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I Acta hydrochim. hydrobiol. 13 I 1975 I 5/6 I 545-552 I V. PEUKERT und C. PANNING Institut fur Wasserwirtschaft FB I1 Dresden EinfluS anorganischer Luftverunreinigungen auf die Wasser- beschaffenheit yon Trinkwassertalsperren Zusampenfussung: Der EinfluB yon anorganischen Luftverunreinigungen auf Oberfliichen- gewiisser, besonders auf Talsperren, wurde 1972 * - - 1974 im Erzgebirge untersucht. Dazu wurden im Regenwasser, Schnee und Rauhreif der Gehalt an S04z-, Po43-, NH3, NOz, NO; und Schwer- metallen bestimmt. AuBerdem wurden der Permanganatverbrauch, die Leitfiihigkeit und der pH- Wert erfabt. Die Untersuchungen zeigten, daB durch den Eintrag von Pflanzenniihrstoffen die Eutrophierung in Talsperren stimuliert wird. I m Untersuchungsgebiet wurde eine mittlere jiihrliche Flachen- belastung von 0,24 g P04/mz gemessen. Durch die zunehmende Schwefeldioxidbelastung der Luft kam und kommt es zu einer pH- Wertabsenkung im Niederschlagswasser und in den meisten Gewassern des Erzgebirges. Dies fuhrt besonders zur Tauperiode wiederholt zu Fischsterben, so da13 bereits jetzt die meisten Ge- birgsgewiisser ohne Fischbesatz sind. Es ist anzunehmen, dal? die pH-Wertabsenkung auch Ein- flul? auf die Artenzusammensetzung der Mikroorganismen in den Talsperren hat. Der zunehmenden Verunreinigung der Atmosphiire mit organischen und anorgenischen Stoffen und deren Auswirkungen auf die Wasserbeschaffenheit von Trinkwassertalsperren solite mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Einleitung Bei der Giitebewirtschaftung von Talsperren wird im allgemeinen davon aus- gegangen, daI3 Nahrstoffe, organische Stoffe ader auch toxische Stoffe ausschliefl- lich mit dem ZufluB in den Wasserkorper gelangen und sich dort fordernd oder hem- mend auf das Wachatum der Biomasse auswirken. Der EinfluB, den Luftverunrei- nigungen direkt oder indirekt auf die Beschaffenheit des Oberflachenwassers haben konnen, wird z. Z. noch vernachlassigt. Die nachteiligen Auswirkungen der zunehmenden Luftverunreinigungen auf die Biosphare und somit auf die Gesundheit der Bevolkerung sind weitgehend bekannt. Zahlreiche Untersuchungsergebnisse von den unterschiedlichsten Fachrichtungen liegen vor. So existiert stitistisch gesichertes Material, aus dem zu erkennen ist, daB z. B. die Lebenserwartung in lufthygienisch Eelasteten Gebieten einige Jahre niedriger liegt als in unbelasteten und daI3 die korperliche Entwicklung der Kinder in diesem Gebiet verzogert wird. Mit der Erhohung der Schwefeldioxid- bzw. der Staubkonzentration in der Atmosphare nehmen die Erkrankungen und die Sterb- lichkeit durch Herz-Kreislauf-Veraagen, Bronchial-Karzinomen u. a. zu (GROSSER 1972). In diesem Zusammenhang sei auch an die Smogkatastrophen in London und in japanischen GroBstadten erinnert. 37'

Einfluß anorganischer Luftverunreinigungen auf die Wasserbeschaffenheit von Trinkwassertalsperren

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I Acta hydrochim. hydrobiol. 13 I 1975 I 5 /6 I 545-552 I

V. PEUKERT und C. PANNING

Institut fur Wasserwirtschaft FB I1 Dresden

EinfluS anorganisc her Luftverunreinigungen auf die Wasser- beschaffenheit yon Trinkwassertalsperren

Zusampenfussung: Der EinfluB yon anorganischen Luftverunreinigungen auf Oberfliichen- gewiisser, besonders auf Talsperren, wurde 1972 * - - 1974 im Erzgebirge untersucht. Dazu wurden im Regenwasser, Schnee und Rauhreif der Gehalt an S04z - , Po43-, NH3, NOz, NO; und Schwer- metallen bestimmt. AuBerdem wurden der Permanganatverbrauch, die Leitfiihigkeit und der pH- Wert erfabt.

Die Untersuchungen zeigten, daB durch den Eintrag von Pflanzenniihrstoffen die Eutrophierung in Talsperren stimuliert wird. Im Untersuchungsgebiet wurde eine mittlere jiihrliche Flachen- belastung von 0,24 g P04/mz gemessen.

Durch die zunehmende Schwefeldioxidbelastung der Luft kam und kommt es zu einer pH- Wertabsenkung im Niederschlagswasser und in den meisten Gewassern des Erzgebirges. Dies fuhrt besonders zur Tauperiode wiederholt zu Fischsterben, so da13 bereits jetzt die meisten Ge- birgsgewiisser ohne Fischbesatz sind. Es ist anzunehmen, dal? die pH-Wertabsenkung auch Ein- flul? auf die Artenzusammensetzung der Mikroorganismen in den Talsperren hat.

Der zunehmenden Verunreinigung der Atmosphiire mit organischen und anorgenischen Stoffen und deren Auswirkungen auf die Wasserbeschaffenheit von Trinkwassertalsperren solite mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Einleitung

Bei der Giitebewirtschaftung von Talsperren wird im allgemeinen davon aus- gegangen, daI3 Nahrstoffe, organische Stoffe ader auch toxische Stoffe ausschliefl- lich mit dem ZufluB in den Wasserkorper gelangen und sich dort fordernd oder hem- mend auf das Wachatum der Biomasse auswirken. Der EinfluB, den Luftverunrei- nigungen direkt oder indirekt auf die Beschaffenheit des Oberflachenwassers haben konnen, wird z. Z. noch vernachlassigt.

Die nachteiligen Auswirkungen der zunehmenden Luftverunreinigungen auf die Biosphare und somit auf die Gesundheit der Bevolkerung sind weitgehend bekannt. Zahlreiche Untersuchungsergebnisse von den unterschiedlichsten Fachrichtungen liegen vor. So existiert stitistisch gesichertes Material, aus dem zu erkennen ist, daB z. B. die Lebenserwartung in lufthygienisch Eelasteten Gebieten einige Jahre niedriger liegt als in unbelasteten und daI3 die korperliche Entwicklung der Kinder in diesem Gebiet verzogert wird. Mit der Erhohung der Schwefeldioxid- bzw. der Staubkonzentration in der Atmosphare nehmen die Erkrankungen und die Sterb- lichkeit durch Herz-Kreislauf-Veraagen, Bronchial-Karzinomen u. a. zu (GROSSER 1972). In diesem Zusammenhang sei auch an die Smogkatastrophen in London und in japanischen GroBstadten erinnert. 37'

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Die Forstwirtschaft verzeichnet seit einigen Jahren besonders im Erzgebirge zunehmende Schaden an den Fichtenbestanden. Als Ursache wird die Verunrei- nigung der Luft mit Industrieebgasen und Staub genannt. In dem Gebiet um Deutsch- Einsiedel sind die Fichtenbestinde auf einer Flache von rund 2000 ha fast vollig abgestorben. Aus Untersuchungen der Forstwirtschaft ist zu erkennen, daB weitere Waldgebiete diesen Zustand in absehbarer Zeit erreichen werden. Dabei komnit es zu jahrlichen Schaden von einigen Millionen Mark (WARMBT 1972; WOLF 1974). I n der Fachliteratur iiber Auswirkungen von Luftverunreinigungen wird eine grode Anzahl Bhnlicher Probleme behandelt. Dabei ist auffallend, deB bei den bisherigen Untersuchungen der EinfluB der Industrieabgase und des Staubs auf die Beschaffen- heit der Oberflachengewasser nicht beriicksichtigt wurde. Dabei ist gerade hier eine unmittelbare Auswirkung der Luftverunreinigungen anzunehmen. Es ist bekannt, daB die feinen Staubpartikel ebenso wie die Gase besonders in Trockenperioden sehr lange in der Atmosphare verbleiben und teilweise hunderte km vertriftet werden. Erst durch die Niederschllge wird ein erheblicher Teil der Fremdstoffe aus der Luft ausgewaschen, so daB eine Anreicherung von verschiedenen, besonders aber von leichtloslichen Verbindungen im Niederschlagswasser zu erwarten ist. Auch als Staubniederschlag gelangen standig erhebliche Mengen unterschiedlicher Stoffe direkt in die Oberflachengewasser. Der Niederschlag von Staub und Ru13 wurde z. B. in der Bundesrepublik Deutschland mit 8 * * 15 t/km2 und Tag und in Holland mit 5 * 7 t/kmz und Tag ermittelt (EIJNSBERGEN 1972).

Auswirkungen der Luftverunreinigungen auf Oberflachenwasser

Die folgenden Darstellungen geben einen groben uberblick iiber einige im Nieder- schlagswasser gefundene chemische Verbindungen und deren erkennbare Auswir- kungen auf die Gewasser. Die Untersuchungen wurden im Gebiet um Dresden und im Erzgebirge durchgefuhrt. Dabei wurden iiber 300 Proben von 17 Probennahme- stellen ausgewertet.

Ausgangspunkt der Untersuchungen waren verschiedenen Mitteilungen der Presse iiber den Ruckgang der Fischbestande in den Seen der Skandinavischen Lander. Besonders in den von Abwassereinleitungen verschonten Seen war der Sauregrad auf Werte abgesunken, die eine normale Entwicklung der Hauptfischarten, Lachs und Forelle, nicht mehr gewahrleisten. Entsprechende Nachforschungen zeigten schlieBlich, daB diese Entwicklung eine Auswirkung der z. T. stark sauren Nieder- schliige war. Der pH-Wert des Regens war in den letzten Jahren von 5 auf 4 ab- gesunken. Die niedrigsten Werte lagen bei pH 3,3 (KIO 1973, Neues Deutschland voin 19. 8. 72). Auch in der Bundesrepublik Deutschland und in Holland wurden pH-Werte um pH 3 gemessen (EIJNSBERGEN l.972).

Eine Bhnliche Entwicklung ist leider auch in vielen abwasserverschonten Wald- bachen und Talsperren des gesamten Erzgebirgos zu beobachten. Die meisten BBiche und Teiche sind ohne Fischbesatz bzw. nur zeitweilig und schwach besiedelt, obwohl nachweislich in diesen Gewassern noch vor zwei bis drei Jahrzehnten ein guter Salmo- niden-Besatz vorhanden war. Eine Analyse des Sauregrades dieser Gewasser, vor allem der Bache, zeigt, daB sich derselbe zwischen pH 3,9 und 5,5 bewegt. Der Durch- schnittswert betrug 4,7, der niedrigste Wert lag bei pH 3,3. Ein derartiger p H wirkt

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selbst fur die relativ saureresistenten Forellen toxisch (vgl. LIEBMANN 1960). Forellen- brut stirbt bei einem pH-Wert von 5 ah und Forelleneier werden bei pH-Werten um 4,s irreversibel geschadigt. Die ausgewachsenen Tiere vertragen noch einen pH- Wert von 4,5. So ist es nicht verwunderlich, daB es auch in den Bachen und Tal- sperren des Erzgebirges wiederholt zu Fischsterben gekommen ist. Von besonders starkem EinfluS ist dabei die Tauperiode, wahrend der stark saures Wasser in groBen Mengen in die Gewasser gelengt.

Durch den standigen EinfluB von mal3ig saurem Wasser werden vor allem die Brut und die Eier der Forellen geschadigt. Dies fiihrt zu einem allmiihlich, nicht unniittelbar erkennbaren Riickgang des Fischbesatzes. Ini Osterzgebirge mul3te dadurch eine bisher ertragreiche Forellenzuchtanlage des Anglerverbandes auf- gegeben werden.

Eine Veranderung des pH-Wertes kann sich auch auf die Besiedlung des Wasser- korpers durch Mikroorganismen auswirken. Der pH-Wert ist bekanntlich ein selek- tierender Faktor von besonderem EinfluS auf Einzeller und Algen. Durch pH-Ab- senkung kann das Artenspektrum im Gewasser erheblich eingeschrankt oder ver- andert werden. Eine Begiinstigung der Massenentwicklung bestimmter Arten kann auftreten. Dabei erhoht sich die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens von Grun- algen, z. B. Chlorella, die Schwierigkeiten in der Wasseraufbereitung hervorrufen konnen .

Eine Grobeinschatzung ergab, dal3 von der pH-Wertabsenkung gegenwartig etwa 350 ha Bach- und FluBlaufe und 500 ha Teich- und Talsperrenflache betroffen sind. Wird angenommen, daS nur bei 200 ha Bachlaufflache alle Fische abgestorben sind und in den restlichen i50 ha um 50% verminderte Ertrage auftreten, so entsteht ein jahrlicher Verlust von 27500 kg Forellen. Das entspricht einem Schaden von etwa 0,5Mio M/a (vgl. KRESS 1972). Der okonomische Schaden, der sich daraus ergibt, daS ehemalige Fischteiche bzw. Talsperren nicht mehr oder nur teilweise als Fisch- gewasser genutzt werden konnen, betragt rund 1 Mio M/a. Die dadurch hervorgerufene Verminderung des Erholungswertes der Gewasser, die als Angelgewasser verloren- gehen, kann zur Zeit noch nicht okonomisch eingeschatzt werden, diirfte jedoch betrachtlich sein.

Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die das Absinken des pH-Wertes in den ehemals gut besetzten Salnionidengewiissern beeinflussen konnen. So ist z. B. nicht ausgeschlossen, daB in einigen sehr schwach gepufferten Gewassern der pH-Wert durch Huminsauren beeinfluBt wird. Auch die Schwefeleaure, die beim Abbau der Nadelstren entsteht, spielt eine nicht zu unterschatzende Rolle. Diesen Argumenten steht entgegen, daS diese Prozesse auch vor Jahrzehnten mit der gleichen Intensitat verliefen, ohne daB es dadurch zu einer grokaumigen Schadigung des Fischbestandes kam .

Die vorliegenden Untersuchungen zeigten, daB bei der zunehmenden Versauerung der Gewasser der standig niedrige pH-Wert des Niederschlags die entscheidende Rolle spielt. Der Sauregrad von Regen und Schnee bewegte sich meist zwischen 4 und 5,5.

Als Ursache fur die niedrigen pH-Werte des Niederschlagswassers kann mit groBer Wahrscheinlichkeit der Gehalt der Luft an Schwefeldioxid genannt werden. Wie bekannt, werden vor allem durch die Industrie und durch den Hausbrand in grol3em MaSe Schwefelverbindungen in die Atmosphare abgestol3en. Das hatte in den letzten

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Jahren ein kontinuierliches Ansteigen des Schwefeldioxidgehaltes der Luft auch in industriell kaum belasteten Gebieten zur Folge.

In der Luft kommt es zu Umsetzungen des Schwefeldioxids, so daB nebeneinander Schwefeldioxid, schweflige Saure, Schwefeltrioxid, Schwefelsaure, Schwefelwasser- stoff und Merkaptane vorliegen (EIJNSBEROEN 1972). Mit dem Niederschlag werden erhebliche Mengen dieser Stoffe ausgewaschen. Bei den vorgelegten Untersuchungen des Gehaltes an Schwefelverbindungen im Niederschlag wurden die S042--Ionen erfaBt. Dabei wurde davon ausgegangen, da13 der uberwiegende Teil der Schwefel- verbindungen durch Reaktionen in der Luft und im Wasser in diese Form uberfuhrt wird.

Einige Zahlen sollen das Problem der zunehmenden Emission von Schwefelver- bindungen in die Atmosphare veranschaulichen : 1969 betrug der Schwefeldioxid- ausstoB auf der ganzen Welt etwa 146 Mi0 t, im Jahre 2000 wird mit rund 230 Mio t gerechnet (EIJNSBEROEN 1972). Die BRD emittierte nach LAMMEL (1974) allein 3,6 Mio t SOz. Im Vergleich zu 1960 stieg der AusstoB um 120/0 an. Hauptverschmutzer ist die Energiewirtschaft, durch die etwa 430/, der Gesamtemission entstehen. EIJNS- BERGEN gibt fiir die BRD den Wert von 5,2 Mio t/a an. Das sind 2 * * - 24 t S02/km2 oder 3 - - 37 t konz. Schwefelsaurelkmz a.

Die in den Niederschlagen nachgewiesenen S042--Konzentrationen bestatigen den hohen Gehalt der Luft an Schwefelverbindungen. I n GroBstadtnahe wurden S 0 4 2 - -

Konzentrationen bis 700 mgfl gemessen. Doch auch in abgelegenen, wenig industriea- lisierten Gebieten konnten Werte bis 200 mg/l ermittelt werden. Meist schwankten die Konzentrationen im Niederschlagswasser zwischen 10 und 70 mg/l. Das arith- inetische Mittel von 128 Messungen betrug 23 mg/l. Die SO,z--Werte des Schnees lagen mit 10 mg/l deutlich unter denen des Regens. Nach anhaltenden Niederschlagen (Reinigung der Atmosphare durch ,,Auswaschen") sinken die Werte auf wenige mg/l ab. Wird angenommen, daB das gesamte Sulfat als Schwefelsaure gebunden vorliegt, dann fallen im Sommerhalbjahr im Durchschnitt mit jedem Millimeter Niederschlag rund 24 mg H2S04 auf einen m2 Oberflache. Wie MROSE (1961) feststellen konnte, gelangen auch mit dem Staubniederschlag Schwefelverbindungen ins Wasser. Das Verhaltnis der Mengen Niedorschlag/Staub betragt dabei 52*/0/480/0. Auffallend ist, daB die Bache offenbar den durchschnittlichen Gehalt der Atmosphare an Schwefel- Verbindungen widerspiegeln. So bewegen sich die S042--Konzentrationen in den Bachen des Erzgebirges Bhnlich wie im Niederschlag zwischen 20 und 60 mg/l. Bache in GroBstadtnahe, wie zum Beispiel im Tharandter Wald, hatten dagegen etwa dop- pelt so hohe Konzentrationen.

Der im Erzgebirge auftretende durchschnittliche S042--Gehalt des Niederschlags von 23 mgll wurde in ungepuffertem Wasser theoretisch einen pH-Wert von 3,3 bedingen. Der gemessene pH-Wert des Niederschlagswassers war im allgemeinen hoher. Es ist klar zu erkennen, daB er in enger Abhangigkeit von den vorliegenden Puffersubstanzen ist und dort durch zusatzliche Anionengaben stark absinken wird, wo wenig Puffersubstanzen bzw. wenig sulfatbindende Kationen vorhanden sind. Der pH-Wert im Niederschlag steht damit in engem Zusammenhang mit der SO,z-- Auswaschung aus der Luft. I m Regen wurde ein durchschnittlicher pH-Wert von 4,3 und im Schnee von 4,9 gemessen. Die Unterschiede zwischen Regen und Schnee sind darauf zuruckzufuhren, daB sich Schwefeldioxid nur im Regenwasser lost (Temperaturabhkngigkeit). Die im Winter auftretenden Konzentrationen von S 0 4 z -

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sind auf den ,,fall-out" zuriickzufiihren. Tatsiichlich betragen sie auch nur knapp die Halfte der Konzentrationen im Regenwasser.

Cfber die Abhangigkeit des pH-Wertes von weiteren EinfluOgroBen wie der Leit- fiihigkeit, also dem Gehalt an Selzbildnern, Permanganatverbrauch, Hiirte konnen z. Z. noch keine gesicherten Aussagen gemacht werden. Wie aus den vorgetragenen Ergebnissen ersichtlich, kommt es zu einer Neutralisierung der SBure, die auf Ein- stellung von Losungsgleichgewichten bei Anwesenheit von Kationen und organischer Substanzen zuriickgefiihrt wird.

Die zeitweilig hohen Niihrstoffkonzentrationen in den Niederschliigen wirken sich eutrophierungsfordernd aus. So schwankte der Nitratgehalt meist in der Grol3en- ordnung von 2 - * * 5 mg/l. Der Durchschnitt betrug 3,6 mg/l (max. 14 mg/l). Da die Nitratkonzentrationen auch in den von Abwiissern unbeeinfluBten Gewiissern meist dariiber liegen, hat der Stickstoffgehalt des Niederschlags wahrscheinlich nur unbe- deutenden EinfluB auf die Eutrophierung der Gewiisser.

Dagegen ist Phosphor in den meisten FlieB- und Staugewassern des Erzgebirges Minimumstoff. Deshalb erscheinen die zeitweilig hohen Phosphorkonzentrationen in den Niederschliigen bedenklich. Der Durchschnittswert von mehreren Gewiissern lag z. B. bei 16 pg/l. Der Orthophosphatgehalt des Niederschlages lag in den meisten Flillen bedeutend hoher. Die Maximalwerte wurden im Friihjahr vor Beginn der Vegetationsperiode gemessen. Sicher ist hierbei auch von Bedeutung, daB in der Zeit der fehlenden Vegetation eine stiirkere Winderosion zu verzeichnen ist und dieser Zeitraum in der Landwirtschaft vorrangig zur Diingung genutzt wird, die in zu- nehmender Weise vom Flugzeug BUS vorgenommen wird.

Die P043--Konzentrationen waren zeitlich und ortlich sehr unterschiedlich. Sie lagen zwischen I0 pg/l und uber 2 mg/l. Der Durchschnittswert betrug 240 pgll. Die Schwankungsbreite war unabhiingig von der Entnahmestelle. I n abgeschlossenen Waldgebieten wurden ebenso hohe oder niedrige Werte wie in der GroBstadt oder auf landwirtschaftlich genutzten Flachen gemessen. Offenbar spielt hierbei weniger die Niihe von Luftverunreinigern, sondern vor allem die Wetterlage eine bedeutende Rolle. Nach langeren Trockenperioden mu13 mit hoheren Konzentrationen gerechnet werden. Bei langeren Regenfiillen sinken die Werte auf wenige pg/l ab. Im Schnee wurden Werte zwischen 20 und 960 pg/l PO,,3- gefunden. Dabei kommt es im Laufe des Winters zu einer Anreicherung des Phosphates, so daB im Altschnee hohere Konzentrationen gemessen wurden als im Neuschnee. Besonders hohe P043--Konzen- trationen wurden im Rauhreif der Kammlagen des Erzgebirges mit 1,6 mg/l fest- gestellt. Der Luftauswaschungseffekt ist beim Rauhreif ebenso wie bei Nebel aus- gesprochen hoch, da sich beide Niederschlagsmodifikationen sehr lange in fliissiger und feinstverteilter Form in der Luft aufhalten.

Es mu13 angenommen werden, daB pflanzenphysiologisch wichtige Stoffe vor allem auch mit dem Staubniederschlag in erheblichen Mengen in die Gewasser ein- getragen werden. Das konnte durch entsprechende Versuche nachgewiesen werden. Dazu wurden an mehreren Probenahmestellen GefiiBe mit aqua bidest. exponiert. In allen Fallen war das Wasser bereits nach 14 Tagen durch Algenmassenentwick- hngen deutlich griin gefiirbt.

Der Phosphoreintrag &us der Luft reicht demnach &us, um erhebliche Phyto- planktonmassenentwicklungen zu induzieren. Mit Hilfe der Gleichung von STUMM (1963,l. c. UHLMANN 1967) liiBt sich berechnen, daB potentiell &us 1 mg P043- 25,6 mg

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Biomasse synthetisiert werden konnen. Bei dem durchschnittlichen Phosphorausfall von 0,2 g P04/m2 a wiirden deninach 5,12 g Biomasse/mza produziert. Dieser Wert ist als Mininium anzusehen, ds durch hohe turn-over-Eaten immer wieder Phosphor freigesetzt wird, der dann erneut fiir die Produktion organischer Substanz zur Ver- fugung steht. Fur den Abbau dieser Biomasse werden also 13,5 g 02/mz zusatzlich benotigt. Dadurch wird der Sanerstoffhaushalt von Talsperren stark belastet und es kann zu Sauerstoffdefiziten mit den bekannten Nachteilen komnien.

Theoretisch kann in den Erzgebirgst alsperren schon ein langeranhaltender Soninier- regen einen deutlichen Anstieg der Bioinasseproduktion verursachen. So wurden im Erzgebirge Niederschlage mit einer Intensitat von 70 mm/d gemessen. Mit einein solchen Niederschlag konnen kurzfristig Phosphatinengen bis zu 23 mg/m2 in die obere Wasserlamelle eingetragen werden. Bei optinialen Bedingungen wiirde dieser Phosphor fur die Synthese von 580 nig organischer SubstanzJmZ ausreichen, das sind vergleichsweise etwa 240 Mio Zellen Scenedesmus quadricauda. Ini Durchschnitt kann ini Untersuchungsgebiet mit eineni jahrlichen Phosphateintrag von 0,24 g P04/m2 gerechnet werden. Dies entspricht bei einigen Talsperren etwa der Flachen- belastung, die aus den Zulaufen zu erwarten ist.

Es mu13 betont werden, da13 bei diesen uberlegungen nur der Phosphor beriick- sichtigt wurde, der durch Luftverunreinigungen direkt ins Gewasser gelangt. Die tatsachliche Flachenbelastung diirfte noch hoher sein, da auch ein Teil der iiber deni Einzugsgebiet ausgewaschenen Luftinhaltsstoffe in das Gewasser gelangen kann.

Besondere Bedeutnng fiir die Eutrophierung erlangen die im Schnee gespeicherten Nahrstoffe. 1st der Boden wahrend der Tauperiode noch gefroren, dann gelangt ein hoher Anteil dieser Stoffe durch den direkten Oberflacbenabflufi in die Gewasser.

Bei geplanten Trinkwassertalsperren, die in niederschlagsreichen Gebirgsregionen gebaut werden sollen, muf3 daher bei prognostischen uberlegungen iiber die Ent- wicklung der Wassergute der im Niederschlag enthaltene Phosphorgehalt bei Nahr- stoffbilanzen mit berucksichtigt werden.

Wie weitere chemische Untersuchungen zeigten, nimnit das Niederschlagswasser eine Reihe weiterer organischer und anorganischer Stoffe aus der Atniosphare auf. Einige Untersuchungsergebnisse sollen noch kurz dargestellt werden. Der Kaliuni- permanganatverbrauch (PV) lag z. B. bei Altschnee, der im Spatwinter von land- wirtschaftlich genutzten Flachen gesammelt wurde, zwischen 300 und 400 mg/l. Der- artige Konzentrationen werden sonst in organisch stark belasteten Abwassern ge- funden. Bei Altschnee aus Waldgebieten lag der PV bei 30 - e m 70 nig/l. Selbst frisch gefallener Schnee hatte Werte uni 20 mg/l. Ini Regenwasser wurden etwas niedrigere Konzentrationen gemessen. Das arithmetische Mittel von 92 Proben betrug 28 mg/l. Zum Vergleich sei hier noch einnial der fur Trinkwasser geforderte PV genannt: 20 mg/l.

Die Bestimmung des CSV ist eine reine Sunimenbestimmungsmethode fur or- ganische Stoffe. Sie sagt nichts iiber die Ar t ur,d die Konzentration von einzelnen organischen Verbindungen aus. Es ist daher dringend notig, die im Niederschlag ge- fundenen Stoffe mit modernen Analysengeraten zu bestimmen. Wahrscheinlich wird dabei eine Anzahl physiologisch bedenklicher Stoffe ermittelt.

Besondere Aufmerksamkeit verdient auch der Metallgehalt der Atmosphare. Hier ist ebenfalls eine zunehmende Verschmutzung durch Industrie und Verkehr zu be- obachten (HABERER 1971 ; SIMEN 1973). Mit einem Atomabsorbtionsspektrophoto-

EinfluB anorganischer Luftvernnreinigungen auf die Wasserbeschaffenheit 551

meter wurde der Gehalt von Cd, Mn, Fe, Cu, Zn, Co, Ag und P b in zahlreichen Niederschlagsproben aus dem untersuchten Gebiet analysiert.

Die Schwermetalle haben zeitweilig einen iiberraschend hohen Gehalt im Nieder- schlag. Sie liegen mit den Durchschnittswerten oft, mit den maximalen Konzen- trationen fast immer uber den durch die WHO bestiitigten Grenzwerten fur diese Stoffe. Die Analysen zeigten, daB jahrlich 0,l g/m2Mn 1,i g/m2Fe 0,Oi g/mz Cu 0,25 g/m2 Zn 0,05 g/m2 Cd 0,l g/m2Pb

aus der Luft ausgewaschen werden oder niit Staubpartikeln ausfallen. Sollen diese Werte aus wasserwirtschaftlicher Sicht eingeschatzt werden, so ist zu beriicksichtigen, daB im Wasser schon eine gewisse Grundbelastung an diesen Stoffen vorliegt, die von der Geochemie des Einzugsgebietes sowie den Abwassereinleitungen aus In- dustrie und Landwirtschaft abhangt. Durch den Eintrag BUS der Luft kommt es zu einer weiteren Erhohung der Grundkonzentration.

Fast alle angefuhrten Schwermetalle haben eine toxische Wirkung auf den mensch- lichen Organismus, so As, Cu, Cd, Pb und Hg, die sowohl akute wie auch chronische Schaden hervorrufen konnen. Mn, Fe und Zn haben vor allem geschmacksbeeintrach- tigende Wirkung. Leider ist zur Zeit noch nicht allzuviel uber die Wirkungsmecha- nismen der toxischen Schwermetalle bekannt, so daB eine abschlieaende Einschatzung ihres Einflusses auf Mensch, Tier und Pflanze iiber das Wasser noch nicht erfolgen kann. Klar ist allerdings, daB das Auftreten von mehreren toxischen Stoffen neben- einander ihre Wirkung vervielfachen kann. AuBerdem werden verschiedene Schwer- metalle im Gewebe gespeichert, so daB Spatwirkungen oder chronische Schaden auf- treten konnen. Die Intensitat der toxischen Reaktion ist unter anderem auch vom pH-Wert abhangig, so daB auch hier noch nicht zu ubersehen ist, welche Folgen eine pH-Absenkung haben kann. I n diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen,, daB in Trinkwasseraufbereitungsanlagen die Kontrollen hinsichtlich der genannten Stoffe verstarkt werden miissen.

Gesamteinschatzung

Die Untersuchungen zeigten, daB die zunehmenden Verunreinigungen der At- mosphare vielseitige Auswirkungen auf die Wasserbeschaffenheit haben konnen. Die Schadstoffe konnen sich fordernd oder hemmend auf die Eutrophierung der Ge- wasser auswirken. So hemmen vermutlich die niedrigen pH-Werte in einigen Tal- sperren die Eutrophierung, da der Sauregrad eine okologische Schranke fur viele Algen ist. Der erhohte Phosphoreintrag kann aber auch dahin wirken, daB Algen,. die bei dem sich einstellenden pH-Wert vorkommen, Massenentwicklungen von groBem AusmaB bilden.

Es ist auch nicht ausgeschlossen, daB durch das Absterben von Fichtenbestanden im Erzgebirge der Wasserhaushalt negativ beeinfluat wird. So wurde bereits erwahnt, daB im Gebiet um Deutsch-Einsiedel der Wald auf einer Flache von rund 2000 ha abgestorben ist. Das Rauchschadengebiet im Erzgebirge zieht sich gegenwkirtig von

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der Sachsischen Schweiz bis zum Ubergang zum Vogtland. Die betroffene Wald- flache betriigt 30000 ha (WOLF 1974). Bekanntlich ist der Wald ein wichtiges Glied in der Kette des hydrologischen Geschehens und hat sowohl auf die Wasserbeschaffen- heit als auch auf das AbfluBregime der Gewasser groi3en EinfluB. Fehlt der Wald, dann koinmt der AbfluB in eine groBere Abhangigkeit von Niederschlagsereignissen und durch mogliches AufreiBen der Pflanzendecke werden Erosionsvorgiinge begun- stigt, die wiederum Auswirkungen auf die Wasserbeschaffenheit haben.

Auf Grund der derzeitigen Aktivitaten der Forstwirtschaft ist jedoch sicher, da13 ein derartig gefahrlicher Zustand, wie die teilweise Entwaldung des Erzgebirges, nicht eintritt. So wird gegenwartig die Waldstruktur geandert und rauchresistente Baumarten wie Buche, LLrche, Murray-Kiefer werden angepflanzt.

Die Kenntnisse iiber den EinfluB atmospharischer Verunreinigungen auf die Ge- wiisser und speziell auf das zur Trinkwassergewinnung genutzte Rohwasser sind noch unzureichend. Auch iiber langfristige Mikroschadigungen bzw. iiber die Wir- kung subletaler Konzentrationen toxischer Stoffe auf den menschlichen Organismus ist noch zu wenig bekannt. Gut sichtbar sind dagegen die z. T. erheblichen Schaden a n den Fichtenbestanden des Erzgebirges und an den Fischbestanden. Es darf nicht ausgeschlossen werden, da13 der Mensch auch uber das Trinkwasser durch derartige Stoffe gesundheitlich geschadigt werden kann. Im Interesse der Volksgesundheit souten daher in noch starkerem Mafie Untersuchungen der hier angedeuteten Ver- haltnisse durchgefuhrt werden.

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Anschrift der Verjasser: Dr. Volkmar PEUKERT, Dr. Claudia PANNINU, Institut fur Wasserwirtschaft Berlin, Forschungsbereich 11, DDR-806 Dresden, Otto-Wagner-Str. 3.

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