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~'II, Aos der Universit~tsohrenklinik zu Ttibingen. I. Ein bomerkenswerther Fall yon ausgedehnton Blutleiter- erkrankungen nach $ittelohreiterung. Yon Dr. Hftlseher~ k. wiirttembergischer Oberarzt, commandirt zur Universit[tt. (Mit 4 Abbildungen.) Krankengeschichte. Georg G., 21 Jahre alt, Dienstknecht. Aufgenoraraen 26. October 1900~ gestorben 1. Dezeraber 1900. A n a m n e s e. Patient ]eider seit Jahren an chronischer Mittelohreiterung rechts, deren Ursache unbekannt ist. Behandelt wurde das Leiden nie. Der Eiter hat imraer sehr schlecht gerochen. Vor aeht Tagen traten lol6tzlich ohne besondere Ursaehe heftige Schmerzen hinter dem 0hr auf, die iraraer str~rker wurden. Seit 3 Tagen kamen heftige Kopfschraerzen and Schwindel bei schnellen Bewegungen hinzu, so dass Patient sich zu Bett legea rausste. Vorgestern und gestern butte Patient ira Bert einen heftigen etwa 10 Ninuten dauernden Sehfittelfrost mit folgendem Fieber. In den letzten Tagen sind auch Schmerzen am ttals herunter aufge- treten. Gestern wurde tier Arzt zum erstenraale zugezogen, der die sofortige gerbringung in die Klinik anordnete. Status, ll Uhr Morgens. Krii, ftig gebauter, rnuskulSser junger Mann yon krankem Aussehen. Teraperatur 39,3 °, Puls 112 regelrai~ssig, raittelkr~ftig. Der Kopf wird nach vorne gebeugt gehalten, Drehen nach tier erkrankten SeRe nnd Streeken wegen Schmerzhaftigkeit nicht raSglich. Unten urn den Warzenfortsatz, besonders nach hinten starke Schwellung und Druckempfind- lichkeit. Der Warzenfortsatz selbst ist weniger betheiligt and die hintere Ohrfalte ist nicht verstrichen. Im Gehiirgang ist kein Eiter. Die hintere Wand ist so stark vorgebaucht, dass der Geh6rgang bis auf einen ganz schraalea Spalt versehlossen ist. Operation, 4 Uhr Nachraittags, Dr. HSlseher. Aethernarkose. Puls vorher 76. Hautschnitt l Querfinger breit hinter dera Ohr, oben bogenf6rraig, naeh unten gerade tiber die Mitte der Spitze herab. Bei der AblSsung des Periosts nach vorne quillt yon unten her unter starkem Druck rnassenlaaft stinkender Eiter rait Cholesteatoraraassen unter- raischt heraus. Aufraeisselung auf Antrum und PaukenhShle zu. Der Knochen ist iiber- aus hart und dick. gon hinten her vollsti~ndige Freilegung yon Antrum und Paukenh6hle. In der letzteren finder sich ein nach hinten und oben ausge- breitetes etwa klein kirschgrosses Choiesteatora, welches rnit dera scharfen L6ffel vollstf~ndig entfernt wird. Nach hinten gegen den Sinus zu erscheint der Knochen glatt und fest. Die Warzenspitze wird bis aaf die hintere Seite vollst~ndig entfernt, wobei noch zieralieh viel Eiter abfliesst. Beira Abl6sen

Ein bemerkenswerther Fall von ausgedehnten Blutleitererkrankungen nach Mittelohreiterung

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~'II,

A o s der U n i v e r s i t ~ t s o h r e n k l i n i k zu T t i b ingen .

I .

Ein bomerkenswerther Fall yon ausgedehnton Blutleiter- erkrankungen nach $ittelohreiterung.

Yon

Dr. Hftlseher~ k. wiirttembergischer Oberarzt, commandirt zur Universit[tt.

(Mit 4 Abbildungen.)

K r a n k e n g e s c h i c h t e .

Georg G., 21 Jahre alt, Dienstknecht. Aufgenoraraen 26. October 1900~ gestorben 1. Dezeraber 1900.

A n a m n e s e. Patient ]eider seit Jahren an chronischer Mittelohreiterung rechts, deren Ursache unbekannt ist. Behandelt wurde das Leiden nie. Der Eiter hat imraer sehr schlecht gerochen. Vor aeht Tagen traten lol6tzlich ohne besondere Ursaehe heftige Schmerzen hinter dem 0hr auf, die iraraer str~rker wurden. Seit 3 Tagen kamen heftige Kopfschraerzen and Schwindel bei schnellen Bewegungen hinzu, so dass Patient sich zu Bett legea rausste. Vorgestern und gestern butte Patient ira Bert einen heftigen etwa 10 Ninuten dauernden Sehfittelfrost mit folgendem Fieber.

In den letzten Tagen sind auch Schmerzen am ttals herunter aufge- treten. Gestern wurde tier Arzt zum erstenraale zugezogen, der die sofortige gerbringung in die Klinik anordnete.

S t a t u s , l l Uhr Morgens. Krii, ftig gebauter, rnuskulSser junger Mann yon krankem Aussehen. Teraperatur 39,3 °, Puls 112 regelrai~ssig, raittelkr~ftig. Der Kopf wird nach vorne gebeugt gehalten, Drehen nach tier erkrankten SeRe nnd Streeken wegen Schmerzhaftigkeit nicht raSglich. Un ten urn den Warzenfortsatz, besonders nach hinten starke Schwellung und Druckempfind- lichkeit. Der Warzenfortsatz selbst ist weniger betheiligt and die hintere Ohrfalte ist nicht verstrichen. Im Gehiirgang ist kein Eiter. Die hintere Wand ist so stark vorgebaucht, dass der Geh6rgang bis auf einen ganz schraalea Spalt versehlossen ist.

O p e r a t i o n , 4 Uhr Nachraittags, Dr. H S l s e h e r . Aethernarkose. Puls vorher 76. Hautschnitt l Querfinger breit hinter dera Ohr, oben bogenf6rraig, naeh unten gerade tiber die Mitte der Spitze herab.

Bei der AblSsung des Periosts nach vorne quillt yon unten her unter starkem Druck rnassenlaaft stinkender Eiter rait Cholesteatoraraassen unter- raischt heraus.

Aufraeisselung auf Antrum und PaukenhShle zu. Der Knochen ist iiber- aus hart und dick. gon hinten her vollsti~ndige Freilegung yon Antrum und Paukenh6hle. In der letzteren finder sich ein nach hinten und oben ausge- breitetes etwa klein kirschgrosses Choiesteatora, welches rnit dera scharfen L6ffel vollstf~ndig entfernt wird. Nach hinten gegen den Sinus zu erscheint der Knochen glatt und fest. Die Warzenspitze wird bis aaf die hintere Seite vollst~ndig entfernt, wobei noch zieralieh viel Eiter abfliesst. Beira Abl6sen

Fall yon ausgedehnten Blut]eitererkrankungen ~ach Mittelohreiterung. 11t

des Periosts nach hinten starke Blutung aos dem Emissarium mastoideum~ die auf Tamponade steht. Unterhalb der Warzcnspitze hinter den Muskel- ans~tzen massenhafter Eiter. Spaltung tier hinteren Gehhrgangswand, Jodo- formgazetamponade, trockener Verband. Dauer I Stunde.

27. October. Morgens Allgemeinbefinden gut, Puls 78, Temperatur 38,5 °. Abends Puls 68, Temperatur 40,0 ° ,um 9 Uhr Schiittelfrost.

28. October. Puls 68, Tempera~ur 37,6. Um 9 Uhr heftiger Schfittel- frost, die Temperatur steigt in 1/4 Stunde auf 41,0. Der Pu l s wird u ich t be sch l eun ig t .

O p e r a t i o n , 10 Uhr 30 Min. Vormittags, Dr. Honsell . Aethernarkose. Unterbindung der Vena jugularis interna in der Hhhe des unteren Schildknorpel- randes. Die Vene enth~lt nur wenig Blur, jedoch ist an ihr nichts Krankhaftes zu finden, deshalb einfache Durchtrennung zwischen doppelter Seidenunterbindung. Nach der Unterbindung ftillt sich die Vene nicht stgrrker. Die ganze Hautwunde wird bis auf eine kleine Oeffnung unten ffir einen Jodoibrmgazestreifen geschlos- sen. flautschnitt nach binten senkrecht auf dem urspriinglichen. Abl0sung des Periosts nach oben und unten, wobei wieder starke Blutung aus dem tampo- nirten Emissarium erfolgt. Hinter dem Warzenfortsatz Eiter. Abtragung des Knochens mit Hammer und Meissel, bis der Sinus sigmoideus freiliegt, dann weiteres Abtragen mit der Zange, bis der Sinus etwa 2 cm lang freiliegt. Die Sinuswand erscheint in der unteren Hgdfte schmutzig verfhrbt und pulsirt nicht. Spaltung der Lhnge nach. Unterhalb des Emissarium mastoideum eitrig verf~rbter aber noch ziemlich fester Thrombus, der sich leieht mit dem scharfen Lhffel entfernen lhsst. Aus dem oberen Sinusabschnitt eriblgt hierbei eine ziemlich starke Blutung, die auf Tamponade leicht stcht. Abtraguug der Sinusr~nder. Jodoformgazetamponade des Sinus. In den Hautschnitt zwei Ni~hte. Trockener Verband. Puls und Athmung blieben whbrend der ganzen Dauer der Operation gut. Abends Befinden gut, kein Schfitte]frost mehr; Puls 78, Temperatur 38,8 °.

29. October. Aligemeinbefinden gut, Puls sehr langsam 54-56, kri~ftig, gespannt.

30. October. Pu]s unver~ndert ]angsam. Wechsel des oberfi~chlichen Verbandes. Die Tampons, die ]iegen bleiben, sind trocken.

31. October. In der Nacht Kopfweh. Puls 53. Stuhlverhaltung. Ab- fiihrmittel. Die Kopfschmerzen dauern den Tag fiber an.

1. November. Verbandwechsel. Die Tampons sind sehr hart und trocken. Keine Blutung aus dem Sinus mehr. Nach Entfernung der Tampons Auf- hhren der Kopfschmerzen, Puls ~Nachmittags 64.

4. November. Puls ganz normal. Patient steht auf. 11. November. Seit gestern continuiriiches Ansteigen der Temperatur,

siehe Curve. Patient klagt fiber Stirnkopfschmerzen. Augenspiegeluntersuchung durch Privatdocent Dr. G r u n e r t ist negativ. Die rechte Pupille ist etwas er- weitert, reagirt aber gleich gut wie die linke. An der Wunde nichts Besonderes.

12. November. Anhaltende Temperatursteigerung. Vidalsche Reaction (Dr. Diet r ich) negativ. Verstopfung. Auf Bitterwasser Stuhlgang. An den Lungen nichts nachweisbar. Der Leib ist etwas druckempfindlich, der Kopf- schmerz ]~sst nach.

14. ~ovember. Auf den Lungen leichte eatarrhalische Erscheinungen. Milzvergrhsserung nachweisbar. Wegen Typhus-Verdacht yon der mcdi- cinischen Klinik fibernommen.

i% November. Die Temperatur ist seit gestern yon selbst wieder ab- gefallen. Patient hat keine Klagen. Beim Verbandwechsel nichts Besonderes.

19. November. Da Typhus ausgeschlossen ist, Wiederaufaufnahme. Abends 37,8 °.

20. November. Morgens 39,3 °, Pu]s 99. Keine Schmerzen. Verband- wechsel. Dem oberen Sinusende entsprechend kleine verfi~rbte Stelle, die Sonde dringt vorsichtig etwa 2 cm ein und bringt am Knopf ctwas dicken Eiter mit.

O p e r a t i o n , 3 Uhr Nachmittags, Dr. Hhlscher . Chloroformnarkose. Hautschnitt nach hinten in der Richtung des frtiheren Schnitts, Abliisung des Periosts. Hierbei so starke Blutung, die weder durch Tamponade noch dutch

112 VII. HOLSCHER

Fassen einzelner Gef~sse steht, dass ein weiterer Eingriff aufgegeben werden musste. Tamponade I fester Verband.

21. November. Hohes Fieber, gegen .~_bend heftiger Schflttelfrost, Puls 1371 klein. Allgemeinbefinden schlecht.

22. November. O p e r a t i o n , 8 Uhr 30 Min. Morgeus, Dr. H S l s e h e r . Chloroformnarkose. Nach Entfernung der Tampons nur schwache Blutung, Wegnahme des Knochens nach hinten mit Meissel und Zang% so dass vom Ohr aus eine im ganzen 4 Querfinger lunge und 11/2 breite Lticke entsteht. Der Sinus ist eitrig verf~rbt und pulsirt nicht. Spattung der vorderen Wand nahezu in der ganzeu Lhnge I wobei sich ziemlich viel Eiter und Blur eat- ]eert. Von hinten her ziemlich starke Blutung 1 die auf Tamponade steht. Der hintere Sinustheil erscheint gesund. Auskratzung alles Krankhalten mit dem scharfen LSffel. Der erSffnete Sinustheil wird durch Tampons auseinander- gehalten. Trockener Verband. Pu]s frequent I gut. Temperatur Abends 3973%

2:5. November. Morgens 3811°I Puls 80. Allgemeinbefiuden gut, Appetit gut. Keine Kopfschmerzen. Verbandwechsel. Die Tampons sind nur mi~ssig blutlg durchfeuchtet. Vorne noch kleiue eitrig infiltrirte Stelle, sonst kein Eiter mehr. Von hinten her keine Bhtung. Feuchter Verband.

24. November. Andauer des Fiebers, Puls gut. Aus tier hinteren Sinus- 6ffnung quillt pulsirend etwas Eiter heraus. Spaltung der vorderen Wand bis zum Knochenrand, wobei keine Blutung erfolgt. Lockere Tamponade, feuchter ¥erband. Das Sensorium ist vollst~nd]g frei. Die rechte Pupille erscheint noch mi~ssig erweitert I beide Pupitlen reagireu auf Lichteinfall gleichm[~ssig.

25. November. Patient kl~gt fiber Schmerzen im Hinterkopf. Im Ver- band ist nur wenig Eiter. Aus dem hinteren Sinusabschnitt, direct am Knochenrand quillt unter Pulsation m~ssig Eiter heraus. Die Sonde dringt yore Sinusboden nach abw~rts in die Tiefe. Lockerer feuchter Yerband. Wechsel des Ohrverbandes, gute Epidermisirung. Patient klagt Nachmitt~gs aber heftige Kopfschmerzen. Temperatur 4010°, Puls 130. Naeh kbnabme des ¥erbands, in welchem kein Eiter ist, erscheint der Sinus v611ig zu- sammengedrtickt.

O p e r a t i o n , 4 Uhr 45Minuten Nachmittags, Dr. H S l s c h e r . Chloro- formnarkose. In die Fistel wird eine Sonde eingeftihrt, worauf Eiter heraus- quillt. Nach unten and hinten zu wird ein 3 Marksti~ck grosses Knochenst•ek mit Meissel und Z~nge entfernt. An Stelle der Sonde wird die Hohlsonde eingefi~hrt, in deren Ritle sofort Eiter hochsteigt. Auf der Sonde Spaltung der Duff, wobei nur ganz wenig Eiter abfliesst. Die Dura ist kolossal schwartig verdickt, die Rgnder des etwa 1 cm langen Schnitts klaffen und lassen das Kleinhirn hervortreten. In den l-[~nderu des Schnitts spritzea einige Gefhsse, dereu Unterbindung wegen der morschen und briichigen Be- schaffenheit der Dura schwierig ist. Ein weiterer Abscess ist bei vorsich- tigem Sondiren nicht zu finden. Feuchter Verband. Withrend der tieten Narkose ist der Puls langsam und gespannt, etwa 60, beim Erwachen wieder Fieberpuls.

26. November. Andauer des Fiebers. Morgens Puls 88, fiatternd. Mehrere Schwgcheanfalle. Patient ktagt fiber i-linterkopf- und l~aeken - schmerzen. Die Nackenwirbel sind druckempfindlich. 2 mal Erbrechen. Mittags Puls besser, 120 regelm~ssig. Die Darn sieht besser aus wie gestern, der Sinus erscheint nur wenig eitrig infiLtrirt. Kein Eiterabfluss. Kleinhirn- punktion durch Professer Hofmeister negativ. Das Sensorium ist v611ig frei, Appetit gut, Stuhlgang geregelt. Abends Puls 120, Klagea tiber Schmerzen im Hinterkopf. Eisbeutet.

28. November. Andauer des Fiebers. Morgens Puls 120, krhftig. Mehr- fach Schw~cheanf~lle. Die Empfiudlichkeit ist herabgesetzt. Patient ist be- nommen, zi~hlt Finger falseh und reagirt nut beim Aufrichten des Kopfes und Druck auf 5[acken und Hinterkopf.

Um 12 Uhr Krampfanfall, beginnend im rechten Bein, der gauze KSrper wird ergriffen, jedoch die rechte lcI~lfte starker wie die tinke, besonders deutlich am Facialis. Dauer des Anfalls etwa 2 Minuten, worauf derselbe in umgekehrter Reihenfolge, wie er begonnen hat, wieder aufh6rt. Wiihrend

Fall yon ausgedehnten Blutleitererkrankungen nach Mittelohreiterung. 113

des Anfalls starke Speichelsecre- tion, die auch nach dem AufhSren des Anfalls andauert.

Nach dem Anfall deutliche Li~hmung der ganzen reehten KSr- perh~ifte, die linken Extremit~ten werden bewegt. Mehrfache Punc- fionen des rechten Grosshirns durch Professor Hofmeister sind negativ. Beim Aufheben des Kopfes Reaction wegen ~ackenschmer- zen. :Nachmittags Stuhlabgang ins Bett. Eingefl0sste Nahrung fliesst grOsstentheils wieder ab.

Starke Speichel- and Schleim- secretion. Patient ist audauernd somnolent. Puls ist abends kr~f- ~ig, 110.

29. November. Im Laufe der vergangenen Nacht 7 Anf~lle. Der Puls ist noch kr~ftig, ll0. Patient reagirt auf nichts mehr und ist ganz benommen. Abends starkes Sehleimrasseln in der LuftrShre und Erstickungsanf~lle.

Aufli~ngeres Kitzelnim Schland Entleerung einer Menge z~hen Schleims. Ipecacuanha. Wickel. Puls gut, 120. b~aekensehmerzen, deatlich ausgesprochene Nacken- starre. Zunehmende Schw~ehe. Beide Pupillen g!eich weit. Nur wenig flt~ssige Nahrung wird auf- genommen, das meiste fliesstwie- tier ab. Die rechte K6rperhi~lfte ist deatlich geli~hmt, die linke wird et~vas bewegt.

30. :November. In der Naeht noch 2 Anf~lle, wieder in den Bei- nen beginnend und etwa 2 Minu- ten dauernd. Der Puls ist flat- ternd, 120, zeitweise wieder kri~f- tiger. Der rechte Facialis zuckt andauernd. In den Extremithten rechts wieder etwas active Span- nung. Patient ist den gauzen Tag benommen und lhsst den Stuhlgang unter sieh gehen. Abends kommt vortibergehend das Bewusstsein and die Bewegungsf~higkeit der rechten Seite wieder. Starkes Schteimrasseln, der Schleim ist nicht mehr herauszubringen.

In der Nacht noch 2 Krampf- anfMle, um 4 Uhr 30 Min. Mor- gens exitus.

Sec t i onsbe fund . Hinter dem reehten Ohr fin-

(let sich eine etwa ~/~ ttandteller- grosse Operationswande mit De-

A r c h i v f. 0 h r e n h e i l k u n d e , L I I . B 4 .

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114 VII. HOLSCHER

fect im Sch~delknochen und zackigen, unregelm~ssigen R~ndern. Der Grund der Wunde ist eitrig be]egt, I-]irnsubstanz sieht nicht hervor. Beim Ab- 15sen des Sch~deldachs quillt ~m Verlauf des Sinus longitudinalis superior stellenweise eitrige Flfissigkeit beraus. Die Dura lhsst sich fiber dem Stirn- lappen mit Mfihe, fiber den fibrigen Theilen des Gehirns fiberbaupt nicht in Falten aufheben~ ihre Oberflhche erscheint glatt. Beim Abl0sen tier Dura zeigt sich deren innere Flache entsprechend den medialen Theilen des linken Hinterhauptlappens am Uebergang in die Plica falciformis mit eitrig fibrinSsem Belag, der aber nur fleckenweise auftritt, bedeckt. Im fibrigen ist die Unterseite der Dura glatt. Die Venen der Grosshirnconvexit~t sind ziemlich stark mit B]ut geffillt, beim Ablfsen der Plica falciformis zeigen sich vielf~ch drehrunde Tbromben in denseiben. Die Pin mater der Con- vexit~.t ist spiegelnd glatt und durchsichtig. Die Arachnoida]r~me sind nieht fiber das gewGhnliche Mass m[t klarer ].~'lfissigkeit geff~llt; die Windungen und Furchen sind gut ansgebildet. An tier Hirnbasis ist die Umgebung des Chiasma and zwar yon dem Abgang tier Olfaetorii an bis zum Pons bedeckt mit fibrinGs eitrigen Massen yon grfinlich-gelber Farbe, welche die normalen Conturen der Gegend vollst~ndig verwischen. Die darin eingebettete Arteria basilaris ist an ihrer Theilung in die beiden Arteriae protundae ausgefall~ yon einem rGthlich grauen brGekligen, tier Wand festhaftenden Thrombus, der sich in gleicher Beschaffenheit in die linke Arteria profunda hinein fort- setzt, wahrend die reehte angeffillt ist yon einem drehrunden rothen Thrombus, tier ein frischeres Aussehen darbietet.

Diese eitrigen Auflagerungen setzen sich in die Fossae Sylvii nicht fort, dagegen greifen sie auf der linken Seite um die Grosshirnstiele herum und gehen in eine Auflagerung yon gleicher Beschaffenheit fiber, welche die vorderen Theile des Wurms, die benachbarten Theile der Kleinhirnhemi- sph~ren, sowie die darauf lagernden Partien der Gr0sshirnhemisph~ren aberzieht. Auf der rechten Seite finder sich diese Auflagerung nicht.

Beim Durchschneiden der linken Grosshirnhemisphhre findet sich im Hinterhauptlappen, and zwar dort, wo sich der Balken an den medialen Theil ansetzt, ein beinahe hahnereigrosser Abscess, der mit schmierigen grfin]ich- gelben, nekrotisch eitrigen Massen yon foetidem Geruch erfallt ist. Dieser Abscess ist medialwhrts durehgebrochen und communicirt mit den eitrig-fibri- n~sen Auflagerungen fiber dem Niveau der Vierhfigelgegend. Nach ~nnen kann man yon dem Abscess aus mit LeichtJgkeit dnrch breiartig erweichte Hirnsubstanz in das Unterhorn mit einer Sonde hineingelangen, eine directe freie Communication besteht jedoeh nicht. Nach hinten zu zeigt der Abscess eine etwas deutlichere Abgrenzung gegen die Umgebung und Andeutung einer Abscessmembran, whhrend die Abscessh6hle im weitaus grSssten Theile ihres Umfangs yon erweichter rSthlich-grauer Gehirnsubstanz eingeschlossen ist und keine scharfe Begrenzung zeigt. ]n diesen erweichten Partieen nnd deren~ Umgebung zerstreut finden sich kleine punktfGrmige Blutungen.

S~mmtlicbe ¥entrikel erscheinen in geringem Grade erweitert und sin~ mit einer leicht getrfibten serGsen Flfissigkeit geftil]t, ihr Endym ist fiberall glatt und z~rt.

Durchsehnitte durch die tlirnsubstanz zeigen eine etwas vermehrte Feuchtigkeit und nur wenig erhShten Blutgehalt.

Der Sinus longitudinalis superior ist in ganzer Ausdehnung erffillt mit einem tier Wand anhaftenden theils graurGthliehen, theils gelblich gef~rbten Thrombus, der vielfach eitrig erweicht ist, Dieser Thrombus setzt sich in die abgehenden Venen der Convexit~t fort. Von einem gleich beschaffenen Thrombus ist der Sinus transversus dexter erftillt; dieser Thrombus steht in Verbindung mit den ira Grunde der Operationswunde beschriebenen schwar- tigen tier Data fest anhaftenden Massen.

Der linke Sinus transversus ist nur etwa 1 cm welt yore Confluens Sinuum an thrombosirt, ]m weiteren ¥erlauf jedoch frei. Er erscheint auf- fallend klein und enthMt kein Blur. Die Vena magna Galeni und der Sinus tentorii sind gleiehfalls mit Thromben verstopt~, die sich his in den Anfangs- theil der Plexi ehorioidei hinein verfolgen lassen. In gteicher Weise sind die zum Hinterhauptsloch hinabffihrenden Venen und die Sinus petrosi throm-

Fall yon ausgedehnten Blutleitererkrankungen nach Mittelohreiterung. 115

bosirt. Im linken Sinus cavernosus finder sich in der ~ussersten Spitze ein etw~ haselnusskerngrosser Thrombus, der zur H~lfte eitrig erweicht ist. Im abrigen ist der Sinus jedoch frei und enth~lt etwas fltissiges Blur. Der rechte Sinus eavernosus ist frei.

In beiden Lungen in den Unterlappen faustgrosse pneumonische Herde yon grauer und tother Hepa.tisation. Auf den Dachschnitten quillt 0.befall massenhaft dicker zhher Schleim heraus.

Die Ursaehe der Sinusthrombose war hier wie in den meistea F~tllen eine lang dauernde, g~tnzlich vernachliissigte, ehronische Eiterung. Patient kam in ganz elendem Zustand zur Klinik und wurde wegen der schweren Erseheinungen noch an dem- selben Tage operirt. Bei der ersten Untersuehung wurde gleich der Verdacht auf Betheiligung des Sinus sigmoideus erweekt, da~ die reifartige 8ehwellung unten um den Warzenfortsatz herum den Eindruek machte, als sei sic infolge eines Eiterdurchbruehs aus dem Emissarium mastoideum entstanden. Der Anfangsbefund bei der Operation, ein sclerosirter Warzenfortsatz ohne Fistel~ bcst~rkte diese Ansicht nocb mehr~ doch sprach die starke reine Blutung aus dem Emissarium gegen eine Entstehung des Abs- cesses auf diesem Wege. Zudem war der Knochen gegen den Sinus zu fest und gesund, insbesondere war eine Fistel nicht zu finden. Der suhperiostale Abscess um die Spitze herur~ schien vielmehr in Folge einer Eitersenkung yon der hinterea GehSrgangswand her entstanden zu sein.

Da sicb bei tier Operation keinerlei Anhaltspunkte ftir eine Sinusthrombose ergaben, wurde vorlttufig noch yon einer Frei- legung des Sinus Abstand genommen. Die SchiittelfrSste an den beiden n~tchsten Tagcn mit dem jiihen Anstieg tier Temperatur um 31/2 o machten das ¥orhandensein einer Sinusthrombose zur Gewissheit, weshalb sofort die Operation vorgenommen wurde.

Der Thrombus sass ganz unten im Sinus sigmoideus unter- halb yore Emissarium mastoideum, und aus dem augenscheinlich gesunden oberen Sinustheil erfolgte eine ziemlieh kriiftige reine Blutung. Eine weitere Freilegung des Sinus ersehien des- halb unnSthig. Aufgefallen ist allerdings, dass die Blutung nicht in einem so starken spritzenden Strahl, wie in anderen F~ille~ erfolgte.

Als Ursache ftir die Entstehnng tier Thrombose mSchte ieb eine Infection des Sinus yon dem subperiostalen Abscess an der Aussenfl~iehe der SchCidelbasis durch eine kleine Ltlcke in der • Naht, wie man sic aueh hiiufiger an macerirten Sch~deln sieht~ annehmen. Fiierftir wtirde ausser dem Knoehenbefund aueh der tiefe Sitz des Thrombus gerade fiber dem Abscess spreeben.

8"

116 VII. H()LSCHER

Auffallend war, dass trotz dsr grossen Weits des Lumens die obere Sinuswunde sehon am 5. Tag'e so lest vsrklebt war, dass aueh bsim AblSsen der barren Tampons keins Blutung mehr erfolgte.

Der Erfolg der Jugularisunterbindung war ausg'ezsiehnet. Der prompts Tsmperaturabfall am ni~ehsten Msrg'en war nach dem j~hen Anstieg am Operationstags um so fi-appanter.

Aus dem Material der Klinik mSehte ieh 2 Tempsratur- curven yon gleiehfalls mit Unterbindung der Jug'ularis behan- delten F~llsn zum Verglsieh hinzufiigen.

C u r v e 2 zu B.

~16. 8. 9. 10. H . 12. 13. ,~ Kr. Tag.

1. 2. B, 4. 5. 6. ~. 4:~,0 . . . . . .

41~0

40,0

39,0

38,0

3"/,0

36,0 ; Operation und Jugalaris-

unterbln0_ung

C u r v e 3 zu J .

d, .q]ll. 10. I I . 12. 13. 14. 15. 16. 17. Kr. Tag.

1. 2. 3. 4. 5. 6. ~, 8. 9.

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36, " Operation und Jugalarisunterbi ndung

J. wurds am 10. Erkraukungstags operirt. Ursache: Cho- lesteatom. Der Thrombus war sehon jauehig zerfallen~ dis s~hon ergriffene Jugularis wurde ganz exstirpirt. Glatte geilung.

B. wurde am 8. Erkraukungstage opsrirt. Ursaehe: Cho- lesteatom. Der zerfallsns Thrombus reichte his Uber das Knie hinauf. Die noch unbstheiligte Jugularis wurde nur zwisehen 2 Unterbindungen durehtrsnnt. Glatts Heilung. B. versieht seinen Dienst als Postbote ohne Besehwerdsn.

In beidea F~llen wurde wie in unserem Fall der g'anzs Throm- bus entfernt. Uebls Folgsn der Unterbindung haben wir weder bsi den angeftihrten, nosh bei den andersn aa Patienten der Klinik gem~chten Unterbindungen gssehen.

Als am 12. Tags dis Tsmperatursteigsrung begann, fshltsn ulle Entztindungssrsehsinungen an der Operationswnnde und ebenso ~lls Symptoms ftir eine intraeranislle Erkrankung, da* gsgsn bsstand Verstopfung, der Lsib war druekempfindlieh und dis Milz deutlieh vergrSsssrt. Patient wurde deshnlb als typhus- verd~ehtig yon der medieinischsn Klinik tibsrnommen,

Fall yon ausgedehnten Blutleitererkrankungen nach Mittelohreiterung. 117

Am Morgen naeh der Wiederaufnahme in die Klinik wurde als Ursaehe der Temperatursteigerung ein eitrig zerfallener Thrombus im Sinus transversus etwa 2 em nach rttckw~trts fest- gestellt, der vordere Theil des Sinus war leer.

Die starke diffuse Blutung, welche am Nachmittag zur Unter- breehung der Operation zwang, ist jedenfalls als eine Stauungs- erscheinung infolge der Jugularisunterbindung anzusehen.

Wegen der bedrohlichen Erscheinungen wurde trotz der Gefahr einer erneuten Blutnng die Operation am iibern~tcbsten Morgen vorgenommen, die Blu tung war jedoch nut sehr gering. Der Sch~idet wurde bis nahe an das Torcular erSffnet, im Sinus war entspreohend dem frtiheren Befund im vordersten Theil nu r wenig dtinnfltissiger Eiter. Die Hauptmassen des zerfallenen Thrombus sassen welter nach riickwih'ts: bei ihrer AuslSffelung erfolgte aus dem gesund aussehenden hinteren Sinusabschnitt eine ziemlich kr~tftige Blutung. Es war deshalb mSglich, dass die Thrombose noch nicht welter naeh rtickwiirts reichte.

Die ttoffnung erwies sich indessen als falsch. 2 Tage sp~ter quell aus dem hinteren Sinusende pulsirend Eiter horror, wo- durch eia weiteres Aufwi~rtsreichen der Erkrankung sicher ge- macht wurde.

Eine nochmalige Aufmcisselung erschien zwecklos, da der Sinus schon bis nahe an das Torcular geSffnet war, der Eiter Abflnss hatte und noch keine Symptome far eine weitere intra- cranielle Erkrankung vorhanden waren. Schon am nachstea Tage traten die ersten Symptome hierfttr auf; Patient klagte tiber hcftige Hinterkopfschmerzen. Beim Verbandwechsel wurde das Vorhandensein yon Eiter innerhalb der Dura festgestellt, doch war tiber die Ausdehnung des Processes nichts sicheres zu ermitteln. Als wahrscheinlich wurde bei dem Mangel an aus- gesprochenen Symptomen sine umschricbene eitrige Entztindung an der Basis angenommen.

~qachmittags wurde wegen der colossal heftigenKopfsehmerzcn der Verband entfernt. Die Sinusw/inde hatten sich infolge des lockeren Verbands so fcst zusammengelegt~ dass ein Eiterabfiuss unmSglieh war. Da infolgedessen anzunehmen war~ dass die Kopfschmerzen die Folge einer Eiterstauung waren, win-de eine ausgedehnte Resection des Knochens gemaeht: um den Abscess aufzusuehen. Bei der Spaltung der schwartig verdickten Dura floss aber nut so wenig Eiter ab, class es unwahrseheinlich schien, dass hiervon allein die heftigen Sehmerzen entstanden

118 VII. HOLSCHER

seien. Jedoeh sah der vorliegende Kleinhirntheil gesund aus, und eine weitere Eiteransammlung war nieht zu finden. Naeb dem Operationsbefund war also eine umsebriebene Eiterung nieht auszusehliessen.

Ein weiteres Eindringen aufs Gerathewohl erschien bei dem Fehlen ausgesproehener tterdsymptome nieht angezeigt, zudem war der Seh~tdel jetzt soweit erSffnet, dass die hintere Seb~del- grube bequem zug~tngig war und etwa noeh vorhandener Eiter freien Abfluss haben konnte.

Der Eingriff wurde gut iiberstanden, braehte aber keine Besserung. Im Gegentheil kamen am niiebsten Tage weitere Symptome, Erbreehen und Naekensehmerzen, hinzu. Yon Professor H o fme i s t e r vorgenommene Kleinhirnpunetionen waren negativ, was fiir eine Ausdehnung der Meningitis spraeh. Die 5rtliehen Entziindungsersebeinnngen batten abgenommen.

Am 28. November traten zum erstenmale StSrungen des Sensoriums auf.

Der erste Anfall wurde yon Professor W a g e n h t t u s e r und mir beobaehtet nnd bet auf der HShe ganz das Bild eines epi- ]eptischen Anfalls, wie wires im Sommer 1900 iihnlieb bei einem Gehirnabseess im Seheitellappen gesehen hatten. Die Zuckungen erstreckten sich auf den ganzen KSrper und waren beiderseits so stark, dass es sich ~nf keiner Seite um einfache Reflex- zuekungen handeln konnte. Reehts, der gesunden Seite ent- spreebend, w~ren sic sogar deutlich st~irker besonders im Facialis- gebiet, und w~brend naeh dem Anfall dis linken Extremi~iiten bewegt werden konnten, blieben die rechten vSllig gelithmt. Aus dem besehriebenen Verhalten war nur zu entnehmen, dass die Erkrankung aueh auf die linke Gebirnhitlfte tibergegangen war, fiber die Loealisation oder die Art der Erkrankung gab es jedoeh durchaus keinen Aufsohluss. Als wahrscheinlieh war eine Aus- dehnung der Meningitis auf die linke Grosshirnbasis anzunebmen, doch war eine Entstehung der Kriimpfe dureh Reizung an der Medulla oblongata oder dureh einen Grosshirnabseess nieht aus- uusehliessen. Von einem operativen Eingriff auf der linken Seite wurde abgesehen, weil er bei der unsicheren Localisation doeh keine Aussieht auf Erfolg verspraeh.

Die paralytisehe Speichelseeretion dauerte an, bei der Be- nommenheit des Kranken war es nieht mSglich, eine Aspiration :zu verhindern, so class noeh eine ausgedehnte Pneumonie hinzu- ;kam. Die Krampfanfalle wiederholten sieh noch I i real. Naeh-

Fall yon ausgedehnten Blutleitererkraakangen nach Mittelohreiterung. 119

dem am 31. Abends das Bewusstsein und die Bewegungsf/thig- keit der reehten ExtremitAten vortibergehend wiedergekehrt waren, trat in der l'q~eht der Exitus ein.

Dureh die bei der Section gefundene Verengerung des linken Sinus transversus wurde aueh die Erklitrung ftir die beobaehtete Pulsverlangsamung gegeben. Die vor der Operation eingetretene Pulsverlangsamung bei erh5hter Temperatur ist der Ausdruek des infolge Thrombose des weiteren Sinus gesteigerten Hirndrueks. Hieraus 1/~sst sieh aueh in unserem Fall der Eintritt tier vSlligen Thrombosirung ann~hernd feststellen. Bei der Aufnahme um 11 Uhr hatte die Pulszahl 112 der Temperatur 39,50 entsproehen; es war also um diese Zeit der Sinus jedenfalls noeh durehgitngig. 31/2 Stunden sparer war die Pulsfrequenz bei gleiehbleibender Temperatur sehon auf 78 Sehllige heruntergegangen, es muss also inzwisehen das Sinuslumen wenigstens zum grossen Theil verlegt worden sein. Die Stauungserseheinungen wurden noeh ausgepragter, trotz tines erhShten Anstiegs der Temperatur wurde die Pulsfrequenz noeh langsamer und betrug zuletzt bei 410 nur 68 Sehli~ge.

Der Weg der weiteren Thrombosirungen ist hier leieht zu erkl~ren. Yon dem Eiterherd im Sinus transversus ging die Thrombosirung sinerseits naeh rtiekwarts bis zum Toreular und yon hier in den Sinus longitudinalis superior weiter und anderer- seits in den Petrosus superior, yon wo aus die tibrigen Petrosus- und Cavernosus-Thromben entstanden. Eine Entstehung dieser Thromben yon der unterbundenen Jugularis aus, wie sic J a n s e n in einem Falle annimmt, ist hier ausgesehlossen, da bei der Operation und bei der Section an der Jugularis keine krank- haften Ver~nderungen zu finden waren. Der Thrombus im linken Sinus transversus war nech friseh und nieht eRrig zerfallen, w~hrend die in ihn einmtindenden Blufleiter in ihrem ganzen Verlauf mit eitrig zerfallenen Thrombusmassen erftillt waren. Der Thrombus im linken Sinus transversus war also jedenfalls spiiteren Ursprungs, als alle iibrigen, insbesondere aueh als die Thromben in den in ihn einmtindenden Gefi~ssen. Dieses Ver- halten wird sieh wohl nur so erkl~ren lassen~ dass diese GefKsse~ nieht yon dem linken Sinus transversus aus, sondern yon ihren Anastomosen mit den naeh reehts miindenden Blutleitern oder infolge einer dureh die eitrige Meningitis hervorgerufenen Phle- bitis thrombosirt sind, und dass der Thrombus im linken Sinus transversus erst secund~tr yon den in ihn einmiindenden GefKssen

120 VII. HOLSCHER

und nieht dureh directes Uebergreifen veto reehten Sinus trans- versus entstanden ist.

Es wiirde dies anseheinend der Ausieht J a n s e n ' s ent- sprechen~ dass ein directes Uebergehen yon tier einen auf die andere Seite am Toreular durch bindegewebige Septa verhindert wird. Bei Gienger waren derartige Septa nieht vorhanden, jedoet~ h~tten sie bier dutch die Eiterung zerstSrt sein kSnnen. Bei mehreren Leiehen, die ieh gelegentlieh der Section im hiesigen pathologischen Institut untersuchte, fand sieh eine derartige Trennung beider Sinus nicht~ ein in dan einen Sinus transversus eingefiihrtes welches Boug'ie gelangte stets ohne Gewaltanwendung auf die andere Seite. Es besteht also eine directe Verbindung zwischen den beiden Seiten.

Im Januar 1900 kam in der Klinik ein Fall yon ausge- dehnter doppelseitiger Thrombose des Sinus transversus ohne Betheiligung der tibrigen Sinus zur Operation und Seetion~ aus dessert Krankengesehichte und Seetionsprotokoll ieh kurz das Wichtig'ste anftihren mSehte.

Emilie S , 12i/2 Jahre alt. Aufgenommen 17. Januar 1900, gestorben 26. Januar 1900.

A n a m n e s e . Patientin leidet seit dem 5. Lebensjahr an Ohreiterung rechts nach Masern. Seit 1 Jahr Fistel auf dem Warzenfortsatz. Seit 5 Tagen heftige Schmerzen im Nacken, Erbrechen, Fieber und vor 2 Tagen Schtittelfrost.

S t a tus . Bei der Aufnahme Schtittelfrost~ 89,7 o KOrperwf~rme, Doppelt- sehen. Nachts Schtittelfrost.

Am 18. Januar Nachmittags O p e r a t i o n (ProL H o f m e i s t e r ) . Im An- trum Cholesteatom, Knochen sklerosirt. Fistel ftihrt auf den Sinus~ welcher verff~rbt und thrombosirt ist. Grosser eitrig zerfaliener Thrombus, Ausscha- bung, his oben und unten gesunde Thrombusmassen kommen.

21. 3anuar. Schttttelfrost. Doppelseitige Stauungspapille. 22. Januar. Jugularisunterbindung.

S e c t i o n s b e f u n d . Hinter dem rechten Ohr finder sich ein nahezu handtellergrosser Haut-

defect, welchem ein 61/2 cm breiter und 7--8 cm langer Knochendefect ent- spricht. An der Dura, mit Ausnahme des Defects, nichts Besonderes. Die Geff~sse der rechten Convexitht sind fast leer, links gefiillt. Die weichen Hirnh~ute sind nicht getrfibt. Der rechte Sinus transversus ist im Bereiche der Wunde gespalt~n, im Uebrigen mit gelbem rahmigen Eiter geftillt. Eine kleine cinmfindende Yene aus der hinteren Schi~delgrube ist thrombosirt. Ebenso sind die oberen zwei Drittel des linken Sinus transversus mit einem loekeren eitrigen Thrombus erftillt. Die Ventrikel sind frei, ebenso die iibri- gen Sinus und die linke Jugularis, die reehte ist bis zur Unterbindung throm- bosirt.

Es hat sieh also hier eine auffallend ansgedehnte Thrombose des gesunden Sinus transversus ohne Betheiligung der iibrigea am Torcular einmiindenden Blutleiter auf direetem Wege gebil- det. Dass das Kind so lange gelebt hat, dass sich eine so aus- gedehnte Thrombosirung entwiekeln konnte, ist wohl in erster

Fall yon ausgedehnten Blutleitererkrankungen nach Mittelohreiterung. 12J-

Linie ~uf die breite ErSffnun~ der Sch~delkapsel zurtickzu- ftihren.

Dass in unserem Fall die Thrombosirung" des anderen Sinus transversus so sp~t und nm" secund~r yon den einmUndenden Ge- fassea aus erfolgte~ mSchte ich bei dem Fehlen einer trennende~ Zwischenwand nur durch den Verlauf des Sinus longitudinalis superior erklitren, welcher bier wie in tier Mebrzabl der Fiille ganz in den reehten Sinus transversus iiberging. Die Throm- bosirung erfolgt zuerst in der Richtung des directen Blutstrolas~ also vom Transversus den longitudinalis superior aufwarts. Voa . der linken Seite in unserem F~ll~ oder allgemeiner gefasst, mit der Ricbtung des Blutstroms aus dem Sinus longitudinalis supe- rior wtirde die Thrombosirung leiehter auf die andere Seite tiber- gehen.

Als Eingangsstelle ftir die Infeetionstriiger in das Innere der Dura ist die mehrfaeh erw~hnte Fistel im hinteren Theil des rechten Sinus transversus anzusehen.

Ftir die Entstehung des Gehirnabscesses kommen mehrere MSglichkeiten in Betracht. Aus dem Umstande, dass der Throm- bus in tier linken Arteria profundu eitrig zerfallen und deutlicb ~lter war~ wie tier in der recbten, kSnnte auf eine Entstehung des Abscesses durch einen infeetiSsen Embolus geschlossen wer- den. MSglieh ist ~uch, dass der Abscess yon der im Protokoll' erwiibnten besonders grossen eitrigen Auflageruug tiber den ¥ier- htigeln aus entstanden ist. Der Befund bei der Section spraeh aber mebr flir eine Entstehung des Abscesses im Inneren der Ge- hirnsubstanz mit Durehbrueh naeh aussen.

Die Kr~mpfe sind wohl als Reizungserscheinungen infolg'~ der ausgedebnten Meningitis zu erklitreu. Dass sic rechts stih'ker waren und dass hier auch die Li~hmungen auftraten 7 ist auf die grSssere Ausdehnung des ursachlichen Processes auf der linken Seite in Verbindung mit dem Gehirnubscess zurtickzuftihren.

Ftir die Entstehung der zweiten Thrombose ist die Jugu- larisunterbindung jedenfalls nicht verantwortlich zu machen, da~ infolge der Spaltung und Ausr~tumung des erkrankten Sinus- theils gar keineVerbindung zwisehen dem oberen Sinusabsehnitt und der Jugularis bestand~ und zudem die letztere ganz ge- sund war.

Eine Infection des Sinus beim ¥erbandwecbsel dtirfte wohI auch auszuschliessen seine da er sehon beim ersten Male voll- sti~ndig lest verklebt war~ und ebenso auch eine Infection durch

122 VII. HOLSCHER

yon den Tampons angesaugtea Eiter, da die Wunde gar nicht secernirt hatte und die Tampons ganz trocken waren.

Es bleiben als MSglichkeiten nut eine Infection durch die Tampons beim ersten Verband und eine schon vet der Operation vorhanden gewesene Metastase.

So sehr aueh die erste Entstehnugsart im Bereich der MSg- lichkeit liegt, da bei einem eitrig zerfallenen Thrombus die Wunde nicht aseptisch ist und trotz aller Vorsieht mit einem in den Sinus eingefiihrten Tampon etwas infectiSses Material eingeftihrt werden kann, mSebte ich sie hier doch ausschliessen, da bei einer Infection am offeuen Ende der Sinus nieht so re- aetionslos verheilt ware und sich jedenfalls eine Entztindung oder Eiterung an der Stelle der Infection gezeigt hiitte.

Dagegen sprechen die folgenden Umstitnde daftir, dass sehon bei der Operation eine Metastase an der Stelle, we sp~ter der Thrombus zuerst naeh~ewiesen wnrde, bestanden hat. Die Blu- tung aus dem oberen Sinnsabsehnitt war far die Weite des Ge- fitsses gering und stand sehr sehnell; der Blutznfluss aus dem Sinus petrosus superior und den in den Zwisehenabsehnitt ein- mtindenden Duravenen wtirde vollkommen far die abgeflossene BIutmenge ausgereicht haben. Die periphere SinusSffnung ist infolge des geringen Blutdrueks yon oben so sehncll verklebt, wi~hrend bei normalem Blutdruek tin so weites Gefass wenig'- stens beim AblSsen der angetroekneten Tampons wieder geblutet hittte. Als der Thrombus zum ersten Male nachgewiesen wurde, war der vorderste Sinusabschnitt leer~ weil inzwisehen aueh der Petrosus superior thrombosirt war, und die Sonde kam erst bei tieferem Eindringen auf den Thrombus. Dementspreehend war auch noeh 2 Tage spitter der Operationsbefund. Zudem hat sieh dasselbe Verhalten, dass auf eine thrombosirte zun~chst eine ge- suude Sinusstreeke folgte, spiiter noeh einmal wiederholt.

Ein ~thnliches sprungweises Fortsehreiten der Sinusthrombo- sirung ist auch sonst schon beobachtet worden, besonders inter- essant ist ein yon Bie 1 in No. 1 dcr Monatsehrift fiir Ohrenheit- kunde 1890 besehriebener Fall wegen der grossen gesunden Zwisehenstreekcn.

Der Gang der Erkrankung" w~re naeh den klinisehen Beob- achtungen und dem Seetionsbefund etwa folgender:

In den Tagen veto 9.--16. November erfolgte die Throm- bosirung des Sinus transversus undPetrosus superior. Der Tem- peraturabfall vom 16.--19. ist dutch einen vortibergehenden Still-

Fall yon ausgedehnten Blufleitererkrankungen nach Mittelohreiterung. 123

stand, wie er aueh bei der einfaehen Sinusthrombose bisweilen zu beobachfen ist, bedingt worden. Am 21. ist der Durehbrueh in das Innere der Dura erfolgt, hierftir wtirden wenigstens die Symptome am Abend'des 21, heftiger Sehtittelfrost~ kleiner sehr frequenter Puls und auffallend sehlechtes Allgemeinbefinden spreehen. Die weiteren Thrombosen und der Abscess ]m linken Hinterhauptslappen baben sieh in den folgenden Tagen gebildet.

IL Eine modificirte Operationsmethode ftir otitische Thrombosen

des Sinus sigmoidens. Von

Dr. H~lscher.

Die Gefahr, eine welter rUekw~rts liegende Metast~se zu iibersehen oder den gesunden Sinus dureh den eingesehobenen Tampon zu infieiren, sowie die sehlechte Erfahrung, die in der Klinik bei dem oben angefiihrten Fall Seeger mit dem AufhSren in der anseheinend gesunden Thrombusmasse gemacht worden war, liessen eine ¥erbesserung der bisher geilbten Operations- methoden wtinschenswerth erseheinen.

Zu fo rde rn ist r a d i c a l e Bese i t i gung al les E r k r a n k - ten und S e h a f f u n g e i n e r z u v e r l ~ s s i g a s e p t i s e h e n S i n u s w u n d e sowie F e r n h a l t u n g j e d e r I n f e e t i o n s m S g - l i e h k e i t yon de r s e lben .

Herr Professor H o f m e i s t e r , der unsern Fall G ienger mit dem grSssten Interesse verfolgt hatte, und ieh kamen beide ganz nnabhangig yon einander auf folgendes Verfahren, das anscheinend im Stande ist, den aufgestellten Forderungen zu gentigen.

Ist das Vorhandensein einer Sinusthrombose sicher gestellt, so wird der Sinus tiber das Knie hinaus nach hinten freigelegt, ohne ihn vorher zu er~ffnen. -- Eine Punction zur Sicherung der Diagnose kann unbedenklieh gemacht werden. - - In der l%gel wird es geniigen, etwa 2 em welt tiber das Knie hinaus fi'eilegen. Findet sieh hier nichts Krankbaftes mehr, so wird im zuverlfissig Gesunden nach vorsiehtiger Reinigung mit feuchtem Sublimattupfer ein Langsschnitt in den Sinus gemacht. Jedes Drticken oder Streichen an dem Sinus ist zu vermeiden. Die Blutung wird dureh Compression des Sinus mit sterilem Tupfer oberhalb der Wunde, wodurch zugleich dieWnnde mit verdeckt wird~ gestillt. Darauf wird der Schnitt naeh abwKrts tiber die throm-