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XII. Aus dem pharmakologisehen Institut der Universititt Breslau. Einfluss des Kalkes a uf (las physiologische Verhalten gieht- kranker ]Iiihner. Yon Privatdocent Dr. I=I. Kionka. (Hierzu die Curven der vorstehenden Arbei.t und 1 Abbildung.) Es erscheint nieht auffallend, dass l-Iiihner, die nur mit Fleiseb ern/ihrt werden, sehr gierig auf KSrnerfutter und Kohlehydrate sind. Aueh bei meinen Versuchshtihnern (s. dis vorstehende Arbeit) konnte ieh diese Beobaehtung maehen, ausserdem nahm ieh aber bei ihnen noeh ein sehr starkes Verlangen naeh Kalk wahr. Dieser Kalk- hunger, der sieh bei versehiedenen Gelegenheiten sehr deutlieh zeigte, h/itte vielleicht nut ein Yerlangen naeh Alkali sein kSnnen, des sich bei der sauren Fleisehnahrung leieht erkl/~ren liesse. Indessen sehien es mir doeh wtinsehenswerth, einmal den Einfluss des Kalkes auf des physiologisehe Verhalten dieser mit Fleiseh gefiitterten und in- folge dieser Ern~Lhrungsform, wie in der vorstehenden Arbeit gesehil- dert, giehtkrank gewordenen Htihner festzustellen. Die Htihner haben bekanntlieh aueh sonst bei normaler Er- nghrung eine lqeigung, Kalk, wie sie ihn finden, zu verzehren. Ieh w/~hlte daher sine Form des Kalkes, in der die Htihner ihn aueh sonst geniessen und gab den Thieren neben ihrer Ration yon 75 g Fleisch zweimal t/~glich noeh 5 g gepulverter Eiersehalen, im Ganzen also pro Tag 10 g. Es war dies die Menge, welehe, wie ieh mieh iiberzeugte, meine Htihner aueh freiwillig innerhalb 24 Stunden zu sieh nahmen. -- Eiersehalen bestehen bekanntlieh fast vollkommen aus kohlensaurem Kalk. Des auffallendste Symptom, das sieh naeh Kalkzufuhr einstellte, war eine starke Vermehrung der ausgesehiedenen Exeremente. Ihre Menge stieg an manehen Tagen his tiber 600 g. Aueh der Durst war stark vermehrt~ die Htthner tranken auffallend viel.

Einfluss des Kalkes auf das physiologische Verhalten gichtkranker Hühner

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XII .

Aus dem pharmakologisehen Institut der Universititt Breslau.

Einfluss des Kalkes a u f (las physiologische Verhalten gieht- k ranke r ]Ii ihner.

Yon

Privatdocent Dr. I=I. K ionka .

(Hierzu die Curven der vorstehenden Arbei.t und 1 Abbildung.)

Es erscheint nieht auffallend, dass l-Iiihner, die nur mit Fleiseb ern/ihrt werden, sehr gierig auf KSrnerfutter und Kohlehydrate sind. Aueh bei meinen Versuchshtihnern (s. dis vorstehende Arbeit) konnte ieh diese Beobaehtung maehen, ausserdem nahm ieh aber bei ihnen noeh ein sehr starkes Verlangen naeh Kalk wahr. Dieser Kalk- hunger, der sieh bei versehiedenen Gelegenheiten sehr deutlieh zeigte, h/itte vielleicht nut ein Yerlangen naeh Alkali sein kSnnen, des sich bei der sauren Fleisehnahrung leieht erkl/~ren liesse. Indessen sehien es mir doeh wtinsehenswerth, einmal den Einfluss des Kalkes auf des physiologisehe Verhalten dieser mit Fleiseh gefiitterten und in- folge dieser Ern~Lhrungsform, wie in der vorstehenden Arbeit gesehil- dert, giehtkrank gewordenen Htihner festzustellen.

Die Htihner haben bekanntlieh aueh sonst bei normaler Er- nghrung eine lqeigung, Kalk, wie sie ihn finden, zu verzehren. Ieh w/~hlte daher sine Form des Kalkes, in der die Htihner ihn aueh sonst geniessen und gab den Thieren neben ihrer Ration yon 75 g Fleisch zweimal t/~glich noeh 5 g gepulverter Eiersehalen, im Ganzen also pro Tag 10 g. Es war dies die Menge, welehe, wie ieh mieh iiberzeugte, meine Htihner aueh freiwillig innerhalb 24 Stunden zu sieh nahmen. - - Eiersehalen bestehen bekanntlieh fast vollkommen aus kohlensaurem Kalk.

Des auffallendste Symptom, das sieh naeh Kalkzufuhr einstellte, war eine starke Vermehrung der ausgesehiedenen Exeremente. Ihre Menge stieg an manehen Tagen his tiber 600 g. Aueh der Durst war stark vermehrt~ die Htthner tranken auffallend viel.

208 XII. KIONKA

Eine weitere Aenderung trat in der Reaction der Exeremente ein: wghrend sie unter reiner Fleisehftitterung stets sauer reagirten, waren sie jetzt alkaliseh.

Sonst war in dem Verhalten der mit Fleiseh und Kalk geftitter- ten Hahner kliniseh niehts weiter zu bemerken. Aueh irg'end welsher Einfluss auf das gerhalten des KSrpergewiehts war, wie die Gewiehts- eurven 2, 9 und 10 auf Tabelle I (der vorstehenden Arbeit) zeigen, nieht wahrzunehmen. (Der Moment, yon welehem an die tlahner neben dem Fleisehe Kalk erhielten, ist auf den r durch ein * bezeiehnet.)

Einen a u f f a l l e n d e n p a t h o l o g i s c h - a n a t o - m i s c h e n B e f u n d boten bei der Section drei yon meinen ftinf mit Kalk ge- ftitterten H~hnern. Es zeigten sieh ngtmlieh unter

derhautzellgewebe auf den an versehiedenen KSrper- n den Untersehenkeln in der enke, einmal auf den Mus- r und besonders zahlreieh ~eln -- weisse, harte, steek- .nfkorngrosse, platte, abge- 1re. Die nebenstehende Figur ~ines eingetroekneten Prapa- lenkes. Sie zeigt solehe Con- " nattirliehen Lage auf den

. . . . . . . . . . , . . . . . . . leren Ans~tzen. Unter dem Mikroskop erwiesen sieh diese festen harten KSrper als aus breiten~ tafelfSrmigen (nieht nadelfSrmigen) Krystallen bestehend. Ihre che- misehe Untersuchnng braehte das unerwartete Resultat, dass es sich um p h o s p h o r s a u r e n K a Ik handelte (eharakteristisehe Niederschl~ge dureh Molybd~nsaure und Oxals~ure). - - Es ist meines Wissens dies das erste Mal, dass eine Ausseheidung yon Phos- phaten ia Form yon Krystallen im lebenden thierisehen Organis- runs i n n e r h a l b t i e r G e w e b e beobaehtet warde. Dieser so ausserordentlich auffallende Befund gewinnt noeh mehr an Inter- esse, wean man bertieksiehtigt, dass ich ihn dreimal in versehie- den grosser Ausdehnnnff an Hiihnern beobaehten konnte, die ausser Fleiseh (also einer Nahrung mit saurer A s e h e - vffl. die Unter-

Einfluss des Kalkes auf das physiologische Verhalten gichtkranker Htihner. 209

suchungen yon Wei s k c) grosse l~engen Kalk erhiclten. Allerdings konnte ich bei zwei yon den ftinf mit Kalk gcftitterten HUhnern diese Erscheinung nicht beobachten. Niemals aber sah ich sie bei

3000

2500

2000

1500

10O0

500 (6. 16. 26.)(6. 16. 260 (6. 16. 26.)(6. 16. 26.)(6. 16. 26,)(6. 16. 260

V. VI. VII. VIII. IX. X. 1 .) Hahn,

2.)4.)5.)6.)7.)8.) Hennen, j nur mit Fleisch gefiittert. 3.)9.)10.) Hennen, mit Fleisch und Kalk gefiittert.

* Beginn der Kalkdarreichung.

Archi v f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. XLIV. Bfl. 14

210 XII. Kio~r:A

den aeht anderen mit Fleisch ~eftitterten Htihnern, und auch sonst ist ein soleher Befund anseheinend hie gemaeht worden. Es lieg.t daher die Vermuthung nahe, dass das Auftreten dieser Phos- pha~eoneremente in irgend einem eausalen Zusammenhanr mit dem neben der (absonderliehen) Fleisehnahrung dargereichten Kalk stehe. Irgend welehe weitergehende Sehltisse lassen sieh meines Eraehtens aus dieser Thatsaehe noeh nieht ziehen; doeh hoffe ieh dutch weitere Untersuchungen tiber diesen Punkt noah mehr zu erfahren.

Der S t o f f w e e h s e l unter dem Einflusse der Kalkzufnbr wurde an den beiden Htlhnern 9 und 10 untersueht, welehe bereits zu den frtiheren Stoffweehseluntersuchungen gedient hatten. Sie batten in- zwisehen anKhrpergewieht abgenommen (Nr. 9 yon 2100 g auf I800g'; Nr. 10 yon 1620 g auf 1500 g), doeh hielten sic sich wahrend der 3 Versuehstage (yore 26. Juli his 28. Juli) ann~thernd auf eonsmn- *era Gewieht.

Die folgende Tabelle I giebt ftir die beiden Htihner die t~g- lichen Durehsehnittszahlen far die 3 Versuehstage in Grammen an, welehe sieh aus den t@liehen Einzelanalysen ergaben. Die einge- klammerten Zahlen bedeuten die beobaehteten Maxima und Minima. Zum Vergleieh sind daneben die ftir diese beiden Htihner frtiher g'efundenen Durehschnittszahlen aus der Tabelle I[ der vorstehenden Arbeit gesetzt.

TABELLE I.

Huhn

Nahrung

Wasser

~1 Trocken- ~ substanz 19,484

S~ickstoff ' 4,115

~ Harns~ure ' 8,815

9

pro Tag [pro Tag 150 g Fieiseh 150 g Fleisch -~- 10 g Eiersohalen

. . . . . . l 226,595 z ~ o (i95,765--284~933)

22,738 (12~235--29,413)

4,061 (2,753 --5,818)

4,739 (4,173 --5,390)

10

pro Tag ]pro Tag 150g Fleisah 150 g Fleisch + i0 g Eierschalen

522,571 245,529 (247,092--665,770)

20,429 20,973 13,350--24,030)

5,213 3 ,826 (2,219__77065)

4,929 9 ,792 (3,331-- 6,125)

Die NH3-Ausseheidung wurde in einer besonderen dreititgigen Versuehsreihe g'emessen. Die aus den g, ewonnenen Zahlen pro Tag berechneten durehschnittiichen NH3-Werthe sind in der folgenden Tabelle II zusammengestellt. Aueh bier sind zum Vergleieh die Zahlen aus Tabelle III der vorstehenden Arbeit beig'eftigt.

Einfluss des Kalkes auf das physiologische Verhalten gichtkranker Hfihner. 21A

TABELLE II .

tIuhn 1

pro Tag 150 g Fleisoh pro Tag pro Tag Nahrung 150 g Fleisch --~ 10 g Eierschalen II 50 g Fleisch pro._~ Tagl 0 g 150Eierschalen g Fleiszh

ausgeschie- ( 0,312 0~355 denes NH3 0~257 < 0~304

Das Auffallendste an den obi~en Zahlen ist die grosse Ver- mehrung des Gewiehtes der Exeremen~e. Ihre Trockensubstanz hatte im ~[ittel sieh nur wenig ver~ndert: van 19~484 g, bezw, 20~973 g t~tglich auf 22,738 g, bezw. 20,429 g. Die Troekengewiehte waren indesseu an den 3 Versuchstagen versehieden, so dass sie gesondert zn betrachten sind. Sie betrugea bei

Huhn 9 Huhn 10 am 1. Tage 12,235 g 13~350 g. am 2. Tage 26,567 g 24~030 g am 3. Tage 29,413 g 23,908 g

Man sieht hieraus, dass unter Kalkdarreiehung aueh die Troekensubstanz der Exeremente vermehrt ist, dass aber diese Er- hShung" der Trocken~ewiehte am 1. Versuchstage, dem 1. Tage, an welchem die Hiihner fiberhaupt Kalk bekamen, noch nieht einge- treten ist. Es finder also in den ersten 24 Stundeu eine Retention des dargereiehteu Kalkes start. Denn auch die spatere Vermehrung des Troekengewichtes ist wohl zum grSssten Theil durch die tiig- lich dargereiehten Eiersehalen bedingt.

Die enorme Vermehrung des Gesammtgewichtes der Excrement% an manchen Tagen his fiber 650 g~ ist wesentlieh eine Vermehrung des ausgesehiedenen Wasser% wie aueh aus Tabelle IV hervorgeht. Dass infolgedessen die Htihner in diesen Tagen auffallend viel tranken, ist oben sehon vermerkt.

Was die ehemische Zusammensetzung der Excremente anlang~, so ist die Stickstoffausscheidung fast unveriindert~ auffallend abet ist die bedeutende Verringerung der ausgeschiedenen Harnsiiure: sie sank an manehen Tagen bis auf 3~33l und betrug im Maximum 61125 g, w~thrend sie in der Zeit vor der Kalkdarreiehung (s. Tabelle II der vorstehenden Arbeit) bei denselben Htihnern nur einmal bis ' auf 6~360 g pro Tag sank~ an anderen Tagen abet tiber 10 g, bei Huhn 10 am 4. Tage sogar 11,106 g erreiehte.

Der ia den Excremenien ausgesehiedene Stiekstoff war also nur zum kleinen Theil darin als Harnsiture enthalten. Es mussten andere stickstoffhaltige Bestandtheile in vermehrter Menge sieh in den Ex- crementen befinden. Das N~tchstliegende war~ die Ammoniakaus-

14"

212 XII. KIO~KA

scheidung zu messen. Naeh den Untersuehungen yon Abe l und M n i r h e a d l) wird beim S~ugethier naeh Kalkzufuhr ebenso wie nach der Darreichung anderer Alkalien die Ammoniakausscheidung im Harn verringert, nnd aucb bei der Gans hatte Minkowski2) in einem Yersueh, in welehem er grosse Mengen yon l~atriumbiear- bonat eingab, in dem stark alkalischcn ttarn die ausgesehiedene Ammoniakmenge verringert gefunden. Ich musste daher aueh bei meinen tIt~hncrn auf dis Kalkdarreichung eine Abnahme der Am- moniakausseheidung erwarten.

Es war yon vornherein klar, class ich bei meinen Untersuchungen starke Verluste an Ammoniak erlitt. Ieh musste dureh mebrere Stunden die Excremente, welche, wie ieh reich wiederbolt ~iber- zeugte, schon mit alkalischer Reaction aus tier Cloake entleert wurden, in einem untergestellten Gef~sse sammeln. Dabei konnte also Ammoniak in die Luft entweiehen; es musste abgegeben wet- den, da ja die Excremente dieser kalkgef~ttterten IIUhner grosse Mengen Kalk enthielten. Ueber die frischgelassenen Excremente aufgeh~ingte Streifen befeuehteten rothen Laekmuspapiers farbten sieh aueh sehon innerbalb einer halben Stunde blau, und in einer Sehale mit Normalsehwcfels~iure, welehe ieh unter einem dartiber gesttilpten Holzkasten etwas t~ber der Sehale mit den fl'ischgelassenen Excre- menten aufstellte, konnte ich in 24 Stunden fiber 5 cg" Ammoniak auffangen. - - Es waren offenbar aus den Exerementen, die ieb zur Ammoniakbestimmung verwandte~ schon sebr betr~chtliehe Mengen Ammoniaks entwiehen. Trotzdem fand icb~ wie Tabelle I[ zeigt, naeh Kalkzufubr nieht weniger Ammoniak als vorher bei reiner FleisehfOtterung.

Das thats~ieblieh ausgesehiedene Ammoniak muss also als erheb- lieh vermehrt gelten und aueh die gefundenen Stiekstoffzahlen in Tabelle I sind als etwas zu klein angegeben zu betraehten.

Wir sehen also in den Exerementen fleisehgeftitterter HUhner naeh Kalkdarreichung" Ammoniak nnd Gesammtstiekstoff vermehrt, die Harns~iure um 40--50 Proe. verringert.

Es ist schwer, eine Deutung dieses auffallenden Verhaltens zu geben.

Von Abel und M u i r h e a d 24) wurde die Thatsache festgestellt, dass im Mensehen- und Hundeharn naeh Einnahme grSsserer Mengen yon Kalk in reichlichem Maasse Carbaminsanre ausgesehieden wird.

1) A b e l und M u i r h e a d , Archly f. experiment. Pathol. u. PharmakoL Bd. XXXI. S. 15.

2) M i n k o w s k i , Archiv f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. Ba. XX[. S. 39.

Eir~uss des Kalkes auf das p]~ysiologisctm u gichtkranker Ht~hner. 213

Der 0rganismus bildet den leicht 15slichen carbaminsauren Kalk, um sich seines Kalkiiberschusses zu entledigen. Die wenig haltbare Carbaminsaure zerfallt aber sehr schnell in Ammoniak und Kohlen- saure, welch letztere A b e l uad M u i r h e a d im Ham auch im freiea Zustande nachweisea konnten. Da in den Excrementen meiner kalk~efiittertea Htihaer neben der Ammoniakvermehrung sich auch freie Kohlensaure nachweisen liessJ), so ware es mSg'lich, dass auch tier Hiihnerorganismus Carbaminsaure oder eine sehr ahnliche stick- stoffhaltige organische Sfiure bei reichlicher Kalkzufuhr bildet. Dgs stiekstoffhaltige Material ftir diese Saure mtissten diejenigen Yer- bindungen liefern, aus denen normaler Weise im Vogelorganismus auf synthetischem Wege ttarnsaure gebildet wird. So ware auch die auffallende Verringerung der Harnsaureausscheidung' naeh Kalk- darreichung erkl~rt. Wir hatten es in diesem Falle mit einer ausser- ordentlich starken Beeinflussung des gcsammten Stickstoffhaushaltes im 0rganismus durch den dargereichten Kalk zu thun.

Es liegt nahe, die Frage aufzuwerfen, ob auch im Organismus der S~ugethiere~ namentlich des Manschen, etwas Aehnliches nach Kalkdarreichung zu beobaehten sei. Wir besitzen in der neueren Litteratur einige sehr ausftihrliche Untersuchungen tiber das Ver- balten des menschlichen Stoffwechsels unter dera Einflusse darge- reiehten K.atkes.

Bekanntlich hat vor etwa 3 Jal~ren v. N o o r d e n 2) gezeigt, dass beim Menschcn naeh Kalkeinfuhr die Phosphorsaureausscheidung im ttarn verringert und namentlich das mit starkem Aussalzungs- vermSgen far ttarnsaure behaftete Mononatriumphosphat vermindert wird. Da zugleieh auch der ttarn selbst dutch grosse Mengcn yon Kalksatzen nicht seine saute Reaction verliert, so empfahl v. N o o r d e n den Kalk zur Therapie der harnsauren Diathese. Auf seine Veran- lassung wurden damals yon J. S t r auss~) and H e r x h e i m e r 4) Untersuchungen fiber die Beeinflussung des menschlichen Stoffwechsels durch Kalkdarreichung vorgenommen. Es sind dies im Ganzen drei Untersuchungsreihen, eine yon t t e r x h e i m e r und zwei yon S t r a u s s, aus denen Folgendes zu ersehen ist:

Die Stickstoffausscheidung zeigt bei S t r a u s s unter dem Kalk-

1) C02-freie, durch Kalilauge gesaugte Luft wurde erst dnrch die Excremente~ dana durch Barytwas.cer gef~hrt. Letzteres zeigte sofort: starke Trtibung.

2) v. ~oorden, Yerhandlungen des Congresses ftir inhere Medicin. Wies-- baden 1896.

3) J. Strauss, Zeitschrift far kliaische Medicin Bd. XXXL S. 493. 4) Herxheimer~ Berliner klin~sche Wochenschrift 1897. S. 823.

214 XlI. KIONKA

gebraueh eine leichte Verringerung, bet H e rx h e lm e r erscheiat die Stiekstoffbilanz dureh Kalkzufuhr nicht wesentlich beeinflusst.

Dasselbe gilt yon dem Verhalten der Mloxurbasen in den Tabellen yon S t r a u s s .

Die durehsehnitttiche t/~gliehe Harns/~ureausscheidung wird yon H e r x h e i m e r wie folgt angegeben:

in der 1. Periode (ohne Kalk) 0,8188 g ~, ,, 2. , (tttglieh 15--21 g Calc. carb.) 0,7].91 g ~: , 3. ~: ~: 6 g , ~, 0,7826 g

Man sieht also eine Verringerung der durehschnittliehen Har~: saureabgabe withrend der Periode der Kalkdarreichung. Dieselbe Abnahme der tUg'lichen (durchschnittliehen) Harnsaureausscheidung um 12 bezw. 13 Proe. unter dem Einflusse der Kalkzufuhr zeigt die Tabelle I yon S t r a u s s . Tabelle II dieses Autors weist diesen Ab- fall gegentiber den ersten Versuehstagen, an denen der Patient keinen Kalk bekam, nieht auf. Iudessen war, wie S t r a u s s selbst angiebt, und wie aueh aus der Phosphors~ureausseheidung hervorgeh% der Stoffweehsel des Patienten w~thrend dieser Zeit sieher kein normaler, kann also zum Vergleich nieht herangezogen werden. Der Wieder- anstieg der mittleren ttarns~tureausseheidung aber naeh AufhSren der Kalkzufuhr (urn 4--6 Proe.) zeigt die Tabelle II yon S t r a u s s ebenso wie seine Tabelle I.

Es ware unstatthaft, aus diesen drei vorliegenden Untersuchungen bereits den Sehluss zu ziehen, dass aueh beim Mensehen, ebenso wie es naeh meinen Yersuehea bet den tleisehgefiitterten Hiihnern der Fall zu sein seheint, naeh Kalkdarreichung die Harns~ureausscheidung siakt. Doeh erseheint die Annahme, man kSnne dureh Kalkdar- reichung beim Mensehen die Ausscheidung der Harns~ture vermin- dern, sehr sympathisch bet Beriieksichtigung der wenig bekannten Thatsache~ dass die Mineralwasser, die yon jeher gegen Gieht und harnsaure Diathese verwandt werden, sieh fast s~tmmtlieh unter den Quellen ihrer Gruppe dutch den grSssten Kalkgehalt auszeiehnen, dass man also bet Darreichung aller dieser Mineralwgsser aueh stets eine verh~tltnissm~tssig grosse Menge Kalk zuftthrt.

Indessen wurde ich doeh im weiteren Verlauf meiner Unter- suchungen zu einer ganz andcren Annahme gedrangt.

Wgre die yon mir beobachtete Verminderung der Harnsgureaus- scheidung bet meinen kranken Htihnern ein Vorthei] fiir die Thiere, so konnte in Frage kommen, ob etwa unter dem Einfluss des Kalkes die Wiederherstellung der im 0rganismus zerstSr~en Harnsgure ge- hemmt wird und start dessert der Stiekstoff in Form yon Ammoniak~

Einfluss des Kalkes auf das physiologische Verhalten gichtkranker tttihner. 215

Carbamins~ture etc. ausgeftihrt wird, oder es hiitte vielleicht eine u der ursprtinglichen Harnsi~ureproduetion stattfinden kSnnen u. s .w. Bevor ich aber Veranlassung hatte, dies zu unter- suchen, lag mir daran, festzustellen, wie denn Htihner die reine Fleischkost vertragen, wenn ihnen gleichzeitig Kalk gereicht wird. Doch, wie aueh schon aus den Gewiehtscurven auf Seite 209 zu ersehen ist, machte die Erkrankung der fleischgeftitterten Hiihner regelmitssige Fortschritte, auch wenn sie Kalk erhielten, und auch tttthner, welche yore ersten Tage der Fleischfiitterung an Kalk erhielten, erkrankten und gingen ganz ebenso zu Grunde, wie die Hiihner ohne Kalk.

Ich suchte daher nach einer anderen Deutung der obea mitge- theilten auffallenden Ergebnisse der chemischen Untersuehung der Excremente. Diese zeigten namlieh bei genauer Beobaehtung ein etwas anderes Aussehen, als die Excremente der tttihner, welehe keinen Kaik erhielten. Die obea gesehilderten dunklen, wurst- fSrmigen Partikel, welche aus dem Darm stammen, waren bei den mit Kalk geftttterten Hiihnern fester, nieht so gelatinSs schleimig wie in den Excrementen der anderen Htihner. Eine genauere, auch mikroskopisehe Untersuchung dieses ,Darmkothes ~: zeigte nun, dass dieser bei den Htihnern, die Kalk erhielten, zum grossen Theil aus reinem, unverdautem Fleisch bestand, w~thrend der Darmkoth der nur mit Fieisch geftitterten Htihner nur verhiiltnissm~tssig wenig un- verdautes Fleiseh enthielt, zum grSssten Theil abet aus schwarz- braunen, schmierigen Massen zusammengesetzt war. Es war also mSglich, dass der im Magen und Darm befindliche Kalk in irgend weleher Weise die Verdauung des als Nahrung aufgenommenen Fleisehes erschwerte, dass dieses also zum Theil, ohne ausgentitzt zu werden, unver~tndert den Darm verliess. War dies der Fall, so mussten die Analysen der Excremente, in denen ja ttarn und Darm- faeces gemeinsam enthalten sind, keine Veranderung im Gesammt- stickstoff aufweisen. Wohl aber mussten die durch den Harn aus- gesehiedenen stickstoffhaltigen Verbindungen, welche nur aus dem resorbirten Stickstoff entstehen, verringert sein, in erster Linie die Harnsaure.

Auf diese Weiso wiire also eine einfache Erkliirung fiir die yon mir gefundene Yerringerung der t:Iarns~ture gegeben. Abet auch die beobachtete Vermehrung der Ammoniakausscheidung kann auf diese Weise erklih't werden.

Wie D r e e h s e l 1) nachgewiesen hat, ist die Carbamins~ure ein 1) Drechsel, Joarnal far praktische Chemie Bd. XVI.

216 XII. KIONKA, Einfluss des Kalkes auf das physiologische u u. s. w.

Product der 0xydation stickstoffhaltiger organiseher Substanzen in alkalischer LSsung. Die Bedingungen zu ihrer Bildung warea also in dem eiweissreiehen Darminhalt bei der dutch den Kalk bedingten stark alkalischen Reaction g'egeben. Die Kohlens~uro koante auch ganz abgesehen yon der zur Verft~gung stehenden K5rper-C02 im 3~agendarmkanal aus dem kohlensauren Kalk der aufgenommenen EierschMen abgcspalten werden. Jedenfalls erkl~rt sieh die yon mir beobaehtete vermehrte Ammoniakausscheidung sowie das Auf- treten freier Kohlens~ure in den Exerementen auf diese Weise Icicht, wenn wir den Ursprungsort beider nicht in den Harn~ sondern in den Darminhalt verlegen.

Dass thatsachlich die Anwesenheit grSsserer Mengen K~lk im Magendarmkan~l einen derartigen Einfluss auf die Verdauungsvor- g~nge austiben kann, daftir scheinen einige Beobachtungen am Menschea zu sprechen. So erscheint ia tier oben eitirten Versuchsreihe yon g e rx h ei m e r zwar tier gesammte, im Ham und Koth ausgeschiedene Stickstoff unter Kalkd~rreiehung im Wesentlichen unver~ndert, aber in dem Verh~tltniss des tt~rnstickstoffs zum Kothstickstoff ist eine Veranderung zu sehen derart, dass ein gr5sserer Antheil des Stick- stoffs im Koth ausgeschieden wird als zu der Zeit, in welcher der Patient keinen Kalk erhielt.

Jedenfalls ist es mSglich, dass auch beim Menschen wie bei den H~ihnern in grSsserer Menge dargereichter K~lk einen ungtinstigen Einfluss auf die Verdauung namentlich der Albuminate ausUbt.

B r e s l a u , Januar 1900.