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1 Timm Rautert – Da Vinci, 2049, Monet, 2017 Aus Anlass der Retrospektive von Timm Rautert zu seinem 80. Geburtstag im Museum Folkwang betrachten wir drei Farbfoto- grafien, die teilweise auf Collagen basieren. Sie erschienen als Edition des Kunstring Folkwang im Dezember 2020. Rautert ist durch sein Fotografiestudium bei Otto Steinert von 1966–71 an der Folkwangschule der Stadt Essen lang verbunden. Schon während seiner Studienjahre experimentierte er mit unge- wöhnlichen Ausschnitten, Perspektiven und Farben in seinen Arbeiten. Seit 1968 entwickelte er unter dem Begriff „Bildanalytische Photographie“ grundsätzliche Fragestellungen für das technische Medium und die Möglichkeiten fotografischer Gestaltung. Seitdem stehen Serien und Sequenzen mit modifizierten Gestaltungsmöglich- keiten statt des allein gültigen Einzelbildes im Vordergrund. Rautert arbeitete seit Ende der 1960er Jahre über 15 Jahre als Dokumentar- und Reportagefotograf für zahlreiche Magazine und Zeitschriſten. In der Zusammenarbeit mit Michael Holzach (1947–83) und anderen Autoren widmete er sich gesellschaſtskri- tischen emen und einschneidenden Veränderungen der Arbeits- welt, parallel entstanden zahlreiche Künstlerporträts. 1993 wurde Rautert als Professor für Fotografie nach Leipzig berufen und setzte sich im Rahmen seiner zunehmend freien fotografischen Tätigkeit mit dem Entstehungsprozess künstlerischer Arbeit und der Wahrnehmung von Kunst auseinander. „Leonardo da Vinci und Claude Monet reden mit Jeff Koons über Zeit und Raum ...“ Rautert arrangierte drei Farbfotografien als Triptychon, die auch als einzelne Bilder für sich stehen können. Die erste Fotografie Da Vinci basiert auf vier verschiedenen Aufnahmen bzw. Reproduktionen, die der Fotograf im Collage- Timm Rautert Eine Bildbetrachtung mit Hella Nocke-Schrepper verfahren zusammengefügt hat. Im Zentrum finden wir die weib- liche Figur der Hirtin aus dem Gemälde Schäferin mit Schafen und Blumenkorb nahe einer Ruine in einer Waldlandschaſt, das Jean- Honoré Fragonard (1732–1806) um die Mitte des 18. Jahrhunderts malte. Der linken Hand der Hirtin ist eine Damenhandtasche mittels Collage hinzugefügt, die den Ausschnitt eines weiteren Gemäldes des französischen Rokokomalers, Mädchen im Bett, mit einem Hund spielend (um 1770), zeigt. Der Namenszug des Malers FRAGONARD ist in goldenen Großbuchstaben auf die Gemälde- reproduktion der Tasche gesetzt. Rautert fügt der Schäferin in die andere Hand einen größeren Shopper mit dem Gesichtsausschnitt der Mona Lisa (1503) hinzu, auf dem der Namenszug des Künstlers DA VINCI plaziert ist. Diese Tasche ist Teil einer Modeaufnahme, die mit den Beinen eines Modells den Oberkörper der Schäferin in collagierter Form fortsetzt. Die komplette Aufnahme der Collage präsentiert die Synthese von Reproduktionen zweier Rokoko-Gemälde, eines Renaissance- Porträts und einer Modeaufnahme inklusive Modeaccessoires. Mit der Schäferin von Fragonard greiſt Rautert neben François Boucher und Antoine Watteau einen der drei zentralen Protago- nisten der Rokoko-Epoche auf. Ihre heiter narrativen Szenen zeigen oſt sinnlich-intime Darstellungen. Fragonards Motiv der Tasche mit dem halb entblössten Mädchen auf dem Bett, das den Blick auf die Schenkel und das mit einem Tuch dezent bedeckte Geschlecht freigibt, kokettiert mit Arbeiten Jeff Koons (*1955) der 1990er Jahre. Der Amerikaner war im Auſtrag des französischen Modedesigners Louis Vuitton, der mit seinem Monogramm LV auf Taschen und Gepäckstücken bekannt wurde, für die Entwürfe der Kollektion der Masters-Taschen im Frühjahr 2017 verantwortlich. Koons selbst präsentierte sich um 1990 mit dem italienischen Pornostar Ilona Staller alias Cicciolina in deſtig sexualisierten Fotografien und kitschigen Nippes-Porzellanfiguren unter dem Titel Made in Hea- ven, die als enttabuisierte Selbstdarstellungen sowohl amüsierten Timm Rautert (*1941 Tuchel) Da Vinci, 2049, Monet, 2017 Farbfotografien, C-Print unter Acrylglas, gerahmt, 60 × 44 cm, 60 × 40 cm, 60 × 35 cm Rückseitig signiert, datiert, nummeriert Edition 6 + 1 A.P. für den Kunstring Folkwang Foto: Kunstring Folkwang, Essen

Eine Bildbetrachtung mit Hella Nocke-Schrepper

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Page 1: Eine Bildbetrachtung mit Hella Nocke-Schrepper

1Timm Rautert – Da Vinci, 2049, Monet, 2017

Aus Anlass der Retrospektive von Timm Rautert zu seinem 80. Geburtstag im Museum Folkwang betrachten wir drei Farbfoto-grafi en, die teilweise auf Collagen basieren. Sie erschienen als Editiondes Kunstring Folkwang im Dezember 2020.

Rautert ist durch sein Fotografi estudium bei Otto Steinert von 1966–71 an der Folkwangschule der Stadt Essen lang verbunden. Schon während seiner Studienjahre experimentierte er mit unge-wöhnlichen Ausschnitten, Perspektiven und Farben in seinen Arbeiten. Seit 1968 entwickelte er unter dem Begriff „Bildanalytische Photographie“ grundsätzliche Fragestellungen für das technische Medium und die Möglichkeiten fotografi scher Gestaltung. Seitdem stehen Serien und Sequenzen mit modifi zierten Gestaltungsmöglich-keiten statt des allein gültigen Einzelbildes im Vordergrund.

Rautert arbeitete seit Ende der 1960er Jahre über 15 Jahre als Dokumentar- und Reportagefotograf für zahlreiche Magazine und Zeitschrift en. In der Zusammenarbeit mit Michael Holzach (1947–83) und anderen Autoren widmete er sich gesellschaft skri-tischen Th emen und einschneidenden Veränderungen der Arbeits-welt, parallel entstanden zahlreiche Künstlerporträts. 1993 wurde Rautert als Professor für Fotografi e nach Leipzig berufen und setzte sich im Rahmen seiner zunehmend freien fotografi schen Tätigkeit mit dem Entstehungsprozess künstlerischer Arbeit und der Wahrnehmung von Kunst auseinander.

„Leonardo da Vinci und Claude Monet reden mit Jeff Koons über Zeit und Raum ...“

Rautert arrangierte drei Farbfotografi en als Triptychon, die auch als einzelne Bilder für sich stehen können.

Die erste Fotografi e Da Vinci basiert auf vier verschiedenen Aufnahmen bzw. Reproduktionen, die der Fotograf im Collage-

Timm RautertEine Bildbetrachtung mit Hella Nocke-Schrepper

verfahren zusammengefügt hat. Im Zentrum fi nden wir die weib-liche Figur der Hirtin aus dem Gemälde Schäferin mit Schafen und Blumenkorb nahe einer Ruine in einer Waldlandschaft , das Jean-Honoré Fragonard (1732–1806) um die Mitte des 18. Jahrhunderts malte. Der linken Hand der Hirtin ist eine Damenhandtasche mittels Collage hinzugefügt, die den Ausschnitt eines weiteren Gemäldes des französischen Rokokomalers, Mädchen im Bett, mit einem Hund spielend (um 1770), zeigt. Der Namenszug des Malers FRAGONARD ist in goldenen Großbuchstaben auf die Gemälde-reproduktion der Tasche gesetzt. Rautert fügt der Schäferin in die andere Hand einen größeren Shopper mit dem Gesichtsausschnitt der Mona Lisa (1503) hinzu, auf dem der Namenszug des Künstlers DA VINCI plaziert ist. Diese Tasche ist Teil einer Modeaufnahme, die mit den Beinen eines Modells den Oberkörper der Schäferin in collagierter Form fortsetzt.

Die komplette Aufnahme der Collage präsentiert die Synthese von Reproduktionen zweier Rokoko-Gemälde, eines Renaissance-Porträts und einer Modeaufnahme inklusive Modeaccessoires. Mit der Schäferin von Fragonard greift Rautert neben François Boucher und Antoine Watteau einen der drei zentralen Protago-nisten der Rokoko-Epoche auf. Ihre heiter narrativen Szenen zeigen oft sinnlich-intime Darstellungen. Fragonards Motiv der Tasche mit dem halb entblössten Mädchen auf dem Bett, das den Blick auf die Schenkel und das mit einem Tuch dezent bedeckte Geschlecht freigibt, kokettiert mit Arbeiten Jeff Koons (*1955) der 1990er Jahre. Der Amerikaner war im Auft rag des französischen Modedesigners Louis Vuitton, der mit seinem Monogramm LV auf Taschen und Gepäckstücken bekannt wurde, für die Entwürfe der Kollektion der Masters-Taschen im Frühjahr 2017 verantwortlich. Koons selbst präsentierte sich um 1990 mit dem italienischen Pornostar Ilona Staller alias Cicciolina in deft ig sexualisierten Fotografi en und kitschigen Nippes-Porzellanfi guren unter dem Titel Made in Hea-ven, die als enttabuisierte Selbstdarstellungen sowohl amüsierten

Timm Rautert (*1941 Tuchel)Da Vinci, 2049, Monet, 2017Farbfotografi en, C-Print unter Acrylglas, gerahmt, 60 × 44 cm, 60 × 40 cm, 60 × 35 cmRückseitig signiert, datiert, nummeriert Edition 6 + 1 A.P. für den Kunstring FolkwangFoto: Kunstring Folkwang, Essen

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2Timm Rautert – Da Vinci, 2049, Monet, 2017

als auch provozierten. Nutzte Koons hier den Halbakt Fragonards auf der Damentasche etwa als ironische Legitimation seiner unver-blümten Sex-Darstellungen mit seiner Muse Cicciolina?

Für das Design der zweiten Tasche setzte Koons mit dem Gesicht der Mona Lisa von da Vinci eines der bekanntesten Porträts der Renaissance ein. Ihr weltberühmtes Lächeln gibt bis heute Anlass zu zahlreichen Th esen und Legenden und zählt zu den berühm-testen Attraktionen der Gemäldesammlung des Pariser Louvre. Den unzähligen Merchandising-Produkten der Mona Lisa fügte Koons die Tasche DA VINCI hinzu. Barbara Markert recherchierte für einen online-Artikel im Modepilot, dass nicht nur Designer und Museen, sondern die Bildagentur Carbis an den Bildrechten der Mona Lisa verdienen, die Bill Gates gehört – d.h. beim Design der Modeaccessoires geht es in der Tat um viel Geld. Seit Jahren entwickelt Vuitton mit Künstlern Damenhandtaschen als hoch-preisige Mode-Accessoires (1200–3000 €) und kreiert damit begehrte Sammlerstücke für einen elitären Kundenkreis.

Entsprechend initiiert Rautert im Rahmen seiner Collage ein Crossover der verschiedenen Medien mit Malerei, Mode- und Produktfotografi e. Gleichzeitig ironisiert er die Instrumentalisie-rung von Kunstwerken im neuen Kontext abstruser Szenerien.

Beide Taschen sind mit bunt leuchtenden Anhängern in Hasen-form verziert, die schablonenhaft die schillernden Rabbit-Figur von Koons in der rechten Fotografi e zitieren.

„..., aber der Hase kann die Möhre nicht essen.“

Rautert hält in dieser Fotografi e eine der zahlreichen Schaufenster-dekorationen der Vuitton-Läden fest, die 2017 mit verkleinerten Figuren des Rabbit von Koons im Zuge der Marketingkampagne für die neuen Masters-Taschen in Berlin, Paris und Lissabon werben sollten. Der spiegelnde Rabbit, aus Folie nachgebildet, wurde von dem berühmten LV-Signet als bunt schillernden Objekte mit den Initialen Koons und den bekannten stilisierten Blüten des Vuitton-Labels eingerahmt, die formal an Heliumballons erinnerten. Rau-tert fotografi ert die Rabbit-Figur bildfüllend in einem Schaufenster und löst sie aus ihrem inszenierten Kontext. Die glatte Oberfl äche des hinter der Schaufensterscheibe „geklonten“ Rabbit gibt neben zahlreichen Refl exionen auch das Spiegelbild des Fotografen zu erkennen. Rautert hat seit den 1960er Jahren immer wieder mit Porträts hinter Fensterscheiben (Josef Sudek, 1967; Die Kinder von Block 5, 1974) und Spiegelungen in Fenstern oder Spiegeln (Selbst mit Puppen, 1969; Selbst mit A. Warhol, 1970) gearbeitet. Das Spiel mit den Spiegelbildern verschleift die verschiedenen Bildebenen miteinander und führt anschaulich zu einer irritierenden Staff e-lung verschiedener Motive und Wirklichkeitsbereiche.

Doch was hat es mit dem Hasen auf sich? Das Original des Rabbit (1986) greift die Formen eines aufb lasbaren Kunststoffh äs-chens auf, dessen sichtbare Falten und Nähte an das ursprünglich leichte Material erinnern. Diese spielerisch-banalen Formen ließ Koons mit einer Größe von 104 cm in rostfreiem Edelstahl umsetzen. Die Edelstahl-Möhre als Attribut in seiner linken Pfote unter-

streicht die Künstlichkeit der Figur und das verwirrende Spiel von Kurzlebigkeit und Beständigkeit in Form und Material. Rabbit war zwei Jahre später das teuerste Objekt Koons auf dem Kunst-markt: Ein unbekannter Käufer ersteigerte die Figur im Mai 2019 für 91,1 Millionen Dollar in New York.

Schauen wir uns das Schaufenster in Rauterts Fotografi e noch einmal genauer an: Dem „geklonten“ Rabbit wurde vom Schaufens-tergestalter eine Damentasche mit dem Ausschnitt eines Seerosen-Bildes von Claude Monet (1840–1926) und dessen Namenszug über die Pfote gestülpt. Damit mutiert Rabbit zu einer schillernden Schaufensterpuppe (pseudo-) künstlerischen Formats für das feil-gebotene Modeaccessoire. Das Motiv der berühmtesten Serie des französischen Impressionisten, die Seerosen, ist mit Scheinwerfern zusätzlich in Szene gesetzt. Sämtliche Blautöne der Handtasche korrespondieren mit der blau leuchtenden Auslage und machen das Schaufenster zu einer schrill bunten Bühne, ohne der modernen abstrahierenden Malerei Monets Rechnung zu tragen.

Die Master-Taschen lösten mit der aufwendigen Werbekam-pagne eine Flut von Reaktionen in der Presse aus: Neben der Überschrift „Kitsch oder cool?“ warf die NZZ die Frage auf: „So schlecht, dass es schon wieder gut ist?“.

Die Masters-Taschen verleihen der Besitzerin mit den Motiven der Malerei ein „künstlerisches“ und „gebildetes“ Pseudo-Image. Koons selbst sah sich in der Rolle, Kunst und Humanismus auf die Straße zu bringen – bei genügend Kleingeld!

Die Spiegelungen der Schaufensterscheibe und der Rabbit-Figur treiben visuell ein ironisches Spiel von Sein und Schein in-klusiv eines deutlichen Seitenhiebs auf die Modebranche. Mit diesem im Schaufenster zelebrierten „Ballon-Kindergeburtstag“ kann sich gleichzeitig der Eindruck aufdrängen, dass der Mode-zirkus mit dieser übertriebenen Inszenierung seine Werbe- und Prestigemechanismen selbst ironisiert.

„Der Mann denkt an frühe, gute Zeiten, an die Wärme eines südlichen Meeres, an die Schönheit der Meerestiere.“

Rautert stellt in der mittleren Fotografi e ein Wassermotiv einer urbanen Szene gegenüber. In der oberen Bildhälft e schauen wir in die geschlossene, still wirkende Welt eines Aquariums mit zwei schwimmenden Quallen. Die tiefen Blautöne und die feinen Umriss-linien der Wassertiere versteht der Fotograf als Ausdruck der Schönheit von „Naturformen, die von Künstlern kaum zu über-treff en sind“.

Die schwarzweiß-Aufnahme ist ein Filmstill aus dem Science Fiction-Klassiker Blade Runner 2049, der 2017 mit Harrison Ford als Fortsetzung des ersten Teils (1982) verfi lmt wurde. In der Schlussszene geht ein Mann nach der Landung eines fl iegenden Transportmittels auf ein graues Gebäude zu – ein Symbol seinen Gangs ins Ungewisse. Blade Runner thematisiert den Kampf der Menschen mit künstlichen Lebewesen, sogenannten „Replikanten“.

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3Timm Rautert – Da Vinci, 2049, Monet, 2017

Tipps zum Weiterlesen:

Timm Rautert und die Leben der Fotografi e. Ausstellungskatalog Essen/Valencia. Steidl. Göttingen 2021

Timm Rautert: Wenn wir Dich nicht sehen, siehst Du uns auch nicht. Fotografi en 1966–2006. Ausstellungskatalog Leipzig/Hannover/Bonn. Steidl. Göttingen 2006

Poesie und Leidenschaft . Fragonard. Ausstellungskatalog Karlsruhe. Deutscher Kunstverlag. Berlin/München 2013

https://www.modepilot.de/2017/05/22/umfrage-kitsch-oder-cool-jeff -koons-taschen-fuer-louis-vuitton

Im Film werden die Grenzen zwischen Mensch und Maschine durch programmierte Emotionen immer fl ießender und werfen generelle Fragen des Mensch-Seins auf. Mit der Konfrontation eines Naturraums und lebloser Urbanität weist Rautert auf Zukunft s-visionen des Menschen mit den Gefahren der Naturzerstörung, künstlicher Intelligenz und Gentechnik hin. Der Fotograf legt in dieser bildlichen Gegenüberstellung eine Absurdität off en: Fragen des menschlichen Seins fi nden wir im Fiktiven (Science Fiction), während die Realität Ablenkungs- und Verdrängungsmechanismen mit einer kostspieligen Scheinwelt (Mode) hervorbringt.

Rautert selbst schreibt zum Triptychon:

„Wir schreiben das Jahr 2049, es schneit. Gerade hat ein Wagen auf einer weiten, schneebedeckten Fläche aufgesetzt, noch im Ausrollen öffnen sich die beiden Flügeltüren, ein Mann steigt aus und geht auf den Eingang eines rätselhaft , grauen Gebäudes zu. Im Hintergrund zu sehen, eine graue, sturmgepeitschte See. Der Mann denkt an frühe, gute Zeiten, an die Wärme eines süd-lichen Meeres, an die Schönheit der Meerestiere. Die Künstler heben ihre Gläser und trinken auf das Blau ihrer Bilder. Leonardo da Vinci und Claude Monet reden mit Jeff Koons über Zeit und Raum, aber der Hase kann die Möhre nicht essen.“

Der Text verschränkt wie die Foto-Collage die verschiedenen Zeit- und Wirklichkeitsebenen spielerisch-ironisch miteinander. Sowohl die fotografi schen Bilder als auch der Text verzahnen in einem Crossover Epochen, künstlerische Medien, Kunst und Künstlichkeit, Fakt und Fiktion auf eine absurde Weise. Damit legt Rautert die Widersprüchlichkeit und Inkonsequenz mensch-lichen Denkens und Handelns off en. So wird die Notwendigkeit deutlich, Innovation auf ihre langfristigen Auswirkungen für den Menschen genau zu durchdenken und zu hinterfragen. Anders-falls würde der Mensch durch seinen wissenschaft lichen Ehrgeiz und sein Amüsement sein eigenes Verschwinden einleiten.

Großer Dank gilt Timm Rautert für seine bereitwilligen Auskünft e und Hinweise in Telefonaten und Emails an die Autorin im März/April 2021.