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~in Fall yon Amyloid der Conjunctiva bulbi et palpebrarum. Yon Dr. E. Mandelstamm und Stud. Rogowitsch in Kiew. Hierzu Tafel VIII. M.H., aus dem Poltaw'sehen, Frau yon 52 ~ahren, sonst vollkommen gesund, wurde am 1. Dec. 1877 in di~ Universit~tsaugenklinik aufgenommen. Die Untersuchung er- gab am rechten Auge eine enge Lidspalte (25 Mm. breit, beim Oeffnen 5 Mm. hoch), oberes sowohl als unteres Lid hart anzufiihlen, am unteren ein wurstf~rmiger Wall l~ngs dem ganzen Lide, bei foreirtem Abziohen desselben und ttinein- schauen starke, gleichm~ssige Gef~ssinjeetion, durch l~ngliche, weingelbe, subconjunctivale Infiltrate unterbrochen; oberes Lid auf keine Weise umzuklappen, stark entropionirt; bei naeh- traglieh dureh Scheerensehnitt k(instlich erweiterter Lidspalto und Umschlagen gleichm~ssige Gef~ssinjeetion des vordern Drittels der Lidsehleimhaut, die hinteren ~/3 theils narbJg, theils mit sulzigen Infiltraten, yon grauer oder weingelber Farbe, dnrchsetzt. Conjunctiva bulbi stark gewuehert, bildet einen regelmassigen Wall um die Cornea und ragt Qber dieselbe circa 4 Mm. hervor, der Wall ist yon rSthlichgrauem Aussehen, hie uncl da in denselben gelbe, inselfSrmige ]~assen eingesprenkelt; yore Hornhautrande bis zur Uebergangsfalte einerseits, andererseits bis zum ausseren uncl inneren Augen-

Ein Fall von Amyloid der Conjunctiva bulbi et palpebrarum

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Page 1: Ein Fall von Amyloid der Conjunctiva bulbi et palpebrarum

~in Fall yon Amyloid der Conjunctiva bulbi

et palpebrarum.

Yon

Dr. E. M a n d e l s t a m m und Stud. R o g o w i t s c h in Kiew.

Hierzu Tafel VIII.

M.H. , aus dem Poltaw'sehen, Frau yon 52 ~ahren, sonst vollkommen gesund, wurde am 1. Dec. 1877 in di~ Universit~tsaugenklinik aufgenommen. Die Untersuchung er- gab am r e c h t e n Auge eine enge Lidspalte (25 Mm. breit, beim Oeffnen 5 Mm. hoch), oberes sowohl als unteres Lid hart anzufiihlen, am unteren ein wurstf~rmiger Wall l~ngs dem ganzen Lide, bei foreirtem Abziohen desselben und ttinein- schauen starke, gleichm~ssige Gef~ssinjeetion, durch l~ngliche, weingelbe, subconjunctivale Infiltrate unterbrochen; oberes Lid auf keine Weise umzuklappen, stark entropionirt; bei naeh- traglieh dureh Scheerensehnitt k(instlich erweiterter Lidspalto und Umschlagen gleichm~ssige Gef~ssinjeetion des vordern Drittels der Lidsehleimhaut, die hinteren ~/3 theils narbJg, theils mit sulzigen Infiltraten, yon grauer oder weingelber Farbe, dnrchsetzt. Conjunctiva bulbi stark gewuehert, bildet einen r e g e l m a s s i g e n W a l l um die Cornea und ragt Qber dieselbe circa 4 Mm. hervor, der Wall ist yon rSthlichgrauem Aussehen, hie uncl da in denselben gelbe, inselfSrmige ]~assen eingesprenkelt; yore Hornhautrande bis zur Uebergangsfalte einerseits, andererseits bis zum ausseren uncl inneren Augen-

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winkel verflaeht sich dieser Wall ganz allm~hlig; beim An- fassen mit der Pincette ist er fast knorpelhart, aber sehr briichig, so dass kleine Bdickel an der Pincette haften bleiben. Die Carunkel ist vergr~ssert und ganz so degenerirt wie die Conjunctivalschleimhaut. C o r n e a diffas pannSs ge- trfibt, hie and da kleine oberflachliehe Substanzverluste. Am l inken Auge das Bild eines ehronischen Trachoms in Stadio cicatrieeo.

Der eigenthtimliche knorplige rSthlich-graue Wall um den Limbus eorneae bet pr~existirendem chronisehen Trachom, die Harte and Brlichigkeit desselben und dann das seltene klinische Bild, das so auffallend einerseits yon gewShnlichen trachomat{isen T~.filtraten tier Conjunetiva bulbi, andererseits yon I%ubilduugen irgend welcher Art abwich und endlieh die ungew5hnliehe Lidh~trte, veranlassten uns eine Diagnose per exelusionem auf amylo ide Entartung der Conjunetiva bulbi et pall)ebrarum sowohl als auch der tiefer gelegenen Lid- sehichten zu stellen. Um diese Wahrscheinlichkeitsdiagnose zu erh~rten, schnitten wir einige Stiicke aus dem Hornhaut- wall mit der Scheere weg und behufs besserer Uebersicht liber das nicht umzuklappende obere Lid, erweiterten wir, wie an- gedeutet, die i~ussere Lidspalte, wobei absichtlich veto iiussern Winkel einige degenerirte Conjunctivalstiicke sammt benach- barten Lidp arthien entfernt warden. Stud. R o g o w i t s e h, Prak- tikant bet der genannten Patientin, iibernahm nun die Unter- suehung der ausgesehnittenen Conjunctivalparthien, welche er ira patholog. Institut des Prof. ~ i ineh ausfiihrte. ])as Pro- tokoll lautet folgendermassen: ,,Die enffernten Stiieke warden far einige Tage in l~Iiiller'sehe Fltissigkeit gethan und darauf noeh in Alkohol nachgeh~rtet, alsdann warden dtinne Schnitte sowohl als auch Zul)fPraparate angefertigt. Zur F&rbung wurden god und SO a naeh der BSt tcher ' schen ~ethode*) and Methyl- anilin in JodlSsung verwerthet. Es ergab sich Polgendes: Die Epithelsehieht der Conjunetiva bulbi und der der Lider unver~ndert, das tibrige Gewebe in der Mehrzahl der Pra- loarate mit Granulationszetlen infiltrirt, an einigen Prliparaten biisst, namentlieh in den tiefern Sehiehten, dieses Infiltrat seinen gleiehf~rmigen Charakter ein, um in Gestalt einzelner

*) Untersuehungen fiber amyloide Degeneration der Leber~ Virchow's Archiv 1878, Bd. 78.

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Tnselgruppen aufzutreten, die yon einander durch Streifen fasrigen Bindegewebes abgegrenzt sind. Amyloidreaction tritt namentlich in den mittleren uncl tieferen Schichten der Con- junctiva auf, wenn sie sich auch vereinzelt im subepithelialen Gewebe in Gestalt schmaler Streifen zeigt, welehe sich in kleine, rundliche Amyloidk~rnchen aufl0sen lassen. Das Ge- sammtbilcl dieser Amyloidentartung ist in Fig. 1 und 2 wieder- gegeben. Offenbar erstreckt sich dieselbe l~ngs dem Gefass- verlauf und namentlich in der n~chsten Nahe ihrer Circum- ferenz, so dass die querdurehschnittenen Gef~sslumina yon dunketgdinen Ringen eingefasst sind (Jod und S03 Reaction); an Langsschnitten dagegen, je nach dem Niveau, in welchem das Gefass getroffen, hat die entartete Parthie die Form eines Streifens, wie auf Fig. 2a, eines vollst~ndigen oder un~oll- st~ndigen Ovals, das entsprechend dem Gefassverlauf gekdimmt ist. (Fig. la) ~ u r r ings um die g r S s s e r e n Gef~sse e r s t r e c k t s i ch die E n t a r t u n g his an die Gef~ss- wandung und z ieht die A d v e n t i t i a und I n t i m a mi t s ich h ine in , (Fig. 2b); die W a n d u n g e n tier k le ine ren Gef~sse d a g e g e n s ind u n v e r h n d e r t und yon dem A m y l o i d r i n g durch eine mehr oder w e n i g e r mi t Gra- nu l a t i onsze l l en i n f i l t r i r t e Sch ich t g e t r e n n t . Diese Eigenthiimlichkeit tritt besonders deutlich da zum ¥orschein, wo einige quergetroffene Gefasslumina yon einem gemeinschaft- lichen Gefassring umgeben sind, wie es Fig. 3c illustrirt. Der ~ussere Contour des Amyloidringes ist unregelmassig, oft mit Auslaufern versehen, die ohne scharfe Grenze in dem umliegenden, dicht infiltrirten Granulationsgewebe sieh ver- lieren.

¥om Bau des Amyloidringes lasst sich im Allgemeinen behaupten, dass er g r o b k ~ r n i g ist. Die KSrner erreiehen die GrSsse eines weissen Blutk0rperchens und sind hie und da noch gr5sser; in den peripheren Schichten sind sie deutlich yon einander zu nnterscheiden, in den centralen dagegen mit einander verschmolzen, so dass die ganze Bildung ein netz- f0rmiges Gepr~ge annimmt.

Ausser den Amyloidringen sind noch kreisf~rmige Amyloid- st(icke vorhanden, in deren Mitre halb zusammengedrfickt, stellenweise sogar vollkommen obliterirte Gef~sse eingeschlossen sincl. Die per~phere Schicht dieser Kreise ist dutch nichts yon den schon beschriebenen Ringen zu unterscheiden, wahrend

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die centrale, das Lumen des Gefasses unmittelbar umschniirende, aus einzelnen K(irnern besteht, welche dutch Jod SOn sich dunkler grtin farben, als das sie einfassende Gewebe. (Fig. 3) Diese Form ist wahrscheinlich aus der Form c Fig. 2 hervor- gegangen, als Folge einer Degeneration des zwisohen Gefass- wand und Amyloidring gelegenen Gewebes.

Eine noah andere, freihch aber seltenere Art der Amyloid- degeneration ist in Gestalt scharf umgrenzter, rundlioher odor ovaler Klumpen vorhanden, yon verschiedener Gr~sse. )ieisten- theils sind sie gruppenweise in Mitten dos Granulationsgewebes eingelagert (Fig. 4 und 5). Ihren aussern Merkmalen nach sind sie durch nichts yon denjenigen Bildungen zu unter- scheiden, welche Lebe r vor nieht langer Zeit beschriebea hat. (Arch. f. O. 1873, XIX. Bd. 1. Abth. S. 163--190). Ihr Bau ist meistentheils grobk~rnig oder grob-]amellar, so dass ein jeder Klumpen aus einigen mit einander verschmolzenen Amyloidschollen formirt zu sein scheint; in diesen Schollen sieht man hie und da eingesprengte Kerne, die sich durch Methylanilin b]au fi~rben. Alle diese Amyloidklumpen sind ohne Ausnahme von irge•d einer Seite (lurch eine Scheibe begrenzt, welohe aus Protoplasma und darin enthaltenen Kernen besteht; die Dicke derselben ist manchmal so bedeutend, die Kerne so massenhaft vorhanden, dass die ganze Scheibe den Eindruck einer echten Riesenzelle macht, welche neben der Amyloid- scholle sich gebildet hat (S. Fig. 5). Die Grenze zwischen Amyloidentartung und umliegendem Oewebe ist sehr scharf, manchmal hat man den Eindruek, als ware ein Kanal dureh- schnitten, der mit Amyloidmassen vollgepfropft sei, wir miissen aber die Frage unentschieden lassen, ob wires mit wirklichen Kanalen zu thun haben. Freilieh sind hie und da breite Kanale anzatreffen, die ein Endothel enthalten und ganz an eetatische Lymphgefasse erinnern, (Fig. 4) welche eine durchsichtige~ fein- k(irnige Masse einschliessen, letztere zeigt aber keine Amyloid- reaction, weder durch Jod S03, noch durch Methylanilin.

In der Conjunctiva pdpebrarum ist ausser der oben- erwahnten Gef2issdegeneration noch eine andere ±bart anzu- treffen. Die degenerirten Stelien bilden grosse Schollen, yen denen einige das ganze Gesichtsfe!d des ~ikroskops (Hartnack, Objectiv &, Ocut. 2) umfassen; die Contouren derselben sind stellenweise sehr sehaff und yon dem daneben liegenden, nicht infiltrirten Gewebe durch Spalten getrennt, welche unregel-

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mlissig geformt und yon rothen Blutkfrperchen ausgeffillt sind (wahrseheinlich Blut-Extravasate, die beim Entfernen der degenerirten Stficke entstanden). An andern Stellen da- gegen gehen diese Schollen unmittelbar in infiltrirte Parthien fiber, welche aus Amyloidk(irnern bestehen yon der Gr(isse eines Lymphk~irperchens nnd noch kleiner. An Durchschnitten haben diese Schollen eine grob-netzfSrmige Struetur, welche vollkommen an das Fibrin nieht organisirter Pseudomembrauen erinnert, die Fi~rbung dieser degenerirten Stellen fi~llt ungleich- m~ssig aus, stellenweise werden sie durch Jod griln, stellen- weise gelbbraun, stellenweise f&rben sie sich fast gar nicht.

In der Conjunctiva palpebrarum, die sammt den tiefern Schichten entfernt wurde, kann man aueh Amyloiddegeneration des Sarcolemms der Rio lan'schen ~[uskelbiindel nachweisen."

Des Weitern sei bemerkt, dass wir im Yerlaufe der Be- handlung, die einige Monate dauerte, den ganzen Wall um die Hornhaut stiickweise abtrugen und auch zeitweise aus den Lidwinkeln degenerirte St~cke entfernten.*) Dabei trat immer starke Blutung ein (wahrscheinlich in Folge der degenerirten Gef~sse). Wir hatten diese Behandlungsweise nieht zu bereuen, insofern die Hornhaut sieh sehr gut klKrte und neue Nach- sch~ibe sich nicht einstellten. Jetzt, 6 Monate nach Beginn der Behandlung, ist die Cornea um ¥ieles durchsichtiger, Pa- tientin sieht leidlich, der Pannus ist bedeutend geringer, und die Substanzverluste auf der Hornhaut nieht mehr vorhanden. An Stelle der degenerirten Schleimhaut ist Narbengewebe ge- treten, welches weiter die Bewegung des Bulbus nicht beein- t r ~ c h t i g t . - Es scheint somit diese amyloide Degeneration der Conjunctiva sehr geringe Tendenz zur weitern Wucherung zu besitzen und eher einem regressiven Processe anzugehSren.

Kiew, im August 1878.

*} Die mikroskopische Untersuchung wurde an den frisch aus- geschnittenen Stacken jedes ~Ial vorgenommen und ergab immer das oben im grossen Ganzen gefundene Resultat.

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Erkl~irung der Abbildungen.

Fig. 1. Allgemeine Form der amyloiden Entartung der Conjunct. bulbi; F~rbung mit Jod-SO~. (0cul. 2, Obj. 2, Hartnack.)

a, L~ngsschnitt eines Gef~sses.

Fig. 2. Die eigenthiimlichen Degenerationen an den Gef~ssen. (Ocul. 2, Obj. 5).

Fig. 3. Amyloidring mit dem Gef~sslumen in der Mitte. (Ob- ject. 8, Ocul. 2).

Fig. 4. AmyloidsehoUe, ectatisches Lymphgef~ss. (Ocul. 2, Object. 7). Methylaniliafarbung. (Die Scholle ist abgeblasst).

Fig. 5. Amyloidscholle yon einer Riesenzelle umgeben. (Ocal. 2: Object. 8).

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