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E1NIGE BEMERKUbTGEN ZUM PROBLEM DER TROPISMEN. Von N. CHOLODNY (Kiew). (Eingegangen am 2. Januar 1929.) I. Zah]reiche in den letzten Jahren erschieneneUntersuchungen haben uns verschiedenste Befunde erbracht, die dafiir spreehen, dal~ s~mtlichen Tropismen eine Wachstumsregulation dttreh sogenannte Wuehshormone zugrunde ]iegt. ,,Darfiber," sagt STA~K(1928), ,,dal~ Wuchsstoffe beim Zustandekommen tropistischer Krfimmungen eine mal3gebende Rolle spielen, kann naeh dem derzeitigen Stand der Forschung kein Zweifel mehr bestehen." Somit scheint uns die ziemlieh feste Grundlage sehon vorzuliegen, worauf allm~hlieh eine ,hormonale Theorie yon Tropismen" aufzubauen ist. Bei dem gegenw~rtigen Stand unserer Kenntnisse ist eine solche Theorie wohl nur als ein System yon mehr oder weniger hypothetischen Annahmen denkbar, die mit s~mtlichen bisher festgestellten Tatsachen so gut wie mSglich fibereinstimmen miissen. Der heuristische Wert sol- cher ttypothesen kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, und darin ist ihr ,,raison d'etre" zu erblicken. Nun habe ich in einer Reihe yon Arbeiten (CHoLOD~Y 1924--1928) den ersten Versuch gemacht, den Mechanismus der Orientierungsbewe- gungen bei den hSheren Pflanzen aufzukl~ren, indem ich yon der Grund- idee der maBgebenden Rolle yon Wuehsstoffen ausging. J~hnliehe An- sichten hat auch F. W. WEnT (1927, 1928) neuerdings ausgesprochen. Es ist besonders zu betonen, dal~ wir beide ganz unabh~ngig voneinander zu vSllig zusammenfallenden. Sehlfissen gekommen sind. Zuni~ehst mSchte ich das in unseren Arbeiten vorgeschlagene hypo- thetische Schema hier nochmals in aller Kiirze darlegen. in jedem orthotropen Organ (die plagiotropen lassen wir derzeit auBer aeht) seheidet ein bestimmter Teil durch inhere Sekretion Wuchs- hormone oder Wuchsstoffe aus, die auf die Zellen der Streckungszone einwirken, indem sie deren Waehstum bei einigen Organen fSrdern, bei anderen dagegen hemmen. Unter normalen Umst~nden werden diese Stoffe in der Waehstums- zone mehr oder weniger gleichm~l~ig verteflt, weshalb das Organ gerade 31"

Einige Bemerkungen zum Problem der Tropismen

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E1NIGE BEMERKUbTGEN ZUM PROBLEM DER TROPISMEN. Von

N. CHOLODNY (Kiew).

(Eingegangen am 2. Januar 1929.)

I.

Zah]reiche in den letzten Jahren erschieneneUntersuchungen haben uns verschiedenste Befunde erbracht, die dafiir spreehen, dal~ s~mtlichen Tropismen eine Wachstumsregulation dttreh sogenannte Wuehshormone zugrunde ]iegt. ,,Darfiber," sagt STA~K (1928), ,,dal~ Wuchsstoffe beim Zustandekommen tropistischer Krfimmungen eine mal3gebende Rolle spielen, kann naeh dem derzeitigen Stand der Forschung kein Zweifel mehr bestehen." Somit scheint uns die ziemlieh feste Grundlage sehon vorzuliegen, worauf allm~hlieh eine ,hormonale Theorie yon Tropismen" aufzubauen ist.

Bei dem gegenw~rtigen Stand unserer Kenntnisse ist eine solche Theorie wohl nur als ein System yon mehr oder weniger hypothetischen Annahmen denkbar, die mit s~mtlichen bisher festgestellten Tatsachen so gut wie mSglich fibereinstimmen miissen. Der heuristische Wert sol- cher ttypothesen kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, und darin ist ihr ,,raison d'etre" zu erblicken.

Nun habe ich in einer Reihe yon Arbeiten (CHoLOD~Y 1924--1928) den ersten Versuch gemacht, den Mechanismus der Orientierungsbewe- gungen bei den hSheren Pflanzen aufzukl~ren, indem ich yon der Grund- idee der maBgebenden Rolle yon Wuehsstoffen ausging. J~hnliehe An- sichten hat auch F. W. WEnT (1927, 1928) neuerdings ausgesprochen. Es ist besonders zu betonen, dal~ wir beide ganz unabh~ngig voneinander zu vSllig zusammenfallenden. Sehlfissen gekommen sind.

Zuni~ehst mSchte ich das in unseren Arbeiten vorgeschlagene hypo- thetische Schema hier nochmals in aller Kiirze darlegen.

in jedem orthotropen Organ (die plagiotropen lassen wir derzeit auBer aeht) seheidet ein bestimmter Teil durch inhere Sekretion Wuchs- hormone oder Wuchsstoffe aus, die auf die Zellen der Streckungszone einwirken, indem sie deren Waehstum bei einigen Organen fSrdern, bei anderen dagegen hemmen.

Unter normalen Umst~nden werden diese Stoffe in der Waehstums- zone mehr oder weniger gleichm~l~ig verteflt, weshalb das Organ gerade

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w/iehst. Wenn nun auf dasselbe Organ irgendein Reiz einwirkt, wenn dieses z. B. aus der vertikalen Lage in die horizontale gebraeht wird oder von verschiedenen Seiten ungleiehm~Big beleuehtet ist usw., so wird da- durch eine ungleiehm~Bige Verteilung der Wuehshormone in der Waehs- tumszone verursaeht. Wirkt z. B. auf die Avena.Koleoptile das Lieht einseitig ein, so strSmt das yon der Spitze dieses Organs gebildete Wuchs- hormon vorzugsweise nach der beschatteten Flanke hin, und die Konzen- tration dieses Stoffes nimmt hier etwas zu; dementspreehend wird aueh das Waehstum der hier befindliehen Zellen im Vergleich zu denjenigen der Liehtflanke etwas befSrdert, weshalb das Organ eine positive photo- tropisehe Kriimmung bflden muG.

Ebenfalls wirkt die Schwerkraft auf horizontal orientierte Stengel, Wurzeln oder Koleoptilen derart ein, dab das Wuchshormon vorwiegend naeh der Unter/lanke hin wandert.

Der Unterschied in der Reaktion yon positiv- und negativ-geotro- pischen Organen l~Bt sich naeh den Untersuchungen des einen der ge- naimten Forscher (CHoLoD~r 1926, 1928) dadureh erkl~ren, dab die Wachstumsgeschwindigkeit unter dem EinfluB des Wuchshormons bei den ersteren zu-, bei den letzteren da~egen abnimmt.

Was die unmittelbare Ursache der ungleichm/~Bigen Verteilung der Wuchsstoffe anbelangt, so ist diese nach CEOLOD~r und WENT in Pola- risationserscheinungen zu suchen. Es ist in der Tat bekannt, dab sowohl die Schwerkraft als auch die einseitige Beleuchtung zun~ehst eine elek- trische Polarisation von Pflanzenorganen hervorrufen. Es liegt wohl nahe, dab mit dieser physikalisch-chemischen Polarisation auch die phy- siologisehe zusammenh/ingt.

Soviel fiber das Wesen unserer Hypothese. Wie wir sehen, vereinfacht sie unsere VorsteUungen fiber die Natur der Tropismen betr/~ehtlich, in- dem sie die ziemlich unklaren und formalen Begriffe ,,Reiz", ,,Reiz- leitung" usw. dureh vie1 genauere physikaliseh-chemischeVorstellungen zu ersetzen strebt. Andererseits bringt sie die photo- und geotropischen Erseheinungen einander n~her, insofern diese beiden in den Rahmen eines mud desselben physiologisehen Schemas gebracht werden kSnnen.

Im letzten dahre haben unsere Arbeiten und die darin ausgesproehe- nen Ansichten mehrere Erwiderungen hervorgerufen. STARK (1928) be- font, indem er meine im Biologisehen Zentralblatt (1927) erschienene Abhandlung besprieht, dab es wiinsehenswert w/~re, die Diskussion fiber die darin berfihrten Fragen ins Rollen zu bringen. Da ieh nun mit STARK in diesem Punkt wohl vSllig einverstanden bin, beabsichtige ieh im vor- liegenden Artikel einige Bemerkungen und Erwiderungen zu beurteflen, die yon versehiedenen Verfassem in bezug auf die in unseren Arbeiten vorgeschlagene Auffassung des Mechanismus der Orientierungsbewe- gungen bei den Pflanzen ausgesprochen wurden.

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II. Am entsehiedensten t r i t t gegen die ,,CHOLOD~Y-W~.~Tsche Hypo-

these" AD. B~XER auf. In seiner umfangreichen Abhandlung ,,Beitr~ge zum Problem der Reizleitung" (.1928) hat er einen ganzen Absehnitt (S. 393--415) der Krit ik dieser Hypothese gewidmet, und ist zum Sehlull gekommen, dab diese abzulehnen ist, da sie den Tatsachen nicht gerecht wird, welche BEYER durch seine eigenen Versuche festgestellt zu haben glaubt. Zugleich sollen diese in der genannten Arbeit besehriebenen Versuche die Richtigkeit der yon STARK vertretenen Auffassung bewei- sen, dab bei der tropistischen Reizung besondere Stoffe oder Trope- hormone entstehen.

Wir wollen zuns diese B~YERschen Versuehe betraehten, um zu sehen, ob sie wirklieh unserer Hypothese widersprechen, und ob diesv demzufolge abzulehnen ist.

Um die RiehtigkeR unserer Grundannahm e zu prfifen, schl/~gt BEy~,R zwei Wege ein. Erstens will er die Frage untersuchen, ob diese Annahme mit den Erfahrungen fibereinstimmt, welche fiber die Reizleitungsbahnen vorliegen. Zweitens stellt er einige Ver~uehe an, um aufzukl/~ren, ob eine Parallelits in der Regeneration der photo- bzw. geotropischen Reak- tionsfs und des Wuchsstoffes bei den dekapitierten Avena-Kole- optflen besteht.

Was die erste Frage betrifft, so geht BEY~R Yon den folgenden lJ-ber- legungen aus:

Naeh CHOLOD~Y und WE~T soll dureh die photo- bzw. geotropische Induktion zun/~chst eine radiale Wanderung der Wuchsstoffe verursaeht werden: wenn z .B. eine Avena.Koleoptile einseitig beleuchtet ist, so sollen sieh diese Stoffe in Zellen der hinteren besehatteten Flanke an- h~ufen und hier aueh basalw/~rts abstr6men; ist nun dieselbe Koleoptile oder irgendein anderes Organ aus der vertikalen Lage in die horizontale gebracht, so sollen die Wuehshormone sieh ebenfalls vorwiegend in den Zellen der Unterflanke sammeln und in ihnen weiter diffundieren. So- mit sollen im ersten Fall aussehlieBlieh die Zellen der Schattenflanke den ,,phototropisehen Reiz", im zweiten aussehlie$lieh die der unteren Flanke den ,,geotropischen Reiz" ]~ngs dem Organ leiten.

In der Literatur sind in der Tat eine Reihe yon experimentellen An- gaben zu finden, die die soeben angeffihrten Schliisse zu best/~tigen sehei- hen. Es geniigt, an die/~lteren Arbeiten yon BOYS~N-J~Ns]~ (1910 bis 1913) und an die neueren yon Pm~DY (1921) und SNow (1924) zu erinnern.

BEYER beginnt mit einer ausffihrliehen Krit ik der Versuehe BoYs~'- J ~ S E ~ s und PURDYS und kommt zum SehluB, dal~ diese nieht einwand- frei seien und dal~ deshalb auch die Lokalisierung der geotropisehen und phototropisehen Reizleitungsprozesse auf der unteren bzw. hinteren Flanke des Organs durch diese Versuche keineswegs naehgewiesen werden

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kSnne. Obgleich die Bv.u Kritik meines Erachtens nicht recht iiberzeugend ist, werde ich reich nicht auf eine Besprechung dieses Teils seiner Arbeit einlassen: es muB wohl den genannten Verfassem fiber- lassen bleiben, sich selbst zu verteidigen. Es ist auch in Betracht zu ziehen, daB B~Y~R seine st~rksten Argumente natiirlieh nieht aus der Kritik anderer Arbeiten, sondern aus eigenen Untersuehungen schSpft. Diese Untersuchungen miissen wir bier zun~chst etwas ein- gehender beurteflen.

Was den Geotropismus anbelangt, so beschr~nkt sieh B~YV, R auf einige Versuche mit Avena-Koleoptilen. Diese Versuche stellte er nach der yon ihm kritisierten Methode BoYs~N-J~sE~s und PuRDYs an. Es wurden n~mlich einseitlge Quereinsehnitte bei den Koleoptilen in einer bestimmten Entfernung yon deren Spitzen gemacht und in diese Ein- schnitte Glimmerbl~ttchen eingelegt. Dann wurden die Koleoptilen der- art in horizontale Lage gebraeht, dab einige den Glimmer oben, andere dagegen unten hatten. Die Ergebnisse dieser Versuehe sind in Tabelle 11 yon B ~ u zusammengefaBt, woraus zu sehen sei, dab ,,iiberall die Pflanzen mit Glimmer unten geotropisehe Kriimmungen ausgeffihrt haben".

Wenn man diese Tabelle nun aufmerksam durehmustert, so ist leieht zu sehen, dab deutliehe Kriimmungen (von 14 ~ bis 36 ~ erst bei denjeni- gen Versuchen beobachtet wurden, welche 4--73/~ Stunden gedauert hatten. Die Pflanzen (mit Glimmer unten), we]che nut 3--31/~ Stunden in horizontaler Lage verweilt hatten, zeigten durchsehnittlich Kriim- mungen yon 70--8% Es liegt wohl nahe, anzunehmen, dab die geotro- pisehe Reaktion bei den Koleoptilen mit Glimmer unten nieht dutch die Leitung des Hormons (bzw. des Reizes) in der Oberflanke, sondern dutch die Regeneration der physiologischen Spitze unterhalb des Einschnittes zu erkl~ren ist. Denn ROTHERT (1893), SSOING (1925) und DOLE (1926) haben ja festgestellt, daft dieser Vorgang schon im Laufe yon 21/2 Stun- den nach der Operation merkbar wird.

Bei den soeben besehriebenen Versuchen wurden die Ergebnisse durch den EinfluB des Traumatotropismus etwas gestSrt. Nun hat B~u um diese StSrungen auszuschalten, eine Versuchsreihe derart angestellt, dab er nur Koleoptilen verwendete, bei denen die traumatotropische Kriim- mung nach einer bestimmten Zeit zuriickgegangen war. in die horizon- tale Lage gebracht, zeigten solehe Pflanzen immer eine gleich starke geo- tropische Reaktion: einen Unterschied zwischen den oben und unten ein- gesehnittenen Pflanzen hat der Verfasser nicht fest.~tellen kSnnen (siehe Tabelle 12 yon BEYE~).

Aus diesen Versuchen sowie auch aus den vorigen zieht der Verfasser den SchluB, dab die Oberflanke der Koleoptile ,,zur Weiterleitung der Ge- samtspitzenwirkung" ebenso bef~higt ist wie die Unterflanke.

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Es leuchtet aber ein, dab die Pflanzen, die eine bestimmte Zeit nach der Operation vertikal stehen blieben, damit die traumatotropischen Kriimmungen zurfickgehen konnten, und dann noeh fiir einige Stunden (3--9, nach B ~ Y ~ Tabelle) in horizontale Lage gebracht wurden, Zeit genug hatten, um die physiologische Spitze in der verletzten Zone vSllig restituieren zu k6nnen. Deshalb muBten diese Pflanzen wohl eine gleich starke geotropische Reaktion auch in dem Fall aufweisen, wenn ihre Oberflanke gar nicht bef~higt wurde, den yon der morphologischen Spitze ausgehenden Reiz weiterzuleiten.

Somit sehen wir, daB sich aus diesen Versuchen keine Schlfisse ziehen lassen, die man mit der CHOLOD~u Hypothese nicht in Uber- einstimmung bringen kSnnte.

Zum SchluB beruft sich B E u noch auf meine Versuche mit gespalte- nen Hypokotylen yon Lupinus (C~oLOD~Y 1927) und auf eigene ~hn- liehe Experimente mit Zea-Koleoptilen, wobei sich Gleiches ergab. Durch alle diese Versuehe ist seiner Meinung nach der l~achweis er- bracht, dal~ die Oberflanke der genannten Organe ebenso bef~higt ist, die Wuchsstoffe zu leiten, wie die Unterflanke. I~un liegt hier offenbar ein MiBverst~ndnis vor. Es l~Bt sich wohl aus der Tatsache, dab isolierte Oberh~lften yon Hypokotylen bzw. Koleoptilen geotropische Krfim- mungen bilden kSnnen, keineswegs der Schlu~ ziehen, daB in unverletzten Organen entsprechende Flanken bef~higt sind, die Wuchsstoffe bzw. den I~eiz weiterzuleiten. Denn jede isolierte tI~lfte hat ja aueh ihre eigene Ober- trod Unterflanke~ und erst in dieser letzteren k6nnen unserer Vor- stellung nach wachstumsregulierende Stoffe auch in der Liingsrichtung basalwiirts unbehindert diffundieren. Aus den erw/ihnten Versuchen mit isolierten tIypokotyl- bzw. Koleoptilh~lften ist nur der Schlul~ zu ziehen, dab Wuchshormone nicht nur in UnterhMften horizontal orientierter Pflanzenorgane sich bilden kSnnen, wie GRADMANN (1925) festgestellt zu haben glaubte, sondern auch in deren Unterhiilften. Dariiber, wound wie diese Stoffe innerhalb der genannten Organe ge- leitet werden, sagen die Versuche mit gespaltenen Pflanzen fiberhaupt niehts aus.

Nachdem nun BEYER auf diese Weise gegen unsere Hypothese, inso- fern sie den Geotropismus betrifft, Stellung genommen hat, geht er zum Phototropismus fiber. Auch hier wollen wir seine kritischen Bemerkun- gen fiber diesbezfigliche BoYsEN-JENsv, Nsche Versuche iibergehen und nur seine eigenen Untersuehungen bespreehen.

Wie schon erw~ihnt, hat BOYSEN-J~sEN (1910--1913) den ~lteren FITTr~Gschen Angaben zuwider (FITTrNG 1907) gezeigt, dab die Reiz- leitung beim Phototropismus nur auf der Hinter- bzw. Schattenflanke der Avena-Koleoptile stattfindet. Nun kommt B]~YER auf Grund seiner hier

. \ zu besprechenden Versuehe abermals zum SchluB, dal~ die Ansleht

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FITTINGs ZU Recht besteht, und dal~ beide Koleoptflflanken sich an der Reizleitung beteiligen.

Die Versuehe, die B~u ffir den besten Nachweis der Richtigkeit dieses Sehlusses h~lt, wurden in folgender Weise angestellt 1. Die Hafer- koleoptilen wurden wieder einseitig eingeschnitten, mit Glimmereinlage versehen, und dann yon der entgegengesetzten Seite her oberhalb der Wunde beleuchtet. Um den phototropischen Reiz in diesem oberen Koleoptilteil zu lokalisieren, verdunkelte BEYER seine Versuchspflanzen mit Sand bis fiber die Operationsstelle hinaus. Die Kontrollpflanzen wurden gar nieht beleuchtet.

Wenn wir nun die einsehl~gigen Versuchsprotokolle (115, 122, 133 und 134) mit den sie illustrierenden Photographien durehmustern, so sehen wir, daB fast alle einseitig beleuchteten Koleoptilen in der Tat deutliche positive phototropische Krfimmungen aufweisen, und dab bei s~mtlichen verdunkelten Pflanzen traumatotropische Krfimmungen, die vom Licht abgekehrt waren, auftraten.

Doeh ist es leicht zu zeigen, dab in der Versuehsanordnung yon BEY~,R ein wesentlicher methodologischer Fehler besteht, wodurch seine Ver- snchsergebnisse wohl auch vSllig entwertet werden.

Wie soeben gesagt, verdunkelte BEYER seine Pflanzen mit Sand. So- mit war oberhalb der Wundstelle eine Sandsehicht vorhanden, die besten- falls einige Millimeter dick war. Im Laufe der Versuehe, welche meist 5 bis 6 Stunden dauerten, wuchsen wohl die Koleoptilen etwas weiter, wes- halb aueh die Wundstel!e naeh der Sandoberfl~che heranrfickte. Natfir- lich ents teht die Frage, ob diese dfinne Sandschicht einen zuverl~ssigen Lichtschirm darstellte, und ob die unterhalb derWunde liegenden Koleop. tilzeilen wirklich phototropisch gar nicht gereizt wurden?

Schon yon vornherein ist zu erwarten, daB das Licht in den Sandetwas eindringen muB, denn dieser Stoff ist ja vorwiegend aus halbdurchsiehti- gen QuarzkSrnchen zusammengesetzt. Und in der Tat zeigen sowohl einfaehe Experimente als aueh Beobachttmgen in der Natur, da$ der Sand in einer dfinnen Schieht ziemlich durchsichtig ist. Dieser Schlu$ l~Bt sich z. B. aus folgendem Versuch ziehen, den ieh mehrmals mit demselben Erfolg wiederholte. Einige isolierte Haferkeimlinge wurden mit feinem, reinem und troekenem Sand derart versehfittet, dab oberhalb ihrer Spitzen noeh eine 2- -3 mm dicke Sandschieht vorhanden war. Dann warden die Gef~Be mit verschfitteten Pflanzen derart einseitig be- leuchtet, dal~ die Lichtintensitgt ungef~hr dieselbe war wie in den 0ben erw~hnten Versuchen B~YERS. Als Lichtquelle verwendete ich bei einigen Versuchen eine 50kerzige Glfihlampe (in einem Abstand yon etwa 15 cm), bei anderen setzte ieh die Pflanzen einseitigem Tageslieht aus. Es

1 Andere Versuche vd)n B~.Y~R, die der Veffasser selbst fiir ,,nicht ganz ein- wandfrei" halt, wollen wir hier nicht heranziehen.

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hat sich gezeigt, dab unter solchen Umst/~nden die im Sand begrabenen Pflanzen naeh einigen (5--6) Stunden merkbar griin werden, wobei die Chlorophyllbildung manchmal sogar in denjenigen Teilen des Keimlings beobachtet wird, welche sich 6--7 mm unterhalb der Sandoberfl~che be- finden. Einige Pflanzen zeigten auch Anfangsstadien der phototropischen Kriimmung, trotzdem sie bis zum Ende des Versuchs noch nicht aus dem Sand hervorgetreten waren.

Was nun feuchten oder nassen Sand betrifft, so kann das Lieht in sol. chert noch viel tiefer eindringen. Wie bekannt, enthi~lt der feuchteSand an den Ufern verschiedener Wasserbecken manchmal eine ziemlich man- nigfal~ige Algenflora, weshalb seine oberste, einige Zentimeter dicke Sehicht sogar grfinlieh gefi~rbt erseheint.

Somit unterliegt es keinem Zweifel, da$ die Koleoptilen bei den Ver- suchen BwYERs nicht nut oberhalb, sondern aueh unterhalb des Em- schnittes einseitig beleuchtet wurden. Wenn man nun noch in Betracht zieht, da$ die in Rede stehenden Versuche meistens 5--6 Stunden dauer- ten, und da$ wi~hrend dieser Zeit unzweifelhaft die Regeneration der phy- siologischen Spitze stattfand, so ist es ohne weiteres klar, dal~ die BEVrR- schen Versuehspflanzen auch in dem Fall phototropisehe Reaktion zeigen muf~ten, wenn die beschattete hintere Koleoptilflanke fiberhaupt gar nicht bef~higt wurde, irgendeine Wirkung tier morphologischen Spitze in die basale Region des Organs zu leiten.

Letzten Endes sehen wir, da$ die Versuche BEYERS, wodurch er die Rieh~igkeit der FrrTn~osehen Ansichten fiber die Leitung des phototropi- sehen Reizes besti~tigt zu haben glaubte, gar keinen Beweis zugunsten dieser Ansichten erbringen.

Ebensowenig erfolgreich sind auch andere Versuche BEYEI~S, die zei- gen sollten, da$ zwischen der Regeneration des Wuehshormons und der Wiederherstellung der phototropischen Krfimmungsfi~higkeit bei den de- kapitierten Koleoptilen keine Parallelit/~t besteht. Wenn wir die reeht kurze Beschreibung dieser Versuche richtig verstanden haben, wurden sie in folgender Weise angestellt. Avena-Koleoptilen wurden dekapitiert und blieben eine bestimmte Zeit (100--390 Minuten) ruhig stehen. Wiih- rend dieser Zeit land wohl die Regeneration der physiologischen Spitze und die Neubildung des Wuehshormons statt. Danaeh wurden die Ko- leoptilen in einem bestimmten Abstand vom apikalen Ende einseitig eingeschnitten und in die Einsehnitte Glimmerbl/~ttchen eingelegt. Von den so behandelten Pflanzen wurden einige yon der unverletzten SeRe her beleuchtet, andere als Kontrollpflanzen ins Dunkel gebraeht. Naeh einer bestimmten Zei~ (90--180 Minuten) wurde die Sti~rke der phototropischert Kriimmungen bei der ersten Koleoptilengruppe und die der traumatischen bei tier zweiten registriert. Es zeigte sieh, da$ die phototropischen Krfim- mungen stets betri~chtlich st/~rker als die traumatischen ausfallen.

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Nach BEYERS Meinung sind solche Ergebnisse keineswegs mit der CHOLOD•Y-WENTsehen Hypothese in Einklang zu bringen, welcher die Idee fiber die ungleichm~I~ige Verteilung der Wuchsstoffe zugrunde liegt. Denn ,,die traumatisehe Reaktion", sagt er, ,,ist sehr schwach, obwohl die intakte Flanke die gesamten, die verletzte gar keine Wuchsstoffe er- hglt". Hieraus kann man nach BEY~ den Sehlu~ ziehen, dab die Wuchsstoffmenge, die sich bei diesen Versuchen in den Koleoptilen bil- dete, fiberhaupt zu gering war, um bei ungleichmg~iger Verteilung eine stgrkere Kriimmung zu veranlassen. Somit sei auch die deutlich photo- tropisehe Reaktion, die wiihrend der gleichen Zeit an Versuchspflanzen zu beobaehten war, nicht nach der ,,Wnehsstoffhypothese des Phototro- pismus" zu erkl~ren.

Nun hat der Verfasser offenbar vergessen, da~ ,,die ungleichm~l~ige Verteilung" der Wuehsstoffe bei seinen Versuchs- und Kontrollpflanzen nach der CHOLODNY-WENTsehen Hypothese keineswegs gleich sein konnte. Die Konzentration dieser Stoffe in den peripherischen ZeUen der beschatteten Flanke yon phototropiseh gereizten Koleoptilen mul]te wohl betrachtlich gr6Ber sein, als in denselben Zellen der Kontroll- pflanzen; denn bei den ersteren erhielten diese Zellen unter dem EinfluB der einseitigen Beleuchtung ja den grSBten TeLl der gesamten Wuehs- stoffmenge, die in die entsprechende Koleoptilzone "con oben her eintrat (WENT 1928), bei der letzteren muBte dagegen in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen verschiedenen Zellen der unverletzten Flanke be- stehen. Somit ist es vom Standpunkt unserer ttypothese aus recht ver- standlich, dab die phototropischen Kriimmungen bei den Versuchen BEYERS betrachtlieh starker als die traumatisehen waren.

Wir kSnnen uns auf diese wenigen kritischen Bemerkungen fiber die BwYEasche Arbeit beschr/inken. Wie wir sehen, enthalt sie keine Tat- sache und keine Erwggung, die unsere Hypothese ersehfittern konnten. Ganz unbegriindet ist aueh der Schlul~ BEY~S, da$ durch seine Versuehe die Ansicht STARES, welcher bekanntlich spezielle Reizstoffe oder Tropo- hormone ffir die Grundursaehe der Tropismen halt, als riehtig erwiesen sei.

III.

Der andere Verfasser, E. Bi~NNING (1928) kritisiert zwar unsere Itypo- these in ihren Grundlagen nicht, doch zieht er aus seinen Untersuchungen einen SchluB, der unseren Ansichten und experimentellen Ergebnissen v611ig widerspricht. Er sa~6 ngmlich, dab ,,die Wurzelspitze keine Wuchs- stoffe bfldet".

Es leuchtet ein, dab wir, wenn dem wirklich so ist, unsere ttypothese, wenigstens insofern sie die Wurzel betrifft, fallen lassen miissen. In die- sem Fall ware die geotropische Reaktion dieses Organs wirklich durch die

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Bildung yon Geotropohormonen oder durch irgendeine andere Ursache zu erkl~ren.

Es sei bemerkt, dab ieh in meiner letzten Abhandlung, die in dieser Zeitsehrift fast gleiehzeitig mit der in Rede stehenden Arbeit BtiNNIN~S ersehien, schon eine Reihe yon neuen Tatsachen angeffihrt habe, die wohi kaum mit dem oben erw~hnten BffN~I~Gsehen SchluB in Einklang zu bringen sind (CHOLOD~Y 1928). Es ist mir gelungen, festzustellen, daB eine Zea-Wurzelspitze auf eine dekapitierte Avena-Koleoptile ganz ebenso einwirkt, wie eine Koleoptilspitze. Dies gilt sowohl fiir die photo- und geotropisehe Kriimmungsf~higkeit als auch fiir die Waehstumsgeschwin- digkeit und schlieBlieh fiir die Regeneration der physiologischen Spitze. Alle diese Tatsachen sprechen wohl ziemlich klar und eindeutig daffir, dab in der Wurzelspitze sich Wuchshormone bilden. Somit stellen sehon diese Ergebnisse gewissermaBen eine Antwort auf die Bi3N~-INGsehe Arbeit dar. Indem ich nun den Leser auf die zitierte Abhandlung ver- weise, beabsichtige ich hier nur diejenigen Versuche Bi~N~r~GS zU be- spreehen, aus denen er den SchluB zieht, dab die Wurzelspitze keine Wuchsstoffe erzeug~.

Es muB betont werden, dab BI~NNING meine Ergebnisse in betreff des Einflusses der Wurzelspitze auf das Wachstum dieses Organs im wesent- lichen besti~tigt: abgesehen yon einigen wenigen Ausnahmen konnte auch er die Beschleunigung des Waehstums nach der Dekapitation und die Hemmung naeh dem Wiederansetzen der Spitze beobaehten. Doeh l~Bt sieh nach BEYE~ aus dieser letzteren Tatsache keineswegs der SehluB ziehen, den ieh seinerzeit gefolgert habe (CHoT,oDNY 1926). Denn ebenso wie die Spitze, sagt BieNNIa'O, wirkt auch jedes andere St/ick der Wurzel. Um dies zu beweisen, fiihrt er die Ergebnisse einiger Versuehe mit Lu- pinus albus an, die mit vier verschieden behandelten Wurzelserien ange- stellt wurden: 1. normale, nicht dekapitierte Wurzeln, 2. nur dekapitierte, 3. dekapitierte mit den auf die Sehnittfl~che aufgesetzten Wurzelspitzen, 4. dekapitierte mit aufgesetzten 1 mm hohen Wurzelstficken, die in ver- schiedener Entfernung yon der Spitze herausgeschnitten wurden. Naeh bestimmten Zeitr~umen (2, 5, 10 und 20 Stunden) wurde der Gesamtzu- wachs dieser Wurzeln gemessen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 13 yon B~ZqN~G zusammengestellt, aus der zu ersehen ist, dab den gr6Bten Zu- waehs die bloB dekapitierten Wurzeln zeigten, etwas geringer war der Zu- wachs der unverletzten Wurzeln, und der geringste wurde bei dekapi- tierten Wurzeln mit aufgesetzten Spitzen und Zylinderchen beobachtet. Nehmen wir z. B. an, dab der mittlere Zuwachs yon unverletzten Wur- zeln pro 5 Stunden gleich 100 war, so betrug der yon bloB dekapitierten 113, yon dekapitierten mit aufgesetzten Spitzen 87 und yon solehen mit Zylinderchen 83. Naeh 10 Stunden waren die entsprechenden Zu- wachsgr6Ben: 100, 112, 76 und 80. Somit ist in der Tat zwischen den

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beiden letzteren Wurzelserien ein merkbarer Unterschied nicht zu be- obachten.

Was diese Zahlen betrifft, so fiillt hier zun~chst in die Augen der zu geringe Zuwachs der Wurzeln mit aufgesetzten Spitzen und Zylinderchen. Bei meinen/~hnlichen Versuchen mit Lupinus angusti/olius (CEor,oD~cY 1926) wurde derselbe Unterschied im Zuwachs pro 6--8 Stunden zwischen unverletzten und dekapitierten Wurzein wie bei B f f ~ I ~ G beobachte~ (12--13%); aber die dekapitierten mit aufgesetzten Wurze]spitzen zeigten bei mir immer einen Zuwachs, welcher etwas gr61~er als der von unverletzten und etwas geringer als der von bloB dekapitierten war (106--107).

Wenn wir nun in Betracht ziehen, daB die B~3N~rsGschen Zahlen die Mittelwerte aus einer geringen Anzah] der Versuche darstellen (4 Ver- suche mit unverletzten und je 8 Versuche mit verschieden behandelten dekapitierten Wurzeln, also im ganzen nur 28 Pflanzen), so dr/~ngt sich natiirlich die Annahme auf, dab die unerwartete starke Einwirkung der aufgesetzten Spitzen und Zylinderchen auf das Wachstum bloI~ ein scheinbares Ergebnis darstellt, das mSglicherweise dutch die Ungleich- artigkeit des Versuchsmaterials und der Versuchsbedingungen bei ver- schiedenen Versuchen zu erkl/~ren ist.

Doch nehmen wir an, daB aufgesetzte Wurzelstficke wirklich ebenso wie auch Wurzelspitzen das Wachstum hemmen, wenn auch nicht so stark, wie es BiiN~rsG festgestellt zu haben glaubt. Es entsteht dann die Frage, ob man hieraus schlieBen kann, dab Wurzelspitzen keine Wuchsstoffe ausscheiden? Ist es nicht richtiger, demgegenfiber anzu- nehmen, daB nicht nur Wurzelspitzen, sondern auch andere Wurzelteile bef~higt sind, solche Stoffe zu bilden?

Diese Annahme scheint zun~chst nicht unwahrscheinlich. Denn wir wissen ja z. B., dab Zea-Koleoptilen auf gewissen Entwicklungsstadien nicht nur in ihren apikalen Zellen, sondern auch in s~mtlichen anderen merkbare Mengen yon Wuchsstoff enthalten (MoIssEJEWA 1928). Es ist natiirlich zu fragen, ob man nicht auch bei Wurzeln manchmal eine so]che Verteilung der Wuchshormone feststellen kSnnte~.

Um diese Frage zu 15sen, habe ich einige orientierende Versuche aus- geffihrt. Aus meinen friiheren Untersuchungen war mir bekannt, dab die dekapitierte Wurzel ein ziemlich launenhaftes und gegen Wuchs- stoffe wenig empfindliches Objekt ist. Deshalb habe ich meine ersten Versuche nicht mit Wurzeln, sondern mit Avena-Koleoptilen angestellt. Die Koleoptilen wurden in der in meiner letzen Arbeit (CHoLO])NY 1928) ausfiihrlich beschriebenen Weise vorbehandelt und auf 1,5--2 mm de- kapitiert. Danach teilte ich sie in drei Serien auf. Die erste wurde mit etwa 2 mm langen Zea-Wurzelspitzen versehen, die zweite erhielt zylin- drische Wurzelstiicke, die aus der Wachstumszone derselben Wurzel un-

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mittelbar neben der Spitze herausgeschnitten wurden; die dritte bestand aus bloB dekapitierten Kontrollpflanzen.

Bekanntlich geht der Wuchsstoff nur in basipetaler Richtung un- behindert fiber. Deswegen setzte ich die Wurzelstfieke auf die Wund- fl~che der dekapitierten Koleoptilen immer mit ihrem basalen Ende auf.

Als Beispiel fiihre ich zwei Versuche mit Koleoptilen an 1.

Versuch 1. 30 dekapitierte Avena-Koleoptilen wurden in der soeben beschriebenen Weise

in drei Serien zu je zehn Pflanzen aufgestellt. Die gesamte L~nge der Koleoptilen der ersten Gruppe (mit aufgesetzten Zea-Wurzelspitzen) betrug 193,25 mm, die der zweiten (mit Zylinderchen) 190,0 mm und die der dritten (Kontrollpflanzen) 193,5 ram. l~aeh 7 Stunden (t o = 18,0 ~ C) zeigten die Koleop~flen der ersten Gruppe den Zuwaehs (MRtelwert) 9,3% der urspriingliehen L/~nge, die der zweiten 7,4% un4 die der dritten 7,2%.

V ersuch 2. Zehn dekapitier~e Avena-Koleoptilen mit aufgesetzten Zea- Wurzelspitzen (die

Gesamtl~nge 211 ram), 10 mi~ Wurzelzylinderchen (205 ram) und 5 Kontroll- koleoptilen (103 ram). l~aeh 8 Stunden wurde bei der ersten Gruppe der Zuwachs 12%, bei der zweiten 9,5% und bei der dritten 9,2% beobachtet.

Wie wir sehen, best~tigen diese Versuehe zun~ehst den SchluB, den ich sehon fffiher (CHOLODN:r 1928) gezogen habe, n~mlieh dab die Wurzel- spitze das Wachstum der dekapitierten Avena-Koleoptilen beschleunigt. Aul]erdem sprechen sie daffir, dal~ andere sogar unmit telbar hinter der Spitze liegende Wurzelteile nicht bef~higt sind, einen solehen Ein- fluB auszufiben: denn die dekapitierten Koleoptilen mit aufgesetzten Zylinderehen zeigten ja denselben Zuwachs wie unverletzte Kontroll- pflanzen.

Wenn wir diese Ergebnisse berficksichtigen, so kSnnen wir erwarten, dab auch Versuche mit Wurzeln anders als bei Bt~N~IN~ ausfallen mils- sen. Und wirldieh habe ieh mich schon bei meinen ersten Versuchen davon iiberzeugt, dab die Bt~NNrsGschen Beobaehtungen unrichtig waren. :

Diese Versuche stellte ieh in folgender Weise an: Als Objekt dienten mir junge Keimlinge yon Izapinus angusti/olius, deren Wurzein 3 bis 4 cm lang waren. Nachdem ieh zwei mSglichst ganz gleichartige Keim- linge ausgew~hlt habe, dekapitierte ich ihre Wurzeln und braehte dann die Pflanzen in die feuehte Kammer , welche aus diinnem Spiegelglas auf- gebaut wurde, t I ier wurden die Keimlinge in vertikaler Lage dieh~ neben- einander derart befestigt, dab ihre Wurzeln in GlasrShrehen eingeftigt wurden. Es wurden RShrehen gew~hlt, die e~was enger als der Wurzel- hals oder die Wurzel in ihrem basalen Teil, aber breiter als der apikale

1 S/~mtliche in dieser Arbeit besehriebenen Versuehe wurden im Oktober und November 1928 angestellt.

Page 12: Einige Bemerkungen zum Problem der Tropismen

472 N. Cholodny:

wachsende Wurzelteil waren. Deshalb hielten sic die Keimli~ge in ihrer urspriinglichen Lage fest, und doch konnten die Wurzeln unbehindert weiter wachsen.

Der Hauptvor tef l dieser Befestigungsmethode besteht darin, dab die Wurzeln, welche bekanntlich in der feuchten K a m m e r starke Nutations- kr i immungen zu bilden pflegen, in den R6hrchen yon ihrer urspriing- lichen Lage nicht merkbar ablenken kSnnen, weshalb wohl aueh die Mes- sungen viel an Genauigkeit gewinnen.

Den Gesamtzuwachs der Wurzeln best immte ich ebenso wie B i ~ - NI~O mit dem Horizontal-~ikroskop.

Es sei noch bemerkt , dal~ man bei diesen Versuchen, wie iiberhaupt bei sgmtliehen derartigen Untersuchungen mit Wttrzeln (CHOLODI~Y 1924), dafiir sorgen muB, dab diese schon yon Anfang an in ihren Ge- weben einen reichlichen Wasservorrat haben. Deshalb brachte ich die Keimlinge, nachdem sic dekapitiert wurden, in Wasser, worin sic 5 bis 10 Minuten liegen blieben. Doch daft in den RShrchen zwischen dem Glas und der Wurzeloberfl~che keku Wasser sein. AuBerdem muB man aueh darauf achten, dab aufgesetzte Wurzelspitzen und Zylinderchen der Wundflgche der dekapitierten Wurzel mi t ihrer ganzen Basis eng an- liegen.

Nachdem nun die Kebnlinge in der feuehten K a m m e r 2 Stunden ver- weilt hat ten, bes t immte ich den Gesamtzuwachs ihrer Wurzeln. Wenn es sich herausstellte, dab die Zuwachsgr6Ben recht verschieden waren, wghlte ich ein neues Paar aus. Wenn aber in der Wachstumsgeschwindig- keit der beiden Wurzeln gar kein oder nur ein geringer Unterschied zu beobachten war, setzte ich der einen davon eine Wurzelspitze, der ande- ren ein Wurzelstiick au~, welches unmit telbar hinter der Spitze oder etwas weiter herausgeschnitten wurde. Nach weiteren 2 Stunden wurde der Zuwachs abermals besf, lmmt. Danach dauerte der Versuch manchmal noch einige Stunden mi t verschiedenen Modifikationen fort, die in den unten angefiihrten Versuchsprotokollen angegeben sind.

Ver~uch 3. Zwei Keimlinge yon Lupinus angusti]olius wu~den auf 2 mm dekapitiert und

in der soeben beschriebenen Weise in der feuchCen Kammer befestigt. ~ach den zwei ersten Stunden zeigten die beiden Wurzeln einen Zuwaehs yon 15 Teil- strichen des Mikrometerokulaxs 1. Dann erhielt die eine Wurzel die yon einem neuen Keimling abgetragene 2 mm lange Wurzelspitze, die andere das zylindrische Wurzelstiiek, welches unmittelbar hinter der Spitze herausgeschnitten wurde. l~ach weiteren 2 Stunden zeigte die erste Wurzel (mit der aufgesetzten Spitze) einen Zuwachs yon 10, die letztere (mit dem Zylinderchen) yon 18 Teilstrichen.

1 Ein Teilstrieh des Mikrometerokulars bei allen bier besehriebenen Ver- suchen gleich 0,05 mm. Die Temperatur des Versuchsraums schwankte zwischen 16 und 180 C.

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Einige Bemerkungen zum Problem der Tropismen. 473

Iffoch nach 2 Stunden wurde bei den beiden Pflanzen abermals der gleiche Zu- wachs beobaehtet : 26 Teilstriehe.

Zur gr613eren Ansehaulichkeit stelle ieh diese Ergebnisse in Tabelle 1 zusam- men. Hier sind in der ersten Spalte die Stunden angegeben; in der zweiten - - der Stand der beiden dekapit ier ten Wurzcln, wobei 0 bedeutet , daft der Wurzel nichts aufgesetzt ist, + S oder + Z, dab sie die Spitze bzw. das Zylinderehen tr~gr und das Anfiihrungszeichen (,,), dab die Wurzeln noch dieselben Spitzen und Zylinder- chen tragen. I n der dr i t ten und vier~en Spalte ist der Zuwachs in Teflstrichen des Mikrometerokulars angegeben.

Tabelle 1.

Stand der S tunden Wurze ln I I I

I - O 1 - 2 15 15

I I - 0

I + S 3 - 4 10 18

I I + Z

5 - 6 26 26 I I ,,

Zuwachs der Wurzeln

Versuvh 4. Die Wurzeln sind auf 1,8 mm dekapitiert . Die Versuehsergebnisse sind in

Tabelle 2 zusammengestell t .

Tabelle 2.

Stand der S tunden Wurzeln I l I

I - 0 1 - 2 20 21

I I - 0

3 - 4 15 22 I + S

I I + Z

Zuwachs der Wurzeln

Versuch 5. L~nge der dekapit ierten Wurzelspitzen 1,5 mm. ])as Wurzelstiick Z ist aus

dem mitt leren Teil der Waehstumszone herausgesehnitten.

Tabelle 3.

Stand der Wurze ln

Zuwachs der Wurzeln S%unden

I H

I - O 1 - 2 20 23

I I - 0

I + Z 3 - 4 20 17

I I + S

20 26 5 - 6 I I ,,

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474 N. Cholodny:

Versuch 6. Litnge der dekapitierten Wurzelspitzen 1,8 ram. ])as Wurzelstiiek Z ist wie

im vorigen Versueh aus dem mittleren Teilder wachsenden Zone herausgeschnitten. Tabelle 4.

Stunden

1 - 2

3--4

5--6

7--8

Stand der Wurzeln

I - -0 I I - 0

I + Z H + S

I ~, I I ,,

I + S I I + Z

Zuwaehs der Wurzeln

I II

20 22

20 15

20 20

21 24

Versuch 7. L~nge der dekapitierten Wurzelspitzen 2 mm. Das Zylinderchen ist unmittel-

bar hinter der Spitze herausgeschnitten. Tabelle 5.

Stand der Stunden Wurzeln

1--2

3--4

5 - 6

I - -0 I I - 0

I + S I I + Z

I ,, I I ,,

Zuwachs der Wurzeln

I H

24 20

19 30

25 24

Aus diesen wenigen Versuchen lassen sich sehon vSll ig b e s t i m m t e Schlfisse ziehen. Zun~chs t sehen wir, d a b n u r aufgese tz te Wurze l sp i t z en i m m e r das W a e h s t u m der d e k a p i t i e r t e n Wurz e ln m e r k b a r h e m m e n ; andere Wurze l t e i l e bewi rken das n iemals . E ine Waehs tumsbesch leun i - gung, die be i Wurze ln mi t aufgese tz ten Zyl inderchen m a n c h m a l zu beobaeh t en war (wie z. B. bei Versuch 7), k a n n k a u m in Z u s a m m e n h a n g m i t der E i n w i r k u n g dieser Wurze l s t i i cke auf dekap i t i e r t e Wurz e ln ge- b r a c h t werden , denn sie s te l l t j a eine unregelm~13ige und ziemlich sel tene

Er sche inung dar . Somi t kSnnen wir die Angabe BtTENINGS, dab , ,ebenso wie die Spi tze

auch jedes andere St i ick de r W u r z e l wirk$", keineswegs fi ir r i ch t ig an- e rkennen. W o r a u f soleh ein Ause inandergehen unserer Ergebnisse be- ruh t , lasse ich dahinges te l l t . Wie schon erw~hnt , k a n n m a n nu r ver- muten , dal~ BffEEING seine in Tabel le 13 zusammenges te l l t en und im T e x t

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Einige Bemerkungen zum Problem der Tropismen. 475

leider nur mit einigen kurzen Worten beschriebenen Versuche zu versehie- denen Zeiten und nieht mit ganz gleiehartigem Material anstellte.

Jedenfalls sind wit, wenn Bii~i~G sagt, ,,daS CHOLODNY aus seinen richtigen Beobachtungen einen falschen SchluS gezogen hat", jetzt berech- tigt, zu erwidern, daS Bii~NI~G aus seinen unrichtigen Beobachtungen einen falschen SehluS gezogen hat.

Aus meinen oben angeffihrten Versuchen kann man weiter ersehen, da6 die der dekapitierten Wurzel aufgesetzte Wurzelspitze auf diese nur eine sehr kurze Zeit (Maximum 2 Stunden) wachstumshemmend ein- wirkt. MSglicherweise ist diese Tatsache dadurch zu erkl~ren, daS in der isolierten Wurzelspitze, die yon zarten Meristemzellen aufgebaut wird, mit der Zeit einige Xnderungen stattfinden. Man daft aber nicht auBer acht lassen, daS die dekapitierte Wurzel sich ebenfalls mit der Zeit/indert : sie scheint allm/ihlieh immer weniger empfindlieh gegen die yon der Wurzelspitze ausgeschiedenen Wuchsstoffe zu werden, nnd sehlieBlich etwa 6 Stunden nach der Dekapitation reagiert sie auf diese Stoffe gar nieht mehr (siehe Versueh 6).

Wenn man nun in Betracht zieht, daS B i ~ G eine deutliche Wachs- tumshemmung bei den dekapitierten Wurzein mit aufgesetzten Spitzen und Zylinderehen sogar noch 20 Stunden nach der Dekapitation fest- stellen konnte, so kann man kaum daran zweifeln, daS diese Erscheinung mit der physiologisehen Einwirkung yon aufgesetzten Wurzelstfieken bzw. Spitzen gar nichts zu tun hatte.

Bevor ieh dieses Kapitel abschlieSe, mSchte ich noch einige Worte fiber diejenigen Versuehe B i ~ G s sagen, aus denen der Verfasser den SehluS zieht, daS die Wurzeln thigmotropisehe Krfimmungen ausffihren kSnnen. Indem Bff~Nr~G die Wurzelspitzen der Keimlinge von Vicia /aba, Lupinus albus und Pisum sativum sich mit einer Holzplatte ein- seitig berfihren lies und durch entspreehende Bewegung dieser Platte eine Reizung vornahm, konnte er bei den Wurzeln einige Stunden sp/~ter deutliehe negative Krfimmungen wahrnehmen (bis zu 450). Diese Krfim- mungen stell~n naeh BffNN~G eine thigmotropische Reaktion dar.

Anl/~Slich dieser Versuche muS ich hier an meine Mteren Unter- suehungen erinnern. Schon vor 22 Jahren habe ieh negative Kriim- mungen beschrieben, die man bei den Wurzeln yon Lupinus albus beob- achten kann, wenn auf deren Spitzen kleine mit Wasser benetzte Holz- stfiekehen angebracht werden (CHoLODN:Z 1906). Bei meinen Versuchen zeigten solehe Wurzein manchmal sogar st~rkere Krfimmungen als bei Bii~n~G (900--1000 pro 6 Stunden). Wenn ich nun den Wurzeln anstatt Holzstfiekehen Deckglassplitter ebenso mit Wasser anklebte, so konnte ieh gar keine Krfimmungen beobachten.

Welter hat sich herausgeste]lt, daS Holzstiickchen, die vorher in sehwacher Salzs~ure ausgelaugt und dann mit destilliertem Wasser sorg-

Planta Bd. 7. 32

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476 N. Cholodny:

f~ltig gespiilt wurden, ebenfalls gar keine oder kaum merkbare Reaktion hervorrufen. Hieraus lie[~ sich natfirlich der SchluB ziehen, dab negative Kriimmungen, welche die Wurzeln mit nieht ausgelaugten Holzstfick- chen zeigten, nicht thigmotropisch, sondern ehemotropisch waren.

In derselben Arbeit habe ich auch eine Reihe yon Versuchen beschrie- ben, wodurch ich die Frage zu 15sen suchte, ob die Wurzeln wirklich thigmotropische Kriimmungen ausffihren k5nnen. Es zeigte sich, dab ein/acher Kontakt mit Glas, wenn dieses sogar ziem]ich lest der Wurzel. spitze einseitig angedriickt ist, keine tropistische Reaktion hervorruft. Letzten Endes bin ich zu dem SehluB gekommen, daB P ~ . F F ~ (1904) wohl Recht hatte, als er seinerzeit schrieb, dab ,,die Wurzelspitze keine thigmotropisehe Sensibilittit zu besi~zen seheint".

Wenn man alle diese t~lteren Ergebnisse berfieksichtigt, so kann man wohl fragen, ob durch die Versuche B i ~ G s wirklich der Nachweis er- braeht ist, dab die WurzeLn echte thigmotropische Krfimmungen aus- ffihren kSnnen ? Ich glaube, daB dem nlcht so ist, und daB die yon Bt~- ~ G beobachteten Krfimmungen vielmehr ~raumato~ropisch oder che- motropiseh gewesen sein k5nnen.

IV.

Zum SehluB wollen wir noch in aller Kiirze einige kritische Bemer- kungen betraehten, die P. STA_~K (1928) in der Besprechung meiner Ar- bei~ ,,Wuchshormone und Tropismen bei den Pflaazen" (CHoLO~)~Y 1927) ausgesproehen hat. Wie schon mehrmals erw~hn~ wurde, vertritt dieser Verfasser die Ansicht, dab bei verschiedenen Tropismen spezielle Reizstoffe eine maBgebende Rolle spielen, die sieh unter dem EinfluB ent- sprechender Reize bilden, und ffir die ich vor einigen Jahren den Namen ,,Tropohormone" vorgeschlagen habe. I)eshalb sind natiirlieh s~mtliche Bemerkungen ST~I~s um dieses Problem herum konzentriert.

Zlm~chst stellt STA~K einige interessante Erwtigungen anlt~Blich des- jenigen hypothetischen Schemas an, dutch das ich in der soeben zitierten Arbeit die Ergebnisse der bekannten G~A_o~Nschen Versuche mit ge- spaltenen Stengein yon Labiatae und Scrophulariaceae (GR~d)M~ 1925) ZU erkltiren suehte. Gerade aus diesen Versuchen lt~Bt sich nach GRAD- M~-~ und S ~ K der SehluB ziehen, dab bei den geotropischen Krfim- mungen spezieUe Reizs~offe mitspielen, die ihrer Meinung naeh sich n~r in der Unterht~lf~e des horizontal orientierten Stengel% wahrscheinlich in dessen Sttirkeseheide, bilden k5nnen.

Nun habe ich die Meinung ausgesprochen, dab man die GR~DM~- sehen Ergebnisse aueh ohne die oben erw~hnte Annahme durch die Wech- selwirkung yon normalen Wuchss~offen und yon Wundhormonen er- kl~ren kSnne. Darauf erwidert ST~K ganz riehtig, dab die Menge der Wundstoffe in beiden Spal~htilften (Ober- und Unterht~lfte) gleieh sei.

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Einige Bemerkungen zum Problem der Tropismen. 477

Nur die Art, Tie sie sich mit den Wuchsstoffen vermischen, mfisse in bei- den F/~llen verschieden sein. Somit sei nieht einzusehen, warum die bei- den Spalths auf das Wachstum des zwischen diesen eingespannten Stengelstficks verschieden einwirken sollten.

Ich muB zugeben, daB mein Gedankengang wirklich nieht so ganz einleuchtend scheinen konnte, weft ich mein Schema, das ich freilieh nu t als die eine yon versehiedenen m6glichen Erkls betrachtete, nicht ausffihrlieh genug entwickelt habe.

Es muB aber betont werden, dab der Schwerp~mkt der yon mir vor- geschlagenen Erkl~rung nicht in der Frage nach der Menge der Wuehs- und Wundstoffe, sondern in der nach der Art und Weise ihrer Gegenwir- kung liegt. Denn es ist ja recht mSglich, dab Wuchsstoffe, indem sic sich mit Wundhormonen vermischen, schon in entsprechenden Spalth~lften ,neutralisiert" werden und ihre Aktivits einbii6en. Wenn dies der FalI ist, so muB offenbar aussehlaggebend sein, dab Wuchsstoffe sieh in der Oberh/ilfte unter dem EinfluB der Schwerkraft vorwiegend neben der Wundfls anh/~ufen, wo die Konzent ra t ionder Wundhormo~e grSBer als irgendwo anders ist, und dab in der Unterh~lfte im Gegenteil die- selben Stoffe sich in den Zellen der unverletzten unteren Flanke ansam- meln, wo Wundhormone gar nicht vorhanden sind. Somit miissen wohl die beiden Seiten des median ungespaltenen Internediums verschiedene Mengen yon Wuchshormon erhalten und dementspreehend auch un- gleichen Zuwachs zeigen.

Weiterhin geht STARK ZU den Versuchen mit Spalth/~lften der Hypo- kotyle yon Lupinus fiber. Nach GRAI)MANN reagieren solche H/~lften auf die geotropische Induktion erst in dem Fall, wenn sie ihrer Lage nach der unteren H/ilfte eines horizontal orientierten Stengels entspre- chen. Darin sehen sowohl GRADMANI~ als auch STARK ein neues Argu- ment zugunsten der Ansicht, daB die geotropische Reaktion durch spe- zielle Reizstoffe verursacht wird, die nur in der unteren H~lfte des Organs gebildet werden sollen.

~ u n ist es mir gelungen, zu zeigen, dab Oberh/~lften ebenso normale geotropische Krfimmungen ausfiihren kSnnen, wenn auch viel sp/iter, wie Unterh/ilften, wobei ich diese Verspiitung abermals durch Gegenwirkung yon Wuchs- und Wundstoffen erkl/irte. Dafiir sprechen meiner Meinung nach Versuche mit Hypokotylh/~lften, denen die Epidermis abgeschabt wurde. Es hat sich herausgestellt, dal~ solche verletzte Spalth/~lften auf den geotropischen Reiz immer mit betr/ichtlicher Versp/~tung reagierten, unabh/~ngig davon, Tie sic orientiert wurden: als Ober- oder als Unter- h/s

STARK weist darauf hin, dab man meine Ergebnisse mit denen yon GRADMA:~N in Ubereinstimmung bringen kann, wenn man annJmmt, dab auch die SeitenwKnde der Zellen der Starkescheide in gewissem MaBe

32*

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478 N. Cholodny:

geotropiseh reizbar sind. Leider sagt er nichts darfiber, wie man die :[-Iemmung der geotropisehen Reaktion bei den verletzten Unterh~lften (mit abgesehabter Epidermis) yon diesem Standpunkt aus erkl~ren kSnne. Es waren ja bei diesen Hypokotylh~lften die Zellen der St~rke- seheide gar nieht verletzt, und die Menge der geotropisehen Reizstoffe muBte bei ihnen nach der Hypothese GRADUAteS gewiB viel grSBer als bei Oberh~lften sein.

Den n~ehsten Weg, um der LSsung des ganzen Problems etwas n~her zu kommen, sieht STARK in der Analyse des Wachstums der isolierten Ober- und Unterh~lften. Indem er sich auf einige ~ltere und neuere Ar- beiten beruft (CoPELA~D 1900, JOST 1924, U. WEBER 1926), sprieht er die Meinung aus, dab die Ergebnisse dieser Verfasser meinen Ansiehten widerspreehen. Sie sollen naeh STARK darauf hindeuten, dab dureh den Geotropismus entweder ,,das ~nittlere Wachstum" des Organs beschleu- nigt wird, wie die Vorsuehe der zwei erstgenannten Verfassern zeigen, oder wenigstens eine Beschleunigung des Wachstums der isolierten Un- terh~lften hervorgerufen wird, wie es WEBV, R an gespaltenen Hordeum- Koleoptflen feststellen konnte.

Was die JosTsche Arbeit betrifft, so ist es wohl nut ein MiBverst~nd- nis, wenn STARK daraus ein Argument gegen meine Ansichten entnehmen zu kSnnen glaubt. Zwar hat JOST festgestellt, dab die Flanken eines horizontal orientierten Knotens verschiedener Gramineen, somit aueh dessen ~nittlere Linie oder Aehse einen merkbaren Zuwachs aufweisen~ doeh ist hieraus keineswegs der SchluB zu ziehen, dab auch der mittlere Zuwachs des ganzen Organs in horizontaler Lage grSl~er als in vertikaler ist. In den Versuehen JOSTS linden wir fiberhaupt keine Angaben fiber das Wachstum yon vertikal orientierten Knoten. Und doeh kSnnten nur solche Angaben, zusammengestellt mit entspreehenden Angaben fiber den Zuwaehs yon horizontal orientierten Knoten, eine Aufkl~rung darfiber bringen, ob hier wirklieh eine Waehstumsbeschleunigung unter dem Ein- fluB des Geotropismus stattfindet oder nicht.

In der Abhandlung WEBm~S linden wir nicht nur keine Angaben fiber die Wachstumsbeschleunigung bei unverletzten Koleoptilen unter dem EinfluB des Geotropismus, sondern der Verfasser weist im Gegenteil so- gar darauf hin, dab die geotropisehe Kriimmung bei diesem Organ mit einer Abnah~ne des Wachstums parallel geht (W~BER 1926, S. 84--86). Nebenbei sei bemerkt, dab yore Standpunkt unserer Hypothese aus eine Hemmung des Waehstums dureh den Geotropismus ebensowenig wahr- seheinlieh ist wie dessen Besehleunigung, weshalb es wohl interessant w~re, die WEBv.~sehen Ergebnisse naehzuprfifen.

Was nun isolierte Unterhgl/ten der Koleoptilen anbelangt, so konnte WEBER feststellen, dab solche H~lften in der Tat eine Waehtumsbesehleu- nigung zeigen (WEBER, S. 87, Tabelle 17). Es sei bemerkt, dal3 auch bei

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Einige Bemerkungen zum Problem der Tropismen. 479

anderen Pflanzenorganen analoge Erscheinungen schon mehrmals fest- gestellt wurden. COPELAND (1900) beobaehtete sie bei Stengeln verschie- dener Pflanzen, SCHTSCHERBAK (1910) bei Hypckotylen yon Lu/~/nus albus. Doch darf man nicht vergessen, dab bei allen diesbezfiglichen Untersuchungen isolierte Unterh~lften eine Wachstumsbeschleunigung nur im Vergleich zu anderen, vertikal orientierten H~lften desselben Or- gans zeigten. Das intakte ungespaltene Organ w~ehst immer schneller als seine eigenen isolierten H~lften, unabh~ngig davon, wie diese letzteren orientiert sind.

Was den Untersehied in der ~Vaehstumsgeschwindigkeit verschieden orientierter isolierter H~lften betrifft, so dr~ngt sich natiirlieh die Frage auf, ob man nieht aueh hier die Ursaehe dieser Erscheinung in einer un- gleichartigen Verteilung der Hormon-Antagonisten (Wuchs- und Wund- stoff) suehen daft. Denn geht man yon der CHOLODNY-WEI~Tsehen Hypo- these aus, so ist wohl anzunehmen, daB in einer isolierten H~lfte, die mit ihrer Spaltfl~che naeh oben gekehrt ist, das Wuehshormon den grSBten Effekt erzeugen mul3, da es sich hier fortw~hrend in den Zellen der Rinde und der Epidermis anh~uft, welche mehr als aUe anderen Zellen derselben H~lfte yon der Wundfl~che entfernt sind. Wenn man nun in Betracht zieht, daB bei einer vertikal orientierten isolierten H~lfte Wuchs- und Wundstoffe sieh leiehter vermischen kSnnen, so kann man sich nicht dar- fiber wundern, dab diese H~lften aueh eine geringere Wachstumsge- sehwindigkeit zeigen.

Alle diese Erw~igungen sind wohl mehr oder weniger hypothetisch, und ich ffihre sie hier nur deswegen an, well sie zeigen, dal3 man die Ver- suchsergebnisse, auf die sich STARK beruft, keineswegs fiir eindeutig hal- ten darf, und dab diese Ergebnisse auch mit meinen Ansichten fiber die Natur der Tropismen in Ubereinstimmung gebracht werden kSnnen. Aul3erdem ergibt sieh aus diesen Erw~gungen, dab es iiberhaupt kaum mSglich ist, durch Versuche mit gespaltenen Pflanzenorganen und durch die Analyse des Wachstums der Spa]th~lften die Frage eindeutig zu 15sen, ob die Wachstumsgeschwindigkeit eines intakten Organs unter dem Einflul3 der geotropisehen Induktion zunimmt. Somit kann man auch auf diesem Wege der LSsung des Grundproblems nicht n~herkommen, was eigentlieh den tropistischen Bewegungen zugrunde liegt: die Bildung yon Tropohormonen oder nur die ungleiehe Verteilung des vorhandenen normalenWuehshormons zwisehen verschiedenen Teflen des Organs? Man mul3 offenbar einen anderen kiirzeren Weg linden, und dieser Weg ist meines Erachtens der, dab man das Wachstum yon horizontal und ver- tikal orientierten intakten Organen eingehend mite.inander vergleicht. Die yon mir zu diesem Zwecke angestellten Versuche, die ich in nKehster Zeit an einer anderen Stelle zu beschreiben hoffe, haben gezeigt, dab die An- sichten yon GRADMANN und STARK nicht zu Reeht bestehen.

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480 N. Cholodny:

Wenn wir nun auf all das auf den vorigen Seiten Gesagte zurfick- blicken, so kSnnen wir einen SchluB ziehen; welcher ffir die ,,CHoLOD~u WE~Tsche Hypothese" ziemlich giinstig ist. Die Versuehe, zu beweisen, dab sie im ganzen oder wenigstens in einigen ihrer Teile den Tatsachen nieht gerecht wird, miissen wir zun~chst als nicht geglfickt ansehen. Ist dem so, so kSnnen wir uns auch weiterhin dieser Hypothese bedienen, als eines Baugerfistes, wie ein solches jedes ungelSste wissenschaftliche Pro- blem mit einem dichten Netz yon provisorischen Aufbauten zu umgeben pflegt. Ob nun unser ,,Baugerfist" einige richtige Annahmen enth~lt, die auch in der kfinftigen vollsts abgesehlossenen Theorie der Tropismen ihren Platz linden kSnnen, das werden wohl weitere Untersuehungen zeigen.

Zusammenfassung. 1. Negative geotropische Kriimmungen, welche B]~u (1928) bei

horizontal orientierten Hafer-Koleoptrien beobachtete, wenn der Zusam- menhang zwischen Spitze und Stumpf unterbrochen wurde, sind durch die physio]ogische Regeneration zu erkl~ren, die unterha]b (basalw~rts) der Wundfl~ehe stattfand.

2. Phototropische Krfimmungen, die bei den BEu Versuchen die einseitig eingeschnittenen Avena-Koleopti]en zeigten, nachdem sie mit Sand bis fiber die Operationsstelle hinaus verschiittet und dann yon der unverletzte.u. Seite her beleuchtet wurden, sind unzweifelhaft da- durch zu erkl~ren, dab das Licht auf die Koleoptilen unterha!b der Wunde einwirkte; denn der Sand in einer diinnen Schicht ist durchsichtig genug.

3. Alle diese Versuche sowie auch diejenigen, dureh welche BEYER den Nachweis zu erbringen glaubte, dab zwischen der Regeneration des Wuchsstoffes und der phototropischen Kriimmungsf~higkeit keine Paral- lelit~t bestehe, besagen nichts gegen die ,,CHOLODNY-W]~NTsche Hypo- these" der Tropismen.

4. Die Beobachtungen, aus denen Bi2~ING (1928) den SchluI~ gezogen hat, dal~ die Wurzelspitze keine Wuchsstoffe bride, sind unrichtig. Die in dieser Arbeit beschriebenen Versuehe zeigen, daft nur die Wurzel- spitze das Wachstum der dekapitierten Wurzel hemmt und das der Koleoptile im Gegenteil beschleunigt: kein anderes Wurzelstiick ist be- f~higt, solche Erscheinungen hervorzurufen.

5. Negative Kriimmungen, die BffNNING bei den Wurzeln versehiede- her Pflanzen beobachtete, deren Spitzen dureh Bewegungen einer sie be: riihrenden Holzplatte gereizt wurden, konnten traumato- oder ehemo- tropisch sein. Den Thigmotropismus scheinen die WurzeLu fiberhaupt nicht zu zeigen.

6. STARK (1928) versuchte zu zeigen, dab die Ergebnisse meiner Ver- suehe mit gespaltenen Lupinus-Hypokotylen mit der Annahme fiber die

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Einige Bemerkungen zum Problem der Tropismen. 481

Bi ldung geotropischer Reizstoffe in Ubere ins t immung gebracht werden

kSnnen. Doch ist yon diesem S t a n d p u n k t aus die H e m m u n g der geo-

t ropischen Reak t ion bei den isolierten Unterh~l f ten mi t abgeschabter

Ep idermis keineswegs zu erkl~ren.

7. Die Frage, ob un te r der Wi rkung tropist ischer Reize spezielle Reiz-

stoffe gebildet werden, is t i iberhaupt durch Versuche mi t gespal tenen

Pf lanzen n ieh t zu 15sen. Man mul~ sich wohl zu diesem Zweck nur in-

t a k t e r Organe bedienen, u m die Kompl ika t ionen zu vermeiden, die durch

die Bi ldung yon W u n d h o r m o n e n hervorgerufen werden.

Literatur. Beyer (1928): Z.f. Bot. 20. - - Boysen- Jensen (1910): Ber. dtsch, bot. Ges. 28.

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