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Ein Beitrag zur Lehre yon den Hornhautab- scessen. -- Nekrotische Hornhautabscesse. Yon Dr. Adolph Weber in Darmstadt. (22. Mai 1861.) Ich mSchte einige Erlauterungen fiber die in den tiefe- ren Schichten der Hornhaut liegenden Abscesse geben, deren Details scheint's noch nicht hinlanglich aufgekl~rt, ja in einer der meinen sich n~thernden Auffassung yon competenten Handbfichern sogar bezweifelt wird. Dazu ist diese Frage yon grosser praktischer Wichtigkeit, da dieses Hornhautleiden zu manchen Zeiten ~tusserst h~ufig, die Therapie aber noch ziemlich machtlos ist. Ich lese*) und hSre wenigstens yon Fachgenossen, dass sie sich bei der Behandlung derselben meist in der gleichen Ver- legenheit befinden, wie sie mir frfiher durch diese Krank- heit bereitet wurde. Die Abscesse, yon welchen ich hier zu reden gedenke, sind ganz umschriebene, in den tieferen Schichten der Cornea gelegene, welche zum Theil auch durch die Tiefe ihrer Lage und die Eigenthfimlichkeit des Yerlaufs besondere therapeutische Eingriffe bedingen. Wenn *) Roser. Ueber die Hypopyon Keratitis. A. L 0. Bd. I[. 2.

Ein Beitrag zur Lehre von den Hornhautabscessen. — Nekrotische Hornhautabscesse

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Ein Bei trag zur Lehre yon den Hornhautab-

scessen. - - Nekrot i s che Hornhautabscesse .

Yon

Dr. Adolph W e b e r in Darmstadt. (22. Mai 1861.)

Ich mSchte einige Erlauterungen fiber die in den tiefe- ren Schichten der Hornhaut liegenden Abscesse geben, deren Details scheint's noch nicht hinlanglich aufgekl~rt, ja in einer der meinen sich n~thernden Auffassung yon competenten Handbfichern sogar bezweifelt wird. Dazu ist diese Frage yon grosser praktischer Wichtigkeit, da dieses Hornhautleiden zu manchen Zeiten ~tusserst h~ufig, die Therapie aber noch ziemlich machtlos ist. Ich lese*) und hSre wenigstens yon Fachgenossen, dass sie sich bei der Behandlung derselben meist in der gleichen Ver- legenheit befinden, wie sie mir frfiher durch diese Krank- heit bereitet wurde.

Die Abscesse, yon welchen ich hier zu reden gedenke, sind ganz umschriebene, in den tieferen Schichten der Cornea gelegene, welche zum Theil auch durch die Tiefe ihrer Lage und die Eigenthfimlichkeit des Yerlaufs besondere therapeutische Eingriffe bedingen. Wenn

*) Roser . Ueber die Hypopyon Keratitis. A. L 0. Bd. I[. 2.

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die in ihren anatomischen Verhaltnissen, wie es scheint identischen r e i z l o s e n H o r n h a u t i n f i l t r a t e , wie sie Prof. v. Gra f e schildert*) fast nur bei Kindern un- ter acht Jahren, und wahrscheinlich unter der Mit- wirkung epidemischer Einfitisse entstehen sollen, so be- treffen jene Hornhautabscesse hauptsachlich die arbeits- i'ahigen Alter und Klassen und ihre veranlassende Momente sind, obgleich sie durch ihr zeitweis sehr haufiges Vor- kommen eine epidemische Ursache vortauschen kiinnten, doch in den meisten Fallen traumatiscber l~atur. Bei Kindern diejenigen abgerechnet, wo schon fast die ganze Hornhaut durch flachenhafte Suppuration zerstSrt war und fiber deren u ich daher nichts b~aheres ange- ben kann, land ich solche reizlose Einterinfiltrate nur einige Mal, und war bei diesen der centrale Abscess da- durch gebildet, class eine senkrecht yon oben herabge- schrittene btischelftirmige Keratitis das Spitzenexsudat, yon dem gewShnlichen hufeisenfSrmigen Verlaufe ab- weichend, bis in das Centrum der Hornhaut getrieben und bier in die tieferen Schichten derselben eingebettet hatte. Mit den reizlosen Eiterinfiltraten glaube ich diese Falle trotz ihrer Entstehuugsweise um desswillen iden- tificiren zu dfirfen, weil der Abscess jetzt in seiner centra- len Lage nur noch ein scharf umschriebenes in den tie- feren Schichten der Cornea gelegenes Eiterdepot darstellte, welches ohne Demarkationstrtibung und ohne welche ent- ztindliche Reizung im Umfange der Hornbaut seine Ent- stehung nur noch durch einen senkrecht nach oben ver- laufenden, leicbt getriibten Streifen verrieth, in welchem mit der Loupe keine Gefi~sse zu erkennen waren.

Den tibrigen yon mir gemeinten Hornhautinfiltraten liegen aber ganz bestimmt in den allermeisten Fallen traumatische Einwirkungen zu Grunde und sie erhal~en

~) Prof. v. Gr~ife. Ueber die Anwendung lauer und warmer Ue- deraehl~ige bei gewissen Ophthalmien. A.f . O, Bd. VI, 2.

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ihre temporitre H~tufigkeit nur dadurch, dass die sie ver- anlassenden Momente an gewisse Verrichtungen gebunden sind. Es sind besonders Traumata, welche die Hornhaut quetschen ohne Continuitatstremmng, wenn nicht gerade blos des Epithels hervorzurufen, so Gegenschnellen eines schwanken Aster, Anprallen eines Sttickes Holz oder Stein- kohle, eines abspringenden Knochen- oder Steinsplitters, oberfl~tchliches Ritzen dureh eine Glasscherbe, eine zer- splitternde ~adel, den Fingernagel und vor Allem Ver- wundung durch Getreidehalmen und Aehren, wesshalb diese Krankheit w~thrend der Ernte tagtiiglich sich prii- sentirt. Unter die Ursachen scheinen mir ferner noch zu gehSren, alte interstitielle Hornhauttrtibungen, wenn durch irgend welche Veranlassung subakute Inflammation hinzutritt; ferner habe ieh einen Fall beobachtet, wo das Wandern und Sinken eines in den mittleren Schiehten der Cornea langeingekapselten fremden KOrpers der Aus- gangspunkt eines solchen Abscesses war. - - Allgemeine Sch~dlichkeiten wie Erki~ltungen etc., welche sehr h~tufig yon den Patienten als einzige Ursache angegeben werden, habe ich stets nur als ni~chste Veranlassung gesehen, wiihrend bedingende Ursachen obiger Art tiberall naeh- zuweisen waren.

Unter allen diesen Verhiiltnissen ist das erste Auf- treten schon mit entschiedenem Reizzustande verbunden: unter grSsseren oder geringeren Schmerzen, Lichtscheu und Thriinenfluss sieht man, am hiiufigsten im Centrum der Hornhaut, als dem traumatischen Schi~dlichkeiten am meisten exponirten Theil eine stecknadelkopf- bis linsen- grosse graue, mehr oder weniger dichte, aber immer ganz circumseripte Trtibung entstehen, die sieh sogleich als in den mittleren oder tieferen Schichten der Hornhaut gelegen kund giebt. Der dieselbe bedeckende Hornhaut- theil ist nicht hervorgewSlbt, zeigt fiberhaupt meist gar keine Veri~nderung, wenn nieht einen kleinen Ritz oder

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Tingirung dutch den fremden K~rper. Die Conjunctival- wie SubconjunctivabGef~sse sind bei tranmatischen An- l~ssen immer stark hyperttmisch, auf der Hornhaut selSst sieht man aber durchaus keine Gef~sse. - - Die nt~chste Yer~.nderung, welche zugleich mit einer st~rkeren Satti- gung der Triibung auftritt, ist die Bildung des Demar- cationskranzes in Gestalt eines leicht grauen Holes, welcher den scharf begrenzten, jetzt weissen Abscessheerd umgiebt. Mit der Demarcationstrtibung ist gleichzeitig sine Schwellung des betroffenen Hornhautgewebes ver- bunden. Wo der Abscess oberfl~chlicher liegt oder sehr massenhaft ist, wSlbt sich daher jetzt oft die vordere Hornhautdecke und eine geringe Continuittttstrennung vergrSssert sich dann; bei tieferen dagegen bleibt die u unalterirt und es scheint, dass die Schwel- lung sich lediglich in einer Hervortreibung der hinteren Hornhautdecke Luft macht. Man bemerkt nhmlich hin- ter dem Abscessheerd eine dem grauen Hofe ahnliche oft stt~rkere Tr~ibung, welche den Kern vieler strahlen- artig, nach allen Seiten gegen dis Peripherie der Cornea ausschiessender grauer Linien und Streifen auf der hin- teren Hornhautfl~che darstellt. Jetzt vermehren sich auch die subjectiven Reizsymptome, die vorher meist etwas nachgelassen haben, und mit einer u der Pa- pille treten dann und warm Ciliarneurosen ein: die Iris nimmt nicht selten jetzt schon einigen Antheil an der Entziindung, wie sich das auch durch Triibung des humor aqueus ausspricht. Allerdings ist die die Trt~bung des humor aqueus hervorrufende Eitersuspension zum grossen Theil auch Produkt der entziindlichen Th~ttigkeit der Hornhaut, wie dies schon Rose r urgirt hat, und hat ein solcher Zellenwucherungsprozess auf tier hinteren Ober- fl~che einer derart affieirten Hornhaut durchaus niehts Fremdartiges; aber ich muss, meinea Beobaehtungen treu bleibend, mit Bestimmtheit aussprechen, dass in alien

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Fallen dieses Leidens, wo ein Hypopyon zugegen war, ich einen hinteren Durchbruch des Abscesses nachweisen konnte. - - Mittelst der schiefen Beleuchtung bemerkt man namlich um diese Zeit des Krankheiisverlaufes zu- gleich mit der Bildung eines Hypopyum, auf der Rtick- seite der Cornea verschiedene Vorgange, welche, wie reich eine aufmerksame Sondirung belehrt hat, den hinteren Durchbruch anzeigen. In einer Reihe yon Fallen sieht man innerhalb der den ganzen Abscess, wie gesagt, auch yon hinten umgebenden Demarcationstrfibung eine inten- sivere, umgekehrt trichtei'fOrmige, welche mit ihrer weiten Miindung an der hinteren Oberflache liegt, yon da ver- jtingend mit einer halsartigen Einschntirung sich der hinteren Contour des Abscesses aufsetzt, so dass diese mit dem Abscesse zus mmen die Gestalt eines Hemden- knopfes mit zwei Platten darstellt. Um die M~ndung des mehr oder weniger flachen Trichters gewabrt man dann oft dendritenartige Ftocken, welche breit aufsitzend ge- gen die Pupille hin frei im humor aqueus flottiren, die wohl nicht, wie Andere wollen, als Faserstoftgerinsel, sondern als die Wundlappen der hintern Geschwtirs6ffnung anzusprechen sind. Ich sail dieselben niemals als zugleich mit den Zeichen des hintern Durchbruchs und an keiner andern Stelle als um die Miindungen des Geschwfirskraters selbst. Fast unver- kennbar deutlich giebt sich diese graue tricbterfSrmige Trtibung als Perforations(iffnung dann kund, wenn nach brusquer Paracentese Blur in die vordere Kammer tritt, uud an den Geschwtirsrandern hangen blcibend, dieselben bis zum hals- oder pfropfartigen Aufsatz tingirt. - - In einer anderen Reihe yon Fallen, und scheint's in den bei weitem meisten ist der innere Durchbruch des Abscesses kein oftener kraterf6rmiger, sondern die Communication zwischen diesem und der vorderen Kammer wird durch einen langen, oft erst auf dem Grund der letzteren miin- denden Senkungskanal bergestellt. Die Zeicben, unter

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denen sich eine solche mittelst der schiefen Beleuchtung darstellt, sind eine der hinteren Contour des Abscesses aufsitzende hals- oder pfropfartige Triibung, die in einen nach abw/~rts verlaufenden, verschieden breiten~ grauen Streifen fiberftihrt. - - Mit den angegebenen laufen noch andere Erscheinungen parallel, welche nur in dcr That- sache des inneren Druchbruches ihre Deutung finden k(innen. Wenn nttmlich bis zum Erscheinen des Hypopyon der weisse Abscessheerd eine fast circul~tre, durchans circumscripte Gestalt gehabt hatte, so zeigt sich yon dem Augenblick an, wo der Eiter an der hinteren Oberfi~tche der Hornhaut unter schiefer Beleuchtung wahrgenommen wird, ;ler Abscessinhalt zum grSsseren oder geringeren Theil verschwunden, so dass jetzt oft nur eine mehr oder wcniger breite sichelfSrmige Trtibung (lunula, onyx, unguis) an der unteren Circumferenz bemerkt wird. Zu gleichcr Zeit treibt sich, wenn der hintere Durchbruch unter den Zeichen einer kraterfSrmigen ErSflhung statt- land, die vordere Abscessdecke ganz gewShnlich hervor, was ich nicht beobachtete, wenn die schiefe Beleuchtung mir die Zeichen eines fistulSsen Durchbruches angab, vermuthlich, well der intraoculare Druck die W/rode des Senkungskanals ventilartig so vollkommen geschlossen h~lt, dass tier humor aqueus in die zum Theil leere AbscesshShle nicht eindringen kann. Im Gegentheil sieht man unter solchen Umst~tnden sehr h~tufig die vordere Dicke des Abscesses einsinken und scheinbar, oder nach einigen Tagen selbst wirklich, ein /~usseres Geschwiir dar- stellen. Die touchirende Sonde findet nun auch in beiden F/tllen verminderten Widerstand an Stelle des Abscesses was w~thrend des Angeftilltseins desselben sich nicht markirte. - - Ganz unzweideutig stellt sich aber die Deutung der bis dahin geschilderten Zeichen dann heraus, wenn zu dieser Zeit die vordere Decke des Abscesses entweder selbsst/~ndig oder kiinstlich perforirt wird, wo

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man dann mit einer Anelschen Sonde sich fiber die eben geschilderten Erscheinungen vollkommen vergewissern kann. Man gehe mit der flach auf die Hornhaut anfge- legten Anelsehen Sonde unter die vordere Abscessdeeke, ffihre den Knopf des Instruments sachte zuerst in dem ganzen Umfang des,Abscesses herum, um fiber die Aus- dehnung der HShle sich zu 0rientiren, gleite dann sanft auf die hintere Abscesswand mit etwas aufgerichteter Sonde fiber, um den Widerstand an den verschiedenen Theilen derselben zu prfifen und gehe dann erst in die als hintere PerforationsSffnung sich auszeichnende Stelle ein. Sehr h~tufig ist zur Erreichung dieser Stelle eine fast hakenfSrmige Biegung des Sondenendes nSthig. Eine Verletzung der vorderen Kapsel ist bei einiger Vorsicht durchaus nicht zu ffirchten, da bei nicht sehr ausgedehn- ter Verschw/~rung die Linse der hinteren Abscesswand nicht unmittelbar anliegt. Diem Sondirung bewahrheitet die Deutung der verschiedenen mittelst der schiefen Be- leuchtung gemachten Beobachtungen.

Diese Gelegenheit zur Sondirung wird nun manch- mal, wie gesagt, von selbst gegeben, da in einer Reihe yon Fallen fast gleichzeitig mit dem inneren Durchbruche, oder erst begfinstigt durch das starke Hervorgetrieben- sein auch die vordere Decke durchbricht, zum grSsseren oder geringeren Theile mortificirt, und so das innere Ge- schwtir zu einem offenen iiusseren wird. Der Verlauf ist dann ganz der eines so ausgebreiteten /iusseren Ge- sehwfirs, jedoeh mit grosser Neigung zu Eitersenkungen*) wesshalb auch hier die Therapie so ziemlich dieselbe bleibt, wie bei rein inneren Geschwfiren. - - In der gr6sseren Anzaht yon F~tllen bleibt abet tier Abscess naeh aussen geschlossen, und je naeh der Lage der inneren Durehbruehs6ffnung fiillt sieh dessen HShle entweder

*) Rose r . Hypopyon-Geschwiire. (1. c.)

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theilweise oder ganz, und vermehrt dureh erneuten Er- gus das bestehende Hypopyon oder bildet, wo dasselbe dureh Paraeentese entfernt war, immer und immer wit- der neue. Gleiehzeitig dehnt sieh die Suppuration an den jetzt sinuOs in dig Demarkationstrtibung fibergreifen- den Randern naeh der Flache aus, und findet meist erst nach Unterminirung der unteren Halfte, wean nicht der ganzen Oberflaehe der Cornea, ihre Endschaft, wo dann ausgebreitete Leucome oder mehr oder weniger ausge- dehnte Staphylome das traurige Resultat tier endtichen Heilung sind.

Ich muss leider gestehen, dass frtiher trotz der ver- schiedensten Behandlung, trotz der kraftigsten Anti- phlogose, wie Blutegel, Kalte, Laxantien, Vesicantien, Atropin etc.; trotz specifischer Curen, wie Schwitz- und Sublimateuren, Brechmittel etc., trotz der energischsten operativen Eingriffe, wie haufige Paracentesen und Iri- dectomie*) die meisten Falle unter meinen Handen in der obigen geschilderten traurigen Weise gerade so un- aufhaltsam verlaufen sind, als wenn ich die Kranken fast ohne jegliche Behandlung all' ihren Arbeiten und Schad- lichkeiten nachleben liess. -- Die Wirkung der warmen Ueberschlage kannte ich damals noch nicht, kann auch naeh den jetzigen Erfahrungen noch keine weiteren In- dicationen fiir ihren Gebrauch in diesen Fallen aufstellen; allerdings werden sie aber durch baldigere Hervorrufung der Demarkation, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird, und wahrscheinlich auch durch Erweichen und brei- teres Abstossen der vorderen Abscessdecke, ein ungemein sehatzbares Mittel in der Therapie dieser Hornhaut-

*) A n m e r k u n g . Die Iridectomie ist bei ausgedehnten ~,usseren Geschwiiren daher auch bei dieser Art yon Abscessen, wenn dieselben sich zu solchen ausgebildet haben, ein ganz unschiitzbares Therapeuti- kum; wo abet die Senkung sich schon vorbereitet, hindert sie den Fortgang der Suppuration fast eben so wenig, als die fibrigen oben angofiihrten Mittel.

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affection abgeben. R~hmend muss ieh noch for sehr kleine, bald zum inneren I)urchbruch gelangte Abscesse den Druckverband erw~hnen, den ich auch w~hrend des ganzen Verlaufes meiner Bebandlung be ibeha l t e . - Was aber wie ein Zauber in verschiedenen Stadien dieses Krankheitsverlaufes auf das Stillstehen des Prozesses wirkt, und worauf mit diesen Zeilen aufmerksam zu machen es m i r v o r Allem ankommt, ist eine w o h l a n g e l e g t e S p a l t u n g des A b s c e s s e s mi t v ~ l l i g e r E n t l e e r u n g s e i n e s I n h a l t s . Ich weiss, dass man die Spaltung des Abscesses schon anderweitig proponirt und ausgefiihrt hat, indem man die vordere Deeke mit einem Staarmesser anstach; allein eine solche Spaltung hat meiner Er- fahrung nach so gut wie keine Wirkung, und ich werde sogleich zeigen, worauf es hierbei ankommt.

Dieser operative Eingriff tritt w~hrend des Verlaufes dieses Prozesses zu zwei verschiedenen Zeiten als n~chste und dringendste Indication auf. Die erste Indication dazu ist gegeben dann, wann der noch geschlossene circum- scripte, oft noch nicht vollkommen weiss gewordene Ab- scess yon dem Demarkationshof umgeben ist. Dies ist n~mtich der Augenblick, wo der aus Eiter und nekroti- sirtem Hornhautgewebe bestehende Abscessinhalt allseitig yon den W~nden der Abseessh~hle losgestossen ist, und yon wo an der innere Durchbruch und die Senkung sicti vorbereiten. ErSffnet man in diesem Stadium, so ent- leert man immer den so beschaffenen Abscessinhalt voll- st~ndig, und man kann sich einer fast momentanen Hei- lung and des allerbesten Ausganges in Bezug auf die Durchsichtigkeit der Hornhaut gew~trtigen. Wfirde man hier, wie es vorgeschlagen ist, nur die vordere Abseess- decke erSffnen, so wtirde man dadureh die Entleerung des Inhalts nieht bewirken k/)nnen; ausser einer ange- messenen GrSsse ist zum vollstgndigeu Austreiben und Aussptilen des Inhalts die Propulsivkraft des ausstrSmen-

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den humor aqueus nSthig. Es ist also hier unter der Spaltung eine gleichzeitige Perforation der hinteren Abscessdecke mit einbegriffen und so der ganze opera- tive Eingriff, wenn man will, nut eine modificirte Pa- racente. - -

Indess bedarf der Modus der Spaltung dennoch einer kurzen Erwi~hnung. Man bediene sich einer grossen Desmar res ' schen Paracentesenadel oder einer kleincn Jit ge r'schen Lanze; mit dieser durchsticht man in schie- fer Richtung so yon unten n;tch oben den Abscess, dass der Einstichspunkt nahe dem untersten Rande, der Per- forationspunkt zur vorderen Kammer aber im hSchstcn Gipfel derselben liegt. Man sieht schon gleich, dass zu dieser ErSffnung in der 1/ingsten Axe des Abscesses eine kleine Paracentesenadel nicht ausreicht, besonders, weil durch die Schwelhlng der Durchmesser der Hornhaut yon hinten nach vorn noch zugenommen; dazu kommt, dass die oft nur (ltinne hintere Abscesswand dem Drucke der Nadel eine Strecke weit nachgiebt, ehe sie sich per- foriren l~tsst. Anfangs, ehe mir alle diese Verhiiltnisse klar waren, mtihte ich reich lange, aber trotzdem ver- geblich, mit einer kleinen Nadel ab. Beim Herausziehen des Instrumentes erweitere man die Wunde der vorderen Decke bis zu den seitlichen R~tndern tier HShle, wenn dies noch nicht (lurch den einfachen Einstich geschehen ist. Bei so angelegter Wunde sptilt dann der dem Zu- riickziehen des Instrumentes fo]gende Strom des humor aqueus den ganzen Abscessinhalt aus, gleichwie der so- genannte Eiterstock eines reifen Furunkels dutch Druck herausgeschafft w i r d . - Sehr selten, dass dieses ManSver nicht vollsti~ndig zum Zwecke ftihrt und dass nicht so- gleich nach der Spaltung die Abscessstelle vollkommen durchsichtig erscheint. Mir ist dies nur da begegnet, wo in Folge frtiherer Iritis der Pupilarrand der Linsen- kapsel aufgeklebt war, und so der humor aqueus

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nur sparsam und langsam ausfloss. In solchen F5llen gehe man mit einer Bloemer'schen Pincette oder einer pince capsutaire in die AbscesshShle ein und entferne so dessen riickstitndigen I n h a l t . - Ich halte n~mlich die vollst~ndige Entleerung des Inhalts, um deswillen drin- gend indicirt, da ich glaube, dass in diesem Stadium gerade das Aufquellen der losgestossenen Hornhautpar- tikeln durch dig unm/~ssige Zellenproduktion in den Horn- hautkSrperchen die Veranlassung zur Reizung abgiebt.

Zum zweiten Male tritt die Spaltung als curative Anzeige im Verlauf dieses Suppurationsprozesses dann auf, wenn nach dem hinteren Durchbruch, ski es mittelst tints offenen kraterftirmigen Geschwiires, oder mittelst eines mehr oder weniger langen Senkungskanales, dig Tendenz zur fl~chenhaften Ausdehnung der Suppuration und zur Eitersenkung fortbesteht; im ersteren Falle also meist nur die R/~nder und vor allem der abh~n- gigste Rand, im letzteren oft die ganze HShle wieder mit Eiter infiltrirt und angefiillt ist. Wenn der hintere Durh- bruch mittelst eines langen Senkungskanals statt hatte, so finder der Abscessinhalt immer nur zeitweise und un- voUkommen seinen Abfluss in die vordere Kammer, dann n~,mlich nur, wenn der Druck innerhalb desselben den Druck des humor aqueus, durch welchen die Canalw~nde ventilartig a.uf einander gepresst werden, iibersteigt. Aus diesem Grunde auch das immerw~thrende Wiedererschei- hen des Hypopyon nach Paracentese der vorderen Kam- mer an deren Umfang, selbst wenn ei~e, ein Hypopyon ermSglichende Iritis durch Atropin etc. zum Stillstand gebracht ist. Also auch hier hat die Spaltung so gut wie bei geschlossenem Abscesse die Aufgabe der voll- st~ndigen En t l ee rung . - Die Verh~ltnisse nun, welche selbst nach breitem kraterf0rmigem Durchbruche der AbscesshShle und Erguss des Inhalts nach innen die Ten- denz zur fl~chenhaften Ausbreitung der Eiterung (aller-

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dings fast nur nach unten) erhalten, sind, wie sich durch die schiefe Beleuchtung und eine sorgf~ltige Sondirung ergeben hat, folgende: Man findet n~mlich bei den offenen inneren Geschw~iren die PerforationsSflhung meist in der Mitte oder ~selbst dem oberen Rande des Abscesses n~her, als dessert abh~ngigstem Theile, wahrscheinlich weil w~b- rend der Vorbereitung des Durchbruchs der Eiter sich schon um ein Betrachtliches senkt. Ist nun endlich der Durchbruch zu Stande gekommen, so hat sich schon am abh~ngigsten Theile ein ziemlich tiefer cul de sac ge- bildet, welcher nach hinten yon einer meist sehr verdiinn- ten Wundlefze begrenzt ist. Durch den Druck des humor. aqueus wird diese, sowie auch oft die vordere Abscess- wand vor und erstere gegen letztere angepresst, so dass sich hier ein abgeschlossener Halbcanal bildet, aus wel- chem der Eiter durch den humor aqueus nicht ausge- spUlt werden kann und so die Veranlassung zu weiteren Senkungsvorg~ngen wird. Ich mOchte einen Augenblick verweilend, hier sogleich die Warnung aufstecken, bei so beschaffenem innerem Geschw~irszustand, welchen mit der schiefen Beleuchtung zu diagnosticiren in der That nicht schwierig ist, doch ja nicht in Mitte des Geschw~irs, an Stelle der grSssten Hervortreibung zu paracentiren. Ausser der vollkommenen Erfolglosigkeit fiir die Entlee- rung des kleinen, aber so verderblichen Eitermeniscus und der Beschrankung der Suppuration etablirt man sich noch eine Hornhautfistel, welche Wochen lang bestehen bleibt und deren Hartnackigkeit, wie man sich mit Loupe unp Sonde iiberzeugen kann, eben darin seinen Grund hat, dass die der vorderen Abscesswand anliegende hin- tere Wundlefze durch den Strom des abfliessenden humor aqueus in die Paracentesewunde hineingedrangt wird und deren einen Rand ~iberkleidet.

In beiden Fallen also, sowohl bei denen mit einem mehr oder weniger langen Fistelgange, als auch mit offe-

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ner Geschwiirsmtindung, kann das Weiterschreiten der Suppuration nach der Fl~che resp. nach dem abhiingig- sten Theile hin*) durch die Gegenwart yon Eiter in der AbscesshShle bedingt sein, wfihrend in dem frfiheren Stadium des noch gcschlosscnen Abscesses hauptsachtich die aus der reichen Zellenproduktion in den Horahaut- kSrperchen hervorgchende Quellnng der sich abstossen- den Hornhauttheile, oder die Gegenwart vollkommen ne- krotischer I)artikel die Rcizsymptomc zu unterhalten scheinen. In allen diesen Fitllcn also ist dic Entleerung die Hauptindication. -- Nun begegnet es abet nicht un- h~ufig, (lass trotz tier vollkommenen, thcils selbststi~ndigen, theils kiinstlichen Entleerung des Eiters, der Prozcss sich nicht zur Heilung anschickt, im Gegcntheil immer wieder neue Ansammlungen mit der Tendcnz zur fi/~chen- haften Ausdehnung stattfinden. Auf sochen Verlauf kann man im Voraus immer dann gcfasst sein, wenn nach der Entleerung des Abscesses noch eine leichte Triibung desselbcn, bier und ".lamit wcisscn Stippchcn besondcrs markirt, zuriickbleibt. Geht man nun bei solchem hus- sehcn mit einer Hakenpincettc oder pince capsulaire in die gespaltene Abscesshiihle ein, so hat man stets die Befriedigung, eine yon der ganzen innercn Oberfiiiche desselben sich loslSsende helle Membran in toto oder fraglnentweise zu entwickeln, nach deren Entfernung die Stelle des Abscesses fast vollkommen transparent sich zeigt. Yon der Gegenwart einer solchen Abscessnlem- bran tiberzeugt man sich bei einiger Aufinerksamkeit oft

~) A n m e r k u n g . Bel zwel jiingeren Individuen, wo die eine ttorn- iaaut einen solchen Senkungsabseess besass, die andere wiihrend der Car yon einer vascul~iren superfieiellen Keratitis mit starker Lichtseheu and Sehmerzen ergriffen wurde, wesshalb die Kinder das letztere Auge in die Kissen hohrten, sah ich ganz dieselbea Senkungsvorgiinge, welehe man gewiihnlieh nut am untern Rand des Abscesses vor sieh gehen sicht, an dern innern, als dem abh~ngigsten, sich entwiekcln.

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schon w~thrend des Einstichs zu Spaltung oder withrend tier explorativcn Einftihrung dcr Anel'schen Sonde, in- dem man eine gefaltcte .~Iembran vor der Spitze resp. Knopf des Instrumentes sich hcrschieben sicht. - - Unter dem Mikroskope bestcht diese Mcmbran aus eincr hc- mogcncn Masse mit faserigcn (faltigen) Strcifen, bcsctzt mit unregehniissigen Schollen, Itaufen yon Eiterk6rpcr- chert oder grSssercn und klcincrcn Zellen und Zc]lcn- kernen, reichlich bcdcckt mit ciner Menge Fctttrtipfchcn und bier und da kleincn Pigmcntkliimpchen.

Bei dcr Spaltung dicser schon nach innen 1)crforirten, zur Scnkung tendircndcn Abscessc hat man vor Allcm seine hufincrksamkcit darauf zu wendcn, dass am ab- hiingigsten Theile (los Sackes crSffnet wcrde. Behufs dessen ist, wie leicht ersichtlich, nothwendig, dass man schon im durchsichtigcn Thcilc dcr Hornhaut den Ein- stichspunkt w~thlt, indcm nut auf diese Wcisc die schicf- gclegtc Lanzc oder l'araccntcscnnadel den Sack geradc an scincm tief,~tea Ende trifft. Der schmalc gelbe Strcifen, dcr nach der ErSffnung im Grund dcr lii)hle noch zu- rfickbleibt, bcdingt sicherlich tin unauflmltsamcs Fort- schrciten rcsp. Wicderkcbrcn des Prozesscs. Ich habe dies mehr wic einmal, anfangs unwillkiirlich, spitter ex- perimcntell, crfahrcn. - - Ist mit dcr Er6ffnung der vor- dcren Abscesswand (lie Communication mit der vordcren Kammcr nicht so hcrgestcIlt, (lass dcr humor aqueus frei abfiiesst, wie dies bei den Fistelabscesscn dcr ]:'all, so ~ird die Lanze so wcit vorgeftihrt, his auch die bin- tore Wand perforirt ist und der nachstrSmende humor aqueus (lic II0hle rein ausspiilt. Die Spaltung auf die ebcn angcbcne Wcisc is abcr in den allcrmcisten ]:'allen nicht ausreichend, sondern mehr noch, wic fi'tiher, ist cs bier nothwendig, die Ritnder w~thrend des Ausziehens der Lanzc aufzuschlitzen, was besonders da ausgiebig ge- schehcn muss, wo der Rand unglcichm~tssig, sinuSs und

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buchtig ist. Im Falle des Vorhandenseins einer Abscess- membran soll die gemachte Spaltung auch stets zur Ein- fiihrung der Pincette und Extraction der Membran aus- reichend sein. Ein Druck- oder Schlussverband, hSchstens noch einige Tropfen Atropinsolution bei kraterf(irmigen inneren Geschwtiren, bringt in wenigen Tagen, selbst bei Patienten, welche man ohne klinische hufsicht in ihrcn Wohnort cntl~tsst, die erwiinschte IIeilung zu Stande. Die seit pr~tciser Durchftihrung dieser Behandlung yon mir hiernach beobachteten Leucome und Obscurationen haben mich zur Ansicht gebracht, class innerc Substanz- verluste yon der Hornhaut viel besscr ertragen, viellcicht vollkommener regenerirt oder wic sonst ausgeglichen werden und so die Transparenz derselben nicht so aus- gedehnt beeintr~ichtigen, als solche auf der ~tusseren Oberfiitche; obgleich ich auch die, oberfi~tchlichen Ge- schwiiren folgenden Trtibungen nicht mehr so ausgedehnt sah, seitdem ich nach Professor v. Gri~fe's Vorschlag die gehobene Decke tier oberfiiichlichen Abscesse sogleich mit dela Davierschen LSffel abschtirfe.