastoralbriefe lautet: es gibt nicht nur Strukturen in der Gemeinde, sondern der
Grundtenor lautet, Timotheus und Titus sollen für Ordnung sorgen
- klare Empfehlung: sie sollen sich als Hirten um Strukturen sorgen
- Frage, wie das in der Dogmatik eingeschätzt werden soll:
o 1. freikirchlicher Umgang (extremste Lösung): es gibt keine theologische
Legitimation des Amtes; das Amt in der Kirche ist eine soziologische banale
Notwendigkeit; wo mehrere Menschen sind braucht es irgend eine Ordnung; man
nimmt Tim und Tit als dem Kanon zugehörig, misst dem aber keine Bedeutung zu
Folge: Reformierte und Evangelikale bedienen sich einer Lösung, die
selbstverständlich ist: wenn ein Konflikt da ist, trennt man sich; es entsteht
eine neue Kirche, weshalb diese Szene unüberschaubar ist
o 2. lutherische Position: Kirchen des Augsburger Bekenntnisses: das Amt ist
normativ; das Amt qua Amt aber nicht dessen konkrete Form, dh Tim und Tit werden
aufgefordert für Ordnung zu sorgen, dh grundsätzlich Amtsstrukturen zu bewahren,
welche das aber sind ist kontextabhängig; Träger des Amtes ist die Kirche selber, sie
kann damit machen was sie will;
Folge: deshalb ist die evang. Kirche im Umgang mit Amtsstrukturen freier
o 3. traditionelle katholische Position (Trient): was in den Pastoralbriefen ausgesagt
wird ist normativ, göttlichen Ursprungs, dh die Kirche ist darauf verpflichtet das zu
tradieren; nicht nur, was in diesen Briefen steht, auch darüber hinaus: Unterschied
Bischof-Priester, die sacerdotale Vollmacht der Priester (= Konsekrationsvollmacht;
potestas consecrandi), Bischöfe und Priester beim letzten Abendmahl von Christus
eingesetzt; wird in dieser Form nur noch in kirchlich rechten Kreisen vertreten
Folge: wurde die erfolgreichste Religionsgemeinschaft und ist heute
unvergleichbar; weltweit, transkulturell, ein und dieselbe Institution
o 4. moderate katholische Position (Vatikanum II): gibt zu, dass es Entwicklungen
gibt, dass nicht unbedingt alles auf Christus zurückgeht; die Formulierung, dass
Kirche in ihrem Werdegang sichtbar wird setzt voraus, dass es Spannungen gibt; steht
auf dem Standpunkt, dass diese Entwicklung normativ ist und vom Hl. Geist geleitet
geschehen ist;
Folge: deshalb wird in der Diskussion um das Amt so viel Pulver
verschossen; ist momentan die großkirchliche Position; die Reform der
Grundsatzstrukturen liegt nicht in der kirchlichen Vollmacht
- was sind nun die Sachen, die der Kirche vorgegeben sind? o Bindung des Amtes an die Eucharistie als wichtigste Folge; im dogmatischen
Kontext wird es auch verständlich; was ist Eucharistie? sakramental gefeierte
Antisündenbockgesellschaft, Eucharistie als ein Versöhnungsgeschehen;
Ignatius von Antiochien: „Jene Eucharistie gelte als zuverlässig, die unter
dem Bischof oder einem von ihm da Beauftragen stattfindet. Wo der Bischof
erscheint, dort soll die Gemeinde sein, wie da, Christus Jesus ist, die
katholische Kirche ist.“
Eucharistie ist keine Privatfeier, sondern Höhepunkt und Quelle des
christlichen Lebens; ist eine Feier der ganzen Kirche (inklusive der
Toten)
sie ist dann legitim, wenn sie durch den Bischof oder durch den
Beauftragten gefeiert wird
derjenige ist Bischof, der als solcher anerkannt ist
weil Bischof Garant der Kirchlichkeit ist, muss er von den anderen
Bischöfen anerkannt werden, was schon bei der Bischofsweihe durch
mehrere Bischöfe passiert
Mosaikstein 1 dafür: im 1. Klemensbrief gab es eine bemerkenswerte
kirchenpolitische Entscheidung: (In 1+2 Kor wird viel über
Dogmatik II
- 22 -
Charismen gesprochen; da gäbe es keine Strukturen, nur lauter
Charismatiker; Paulus aber ist die eigentliche Autorität, er ist quasi
der Obercharismatiker; die Verteidiger der traditionellen Linie weisen
zur Exegese auf den Klemens, der mit Vorgängen konfrontiert wird,
wo Spannungen groß werden, wo sich Parteien bilden) in Korinth
wurden die bis dahin amtierenden Amtsvorsteher abgesetzt, mit der
Folge Auswanderung, Spaltung, …; Klemens protestiert gegen diese
Absetzung und verlangt, dass die Amtsträger, die ihre Verantwortung
wahrgenommen haben, wieder in das Amt eingesetzt werden;
Bedeutung:
Mosaikstein 2 dafür: Irenäus von Lyon: konfrontiert mit Autoritäten,
die sich auf Geheimwissen stützen, das Jesus geheim an seine Jünger
weitergegeben habe; die legitimen Amtsträger werden kritisiert;
Menschwerdung Gottes geschah in aller Öffentlichkeit, Christus hat
öffentlich gepredigt, berufen, die Jünger haben ihn öffentlich
verraten, sie gaben öffentlich Zeugnis, somit hat Tradition einen
Öffentlichkeitscharakter; Privatglaube ist damit nicht ausgeschlossen,
bekommt aber einen eingeschränkten Charakter; Öffentlichkeit der
apostolischen Lehre; Kanonfrage: welche Schriften gehören zum NT?
Erste Exkommunikation von Markion, der zensierte; jene Schriften,
die in Gottesdiensten öffentlich von großen Hirten verlesen wurde,
gelten mit der Zeit als kanonische Schriften; deuterokanonisches ist
häufig gnostisch beeinflusst; es geht um Öffentlichkeit bei der
Ausbildung des Amtes und der Ausbildung des Kanons; Irenäus
gegen Privattradition, gegen Geheimtradition
Argument Sukzession: es geht um den Charakter der Amtsträger die
in der Nachfolge anderer Amtsträger stehen; und das sicherte der
Kirche Überleben in unterschiedlichsten Zusammenhängen
Mosaikstein 3 dafür: Hippolyt von Rom: Struktur Diakon-Priester-
Bischof; sind einander hierarchisch zugeordnet, durch Handauflegung
geweiht; damals noch Bischofswahl; entscheidend ist, dass man
geweiht wird, also eine nicht ableitbare Vollmacht;
- die Ausbildung von Amt und NT passieren mit Vorgängen von Ausgrenzungen
o Grenzziehungen im Dienste der Einheit
o Grenzziehungen, die aber immer ambivalent ist, als Qualitätsmerkmal der Christen: an
der Wiege der Kirche ist ein Vorgang der hochdramatisch ist
- dh für die Amtsausübung: der Amtsträger muss balancieren zwischen Integration und
Ausgrenzung
2.2.4.2 Frage nach Identität auf dem Hintergrund einer Negativfolie
- es geht um das Problem Substitution (Ersetzung); Substitution des Judentums durch die
Kirche
- Kirche eine Gemeinschaft, die durch Gott gesammelt ist (Zeugnis im AT und NT), eine
Gemeinschaft die lebendig ist, die sich zum Gottesdienst versammelt, anfänglich natürlich
Synagogen
- die ersten Christen sind Juden, sie lesen die Schriften des AT und deuten sie im Hinblick
auf Christus um
- der Streit ist sehr bald da; es gibt Juden die Christus anerkennen und solche die es nicht tun
- das 1. Jh. scheint recht friedlich gewesen zu sein
- zu Beginn des 2. Jh. mehren sich die Auseinandersetzunge, und die spitzen sich zu aufgrund
der in gnostischen Kreisen sehr stark vertretenen diffamierenden Sichten des Judentums
o der Inbegriff dieser Diffamierung stellt der Barnabasbrief (radikalste theologische
Aussage): der Bund mit Israel wurde schon in der Geburtsstunde gebrochen; diese
diffamierende Sicht wurde von den christlichen Autoren zT zurückgewiesen
Dogmatik II
- 23 -
o die ersten Autoren lassen sich die Themen, mit denen sie sich beschäftigen, vom
Barnabasbrief vorgeben, man fixiert sich auf den Gegner
o eines dieser Themen ist, wie es nun mit diesem Bund steht; natürlich kam er zustande,
aber gibt es ihn auch noch nach Christus? ist er gebrochen?
recht unterschiedliche Positionen
- mit der Zeit Position einer erschreckenden Eindeutigkeit:
o Origenes: das Reich Gottes wurde den Juden genommen und den Christen gegeben
o es findet eine leichte Absetzung statt, aber Kontinuität wird betont
o Synagoge ist immer noch nahe
- der Prozess der Ausbildung der antijüdischen Position der Kirchenväter ist hier als
Ergebnis zu sehen:
o Augustinus: wir finden begrifflich das, was dogmatisch Substitutionsthese genannt
wird
Israel fiel vom Glauben ab, deshalb wurde es verworfen
deshalb kommt heilgeschichtlich der Name Israel den Christen zu
Christen sind wahre Israeliten (Israel Verus)
der Begriff „Jude“ wird eindeutig negativ: verblendet, verstockt, von Gott
verworfen sein
Kirche und Synagoge klar getrennt, auch wenn er davon überzeugt ist, dass in
der Endzeit eine Wiedervereinigung kommt
der Genozid, der oft von Hitler bis zu den Kirchenvätern geht ist
schwer daneben, denn Juden müssen leben; sie sind zwar momentan
von Gott verworfen, aber wenn sie tot sind, wie soll man sich wieder
mit ihnen eschatologisch vereinen
Juden sind Zeugen ihrer eigenen Bosheit und unserer Wahrheit; an ihnen
können wir die Bosheit ablesen und wissen so, was gut ist
o auf diesem Hintergrund wurden Bilder, die im MA große Bedeutung hatten; Bilder
des lebenden Kreuzes
das Kreuz, darunter zwei Frauen, beide Frauen auf symbolischen Tieren
(Löwe, Ochse), die eine Frau auf einem Esel ( Christus saß auch auf einem
Esel, aber egal); die Frau auf dem Esel hat die Augen verbunden; das
Entscheidende ist, dass aus dem Arm Christi ein Schwert kommt, und dieses
Schwert stürzt die Krone vom Kopf der Synagoge; durch das Kreuz Christi ist
die Synagoge abgelöst, weil sie die Ungläubige ist
- die Substitutionsthese als ekklesiologische Denkfigur lebt in der Theologie, und zwar in der
gesamten christlichen Theologie (kath., evangl., orthodox) bis ins 20. Jh. ununterbrochen fort
o das Christentum liest die Bibel im Lichte dieser These
- die Veränderung hat eine doppelte Bedeutung: ist zum einen thematisch wichtig, zum anderen
ist die Veränderung vom metatheoretischen Standpunkt aus; ein Hauptpunkt beim Dogma: es
muss eine ununterbrochene Tradition haben, aber hat die Kirche etwas verändert?
o hier Paradebeispiel von Veränderung
- in Vatikanum II, NAE (Nostra aeteate) 4 definiert das Verhältnis zwischen Kirche und
Judentum:
o bei ihrer Besinnung auf das Geheimnis der Kirche gedenkt die Hl. Synode des
Bandes, wodurch man mit dem Stamm Abraham verbunden ist
o Anerkennung die Anfänge des Glaubens, die Berufung, … dass es eben die Tradition
ist, die uns verbindet
o das Verhältnis zwischen Synagoge und Kirche nun wird beschrieben: wir sind
wilde Schösslinge, die eingepfropft sind in den guten Ölbaum (Röm 11)
o also nicht Substitution, sondern gemeinsame Bande; im Grunde dieselbe
Heilsgeschichte
o die Juden sind nach dem Zeugnis des Apostels von Gott geliebt und auch seine
Gnadengabe sind unvergänglich; das Judentum ist um der Väter willen weiterhin in
der Heilsgeschichte integriert (radikale Infragestellung der Substitutionsthese)
o auch Abschied vom Vorwurf des Gottesmordes
o Wiederholung desselben in LG 9
Dogmatik II
- 24 -
- man merkt die Ambivalenzen und soll sich dabei nicht skandalisieren
o Ausgrenzung ist in der Kirche da, das verbindet die Kirche mit der Kultur, das ist aber
nicht der entscheidende ekklesiale Punkt, sondern das ist vielmehr die
Transformation der Ausgrenzung, durch das Geheimnis der Hingabe Christi
und den Hl. Geist
2.2.4.3 die Heilige Kirche: Konflikte um Reinheit der Kirche
- Apg schildert Jünger als „ein Herz und eine Seele“, aber auch die Geschichte von Hananias
und Saphira: man hat alles geteilt, aber sie brachten etwas, verbargen aber viel, vielen tot zu
Boden; durchaus denkbar, dass die Gemeinde da schon ein bisschen nachgeholfen hat;
Konflikt, es gab Abweichende, aber was machen wir damit? Haben Gruppen die Kraft, solche
Dinge zu offenbaren? gleichzeitig Herz und Seele sowie ein fundamentaler Konflikt mit
zwei Toten
- die Konflikte um die Reinheit der Kirche; wie wird man mit der Frage „Ausgrenzung im
Dienste der Reinheit“ fertig?
o die alte Kirche wird bald durch die Montanisten bald an den Abgrund der Existenz
gebracht; eine charismatische Bewegung, die Montanus als fleischgewordenen Hl.
Geist feierten; es kommt die Frage, wer in die Kirche gehört
sie sind die ersten die sagen, die Kirche habe keine Vollmacht zur
Sündenvergebung
o noch verhängnisvoller die Auseinandersetzung mit den Enkratiten (die
Enthaltsamen): ungeheure Verschiebung, deren Folgen in der Spiritualität
Jahrhunderte lang spürbar war: Hauptinhalt des Ev ist, dass Gott immer einen Ausweg
reicht, aber es wurde behauptet, Sex wäre der Hauptinhalt, vielmehr die Botschaft der
Enthaltsamkeit;
Verleugnung des Leibes, Versuchung außerhalb der Kirche zu stellen
o der erste Gegenpapst: die Kirche nimmt die Sünder nicht auf, sie überlässt sie der
Buße
- all diese Gruppen, die Radikalen, die Sektierer, die die Kirche auf die Kirche der Heiligen zu
beschränken versuchen, stehen in Versuchung, die Ausgrenzung zu einem Weg der
Heiligkeit zu machen
- die Kirche von Rom nimmt nach und nach in allen diesen Auseinandersetzungen eine liberale
Haltung ein, in der Treue zur Botschaft Jesu wird zwar die Heiligkeit der Kirche betont, aber
auch die Zugehörigkeit der Sünder zur Kirche (LG 8: Die Kirche ist heilig und bedarf stets
der Reinigung)
o erst Papst Johannes Paul II. betete am 1. Fastensonntag 2000 nicht nur für die Sünder,
sonder um die Vergebung der Schuld, die die Kirche in ihren Institutionen in der
Geschichte auf sich geladen hat („Verkündigung der Wahrheit mit Mitteln, die der
Wahrheit widersprechen“)
3 dogmengeschichtliche Präzisierung des ekklesiologischen Dramas
3.1 Kirche als Imperium - diese Epoche wird oft als „Epoche des Verfalls“ oder „Epoche des Sieges“ gefeiert
o erster Zugang war: Kirche als Mysterium: als das große Glaubensgeheimnis
verortet in kleinen Gruppen
- Kann der universale Heilswille Gottes in der Geschichte mittels des politischen Gebildes
durchgesetzt werden?
o man meinte ja
Dogmatik II
- 25 -
o die gegenwärtigen islamistischen Gruppen reden nicht vom universalen Heilswillen,
aber sie wollen mittels eines theokratischen Systems den Willen Allahs durchsetzen
o so etwas gab es beim Christentum auch; der universale Heilswille Gottes durchgesetzt
durch das Reich; Kirche als Imperium
- Sackgassen der mimetischen Rivalität zwischen Kirche und Staat
3.1.1 heidnisch-archaische Theologie als Grundlage der Politik
- erste Vorbemerkung: für IBK entscheidend: Unterscheidung zwischen heidnisch-archaischer
und biblischer geprägter Religiosität für die Frage nach dem Zusammenhang Kirche und
Staat; heidnisch-archaisch: R. Girard sagt, es besteht ein grundsätzlicher Unterschied
zwischen Rom und Athen (Symbol für politische Staatsbildung in der Antike) einerseits und
Jerusalem andererseits als Topoi der Offenbarung; jüdische Tradition, hebr. Bibel präsentiert
sich anders im Hinblick auf das Thema Religion und Politik als römische, athenische oder
andere Gesellschaften; ein bisschen Tötung, damit das Massaker verhindert wird: rituelle
Opfer in archaischen Gesellschaften; Sündenbockmechanismus; Freund-Fein-Mechanismus;
Einheit durch gewaltsame Ausgrenzung und Ausstoßung; These von Girard: es gibt im
Hinblick auf diese Logik keinen Unterschied zwischen Rom und Athen, so unterschiedlich die
Ordnungen auch sein mögen, im Hinblick auf die Grundlage der Politik (iSv Freund-Feind,
Herstellung der Einheit durch Ausstoßung Anderer) unterscheidet Rom und Athen nichts,
wohl aber Jerusalem; auf diesem Hintergrund: soll Israel so sein wie andere Völker?
Auseinandersetzung mit den Propheten; warum die Unterscheidung Rom-Jerusalem: die
Propheten sind die ersten Personen, die in Maßstäben Gottes die politischen Machthaber den
ethischen Ordnungen unterordnen, sie bringen also ein neues politisches Verständnis; der
biblische Gott offenbart sich zunehmend als Anwalt der Opfer, Offenbarung trägt anders zur
Befriedigung bei als die Mythen (Opfer unschuldig, Bibel aber beschuldigt die Gemeinschaft);
worum es eigentlich geht geht: durch das biblische denken kommt in die Welt eine
Spannung zwischen Religion und Politik; weil die biblische Offenbarung eine andere
Sozialisierungsform kennt als das Politische (Verlagerung der Gewalt), bringt Bibel eine
Spannung
3.2 Einheit des Reiches durch Einheit in der Religion
3.2.1 Diokletianische Christenverfolgung
- zweite Vorbemerkung: auf dem Hintergrund der heidnisch-archaischen Theologie wird es
verständlich, dass die (römischen) Kaiser sich bemüht haben, die Einheit des Reiches zu
sichern durch die Einheit der Religion; Einheit iSv Ausgrenzung der Gegner und Feinde;
schönstes Beispiel hierfür haben wir bei den Diokletianischen Christenverfolgungen
(Diokletian [284-305] war einer der blutigsten Verfolger der Christen; er war kein „gottloser“
Mensch, ganz im Gegenteil, er war ein frommer Kaiser im archaischen Sinne; er war kein
besonders blutrünstiger Mensch; längere Zeit hat er sogar die Christen geduldet, trotzdem,
aufgrund der inneren Krise, bricht unter ihm eine der blutigsten Verfolgungen auf, denn er
wollte das innerlich bedrohte Reich retten, indem er Christen als Feinde des Reiches
präsentierte)
- diese Vorbemerkungen, um die Tragweite der Änderungen zu begreifen die nun kommt, jene
Veränderung, die man in der Geschichte als Konstantinische Wende bezeichnet
3.2.2 Rückgriff Konstantins auf das Erbe Diokletians
- Konstantin macht nichts anderes als Diokletian: er greift auf dessen Erbe, wenn auch unter
christlichem Vorzeichen: er bekehrt sich aufgrund eines inneren Erlebnisses (und wohl auch
strategischen Überlegungen), und er setzt formal dasselbe Muster der Politik des Reiches fort,
halt unter einer anderen Religion, und das bringt die Kirche mittelfristig durchaus in
Dogmatik II
- 26 -
Schwierigkeiten, und zwar wegen dem biblischen Erbe: Jerusalem einerseits und Rom/Athen
andererseits
o die christliche Religion rückt nun an jene Stelle, da die archaischen Religionen waren
o erst auf dem Hintergrund der archaischen Idee von Einheit des Reiches auf Kosten des
Sündenbockes versteht man warum es nicht möglich ist, Jhwh zu der römischen
Gottesvorstellung hinzuzuaddieren, denn es geht um ein anderes Verhältnis von
Religion und Politik (im römischen Pantheon kann ruhig ein Gott mehr oder weniger
sein, aber so funktioniert es nicht)
o die alte Idee von Einheit von Reich und Religion wird nun mit jenem Gott
verwirklicht, der gar nicht in das Pantheon passt
o und man hat in Rom die antiken Tempel überbaut und dem neuen Gott geweiht
o formal bleibt dasselbe, aber die Inhalte wechseln
- der Kaiser (nicht Bischöfe!) ruft Synoden ein, er setzt Waffen gegen kirchliche Abweichler
ein, der staatliche Arm wird fertig mit kirchlichen Häretikern, Verbannung von Häretikern
- als sich dann Athanasius als Einziger nicht dem Abfall von Nizäa beugt wird er nach
derselben Logik vom Kaiser verbannt
3.2.3 Traum einer gewaltsamen absoluten Einheit und dessen Preis
- diese Strategie wird durch einen genialen Mann, Eusebius von Cäsarea zu einem gewaltigen
Traum ausgeweitet:
o er ist der Vater einer Denkfigur, die in der Dogmatik immanent wichtig ist:
Chiliasmus, das tausendjährige Reich
o nach einer Zeit von Auseinandersetzungen kommt Christus auf die Erde zurück und
wird auf dieser Erde (nicht Weltende) innerhalb dieser Geschichte eine qualitative
Veränderung bringen, weil er – wie auch immer – wiedergekehrt ist und den Satan
gebunden hat; und wenn man den Satan gebunden hat verändert sich automatisch die
Welt, das Gute gedeiht überall
- er sagt: der Sieg Konstantins über seine Rivalen sei nichts anderes als die Erfüllung der atl
Verheißungen und der ntl Hoffnung Kaiser Konstantin sei nichts anderes als die Ikone
Christi (also der wiedergekehrte Christus)
- der Logos hält alle Dinge mit Gewalt zusammen, womit er auch Herr über die kirchliche
Lehre wird; und zwar indem er die Feindschaft nach außen verlagert
o der Logos bei Johannes lässt sich vertreiben, er kam zu den Seinen, die erkannten ihn
nicht, bevor er andere vertreibt ist er derjenige, der vertrieben wird
- Spannungen werden nun harmonisiert
- Frage nach Kirche als Imperium ist keine moralische Frage, sondern eine, die zutiefst
menschliche Rationalitätsschemata braucht: was ist vernünftig? Biblisches Erbe und
christlicher Impuls revolutionierte die archaische Gesellschaft; und das erkannten Diokletian
ua
- die Veränderung mit der Konstantinschen Wende ist ambivalent: sie ermöglicht, dass der
christliche Impuls reichsweit vertreten wird, wenn auch stückweise kastrierend
- Chiliasmus: Kaiser ist Herr über kirchliche Lehre weil er Stellvertreter Gottes auf Erden ist
o Tertullian schrieb dieselbe Funktion dem archaischen Kaiser zu
- praktische Folgen dessen:
o Gesetze gegen Häretiker, Heiden werden zunächst toleriert, aber Kirche und Reich
sollen möglichst deckungsgleich sein o Bischöfe werden zu Beamten des Reiches, Kirchen auf heidnischen Tempeln errichtet,
Kaiser ist Symbol und Garant der Einheit
- der Preis der bezahlt wird: Christen geraten gefährlich an die Grenze, selber Verfolger zu
werden; aus der verfolgten Glaubensminderheit werden nun Verfolger
Dogmatik II
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3.2.4 Vollendung des Konstantinismus
- was in Konstantin beginnt ist eigentlich nur der Anfang eines Prozesses, beendet wird er 380
unter Theodosius I., der die Staatskirche einführt
- auf dem Gebiet des Staates wird keine andere Religion geduldet
- wird die Kirche zum Staat oder umgekehrt – aber wo liegt da der Unterschied?
- dass diese Versuchung im Christentum auch weiterliebt, kann man an den cäsaropapistischen
Träumen erkennen
o Orthodoxie: orthodoxe Kirchen als Nationalkirchen, wo es schwierig ist zu sagen,
wodurch sie sich unterscheiden, eben durch ihr nationales Interesse noch nicht ganz
frei von diesen Versuchungen
- von der Politik ausgehend die letzte Form dessen im Josefinismus, wo er direkt kirchliche
Gesetze erließ – Staat und Kirche werden deckungsgleich, aber das ist nicht das biblische
Ideal
- positive Dinge: Kirche wird immer größer, aber die negativen dürfen nicht übersehen werden
3.3 Zusammenbruch des Traumes und die Traumkorrekturen - der Traum von Kirche und Staat als deckungsgleich brach zusammen
- bei der Reflexion dieses Zusammenbruches hat der Hl. Augustinus den Weg gewiesen für den
abendländischen Weg
- mit Augustinus geht ekklesiologisch der Weg immer mehr auseinander zwischen dem was
heute Orthodoxie kennt und der abendländischen Lösung
- Eusebius: Christianisierung des Reiches sei der tausendjährige Zustand von Friede und
Gerechtigkeit, nun bricht es zusammen
o Deutungsmöglichkeiten:
heidnischen Intellektuelle, die verfolgt wurden, können jubeln, und so kommt
die Deutung des Zusammenbruchs einer Offenbarung gleich: es ist die Rache
der heidnischen Götter; dasselbe wie beim Exil: die Götter Babylons erwiesen
sich als „stärker“
Chiliasmus scheint vom Tisch zum Sein; in den Herzen von Gläubigen ist die
Frage „Wo ist Gott?“; ist er nicht eine Enttäuschung?
3.3.1 Augustinische Korrektur des ekklesiologischen Glaubensartikels:
- auf diese Fragen antwortet Augustinus mit „De civitate Dei“
- entweder haben wir Theokratie religiös oder als laizistische Theokratie
- Augustinus hat ein Modell geboten, wie Differenz zu denken ist
- Grundgedanken:
o radikale Unterscheidung zwischen dem Ende der Geschichte und dem Jüngsten
Tag; der Jüngste Tag als jener Tag, an dem die Geschichte mit Gott vereinigt wird, ist
kein Ereignis innerhalb der gewaltgeladenen Geschichte (selbst wenn die Welt
morgen explodierte ist dieses Ereignis nicht identisch mit der Wiederkunft Christi,
denn das ist eine Angelegenheit Gottes); Wiederkunft Christi ist kein gewaltsames
Erscheinen
o dh, die Bindung und Entmachtung des Satans, all das, was man mit dem
tausendjährigen Reich assoziiert (= Todesstoß des Chiliasmus durch Ekklesiologie),
geschieht nicht in einem spektakulären Ereignis, sondern zu jeder Zeit an jedem
Ort, wo Menschen sich bekehren, und greifbar ist das im Taufbrunnen, als Symbol
des Ortes, wo der Einzelne sich bekehrt; das Böse wird nicht dadurch überwunden,
dass es äußerlich eingegrenzt wird sondern dadurch, dass jeder in seinem Herzen das
Böse überwindet, und das ist genau der Grund, warum die katholische Kirche bis
heute den Revolutionen gegenüber skeptisch steht: sie mögen zwar irgendwas
verändern, politische Ordnungen schaffen, aber sie bringen per se keinen qualitativen
Fortschritt, weil die Herzen durch Revolutionen nicht verändert werden, denn
Revolutionen fangen irgendwann an, ihre eigenen Kinder zu fressen (zB Kambodscha,
Dogmatik II
- 28 -
wo aus einer Befreiungsbewegung einer der brutalsten, menschenvernichtenden
Apparate entstand)
o deswegen wird es bis ans Ende der Welt, in jeder politischen Ordnung, die Kirche
geben, in den Seelen der Menschen, die sich verändern, die sich bekehren, und
deswegen kann die Kirche durch politische Ereignisse auch nicht untergehen
3.3.2 spirituelle augustinische Unterscheidung
- um diese Folgerungen auf den Begriff zu bringen unterschiedet er zwischen civitas Dei und
civitas diaboli o die civitas dei, auch die endgültigen Geretteten, also die vollendete Gemeinschaft von
Engel und geretteten Menschen ist durch die amor Dei geprägt
o die civitas diaboli wird durch amor sui geprägt, und das Ergebnis ist
Selbstzerstörung und Fremdzerstörung
o die eine Kultur ist durch amor Dei geprägt, die andere durch amor sui
- was nun die Kirche ist:
o Ecclesia ab Abel: aus der Geschichte heraus werden Menschen durch Gottes
Prädestinationsratschluss erwählt, das sind durch Gottesliebe vorherbestimmte
Menschen; sie werden in der Geschichte sehr oft zu Opfern der Selbstliebe werden,
weil sie authentische Zeugen Gottes sind; die Kirche die seit Abel auf Erden existiert;
im Kontext der sichtbaren Geschichte sind diese Begnadeten vermischt mit jenen, die
durch Selbstliebe gezeichnet sind
o Ecclesia mixta: dazu gehören sowohl die Geretteten als auch die Egoisten; sie ist die
Kirche, die wir in der Geschichte sehen; die Kirche in der Geschichte ist nicht die
Gemeinschaft von Heiligen, sondern eine Mischkultur, aus göttlicher Liebe und
Diabolische, mal gut mal schlechter
o darin resultiert die Ecclesia vera, aber die ist niemals identisch mit einer sichtbaren
politischen Größe; das wäre die Gruppe der Erwählten, vom Hl. Geist getragen, nicht
durch Kirchensteuer, nicht durch Gesetze, sie wird nicht untergehen, ja sie kann gar
nicht untergehen, weil sie unsichtbar ist, sie ist nie identisch mit der sichtbaren Kirche
- was sichtbar ist, ist immer sündhaft und von Zweideutigkeit geprägt
- bei Augustinus wichtig:
o das Ende des Traumes von Reich Gottes als Kirche und Staat
das Augustinische ist ein vielschichtiges Gebilde, eine 100 %ige Identität
wird es nicht geben, bis ans Ende der Welt bleibt die Geschichte zweideutig
der Traum vom Reich Gottes auf Erden ist eine Utopie – die Menschen
bleiben immer korrupt
augustinischer Realismus: bis ans Ende der Welt ist die Welt gebrochen
o in dieser gebrochenen Geschichte gibt es vom Hl. Geist bewegte Menschen, die
eine solche Bekehrung des Herzens gemacht haben, dass sie in aller Zweideutigkeit
doch recht eindeutig sind, aber sie können der Zweideutigkeit leicht zum Opfer fallen
das wäre die Ecclesia vera, darin wird die wahre Kirche greifbar, aber man
kann sie sehr schwer unterscheiden, und die Hl. Kirche soll ein Urteil über
Menschen erst fällen, wenn sie tot sind (Heilige)
diese Menschen, die eindeutig heilig sind, haben auch Anteil an der
Zweideutigkeit, viel mehr noch, ihre Heiligkeit verdanken sie dem Hl. Geist
3.3.3 Augustinische Prädestinationslehre
- wo die Kirche ihm nicht folgte und wo er katholisch zu kritisieren ist, ist seine
Prädestinationslehre - „Gott will das Heil aller“ sei nicht beim Wort zu nehmen, nicht bei allen Menschen
- eine Minderheit von Menschen werde von Gott gerettet, eine Mehrheit geht verloren
- schränkt den göttlichen Heilswillen ein
Dogmatik II
- 29 -
- entwickelt aus Mal, eine Reflexion von Jakob und Esau: er legte ihn so aus, dass aufgrund der
Sünde des Menschen die ganze Menschheit im Dreck sitzt und gerechterweise der
Verdammnis verfallen ist
- seine Vorstellung mag realistisch sein: wenn man in eine Hungerkultur kommt und ein Helfer
eingeflogen kommt und einige rettet – der Rest wird dem Schicksal überlassen: Gott
verdammt niemanden zur Hölle, aber er rettet sie nicht, und zwar, weil sie es nicht verdient
haben
- diese augustinische Denkfigur hat Calvin verändert: Gott tue einige in die Hölle
- die Kirche folgt dieser Lehre nicht, sie erkennt darin genau das, was wir als mythische
Feindschaft kennen
o Augustinus verlagert die Feindschaft in die Hölle, er lässt die Freude der Geretteten
beim Anblick der Verdammten hochschnellen
- bei der Synode von Orange wird dieses Denken, ohne das Nennen seines Namens, verurteilt
- das sicherste Zeichen für das nichtprädestinieren von Menschen ist: es gibt Fälle, wo
christliche Eltern ihr Kind taufen wollen, Gott dieses Kind aber vorher sterben lässt; das war
für Augustinus Zeichen für Nichtprädestination
o für Augustinus kamen diese Kinder natürlich in die Hölle
o der Limbus wurde erfunden, wo die Kinder zwar nicht in der Hölle waren, aber
trotzdem Gott nicht schauen durften
o erst Benedikt XVI. hat den Limbus „abgeschafft“ als Denkfigur der nicht notwendig
ist, weil die Kirche im II. Vatikanum die Prädestination radikal über Bord warf
- die wahre Kirche und die vermischte Kirche, das ist augustinisches Erbe
o die wahre Kirche ist unsichtbar, die geistige Dimension, kann nie untergehen und vom
Hl. Geist gehalten
o die wahre Kirche existiert in verschiedenen politischen Kontexten
o wahre Kirche ist also unabhängig von politischen Wirren
o gleichzeitig hat diese Ansicht jene Ekklesiologien inspiriert, die anstiinstitutionell
denken – Freikirchen, die alle sichtbaren Kriterien von Kirchlichkeit ablehnen
- Augustinus unterschied zwischen amor sui und amor Dei
o diese Unterscheidung wird von Papst Gregor I. verschoben und angewendet im
Hinblick auf den Zusammenhang zwischen dem heidnischen und den christlichen
Staat
o die Versuchung, dass der christliche Staat identisch sei mit dem Reich Gottes liegt
bereits hinter uns, aber dennoch gibt es diese Staaten
o Gregor I. verschiebt dies und sagt, der heidnische Staat sei der amor sui verpflichtet,
der christliche Staat hingegen ist zivilisiert durch die dort lebende Kirche, also amor
sui und gleichzeitig amor Dei
4 dogmengeschichtliche Präzisierung des ekklesiologischen Dramas
das Ringen um die Wahrheit des ekklesiologischen Glaubensartikels in der Geschichte: „Erdung“ des
Mysteriums im gesellschaftspolitischen Kontext Segen und Fluch der kirchlichen Macht:
mimetische Rivalität zwischen sacerdotium et imperium
4.1 Papst Gelasius I - definierte den Zusammenhang von Staat und Kirche durch die Lehre der zwei Schwerter
o beide werden Petrus übergeben; Christus hat Petrus zwei Schwerter übergeben, das
eine des Priesters ergeht an den Papst, das des Königs an den christlichen Kaiser
o Rolle des christlichen Kaisers im Osten: im römischen Reichs war diese Rolle klar:
der römische Kaiser begreift sich nach Eusebius als Ikone Christi und zudem als
oberster Schutzherr und Gesetzgeber in der Kirche; alle kirchlichen Konzilien bis
Dogmatik II
- 30 -
zum dritten Konstantinopolitanum werden vom Kaiser einberufen, von ihm
durchgeführt
o Rolle des christlichen Kaisers im Westen: inzwischen hat sich einiges Verändert:
Italien hat keine zentrale Macht mehr, die Macht verschiebt sich in den Norden zu
den fränkischen Königen
4.2 der cäsaropapistische Anspruch der fränkischen Könige - Karl der Große erhebt den selben Anspruch wie die Kaiser im Oströmischen Reich; auch
er glaubt der oberste Schutzherr der Kirche zu sein und beruft eine Synode in Frankfurt ein
- hier geht die Tradition weiter: der Westkaiser hat dieselbe Stellung wie der Ostkaiser in der
alten Kirche
- der Anspruch Karls des Großen setzt sich nicht durch, er reizt vielmehr eine mimetische
Rivalität im Westen zwischen sacerdotium und imperium, also Rivalität um die Vorherrschaft
4.3 kirchliche Autorität - Staat und Kirche rivalisieren im Westen und beide werden einander ähnlicher; man weiß
nicht mehr, hat man einen frommen Staat oder eine Kirche mit weltlicher Macht
- für die Dogmatik ist der Streit interessant: die Wahrheit wird gefunden wo die Versöhnung da
ist, denn überall wo die Versöhnung zu schnell gefunden wird, ist das ein Zeichen, dass nicht
der Geist am Werk ist, sondern die verabsolutierenden Strukturen
- auf diesem Hintergrund beurteilt stellt sich nun die Frage, was der Dictatus Papae war
4.3.1 Dictatus Papae
- im 11. Jh. war klar, was Gregor VII. zustande gebracht hat, hat die Welt radikal verändert
- im Dictatus Papae definiert sich der Papst selber als Quelle des universalen Rechts; dh, es gibt
keine obere Distanz mehr neben dem Papst ( Gelasius redet noch von zwei Schwertern, bei
Gregor gibt es nur mehr eine Quelle der Macht)
- der entscheidende Punkt, der das MA revolutionierte: er kann Untertanen vom Treueid
entbinden, dh er ist die letzte Instanz für die politische Ordnung, und im kirchlichen Kontext
ist er derjenige, der über die Rechtmäßigkeit von Konzilien entscheidet, und 1123 findet das
erste päpstliche Konzil statt (Lateranum I); in der Folge von den westlichen Kirchen noch als
Ökumenisches Konzil angesehen ist es aber nur noch ein päpstliches Konzil, denn die
Ostkirche ist nicht mehr dabei; für die gesamte Christenheit sind die ersten acht Konzilien
Ökumenische Konzilien; Lateranum I wird vom Papst einberufen, durchgeführt und in Kraft
gesetzt, wie auch die nachfolgenden Konzilien; eine Veränderung dieses Selbstverständnisses
kommt erst in Vatikanum II
- diese kirchengeschichtlichen Veränderungen haben eine dogmatische Grundlage: die sog.
gratia capitis (oder auch Christomonismus)
o hinter dieser Vorstellung steht eine kanonistische Grundannahme des MA, dass die
Beziehung Gottes zur Welt, spricht göttliches Gnadenhandeln an der Welt, nur eine
Vermittlungsinstanz hat, nämlich die menschliche Natur Jesu Christi (für Wasser
braucht es eine Wasserleitung, und die göttliche Gnade wird transportiert durch
Christus, genauer gesagt durch die menschliche Natur Christi, da er Gott und zugleich
Mensch ist); und der Papst verkörpert dies der Papst ist nicht Stellvertreter
Gottes auf Erden, der Papst vertritt Christus, und zwar christus qua homo, also ist
der Papst Stellvertreter Christi auf Erden; die Gnade Christi (durch seine
menschliche Natur) kommt auf den Papst, und der Papst teilt es auf diejenigen auf,
die unter ihm stehen, nämlich Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute, bis hin zu den
Laien, die unter den „Hähnen“ stehen und die Gnade so aufnehmen
- die Folge davon: Bonifaz VIII. wird es ganz klar sagen: jemand der außerhalb einer
Wasserleitung steht, also nicht in dieser Vision der Kirche ist (nicht Getauft, nicht in
Verbindung mit der Hierarchie) hat keine Chance auf die Gnade
Dogmatik II
- 31 -
- die gratia capitis fließt nur über diesen abgesicherten Kanal
o Vatikanum II entdeckt neu: auch der Hl. Geist ist Medium mittels dessen sich Gott
der Menschheit zuwendet; natürlich ist es auch Christus, aber auch der Hl. Geist,
und der Hl. Geist bringt die Menschen in eine Verbindung zu Christus die Gott allein
bekannt ist
o der Hl. Geist salbt Jesus, Christus wird zum Christus durch diese Salbung;
o die Gnade des Hauptes, nämlich Christus als Haupt der Kirche und der Papst als
sein sichtbarer Stellvertreter, der wiederum seine Vertreter weltweit hat
o und nun die Annahme: aufgrund der Sünde hat Christus den Papst gegenüber den
Königen hervorgehoben, deswegen ist der Papst die Quelle des universalen Rechtes,
genauso wie durch das Papsttum alle Gnade die auf die Welt kommt vermittelt wird
o man nennt das Christomonismus der mittelalterlichen Ekklesiologie, also eine
einseitige Ansicht die zu extremen Folgen verführt
4.3.2 extreme Folgen
- durch die Bulle Unam Sanctam von Bonifaz VIII definiert er ein Dogma für alle Zeiten: es
ist heilsnotwendig sich unter den Papst zu stellen
o es ist für jede menschliche Kreatur heilsnotwendig, denn wenn man sich der Sicht der
gratia capitis anschließt ist es klar, denn sonst kann man in der Wüste des Lebens
kaum mit frischem Quellwasser versorgt werden, man verdirbt in alle Ewigkeit und
wird nicht gerettet
o Heilsnotwendigkeit der Unterwerfung unter den Papst als Dogma; das ist das
beste Beispiel dafür, dass die Verkündigung eines Dogmas noch nicht garantiert, dass
das auch ein Dogma ist
o ein guter Dogmatiker sagt deshalb: rein formal gehört zum Dogma auch dessen
Rezeption, vielleicht nicht von allen, aber von wichtigen Zeugen ihrer Zeit
o mit Unam Sanctam haben wir ein Beispiel eines vermeintlichen Dogmas; schon
damals hat ihm der französische König widersprochen; immer mehr Menschen
kritisierten das
o Lateranum V hat es stillschweigend korrigiert: es sei nicht heilsnotwendig für jede
Kreatur unter der Leitung des Papstes zu stehen, sondern Korrektur auf „alle
Christgläubigen“
o Vatikanum II lehrt Religionsfreiheit als religiösen Wert
o zwischen der Religionsfreiheit von Vatikanum II und Bonifaz VIII. liegen Welten;
Welten die es Erlauben das Urteil zu fällen, dass Bonifaz VIII. sich vergriffen hat
eine falsche lehramtliche Entscheidung eines Papstes
- auch durch die Bulle Clerici Laicos ging Bonifaz VIII. in die Geschichte ein, wo festgehalten
wird, dass die Laien den Klerikern „bitter Feind“ sind
- wir sind nun einer Epoche, die man heute als radikale Krise des Glaubens betrachtet, die man
dogmatisch durchaus gelassen betrachten sollte
o so wie wir jetzt in einem vollkommenen sozialen Umbruch leben, einem Umbruch,
den man als zwar noch als letztes Aufbäumen aber schlussendlich doch als Absterben
der kapitalistischen Logik beschreiben kann, denn jeder der nach gesundem
Menschenverstand denken kann wird sehen, dass diese Art des Denkens und
Wirtschaftens nicht ad infinitum fortgesetzt werden kann, weil die Ressourcen der
Erde nicht ausreichen werden;
o wir sind bei einer Epoche die man als Frühkapitalismus bezeichnete, wo sich eben
diese neue Produktions- und Lebensweise langsam abzeichnet, zu sehen auch an der
Entstehung der mittelalterlichen Industrie, die nun verarmen und von Stadt zu Stadt
ziehen, raubend und Gewalt ausübend, die unfreiwillige Armut wird zum Problem
Nr. 1 zu dieser Zeit
o die Kirche dieser Zeit zeichnet sich sehr klar durch den Selbstbezug aus: Korruption,
Privilegienwirtschaft im Klerus, Papsttum unfähig zur Reform, man hat das Gefühl,
dass die Kirche langsam dem Niedergang entgegen geht
Dogmatik II
- 32 -
o Kirchlichkeit ist am Ehesten noch bei den Heiligen zu sehen: Katharina von Siena,
eine Frau die vollkommen aus dem Rahmen fällt, die sogar dem Papst sagt was Sache
ist, auch Jeanne d’Arc, Dominicus, Franziskus, Ignatius, … da wird die Kirche in den
einzelnen Gestalten greifbar, die durch die institutionelle Kirche sehr unwillig gesehen
werden
o in dieser Zeit des Selbstbezugs haben wir auch den Aufbruch eines neuen Weges der
Heiligkeit, der sich in kürzester Zeit als größtes Verhängnis des Christentums erfuhr:
die Kreuzzüge
- spätestens seit 1095, wo Urban II. zum Kreuzzug aufgerufen hat, findet eine radikale
Umschichtung des Verständnisses statt, was es bedeutet Christ zu sein
o Christus ist am Kreuz gestorben; die alte Kirche sah im Martyrium den Inbegriff des
Zeugnisses für die Wahrheit; als Reaktion auf den Hilferuf des byzantinischen
Kaisers Alexion I. ruft Papst Urban II. Menschen auf, in den Süden zu gehen und die
Christen von der muslimischen Bedrohung zu befreien
o große Massen brechen auf, in kürzester Zeit verwandeln sich Horden dieser Massen in
mordende Banden ( das verarmte Land! Es gibt die Möglichkeit sich geordnet in
eine Bewegung einzufügen, man kann damit sogar reich werden)
o in D wird der Kreuzzug in kürzester Zeit zu einer mordenden und plündernden
Bandenangelegenheit, man schlug sogar gegen die „Ungläubigen unter uns“, also die
Juden: in kürzester Zeit wird der Kreuzzug zu dem großen Judenpogrom in den
deutschen Städten; überall dasselbe Szenario: erschrocken versuchen die Bischöfe
dieser Städte nachweislich unter Androhung der drakonischsten Strafen die Juden zu
retten; sie versuchen in die bischöflichen Höfe sie zu laden, aber die Bischöfe
kommen gegen den Mob nicht durch, die Amtskirche erlebt sich machtlos
o das Christentum bekommt eine Art „Blutfrömmigkeit“, vielleicht das größte
Verbrechen in der Geschichte der Kirche, denn das Zeichen der erlittenen Gewalt
wird zum Zeichen der angetanenen Gewalt
o die äußeren Erfolge am Anfang verblüffen etliche, das lateinische Königreich in
Jerusalem wird etabliert, also Gott steht hinter ihnen
o immer mehr politische Macht pervertiert das Unterfangen bis zu einem Ausmaß das
kaum mehr steigerbar ist, am verhängnisvollsten durch die Kinderkreuzzüge 1212,
wo unschuldige Kinder auf Schiffe verladen und in die Kriegsgebiete geschickt
werden, damit die Unschuld der Kinder die Bosheit der anderen bezwingt
o das ist keine Frage der Kirchenpolitik oder der subjektiven Moral, hier haben wir
eine fundamentale Frage nach dem christlichen Zeugnis: gute Absichten der Kaiser
und Päpste, aber die Art und Weise wie das verfolgt wird, nämlich Gewalt; Einstehen
für die Wahrheit (das Ende dieser Epoche wird erst Vatikanum II bringen!) führt zu
diffusen Folgen: Kreuzzüge wollten das christliche Abendland schützen, tatsächlich
trugen sie zur Spaltung der Kirche und zur Schwächung des Glaubens bei der bis
heute nicht überwunden ist, denn die Orthodoxie hat den vierten Kreuzzug niemals
vergessen und ist nur in Teilen bereit zur Versöhnung; man findet bis heute etliche
orthodoxe Klöster, die auf Lateiner mit vollkommener Aggression reagieren ( beim
vierten Kreuzzug wurden die Byzantiner in Konstantinopel niedergemetzelt)
das westliche Christentum vergriff sich am Ostchristentum
die Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikation unter Papst Paul VI. hat
diese Wunde nicht geheilt
o das Scheitern der Kreuzzüge hat radikal die Frömmigkeit in Frage gestellt; viele
Kreuzzügler waren überzeugt, dass dieser Weg nicht scheitern kann, weil Gott die
Züge leitet, aber sie scheiterten, höhlten das Glaubensbewusstsein auf, banalisierten
die Frage des christlichen Zeugnisses
o hinzu kommt der radikale Niedergang des Papsttums
Dogmatik II
- 33 -
4.4 der Schrecken des Niedergangs und die Traumkorrekturen - radikaler Niedergang des Papsttums zuerst durch die Abhängigkeit von den französischen
Königen beschrieben werden kann, durch Exil in Avignon
o das Exil endet durch Katharina von Siena, nachher kommt es zu einem Schisma:
plötzlich zwei Päpste
- das Konzil von Pisa setzt beide ab und wählt einen neuen, doch die beiden geben sich damit
nicht zufrieden, und somit hat man drei Päpste, die die Anhänger des Anderen
exkommunizierten, also war in kürzester Zeit die ganze westliche Christenheit
exkommuniziert
- Konzil von Konstanz: König Siegmund setzt alle drei ab, er zwingt sie, dass sie abdanken,
Martin V. wird gewählt und das Konzil erlässt das Dekret Haec sancta, das
fundamentaltheologisch für viele bis heute die größte Chance, aber auch die größte Nuss zum
Knacken bietet; das Dekret als Inbegriff dessen, was man Konziliarismus nennt: die höchste
Instanz in der Kirche ist das Konzil, denn wenn das nicht so ist, woher hat dann Papst
Martin V. seine Legitimität; die Legitimität der späteren Päpste hängt von diesem Konzil ab
o das Konzil von Konstanz ist alles andere als unproblematisch, man hat Johannes Huss
eingeladen und verbrannt
o das Konzil wird nach Basel, Ferrara, Florenz verlagert, in kürzester Zeit zeigt sich,
dass das, was eigentlich die Orthodoxie bis heute präsentiert: ohne starke Leitung ist
Konzil nicht möglich
- das Papsttum hat die Reform verweigert, darum bekam es die Reformation geschenkt: in
diese Wüstensituation (Kreuzzüge, Chaos im Westen) gibt es gestalten, die – durch ihr Leben
oder ihre Schriften – zu Brennpunkten der Reformation oder von Traumata werden
o Joachim von Fiore (prägte das MA wie kein Anderer, so wie Augustinus in der alten
Welt): ein Zisterzienserabt, er stellte sich die Geschichte der Welt in Analogie zu
verschiedenen Zeitaltern vor: Zeitalter des Vaters (AT bis zur Ankunft Christi,
abivalent), Zeitalter des Sohnes (von der Ankunft Christi bis heute, gekennzeichnet
durch die Herrschaft der Kleriker) und Zeitalter des Hl. Geistes (Zeitalter der
Liebeskirche: die Liebeskirche löst die hierarchische Kirche ab, und diese
Liebeskirche wird strukturiert und geleitet durch die Mönche, also die reine, wahre
und heilige Kirche der Mönche löst die korrupte Kirche der Kleriker ab)
ab nun gibt es die sog. Joachimische Versuchung, also der neu belebte
Chilisamsus, den wir schon hatten bei Eusebius von Cäsarea, überwunden
durch Augustinus, die Kirche selbst ist nun die große Hure, und der Umbruch
in der Kirche selbst, eine andere, eine spirituelle Kirche, eine, die durch eine
ganz klare Gruppe repräsentiert wird
der starke antihierarchische Zug bei Joachim geht gegen die Kleriker
Chiliasmus des Joachim ist Grundstein für alle solche Bewegungen bis heute
Träume einer Basiskirche ist joachimitisch bewegt
Joachim träumt von einer engelgleichen Gestalt des Papstes, der als großer
Führer kommt und diese Liebeskirche in diese Welt initiieren wird
o Franziskus wird oft mit dieser erträumten Figur identifiziert
Franziskus wird zu einer engelgleichen Gestalt stilisiert, der die neue Zeit
eröffnet
Auseinandersetzungen, die in Eco’s in „Im Namen der Rose“ behandelt
der tiefere theologische Hintergrund: joachimitische Hoffnung auf Franziskus
angewendet
dabei war Franziskus von anderem Holz geschnitzt: er unterscheidet sich von
allen Reformatoren, weil er nicht polarisiert, sondern er versucht zu
vermitteln; als Antwort auf die Horden von verarmten Menschen hat
Franziskus eine Lösung gefunden, die auf den ersten Blick hirnrissig
erscheint, nämlich nicht mit Gewalt diese verarmten Menschen zu verfolgen,
sondern er stellt ihnen die Franziskaner gegenüber, die auch verarmt von
Stadt zu Stadt ziehen, aber nicht morden, sondern verkündigend
Dogmatik II
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Franziskus steigt hinunter, freiwillig; aus einer reichen Familie stammend
lässt er das alles hinter sich (wie auch Ignatius schon) erfindet er etwas
vollkommen neues, einen Bettelorden; freiwillig arm gewordene Menschen,
die durch ihre Freiwilligkeit und ihre Arbeit das bezeugen was Kirche sein
soll, dass Gott Menschen versammelt
Armutsbewegung in einer damals noch reichen Kirche; Gewaltverzicht in
einer gewaltbilligenden Kirche
Franziskus überschreitet trotz Exkommunikation die Grenzen und überzeugt
den muslimischen Sultan, dass die Kreuzzüge nicht das Wesen des
Christentums sind; er wird am Hof des Sultans freundlich empfangen, aber
ausrichten konnte er nichts – wo ist Kirchlichkeit dieser Zeit? Bei den
Kreuzfahrern oder bei Franziskus? Radikales Zeugnis eines Einzelnen
Gewaltlosigkeit in der Gewalt kanalisierenden Kirche
Franziskus ist in kürzester Zeit zu einer Symbolfigur geworden; die
Amtskirche integriert einen solchen Mann, man kann ihn nicht außerhalb
lassen: also den Franziskus wenn schon nicht zum Papst, dann aber zum
Priester weihen
die historische Forschung ist nirgends so umstritten wie in diesem
Punkt: er wollte Laie bleiben, als solcher ein radikales Zeugnis geben
eine radikalere Deutung sagt, man habe ihn zumindest mit der
Diakonatsweihe geglückt; die andere Logik sagt, er wäre zu demütig
gewesen für das Priesteramt und habe sich mit der Diakonatsweihe
begnügt
er integriert um den Preis des Zeugnisses seiner eigenen Person: Verzicht auf
Besitzt, riskieren des eigenen Lebens (durch Gehen zum Sultan)
damit ist Franziskus der damals radikalste Zeuge dessen, was Kirchlichkeit ist
o Wyclif: zurückgreifend auf die augustinische ecclesia vera, nämlich dass die wahre
Kirche unsichtbar ist, und dass die Kirche im Grunde die Gemeinschaft der
Prädestinierten sei: radikale Kritik des hierarchischen Amtes, denn auch der Papst
kann ein Nichtprädestinierter sein, und somit hat der Papst keine Vollmacht über die
Kirche, und auch die sakramentale Vollmacht wird radikal bestritten, was zu seiner
Verurteilung führt
o seine Ideen werden von Johannes Huss aufgenommen: er verlegt den Schwerpunkt auf
die Heiligkeit der Person; ist eine ungeheuer spiritualisierende Sicht, er fällt auch das
Urteil, dass sündige Priester das Sakrament nicht zustande bringen, das Sakrament
hängt von der subjektiven Heiligkeit des Priesters ab; auf den ersten Blick eine
faszinierende Logik, aber im Grunde ist es dasselbe wie bei den Donatisten im
Altertum, bei den Montanisten; die Frage ist, wo die Grenzen für die Heiligkeit liegen
Huss wird in Konstanz verbrannt, ein Ereignis, das im Deutschen Reicht zur
Bewegung der Hussitischen Kirche führt, die es bis heute gibt
o Calvin in derselben Linie einerseits und andererseits doch nicht; die augustinische
Idee der Gemeinschaft der Prädestinierten: Kirche ist letzten Endes eine unsichtbare
Gemeinschaft, aber um der äußeren Disziplin willen braucht es eine Zucht in der
Kirche und Calvin selber ist das Schicksal beschert worden, seine eigene Kirche in
Genf selber zu verwirklichen
Genfer Kirchenordnung: eine ungeheuer intolerante und gewaltversessene
Kirchenordnung; etwas analoges später in Münster
Trauma der Gottesrepublik von Genf
auf diesem Hintergrund passierte der Lutherische Vorstoß
o Luther kam skandalisiert von Rom zurück und hat eine neue Vision dessen in die Welt
gesetzt, was Kirche sei: confessio augustana: die Kirche sei die Versammlung der
Gläugiben, in der das Evangelium rein gepredigt wird und die Sakramente gemäß dem
Evangelium gespendet werden; das kirchliche Amt sei das Amt des Wortes
(ministerium verbi), es braucht auch kein anderes, denn nach 1 Petr 2,9 sind alle
Christen Priester
Dogmatik II
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die kirchlichen Amtsträger (= Bischöfe und Priester) haben die Vollmachten
nicht
Luther wird unterstützt von den Feudalfürsten
er steht im Kontext einer radikalen gesellschaftlichen Veränderungen; er
macht die Bischöfe zu denen, die für die Ordnung der Kirche sorgen mit der
Folge, dass gewisse Staatskirchen das Parlament als jenes Amt erachtete, die
die Belange Zucht und Disziplin regelten
die luthersche Vision ist: Gott sammelt Menschen durch Predigt, durch die
Predigt des Evangeliums, also der Rechtfertigung; die reine Predigt des
Evangeliums und Sakramente sofern sie dem Evangelium entsprechen
die Pastoren und lutherischen Bischöfe sind Diener des Wortes, also Prediger
das sind die bis heute gültigen dogmatischen Grundkonturen, die das
ökumenische Gespräch der Gegenwart befruchten oder auch beschweren,
denn das Papsttum entscheidet sich angesichts des Flächenbrandes in Europa
zu einem Reformkonzil, mit der Hilfe des Kaisers, als Konzilsort wählt man
eine Stadt im Süden des Reiches: Trient
4.5 Ambivalenz der tridentinischen Reform - das Konzil von Trient tritt zusammen, tagt jahrzehntelang, die Bedeutung kann kaum
überschätzt werden; zum einen besiegelt es die Kirchenspaltung der Reformation, das
westliche Christentum gibt es ab nun nicht nur in Ost-West, sondern auch Katholiken-
Protestanten
o der Preis ist hoch, aber das Konzil brachte ein geniales Kirchenbild zustande, ein
Kirchenbild, das dem Katholizismus in den nächsten 400 Jahren verhalf, die
dominierende Kirche zu werden
o es war erfolgreich, weil es ein klares Kirchenbild zustande brachte, und zwar eines,
das alle reformatorischen Kirchenbilder an den Rand drängt
o ausgegangen wird vom Bild von Turrecrema: eine Gemeinschaft von Gläubigen, die
im Glauben und im Gehorsam gegenüber dem apostolischen Stuhl verharren; für
Luther war Papst identisch mit Antichristen – für Katholiken ist das Papsttum gerade
das Zeichen für Kirchlichkeit
4.5.1 ecclesia militans
- R. Bellarmis SJ differenzierte dies: die Kirche, hier schon näher definiert als ecclesia
militans, als kämpfende Kirche, dh es wird vorausgesetzt, dass es auch andere Formen von
Kirchlichkeit gibt, die anderen Formen sind die ecclesia triumphans, das ist die himmlische
Kirche, und jene Kirche die im Fegefeuer stellvertretend leidet und bittet, die unsichtbare
Dimension der Kirche; für uns die ecclesia militans entscheidend: es ist die Versammlung von
Menschen, Kirche hat also etwas mit Sammlung zu tun
o wie sich die kirchliche Versammlung von anderen unterscheidet: es ist die
Versammlung von Menschen die1.) den gleichen Glauben bekennen, 2.) die gleichen
Sakramente empfangen und 3.) unter der Leitung des legitimen Hirten,
insbesondere des römischen Papstes stehen diese äußeren Kriterien erlauben es
religionsoziologisch die Kirche zu bemessen, zu zählen und zu zeigen wo sie ist
den gleichen Glauben bekennen: es geht nicht um den Glauben im Herzen, es
geht darum, die Glaubenssätze (den qualitativen Glauben) mindestens nicht
zu leugnen; der Durchschnittskatholik muss zwar nicht ständig alle
Glaubenssätze repetieren, aber er soll sie auch nicht leugnen; von ihm wird
eine positive Aufnahme der Lehre der Kirche erwartet
die gleichen Sakramente empfangen: die Getauften, die am Sonntag zur
Messe gehen (Trient führt die Pflicht der Sonntagsmesse und des mindestens
jährlichen Beichtens und Kommunizierens ein), diejenigen die die sieben
Sakramente empfangen sind die Katholiken; von der Sakramentspraxis kann
Dogmatik II
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man exkommuniziert werden, dann gehört man nicht zur Kirche, oder man
empfängt die Sakramente noch nicht, das sind Menschen, die sich auf die
Taufe vorbereiten
Leitung des legitimen Hirten: die Schismatiker gehören auch nicht zur Kirche,
weil sie nicht unter der Leitung des legitimen Hirten stehen
o diese ganz klare Sicht der Kirche wird analog zum irdischen Staat definiert, man
weiß genau, wer ein Katholik ist
o Vatikanum II übernimmt die Logik von Bellarmis, dreht aber die
Argumentationspfeile um: dort wo die Menschen ausgeschlossen werden im
Tridentinum, dort werden sie in Vatikanum II auf die Kirche hingeordnet; die wahre
Kirchlichkeit ist in der römischen Kirche verwirklicht, die anderen bleiben auf diese
hingeordnet, weshalb das Konzil auch von der gestuften Zugehörigkeit zur Kirche
gehört
4.5.2 klare Konzeption des Ordo
o es handelt sich um das Weihepriestertum, das den Schlussstein der Reform bildet,
begründet klar auf die Opferproblematik hin
o Opfer gehört zum Kennzeichen einer Religion, und zum Opfer gehört ein
Priestertum
o zuerst geht es um das Opfer des Kreuzes, dann um das Opfer, das in jeder Messe
dargebracht wird (Trient reißt Sakrament und Opfer auseinander, in einer Sitzung
wird die Frage nach dem Messopfer behandelt, 13 Jahre davon die Frage der
Eucharistie als Sakrament)
o das Messopfer, das immer wieder durch Priester dargebracht wird; Luther definiert
das Amt als mysterium verbi, Trient das Priestertum als Opferpriestertum
o die Kirche hat das wahre Priesteramt, das in der potestas consecrandi und potestas
peccata remitendi (Brot und Wein verwandeln und Sünden zu vergeben)
o das Priestertum so definiert ist die Spitze einer Hierarchie von Weihestufen, welche
einander klar zugeordnet sind, wie ein geordnetes Kriegsheer; Ordnung im Chaos
in einer ganz klaren Unter- und Überordnung (vier untere, drei obere)
die unteren: Ostiarier, Exorzist, Akolyth und Lektor
die höheren: Subdiakonat, Diakonat und Priesteramt
die Bischofsweihe ist nach Trient nicht ein Teil des Ordo, er ist Ausweitung
der Jurisdiktion
wenn man streng urteilt müsste man sagen, die Bischofsweihe ist gar keine
das Zentrum ist die Vollmacht zu konsekrieren
das dogmatische Gebäude ist viel bunter als man das auf den ersten Blick
meinen könnten
in Vatikanum II findet eine Verschiebung statt
o wenn Messopfer im Zentrum steht, ist die Priesterweihe der absolute Fokus, im
Priester verdichtet sich die Kirche, denn der Priester steht für Christus und für die
Kirche
o noch mal: sieben Weihestufen; Vatikanum II sagt es gibt nur die Weihestufen,
Diakonat, Presbyterat und Bischofsweihe
- character sadramentalis
o klassische Unterschneidung zwischen Gnade und Charakter
o Christus verbindet sich mit Menschen im konkreten sakramentalen Geschehen
o was passiert, wenn der Mensch sündigt und sich von Christus abwendet? Frage der
klassischen Sakramententheologie
die Gnade geht verloren, blüht wieder auf, wenn sich der Mensch bekehrt
o Gnade ist dynamisch, nicht aber der Charakter
o mittelalterliche Philosophie sprach von der Prägung der Seele; der Charakter wäre so
etwas wie ein aufgedruckter Stempel
o die Sakramente die den Charakter verleihen: Taufe, Firmung, Weihe
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dahinter steht: Christus verbindet sich mit dem Menschen so, dass eine
Lösung nicht mehr möglich ist, denn Christus bleibt immer treu
das ist die große Theologie des character sacramentalis
o Taufe: der Charakter macht es möglich, dass der Mensch andere Sakramente
empfangen kann; der Charakter, die Bindung Christi an den Menschen macht es
möglich, dass der Getaufte sich weiteren Bindungen öffnen kann; passive Befähigung
zum Gottesdienst: man darf das Wort hören und andere Sakramente empfangen, man
ist ein Glied des Volkes Gottes
o Priesterweihe: sie verbindet den Menschen mit Christus auf eine solche Weise, dass
dieser Mensch im Namen Christi handeln kann und andere Sakramente spenden kann
o die Taufe verbindet auf eine passive Weise, die Priesterweihe auf eine aktive Weise;
Seelsorger und Beseelsorgte
o Trient kennt dogmatisch einen klaren Unterschied zwischen den normalen
Gläubigen und dem ordinierten Priester; eine Identität, an der Vatikanum II
durchaus rütteln wird, und es rüttelt va dadurch, dass es die biblische Wahrheit vom
allgemeinen Priestertum wiederentdeckt und die passive Funktion der Gläubigen
minimiert und ein neues Verhältnis von Priestern und Gläubigen schafft
Vatikanum II belebt die Theologie vom allgemeinen Priestertum und schafft
damit dem Priester Identitätsprobleme
die Reaktion der Piusbruderschaft baut ganz stark darauf, da es das
vorkonziliäre Weihetum in den Vordergrund stellt; dahinter Vorstellung, dass
dieses Priestertum von Trient das wahre Priestertum sei
Rolle des Bischofs: es ist die Frage der Jurisdiktionsvollmacht
Scholastik hat Weihevollmacht von Jurisdiktionsvollmacht unterschieden;
kirchliche Verwaltung ist mehr als nur Administration (im MA auch zB
Jagdverwaltung )
diese Unterscheidung fußt allerdings auf einer Trennung; es gab nicht
geweihte Bischöfe, die so etwas wie Messpriester hielten
der Ursprung der Reformation hat auch mit diesem Zustand zu tun:
die Kurfürsten waren alles andere als Seelsorger; diese, die auch bald
Luther nachfolgten
ein Auseinanderfallen, das Vatikanum II überwunden hat; der
Ursprung der Vollmacht des Bischofs liegt in der Weihe; sie ist das
Zentrale, nicht die Jurisdiktion
nachdem diese Spaltung überwunden wurde, hat sich gezeigt, dass sich bei
der Frage der Priesterweihe Ähnliches abspielt: geweihte Priester und nicht
geweihte Gemeindeleiter
zudem Frage nach dem Priester selber: wer ist er, wie handelt er? Scholastik:
Priester handelt in persona Christi wenn er konsekriert und Sünden vergibt,
wenn er gleich darauf aber „offerimus“ spricht, spricht er in Rolle der Kirche;
der Priester agiert also in persona Christi und in persona ecclesiae
da liegt der dogmatische Hintergrund warum es zur Praxis kam, dass
Priester alleine zelebrieren können, auch ohne Volk, ohne
Ministranten
die Praxis der alleine zelebrierenden Priester; ist iSd alten Dogmatik
ok, va als Frömmigkeitsübung, aber auch als Fürbitte für die Kirche
- die Kirche als eine feste Burg, umzingelt von Gegner (Luther, Melanchton, …), aber klar mit
der Kraft von oben; man weiß was katholisch ist; politisch bald cuius regio eius religio;
konfessionell gespaltene Mission; in Europa Glaubenskriege;
o in der Öffentlichkeit bald Zurücktrennen von Religion
o Jesuiten mit einer ungeheuren Bildungsoffensive; Volksmission, Herz-Jesu-
Frömmigkeit
o Etablierung eines katholischen Weltbildes, begleitet von einer großen Lebenslust
o Privatisierung der Religion zur Unterbindung von Religionskriegen
o trotz allem der Konstantinismus: Verbindung von Thron und Altar
Dogmatik II
- 38 -
konstantinischer Traum: Sozialisierung der Menschen durch einheitliche
Religion
o der große Schock des Verlustes des Kirchenstaates; Kirche ist nicht nur eine
Versammlung von Menschen, Kirche ist auch ein ganz konkreter mächtiger Staat;
dieser Staat zerfällt im 19. Jh., Italien wird gegründet; Reaktion darauf: leider die
Unfähigkeit zu einem radikalen Aufwachen; der Papst erklärt sich nicht nur zum
Gefangenen des Vatikans, mentalitätsmäßig bleibt die Kirche in diesem Zustand noch
etwa 100 Jahre wach als Bollwerk
o die antimodernistische Mentalität von Vatikanum I schützt einerseits die Kirche,
wird ihr im 20. Jh. aber auch zum Verhängnis
es bereitet eine Konstitution über die Kirche, sie wird nicht beschlossen, weil
das Konzil durch politische Wirren gesprengt wurde
die Dogmen des Primats und der Unfehlbarkeit wurden aber beschlossen und
sind ein Grundpfeiler der heutigen Kirche
in dieser Konstitution stand: es gibt nur eine wahre Religion, das wollte
Christus, und das ist die Kirche, die als societas perfecta nach außen tritt; das
ist ein juridischer Begriff, er setzt voraus, dass diese Gesellschaft autark ist,
sie verdankt anderen Gesellschaften nichts, braucht nichts, eine vollkommene
Gesellschaft mit einem sichtbaren Lehr-, Priester- und Hirtenamt; außerhalb
dieser societas perfecta gibt es kein Heil, in sich selber ist sie gestaltet als eine
Gesellschaft der Ungleichen (societas inaequalis): wenn die Menschen ihre
Würde haben, gibt es auf jeden Fall die Hochwürden, Kleriker und Laien sind
zwei ungleiche Stände; das Bild der societas perfecta, in der Ungleichheit als
Prinzip herrscht, stand als Modell, wurde aber nicht beschlossen
Johann Adam Möhler hat zum geistigen Hintergrund für diese Bewegung eine
Kurzformel geboren: „Gott schuf die Hierarchie, und für die Kirche ist bis
zum Weltende genug gesorgt.“, und dh, die Kirche ist, wo die Hierarchie ist
sieht man die heutige Boulevardreaktionen über Kirche, ist dahinter
noch dieses Weltbild, das eigentlich im Vatikanum II überwunden
wurde
John Henry Newman: konvertierte im 19. Jh. zum Katholizismus, gründet
katholische Universität in Irland, wird Kardinal, hat in der Krise nach
Vatikanum I daran erinnert: angesichts der Fixierung auf den Papst (zB auch
Sühnegebete für den Papst) an die Krise des Arianismus und bei Nizäa waren
es nicht die Bischöfe, die die Kirche retteten, sondern die Laien
die vielleicht schmerzhafteste Reaktion auf das Konzil gab es in Deutschland:
es kommt zur Bildung der altkatholischen Kirche: viele Katholiken sagen,
dieses neue Bild entspreche der alten Kirche nicht; Struktur einzelner Kirchen
mit Versammlung um den Bischof; ob durch diese Entwicklung oder
politische Machenschaften (Kanzler Bismarck: hatte Bischöfe der Illoyalität
beschuldigt) ist zu überlegen
die Krise in deutschen Landen war enorm; das deutsche Episkopat
gab eine Kollektiverklärung wo klar stand, welche Bedeutung der
Papst und welche Funktion die Bischöfe haben („Der Papst ist
Bischof von Rom und nicht Bischof von Köln.“)
Pius X. macht dies verbindlich: in Denzinger-Hühnemann gibt es
eben diesen einen deutschen Text; das päpstliche Primat ersetzt nicht
die Vollmacht des Ortsbischofs: es gibt natürlich die maximalistische
Position, der Papst sei ordentlicher Bischof in jeder Diözese
(Bischöfe als Beamte des Papstes)
in allen Ländern mit Konkordat, werden die Bischöfe auf die
Verfassung verpflichtet, deswegen stimmen die Regierungen in D und
Ö der Ernennung eines Bischofs zu
das ist das Bild von der offiziellen Seite, wo modern zu sein eine gefährliche
Häresie war
Dogmatik II
- 39 -
in der selben Zeit eine ungeheure spirituelle Erneuerung:
Marienerscheinungen, Pfarrer von Ars, … die Kirche ist also viel lebendiger
als diese Bollwerkmentalität (Kolping, katholische Aktion, …); trotzdem ist
das offizielle Klima bollwerkistisich
Guardini, Kasel, … bereitet einen Frühling vor, erklärt aber nicht die
Revolution von Vatikanum II
man hatte damals keine Vorstellung der Wirkung
- Johannes XXIII. berief dies ein; er kam, öffnete etwas, verabschiedete sich und ist
mittlerweile selig
o die Kardinäle waren verblüfft, als er 1958 ein Konzil einberief; viele dachten an eine
Fertigstellung von Vatikanum I
die vorbereitenden Dokumente sahen auch so aus: Zementierung der Kurien
o die Eröffnungsansprache von Johannes XXIII. sprach, dass es die Unglückspropheten
gibt, und er ermunterte zu einem Sprung nach Vorne
die Rede wurde dann ins Lateinische übersetzt, und der Übersetzer verstand
das nicht, und er lies diesen halben Satz einfach aus
der Papst merkte das natürlich, war aber viel zu klug, um auf die Pauke zu
hauen und den Übersetzer zu feuern; er handelte wie immer, er zitierte sich
fortlaufend, indem er diesen Satz immer auf Italienisch vortrug
o dieser Papst starb dann nach der ersten sessio, Paul VI. fiel die schwere Aufgabe zu
dieses Konzil zu beenden, und er tat das auf eine Weise, die sich Johannes XXIII.
vielleicht nicht vorgestellt hätte
Johannes XXIII. glaubte zwar an die Führung durch den Hl. Geist, aber er
dachte wohl, dass viel von den Schematas verworfen wird
was man sich nicht vorstellen konnte ist jenes Dokument, indem die Erdung
des Mysteriums im gegenwärtigen Kontext sich vollzieht, einem neuen
Selbstverständnis, das beste aus der alten Kirche aufnimmt, und auch
Kontinuität aus der Zeit des MA tradiert: DH
5 Erdung des Mysteriums im gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Kontext: Kirche als Sakrament
5.1 Dignitatis humanae - feierlich beschlossen am 7.12.1965 (am 8.12. schloss das Konzil)
- hier findet so etwas wie Selbstkorrektur statt, im Ringen um die ekklesiale Wahrheit
- erst wenn man DH verinnerlicht hat wird man begreifen, was das Sakrament ist; wenn man
die Religionsfreiheit nicht als Wert anerkennt, sondern ein notwendiges Übel, wird man das
Sakrament nicht verstehen; denn Sakrament hat etwas mit Zeichenhaftigkeit zu tun, und mit
Gewalt verbunden geht das nicht; das Konzil definiert nun die Kirche in den Kategorien
des Sakraments, es weitet das bisherige Verständnis: Religionsfreiheit ist ein Wert
- die fundamentalistischen Verengungen in der Anti-Modernismus-Diskussion: wenn man alle
Bilder im Hinterkopf behält und auch die Hoffnungen die es immer wieder gibt (Wandel,
Niedergang der kirchlichen Praxis heute – als Rezept darauf Wiederbelebung von Allianz
zwischen Thron und Altar); angesichts dieser Tendenzen, ist die Religionsfreiheit ein exaktes
Gegenbild
- philosophisch-anthropolgisch: die Ebene der Vernunft, Würde der menschlichen Person, und
dazu gehört die Freiheit, das ist ein Wert; dieser Wert gründet in der Person selbst; der Wert
wird durch das Gewissen des Einzelnen vermittelt (GS wird das Gewissen als die allerletzte
Instanz definieren); Freiheit von jedem Zwang von Seiten Einzelner, wie auch von Gruppen:
in religiösen Dingen darf niemand gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln;
o Christus war kein politischer Messias, keine Gewalt, ganz im Gegenteil, er erlitt
staatliche Gewalt und starb den Gewalttod
Dogmatik II
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o am Ursprung des Christentums haben wir Toleranz, Geduld und den gewaltsam
erlittenen Tod; denselben Weg gingen die Apostel, die folgten der Güte Christi,
haben den universalen Heilswillen Gottes verkündigt, nahmen aber Rücksicht auf
Schwache, widersprachen der staatlichen Gewalt
- mit dieser Positionierung wird ein Weg eingeschlagen: das Zeugnis von Kirche in
verschiedenen politischen Kontexten kann es nur geben, wenn man gewaltfrei Zeugnis ablegt
5.2 Nostra Aetate - Verhältnis der Kirche zu anderen Religionen
- Vorstellung, dass menschliche Gemeinschaft eine einzige ist, und dass alle Menschen, egal in
welcher Religion, sich von diesen Religionen Antworten auf ihre Fragen erwarten
o Religionen sind nicht Lug und Trug, Religionen sind Wege, Zeichen und Ausdrücke
des legitimen Suchens auf die Fragen des Daseins
o deshalb sind Religionen anthropologisch positiv zu werten
- die Kirche lehnt nichts von dem ab, was in anderen Religionen wahr und heilig ist
- davon abgesetzt nähere Verbindung zu den Muslimen weil Glaube an den einen und selben
Gott, auch der Glaube an das Gericht, dass die Geschichte vor Gottes Augen gerichtet wird
- noch stärker die Verbindung zum Judentum, zum Alten Bund (Problem schon bei
Substitutionsthese aufgenommen); das Verbindende wird in der Vordergrund gestellt, alle
Christen sind Söhne Abrahams; was uns mit dem Judentum verbindet, was aber konsequent
fortgesetzt wird in der Erwählung zur Kirchlichkeit; alle Christgläubigen sind also Kinder
Abrahams, was aber nicht zur Verwerfung des Alten Bundes führt, nicht Substitution, nicht
Beerbung der Synagoge, sondern gemäß Röm 11 sind wir eingebettet; Abschied von der
Gottesmordthese; Antisemitismus widerspricht dem Geiste Christi
- Verwerfung der Diskriminierung von Menschen
5.3 Gaudium et Spes - von der Piusbruderschaft als das verwerflichste Dokument angesehen
- der Grundvollzug der Kirche ereignet sich dort, wo Empathie gelebt wird
- wenn Kirchlichkeit eine Sammlungsbewegung ist, eine, die von der Liebes Gottes ausgeht,
dann fängt diese Sammlungsbewegung nicht dort an, wo Menschen in Steuerlisten eingetragen
werden, sondern dort, wo Menschen empathisch einander begegnen, wo man sich in die
Ängste und Hoffnungen anderer Menschen hineinversetzt
- der Zugang zum anderen Menschen ist zuerst durch die Haltung der Empathie:
verständnisvoll auf Andere zugehen; und zwar prinzipiell alle Menschen
o Vatikanum II nimmt nun jene Linie auf, die wir zuerst bei Bonifatius VIII. sahen
(heilsnotwendig ist der Papst), denn es spricht von der ganzen Menschheitsfamilie
o in PT wird die ganze Menschheit angesprochen, aber nicht um alle unter die Fittiche
zu nehmen, man richtet sich auf alle aus
o Kirchlichkeit als Vollzug, das ist auch ein Missionsvollzug, durchaus auf alle
ausgerichtet, nicht nur auf Katholiken
- Grundlage dieses Vollzugs ist Anthropologie: man begegnet einander auf der Basis eines
Menschenbildes, wir alle sind Menschen, dahinter steht nicht das des Menschen als Bündel
von Instinkten, sondern eine Anthropologie, die auf Christologie hingeordnet ist
o GS 40 ist mit GS 22 zusammen zu lesen; GS 22 als jener Punkt, der erstmals etwas
Neues zu Christologie seit 1.000 Jahren bringt: Christus als der homo perfectus;
GS 22: in Christus vollendet sich, was der Mensch sein soll, denn er ist der
perfekte Mensch, weil er sich mit jedem Menschen verbunden hat, und das
kann nur Gott zukommen, in seiner Menschwerdung
alte Christologie denkt in Naturen (menschliche, göttliche); GS 22 nimmt
diese Diskussion gar nicht auf, denn in der Menschwerdung hat sich Christus
mit allen Menschen verbunden; hier wird eine neue Logik eingeschlagen:
Dogmatik II
- 41 -
meine Beziehung zu Gott wird begreifbar, wenn ich als Beziehungsmensch
lebe
nicht der philosophische Gottesbegriff, nein, Gott ist Gemeinschaft, Gott ist
Beziehung; durch Christus wird diese Beziehung auf die ganze Menscheit
universalisiert
- GS nimmt vollständig Abstand von der societas perfecta; die Kirche lebt mitten in der
Welt, sie ist das wandelnde Gottesvolk durch die Geschichte hindurch, deshalb ist sie auch
auf die Geschichte angewiesen; und deswegen GS 42: Anerkennung, Unterstützung und
Förderung des Wahren, Guten und Gerechten
o die Welt wird nicht in die Sakristei geholt, der Weihwasserkübel wird nicht über
alle ausgeschüttet; es gibt das Wahre und Gute auch außerhalb der Kirche; die
Kirche sagt sogar, dass sie der Welt einiges verdankt
o zwei-Stockwerke-Modell das davon ausging, zur Natur gehört was zur Welt gehört
(all was gesellschaftspolitisch zu den Menschenrechten gehört ist Natur), davon
verschieden die Sakramente, wird infrage gestellt
- mit diesen drei Dokumenten verändert sich das Klima, auf dem sich die Kirche nun neu
konstituierte
5.4 Lumen Gentium - ist als Prüfungsstoff ganz zu lesen; auf dem Handout die entscheidenden Aussagen
- die systematische Lehre der Kirche besteht darin, dass man den langen Text auf kurze
Formeln zusammenfasst
- ersetzt das bisherige Bild; eine Gemeinschaft von Menschen mit Gott
- Konzil bietet ein umfassendes Dokument, viele Theologen haben dabei mitgearbeitet, ua Karl
Rahner
- gliedert sich in acht Kapitel, und die Gliederung bereits zeigt die großen Veränderungen
- Revolution versteht sich erst auf dem Hintergrund von Vatikanum I, die Kirche sei eine
societas perfecta, eine societas inaequalis; diese Ungleichheit spiegelt sich bei der
fundamentalen Positionierung wider (Seelsorger – Beseelsorgte, Führer – Geführte); das Bild
der Kirche verdichtet sich in der kirchlichen Hierarchie
o auch heute noch oft diese Ansicht – gäbe es zu wenig von dieser Hierarchie, bedrohte
das die Kirche an sich
- eine Neureflexion in Vatikanum II die ganz tief ansetzt; nicht beim Verband, nicht bei der
Gruppe, sondern dort, wo die Kirche in der alten Zeit angesetzt hat, bei dem tiefsten
Glaubensgeheimnis: der Gottesvorstellung
o das Geheimnis der Kirche sei dem Geheimnis der Dreifaltigkeit analog; beide sind
verbunden; das Geheimnis der Kirche wurzelt in der Trinität
o Gott ist eine Gemeinschaft von Personen, die sich auf andere öffnet; eine
Gemeinschaft, die eine andere ermöglicht, und zwar die Kirche
o kann jemand ausgeschlossen werden? – wenn Gott Gott ist und keinen Menschen aus
seinem Heilswillen ausgeschlossen hat, dann darf auch die Kirche das nicht
o der Modus der Armee ist passé; Vatikanum II greift, gut katholisch, zur
Sakramententheologie: Kirche ist ein Sakrament, ein Zeichen; und damit ein Zeichen
für die ganze Menschheit; zeichenhafte Wirklichkeit ist nicht die Logik der Armee
o Kirche ist Zeichen und Werkzeug um die Einheit zu fördern, und deswegen auch seit
dieser Zeit eine fundamentale Bewegung der Kirche Integration zu betreiben und auf
andere zuzugehen; dazu Einheit mit Gott
technisch hergestellte Einheit (zB Internet) bedeutet auch Einheit in der
Sünde, im Bösen, in der Gewalt
Gott selber aber bewirkt diese Einheit
- GS 22: die Einheit ist hergestellt, es gibt keine gottlose Welt, er kann sich nicht aus der
Welt zurückziehen; Gott ist in diese Geschichte eingegangen; unsere Aufgabe ist nicht das
was Gott bewirkt hat nochmals zu wirken, sondern die Spuren seiner Gegenwart freizulegen
und zur Sprache zu bringen sowie aus dem Glauben, dass er da ist, ein neues Selbstverständnis
entwickeln für eine Welt, wie Gott sie will
Dogmatik II
- 42 -
- Wo wird die communio greifbar? Ist die Dreifaltigkeit eine platonische Idee? Nein, Gott als
lebendige Wirklichkeit und die Kirche als lebendige Wirklichkeit werden in der
Geschichte verbunden – Gott wirkt und handelt in der Geschichte; Geschichte als Bindeglied,
und damit weg mit dem Denkmodell societas perfecta, also Kirche sei eine geschichtliche
Größe wie andere Größen (Staaten, Kulturen, …); Kirche existiert überall dort, wo die Einheit
zum Vorschein komm
- Gott sammelt indem er erwählt: Einzelne, Gruppen, Völker; nicht damit sie von anderen
isoliert werden und als Privileg verstehen, sondern damit diese Erwählung im Dienste der
Anderen (im Dienste der Integration) stehen (Abraham für das Volk, das Volk als Zeichen für
andere Völker); in diesem Kontext das Volk Gottes durch die Geschichte, auch mit der Frage
nach der Sünde im Volk, Heiligung und Purifikation des Volkes
- Gott hat sich mit jedem Menschen verbunden
- LG 8: die wahre Kirche subsistit in der Katholischen Kirche; die Gemeinschaft, die nach
dem universalen Heilswillen alle Menschen umfasst ist nicht ident mit der Kirche, sie ist in
ihr verwirklicht („est“ oder „subsistit“ damit eröffnete sich eine neue Logik ekklesialen
Denkens, die biblisch fundiert ist, denn im Volk Israel sind alle anderen Völker miterwählt)
o andere Glaubensweisen, Gruppierungen, soziologische Organisationsformen sind auf
diese Kirche, in der die eine Gemeinschaft subsistit ist, hingeordnet
o eine gestufte Zugehörigkeit zur Kirche – irgendwie sind alle mit uns „verwandt“
(„Menschheitsfamilie“)
o hingeordnet: Ostkirchen, Kirchen der Reformation, verwurzelt im Judentum,
Menschen die an einen Gott glauben (va die Muslime), alle die in Schatten und
Bildern den einen Gott suchen, schlussendlich alle Menschen guten Willens – damit
ist die Vision der Menschheit unter der Logik der Integration entwickelt
o das ist keine Hegemonie nach dem Motto, hier versuche man alle Menschen
stückweise heimlich ins Heil zu holen; es geht vielmehr um die Frage, was uns
verbindet (aber auch was uns trennt); Gemeinschaft und Dialog entstehen mit dem
Entdecken von Gemeinsamkeiten
o hier geht die Kirche in ihrer dogmatischen Selbstreflexion auf andere zu, entdeckt in
ihnen was uns verbindet, zum Zwecke eines respektvollen Begegnens
o das Verständnis der Mission, als Versuch den anderen (mit Gewalt) zu überzeugen
weicht einem im Geheimnis der Trinität fundierten Begegnungsgeschehen – die
Kirche versucht ihre eigene Identität zu definieren ohne Brücken abzureißen und
ignoriert nicht die eigene Identität andere, man wertet die sogar positiv
o wenn Überzeugungsarbeit dann nur durch authentisches Glaubensleben; die
Menschen sollen begeistert werden indem sie sehen wie die Christen leben, hoffen
und glauben
5.4.1 zum Aufbau
I. Mysterium der Kirche
II. Das Volk Gottes (vorgeordnet der Hierarchie)
III. Hierarchische Verfassung der Kirche
IV. Laien
V. Allgemeine Berufung zur Heiligkeit
VI. Ordensleute
VII. Der endzeitliche Charakter der pilgernden Kirche
VIII. Maria
- drei Punkte sind von entscheidender Bedeutung:
o 1) Zugang zur Problematik über das Mysterium der Kirche; das Mysterium der
Kirche als Zugabe zur Ekklesiologie
bereits der Zugang ist revolutionär
o 2) die Anordnung der Kapitel zwei und drei:
dem Kapitel über die Hierarchie wird ein anderes Kapitel vorgeorndet: über
das Volk Gottes, und das ist unheimlich wichtig
Dogmatik II
- 43 -
die Kirche in der Geschichte, das ist die Geschichte des Volk Gottes
Hierarchie hat eine gewisse Funktion, sie wird funktional dem Volk Gottes
zugeordnet; es ist nicht so dass es um der Hierarchie willen das Volk gibt
das Volk Gottes ist entscheidend und die Hierarchie hat die Funktion dieses
Volk zu leiten, es als eine Einheit zu bewahren; sie steht im Dienste der
Einheit
gleich an die Hierarchie angeschlossen ein Kapitel das es bisher in der
Dogmatik nicht gab: eine dogmatische Reflexion über die Laien
eine umfassende theologische Reflexion über die Laien
o 3) Anordnung der Kapitel fünf und sechs:
auf den ersten Blick ein Sonderthema, Ordensleute, das in der klassischen
Dogmatik mit christlicher Vollkommenheit assoziiert wurde;
zwei Stände: jene die zur Heiligkeit berufen sind, die der Heiligkeit
nacheifern und die anderen, die Durchschnittschristen
Vatikanum II spricht von der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit, legitimiert
das mit der Bergpredigt: das ganze Volk ist zur Heiligkeit berufen, und in
diesem großen Strom der Berufung zur Heiligkeit kommt das Ordensleben als
Spitze des Eisberges heraus
Konstitution schließt mit dem Endzeitcharakter der Kirche, dem irdischen
Charakter; Kirche gehört dieser Weltzeit an
ganz am Schluss ein Kapitel über Maria als das vortrefflichste Mitglied und
Urglied der Kirche; an Maria wird abgelesen, was Kirche ist; es gab große
Bestrebungen, die Mariologie zu erneuern, Maria als Miterlöserin neu
ausformulieren
das Konzil entschied sich, die Mariologie zu einem Teil der Ekklesiologie zu
machen
- LG ist der Versuch einer Ekklesiologie, dass Gott Menschen von Anfang an integriert, dass
Gott diese Menschen in einem heilgeschichtlichen Prozess (Kirche als dramatischer Prozess)
durch Widersprüche zu einer Gemeinschaft fügt, dadurch dass er einzelne erwählt, damit diese
im Dienste von Anderen stehen (Mensch der nicht auf sich selbst bezogen ist, der Mensch der
von vornherein auf Andere ausgerichtet ist)
o Vollzug dieses Menschseins = Vollzug von Kirchlichkeit; communio als geheimer
Hintergrundsbegriff, der alles regelt
o in diese Situation hineingedacht Menschwerdung Christi, der sich mit jedem verbindet
o die Kirche Christi als die eine Gemeinschaft göttlichen Willens ist verwirklicht in der
Hl. Kirche, sie ist sichtbares Zeichen
o sie verdeutlicht die Zeichenhaftigkeit dadurch, dass diese Kirche auf Menschheit hin
einen Einheitsdienst übernimmt (Mission der Kirche die Menschen zur Einheit zu
führen)
o diese große Vision, die die Kirchenvorstellung regelt und in diese Vision hinein
integriert, was bis dahin alle ekklesiologischen Überlegungen im antireformatorischen
Kontext regelte: Ordo, Bischofsamt, Funktion der Hierarchie (im Dienste der Einheit,
dazu mit heiliger Vollmacht ausgestattet)
o Novum in der Dogmengeschichte sind die Laien; klare Definition was Laien sind,
theologisch analog zur Mission Christi (Priester, König und Prophet), Laien haben auf
ihre Weise Anteil an Christi durch die Taufe, Priestercharakter findet liturgisch
Widerhall im Hochgebet (priesterliches Volk)
5.4.2 erstes Kapitel: das Mysterium der Kirche
- 1) Christus ist das Licht der Völker, und die Herrlichkeit Christi scheint auf dem Antlitz der
Kirche wider;
o wenn die Herrlichkeit sich widerspiegelt, ist die Kirche gleichsam das Sakrament
o wenn das der Fall ist, ist Kirche Zeichen und Werkzeug, Sakrament; zugeordnet der
ganzen Menschheit
Dogmatik II
- 44 -
o theologisch relevant: „Sakrament“; bisher wurde das für einzelne Praktiken
angewandt, hier aber auf die Kirche als das Ganze, und die einzelnen Sakramente sind
so etwas wie Züge dieser Kirche, Lebensvollzüge;
Bonifaz VIII. hat zuletzt über die ganze Menschheit geschrieben, in Unam
Sanctam
fünftes Lateranum hat stillschweigend dies korrigiert, indem es von
Christgläubigen sprach
es ist nicht die Aufgabe der Kirche für die ganze Menschheit Regeln zu
haben, aber die Kirche ist auch keine private Gruppe
sie hat eine wichtige Funktion für die ganze Menschheit: sie steht im Dienste
der Einheit, und das zieht sich durch, dort, wo Integration stattfindet und
Grenzen überwunden werden; dort sammelt Gott die Menschen und integriert
die ganze Menschheit, mittels der Theologie des Zeichens; die Kirche
bezeichnet etwas
- 2) Reflexion über die Dreifaltigkeit: die Berufung der Menschen, und zwar die Menschheit
als Ganzes ist berufen, am göttlichen Leben Anteil zu haben
o Spannung: Gott hat beschlossen, Menschen zusammenzurufen und sie am göttlichen
Leben Anteil haben zu lassen; diejenigen die an Christus glauben werden in der
Heiligen Kirche zusammengerufen
- 3) der Sohn: ist ein Himmelreich auf Erden gegenwärtig?
o die Kirche, di das im Mysterium gegenwärtige Reich, es ist ein Schleier, nicht 100
%ige Identifizierung
o das Reich ist sichtbar in dieser Welt
o die Kirche ist das im Mysterium gegenwärtige Reich das sich auf verschiedene
Weisen äußert
o Eucharistie ist der Höhepunkt des kirchlichen Lebens, da wird Verwirklichung
dargestellt
- 4) der Geist: der Geist heiligt die Kirche und ermöglicht den Zugang zum Vater
o Auseinandersetzung mit der gratia capitis: wie wendet sich Gott den Menschen zu?
Es ist aus möglich, das pneumatologisch zu argumentieren
o die rechte Analogie, die Einheit des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes: Trinität
und Kirche verbunden miteinander, weil die Kirche durch die Trinität geeint wird
- Punkte 2-4: Mysterium der Kirche, Mysterium des dreifaltigen Gottes
- 5) Frage nach der Gründung der Kirche:
o die Gründung wird nicht mehr als ein juridischer Akt angesehen (Wann?); man hat
früher nach den Worten gesucht, die einen formalen Zeitpunkt der Gründung
o damit hat Vatikanum II Schluss gemacht: statt einzelnen Sprüchen gibt es die Logik
des Prozesses: Kirchengründung ist ein Prozess, ein dramatischer Prozess; ein
Prozess, der über Jahrhunderte geht
o hier wird der Prozess im Hinblick auf die Botschaft und Person Jesu beschrieben
o Gründung der Kirche: Christus verkündet die Frohe Botschaft; Wort wird mit
einem Samen verglichen der aufgeht, dann die Person Christi selbst angesprochen
- 6) greift verschiedene biblische Bilder zur Beschreibung der Kirche auf
o Schafstall, Pflanzung, Bauwerk, Acker Gottes, … alles Metaphern, die für die
Beschreibung der Kirche verwendet werden
- 7) die Kirche als Leib Christi
o durch die biblische Botschaft einerseits, zum anderen durch Pius XII., der vom
mystischen Leib Christi sprach
o Vatikanum II greift das auf und gestaltet es neu
o der Leib Christi entsteht durch die Taufe, dadurch werden wir in seinen Leib
eingegliedert, in der Eucharistie erhalten wir Anteil am Leib Christi
o Kirche ist Leib Christi, viele Glieder und doch eine Einheit mit einem Haupt
(Christus selber), wird gestaltet durch den Hl. Geist
o die Kirche ist der wahre Leib Christi und Eucharistie ist ein kirchlicher Vollzug
o wichtig: Sprengung der christologischen Perspektive durch den Hl. Geist;
- 8) (Lieblingsfragen!) ungeheurer Vorstoß nach Vorne:
Dogmatik II
- 45 -
o die Institution Kirche und der Leib Christi sind zwei Zugänge zu ein und
demselben Thema
o die Institution sichtbar, soziologisch messbar, der Leib Christi zugänglich in
Glauben und Meditation; können die beiden gegeneinander ausgespielt werden?
o beide Seiten dürfen nicht auseinandergerissen werden, die Institution ist der Leib
Christi und den Leib Christi kann es ohne die Institution nicht geben
o theologischer Hintergrund: Auseinandersetzung mit Hus: in der Radikalisierung des
augustinischen Begriffes der wahren Kirche die unsichtbar und für Veränderungen
unzugänglich sowie vom Hl. Geist zusammengehalten, daraus gab es die Folgerung,
die wahre Kirche sei eine unsichtbare Wirklichkeit; die korrupte Institution haben mit
Kirche gar nichts zu tun, bis heute sichtbar in den Freikirchen
o Institution und Leib Christi bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit
o das fleischgewordene Wort wird Mensch, das unsichtbare Wort und der sichtbare
Mensch
o es gibt nur eine Kirche Christi, das ist die eine heilige katholische und
apostolische Kirche
o nun der entscheidende Punkt und die entscheidende Wende in Vatikanum II: Ist
diese eine Kirche identisch mit der römisch-katholischen Kirche, mit jener, der der
Papst vorsteht? Vermutlich die dramatischste Auseinandersetzung betraf diesen
Punkt; es geht eigentlich um ein Wort: verwirklicht (subsistit) in der katholischen
Kirche; subsistit, nicht est! Diese Kirche, institutionell greifbar ist nicht, sie ist
verwirklicht; das ist keine Haarspalterei sondern eine theologische Revolution:
wäre es „ist“ hieße dies, dass alle anderen Verwirklichungsformen diese Einheit,
die Gott in der Geschichte bewirkt, mit dieser Kirche Christi nichts zu tun hat; das
war die Logik von Bellarmin: entweder du bist in der Kirche oder außerhalb (bestes
Beispiel sind die Katechumenen)
o Vatikanum II verändert die Gruppe nicht, es übernimmt die Gruppen von Bellarmin,
nur die Perspektive ist eine andere; nicht „bist du im Raum oder außerhalb“, sondern
die Vision der allumfassenden Einheit und dann die Frage, wie die Menschen zu
dieser Einheit dazugehören, auf welche Art und Weise
o diese Kirche ist also verwirklicht in der Katholischen Kirche, aber das schließt
nicht aus, dass auch außerhalb Elemente von Heiligung und Wahrheit zu finden
sind
o die eine Kirche Jesu Christi, und das ist jene Gemeinschaft, die Gott verwirklicht
unter den Menschen, die letzten Endes der Inbegriff des Himmels sind, diese eine
Gemeinschaft ist mitten in der Geschichte in der Katholischen Kirche greifbar und
verwirklicht, aber es gibt auch andere Verwirklichungsformen
o im selben Kapitel wird festgehalten, dass die katholische Kirche auch der Reinigung
bedürftig ist
o der Sammlungswille Gottes wird in der Katholischen Kirche greifbar, die
Sichtbarkeit dessen sagt aber nichts über die ethische Qualität und auch nichts über
das Ausmaß der Heiligkeit, denn geheiligt wird die Kirche durch den Hl. Geist; die
Kirche ist sündig, sie ist auch der Reinigung bedürftig (ecclesia semper
purficanda); der lateinische Text erinnert an das lutherische „ecclesia semper
reformanda“; viele Kommentatoren meinen, man hat bewusst „purificanda“
genommen; sie wird va gereinigt durch den Hl. Geist, da wird der Schwerpunkt auf
Reformen gelegt
- ∑: das Mysterium der Trinität und das Mysterium der Kirche werden miteinander
verbunden durch die Heilsgeschichte, nämlich in der Geschichte erscheint Christus,
sammelt durch sein Leben, Werk und Wort; seine Sammlungstätigkeit wird durch den Hl.
Geist in der Geschichte fortgesetzt; diese Sammlung wird am deutlichsten greifbar in der
Römischen Kirchen, in ihr sei diese Kirche verwirklicht; diese römisch-katholische Kirche
ist aber Heilig und der Reinigung bedürftig
Dogmatik II
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5.4.3 zweites Kapitel: das Volk Gottes
- wird dem Kapitel über die Hierarchie vorgeordnet, damit wird die christonomistische
Reduktion der Kirche auf das Amt von vornherein gesprengt
- 9) der ekklesiale Heilswille Gottes:
o Gott hat es gefallen, die Menschen nicht einzeln, unabhängig zu retten, sondern sie
zu einem Volk zu machen
o Gott will das Heil aller Menschen, dieses Heil wird nicht dadurch Wirklichkeit, dass
Menschen isoliert aus ihren Bindungen herausgerissen werden, sondern Gott rettet die
Menschen dadurch, dass er die Beziehungen rettet
o der lutherische Zugang ist „ich und der gnädige Gott/wie finde ich den gnädigen
Gott“; auch der augustinische „Gott und die Seele will ich kennen“; dieser
augustinisch-lutherische Bezug der das Inidviduum in den Vordergrund rückt und
verantwortlich zeichnet für eine atemberaubende Geistesgeschichte: Neuzeit wäre
ohne Reformation nicht denkbar, Kant wäre ohne Luther nicht denkbar; Luther isoliert
das Individuum vor Gott, Kant macht daraus das autonome Individuum
o demgegenüber der katholische Zugang (komplementär nicht kontrovers-
theologisch) setzt den Schwerpunkt auf eine andere Ebene, die der Beziehung: Gott
bindet sich an das Volk, und diese Bindung bedeutet nicht Exklusivität, sondern in
jedem Volk und in jeder Kultur kann diese Bindung bestehen
- 10) gemeinsames Priestertum aller Gläubigen:
o das gemeinsame Priestertum der Gläubigen ist die Grundlage für die kirchliche
Gemeinschaft
o Vatikanum II greift auf, was Luther wiederbelebt hat
o 400 Jahre stand die Katholische Kirche in einer Abseitsposition hierzu, va dort, als
man in den nicht beschlossenen Konstitutionen von Vatikanum I von der societas
inaequali (Gemeinschaft der Ungleichen) sprach, die einen sind Priester und
Seelsorger, die anderen sind die Beseelsorgten; man greift die biblische Konstitution
auf: die Grundlage ist das allgemeine Priestertum
o was ist dann das hierarchische Priestertum? Die beiden Arten unterscheiden sich
dem Wesen, aber nicht dem Grad nach; es gibt einen Unterschied, der besteht
nicht dem Grade nach, essentia non gradutantum (so quasi es gibt „Hoch“würden),
sondern sie unterscheiden sich dem Wesen nach: seither wird darüber spekuliert: ist
hier eine Ungleichheit?
- 11) die priesterliche Gemeinschaft:
o das Volk, das Gott durch die Zeit begleitet hat ist die priesterliche Gemeinschaft; alle
Christen sind Priester; sie vollzieht sich durch die Sakramente (hier wird zu allen
Sakramenten was gesagt)
- 12) Teilhabe des Volkes an den drei Ämtern Christi:
o das Volk nimmt Teil am prophetischen Amt Christi
o das ganze Volk kann im Glauben nicht irren, Glaubenssinn des ganzen Volkes
(sensus fidelii); das ganze Volk, die ganze Kirche hat Anteil am prophetischen Amt
o es wird vom sensus fidelii gesprochen; bei gewissen Engführungen von Vatikanum I.
wurde auf John Henry Newman aufmerksam gemacht: das Volk, nicht die Bischöfe
haben den Glauben verbreitet, also Unfehlbarkeit des ganzen Volkes
- 13) Volk Gottes
o das Volk Gottes, die eine Kirche Christi ist eine
o Einheit ist wichtig, weil Gott die Menschheit einigen möchte
o deshalb ist auch das ökumenische Problem zum großen Problem geworden: es gibt
das eine Volk, ausgebreitet auf die ganze Welt; wie verhält sich das zu partikulären
Kulturen?
o das eine Volk Gottes, ausgebreitet durch verschiedene Zeiten, Kulturen, politische
Ordnungen, also Vielfalt; diese eine Kirche kennt Verschiedenheit: Teilkirchen
o die europäische Kirche, die österreichische Kirche hat einen Anteil an der allgemeinen
Katholizität, bringt auch den anderen Kirchen etwas, die anderen bringen das ihrige
Dogmatik II
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o Katholizität ist nicht wie das Zerrbild zu begreifen: Zentrale in Rom und Filialen;
sondern einzelne Teilkirchen bringen das was sie haben und sind ein in ihre Tradition
und so entsteht Katholizität und Vielfalt
o das einzige Volk Gottes über alle Welt ausgebreitet, zu dem alle Menschen berufen
sind, worauf alle hingeordnet sind; Umkehrlogik des Bellarmin: gestufte
Zugehörigkeit zur Kirche (nicht entweder-oder), sondern verwirklicht in der
römischen Kirche, dazu gehören auch andere: andere die an Christus glauben,
schließlich alle Menschen überhaupt; mehr ein sowohl-als-auch ein neues
Denkmuster
o es geht hier darum, Grenzen zu überwinden, aufeinander zuzugehen
- 14) Zuordnung katholischer Gläubiger
o hier klingt das alte „außerhalb der Kirche kein Heil“ an
o die alte Überzeugung wird nun nicht aufgegeben, aber systematisch ergänzt mit
der These von der Gewissensüberzeugung; Gewissens- und Religionsfreiheit
werden als große Glaubenswerte anerkannt
o wir kommen hier zur Eschatologie: was ist eine freie Entscheidung des Menschen
gegen Gott? Gibt es Menschen die wissen und trotzdem bewusst das ablehnen? Um
der Freiheit willen muss es das geben, aber seelsorglich und im jesuanischen Sinne
muss man annehmen, dass solche Menschen das tun, weil sie irgendwelche Gründe
haben; mit diesem Satz ist der allgemeine Heilswille Gottes und die Freiheit des
Menschen prinzipiell ausgesagt
- 15) Zuordnung Nichtkatholischer
o „verbunden“, denn bis hierhin hieß es immer, sie gehören nicht dazu; hier heißt es, die
Kirche ist mit ihnen verbunden
o dieser Text hat vor ein paar Jahren für Aufmerksamkeit gesorgt in der Auslegung in
Dominus Iesus, wo die Logik von Vatikanum II ein bisschen gegen den Strich
gebürstet wurde (es ist jene die Hand auszustrecken); Dominus Iesus hat viel hiervon
zitiert, aber umgedreht: „Sie haben dies und jenes nicht und sind deshalb höchstens
kirchliche Gemeinschaften“, was sich ja gleich ganz anders anhört, und diese
Botschaft kam an, man fühlte sich vor den Kopf gestoßen
o die Logik der Ekklesiologie ist die Logik der Integration, aber nicht „wir haben
euch alle lieb“
o wir neigen dazu, Integration im liberalen Sinne zu begreifen, dh Aufhängung der
Unterschiede; wir kochen Gulasch, schmeißen alles rein, irgendwie gehört alles dazu:
das ist aber die Logik des Liberalismus; wenn die katholische Kirche in der Dogmatik
Religionsfreiheit und „außerhalb der Kirche kein Heil“ aufbringt, so ist das nicht
geistige Umnachtung, es ist die Logik eines Menüs: viele Gänge, voneinander
unterschieden, aber alles hat seinen unverzichtbaren Wert
o die Verführung der modernen Kultur die mit Differenz von vornherein
Diskriminierung und Ausschluss bringt ist gefährlich; Differenz, der Unterschied
hebt und schätzt Menschen, aber deshalb nicht ganz außerhalb sondern
aufeinander zugeordnet; deswegen muss man die Differenzen auch beilegen
o Bellarminische Definition: Kirche ist die Gemeinschaft der Menschen, die den wahren
Glauben empfangen und dieselben Sakramente empfangen – das sind
Identifizierungskriterien, mit denen man diskriminieren, aber auch verschiedene
Strukturen prägen kann; Bellarmin lieferte eine Definition mit drei Argumenten:
Glauben (qualifizierter Glaube), Sakramente und Leitung wo das ist, ist subsistit
o sind aber die Anderen nun schlechter? Das ist nicht die Logik, sie sind aber anders; sie
leben ihren Glauben in ihren eigenen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften
- 16) Zuordnung von Nichtchristen
o auch sie sind zugeordnet
o in erster Linie Judentum: verbunden mit der biblischen Tradition, Ablehnung der
Substitutionsthese, wir sind eingepfropfte Zweige
o auch die polytheistischen Religionen : die klassische apologetische Logik war, dass
solche Religionen nur Lug und Trug sind, das sind Täuschungsbilder, die uns die
Dämonen anbieten; das Konzil aber sagt, in Schatten und Bildern wird Gott gesucht
Dogmatik II
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o auch die Menschen die nicht glauben: genauso wiederum ein Bild; die dreifaltige
Liebe Gottes integriert Menschen durch Christus, Menschen die auf seinen Namen
getauft sind, die den Leib Christi bilden indem sie durch Taufe und Eucharistie immer
mehr in diese Gemeinschaft eingegliedert werden, dadurch, dass sie auf eine
bestimmte Weise glauben und ein geordnetes Leben führen, also institutionell
identifizierbar sind als jene, die unter dem Papst stehen; Menschen die ihn ihren
Kirchen und Gemeinschaften den Glauben an Christus leben; die Juden, die durch den
selben Gott berufen wurden; die Muslime, die an denselben Schöpfergott und das
Gericht glauben; Menschen die in verschiedenen Praktiken Gott suchen;
schlussendlich jene, die noch nicht zum Glauben kamen sich aber um ein gutes Leben
führen, aber nicht ohne göttliche Gnade
- ∑: Logik des Kapitels über das Volk Gottes, wer gehört zum Volk Gottes? – es gibt nur
den einen Gott, der ist eine Gemeinschaft von Personen und hat sich den Menschen auf den
geheimen Ratschluss des Vaters geöffnet indem er die Menschen zur Teilhabe an seinem
göttlichen Leben berufen hat, und somit kann es nur eine Gemeinschaft geben, niemand ist
ausgeschlossen aus diesem Volk; aber wie kommt der Einfluss? – Einzelne konkrete
Menschen, Gruppen, Völker: das Modell der gestuften Zugehörigkeit zur Kirche ist eine
Anwendung des biblischen Modells auf diese Frage; die Funktion der Kirche ist, im Dienste
des Ganzen zu stehen
- 17) Reflexion über den Verkündigungsauftrag der ganzen Kirche:
o die ganze Kirche hat den Auftrag zur Verkündigung erhalten; diese hat nicht den
Sinn, die Kultur der Menschheit zu vernichten, sondern den Samen des Guten, den es
im Herzen und Geist der Kulturen gibt, das zu heiligen, zu heben und zu vollenden zur
Ehre Gottes
o Christus ist gekommen zu heiligen, zu heben und zu vollenden
5.4.4 drittes Kapitel: die hierarchische Verfassung der Kirche, insbesondere das Bischofsamt
- warum gibt es Hierarchie? Sie steht im Dienste der Einheit der Kirche; solange die Kirche
zwei Stände hatte, solange sie eine societas inaequali war, war das Problem der Einheit kein
großes, denn die Menschen wissen genau, wohin sie gehören; die Ungleichen wissen genau,
wo sie sich einzuordnen haben, und deshalb sind hierarchische Gesellschaften ungemein
strukturiert
- die Kirche hat entdeckt, dass aber unter den Gläubigen die wahre Gleichheit besteht: alle
sind Priester, Propheten und Könige zugleich; ist das das Himmelreich auf Erden? Unsere
moderne Zeit verweigert sich der Erkenntnis, dass erst die Gleichheit viele Probleme mit sich
bringt, denn Gleichheit heißt Interessen müssen ausbalanciert werden, der Wert des
Einzelnen muss erkannt und zur Geltung gebracht werden; erst in Gesellschaften wo Einheit
herrscht, wird Leitung und Einheit einer solchen Gesellschaft zum Riesenproblem
- auf diesem Hintergrund ist es hochinteressant, dass Vatikanum II dem Amt eine klare
Funktion zuschreibt, um der Einheit der Kirche Sorge zu tragen und das Volk zu leiten; das
heißt nicht zu herrschen, sondern leiten heißt Konflikte steuern, Interessen ausgleichen; die
Hierarchie hat den Dienst der Einheit
- der Sinn der Hierarchie: wenn das Volk Gottes die umfassende Verwirklichung ist, warum
dann Hierarchie?
- 18) Hierarchie steht im Dienste der Brüder
o Dienst der Einheit, sacra potestas (heilige Vollmacht)
man hat sehr viel über diesen Begriff spekuliert
sacra potestas hat mit Entscheidungen zu tun, Entscheidungen die eben nicht
brutal mit Gewalt zu treffen sind, Entscheidungen die aber nicht durch das
Gespräch ersetzt werden können (Amtsträger die entscheidungsunfähig sind
können Gemeinschaften in fundamentale Katastrophen führen!)
decidere = etymologisch Kopf vom Rumpf lösen (Dezision; Köpfen); so viele
kleine Entscheidungen treffen damit eine große Scheidung nicht notwendig ist
Dogmatik II
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Führungsqualität = Entscheidungen treffen können
o das Konzil lehrt, die Hierarchie sei von Christus selbst, die Bischöfe gewissermaßen
als Episkopat eingesetzt mit Petrus an der Spitze damit sie ein sichtbares Zeichen von
Einheit und Gemeinschaft sind
- 19) dogmatische Lehre von der Einsetzung
o Jesus beruft einzeln, setzt sie aber als Gruppe mit einem Zentrum ein
- 20) göttliche Logik wird bis zum Ende der Welt dauern
o das Werk geht weiter bis zum Ende der Welt
o verschiedene Dienstämter, im Zentrum das Bischofsamt
hier wird die dogmatische Wahrheit von der göttlichen Einsetzung der
Bischöfe formuliert, die Sendung bis zum Ende der Welt, die Bischöfe stehen
im Zentrum als Lehrer, Priester und Leiter
- 21) Bischofsweihe
o Berufung der Apostel fokussiert sich in der besonderen Ausgießung des Hl. Geistes,
der kommt auf die Apostel und diese Gabe/Gnadengabe wird mit der Bischofsweihe
in Verbindung gebracht
o Bischofsweihe ist Fülle des Weihesakraments
o Vatikanum II verändert die dogmatische Lehre von der Fülle des
Weihesakramentes:
Trient lehrte, die Fülle des Weihesakramentes liegt in der Priesterweihe,
weil das Konzil von Trient den Ordo vom Opfer her aufbaut; die Vollmacht
zu Wandeln und zu Opfern; Konsekrationsvollmacht ist das Wesen des
Priestertums und deshalb ist das Priestertum die Fülle der Weihe, und hierzu
führen sieben Weihestufen
die Bischofsweihe sei eng verstanden keine Weihe, deswegen hat es auch
Bischöfe gegeben, die nicht geweiht waren, sie hatten nur die
Jurisdiktionsvollmacht Vatikanum II: die Weihe ist der Ursprung aller Vollmacht; der Bischof als
die Fülle der Weihevollmacht wird von der umfassenden Verkündigung her
verstanden, und das ist die Sprengung der engen Perspektive des
Tridentinums, wo das Amt vom Opfer her verstanden wurde (damals halt
antireformatorische Front [Luther: minister verbi])
das Ordo wird umfassend beschrieben: der Hl. Geist steigt auf die Apostel,
in der Weihe wird die Vollmacht übertragen, und das ist eine umfassende
Verkündigung, die Sakramente und die Leitung
- 22) kollegiale Beschaffenheit des Episkopats
o die Apostel haben ein einziges Kollegium, untereinander verbunden, Bande der
Einheit, des Friedens und der Liebe
o kollegiale Natur und Beschaffenheit des Episkopates, dh man muss Mitglied des
Bischofskollegiums zu sein
o das Kollegium hat Autorität, wenn es in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom
handelt, denn der Bischof von Rom hat volle, höchste und universale Gewalt;
o Bischof von Rom + ganzes Kollegium: zwei Träger der höchsten Gewalt: das
Kollegium mit dem Papst und der Papst allein
o hier kommt deutlich eine Spannung die das Konzil nicht lösen konnte: wer hat die
höchste Gewalt in der Kirche; drei Tendenzen:
Minderheit (ca. 200 von 1.500) die exklusiv das päpstliche Primat annahmen
(Vatikanum I)
minimalistische Kollegialität: Papst allein und Bischofskollegium mit dem
Papst; der Papst kann, wenn er will, Bischöfe zur Mitentscheidung
hinzuziehen, muss es aber nicht
Mehrheit: umfassende Kollegialität: die höchste Vollmacht gehört dem
Bischofskollegium zusammen mit dem Papst, der Mitglied ist als Bischof von
Rom; würde heißen, im Unterschied zu den Minimalisten, der Papst ist
verpflichtet, bei wichtigen Entscheidungen die Bischöfe zu konsultieren und
Dogmatik II
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auf ihre Meinung zu hören; der Papst eingebunden in das Bischofskollegium,
zwar als Spitze, aber doch eingebunden
das Konzil drohte hieran zu scheitern
Paul VI. schaltete sich ein und griff in die Beratungen ein; diese Woche, wo
diese Krise ausgebrochen ist, ist als semana nera in die Kirchengeschichte
eingegangen
Paul VI. entschied sich für die minimalistische Kollegialität; er folgte einer
qualifizierten Minderheit
viele Bischöfe aus der Mehrheit waren darüber enttäuscht
Paul VI. wollte mit seiner Entscheidung eben jene Minderheit gewinnen, die
die Kollegialität radikal abgelehnt hat, er wollte das Konzil zusammenhalten
und keinen Bruch provozieren
es hat in dieser Minderheit der Bischöfe gewaltige und gewichtige Personen
gegeben, an der Spitze war Erzbischof Marcel Lefebvre
es gelang Paul VI. den Haufen zusammenzuhalten, die Enttäuschung war aber
da (semana nera)
der Papst kann seine Vollmacht jederzeit nach Gutdünken ausüben, wie es
von seinem Amt her gefordert ist, dh er entscheidet ob er die Vollmacht
alleine ausübt oder mit den Bischöfen zusammen
nach dem Konzil hat sich die Art durchgesetzt, dass zu wichtigen Fragen
Bischofssynoden einberufen werden, die beratenden Charakter haben; die
Ergebnisse bekommen erst Gültigkeit, wenn der Papst es in Kraft setzt, aber
der Papst muss sich nicht daran halten
o es gibt zwei höchste Gewalten in der Kirche selbst: der Papst allein oder der Papst
mit dem Bischofskollegium
o die Gewalt wird ausgeübt in feierlicher Weise beim Konzil oder in der normalen
Gemeinschaft
- 23) Aufteilung auf Teilkirchen
o was der Papst für die Universalkirche ist, sind die Bischöfe für ihre Teilkirchen
o die Bischöfe sind immer Bischöfe ihrer Diözese, die Sorge aber haben sie für die
ganze Kirche
- 24) Bischofsvollmacht
o die Sendung der Bischöfe stammt vom Herrn, nicht vom Papst
o kanonische Sendung durch den Papst: ist ein Zeichen der Verbundenheit
Gewohnheiten sind unterschiedlich; es gab Zeiten wo Bischöfe durch den
Kaiser ernannt wurden, manche gewählt, manche vom Papst ernannt – das ist
kanonische Sendung
die eigentliche Sendung geschieht durch die Weihe
Spannung: wenn die Ostkirche eine Kirche ist muss man sagen, keiner ihrer
Bischöfe hat eine kanonische Weihe
- 25) die Bischöfe sind Lehrer, die Gläubigen sind zum Gehorsam aufgefordert
o einzelne Bischöfe sind nicht unfehlbar, wenn sie aber als Mitglied des Episkopates
etwas lehren ist das kirchliche Lehre
- 26) Bischof ist Verwalter der Gnade des höchsten Priestertums
o Bischöfe sind Priester, also Verwalter des Sakramentes
o jede rechtmäßige Eucharistiefeier steht unter der Leitung der Bischöfe
- 27) Leitung
o diese Gewalt ist die eigene, ordentliche und unmittelbare Gewalt
o ihre sacra potestas ist die eigene (also nicht vom Papst delegierte; Bischöfe sind
keine Beamten des Papstes), es ist eine ordentliche und unmittelbare (direkt von
Christus übertragen)
o als Mitglieder des Episkopates sind sie Garanten für die Pluralität
dramatisch: wo der Konsens allzu schnell erreicht wird setzen sich die
Strukturen durch und nicht der Hl. Geist (Schwager)
Bischöfe sind durch ihre Weihe angehalten nach ihrem Gewissen zu handeln,
natürlich verbunden mit dem Papst
Dogmatik II
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wiederholen sie nur, was der Papst sagt, dann werden die Entscheidungen
zunehmend zu administrativen Entscheidungen
o der Bischof ist nicht Beamter iSv Weisungsgebundenheit; er ist Mensch, Christ,
Priester und Bischof, und als Bischof hat er seine Sendung unmittelbar vom Herrn
- 28) Weihesakrament in seinen Abstufungen
o Bischöfe, Priester und Diakone
o Priester sind zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den
Gläubigen und zum Gottesdienst geweiht; die Priester sind so etwas wie „kleine
Bischöfe“ vor Ort, sie verwirklichen bischöfliche Aufgaben vor Ort
bilden ein einheitliches Presbyterium mit dem Bischof (gleiches Denkmuster:
alle Bischöfe mit dem Bischof von Rom, alle Priester mit dem Ortsbischof)
sie heiligen und leiten den ihnen zugeteilten Anteil an der Herde des Herrn;
auch sie sind im Dienste der umfassenden Leitung: sie sollen die Einheit
herstellen, wobei Einheit nicht administrativ gemeint ist, sondern sie sollen
Brücken bauen
- 29) Diakone
o sind nicht zum Priestertum, sondern zum Dienst geweiht
o stehen in der Liturgie des Wortes und in der Liebestätigkeit der Gemeinschaft
Bild von Trient: vier niedere, drei höhere (Subdiakon – Diakon – Presbyter;
Bischof war keine Weihe)
Vatikanum II: ein Ordo mit drei Stufen: Diakon – Priester – Bischof
radikale Veränderung in der Struktur des Ordo
Trient: Hierarchie ist wie ein geordnetes Kriegsheer: Ostiar, Lektor, Akolyth,
Exorzist, Subdiakon, Diakon, Priester
Vatikanum II: hierarchische Ordnung aber sie ist etwas gesprengter:
Abstufungen des Weihedienstes, Bischof im Zentrum, der Priester als „kleiner
Bischof vor Ort“ und der Diakon zum Dienst
theoretisch ist der Diakon nicht nur Diakon um Priester zu werden, sondern
weil Diakonat auch in sich selbst eine vollendete Form ist, und die heißt „ad
ministerium“
diese dogmatische Nuance ermöglichte es in Ad Gentes 11 das ständige
Diakonat neu zu beleben, dass Menschen zu Diakonen geweiht werden, nicht
ad sacerdotium sondern ad ministerium
hätte man damals mutig die Idee verfolgt, dass alle karitativ tätigen Diakone
sind, würde das heutige Bild ganz aussehen; heute ist Caritas eine mächtige
Institution, die von vielen nicht mehr mit Kirche in Verbindung gebracht
wird, ja sogar in Spannung zu ihr gesehen
o Kirchenrecht wurde geändert, dieser Satz kam in das Kirchenrecht – ist das ein Weg
zum Diakonat der Frau?
5.4.5 viertes Kapitel: die Laien
- bis zu Vatikanum II war das kein Thema
- das einzige was es gab war Bonifaz VIII. (Unam Sanctam – Dogma verkündigt das nie eines
wurde, also muss nicht alles wirksam werden was gesagt wird; Clerici Laicos – sie sind
einander bitter Feind)
- nun gibt es ein ganzes Kapitel
- 30) Entschuldigung
o Konzil redet über Laien, also ein Thema, das nicht existent war
o Kleriker, Ordensleute und Laien (Ordensleute stehen dazwischen; es gibt solche die
Kleriker sind und solche die Laien sind)
- 31) Definition vom Laien
o alle Christgläubigen mit Ausnahme der Geweihten und des Ordensstandes
o die durch die Taufe Christus einverleibt, zum Volk Gottes gemacht, des
priesterlichen, königlichen und prophetischen Amtes teilhaft werden
Dogmatik II
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o Laien sind getaufte, gefirmte Christen, sie haben Anteil am dreifachen Amt
Christi; sie werden so beschrieben wie früher die Priester beschrieben wurden
o Wiederentdeckung des allgemeinen Priestertums (Verdrängung im Zusammenhang
mit Luther, am deutlichsten mit dem Begriff societas inaequalis, als die Beseelsorgten
mehr Objekte als Subjekte waren)
o die Grundvorstellung war da, die Kleriker kümmern sich um die Einheit, die Laien
leben in der Welt und kümmern sich um die weltlichen Dinge
lange gab es die sog. zwei-Stockwerke-Lehre: Stockwerk der Natur und das
Stockwerk der Gnade
Gnade sei einzig und allein auf der spirituellen Ebene anzusiedeln, hat
mit Sakramenten zu tun, das mit Sakristei, mit Kirche, mit Priester
Weltlich ist die tägliche Arbeit, Vergnügung, Sport, Geschäfte, … in
der klassischen Theologie unterschied sich ein durchschnittlicher
Bankdirektor der Nichtchrist ist von einem Christ nicht, denn vom
Christen wurde Anstand und Kirchenbesuch verlangt
Heiligung des Alltags bestand darin die Sakramente zu empfangen
vor dem Konzil viele ordensähnliche Initiativen, die das doch anders
verstanden haben
o was ist der Weltcharakter? Laien ist der Weltcharakter eigen, sie sollen in der
Welt die zeitlichen Dinge regeln; sie sollen im Ehe- und Familienleben das
Christentum leben
hier der erste dogmatische Ansatz um die beiden Stockwerke zu entfernen
man kann nicht sauber zwischen Sakristei und Beruf trennen
die einen haben als Kleriker eine klare Aufgabe in der Kirche, die anderen
eine klare Aufgabe in der Welt
dann hat die DBK entschieden, Theologie ist ein interessantes Studium, man
hat damals den Terminus „Laientheologe“ erfunden: man führte die
Pastoralassistenten ein, dann gab es Rivalität zwischen Priestern und den
Assistenten
die DBK begründeten den Pastoralassistenten besonders mit dem
Weltcharakter; da kam die Verwirrung 100 %ig, denn dieses Kapitel
hier spricht von einer Sendung der Laien, die nicht die Sendung der
Hierarchie ist
Pastoralassistenten als Notpfarrer und Platzhalter
o wir sind hier an jenen Kapitel in LG, wo kein Konsens da war
o es gibt Spannungen, zwei unterschiedliche Sendungen
- 32) gemeinsam die Würde aller Glieder
o Ausschluss der Diskriminierung unter Berufung auf Gal 3,28
o spannend auf dem Hintergrund der societas inaequalis von Vatikanum I (wurde ja
nicht beschlossen) – hier gegenteilige Aussage
o in der Kirche darf es keine Ungleichheit geben
hierarchisches Priestertum: LG 10; essentia non gradutantum – hierarchisches
Priestertum unterscheit sich dem Wesen und nicht dem Grade nach
nach Vatikanum II extreme Interpretationen: sowohl des Wesens als auch
dem Grade nach (Vorstellung des „Hochwürdens“ wird abgeschafft)
o unter allen waltet eine wahre Gleichheit
o der Unterschied schließt eine Verbundenheit ein: paulinisches Leibesbild, Vorstellung
der gemeinsamen Würde in der Taufe
essentia non gradutandum: alle haben dieselbe Würde, die Ordinierten werden
im Dienste der Einheit der Gemeinde der Gemeinde gegenübergestellt auf
derselben Ebene
- 33) Apostolat der Laien
o Apostolat ist Teilhabe an der Heilssendung der Kirche selbst
Pius XI. hat angesichts der entchristlichten Welt gesehen, dass die Priester
und Bischöfe es nicht schaffen
er gründete die Katholische Aktion, bis heute die wichtigste Laienbewegung
Dogmatik II
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die Begründung war, weil die Hierarchie es nicht vermag, alles zu leiten
die Laien werden zu cooperatio berufen, zu Mitarbeitung an der Hierarchie
zu Zeiten Pius XI. war es nicht möglich den Laien ihre Würde zu geben, die
Taufe befähigte zum passiven Gottesdienst, zum Empfang von Sakramenten
(Seelsorger und Beseelsorgte)
Lehre vom character sacramentalis: Taufsakrament verleiht dem
Menschen eine unauflösliche Eigenschaft: Menschen werden befähigt
das Wort Gottes zu hören und Sakramente zu empfangen, als Priester
zu verkündigen und Sakramente zu spenden
Katholische Aktion hatte immer einen geistlichen Assistenten
o Vatikanum II schreibt das nicht fort sondern bringt ein neues Modell zu Sprache
durch die theologische Festschreibung der Würde der Laien, haben sie Teil an
der Sendung der Kirche selbst, sie sind nicht als Laien Hilfsknaben der
Bischöfe, sie haben durch Taufe und Firmung ihre eigene Verantwortung
o im Alltag, im Beruf, wo die Anwesenheit der Hierarchie nicht gegeben ist, dort
können die Laien ihr Apostolat, nicht als Verlängerung der Hierarchie,
verwirklichen das ist die absolute Neuerung – theologische Hochschätzung des normalen
Christseins
o außer dem Apostolat gibt es andere Möglichkeiten; zwei verschiedene theologische
Zusammenhänge: unmittelbare Zusammenarbeit mit den Aufgaben der
Hierarchie im Anschluss daran wurde im deutschen Sprachraum der Pastoralassistent
geschaffen – Teilhabe an der Sendung („Assistent“)
o zwei verschiedene Begründungszusammenhänge, die immer wieder vermischt
werden
Rahner: wenn man schon Pastoralassistenten beruft, dann sind sie eigentlich
Kleriker; er ging eine Stufe weiter
er machte klar, was hier steht: diese Leute sind keine normalen Laien, sie
haben Anteil an der Sendung der Hierarchie
die DBK wollte die Konflikte drosseln und hat missverständlicheweise den
Weltcharakter in Erinnerung gerufen um die Predigterlaubnis
zurückzunehmen
- 34) priesterlicher Charakter der Laien
o Hingabe wird gelebt im Alltag: alles was zum menschlichen Leben gehört, Arbeit,
Gebet, Ehe, Familie, Leiden, … ist der Inbegriff dessen, was der priesterliche
Charakter des Laienstandes darstellt
o dieses Leben ist das Zeugnis, dazu haben sie die Kraft aus der Gnade der Taufe
Unterschied: mittelalterlicher Unterschied: Gnade und Sakrament sind das
zweite Stockwerk, dort können die Laien etwas empfangen
diese Unterscheidungen wurden fallengelassen
- 35) prophetischer Charakter
o Glaubenssinn: die Laien sind es, die durch den Glaubenssinn oft den rechtmäßigen
Glauben weitergetragen haben
o was die Laien leben, verkünden, ist Teilhabe am prophetischen Amt Christi
- 36) königliche Charakter
o Christus, der König, die königliche Freiheit; die Laien breiten das Reich der Wahrheit,
der Gerechtigkeit und der Wahrheit aus
o Gestaltung des täglichen Lebens nach den Maßstäben von Heiligkeit,
Gerechtigkeit und Friede; die Schöpfung soll in ihrer Hinordnung auf das Lob
Gottes betrachtet werden
dh Bewahrung der Schöpfung: wenn die Christen die Schöpfung in ihrer
Hinordnung auf das Lob Gottes anerkennen, können sie die Schöpfung nicht
ausbeuten
christliche Einstellung zur Schöpfung ist mehr als die Sorge um die
Bewahrung
Dogmatik II
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o die Brücke zu GS: aus der Taufgnade und dem sich daraus ergebenden königlichen
Amt ergibt sich ein Weltverhältnis, das der Norm der Gerechtigkeit unterstellt ist
o diese drei Punkte verdeutlichen, was die theologische Definition der Laien ist
- 37) Verhältnis Hierarchie-Laien
o Text nimmt einiges an Konflikten vorweg, die sich später ereigneten
o die Laien haben das Recht, Wort Gottes verkündet und Sakramente gespendet zu
bekommen
im Zuge der Diskussionen über die Neuorganisierung der Seelsorge wurde
viel vom Recht auf Sakramente gesprochen
Argument, niemand habe das „Recht“, denn Sakramente sind Gnadenakte; das
stimmt, trotzdem hat sich Vatikanum II hier weit vorgewagt wenn es heißt, es
gibt das Recht die geistlichen Güter der Kirche zu empfangen
dh, man kann es einklagen, dass die Kirche diese Güter vorenthält
o Recht auf geistliche Güter, aber auch Pflicht ihre Meinung zu sagen in Hinblick auf
Sachen, die das Wohl der Kirche betreffen
Pflicht, konstruktive Kritik zu üben
o beides stellt nicht in Frage, was als christlicher Gehorsam bezeichnet wird
o in diesen allgemeinen Formulierungen wurde jene Kultur vorweggenommen, die va in
der europäischen Welt bald zu einem Konflikt Hierarchie vs. Volk Gottes führte;
Laien fühlten sich von der Hierarchie verlassen, gerade im Hinblick auf die Frage
Seelsorge, Verkündigung, Sakramentenspendung
Kritik bis zu jenen Bewegungen, die in die Geschichte des 20. Jh. eingingen,
das Kirchenvolksbegehren, wo Strategien aus dem staatlichen Bereich
aufgenommen wurden und die damalige hierarchisch strukturierte Leitung der
Kirche ziemlich in Aufregung versetzt haben
bis heute leckt die Kirche noch an den Wunden, beide Seiten waren an den
Wunden irgendwo mitverantwortlich, weil das Ganze sehr hoch geschaukelt
wurde; Verweigerung des Gesprächs und auch Sprache, die hauptsächlich aus
der Öffentlichkeit übernommen wurde, die die geweihten Hirten verletzte
vieles gehört der Geschichte an, vieles blieb in Resignation stehen
o Hierarchie soll mündige Laien fördern, jene die qualifiziert sind, qualifizierte Kritik
zu üben
o die Welt unterschätzt die Gefahren der Gleichheit:
in einer strengen Hierarchie gibt es wenig Konflikte weil jeder weiß, auf
welcher Stufe er sitzt
mit der Betonung der gleichen Würde kommen die Konflikte
natürlich sind die Bereiche klar abgesteckt worden, die Rivalität aber wurde
in LG nicht voll mitgedacht und wie man damit umgeht
va mit jener Rivalität die sich dort einstellte, wo Laien hauptamtlich zu
seelsorglicher Mitverantwortung bestimmt wurden
- 38) fromme Nachbemerkung
o jeder Laie muss Zeuge der Auferstehung sein, also Apostel, deswegen auch dann
Sprache vom Laienapostolat
5.4.6 fünftes Kapitel: die allgemeine Berufung zur Heiligkeit in der Kirche
- auch die Vorordnung dieses Kapitels ist eine Wendung bzw. Veränderung
- über die Heiligkeit in der Kirche wurde traditionellerweise in der Verbindung mit besonderen
Berufungen geredet (Orden, Priester, Bischöfe)
- dieses Kapitel setzt beim Bekenntnis zur Hl. Kirche an
- 39) Bekenntnis zur Hl. Kirche
o die Kirche ist unzerstörbar heilig, weil der Hl. Geist dafür sorgt
o weil sie das ist, sind alle zur Heiligkeit berufen, und zwar iSv Lebensstil
es kann eine unheilige Frömmigkeit geben
- 40) Begründung für 39
Dogmatik II
- 55 -
o die Berufung zur Heiligkeit wird mit der Bergpredigt legitimiert; wurde im MA den
Ordensleuten vorbehalten – dem gegenüber Stand der Laien; die Bergpredigt
übersteigt die Kräfte einzelner Menschen
o die Vollkommenheit des Vaters zeigt sich zuerst in seiner grenzenlosen Toleranz,
in seiner grenzenlose Feindesliebe
o die Bergpredigt Jesu, und an diesem beißt man sich seit Anfang an die Zähne aus,
radikalisiert die Logik der Gebote
Jesus verschiebt die Dynamik des Handelns auf die Ebene des menschlichen
Begehrens
nicht die äußere Tat, sondern was im Herzen ist, zählt, aus welcher Gesinnung
der Mensch etwas tut
Jesus spitzt die Situation zu, wir machen immer die Erfahrung der
Katastrophe der Ethik (wir wollen das Gute tun aber das Böse)
wann würde das Reich Gottes einbrechen? Wenn die Menschen diese
Liebe bedingungslos angenommen hätten, wenn sie die Logik des
menschlichen Begehrens so unter Kontrolle hätten, wäre das Reich
Gottes da
wenn alle die Logik des Begehrens ablegen könnten
die auf den schwachen Menschen mit dem Finger zeigen, die sind
scheinheilig; die meisten großen Heiligen waren davon überzeugt, dass sie die
größten Sünder sind
o recht verstanden müssten es heißen, die Kirche ist der Ort, wo die Bergpredigt
geschätzt wird, als Lebensstil geschätzt wird
vielleicht ist das aktueller denn je, in einer Zeit wo menschliches Begehren
durch Werbung so grenzenlos entfesselt wurde wie je zuvor
es wird viel darauf ankommen ob es gelingt, den Neid den wir haben, in die
Hand zu bekommen
o Bergpredigt als eine tiefe Weisheit über die Logik des menschlichen Begehrens
o die Unterscheidung zwischen Stand der Gebote und Stand der Räte (MA) ist
aufgehoben o auf dem Hintergrund der Berufung zur Heiligkeit wird etwas über Spiritualität gesagt
- 41) Spiritualität
o hier wird über die Spiritualität des Amtes geredet
o zuerst ist es wichtig, dass sie ihr Amt qua Amt nach dem Muster des Vaters
ausüben, in Liebe zu Gott und dem Nächsten, dass sie wie Gott Verständnis,
Toleranz und Gnade ausstrahlen
o Amtsträger werden erinnert, wie sie ihr Amt ausüben sollen
o Eheleute, Witwen und Waisen
Eheleute sollen einander Stütze sein
der Text ist traditionell
o alle werden geheiligt, wenn sie alles aus der Hand des himmlischen Vaters
empfangen: das Bemühen um Heiligkeit ist Gnade, weil Christus die Kirche heiligt,
weil die Kirche unzerstörbar heiligt; wir sind durch Gnade befähigt überhaupt so zu
leben
alles ist Gnade, mehr noch, das Prinzip der Heiligkeit ist nicht Askese
- 42) Prinzip der Heiligkeit
o Gott ist die Liebe
o Berufung auf die Bergpredigt, die Heiligkeit hat mit Liebe zu tun; Vollendung der
Liebe ist Lebenshingabe (Martyrium)
o ferner durch die vielfältigen Räte
evangelische Räte sind gemeint
bis zum Vatikanum II unterschied man Stand der Gebote (gelten für alle) und
Stand der Räte (für einige)
sie sind Zeichen für etwas, das überall da ist
o bereits die Hervorhebung des Rates der Ehelosigkeit weist darauf hin, dass hier
eine Neuakzentuierung stattfindet
Dogmatik II
- 56 -
von allen Räten wird zuerst über das geredet
das Konzil von Trient unterschied klar zwischen der Jungfräulichkeit um des
Himmelsreiches Willen (= Ordensgelübde) und dem Gesetz des Zölibates
Zölibat kennt nur die Westkirche
Zölibat ist nicht der Rat der Ehelosigkeit um des Himmelreiches
Willen
das brachte mit sich jene katholische Kultur, die gesetzlich bis heute
weiter so funktioniert: das Zölibat klar definiert als der Sachverhalt,
dass ein lateinischer Kleriker nicht gültig heiraten kann; geht er eine
Ehe ein, wird er des Amtes suspendiert
die Schwierigkeiten, die die lateinischen Kleriker damit haben,
wurden auf vielfältigen Wegen bewältigt (Disziplin aber auch
Freundin und Kinder …)
o Vatikanum II verschiebt den Schwerpunkt indem Ordensgelübde und Zölibat
identifiziert wird; mit dem „oder“ wird es neu definiert
es ist ein Charisma: man hat es oder man hat es nicht; wenn man keines hat,
kann man kopfstehen, man wird es nicht bekommen
Paul VI. verstand die Spannung als plötzlich die Redeweise kam, Zölibat sei
ein Charisma und viele Kleriker diese Gnadengabe bei sich nicht fanden kam
eine Welle von Laisierungen, wie sie bis dahin unbekannt war
er laisierte tausende von Priester
irgendwann wurde es der Kurie zu viel; Johannes Paul II. litt darunter, auch
heute ist das Problem da, es ist ein sehr schmerzhaftes Problem
die Kirche laisiert nicht leichtfertig, man darf aber nicht übersehen, dass eine
Verschiebung stattfand, die selber Probleme gebiert
im Grunde weiß heute fast keiner was der Unterschied zwischen
Ordensmann und lateinischem Kleriker ist
die Begründung, warum der Zölibat notwendig sei, damit man
ungeteilten Herzens es besser machen kann
ist zwar biblisch korrekt, wird zu einer Keule, die zurückschlägt,
wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Hl. Kirche eine Ostkirche
kennt (die Unierte), wo die Priester verheiratet sind
selber Ordo wie die Lateinische Kirche, sie müssen auch ungeteilten
Herzens dienen, sind aber verheiratet
also stimmt die Argumentation nicht
es gab eine große Erwartung, der Zölibat als Pflichtzölibat würde fallen
ganz sauber wird nicht definiert, ob es Gelübde oder Gesetz ist
Vorschlag: wer das Charisma hat soll es leben, wer es nicht hat, soll nicht
gezwungen werden
im Konzil keine klare Entscheidung; man empfahl das Gebet um die
Gnade des Zölibates
sauber würde es sein wenn Gott jenen Menschen die Berufung zum
Priester gibt, wenn er ihnen auch die Gnade des Zölibates gibt
im Grunde ist es eine kleine Frage in der Ekklesiologie, hat aber einen
ungeheuren Stellenwert bekommen
die großen Fragen wurden unter der Last dessen ertränkt
diese Reform des Vatikanums II war eher ein trojanisches Pferd
o dogmatisch hängt es an dem „oder“
bis zum zweiten Vatikanum war der Zölibat anders definiert: Tatsache, dass
der Kleriker keine gültige Ehe eingehen kann
5.4.7 sechstes Kapitel: die Ordensleute
- auf dem Hintergrund der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit zeigt, dass es um Gnade und
Lebensvollzug, nicht um Askese und Disziplin gemeint ist
Dogmatik II
- 57 -
- 43) evangelische Räte
o evangelische Räte werden den Einzelnen geschenkt; sie werden privilegiert
beschenkt, dass sie für andere ein Zeichen sind; die Kirche ist in der Welt da um
Zeichen und Werkzeug zu sein, und in der Kirche gibt es bestimmte Menschen, die
aufgrund von Erwählung für Andere da sind
o es gibt Kleriker die dem Ordensstand angehören, die diese göttliche Gabe haben, und
es gibt Laien
- 44) Gelübde
o setzt den Erkenntnisprozess voraus, ob ich begnadet bin die evangelischen Räte zu
leben
o Ordensleute sind ein Zeichen für die Kirche, wie die Kirche ein Zeichen für die
Welt ist
o Sinn ist, die Ordensleuten sollen herausragende Personen sein, die ihre
Zeichenhaftigkeit für die Kirche ansteckend machen sollen
o man könnte von den Ordensleuten sagen, dass sie jene sind, die den Himmel auf
Erden gewissermaßen darstellen; sie sind anders, ja sie müssen anders sein
o sie sollen sich nicht der Logik der Welt angleichen, sie müssen was Christus erwirkte
in der Welt präsent haben
o Ordensstand ist nicht Teil der hierarchischen Kirche, gehört aber zum Leben und
der Heiligkeit dazu
- 45) Hierarchie und Orden
o soll die Orden weise lenken durch ihre Gesetze
- 46) an die Ordensleute selbst
o sie sollen darauf achten, dass die das, was sie sichtbar machen sollen, auch wirklich
sichtbar machen
o was Erneuerung des Ordenslebens ist, ist hier grundgelegt; man muss sich immer
wieder fragen, ob man der Berufung treu geblieben ist und ob in der Welt durch das
Dasein das sichtbar wird, was sichtbar sein soll
o Orden sind ein Teil der kirchlichen Kulturen
o wenn Orden Zeichen sein sollen, müssen die Zeichen aus lesbar sein
o sie sollen darauf achten, Ordensleute nicht als Individualpersonen zu sehen, sondern
die Orden qua Orden sollen auf die Zeichenhaftigkeit achten
o auch wenn die Rede vom Verzicht da ist, ist der Verzicht keine Beschneidung des
Menschen, sondern vielmehr Umschichtung, soll die Entwicklung der Person
fördern
o die meisten großen Orden haben auf diesen Punkt hin den Weg einer Erneuerung
eingeschlagen
viel von dem, was speziell für einzelne Gemeinschaften da war, ging verloren
5.4.8 siebtes Kapitel: der endzeitliche Charakter der pilgernden Kirche und ihre Einheit mit der himmlischen Kirche
- die Vorbereitungstexte wurden verworfen, weil sie dem Geist des ersten Vatikanums
entsprachen (societas perfecta)
- es geht hier um Geschichtlichkeit
- 48) Vollendung der Kirche
o perfecta wird die ecclesia erst im Himmel
o jetzt ist sie mitten drin in der Geschichte als Teil der Veränderung
o das Ende der Zeiten ist schon gekommen und die Erneuerung ist
vorausgenommen o die Kirche wird im Himmel vollendet; die Vollendung ist zwar vorweggenommen,
aber bis es soweit ist, trägt die Kirche alles was bis dahin geschieht
Hl. Messe im Himmel? Nein! Im Himmel sind keine Zeichen mehr
notwendig, weil wir Gott sehen, weil wir Christus leibhaftig sehen
Dogmatik II
- 58 -
o alles was Kirche ist gehört zur Weltzeit; es gibt Sterben, Veränderung
o der endzeitliche Charakter der Kirche heißt, strenggenommen alles was zur Welt
gehört ist korrigierbar und erneuerbar; wir sollen nicht ängstlich sein
o wir pilgern eben
- 49) Grenzen der ekklesiologischen Vorstellungskraft
o die einen pilgern (pilgernde Kirche), die einen werden gereinigt (leidende Kirche im
Fegefeuer), die anderen sind verherrlicht (die die schon im Himmel sind)
o Kirche ist kein Verein, sondern die Gemeinschaft vom Menschen, die von Gott in
seine Gemeinschaft integriert werden, eine Gemeinschaft, die die Grenze von Zeit
und Raum übersteigt; dazu gehören die Heiligen im Himmel, jene die auf die
Vollendung warten
die Grenzen des Todes sind durchlöchert, nicht spiritistisch, wir sind durch
Christus verbunden
wir, die wir pilgern, können für die Verstorbenen beten, ihnen Gutes tun
die Vollendeten können uns Gutes tun
„katholisch“ heißt, Gott will nicht Menschen einzeln retten, sondern sie zu
einer Gemeinschaft machen
die Einheit der Kirche (pilgernd, gereinigt, vollendet) ist alles zusammen
- 50)
o es gehört zum kirchlichen Vollzug, für Verstorbene zu beten; in jeder Eucharistie wird
für alle Verstorbenen gebetet; sie werden im Gedächtnis der Kirche bewahrt
o nicht um des Beispiels willen gedenken wir, sondern um der Einheit willen
o die Eucharistie ist Höhepunkt der Kirche und Zentrum kirchlichen Lebens, alle sind
anwesend, die Verstorbenen, die Vollendeten und die Pilgernden
5.4.9 achtes Kapitel: die selige jungfräuliche Gottesmutter Maria im Geheimnis Christi und der Kirche
- Maria ist keine Miterlöserin
- keine marianische Konstitution, das Thema Maria wird der Konstitution über die Kirche
angehängt und das heißt, die Kirche kann in Maria etwas über sich selbst ablesen:
o was die Kirche ist (sie verdankt sich der Gnade Gottes), Maria ist die socia Christi,
wie auch die Kirche und Maria ist mit Leib und Seele im Himmel vollendet, und so
wird auch die Kirche in der leiblichen Wirklichkeit vollendet werden
- an Maria kann man erkennen, was die sündenfreie und vollendete Kirche ist
- Maria wird zum Urtypus der Kirche
- 53) wahre Mutter Gottes
o sie ist vorauserlöst, vom ersten Augenblick der Empfängnis von der Sünde bewahrt,
in Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes
o es ist eine Gnadenexistenz
o sie ist Glied und Typus und Urbild der Kirche
o in Maria wird die Kirchlichkeit verdichtet
- 56) Wiederholungen o sie ist herausgenommen aus dem Teufelskreis der Sünde
o Maria ist kein Werkzeug das unabhängig von ihrem Willen benutzt wurde – Gott
wirkt mit den Menschen, er erwählt sie im Modus ihrer Zustimmung; mit ihrem
Glauben und ihrem Gehorsam
ist va im christologischen Kontext relevant: er hat auch Christus nicht als
Werkzeug benutzt
- 57) jungfräuliche Empfängnis Christi
- 59) leibliche Aufnahme in den Himmel
o von der Erbsünde bewahrt mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen
- 61) Gefährtin Christi
o sie ist socia Christi, sie geht mit, als Vorbild für uns
- 62) ihre Rolle in der Heilsgeschichte
Dogmatik II
- 59 -
o Fürsprecherin, Helferin
- 63)
- 65) die Kirche ist schon zur Vollkommenheit gelangt
o wann wird die Kirche sündenfrei? – Eben wenn sie zur Vollkommenheit gelangt, im
Himmel
- 66) Kult der Anbetung
o Maria ist keine Göttin, sie wird verehrt, nicht angebetet
o sie hat einen einzigartigen Status
o Formen der Verehrung
- 68) wir können an Maria unseren konkreten Vollendungsstatus ablesen
6 Der Heilige Geist und die Kirche
6.1 Pfingsten und die Frage nach der Öffentlichkeit - im fünften Akt sind alle Akte gegenwärtig, die bedingungslose Annahme des Sünders
durch Gott, die Verweigerung und die Transformation dieser Verweigerung, der Geist der in
der Kirche wirkt
- Problematik der Öffentlichkeit: das Geheimnis von Pfingsten ist, die verstörten Jünger
treten in die Öffentlichkeit und werden zu Zeugen
o im Hinblick auf die Ekklesiologie: in der geschichtlichen Dimension der Kirche
o die große Bellarmin’sche Definition: antireformatorisches Kirchenbild
o dann Versuch des 2. Vatikanums die Grenzen durchlässig zu machen; Grenzen
markieren zwar Unterschiede, sind aber nicht zur Ausgrenzung da
o Ausschlussmechanismen, die va in der Moderne durch den Geist der Anschuldigung
verstärkt werden
o unsere Gegenwart kann salopp so definiert werden: Entfesselung des menschlichen
Begehrens auf Teufel komm raus
o Kanalisierung der Frustration durch Verlagerung der Aggression auf Dritte – wir
haben eine Anschuldigungskultur, die Medien brauchen ständig neue Sündenböcke,
die oft auch dämonisiert werden
o der satanische Geist, der Geist des Schnüffelns, der Anklage, der Beschuldigung; der
Geist der Anschuldigung ist etwas, das die Menschen zusammenführt
Qualifizierung des satanischen Geistes
o Mechanismus der Entfesselung des Begehrens und Jagd auf Sündenböcke prägt die
Öffentlichkeit
- was ist nun die kirchliche Öffentlichkeit?
o Paraklet ist der Anwalt, Anwalt der Opfer
o weil er Anwalt der Opfer ist, ist er der Geist der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des
Friedens
o in den letzten Jahren ist es der Kirche kaum überzeugend gelungen, eine Alternative
darzustellen; entweder schließt man sich der medialen Jagd an oder man verschleiert –
das sind aber keine Mechanismen die vom Geist her kommen
o das ist ein wunder Punkt in der kirchlichen Gegenwart
o die Öffentlichkeit kann nie genug an Skandalen haben
6.2 Sendung des Geistes - der Geist ist gesendet worden als Vollmacht und Fähigkeit Sünden zu vergeben;
Bereitschaft Schuld zu erkennen und einzugestehen weil sie vergeben wird
- diese Schuldvergebung die in Jesus Wirklichkeit wurde va an der Person Petrus, denn er ist
der, der am tiefsten fällt, der Jesus verleugnet und es nicht wahrhaben will, dass er das
getan hat
o Jesus schaute Petrus mit einem vergebenden Blick an
Dogmatik II
- 60 -
- das christliche Geheimnis der Verwandlung wird va in der Eucharistie greifbar
- es geht nicht um Anschuldigung, sondern um klare Erkenntnis, dass mir die Schuld
vergeben wird, wodurch ich zur Schuld stehen kann
- Versöhnung ist nur möglich, wenn Schuld im Voraus vergeben wird
- Kirche ereignet sich, wo Schuld erkannt, vergeben und im Leben integriert wird – Kirche als
Anti-Sündenbock-Gemeinschaft
6.3 die Heiligkeit der Kirche - sie ist nicht heilig iSd Scheinheiligkeit, nicht in einem moralisierenden Sinne, sondern sie
ist heilig, weil der Geist sie heiligt
o ist auf dem realen Hintergrund zu betrachten, dass ethische Systeme immer
scheitern (Scheitern der Propheten)
o prophetische Ethik ist sehr hoch, sie hatten aber keinen Erfolg sondern wurden zu
Opfern ihrer Zeitgenossen
o im 20. Jh. versagt das ethische Denken; heute werden die Kirchen beschuldigt, aber
das 20. Jh. ist vielmehr das nationale Denken
o es gibt Menschen die sagen, dass der Weg zur Hölle mit den besten Vorsätzen
gepflastert ist
- die Kirche versagt auch: schon in der Bibel wird über die Jüngergemeinde vom ersten
Augenblick etwas anderes ausgesagt als in LG von Maria:
o sie ist von Anfang an durch Lug und Trug gekennzeichnet
o in Joh 8 sagt Jesus zu denen die an ihn glauben, dass sie ihn töten wollen; der Teufel
als der Mörder von Anbeginn;
antisemitischer Text? Mt 16,23: Jesus sagt zum Fels: „Weg von mir, Satan.
Geh mir aus den Augen.“
Unglaube, Sünde, satanischer Geist, den gibt es in der Jüngergemeinde von
Anbeginn an
Streitigkeiten der Urgemeinde; es steht zwar sie wären ein Herz und eine
Seele, aber im nächsten Kapitel schon fallen zwei tot zu Boden
hier geht es nicht um moralisierendes Verurteilen, sondenr um die
Entdeckung der Dynamik des Umganges der Menschen mit Versagen
wer versagt und es sich nicht eingesteht muss das Versagen auf andere
abwälzen und wird zum Gewalttäter
christlich ist anders: man muss sich nicht immer selber beschuldigen
(frommer Masochismus, Selbstkasteiung); christlicher Umgang mit Schuld ist
der, dass ich die Schuld wahrnehme; ich kann die Sünde erkennen, weil der
Hl. Geist mir hilft, die Sünde zu erkennen; er deckt die Sünde auf
- der Hl. Geist deckt die Sünde auf:
o Sünde heißt nicht automatisch, dass irgendwelche Gesetze übertreten werden; man
kann alle Gebote befolgen und am laufenden Band sündigen: verhärtete Moralisten,
frohen Hochmut
o man kann auch Gebote übertreten und trotzdem den Weg der Heiligkeit gehen, zB
Franz Jägerstätter, der gerade wegen seiner Verweigerung selig ist
o man ist erst ein guter Theologe wenn man erkannt hat, dass es der Hl. Geist ist, der
hilft, die Sünde zu erkennen
o ich muss den Menschen im Voraus die Sünde vergeben damit er fähig wird
einzugestehen, dass er gesündigt hat
o diese Art des Umgangs mit der Schuld hat in den letzten Jahren der christlichen
Spiritualität nicht funktioniert
die Menschen haben aufgehört zu beichten, sind zu Psychiatern und
Therapeuten gelaufen, wo viel erklärt wird
aber was passiert bei Erklärungen? – Schuld wird weitergeschoben
wo wird die Schuld noch vergeben? – das macht Not!
o eine Erneuerung des Glaubens ist sicher wichtig
Dogmatik II
- 61 -
- der Geist befähigt uns zu Gelassenheit und Toleranz: wenn ich meine Sünde akzeptiere,
kann ich auch andere – Schwache – akzeptieren
o vielleicht ist der unbarmherzige Umgang der Kirche mit Außenseitern dadurch
produziert, dass die Entscheidungsträger zu verhärtet sind
o Folge davon: die Christen dürfen versagen; wenn Menschen heuten sagen, dass
ihnen die Ethik reicht, dürfen die nicht versagen, denn in dem Moment wo sie
versagt haben, haben sie ausdrücklich gegen ihr Lebensprogramm gehandelt; ein
nur „moralisch guter Mensch“ darf nicht versagen oder muss es verschleiern
Christen aber dürfen versagen o wenn Menschen heute etwas an der Kirche aussetzen ist es die Scheinheiligkeit: wir
sind aber keine moralischen Titanen und im Guten verhärteten Religionsvertreter
o wir sind Menschen, die versagen dürfen, weil wir uns des Anwalts, des Parakleten,
bewusst sind
o ein Christ ist gerade deshalb Christ, weil er auf einen anderen hofft, und deshalb ist er
gelassener
- und weil wir versagen dürfen können wir Versöhnung stiften
o wir können bei anderen Menschen jene Anknüpfungspunkte finden, die eine Brücke
bilden
o wenn mir vergeben wurde, kann auch ich vergeben
- der Christ wird sich selber niemals zum Skandal; der Satz „du kennst mich besser als
ich mich kenne“ ist nicht mit einem ständigen öffentlichen Anklagen zu vergleichen
o Gott kennt mich innerlicher, er weiß wie ich bin, auch in meiner Selbstverlogenheit
o ich kann dadurch auch in meiner Selbstverlogenheit zu mir stehen
- wenn wir von der „heiligen“ Kirche sprechen, muss man immer mitdenken, dass es der
Hl. Geist ist, der die Kirche heiligt, indem er die Logik des Skandals durchbricht
7 und die vom Geist geschaffenen Strukturen
7.1 der unmoderne Katholizismus – ekklesiales Drama - die Kirche wurde zu einem Stolperstein in der modernen Welt
- 1) Gott will die Menschen nicht einzeln retten, sondern sie zu einer Gemeinschaft
sammeln (LG 9); weil Gott eine Beziehung ist, kann er Menschen retten;
o „unmoderner“ geht es kaum
o „menschenfeindlicher“ in den Augen jener, die eine individualistische Religion
vertreten geht es auch nicht
o den Individualismus als Tugend zu preisen ist eine Sackgasse; die Einsamkeit wird
eines der größten Probleme der Jetztzeit
o die traditionellen „Witwen und Waisen“ sind heute zur Regel geworden
- 2) in jeder Gemeinde, ist die von Gott gesammelte Gemeinde gegenwärtig (LG 26)
o die Welt ist kein Konzern, die Gemeinden bereichern sich gegenseitig
o Einheit ist nicht eine abstrakte Einheit, sondern eine Einheit der ganz konkreten
Gemeinde
- 3) ganz konkrete Menschen werden mit ihrer gesamten Lebensgeschichte in Beschlag
genommen
o die Gnade dessen, was wir Berufung nennen verbunden mit dem, was das kirchliche
Amt ist
o konkrete Menschen werden mit ihrer ganzen Existenz in den Dienst der Kirchlichkeit
gestellt; sie stehen für die Kontinuität
o Kirche ist kein Verein; sie lebt in einer vertragsdominierten Welt; die kirchliche
Sozialisierung, die beim ordinierten Amt greifbar ist: die Person wird qua Person
angenommen
o wer ist stärker? Die moderne Zeit mit ihren Lebensabschnittspartnern? Mit ihren
sieben Nebenjobs? Die „Lebensabschnittsideologie“?
Dogmatik II
- 62 -
aber was bedeutet das in einigen Jahren? Wenn wir die Spätfolgen entdecken
und die Kosten tragen müssen?
in dieser Welt ist der Katholizismus mit seinem Festhalten (einmal geweiht
immer geweiht, einmal verheiratet immer verheiratet) gegenwärtig
hier liegt ein anderes Kulturmodell vor, das in der Moderne zum Stolpern kam
Was sich seit 50 Jahren entwickelt hat, und dann doch jahrhundertelange
Tradition – ein Urteil ist schwer, es sind jedenfalls nicht ganz vereinbare
Modelle
- 4) Zeugnis für diese ekklesiale Logik kann nur durch die eigene Überzeugung geschehen
o DH ist ein fundamentales Werk des zweiten Vatikanums; alles was zum Thema
katholische Logik zu sagen ist, setzt voraus, dass es nicht mit Gewalt aufgebürdet oder
verlangt wird
o Gott zwingt nicht; er wirbt vielmehr, er ruft, er respektiert die Freiheit des Gewissens
7.2 Was also heute tun? Ist der Dogmatiker die richtige Adresse?
7.2.1 der entscheidende erste Schritt
- ist banal die Stärkung der Gemeinde
o Gott will ja Menschen zu einer Gemeinschaft versammeln, deshalb ist die Gemeinde
das erstrangige Subjekt der Seelsorge
o muss das die traditionelle Pfarre sein? Nein, trotzdem gibt es in Tirol noch viele
traditionelle Pfarren, und in diesen oft kleinen Gemeinden gibt es genug an
Erfahrungen;
o Pfarren stellen einen Erfahrungszusammenhang, dort wo sie noch existieren
o die ganzen Zusammenlegungen der Gemeinden sind oft zerstörerisch für diese
Erfahrungen und für den Zusammenhang
o die Vergrößerung des Raumes vergrößert die Distanz; durch mechanische
Pfarrbesetzung können die Reste einer lebendigen Pfarre aufgelöst werden
o zu entdecken was es bedeutet, dass man zusammengehört, ist sehr wichtig
- ekklesiologisch formuliert:
o wir alle leben unser Priestersein in der Lebenshingabe, in der Arbeit und in der
Freizeit
o eine Entgiftung tut Not
- Frage nach dem Amt aus den verhängnisvollen Klischees der letzten 25 Jahre
o wir verdrängen radikal, dass in einer Gesellschaft der Ungleichen die Rivalität
eigentlich weg ist, sie wird durch die hierarchischen Unterschiede gebremst
o man soll sich bewusst sein, dass eine Gesellschaft von Gleichen das Riesenproblem
der Rivalität hat
o das entfesselte Begehren in einer Gesellschaft von Gleichen ist nur auf den ersten
Blick unproblematisch
o die entscheidende Frage des 21. Jh. wird sein: Wie will die Moderne ihr Experiment
mit der Globalisierung der Eifersucht wieder unter Kontrolle bringen?
o die Kirche hat hier Schritt gehalten und Vatikanum II hat mit dem dreifachen Amt
Christi den unmittelbaren Zugang für jeden geöffnet
o die Entdeckung der Wahrheit, dass wir alle dieselbe Würde haben, vergrößert die
Spannungen
- es war ein Zeichen des Hl. Geistes notwendig: Vertiefung der Amtstheologie
o Amtsträger sind Brückebauer, Beziehungsstifter, aber auch Entscheidungsträger
o das Amt losgelöst von Gemeinde in Hinblick auf seine Vollmacht:
der Ursprung der Gewalt von Amtsträgern liegt nicht in der Wahl oder
Ernennung (in der Demokratie), sondern in der Erwählung durch den Herrn
und ist somit unantastbar
- Hierarchie contra Volk Gottes
o schmerzvolle Erfahrung der Konkurrenz
Dogmatik II
- 63 -
o die Perspektive, in die wir durch die mediale Öffentlichkeit gestürzt werden lautet, es
gehe hier um geschlossene Fronten (verbohrte Hierarchie und mündige Laien)
Exkurs: verhängnisvolle Rivalität
- Konzil hat eine bestimmte Notlage ins Auge gefasst: die Laien können – soweit ihnen
möglich – an die Stelle von Priestern treten das wurde leider zu einer mimetischen
Rivalität ausgeweitet
o es gab seit 30 Jahren den Status eines vertraglich gebundenen Amtsträgers: den
Pastoralassistent; er bekommt einen klar definierten Leistungsvertrag und kann sein
Leben danach richten
o diese Lebensform eines kirchlichen Mitarbeiters, der in der Seelsorge arbeitet, wurde
in kürzester Zeit zum begehrten mimetischen Objekt der Priester
o heute findet man die Spuren dieses Begehrens dort, wo sich der Lebensstil im
Pfarrhaus nach den Öffnungszeiten des Pfarrbüros richtet
- was ist das geweihte Amt? – Inanspruchnahme der ganzen Person, man ist immer Pfarrer;
Amt und Person sind auf Gedeih und Verderben miteinander verbunden (früher nannte man
das Hingabe, heute wird es „scheinheilige Rechtfertigung von Privilegien“ genannt)
- umgekehrt ist der Ordinierte Objekt des Neides für die Laien
o im mimetischen Kontext wahrgenommen, erscheint die Ordination nur noch im
Kontext von Rechten und Privilegien, nicht aber im Kontext von Bindung und
Verpflichtung
- Ergebnis: Pfarrer und Pastoralassistenten definieren sich mehr über Leistungsverträge
- es braucht Menschen, die durch ihr Zeugnis das Glaubensleben der Gemeinde revitalisieren
7.2.2 der zweite Schritt
- weil Konflikte von Gleichen die Regel sind, braucht es das ordinierte Amt
- Kirche ereignet sich gerade dort, wo verschiedene Ämter in ein Verhältnis zueinander
gesetzt werden
o dann, wenn Christen sich in den Dienst des Amtes stellen
o Förderung der Schwachen, Schwächung der Starken, Zurücknahme seiner Selbst
- die Kirche ereignet sich also dort, wo die Amtsträger nicht für die Eucharistie geweiht werden,
sondern die umfassend wahrgenommene Funktion der Gemeindeleitung setzt die Weihe
voraus
- verschiedene Diözesen versuchen verschiedene Modelle
7.2.3 der dritte Schritt
- Gedanke des Anteilhabens am Amt
o wird an verschiedene Personen aufgeteilt: Priester und Diakone
o Kirche kennt auch Delegation von Amtsvollmacht ohne Ordination (zB
Generalvikar, Apostolischer Administrator)
o überall mühen sich alle an can. 517 § 2 CIC ab: in jeder Gemeinde vor Ort können
Menschen mit der Grundfunktion des Einheitsdienstes beauftragt werden
- der Pastoralassistent brachte viele Probleme mit sich – konfliktstiftend
o dogmatisch: Vatikanum II sagte, dass die Laien, die in der Kirche arbeiten,
verschiedene Aufgaben und Ämter in den Gemeinden übernehmen können
o das ist jene Tätigkeit, die aufgrund von Taufe und Firmung erfolgt
o diese Nichtordinierten aber doch Leitenden müssten beauftragt werden, auch mit
Bezug des Pfarrhauses; sie müssten vom sakramentalen Ordo her begriffen werden,
und das nicht der Fall
o das sind defiziente Formen des geweihten Amtes
o Ad gentes 16: die Praxis schafft einen Sachverhalt: weil sie sich bewährt haben darf
man ihnen die Gnade der Weihe nicht vorenthalten
Dogmatik II
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7.2.4 Verdunkelung der Einheit der Kirche?
- wie jede Gemeinde Kirche ist, ist es auch jede Eucharistiefeier
- die Eucharistie wird in vielen Gemeinden zum Schauplatz von Rivalität zwischen Laien und
Klerikern
o Laien werden oft nicht sichtbar
- alle Amts- und Funktionsträger müssten in der Eucharistie sichtbar werden
- nur eine Gemeinde die die Eucharistie feiert, wird den Vorsteher nicht als Bedrohung ansehen
- der Dogmatiker entlastet, und zwar durch den Hinweis darauf, wie viel in der
Kirchengeschichte in dieser Hinsicht reformiert wurde
8 eschatologischer Charakter der Kirche - Kirche ist Einrichtung dieser Welt
- ist in der Liturgie präsent
- Zukunft der Kirche ist die Gemeinschaft die Gott will, also der Himmel
o begnadete Menschheit, wenn Gott uns verwandelt