6
FELSBAU 21 (2003) NR. 3 21 TUNNELSTATIK Einsatz von Kontaktelementen bei numerischen Berechnungen für den Tunnelausbau Von Jessica Krastanov The Use of Contact Elements in Numerical Calculations for the Tunnel Support The present paper focuses on the modelling in numerical calculations of the interaction between subsoil and tunnel support by means of contact elements. Different ranges of application of contact elements and their influence on the calculation results are explained with three examples. The results of numerical calculations for the tunnel sup- port of the cut and cover construction method using bored piles show some surface heave next to the excavation. Sim- ply using the decompression modulus does not always help us to prevent such unrealistic results. It is possible, however, to achieve more realistic results if the contact surface between the drilling piers and the subsoil is taken into account in the numerical calculations. For a cost-effective tunnel support based on the princi- ples of the New Austrian Tunnelling Method (NATM) in squeezing rock conditions with high overburden, it is es- sential to mobilize the self-supporting capacity of the rock as efficiently as possible. The stress redistribution due to the tunnel excavation and the load transfer to the tunnel support can be realistically simulated if the contact sur- face between the tunnel lining and the rock is modelled in the numerical calculations. In swelling rock conditions it is necessary to take into account the swelling pressure on the tunnel lining. It is possible to apply this swelling pressure to the tunnel lining using contact elements. In layers, which cannot be com- pletely drained, a rest water pressure on the tunnel lining can be taken into account as well. Schwerpunkt dieses Beitrags ist die Modellierung der Wechselwirkung zwischen Untergrund und Tunnelausbau in numerischen Berechnungen mittels Kontaktelemente. Anhand dreier Berechnungsbeispiele werden verschiedene Einsatzmöglichkeiten von Kontaktelementen und deren Einfluss auf die Berechnungsergebnisse dargelegt. Bei numerischen Berechnungen für den Tunnelausbau in offener Bauweise mit Bohrpfählen kommt es seitlich vom Baugrubenverbau zu Oberflächenhebungen in den Er- gebnissen. Allein durch die Verwendung des Entlastungs- moduls ist es nicht immer möglich, diese unrealistische Er- scheinung auszuschließen. Es besteht jedoch die Möglich- keit, durch Modellieren der Kontaktfläche zwischen den Bohrpfählen und dem Untergrund die Berechnung wirk- lichkeitsnäher zu gestalten. Für einen wirtschaftlichen Ausbau nach der Neuen Ös- terreichischen Tunnelbauweise im druckhaften Gebirge mit hoher Überlagerung ist es wesentlich, die Selbsttrag- wirkung des Gebirges möglichst effizient zu mobilisieren. Mit dem Modellieren der Kontaktfläche zwischen Tunnel- ausbau und Gebirge kann die Spannungsumlagerung durch den Tunnelausbruch und die Lastaufnahme vom Tunnelausbau realistischer simuliert werden. Im quellfähigen Gebirge ist es in der Regel erforderlich, den Quelldruck in den numerischen Berechnungen zu be- rücksichtigen. Eine Möglichkeit, diesen Quelldruck nur auf die Tunnelschale einwirken zu lassen, ist durch die Ver- wendung von Kontaktelementen gegeben. Analog kann in unvollständig entwässerbaren Untergrundschichten ein Restwasserdruck auf der Tunnelschale berücksichtigt werden. D ie rasche Entwicklung numerischer Be- rechnungsverfahren stützt sich auf den ge- waltigen Fortschritt in der Computertechnolo- gie. Statische Untersuchungen mithilfe von nu- merischen Berechnungen sind im Tunnelbau heute allgemein üblich. Ziel dieser Untersu- chungen ist eine möglichst wirtschaftliche Pla- nung des Tunnelausbaus durch realistische Vo- raussagen des komplexen Tragverhaltens von Untergrund und Bauwerk, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Grundaspekte der Modellbildung sind einer- seits ein möglichst genaues Abbild der Realität und eine ausführliche Erfassung der wesent- lichen Parameter, welche die untersuchten Vor- gänge beeinflussen. Andererseits ist es bedeu- tend, die Berechnungsschritte an die wesent- lichen Bauzustände des Tunnelvortriebs anzu- passen. Dabei sind unter anderem die Vor- triebsart, die Ausbruchgeometrie, die Teilung der Ausbruchflächen, der Abstand zwischen der Ortsbrust und die Ausbildung des Ringschlusses zu berücksichtigen. Bei 2D-Berechnungen steht die Wahl der Vorentspannungsfunktionen mit der Überlage- rung, dem Ausbruchradius, der ungestützten Länge und der Gebirgsart in Zusammenhang. Zu beachten ist aber auch die Art der durchge- führten Untersuchung. Der Einsatz niedrigerer Vorentspannungen in der Berechnung liefert zum Beispiel bei Standsicherheitsuntersuchun- gen Ergebnisse, die auf der sicheren Seite lie- gen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Erfas- sung der wesentlichen Parameter, die das Trag- verhalten von Untergrund und Tragwerk be- schreiben. An erster Stelle steht dabei die Wahl des Materialmodels. Für ein stark anisotropes Material würde man zum Beispiel ein Multilami- natmodel mit unterschiedlichen Eigenschaften

Einsatz von Kontaktelementen bei numerischen Berechnungen für … · 2003-10-17 · KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU FELSBAU

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Einsatz von Kontaktelementen bei numerischen Berechnungen für … · 2003-10-17 · KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU FELSBAU

KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU

FELSBAU 21 (2003) NR. 3 21

TU

NN

EL

STA

TIK

Einsatz von Kontaktelementenbei numerischen Berechnungenfür den TunnelausbauVon Jessica Krastanov

The Use of Contact Elements in NumericalCalculations for the Tunnel Support

The present paper focuses on the modelling in numericalcalculations of the interaction between subsoil and tunnelsupport by means of contact elements. Different ranges ofapplication of contact elements and their influence on thecalculation results are explained with three examples.

The results of numerical calculations for the tunnel sup-port of the cut and cover construction method using boredpiles show some surface heave next to the excavation. Sim-ply using the decompression modulus does not alwayshelp us to prevent such unrealistic results. It is possible,however, to achieve more realistic results if the contactsurface between the drilling piers and the subsoil is takeninto account in the numerical calculations.

For a cost-effective tunnel support based on the princi-ples of the New Austrian Tunnelling Method (NATM) insqueezing rock conditions with high overburden, it is es-sential to mobilize the self-supporting capacity of the rockas efficiently as possible. The stress redistribution due tothe tunnel excavation and the load transfer to the tunnelsupport can be realistically simulated if the contact sur-face between the tunnel lining and the rock is modelled inthe numerical calculations.

In swelling rock conditions it is necessary to take intoaccount the swelling pressure on the tunnel lining. It ispossible to apply this swelling pressure to the tunnel liningusing contact elements. In layers, which cannot be com-pletely drained, a rest water pressure on the tunnel liningcan be taken into account as well.

Schwerpunkt dieses Beitrags ist die Modellierung derWechselwirkung zwischen Untergrund und Tunnelausbauin numerischen Berechnungen mittels Kontaktelemente.Anhand dreier Berechnungsbeispiele werden verschiedeneEinsatzmöglichkeiten von Kontaktelementen und derenEinfluss auf die Berechnungsergebnisse dargelegt.

Bei numerischen Berechnungen für den Tunnelausbauin offener Bauweise mit Bohrpfählen kommt es seitlichvom Baugrubenverbau zu Oberflächenhebungen in den Er-gebnissen. Allein durch die Verwendung des Entlastungs-moduls ist es nicht immer möglich, diese unrealistische Er-scheinung auszuschließen. Es besteht jedoch die Möglich-keit, durch Modellieren der Kontaktfläche zwischen denBohrpfählen und dem Untergrund die Berechnung wirk-lichkeitsnäher zu gestalten.

Für einen wirtschaftlichen Ausbau nach der Neuen Ös-terreichischen Tunnelbauweise im druckhaften Gebirgemit hoher Überlagerung ist es wesentlich, die Selbsttrag-wirkung des Gebirges möglichst effizient zu mobilisieren.Mit dem Modellieren der Kontaktfläche zwischen Tunnel-ausbau und Gebirge kann die Spannungsumlagerungdurch den Tunnelausbruch und die Lastaufnahme vomTunnelausbau realistischer simuliert werden.

Im quellfähigen Gebirge ist es in der Regel erforderlich,den Quelldruck in den numerischen Berechnungen zu be-rücksichtigen. Eine Möglichkeit, diesen Quelldruck nur aufdie Tunnelschale einwirken zu lassen, ist durch die Ver-wendung von Kontaktelementen gegeben. Analog kann inunvollständig entwässerbaren Untergrundschichten einRestwasserdruck auf der Tunnelschale berücksichtigtwerden.

D ie rasche Entwicklung numerischer Be-rechnungsverfahren stützt sich auf den ge-

waltigen Fortschritt in der Computertechnolo-gie. Statische Untersuchungen mithilfe von nu-merischen Berechnungen sind im Tunnelbauheute allgemein üblich. Ziel dieser Untersu-chungen ist eine möglichst wirtschaftliche Pla-nung des Tunnelausbaus durch realistische Vo-raussagen des komplexen Tragverhaltens vonUntergrund und Bauwerk, die miteinander inWechselwirkung stehen.

Grundaspekte der Modellbildung sind einer-seits ein möglichst genaues Abbild der Realitätund eine ausführliche Erfassung der wesent-lichen Parameter, welche die untersuchten Vor-gänge beeinflussen. Andererseits ist es bedeu-tend, die Berechnungsschritte an die wesent-lichen Bauzustände des Tunnelvortriebs anzu-passen. Dabei sind unter anderem die Vor-triebsart, die Ausbruchgeometrie, die Teilung

der Ausbruchflächen, der Abstand zwischen derOrtsbrust und die Ausbildung des Ringschlusseszu berücksichtigen.

Bei 2D-Berechnungen steht die Wahl derVorentspannungsfunktionen mit der Überlage-rung, dem Ausbruchradius, der ungestütztenLänge und der Gebirgsart in Zusammenhang.Zu beachten ist aber auch die Art der durchge-führten Untersuchung. Der Einsatz niedrigererVorentspannungen in der Berechnung liefertzum Beispiel bei Standsicherheitsuntersuchun-gen Ergebnisse, die auf der sicheren Seite lie-gen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Erfas-sung der wesentlichen Parameter, die das Trag-verhalten von Untergrund und Tragwerk be-schreiben. An erster Stelle steht dabei die Wahldes Materialmodels. Für ein stark anisotropesMaterial würde man zum Beispiel ein Multilami-natmodel mit unterschiedlichen Eigenschaften

Page 2: Einsatz von Kontaktelementen bei numerischen Berechnungen für … · 2003-10-17 · KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU FELSBAU

22

TU

NN

EL

STA

TIK

KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU

FELSBAU 21 (2003) NR. 3

Bild 1 Versagen entlang der Kontaktfläche a) durch Scherbruch im Untergrund beziehungsweise im Spritzbeton; b) durch Gleiten bei relativglatten Ausbruchflächen mit gewölbten Unebenheiten; c) durch Gleiten mit Scherbruch im Spritzbeton bei dünner Tunnelschale im Verhältnis zumVerzahnungsgrad.Fig. 1 Failure along the contact surface due to: a) shear rupture in the subsoil or in the shotcrete respectively; b) slipping in case of relatively smoothexcavation surface; c) slipping together with shear rupture in the shotcrete in case of thin shotcrete lining compared to the degree of interlocking.

Bild 2 PrinzipielleDarstellung des Verfor-mungsverhaltens einerBaugrubensicherungaus einer numerischenBerechnung mit (links)und ohne (rechts)Kontaktelemente.Fig. 2 A principalillustration of the de-formation of an exca-vation support from anumerical calculationwith (left) and without(right) contact elements.

Kontaktfläche zwischenUntergrund und Bauwerk

Bei der bergmännischen Bauweise hat dieAusbruchfläche eine gewisse Unebenheit, dievon der Ausbruchmethode und von Strukturund Gefüge des Gebirges abhängig ist. Bei demTunnelvortrieb nach NÖT werden dieAusbruchlasten durch den Untergrund selbstsowie durch den Tunnelausbau getragen. DieLastaufteilung in diesem „Zweikomponenten“-System hängt hauptsächlich von der Vortriebs-art und dem Steifigkeitsverhältnis zwischen Un-tergrund und Ausbau ab. Die Kontaktfläche zwi-schen Spritzbeton und Untergrund spielt beidieser Lastaufteilung eine Schlüsselrolle. DieTragwirkung der Spritzbetonschale ist von derBeschaffenheit der Ausbruchfläche abhängig.

Die Spritzbetonschale wird mit Übertragungvon radialen und tangentialen Spannungendurch die Kontaktfläche belastet. Die Radial-spannungen sind ausschließlich Druckspannun-gen, die abhängig von Steifigkeitsverhältnissen,Krümmung und Spritzbetonstärke übertragenwerden. Der Untergrund und der Spritzbetonsind miteinander verzahnt, wodurch ein Teil derTangentialspannungen (bis zum Versagen)übertragen werden kann. Betrachtet man eineidealisierte verzahnte Kontaktfläche, entlangder Tangentialkräfte wirken, kann man folgen-de Versagensmechanismen erkennen (Bild 1):➮ Scherbruch im Untergrundmaterial,➮ Scherbruch im Spritzbeton,➮ Gleiten entlang der Kontaktfläche.

Offensichtlich bestimmen die Beschaffenheitder Ausbruchfläche und die Spritzbetonstärkeim Wesentlichen den Versagensmechanismus.Gleiten entlang der Kontaktfläche kann entwe-der bei sehr dünnen (im Verhältnis zu der Ver-zahnungstiefe) Spritzbetonschalen oder bei re-lativ glatten Ausbruchflächen mit gewölbtenUnebenheiten auftreten. Bei einer Bohrpfahl-

in den Richtungen der Anisotropie wählen. DieBestimmung der Materialparameter des Unter-grunds hat einen bedeutenden Einfluss auf dieBerechnungsergebnisse. Geologische und geo-technische Untersuchungen beziehen sich aufbreite Streuungen der gemessenen Werte, er-fahrungsbezogene Bewertungen und Annah-men und die Erfassung des Maßstabseffekts beider Bestimmung der Rechenparameter. Dahersind oft Parameterstudien, die eine Bandbreitemöglicher Systemreaktionen liefern, erforder-lich. Es ist allerdings auch angesichts der Unge-nauigkeit der geotechnischen Rechenparameterzu überlegen, wie sinnvoll ein sehr detailliertesnumerisches Model ist. Ziel dieses Beitrags ist esdaher, einen Hinweis auf die Möglichkeit zu ge-ben, die Kontaktfläche zwischen Untergrundund Tunnelausbau in numerischen Berechnun-gen zu simulieren und deren Einfluss auf die Be-rechnungsergebnisse aufzuzeigen.

Page 3: Einsatz von Kontaktelementen bei numerischen Berechnungen für … · 2003-10-17 · KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU FELSBAU

KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU

FELSBAU 21 (2003) NR. 3 23

TU

NN

EL

STA

TIK

wand ist ebenso ein Gleiten in vertikaler Rich-tung zu erwarten. In den meisten Fällen hat derSpritzbeton eine höhere Festigkeit, wodurch einScherbruch im Untergrundmaterial bei Kon-taktflächen mit einem hohen Verzahnungsgradwahrscheinlicher ist.

Kontaktelemente

Wenn die Kontaktfläche zwischen Bauwerk undUntergrund in der Berechnung nicht modelliertwird, werden die Reaktionskräfte entsprechendden Steifigkeitsverhältnissen der benachbartenElemente aufgeteilt. Daher hängen die Unter-grundelemente voll auf den Elementen des Bau-werks. In der Realität ist entlang der Kontaktflä-che eher eine Schwachstelle anzutreffen.

Beispielsweise sind bei einem Aushub zwi-schen Bohrpfahlwänden durch die Entspan-nung des Untergrunds in der Regel Hebungen inder Baugrube zu erwarten. Wenn in der nume-rischen Berechnung keine Kontaktfläche model-liert wird, ziehen die Untergrundelemente inder Baugrube die Bohrpfahlwand mit hinauf.Dadurch bekommt man rechnerisch große He-bungen auch im unmittelbaren Nahbereich ne-ben der Baugrube. Wenn die Kontaktfläche inder Berechnung modelliert wird, wird nur einTeil der Hebungskräfte, die durch die Entlas-tung des Untergrunds entstehen, entlang derEinbindetiefe auf die Bohrpfahlwand übertra-gen. Ein Versagen entlang der Kontaktflächekann rechnerisch simuliert werden. Dadurchzeigen die Berechnungsergebnisse große He-bungen nur in der Baugrube. In Bild 2 wird derEinfluss der Kontaktelemente auf die Berech-nungsergebnisse prinzipiell dargestellt.

Ein weiteres Beispiel stellen numerische Be-rechnungen mit Restwasserdruck oder Quell-druck dar. Die Kräfte wirken lediglich auf dasBauwerk. Wenn keine Kontaktelemente in derBerechnung eingesetzt werden, werden Zug-spannungsinkremente auf den Untergrundübertragen.

Wenn die Kontaktfläche in der numerischenBerechnung modelliert wird, gibt es die Mög-lichkeit, den Anteil der Spannungen, die vomUntergrund auf das Bauwerk übertragen wer-den, entsprechend der Oberflächenbeschaffen-heit zu bestimmen. Dadurch wird ein Versagenentlang der Kontaktfläche numerisch erfasst,und es kommt zu einer Art „Entkoppelung“ zwi-schen Untergrund und Bauwerk.

Die Kontaktelemente in numerischen Be-rechnungen ermöglichen die Steuerung derKräfteübertragung zwischen zwei Modellkörperin Bezug auf die relative Verschiebung entlangder Kontaktfläche (3). Das Mohr-Coulomb (elas-to-plastische) Reibungsgesetz erlaubt Gleitenund Trennen, während die elastischen Eigen-schaften der Kontaktelemente die Kräfteüber-tragung bestimmen und eine Durchdringungausschließen. Ausschlaggebend für das Model-

lieren einer Kontaktfläche zwischen dem Unter-grund und dem Bauwerk sind die Festlegungder Wirksamkeit in den Berechnungsschrittenund die Aufrechterhaltung der Kontinuität vordem Erscheinen der Kontaktelemente.

Mit dem Mohr-Coulomb Reibungsgesetz wer-den folgende drei Verhaltensarten definiert(Bild 3):➮ Bei Zugspannungen normal auf die Kontakt-

fläche folgt eine Trennung der angrenzendenElemente.

➮ Wenn Druckspannungen normal auf die Kon-taktfläche wirken und:

Bild 3 GraphischeDarstellung des Mohr-Coulomb Reibungs-gesetzes.Fig. 3 A graphicalrepresentation of theMohr-Coulomb frictioncriterion.

Page 4: Einsatz von Kontaktelementen bei numerischen Berechnungen für … · 2003-10-17 · KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU FELSBAU

24

TU

NN

EL

STA

TIK

KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU

FELSBAU 21 (2003) NR. 3

|τ| ≤ tan (φ) · |σn| + c

mitτ Schubspannung auf die Kontaktfläche,φ Reibungswinkel,c Kohäsion,σn Normalspannung (Druck),wird ein Zusammenhalten der angrenzendenElemente mit Übertragung von Kräften be-stimmt.

➮ Wenn Druckspannungen normal auf die Kon-taktfläche wirken und:

|τ| > tan (φ) · |σn| + c

folgt ein Gleiten entlang der Kontaktfläche.Die Kohäsion c charakterisiert die Adhäsi-

onskräfte, die zwischen Spritzbeton und Unter-grund wirken. Mit der Angabe von einem Dilata-tionswinkel wird die Tendenz einer Trennungentlang der Kontaktfläche knapp vor dem Ver-sagen geschildert. Bei dem Mohr-Coulomb Ma-terialgesetz variiert der Dilatationswinkel zwi-schen Null (nicht assoziative Fließregel – keineTrennung) und dem Reibungswinkel (assoziati-ve Fließregel).

Bestimmung der Parametervon Kontaktelementen

Bei einem konventionellen, maschinellen Vor-trieb hat die Ausbruchfläche kleinere Uneben-heiten, die eher eine runde oder flächige Formaufweisen. Dadurch kann vielmehr ein Versa-gen durch Gleiten auftreten.

Ein Scherbruch dagegen ist bei einemSprengvortrieb zu erwarten. Solche Überle-gungen sind von Bedeutung bei der Abschät-zung der Mohr-Coulomb Parameter für dieKontaktelemente. Die Kontaktfläche stelltmeistens eine Schwachstelle dar. Mit dem Rei-bungswinkel vom Untergrund fU und vomSpritzbeton fB kann der Reibungswinkel für dieKontaktelemente mit fK ≤ min [fU ; fB] bestimmtwerden. Für die Kohäsion gilt analog cK ≤ min[cU ; cB]. Bei einem kohäsionslosen Untergrundist dementsprechend cK = 0. Bei einem Spreng-vortrieb sind die Mohr-Coulomb Parameter fürdie Kontaktelemente höher abzuschätzen, weildurch den hohen Verzahnungsgrad ein besse-rer Verbund zwischen Untergrund und Spritz-beton möglich ist.

Dennoch ist in diesem Fall die Gebirgsauflo-ckerung durch die Sprengungen zu berücksich-tigen.

Einsatzmöglichkeitenvon Kontaktelementen

Anhand dreier Beispiele werden die Einsatz-möglichkeiten von Kontaktelementen in nume-rischen Berechnungen für das Modellieren derKontaktfläche zwischen Gebirge und Bauwerkverifiziert. Die Berechnungen werden mithilfe

Bild 4 Verlauf der Normalkräfte und der Biegemomente bei einer Berechnung:a) ohne Kontaktelemente; b) mit Kontaktelementen; c) mit Kontaktelementen undBerücksichtigung von Längsschlitzen und LSC-Elementen.Fig. 4 Distribution of the normal forces and of the bending moments in a numericalcalculation: a) without contact elements; b) with contact elements; c) with contactelements and considering longitudinal gaps and LSC.

Page 5: Einsatz von Kontaktelementen bei numerischen Berechnungen für … · 2003-10-17 · KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU FELSBAU

KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU

FELSBAU 21 (2003) NR. 3 25

TU

NN

EL

STA

TIK

des finiten Elemente Programms Z_SOIL.PC2001 2D durchgeführt.

Tunnelausbau im druckhaften Gebirgebei hoher Überlagerung

In diesem Beispiel erfolgt der Tunnelvortrieb inFlysch Formationen, die ein druckhaftes Ge-birgsverhalten aufweisen. Ein Tunnelausbruchnach NÖT mit einer Teilung in Kalotte, Strosseund Sohle wird in der Berechnung simuliert. DieÜberlagerung beträgt etwa 70 m über der Tun-nelfirste. Die gleiche Berechnung wurde mit undohne Kontaktelemente durchgeführt, um denUnterschied in den Schnittgrößen zu zeigen. Inden Bildern 4a und 4b sind die Verläufe der Nor-malkraft und des Biegemoments im Endzustandaus den zwei Berechnungen dargestellt. DerNormalkraftverlauf ist bei der Berechnung mitKontaktelementen stetig, wie in der Realität zubeobachten wäre. Die sprunghafte Änderung imNormalkraftverlauf bei der Berechnung ohneKontaktelemente ist dadurch bedingt, dass dieGebirgselemente voll an den Tunnelschalenele-menten hängen, sowie durch das Modellierender Ausbruchschritte beim Tunnelvortrieb.Wenn keine Kontaktelemente in der Berech-nung eingesetzt werden, ist die minimale Nor-malkraft in der Tunnelschale (-2 936 kN) umrund 15 % höher verglichen mit der minimalenNormalkraft (-2 561 kN) in der Berechnung mitKontaktelementen. Die Biegemomente bleibenfast unverändert. Wenn die gleichen Berech-nungen mit einer höheren Überlagerung durch-geführt werden, ist der Unterschied in der Nor-malkraft noch größer. Maßgebend bei der Be-messung der Tunnelschale ist in solchen Fällendie hohe Normalkraft (überdrückter Quer-schnitt), die zu einer sehr konservativen Dimen-sionierung führt.

Bei einem Tunnelvortrieb nach NÖT imdruckhaften Gebirge mit hoher Überlagerung istfür einen wirtschaftlichen Tunnelausbau die Fä-higkeit der Tunnelschale, hohe Verformungenaufzunehmen, ausschlaggebend, wie auch eineBegrenzung der Normalkräfte. Ein duktiles Ver-halten der Tunnelschale kann mit Längsschlit-zen und LSC-Elementen (Lining Stress Control-ler) erreicht werden (1, 2). In Bild 4c wird derVerlauf der Schnittgrößen aus der gleichen Be-rechnung mit Kontaktelementen, bei der auchLängsschlitze und LSC-Elemente modelliertsind, dargestellt. Mit den Ergebnissen aus dieserBerechnung kann eine wirtschaftliche und rea-listische Dimensionierung des Tunnelausbausdurchgeführt werden.

Tunnelvortrieb im Nahbereicheiner offenen Bauweise

In diesem Beispiel wird ein bergmännischerTunnelvortrieb nach NÖT im Nahbereich eineroffenen Bauweise (OBW) simuliert. Der Aushubin der OBW erfolgt in einzelnen Bauphasen, diein der Berechnung berücksichtigt sind, im An-

schluss an den Ausbruch und die Sicherung desbergmännischen Tunnels. Die Aushubgrube derOBW ist beidseitig durch Bohrpfahlwände gesi-chert. Hauptzweck dieser numeri-schen Berechnung ist es, den Ein-fluss der OBW auf die Tunnelscha-le zu untersuchen. Weil die Über-lagerung in diesem Bereich sehrklein und die Oberfläche teilweisebebaut ist, sind die Oberflächende-formationen ein Aspekt dieser Un-tersuchung.

Wenn keine Kontaktelemente inder Berechnung verwendet wer-den, sind die Elemente des Unter-grunds und der Bohrpfahlwand di-rekt miteinander verbunden. DieHebungen in der Baugrube wer-den daher durch die Bohrpfahlele-mente auf den Untergrund außer-halb der Baugrube übertragen. In

Bild 5 Das Verformte Netz bei einer Berechnung: a) mit Kontaktelementen;b) ohne Kontaktelemente.Fig. 5 The deformed mesh in a numerical calculation: a) without contact elements;b) with contact elements.

Page 6: Einsatz von Kontaktelementen bei numerischen Berechnungen für … · 2003-10-17 · KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU FELSBAU

26

TU

NN

EL

STA

TIK

KRASTANOV: EINSATZ VON KONTAKTELEMENTEN BEI NUMERISCHEN BERECHNUNGEN FÜR DEN TUNNELAUSBAU

FELSBAU 21 (2003) NR. 3

Bild 5a kann man gut erkennen, wie dieSpritzbetonschale des bergmännischen Tun-nels aufgrund der Nahlage zu der Bohrpfahl-wand mit hinaufgezogen wird. Zusätzlich sindauch Hebungen an der Oberfläche zu beobach-ten, was jedoch unrealistisch erscheint. Wenndie Kontaktfläche zwischen Untergrund undBohrpfahlwand in der Berechnung modelliertwird, kommt es zu eine Art „Entkoppelung“der zwei Ausbaumethoden, gleichzeitig wirdaber eine gegenseitige Beeinflussung nichtausgeschlossen. In Bild 5b ist das verform-te Netz im Endzustand aus der Berechnungmit Kontaktelementen dargestellt. Das Ver-formungsverhalten des Gesamtsystems scheintrealistischer als bei der Berechnung ohne Kon-taktelemente.

Berücksichtigung des Quelldrucks innumerischen Berechnungen

Im quellfähigem Gebirge ist der Quelldruck invielen Fällen für die geometrische Definitionder Ausbruchfläche und für die Dimensionie-rung der Tunnelschale maßgebend. Der Quell-druck wird in numerischen Berechnungen üb-

Bild 6 Verlauf derNormalkräfte undder Biegemomente:a) ohne Quelldruck;b) mit Quelldruck.Fig. 6 Distributionof the normal forcesand of the bendingmoments in a nume-rical calculation:a) without swellingpressure;b) with swelling pres-sure on the tunnellining.

lich im Sohlbereich auf die Tunnelschale ange-setzt. Dabei ist es wesentlich, dass die Kontakt-fläche zwischen Gebirge und Tunnelschale,zumindest im Bereich wo der Quelldruck wirkt,modelliert wird. Ohne Kontaktelemente werdendie in der Berechnung angesetzten Quelldruck-kräfte entsprechend den Steifigkeitsverhältnis-sen zwischen dem Gebirge und der Tunnelscha-le aufgeteilt. Im Gebirge mit einem hohen Ver-formungsmodul wird die Tunnelschale in die-sem Fall nicht mit dem von den Geologen ange-gebenen Quelldruck in der Berechnung belas-tet. In Bild 6 ist der Verlauf der Normalkraftund des Biegemoments in einer Tunnelschalemit und ohne angesetztem Quelldruck darge-stellt. Gut zu erkennen ist der durch den Quell-druck charakterisierte Verlauf der Biegemo-mente und die erhöhte Normalkraft im Sohlbe-reich.

Zusammenfassung

Der Einsatz numerischer Berechnungen für denTunnelausbau ist als ein Hilfsmittel zu betrach-ten, das bewusst und zielgerecht anzuwendenist. Der ingenieurmäßige Verstand ist sowohlbei der Erstellung des numerischen Models alsauch bei der Auswertung der Ergebnisse vonenormer Bedeutung. Eine numerische Berech-nung ist eigentlich ein Modellieren verschiede-ner Prozesse in der Natur.

An erster Stelle ist dabei sehr wichtig, einegut definierte Aufgabenstellung zu haben, zumBeispiel ob ein Versagensmechanismus oderOberflächensetzungen zu untersuchen sindoder ob das Bauwerk zu dimensionieren ist.

Es ist auch wichtig, dass man die zu model-lierenden Prozesse gut kennt. Nur unter diesenVoraussetzungen kann es gelingen, die maß-gebenden Einflussgrößen festzustellen, eindurchdachtes Model zu erstellen und die Be-rechnungsergebnisse fachgerecht auszuwer-ten, wobei Plausibilitätskontrollen immer sinn-voll sind.

Quellennachweis1. Krastanov, J. ; Daller, J. ; Preh, A.: Tunnel Design inSqueezing Rock Conditions with High Overburden. 28th ITAGeneral Assembly and World Tunnel Congress, Congress,Proceedings, Sydney, Australia, 2002.2. Moritz, A.B.: Ductile Support Systems for Tunnels inSqueezing Rock. Doctoral Thesis, Technical University ofGraz, Austria, 1999.3. Zace Services Ltd.: Z_Soil 2002 User Manual. ElmepressInternational (Lausanne), 1985-2002.

AutorJessica Krastanov, iC-Consulenten, Kaiserstrasse 45, A-1070 Wien, Österreich, E-Mail [email protected]