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Weiterbildung „ Kinderwelten-eine Welt der Vielfalt“ Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in der Kinder-Tagespflege Braunschweig / 06.02.2010 1 KINDERWELTEN „Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in der Kindertagespflege in Kooperation mit Kindertagesstätten“ 2008 - 2010 Dokumentation „Ausgrenzung erkennen – Praxis gestalten06.02.2010 Moderatorinnen: Anita Kolb, Birgit Merkel Eine Fortbildung des Trägerverbunds: gefördert durch:

Dokumentation „Die Vielfalt von Erwartungen, die mich umgibt“ Ausgrenzung... · Die Einschätzung von Menschen die einem begegnen und die damit verbundenen Zuordnung ob wahr oder

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Weiterbildung „ Kinderwelten-eine Welt der Vielfalt“ Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in der Kinder-Tagespflege Braunschweig / 06.02.2010

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KINDERWELTEN

„Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in der Kindertagespflege in Kooperation mit Kindertagesstätten“

2008 - 2010

Dokumentation „Ausgrenzung erkennen – Praxis gestalten“

06.02.2010

Moderatorinnen: Anita Kolb, Birgit Merkel

Eine Fortbildung des Trägerverbunds: gefördert durch:

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Ausgrenzung erkennen – Praxis gestalten

1. Lügenspiel

Wir finden uns in zweier – Gruppen zusammen. Im Gespräch suchen wir nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden in unseren Interessen und Neigungen.

Die Aufgabe besteht nun darin den anderen Teilnehmern zwei Gemeinsamkeiten und einen signifikanten Unterschied als drei Gemeinsamkeiten zu präsentieren.

So präsentiert sich jede Gruppe. Wenn alle Gruppen ihre Gemeinsamkeiten vorgetragen haben, wird ausgewertet. Die Teilnehmerinnen müssen von den jeweils anderen Gruppen erraten, welche der genannten Gemeinsamkeiten eine Lüge ist.

Die Gruppe, deren „Lügenmärchen“ am wenigsten enttarnt wurde, hat gewonnen. Diskussionsergebnisse zur Übung:

Die Einschätzung von Menschen die einem begegnen und die damit verbundenen Zuordnung ob wahr oder unwahr, wird beeinflusst von der eigenen Erfahrungswelt im Umgang der Menschen, die einem im Laufe begegnet sind. Negative und positive Erfahrungen spielen dabei eine große Rolle ein. Ferner werden Äußerlichkeiten, Mimik, Gestik, Kleidung von großer Bedeutung. Weitere Faktoren die in der Bewertung und Zuschreibung eine Rolle spielen ist der Klang der Sprache und das Hintergrundwissen über die Person, die einem begegnet. Wichtig ist, dass ein Bewusstsein über Vorgänge Zuschreibungen entwickelt wird.

2. Übung Etikettierung

Vorurteile, Stereotypisierungen und Stigmatisierungen sind an Mechanismen der Vereinfachung und Verzerrung geknüpft: Bestimmte Aspekte des Aussehens oder des Verhaltens von Menschen werden hervorgehoben und dienen zur Beurteilung oder Verurteilung der ganzen Person. Das heißt, es werden Ausschnitte einer Person wahrgenommen, auf die sie reduziert wird.

Brisant werden solche Etikettierungen in Machtverhältnissen. Im pädagogischen Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern hängt zum Beispiel häufig davon ab, wie ein Kind von Tagespflegepersonen oder anderen pädagogischen Fachkräften beurteilt wird, ob es in seinen Lernprozessen unterstützt und bestärkt oder begrenzt und entmutigt wird. Negative Etikettierungen können das Selbstbild von Kindern beschädigen.

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2.1 Bildbetrachtung: Comic „So sehe ich meine Kinder“ Etikett: Ein Etikett bezieht sich auf ein bestimmtes Verhalten oder Aussehen das bewertet und verallgemeinert wird. Solche Bewertungen sind nicht zufällig, sondern sie entsprechen gewissen Stereotypen, zum Beispiel den Geschlechterrollen: Zu einem Mädchen würde kaum jemand „Raufbold“ sagen, zu einem Jungen sagt selten jemand „Nervensäge“.

1. Was geschieht hier? 2. Was kennzeichnet ein Etikett? 3. Wie wirkt sich Etikettierung aus?

Diskussionsergebnisse:

Kinder mit ähnlichen Verhaltensmustern werden auch in den Tagespflegestellen erlebt. Dort werden auch Kinder unbewusst mit entsprechenden Etiketten belegt.

Besonders hervorgehoben wurde in der Diskussion, das Beispiel „aber Susi, ist lieb“ In der damit verbundenen Diskussion, wurde herausgearbeitet, was bedeutet diese Aussage für das Kind. Ist es etwa angepasst, pflegeleicht, unauffällig und benötigt es deshalb die besondere Aufmerksam von Tagesmüttern oder Erzieherinnen ?

Durch die Vergabe von Etiketten, werden Menschen auf nur ein Merkmal reduziert. Ihre weiteren Stärken und Ressourcen sind ausgeblendet.

Merkmalreduzierung nur auf das Geschlecht von Jungen oder Mädchen greift in der Wahrnehmung von Kompetenzen und Fähigkeiten ebenfalls zu kurz, da individuelle Kompetenzen und Ressourcen nicht erfasst werden.

Fazit: Jedes Etikett hat zwei Seiten. Um Kindern und anderen Mitmenschen gerecht werden zu können, ist es notwendig, auch einen zweiten Blick zu wagen.

Auf dieser Grundlage, erfolgte die weitere Übung- zum Thema Etikett.

Die Teilnehmerinnen reflektieren auf einem Arbeitsblatt, welche Etikettierungen sie in ihrer Arbeit verwenden und erarbeiten gemeinsam im Plenum den zweiten Blick: Hinter jedem Etikett steckt eine Ressource.

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2.2 Gruppendiskussion: Hinter jedem Etikett steckt eine Ressource

Wir sind uns bewusst, dass Etikettierungen zu Einseitigkeiten führen. In der Gruppe sammeln wir, welche Etikettierungen wir ab und an im pädagogischen Alltag gebrauchen und reflektieren auf die dahinter stehende gesellschaftliche Norm und schauen auf die hinter dem Etikett verborgenen Ressourcen des Kindes. Etikett Gesellschaftliche Norm

(„man“ ist…..) Situation Sprichwort Ressource

faul Fleißig, schnell, pünktlich, mehr tun als erwartet, vorausschauend, flink

Schularbeiten, Arbeiten, Aufgaben erledigen

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Gelassenheit, Genuss, nutzt seine Energie ökonomisch, Selbstbezogenheit, Ruhe, Entschleunigung

Besserwisser Wissen für sich behalten, angepasst sein, klug

Schule, Familie, Gesprächskreis, Freundschaften

Der Klügere gibt nach. Gute Allgemeinbildung, Merkfähigkeit, kann Wissen verknüpfen, Interessenvielfalt, Neugier, die Umwelt bewusst wahrnehmen

laut Angepasst, leise, rücksichtsvoll, aufmerksam

Bus, in der Gruppe, Familie und Schule, Kita, Kino

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Durchsetzungsvermögen, Aufmerksamkeit, einfordern können, Selbstbewusstsein, nicht ängstlich

Polizistin Ordnung, Anstand, Sitte, Regeln einhalten, Kontrolle

Beim Spielen, beim Streiten, Aushandlungsprozesse, Diskussion von Regeln, Wer hat Recht?

Wer anderen eine Grube gräbt fällt selbst hinein.

Führung, richtig & falsch, Überblick, Überzeugungskraft, Vertrauen erweckend, Richtung weisend

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Etikett Gesellschaftliche Norm („man“ ist….)

Situation Sprichwort Ressource

frech Höflich, rücksichtsvoll, angepasst, zuvorkommend, sich nicht in den Vordergrund rücken

Widerspruch, Schlange stehen, Vordrängeln, Respektlosigkeit, ärgern, Aufmerksamkeit einfordern

Everybody`s darling is everybody`s depp. Höflichkeit ist eine Zier, doch weiter kommst Du ohne ihr.

Erfolgreich, kreativ, witzig, kann sich durchsetzen, selbstbewusst, Führung

meckern Sich zufrieden geben, dankbar, demütig sein, unterordnen, akzeptieren

Schule, Arbeitsplatz, Familie, Essen, Ordnung herstellen

Es wird gegessen was auf den Tisch kommt. Das Haar in der Suppe.

Kritisch sein, aufmerksam sein, bewusst sein

Prinzesschen …sich nicht für etwas zu fein, nimmt auch mal was in Kauf, kann auch mal einstecken

Fasching, Familie, Gruppe, „Bestimmerin“ sein, beleidigt sein

Prinzessin auf der Erbse Ästhetik, achtet auf sich, Wohlbefinden, Sauberkeit, Stil, Selbstsicherheit

pingelig Großzügig und gelassen, man kann auch mal ein Auge zudrücken

Arbeit, Essen, Aufgaben erledigen, Basteln, Abfolge von Handlungen

Ordnung ist das halbe Leben.

Strukturiertheit, ordentlich, verlässlich sein, genau sein

stur Gehorsam, sich fügen, anpassen, tolerant sein, kompromissbereit

Diskussion, Entscheidungsprozesse, Gruppenprozesse

Fels in der Brandung, Rumpelstilzchen, Gegen den Strom schwimmen, Stur wie ein Esel. Mit dem Kopf durch die Wand.

Steht zu seiner/ihrer Meinung, Gelassenheit, Ruhe bewahren, selbstbewusst

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Etikett Gesellschaftliche Norm („man“ ist….)

Situation Sprichwort Ressource

zappelig Still sitzen, still halten, ruhig bleiben, konzentriert sein, etwas aushalten können

Essen, Hausaufgaben, Schule, Beschäftigung

Zappelfillip Viel Energie, schnell, sportlich, ideenreich, in Bewegung, aktiv

„Max und Moritz“ Regeln einhalten, artig sein, Respekt haben

Regeln brechen, Gruppen, Essen, Grenzen einfordern

Kreativ, teamfähig, fröhlich, ideenreich, innovativ

nervig Nicht auffallen, merken wenn`s zu viel wird, unaufdringlich, geduldig sein, abwarten können

Gespräch, „Telefonsyndrom“ in der Tagespflege, Essen, Wartesituationen, Ungeduld

Aufmerksamkeit einfordern, willensstark, zielstrebig, Durchhaltevermögen

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3. Didaktische Prinzipien zu Ziel 3

(Quelle: Projektbüro: Schlesische Str.3-4, 10997 Berlin, Tel. 030 – 2250 3228/33/34, Fax: 030 – 2250 3235 [email protected], www.kinderwelten.net 6 KINDERWELTEN MULTIPLIKATORINNEN-FORTBILDUNG MAI 2008 Projekt KINDERWELTEN, Institut für den Situationsansatz, Internationale Akademie gGmbH an der FU Berlin)

Kritisch werden gegenüber Einseitigkeiten, Vorurteilen und Diskriminierung

Didaktische Prinzipien/ Kurzfassung

Verdeutlichen Sie aktiv Fairness-Regeln

Stereotype Vorstellungen erkennen und kritisieren

Bei ausgrenzenden oder diskriminierenden Äußerungen oder Handlungen eingreifen

Stereotype Materialien aussortieren

Ausstattung mit nicht-stereotypen Materialien ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Didaktische Prinzipien/ ausführlich

Verdeutlichen Sie aktiv Fairness-Regeln

• Klären Sie Ihre eigene Vorstellung von Fairness und Gerechtigkeit: Machen Sie sich immer wieder Ihren eigenen Begriff von Fairness und Gerechtigkeit klar. Beschäftigen Sie sich mit den beschädigenden Auswirkungen von Gewaltausübung, sei es körperliche Gewalt oder verbale Abwertung. Erarbeiten Sie sich eine klare Position, was an Vorurteilen, Diskriminierung und Ausgrenzung negativ und schädlich ist und warum sie nicht akzeptabel sind. Verfeinern Sie Ihr Konzept von einem fairen Miteinander in der Kita und finden Sie dazu passende Regeln.

• Sichern Sie Kindern Schutz zu: Geben Sie den Kindern zu erkennen, dass Sie sich immer an Sie wenden können, wenn sie Hänseleien, Ausgrenzungen etc. erleben. Tun Sie ihre Schutzsuche nicht als „Petzen“ ab, weisen Sie sie nicht ab mit der Aufforderung „die Angelegenheit selbst zu regeln“, denn bei Hänseleien und Ausgrenzung brauchen Kinder die Hilfe von Erwachsenen.

• Regen Sie Kinder an, über ihre Gefühle zu sprechen: Sprechen Sie immer wieder mit Kindern über ihre Gefühle und bieten Sie ihnen eine Erweiterung ihres Gefühlswortschatzes an. Gibt es Gefühle, die Ihnen selbst unangenehm sind und die Sie deshalb vielleicht eher nicht gelten lassen? Überprüfen Sie, wie es Ihnen gelingt, Kindern wirklich ihre Gefühle zuzugestehen und sie darin zu bestärken. Regen Sie Rollenspiele zur Ich-Stärkung an, in denen Kinder „Nein“ sagen. Machen Sie sich selbst klar, wie man Gefühle treffend beschreiben kann – und welche Formulierungen kein Gefühl ausdrücken, sondern dem anderen eine negative Absicht unterstellen („Ich habe das Gefühl, du willst mich ärgern.“). Hilfreich ist die Beschäftigung mit „Gewaltfreier Kommunikation“ (nach Marshall Rosenberg).

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• Vermeiden Sie Moralisierung und Beschämung: Vertreten Sie möglichst unaufgeregt einen klaren moralischen Standpunkt, aber moralisieren Sie nicht. D.h. vermeiden Sie Beschämung bei der Verdeutlichung Ihrer Vorstellungen, denn dies vermittelt Kindern Schuldgefühle und blockiert sie beim Weiterdenken („Wie kannst du nur so etwas tun? So was macht man doch nicht!“). Manches, was kleine Kinder tun, folgt nicht denselben Beweggründen als wenn Erwachsene so handeln würden. Ein Beispiel ist der Umgang mit Tieren, der bei kleinen Kindern zunächst von ihrer Neugier und ihrer Lust am forschenden Entdecken geleitet ist. Wenn sie dabei Erfahrungen machen wie die, dass sich das ausgerissene Bein des Käfers nicht mehr ankleben lässt, hilft ihnen das, Lebewesen von Dingen zu unterscheiden: Die Empörung der Erwachsenen über diese „Tierquälerei“ tut ihnen unrecht, denn sie unterstellt fälschlicherweise, Kinder wollten die Tiere absichtlich quälen. Ein anderes Beispiel ist das Anspucken, mit dem die meisten kleinen Kinder irgendwann experimentieren. Erwachsene sind außer sich, weil Anspucken ein Zeichen größter Verachtung ist – wovon kleine Kinder noch nichts wissen können.

• Respektieren Sie, dass Kinder erst dabei sind, Normen zu lernen: Normen und soziale Regeln werden gelernt. Respektieren Sie, dass Kinder sich in einem Lernprozess befinden und erst über die Auseinandersetzung mit konkreten Geschichten und Vorfällen lernen können, was fair und was unfair ist. Sehen Sie es als Ihre Aufgabe an, den Lernprozess anzuregen und organisieren Sie ihn. Begründen Sie immer wieder, was an einem bestimmten Verhalten positiv oder negativ ist. Aus Studien zur Moralentwicklung weiß man, dass ein machtausübender Erziehungsstil, mit dem moralisches Handeln direkt und gewaltsam gefordert und seine Missachtung hart bestraft wird, nicht dazu führt, dass Kinder die gewünschten moralischen Normen verinnerlichen. Sie befolgen sie äußerlich aus Angst vor Strafe, übernehmen sie aber nicht als innere Richtschnur.

Stereotype Vorstellungen erkennen und kritisieren

• Fordern Sie die Kinder anhand konkreter Geschichten und Beispiele zum Nachdenken über Fairness und Gerechtigkeit auf: Vermitteln Sie den Kindern Ihr Konzept von Fairness und Ihre Regeln anhand konkreter Geschichten und Beispiele über Fairness und Unfairness. Eröffnen Sie Kindern in Gesprächen darüber einen freien Raum für ihre Gedanken, Theorien, Geschichten, Hypothesen, Erfahrungen. Hierzu eignet sich insbesondere die Einführung von Persona Dolls.

• Nutzen Sie Widersprüche, um das kritische Denken anzuregen: Kinder brauchen breite Informationen über die soziale Welt, um nicht bei einem engen Verständnis von Fairness zu bleiben. Fordern Sie Kinder zum Nachdenken heraus, indem Sie ihnen Informationen geben, die Ihrer Vorstellung widersprechen. Sorgen Sie z.B. für Bildmaterial, das überraschen mag, weil es Menschen bei nicht-„typischen“ Verrichtungen zeigt (vgl. Ziel 2). Erzählen Sie eine Geschichte aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Kognitive

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Dissonanz stimuliert das Nachdenken der Kinder (ab etwa 4. Lebensjahr)

über Gerechtigkeit, Wirklichkeit, Wahrheit.

Bei ausgrenzenden oder diskriminierenden Äußerungen oder Handlungen eingreifen

• Greifen Sie bei Einseitigkeiten und Diskriminierung ein – jetzt oder später: Sehen Sie sich von jedem ausgrenzenden oder diskriminierenden Vorfall und von jeder Äußerung aufgefordert zu intervenieren, jetzt oder später. Nicht-Eingreifen vermittelt Kindern die Botschaft, nicht geschützt zu sein. Werden Sie sich bewusst, welche Haltungen oder Gefühle Sie davon abhalten, bei diskriminierenden Äußerungen und Verhaltensweisen von Kindern einzugreifen.

• Beide Seiten brauchen Zuwendung: Wie eingreifen? Das ausgegrenzte, diskriminierte, gehänselte Kind braucht unmittelbaren Schutz und Trost. Das andere Kind braucht eben-falls Zuwendung: Es braucht Informationen zur Normverdeutlichung, die Erinnerung an Regeln, es braucht die Zusicherung, weiterhin dazu zu gehören, auch wenn sein Verhalten kritisiert wird. Unterstellungen, Schuldzuweisungen, Pauschalverurteilungen oder Kontaktabbruch („in die Ecke stellen“) helfen ihm nicht, genauere Vorstellungen von fair und unfair zu entwickeln und sein eigenes Verhalten in diesem Sinne zu regulieren.

Stereotype Materialien aussortieren und Ausstattung mit nicht-stereotypen Materialien: Untersuchen Sie die vorhandenen Materialien und die Ausstattung auf Einseitigkeiten mit den Kindern oder begründen sie Ihre Einschätzung, dass Materialien einseitig sind und warum es Sie stört. Beteiligen Sie Kinder am Nachdenken darüber, was daran unkorrekt oder ungerecht/ unfair ist und wie man es ändern könnte. Manche Materialien lassen sich verändern, andere sollte man aussortieren und wegtun. Achten Sie bei Neuanschaffungen darauf, dass die Materialien nicht einseitig oder stereotyp sind und sprechen Sie mit Kindern über Ihre Auswahl.

Mittagspause

4. Film: „Der Schwarzfahrer“

Der Film veranschaulicht die gesellschaftliche Dimension von Diskriminierung. Wir überlegen was in diesem Film geschieht und was dazu führt, dass die Dame ermutigt wird, ihre Äußerungen fortzusetzen.

In dem Film wurden eindeutige diskriminierenden Aussagen getroffen, und Vorurteile, die wir häufig in der Öffentlichkeit hören in den Blickpunkt gestellt; z.B.: Wir haben selber genug Arbeitslose, die Ausländer vermehren sich wie die Karnickel, Schwarze riechen, …

Vom persönlichen Empfinden, wurden Verallgemeinerungen geäußert, die Vorurteile festigten.

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Es gab Weggucker und Mitfahrerinnen die interessiert Hinschauten. Jedoch griff keiner in die Situation ein.

Einige zeigten durch ihre Gestik oder Mimik Zustimmung, andere waren in ihrer Reaktion gleichgültig und wieder andere schauten intensiv weg.

Die mit den einzelnen Szenen verbundenen Gefühle und diskriminierenden Äußerungen löste im Diskussionskreis Betroffenheit aus.

Wir reflektieren eigene Erlebnisse und erfahren, dass auch unter uns Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln die Erfahrung gemacht haben verbal angegriffen zu werden, ohne dass jemand für sie Partei ergreifen würde oder interveniert. Wer nicht eingreift, lässt Ausgrenzung und Diskriminierung zu und gibt dem Akteur/ der Akteurin zu verstehen, dass es in Ordnung ist, andere Menschen verbal anzugreifen, auszugrenzen oder zu diskriminieren. Fazit. Wichtig ist zu erkennen, was nehmen wir wie wahr? Was löst die Wahrnehmung in uns aus? Welche Vorurteile haben wir selbst entwickelt, oder welche Vorurteile haben wir übernommen? Kein Mensch ist davon ausgenommen Vorurteile zu haben. Wichtig ist, sich dessen bewusst zu werden. Wichtig ist ferner, herauszufinden, woher diese Vorurteile kommen; haben sie etwas mit den eignen Ängsten oder mit den Erfahrungen die im Laufe der Entwicklung im Kindes- oder Erwachsenenalter gemacht wurden zu tun und haben sie so Einfluss auf die Lebensgestaltung und Prägung genommen? Damit Kinder frühzeitig Vorurteile erkennen können, gilt es ihnen Wege zu eröffnen, in denen sie Vielfalt und für sie fremde Lebenseigenschaften angstfrei erfahren können.

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5. Vorbereitung Berlin Die Koordinierungsstelle in Berlin hat einen Brief an die Tagesmütter und Kinderfrauen geschrieben. Die Abschlusstagung im Juni wird der Kindertagespflege einen hohen Stellenwert einräumen, indem dieses Arbeitsfeld sich mit zwei Praxisbeispielen darstellen kann. Wir sind stolz auf diese Form der Anerkennung und Wertschätzung unserer Arbeit hier in Brauschweig. Unsere Gruppe wird auf dieser Tagung exemplarisch für die Kindertagespflege stehen und leistet mit ihren Erfahrungen, ihrem Beitrag und ihrer Teilnahme an dem Projekt bahnbrechende Arbeit für die Umsetzung eines inklusiven Bildungs- und Erziehungsansatzes in der Kindertagespflege.

5.1 Wer kommt mit?

Ein Bus ist gebucht und bislang sind acht Teilnehmerinnen für die Busreise angemeldet. Drei weitere Teilnehmerinnen organisieren die An- und Abreise individuell.

5.2 Wie präsentiert sich die Gruppe der Tagesmütter? Am 11.06. gibt es zwei Zeitfenster an denen sich die Kompetenzkerne sichtbar machen werden. Die Seminarteilnehmerinnen werden sich mit dem Kompetenzkern Hannover präsentieren. In welcher Form dies geschehen kann, ist noch offen. Erste Überlegungen führten zu Schirmen, Kopfbedeckungen oder T-Shirts als Erkennungszeichen der Kindertagespflege Braunschweig. Weitere Ideen werden am 13.03.2010 gesammelt.

5.3 Praxisbeispiele Berlin hat eine Reihe von Fragen geschickt, die dazu dienen sollen, die Dokumentation der Praxisbeispiele fokussiert zu erstellen. In einer Diskussion der Fragen in Kleingruppen, wurde sich auf nachfolgende Fragen verständigt, erste Ideen wurden entwickelt. In unserem Seminar am 13.03. werden wir hier weiter arbeiten und sehr konkrete Ideen entwickeln, deren Umsetzung dann im April/ Mai geschehen kann. Das FamS wird hier tatkräftig und im Sachkostenbereich unterstützen.

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Dokumentation Praxisbeispiele

1. Wie haben sich Eure Bildungsangebote auf Grund der neuen Erkenntnisse verändert (Ich Identität stärken, Mit Vielfalt vertraut werden)? Stellt dar, was ihr jetzt bewusst anders macht als vorher.

2. Was zeichnet eure heutige Praxis von anderen aus? In Reflektion auf:

1. Was habt ihr bearbeitet, was ihr vorher vermieden habt?

2. Was macht euch als vorurteilsbewusste Fachkräfte aus? Stichworte: Materialauswahl, thematische Angebote, Literatur

Idee: Musikbeispiel Nicole Poppinga hat afrikanisches Lied mit ihren Kindern einstudiert – Anja Gerlich macht Angebot, dieses mit einer ihr bekannten Musikpädagogin mit ihren Kindern auch einzustudieren passt auch zum Thema Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika - Kinder begegnen einander über Musik - Sie erfahren etwas über das Leben der Kinder - Gemeinsam studieren sie ein Lied ein - Dieses wird mit Tontechnik aufgenommen – Tonspur zur Bildpräsentation

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5.4 Referat Kindertagespflege - Reflektion auf Praxisfeld Die Koordinatoren aus Berlin fragten in dem Brief auch an, ob die KTP mit einem eigenen Referat vertreten sein möchte. Wir verständigten uns darauf, dass die Teilnehmerinnen den ausgeteilten Reflektionsbogen bitte ausfüllen und am 13. März mitbringen. Aus diesen Antworten würde dann das Referat zur vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung in der Kindertagespflege erstellt. 5.5 Selbstdarstellung jeder Teilnehmerin in Berlin

Während der Tagung läuft eine Powerpoint Dauerschleife mit der Präsentation aller Projektteilnehmer/innen. Genaueres erfahren wir noch aus Berlin. Es ist davon auszugehen, dass jede Teilnehmerin eine Folie hat, auf der sie sich in Bild und Schrift darstellen kann. Wir können auch eine Fragestellung überlegen, auf die wir jede ihre individuelle Antwort geben…. Auch dies können wir am 13. März besprechen.

Neuer Seminartermin Wir treffen uns wieder und das letzte mal vor unserer Fahrt nach Berlin am

Sonnabend, 13. März 2010 Welfenplatz 17

Zugang über den Maurerweg/ 1. Etage 38126 Braunschweig

Buslinie: M11 Haltstelle: Welfenplatz 09:15 – 15:30 Uhr

Auf ein baldiges Wiedersehen!

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Anlage: Auswertungstabelle Lügenmärchen

Gemeinsamkeiten G1 G2 G3 G4 G5 Auswertung 1

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