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- 1 - EINZELFALLUNTERSUCHUNG EINER G RUPPENMUSIKTHERAPIE MIT SCHIZOPHRENEN PATIENTEN Abschlußarbeit im Fach Musiktherapie an der Hochschule Enschede vorgelegt von: Heiko Isermann im Dezember 2001

EINZELFALLUNTERSUCHUNG EINER ......Patienten nicht Musik von Band hören, sondern selbst zu den Instrumenten greifen. Doch um ehrlich zu sein, von solchen Geschichten wie oben beschrieben

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EINZELFALLUNTERSUCHUNG EINER GRUPPENMUSIKTHERAPIE

MIT SCHIZOPHRENEN PATIENTEN

Abschlußarbeitim Fach Musiktherapie

an derHochschule Enschede

vorgelegt von:Heiko Isermann

im Dezember 2001

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Vorwort

Mein herzlicher Dank gilt allen, die mir bei meiner Arbeit mit ihrer Hilfe zur Seitestanden:Den Dozenten des Fachbereichs Musiktherapie an der Hochschule Enschede, hierbesonders Carola Werger, die mich direkt begleitet und durch ihre Begeisterung immerwieder motiviert hat und Drs. Annemiek Vink, die mir bei den statistischen undwissenschaftlichen Fragen viele wertvolle Tips geben konnte;Und den 4ejaars aus dem Jahr 2001/02, die sich dazu bereit erklärten, die Videos zubeurteilen und denen ich viel Glück bei ihrem Abschluß wünsche: Jenni, Margreet,Steffi, Willemien, Daniël, Ingo und Uli;Den Patienten und Kollegen der Station P7, die diese Untersuchung erst möglichgemacht haben;Franz-Josef Plum, mein musiktherapeutischer Kollege aus dem Haupthaus alsfachlicher Austauschpartner;Und Petra, die mich immer in meinem Tun unterstützt hat.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung...................................................................................................................... 5

2 Problemstellung ........................................................................................................... 7

3 Musiktherapie und Schizophrenie im Spiegel der Literatur.................................... 8

3.1 Theoretische Konzepte zu Musiktherapie und Schizophrenie.......................... 83.1.1 Somatische Aspekte......................................................................................... 93.1.2 Kommunikationstheoretische Aspekte ......................................................... 93.1.3 Familiendynamische Aspekte ...................................................................... 103.1.4 Psychoanalytische Aspekte........................................................................... 103.1.5 Kognitive Prozesse in der Musiktherapie ................................................... 123.1.6 Zielsetzungen nach Smeijsters ..................................................................... 133.1.7 ...weitere Konzepte ........................................................................................ 133.1.8 Die supportive Musiktherapie ..................................................................... 153.1.9 Eine Untersuchung über verschiedene Arbeitsweisen ............................. 16

3.2 Forschungen zum Thema Musiktherapie und Schizophrenie......................... 163.2.1 Pfeiffer et al.(1987) ......................................................................................... 163.2.2 Reker (1991).................................................................................................... 173.2.3 Pavlicevic et al.(1994) .................................................................................... 183.2.4 Messer (1998) ................................................................................................. 193.2.5 Plum et al.(1997) ............................................................................................ 203.2.6 Diskussion...................................................................................................... 213.2.7 Untergliederung der Skalen ......................................................................... 223.2.8 Relevante Probleme, Erfahrungen und Ergebnisse .................................... 22

3.3 Meßmethoden zur Einstufung musiktherapeutischer Improvisationen ........ 233.3.1 Der Selbstbeurteilungsbogen ....................................................................... 243.3.2 MIR(S) und EBQ ............................................................................................ 243.3.3 MAKS ............................................................................................................. 243.3.4 Beschreibung und Rekonstruktion .............................................................. 253.3.5 Qualitative Forschung zur Untersuchung von Analogien ........................ 263.3.6 Improvisations-Erfassungs-Profile (IAPs)................................................... 263.3.7 Diskussion der Skalen................................................................................... 27

4 Überlegungen zu Bedingungsfeld und Behandlungsmethode.............................. 29

4.1 Die Station P7 der Rheinischen Kliniken Essen ................................................ 294.1.1 Allgemeine Beschreibung ............................................................................. 294.1.2 Ein kurzer Abriß des Rehabilitationsmodells ............................................. 304.1.3 Die Rolle der Musiktherapie und die Indikationsstellung ........................ 31

4.2 Entwicklung einer eigenen Methodik................................................................ 324.2.1 Einleitung ....................................................................................................... 324.2.2 Therapeutische Grundhaltung ..................................................................... 324.2.3 Ressourcen-orientierte Arbeitsweise ........................................................... 33

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4.2.4 Techniken und Interventionen..................................................................... 334.2.5 Die freie Improvisation ................................................................................. 344.2.6 Abstand und Nähe ........................................................................................ 374.2.7 Die musikalischen Parameter....................................................................... 374.2.8 Therapeutische Zielsetzungen dieser Musiktherapie ................................ 384.2.9 Vergleich mit der Literatur ........................................................................... 39

5 Die Einzelfalluntersuchung....................................................................................... 41

5.1 Planung und Durchführung der Untersuchung ............................................... 415.1.1 Planung .......................................................................................................... 415.1.2 Methode.......................................................................................................... 415.1.3 Datenerhebung .............................................................................................. 415.1.4 Behandlungsgruppe, Therapieverlauf......................................................... 425.1.5 Meßinstrumente /Untersuchungsverfahren............................................... 435.1.6 Probleme in der Durchführung.................................................................... 44

5.2 Ergebnisse............................................................................................................. 455.2.1 Ergebnisse der MAKS-Auswertung ............................................................ 455.2.2 Ergebnisse der qualitativen Untersuchung nach Smeijsters...................... 485.2.3 Analyse des musikalischen Materials.......................................................... 48

5.2.3.1 Szene 1:........................................................................................................ 495.2.3.2 Szene 2:........................................................................................................ 505.2.3.3 Szene 3:........................................................................................................ 51

5.2.4 Verbindung zum klinischen Gesamtbild .................................................... 535.2.5 Ergebnisse des Selbstbeurteilungsbogen nach Reker................................. 55

6 Schlußfolgerungen und Ausblick............................................................................. 57

Literaturverzeichnis

Anhang

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1 Einleitung

„...Wenn die Stimmen besonders kräftig waren, mußte ich zu anderen Mitteln greifen: Ich setzte dieKopfhörer des Walkman auf, drehte auf volle Lautstärke und dröhnte die Stimmen einfach weg.“„...Elton John war mein Lithium. Elton Lithium John. Wir füllen ihn in Flaschen ab und stellen ihn insMedizinschränkchen. Je nach Bedarf zu verwenden. Musik ist die beste Medizin, wie man so schön sagt.Die Musik wirkte sehr stark auf mich, aber meine Stimmungen waren stärker. Meist war es nicht dieMusik, die meine Gefühle bestimmte, sondern meine Gefühle, die die Musik bestimmten. Sie wirbeltenum mich herum, sickerten hinaus in die Welt, bestimmten die Auswahl der Songs und filterten dieMelodien und Texte – nicht um sich selbst zu verändern, sondern um sich im Einklang mit ihnen zuverstärken.“„...Was für eine wunderbare Erfahrung, in tiefster Depression eine Kassette von Jackson Browneeinzulegen und in seiner Selbstmordbesessenheit zu schwelgen. Meine eigene Obsession vermischte sichmit seiner. Durch seine Gefühle konnte ich meine verinnerlichen und verstärken. Ich konnte denSelbstmord eines anderen Menschen wie meinen eigenen empfinden.“

Diese Zitate stammen aus dem Erfahrungsbericht einer Frau mit schizoaffektiverPsychose (Schiller, 1994).Doch was ist das besondere in der Musik, das sie zu solchen Erlebnissen führen kann?Wie kann man diese Möglichkeiten für eine Therapie nutzbar machen?Musiktherapie wird schon seit mehreren Jahren in psychiatrischen Kliniken eingesetztund verbreitet sich immer mehr. Und gerade bei Patienten, die an Schizophrenie oderanderen Psychosen erkrankt sind, scheint die Musiktherapie eine geeignete Methode zusein, um diesen Menschen zu helfen.Ich selbst arbeite nun während meines Studiums der Musiktherapie seit über 2 Jahrenmit dieser Zielgruppe. Zuerst im Rahmen meines Praktikums in einer psychiatrischenKlinik und im Anschluß daran als Honorarkraft in der selben Einrichtung. Dort findetdie Musiktherapie vor allem aktiv in Gruppen statt. Aktiv bedeutet hier, daß diePatienten nicht Musik von Band hören, sondern selbst zu den Instrumenten greifen.Doch um ehrlich zu sein, von solchen Geschichten wie oben beschrieben weiß ich wenigzu berichten. Der Alltag in der Klinik sieht doch häufig anders aus. Da vergehen schonmal Wochen um Wochen, und nicht selten hat man das Gefühl, das man nicht von derStelle kommt. Ist Musik vielleicht doch nicht das Wunderheilmittel, wie es obenangedeutet wird?Dr. Wolfgang Strobel, sowohl Psychiater als auch Musiktherapeut, schrieb rückblickendauf seine Erfahrungen: „Was die Erfolge und Erkenntnisse meiner siebenjährigenBeschäftigung mit schizophrenen Patienten betrifft, so waren es keine fetten Jahre, aberauch keine ganz mageren“ (Strobel, 1985).Und so sitze auch ich grübelnd über der Frage, wie effektiv die Musiktherapie bei demerwähnten Klientel wirklich ist, und wie man die Erfolge denn nachweisen könnte.Die Wirksamkeit der Musiktherapie anhand von wissenschaftlichen Zahlen undFormeln wiedergeben zu wollen, scheint ja ein Widerspruch in sich zu sein.Dazu kommen noch die Zweifel in bezug auf meine eigene Arbeit. Mache ich auch allesgut genug? Liegt es an mir, wenn sich der Zustand des Patienten nicht verbessert? Oderist mein eigener Anspruch nicht einfach nur maßlos überzogen? Beweggründe, diemich dazu motivierten, mich intensiver diesem Thema zu widmen. So entschied ichmich dafür, anhand einer Untersuchung meine Arbeit zu evaluieren und machte michauf die Suche nach Forschungsmethoden und Meßinstrumenten, mit denen ich meine

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Arbeit von außen gezielt beobachten lassen könnte. Das Ergebnis bildet diese Arbeithier.

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2 Problemstellung

Wie in der Einleitung angedeutet, ist diese Arbeit eine praxisbegleitende Untersuchungund stellt folgende Hauptfrage:

Welche Aussagen können über die Effektivität von Musiktherapie bei der Behandlungvon Schizophrenie gemacht werden?

Diese Hauptfrage soll anhand folgender Teilfragen beantwortet werden:

1. Sind im Verlauf der Therapie Veränderungen und Entwicklungen in für dieseZielgruppe relevanten Bereichen zu beobachten?

2. Welche Meßinstrumente sind geeignet, um die in Frage 1 angedeutetenVeränderungen festzuhalten?

3. Können Rückschlüsse auf bestimmte Elemente der Musiktherapie gemacht werden,die Veränderungen und Entwicklungen ausgelöst und in Bewegung gebracht haben(musikalische/psychologische Prozesse)?

4. Deckt sich das von außen beobachtbare Erleben der Patienten mit demSelbsterleben?

In bezug auf die 1.Teilfrage sollen zunächst theoretische Konzepte diskutiert werden.Diese beziehen sich auf bereits bestehende Methoden, die Musiktherapeuten bei derBehandlung von Schizophrenie verwenden. Dabei geht es sowohl um Arbeitsweisen(Kap. 3.1) als auch um Forschungen (Kap. 3.2) und die dabei verwendetenMeßmethoden und Meßinstrumente (Kap. 3.3). Hieraus entwickelt sich dann die 2.Teilfrage.Im Anschluß daran werden die Rahmenbedingungen für die Untersuchung vorgestellt(Kap. 4). Zum einen die Station P7 der Rheinischen Kliniken Essen, auf der ich arbeite,und zum anderen meine eigene Arbeitsweise, die auf persönlichen Erfahrungen undden theoretischen Konzepten basiert (vgl. Kap. 3.1).Das 5. Kapitel behandelt dann die Planung und Durchführung der Forschungsarbeit alsEinzelfallstudie über eine Gruppenmusiktherapie. Bei der Auswertung soll die3.Teilfrage hinzugezogen werden, die das Ergebnis untermauern soll, indem sie diesenachvollziehbar und erklärbar macht. Und auch die Meinung der Patienten soll nichtaußer Acht gelassen werden (4. Teilfrage). Die Motivation dafür entstand in Kapitel3.2.8.In den Schlußfolgerungen soll dann versucht werden, diese Fragen anhand derUntersuchungsergebnisse zu beantworten (Kap.6).

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3 Musiktherapie und Schizophrenie im Spiegel der Literatur

3.1 Theoretische Konzepte zu Musiktherapie und SchizophrenieBei den Nachforschungen in der musiktherapeutische Literatur fällt auf, daß es nurwenige Musiktherapeuten gibt, die über das Thema Schizophrenie geschrieben haben.Ich will versuchen, im folgenden eine kurze Übersicht über die verschiedenen Ansätzezu geben.Dabei berufe ich mich auch auf Smeijsters (1995), der in seinem HandbuchMusiktherapie bereits eine Übersicht über existierende Literatur zu diesem Themazusammengestellt hat.Die Basis dieses Buches bildet die Ausarbeitung des Analogen Prozeßmodells und dieFrage nach der Indikation für Musiktherapie. Analogie bedeutet hier, daß sichpsychologische Prozesse in musikalischen Prozessen abbilden lassen. Diese werdepathologische Prozesse genannt und bilden eine Art musiktherapeutische Diagnostik.Umgekehrt sollen psychologische Prozesse durch musikalische Prozesse beeinflusstwerden können. Sie werden therapeutische Prozesse genannt und bilden den Indikatordafür, ob Musiktherapie relevante Entwicklungen in Gang bringen kann. DieseAnnahme stützt sich auf umfassende Nachforschung in verschiedenenEinsatzbereichen.Smeijsters stellt in Zusammenhang mit der Behandlung von Schizophrenie drei Fragen:

1. Wie kann die schizophrene Störung erklärt und beschrieben werden?2. Wie kann sie behandelt werden?3. Warum kann Musiktherapie in dieser Behandlung eine bedeutsame Rolle spielen?

Zur Beschreibung von Schizophrenie stellt er eine Liste von Symptomen auf, die ichhier der Übersicht wegen wiedergeben will:

Positive Symptome:� Wahnideen� Halluzinationen� inkohärentes Denken

Negative Symptome:� Affektverflachung� gestörte Informationsverarbeitung, verzögerte Reaktionszeit� Schwierigkeiten mit abstraktem Denken� Apathie� Neigung zum Zurückziehen (Autistisches Verhalten)

Die Frage nach der Ursache von Schizophrenie wirft direkt Schwierigkeiten auf, da esbis heute keine eindeutigen Beweise in bezug auf die Entstehung dieser Krankheit gibt.Es gilt als unbestritten, das erbliche Faktoren eine entscheidende Rolle spielen, aberauch Umwelteinflüsse dazu beitragen, ob und wie die Krankheit ausbrechen kann.Nachdem sich jahrelang die verschiedenen Schulen gestritten haben, wie denn welcheFaktoren dazu beitragen, daß Schizophrenie ausbrechen kann, wird heute eher

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versucht, zu einer ganzheitlichen Sicht zu kommen, die zum Teil gegensätzlicheAnsätze zu einem Gesamtbild zusammenfügt. Ciompi (1981) war einer der ersten, dersich an eine Synthese heranwagte. Aus musiktherapeutischer Sicht ist Strobels Ansatzzu nennen (1985), der sich auf die Forschungsergebnisse Ciompis beruft. Er beschreibtein Bild, das ich in diesem Zusammenhang zitieren möchte:„...jeder Betrachter blickt aus einer anderen Richtung auf ein Ganzes und nimmtdeshalb nur aspekthaft die seinem Blickwinkel zugewandte Seite wahr. EineAnnäherung an das Ganze wird durch Zusammensetzen der verschiedenen Aspektemöglich.“So setzt Strobel ein Gesamtkonzept zusammen, was aus somatischen,kommunikationstheoretischen, familiendynamischen und psychoanalytischenAspekten besteht. Dabei gelingt es ihm, verschiedene musiktherapeutische Phänomenemit Hilfe der verschiedenen Theorien zu erklären und doch ein und dasselbe zumeinen. An dieser Stelle kann ich nur die einzelnen Aspekte kurz umreißen, um einenÜberblick zu bieten. Zur Vertiefung kann ich nur auf die im Anhang angegebeneLiteratur verweisen.

3.1.1 Somatische Aspekte

Bei an Schizophrenie erkrankten Menschen tritt häufig eine Störung in der zentralenWahrnehmungsverarbeitung, die sich vor allem in der logisch-rationalenKommunikation manifestiert. Bei der musikalischen Kommunikation, insbesondere derfreien Improvisation, sei es wegen der großen Redundanz nicht nötig, dieKommunikation ständig durch die volle Aufmerksamkeit zu kontrollieren. Darum seidie freie Improvisation ein geeignetes Kommunikationsmedium für schizophrenePatienten. Allerdings stellt Smeijsters diese Behauptung, die ursprünglich vonKneutgens (1980) stammt, in seinem Handbuch in Frage, da diese Folgerung nichtschlüssig sei.Es ist momentan noch nicht möglich, somatische Aspekte bzw. die genetischen odererblichen Faktoren mit psychotherapeutischen Methoden „wegzutherapieren“. es kannjedoch hilfreich sein, diese aber als gegeben zu akzeptieren, um sich und den Patientennicht mit allzu hochgesteckten Zielen und Erwartungen zu überfordern. Und es kannihm erleichtern, den andauernden Einsatz von Psychopharmaka zu tolerieren.

3.1.2 Kommunikationstheoretische Aspekte

Hier gilt als Grundsatz, dem Patienten in dessen „Sprache“, dessen Erleben einfühlendzu begegnen. Aber warum spricht Musiktherapie gerade schizophrene Menschen an?Das Modell der digitalen und analogen Kommunikation (Watzlawik et al., 1969) lieferthier eine mögliche Erklärung:� Die digitale Ebene (willkürlich festgelegte Kodifizierung) vermittelt die

Inhaltsbotschaft und entspricht eher der rationalen und dem verbalen Anteil derKommunikation.� Die analoge Ebene (Ähnlichkeitsbeziehung) bildet eher Beziehungsbotschaften undist mehr emotionaler Natur. Sie entspricht den averbalen Anteilen derKommunikation wie z.B. Stimmklang und Ausdrucksbewegungen.

Durch paradoxe Kommunikationsstrukturen wie dem Doublebind, in denen sichdigitale und analoge Anteile widersprechen, entstehen in schizophrenen FamilienBeziehungszwickmühlen, aus denen man sich kaum lösen kann. Die einzige

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Auswegsmöglichkeit scheint die Abspaltung eines Kommunikationsanteils. Diejenigen,die den digitalen Teil abspalten, vermeiden sprachliche Kommunikation und sind dafüraber übersensibel für analoge Kommunikation. Sie wirken oft autistisch, haben abereine ausgesprochen gute Wahrnehmung, was die Beziehungsebene angeht. Dadurcherscheinen sie fast prädestiniert für die Musiktherapie, weil die musikalischeKommunikation analog ist und darüber hinaus wenig Möglichkeiten fürwidersprüchliche oder unvereinbare Botschaften bietet.Für Patienten, die der digitalen Ebene den Vorzug geben, gestaltet sich die Situation inder Musiktherapie ungleich schwieriger, was nicht heißen soll, daß bei ihnenMusiktherapie nicht indiziert sei. Gerade sie müssen die ursprünglich abgespalteneanaloge Ebene neu erfahren, um sie integrieren zu können.Ein anderes Konzept wurde von Grindler und Bandler (1982) entwickelt, welches sichmit sogenannten Repräsentationssystemen befaßt. Jeder Mensch hat eine persönlicheStrategie, wie er Reize aus seiner Umgebung in sich aufnimmt und verarbeitet. Diesgeschieht vor allem über die Sinnesorgane, z.B. Augen (visuell), Ohren (auditiv) oderTastsinn/Körper (kinästhetisch). Wenn nun ein Repräsentationssystem blockiert ist, istes sinnvoll, einen anderen Kanal zu verwenden. Patienten, die körperlich in sichzurückgezogen sind (kinästhetischer Kanal) oder Blickkontakt vermeiden (visuellerKanal), sind vielleicht über den auditiven Kanal zu erreichen. Dann wäreMusiktherapie eine gute Methode, um musikalische Berührungen zu ermöglichen undso zu neuen Erfahrungen zu gelangen.

3.1.3 Familiendynamische Aspekte

Auf diese Aspekte kann ich hier nicht weiter eingehen, da sie nach Smeijsters „nichtspezifisch für die Musiktherapie sind“. Wohl aber erwähnt Strobel in Zusammenhangmit den oben genannten Paradoxen die Notwendigkeit, daß sich der Therapeut einfachund verständlich ausdrücken und eindeutige und kongruente Botschaften aussendensollte. Er sollte als reale, konkrete Person zu erkennen sein, wozu auch gehört, daß erFehler und vor allem Gefühle haben darf.

3.1.4 Psychoanalytische Aspekte

Hier ist es aufgrund der Komplexität der Thematik notwendig, die Ausführungenetwas genauer darzustellen. Dazu greife ich wieder auf die oben genannte Arbeit vonSmeijsters zurück, da er diese Aspekte von Strobel mit anderen Theorien in Verbindungbringt. Strobel beschreibt als mögliche Ursache für regressives Verhalten(Schizophrenia-Symplex) und autistische Symptome bei Schizophrenie eine Störung inder frühkindlichen Phase des „primären Narzismus“ (0-2 Monate). Störungen in dersymbiotischen Phase könnten paranoide und halluzinierende Formen vonSchizophrenie auslösen, und ein zu schneller Übergang in der Loslösungsphase von derMutter könnte zu leichteren Formen von Paranoia führen.Smeijsters führt an dieser Stelle die Ideen von Mahler (1990) an, die dieseEntwicklungsphasen beschrieben hat. Der zentrale Kern bildet hier der Prozeß von derSymbiose bis zur Individualisierung, der nach Mahler insgesamt 3 Jahre dauert.Für die Musiktherapie ergeben sich in diesem Zusammenhang folgende Möglichkeiten:In der musikalischen Improvisation kann es zu symbiotischen Zuständen kommen,wenn Therapeut und Patient im Spiel miteinander verschmelzen, indem sich die Klängeder beiden überlagern und eine Einheit bilden. Dadurch wird bei dem Patienten ein

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Gefühl von Geborgenheit und Vertrauen geweckt. Aber es ist auch notwendig, denSchritt aus der Symbiose auf symbolische Art und Weise noch einmal neu zu erleben,um diese Phase abschließen zu können. So müssen Prozesse zwischen Verschmelzungund Loslösen stattfinden, und der Patient muß für sich die Möglichkeit entdecken, daßer diese Prozesse selbst steuern kann. Er muß erfahren, daß er in der Symbiose seineIdentität nicht verliert, daß er trotzdem Abstand halten kann. Und er kann selbst ausder Symbiose wieder heraustreten, indem er den Kontakt abbricht.Daß dies schwierige und langwierige Prozesse sind, beschreibt Smeijsters anhand vonErfahrungen, die Musiktherapeuten mit diesen Techniken gemacht haben (Lund, 1984;Vink-Brouwer, 1991; Strobel, 1985). Schizophrene haben zumeist massiveVerschmelzungsängste, da darin eben der Identitätsverlust droht. Diese Angst hängtwohl zusammen mit der unbewußten Sehnsucht nach Eins-Werden mit der Mutter.Auch hier bietet die Musiktherapie eine gute Basis, um diese Prozesse in Gang zusetzen.Winnicott (1965) betont ausdrücklich die Notwendigkeit eines „transitional object“, umdie Loslösung von der Mutter zu erreichen (z.B. ein Teddybär). Die Musik bzw. dasMusikinstrument kann hier die Funktion des Übergangsobjekts übernehmen.

Abschließen möchte ich Strobels Stellungnahme mit einigen Punkten, die er alsallgemeingültig und unabhängig von den zugrundeliegenden Theorien betrachtet.Zum einen betont er die Wichtigkeit der Beziehung zwischen Therapeut und Patient.Der Therapeut dürfe sich nicht hinter seinen Theorien verstecken. Er muß sich wohl mittheoretischen Aspekten auseinandersetzen, sie dürfen aber auch wieder „vergessenwerden“. Die eigentliche Arbeit hat dann das Unbewußte zu leisten, das die Syntheseder verschiedenen Aspekte vollzieht. Die Therapie findet erst statt, wenn der Therapeutim Einklang mit seinen Methoden es wagt, dem kranken Menschen zu begegnen undmit ihm in Beziehung zu treten (Strobel, 1985).Zum anderen betont er die Notwendigkeit einer langfristigen Therapie über mehrereMonate, um stabile und konstante Bedingungen zu gewährleisten, die eine emotionaleNachreifung erst ermöglichen. Ideal wäre in diesem Fall eine geschlossene ambulanteLangzeitgruppe zur Nachsorge.Smeijsters hat noch andere Methoden in seinem Buch aufgezählt, die ausvergleichbaren Richtungen kommen. So arbeitet Benedetti auch mit den analogenKommunikationsebenen, wobei er sich aber in die Phantasiewelt des Psychotiker begibtund darin eine Rolle übernimmt. Dabei ist nicht der Inhalt dessen, was der Patient sagt,wichtig, sondern die musikalischen Parameter der Wörter, die gesagt werden. Dadurchkann der Musiktherapeut den Patienten empathisch unterstützen und dient ihm als„holding environment“(Winnicott, 1965; Bion, 1984). Dies findet wieder ihren Ursprungin einer psychoanalytischen Herangehensweise. In diesem Zusammenhang taucht auchder Begriff „containment“ auf: Der Therapeut trägt und absorbiert alle Gefühle, dievom Patienten abgespalten und auf den Therapeuten übertragen werden. Absorbierenheißt hierbei, das der Therapeut diese Gefühle in eine erträgliche Form umwandelt undin sein Spiel einfließen läßt, um sie dem Patienten in einer für ihn akzeptablen Weisezurückzugeben, worin er sich selbst wiederfinden kann. Auch Priestley (1983) und DeBacker (1993) arbeiten mit „containment“, um abgespaltene Gefühle wieder zuintegrieren. Das Konzept der Spaltung geht zurück auf Klein (1983): Das Kind spaltetihre Mutter in eine gute und eine böse Hälfte und kann die beiden Hälften nicht wieder

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verschmelzen lassen. Daraufhin projiziert sie das unakzeptable Böse nach außen, waszu paranoiden Ängsten führt, und die Flucht ins gute Innere notwendig macht.Gemeinsamkeiten zwischen De Backer und Strobel sind auch in der therapeutischenHaltung festzustellen. De Backer spricht von „réverie“, was bedeutet, das derTherapeut mit dem Patienten partiell regrediert, wie eine Mutter, die lallend auf ihrBaby reagiert. Genau dies beschreibt Strobel auch. Beide betonen die Intuition desTherapeuten. Strobel: „Der Musiktherapeut wird den Sinn seiner Intuition erst imNachhinein verstehen und sich erklären können.“

Als wichtiges Modell aus neueren Forschungsansätzen muß auch das Selbst-entwicklungskonzept von Stern (1992) erwähnt werden. Darin bestätigen sich einige fürdie Musiktherapie relevante Erkenntnisse. Dieser Ansatz stützt sich auf dieEntwicklung des Selbstempfindens von Säuglingen. Stern hält die Fähigkeit deramodalen Wahrnehmung bereits für angeboren, was auf eine supramodale Form derInformationsverarbeitung schließen läßt. Das bedeutet, daß ein Säugling einen Reiz mitallen Sinnen (Hören, Sehen, Riechen, Tasten) und auch dessen Intensität, Form und Zeitaufnehmen kann. Diese These unterstützt das Analoge-Prozeßmodel insofern, als dashier eine Übertragung zwischen musikalischen und psychologischen Prozessenstattfindet. Daß diese Fähigkeit angeboren ist, unterstützt die Indikation für dieMusiktherapie auch bei frühgestörten Patienten. Des weiteren bemerkt Stern, daß einSäugling schon ganz früh übereinstimmende Reize bevorzugt. Das festigt die Thesender Kommunikationstheorie nach Watzlawik und das Phänomen des Doublebind. Eswürde an dieser Stelle zu weit gehen, die vier Stufen der Selbstempfindungenaufzuzeigen, die Stern in seinem Ansatz entwickelte.Erwähnt werden soll aber noch, daß nach Stern die Selbstwahrnehmung als Basis fürzwischenmenschliche Beziehungen notwendig ist. Daraus entwickeln sichVitalitätsaffekte, die nur gemeinsam im Kontakt reguliert werden können. Dazu mußman den anderen wahrnehmen können, der wiederum seine Affekte abstimmen muß.Sterns Konzept der Selbstempfindung wurde schon von einigen Musiktherapeuten alstheoretische Basis verwendet (Schumacher, 1998; Hegi, 1998; Smeijsters, 2000).

3.1.5 Kognitive Prozesse in der Musiktherapie

Neben den eher analytisch orientierten Methoden beschreibt Smeijsters auch Ansätze,die von kognitiven Prozessen ausgehen, um negative Symptome der Schizophrenie wieKonzentrationsstörungen oder Schwierigkeiten in der Informationsverarbeitung. Vorallem der strukturierende Charakter der Musik wird hiermit in Verbindung gebracht.Benedetti (1979) vertritt die Auffassung, daß der Rhythmus ein geeignetes Hilfsmittelist, um Integrationsprozesse zwischen Chaos und Ordnung in Gang zu bringen undKontakt unter den Patienten aufzubauen.Hier führt Smeijsters ein wichtiges Argument an, warum sich gerade Musik dazueignet, Zeit zu ordnen und zu strukturieren. Musik ist auf einen regelmäßigen Pulsaufgebaut, der durch Akzente in Takte eingeteilt wird. Darüber hinaus werden durchmusikalische Motive und Themen Strukturen geschaffen, die durch Wiederholung einehohe Sicherheit durch Vorhersehbarkeit und begrenzter Informationszufuhr bieten.Durch die Variation von z.B. Rhythmus oder Dynamik kann das Spiel dann ausgestaltetund den therapeutischen Intentionen angepasst werden.

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Einen gänzlich anderen Ansatz zur Bewältigung von Symptomen kommt von Van denBosch (1988). Auf dem Hintergrund, daß die Symptome Strategien des Kranken sind,die Informationsflut aus der Umgebung einzuschränken, könnten andere Strategienerlernt werden, die mit weniger Problemen verbunden sind. An Stelle von bizarrenWahnideen könnte dann geordnete Musik treten, z.B. Walkman hören, um dieakustischen Halluzinationen zu vermindern. Aus dem Beispiel in der Einleitung wirdersichtlich, daß dies tatsächlich Anwendung findet. Die Aufgabe des Musiktherapeutenkönnte hier so aussehen, daß er bei der Zusammenstellung einer geeigneten Audio-Aufnahme mithilft oder Ratschläge erteilt.Ergebnisse von Untersuchungen in der Psychiatrie (Van den Bosch, 1990) ergaben, daßdie gängigen psychoanalytischen Konzepte als weniger effektiv angesehen werden alseine strukturierende, stützende und auf Anpassung gerichtete Therapie.Hier gewinnen Ansichten von Ciompi in bezug auf die psychosoziale Eingliederungvon schizophrenen Patienten Bedeutung: Handfeste, für Patient, Betreuer und Familiengleichermaßen verständliche therapeutische Zielsetzungen eignen sich besser alsschlecht faßbare psychopatholigische und psychodynamische Ziele.

3.1.6 Zielsetzungen nach Smeijsters

Zusammenfassend stellt Smeijsters noch einmal übersichtlich die wichtigsten Ziele unddie damit verbundenen Arbeitsweisen dar:� Verbesserung der Ich-Stärke durch Regression im Sinne einer Nachreifung

(korrektive emotionale Erfahrung)� Stimulierung der Individualisierung mit Hilfe von Regression und dem Prozess desLoslösens aus der Symbiose� Gefühlsausdruck durch Integration der Projektionen mit Hilfe von „holding“ und„containing“� Erschaffung einer musikalischen Struktur, um das inkohärente Denken zu lindern� Anschluß finden bei den kognitiven Möglichkeiten der Patienten durch dosierteInformationen und durch ein angepaßtes Tempo und daraus eine Beeinflussungdieser Kapazitäten.� Aufsuchen von Kontakt und Kommunikation durch den Anschluß an die analogeErlebniswelt der Schizophrenen� Aktivierung und Sozialisierung durch das Angebot von Reizen und gemeinsamenAktivitäten� Verarbeitung des Schicksals (Trauerarbeit) und das Entwickeln einer neuen Identitätdurch Entdecken von neuen Fertigkeiten.

Welche dieser Ziele für diese Untersuchung in Frage kommen, soll zu einem späterenZeitpunkt diskutiert werden.

3.1.7 ...weitere Konzepte

Komme ich nun zu Musiktherapeuten, die nicht im Handbuch von SmeijstersErwähnung finden. Ich werde versuchen, auch deren Arbeit mit den oben genanntenTheorien in Verbindung zu setzen:Deuter (1996) legt seiner Arbeit eine psychodynamische Sichtweise zugrunde, die sichim Wesen mit der psychoanalytischen Auffassung deckt. Er bezieht sich auf Benedetti,

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wenn er schreibt, daß es zunächst darum geht, mit dem Patienten und seinem Symptomzu sein. Es geht also noch nicht um Begegnung oder Verständigung, sondern um dasgemeinsame Anwesendsein und dessen Regulierung. Dabei wird die Wahrnehmungdes fremdpsychischen Erlebens von einer Introspektion der eigenen Erlebnisse geleistet.Veränderung findet dann innerhalb der Regulierung der eigenen Befindlichkeit statt,ohne Beeinflussung des Ganzen.Es ist also nicht seine Absicht, Kontakt z.B. in Form eines gemeinsamen Rhythmus zuerlangen, sondern dem Patienten einen Raum zu bieten, indem der Therapeut einfachpräsent ist. Der Patient kann diesen Raum aufsuchen und ihn für sich nutzen. Für ihnwird die Haltung des Abwartens und der Offenheit vom Therapeuten eine erfahrbareQualität.Diese Situation bildet eine Vorform für eine spätere Begegnung, was dann wieder eineTrennung zur Folge hat. Diese Prozesse sind mit den oben genanntenEntwicklungsphasen Mahlers identisch. Der Raum, den Deuter beschreibt, läßt sich mitdem Begriff „containment“ vergleichen, denn auch hier bekommt der Therapeut einBild vom Patienten im eigenen Erleben (Projektion) und reguliert seine eigeneBefindlichkeit, indem er diesem Erleben eine Form gibt.Zur Arbeitsweise gibt er an, daß es ihm auf individuellen Kontakt ankommt, wasbestimmte Konsequenzen für die Arbeit mit Gruppen habe. Er biete dann jedemeinzelnen gesondert die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme und beziehe sich dabeiweniger auf das ganze Gruppengeschehen.Ein weiterer Ansatz wurde von Pedersen (1999) entwickelt. Dabei bezieht sie sich aufdie von Smeijsters (1996) zusammengestellten Behandlungsmodule der Musiktherapiein der Psychiatrie:1. Supportive Musiktherapie2. Aktivierende Musiktherapie3. Re-Edukative Musiktherapie4. Re-Konstruktive MusiktherapieKurz zusammengefasst unterscheiden sich diese Module durch die Wichtigkeit derTherapeut/Patient-Beziehung, steigend von 1 bis 4, und durch die Zielsetzung von eherunterstützender und strukturierender Art (1-2) bis zu auf Einsicht und persönlicheVeränderungen gerichteter Art (3-4).Allerdings muß hier erwähnt werden, daß Smeijsters dieses Modell im HandbuchKreative Therapie noch überarbeitet hat, worauf ich weiter unten zurückkommenmöchte (Smeijsters, 2000). Im Moment bleibe ich noch bei dem älteren Modell, da sichPedersen darauf bezieht.Bei Smeijsters (1996) kommen für schizophrene Patienten nur die ersten beiden Modulein Frage. Pedersen hat für ihre Arbeit ein fünftes Modul entwickelt, welches nach ihrerAnsicht genauso die speziellen Bedürfnisse der schizophrenen Klienten berücksichtigt,aber gleichzeitig der Therapeut/Patient-Beziehung einen hohen Stellenwert einräumt.Sie nennt dieses Modul „Holding and Re-Organizing Music Therapy“.Das wichtigste Ziel ist hierbei das Durchbrechen der Isolation dieser Patienten. WeitereZiele sind der Aufbau einer Arbeitsbeziehung auf einem basalen Level derKommunikation und einer Beziehung, die auf einer sensiblen „holding“-Attitüde aufSeiten des Musiktherapeuten aufgebaut ist, um den Patienten für eine weitereentwicklungsgerichtete Behandlung zu motivieren, die eine Beziehung zum Ziel hat,die für beide von Bedeutung ist.

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Die Arbeitsweise, die an diese Ziele geknüpft ist, geht von einem Einzeltherapie-Settingaus, und erfordert eine therapeutische Haltung, die sie wie folgt beschreibt:� Sorgfältiges Hören auf die Musik des Patienten und die Gefühle, die darin zum

Ausdruck kommen.� Gleichzeitiges Erzeugen eines musikalischen Rahmen, der das auf einer akzeptablenWeise wiedergibt, was der Therapeut im Spiel des Patienten hört.

Diese Haltung erinnert stark an das „holding“ und „containing“, was ich weiter obenbereits beschrieben habe.Die Funktion, welche die Musik dabei übernimmt, deckt sich weitgehend mit denErfahrungen, die Smeijsters (1995) in seinem Handbuch zusammengefaßt hat.Nachdruck legt sie auf die Wichtigkeit, das der Patient selbst entscheiden kann, wannund wie er in Kontakt treten will.Er darf sich nicht durch den Therapeuten kontrolliert fühlen.Daneben gibt sie noch Beispiele, wie sich Schizophrene in der Improvisation verhalten,wobei sie erwähnt, daß sie von ähnlichen Erfahrungen gelesen habe:

� Der Patient spielt eine „Wand“ von Klängen ohne Anfang und Ende, ohne etwasanderes mitzukriegen.� Der Patient will in kürzester Zeit ein berühmter Musiker werden, wie die Vorbilderaus seiner Lieblingsband.� Der Patient will nichts anderes als auf dem Schlagzeug herumspielen.� Der Patient spielt auf einem Instrument und wertet sein eigenes Spiel total ab, umsein negatives Selbstbild zu bestärken und sich das Recht zu leben abzusprechen.� Der Patient spielt Klangfragmente, um plötzlich in sich gekehrt den Klängen zulauschen.� Der Patient ist mit all seiner Aufmerksamkeit auf den Therapeuten gerichtet, umsicherzugehen, daß sein Spiel „richtig“ ist.

Jetzt ist es natürlich interessant zu erfahren, wie Smeijsters selbst sein Konzept über dieverschiedenen Behandlungsweisen verändert hat. Der Einfachheit halber beziehe ichmich dabei nur auf den Punkt, der für diese Zielgruppe in Frage kommt.

3.1.8 Die supportive Musiktherapie

Diese Arbeitsweise findet im neuen Modell deutlich mehr Akzentuierung auf dieTherapeut/Patient-Beziehung als wichtige Voraussetzung. Hier ist der Therapeut derSchöpfer des sicheren Rahmens für inneren Wachstum. Als mögliche Ziele werdenfolgende Aspekte genannt:� Entwicklung, Entfaltung, Selbstaktualisierung und Selbstkontrolle� adäquates emotionales Verhalten� emotionales Gleichgewicht erreichen� Stärkung der vorhandenen AbwehrDies geschieht durch Unterstützung, Stabilisierung, Exploration, Durchleben undAkzeptieren des eigenen Gefühls, „Ich-Verstärkung durch Spiel und Kontakt“. Dabei istdie Therapie weder konflikt- noch problemorientiert.Hier finden sich eindeutige Parallelen zu weiter oben beschriebenen Konzepten. ZumBeispiel der sichere Rahmen und der akzeptierende Umgang mit Gefühlen („holding“,„containment“), damit also der Schwerpunkt auf die Therapeut/Patient-Beziehung. Im

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Unterschied zu Pedersen fällt hierbei auf, daß dieser Ansatz weniger problemorientiertist. Während Pedersen konkret den Durchbruch aus der Isolation als oberstes Zielangibt, liegt hier der Akzent mehr auf den unterstützenden und entfaltenden Aspektender Musiktherapie.

3.1.9 Eine Untersuchung über verschiedene Arbeitsweisen

Zum Abschluß will ich noch über eine aktuelle Untersuchung berichten, die in dertijd schrift voor creatieve therapie (2000) veröffentlicht wurde und sich übergreifendauch mit diesem Thema befasst. Es wurde in Holland eine Umfrage unter erfahrenenMusiktherapeuten durchgeführt mit dem Ziel herauszufinden, wie sie mit bestimmtenZielgruppen arbeiten. Dabei wurde deutlich, das bei den meisten MusiktherapeutenGemeinsamkeiten in bezug auf ihre Arbeitsweise mit schizophrenen Patientenauftauchten. Es wird ausschließlich aktiv gearbeitet, mit einem relativ hohen Grad anStruktur und mit einem deutlichen Fokus auf die Musik. Die Wirkungsfaktoren sehensie hauptsächlich in der therapeutischen Beziehung zwischen Therapeut und Patient,wobei das Medium Musik besondere Möglichkeiten bietet.Hier findet sich also wieder, was in vielen oben beschriebenen Arbeitsweisen alswichtig erachtet wurde, unabhängig von der Zielsetzung und dem Krankheits-verständnis: Die Beziehung zwischen Therapeut und Patient.Für die Diskussion, welches Konzept nun für diese Forschungsarbeit von Relevanz ist,verweise ich auf das Kapitel über meine eigene Arbeitsweise.

3.2 Forschungen zum Thema Musiktherapie und SchizophrenieNachdem ich nun verschiedene theoretische Modelle dargestellt habe, geht es nundarum, bereits durchgeführte Untersuchungen zu betrachten und miteinander zuvergleichen. Diese Übersicht erhebt keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit,sondern es geht vielmehr darum, die für mein Konzept relevanten Studienherauszustellen. Ich erhoffe mir dabei, einen Überblick über die jetzigeForschungssituation bei der musiktherapeutischen Behandlung von schizophrenenPatienten zu bekommen und dann Schlußfolgerungen für meine eigene Untersuchungziehen zu können. So kann ich vielleicht von signifikanten Ergebnissen profitieren undaus Erfahrungen lernen, die andere bereits gemacht haben.Der Übersichtlichkeit wegen habe ich die Untersuchungen anhand folgender Stichwortegegliedert:� Art der Untersuchung und Fragestellung:� Ziele der Musiktherapie:� Methodik der Musiktherapie:� Meßinstrumente:� Datenerhebung:� Ergebnisse der Untersuchung:

3.2.1 Pfeiffer et al.(1987) Freie Musikimprovisation mit schizophrenen Patienten-Kontrollierte Studie zur Untersuchung der therapeutischen Wirkung

� Art der Untersuchung:Qualitative Studie mit parallelisierter Therapie- und Wartegruppe (je 7 Pat.) langerMeßzeitraum (27 Std in 6 Monaten) Follow-Up nach 6 Monaten.

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� Ziele:Angehen der Kontaktarmut, Besserung der Selbstbefindlichkeit, angstfreies Erleben vonGefühlen, Ich-Stärkung durch schöpferisches Arbeiten, Besserung der Selbst- undFremdwahrnehmung.� Methodik:Freie Improvisation. Therapeutische Interventionen beschränkten sich auf Erhaltungder Rahmenbedingungen (Anwesenheit, Krisenintervention) und Stundenaufbau.Keine direkten Vorgaben und keine Deutungen.� Meßinstrumente:Lorr-Skala zur Messung der psychopathologischen VerfassungFPI (Freiburger Persönlichkeits-Inventar): PersönlichkeitseinschätzungVEV (Veränderungsbogen des Erlebens und Verhaltens): Selbstbewertungsbogen fürPersönlichkeitsmerkmaleKASSL (Kieler Änderungssensitive Symptomliste): Selbstbewertungsbogen fürSymptomeSAS: soziale Aktivitäts-Fragebogen (nach der Entlassung)Freizeitbogen: Checkliste mit Freizeitaktivitäten (nach der Entlassung)� Datenerhebung:Tonbandaufzeichnung, schriftliche Protokolle mit qualitativer Beurteilung:Erlebnisfähigkeit, Aktivität, Kooperation und Psychopathologie.� Ergebnisse:direkte Stimmungsänderungen oder Besserung im Antrieb nach den MT-Sitzungenfeststellbar. Lorr: keine signifikanten Änderungen. FPI: Bewegung in RichtungNormwert, aber statistisch nicht signifikant. VEV: 4 von 7 erlebten signifikanteVerbesserungen.KASSL: vage. SAS: beim Follow-Up VerschlechterungEs gab klinisch durchaus einen Eindruck von Verbesserung, schlug sich aber statistischnicht nieder. Beim Follow-Up zeigten sich wieder rückläufige Tendenzen.

3.2.2 Reker (1991). Musiktherapie im Urteil schizophrener Patienten� Art der Untersuchung:Studie von einer Stichprobe von 30 Patienten. Die Therapie findet in offenen Gruppenmit 5-7 Patienten auf einer Aufnahmestation statt. Die Fragestellung heißt, wie die MTvon den Patienten subjektiv bewertet und eingeschätzt wird.Durch die Annahme, daß sich objektivierbare Ergebnisse kaum für die Musiktherapieerzielen lassen, wurde hier der Schwerpunkt auf die subjektive Bewertung derPatienten gelegt. Durch die Größe der zu untersuchenden Patientengruppe und die Artdes Fragebogens entsteht aber durchaus ein quantitativer Charakter.� Ziele:Erleichterung der Kommunikation durch ein nonverbales Medium. Training von z.B.Aufmerksamkeit, Konzentration, flexibles Reagieren. Training von musikalischenFertigkeiten ist nicht Hauptintention� Methodik:Feste Stundenstruktur. MT-Übungen, die vor z.B. beziehungslosem Nebeneinanderschützen. Durch die Spielregel werden bestimmte Inhalte hervorgehoben, umtherapeutische Prozesse zu bewirken. Dabei werden auch einige spezifische Merkmaleder Musiktherapie aufgezählt:

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Präverbale, überwiegend analoge Kommunikation, musikalische Aktivitäten sindlustbetont und spielerisch, Musik ist flüchtig, alles geschieht im Hier und Jetzt, einfachemusikalische Strukuren eignen sich als Projektionsflächen, was eineSpannungreduktion bewirkt, indem innere Zustände gefahrloser nach Außen gebrachtwerden können.� Meßinstrumente:Fragebogen, der sich aus Erfahrungen früherer Abschlußgespräche entwickelt hat. Daskonkrete Erleben sei wichtiger als eine gewisse Trennschärfe.� Datenerhebung:Siehe Meßinstrument, keine Tonbandaufnahmen, um Ängste zu lindern.Selbstbewertungsbögen wurden nach Ende der Therapie durch Patienten ausgefüllt� Ergebnisse:Wichtig war hier das Sammeln der subjektiven Eindrücke durch die Patienten. DieseErgebnisse sind durchweg positiv.

3.2.3 Pavlicevic et al.(1994). Improvisational Music therapy and the Rehabilitation ofPersons suffering from Chronic Schizophrenia

� Art der Untersuchung:Kann Musiktherapie bei der Rehabilitation von schizophrenen Patienten einesignifikante Rolle spielen? Eine Serie von 10 Einzeltherapiesitzungen mit 21Tagespatienten mit der Diagnose Schizophrenie. 20 Patienten bilden dieKontrollgruppe, die vom Krankheitsbild und -dauer, Alter, Geschlecht, sozialem Statusweitestgehend mit der Therapiegruppe übereinstimmten. Die Kontrollgruppe bekameine MT-Sitzung am Anfang der Serie und eine am Ende, in denen Messungenvorgenommen wurden. Also quantitative Studie mit dem Ziel, objektive Ergebnisse zuerzielen.� Ziele:Aktivierung und Entwicklung des Kontaktverhaltens im musikalischen Dialog.Auslösen von therapeutischen Prozessen: das Herauslocken der kommunikativenKapazitäten der Patienten durch Musiktherapie, unabhängig der musikalischenVorbildung der Patienten. Gemessen werden auch PsychopathologischeVerbesserungen.� Methode:Improvisation, die Musik des Therapeuten spiegelt und unterstützt die Musik desPatienten� Meßinstrumente:SANS (Scale for the Assessement of Negative Symptoms),BPRS (Brief Psychiatric Rating Scale),HDRS (Hamilton Depression Rating Scale),MIR(S) (Music Interaction Rating for Schizophrenia)� Datenerhebung:Audio- und Videoaufnahmen, Erstinterview. Schriftliche Nachbearbeitung derSitzungen.Session 1 u.10: Videoaufnahmen, alle anderen Audio.� Ergebnisse:Patienten mit einem hohen BPRS-Wert zu Beginn der Serien zeigen stärkereVeränderungen als Patienten mit einem niedrigeren BPRS-Wert, also einer

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Verbesserung. Dies könnte bedeuten, daß kränkere Patienten mehr von Musiktherapieprofitieren.Die Musical Interaction Rating for Schizophrenia wurde im Verhältnis zur Dauer einerImprovisation ausgewertet. Die Improvisationen wurden in 10 Zeiteinheiten unterteiltgesondert bewertet, und im folgenden ein Durchschnittswert errechnet.Die Ausgangslage bei der MIR(S) war bei beiden Gruppen ähnlich: Ein Durchschnittvon 4.3 (Therapiegruppe) bzw. 4.1 (Kontrollgruppe). Die Endergebnisse der MIR(S)zeigen, daß sich die Therapiegruppe am Ende der Untersuchung großteils auf Level 6bewegte (Durchschnitt: 5.4), während die Kontrolgruppe eher auf Level 4-5 blieb(Durchschnitt: 4.4).

3.2.4 Messer (1998). Musiktherapie und Schizophrenie. Eine umfassende theoretischeKonzeptionalisierung mit anschließender Studie über denTherapieprozeßverlauf.

� Art der Untersuchung:Evaluationsstudie aus einer Stichprobe von 15 Patienten zur Untersuchung desProzeßverlaufs der Musiktherapie bei schizophrenen Patienten im Rahmen derDoktorarbeit des Autors. Dabei soll die Veränderung psychopathologischer Parameterüber den Zeitraum der Behandlungsphase erfasst werden und der Therapieverlaufoperationalisiert beschrieben werden.� Ziele:Veränderung der Basisstörungen wie Kontrollverlust, Wahrnehmungsstörungen,Denk,- Sprach- und Gedächtnisstörungen und Angst vor Reizüberflutungen.� Methode:Das Setting ist die freie Gruppenimprovisation. Dabei geht es vor allem um dieBewältigung von Symptomen bzw. um Erlernen von Coping-Strategien im Umgang mitSymptomen.Die theoretische Fundierung der hier beschriebenen Musiktherapie basiert auf demBasisstörungsmodell von Huber (1983), das kurz gefasst von den vom Patienten selbsterlebten Symptomen ausgeht und auch vor bzw. nach den psychotischen Phasen vonEinfluß sind. Diese sind für die Schizophrenie uncharakteristisch und mit dennegativen Symptomen (vgl. Kapitel 3) vergleichbar. Eine Auflistung derBasissymptome befindet sich im Anhang.� Meßinstrumente:BPRS (Brief Psychiatric Rating Scale), Stundenbogen (Kombination aus verschiedenSystemen, u.a. KASSL, s.o.),FBF (Frankfurter Beschwerde Fragebogen; Selbstbeurteilungsinstrument)� Datenerhebung:Stundenbogen und Patientenbogen, auszufüllen nach jeder Sitzung, diepsychopathologische und therapieprozeßhafte Elemente gleichzeitig berücksichtigen.Beide Bögen sind identisch, um Selbst- und Fremdbeurteilung vergleichen zu können.Hier werden Diskrepanzen erwartet, da bereits von anderen (z.B. Meschede 1983)beschrieben wurde, daß sich das Selbsterleben der schizophrenen Patienten nichtadäquat nach außen abbildet.BPRS wurde zum Beginn und zum Ende der musiktherapeutischen Behandlungsphaseunternommen.

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Darüber hinaus wurden qualitative Stundenprotokolle angefertigt, unabhängig von derStudie.� Ergebnisse:Insgesamt zeigt sich eine signifikante Besserung der BPRS-Werte. Auch in derSelbstbeurteilung (FBF) gab es in folgenden Bereichen signifikante Besserungen:Kontrolle, einfache Wahrnehmung, komplexe Wahrnehmung, Denken, Motorik,Automatismenverlust, Reizüberflutung und dem Summenscore aller Items.Die Stundenbögen des Therapeuten und der Patienten wurden über den gesamtenVerlauf gegenübergestellt. Dort finden sich starke Schwankungen bei der Bewertungwieder. Dadurch kann man sie kaum den anderen statistischen Ergebnissengegenüberstellen, um Korrelationen aufzeigen zu können. In Einzelfällen traten eherlineare Verläufe auf, bei denen diese Korrelationsuntersuchungen durchgeführt werdenkonnten.Insgesamt aber lassen sich die Verläufe nicht zusammenfassen, da unterschiedlichsteErgebnisse auftauchen. In der genauen Analyse der Stundenprotokolle ließen sich aberAnhaltspunkte finden, die auf sowohl exogene als auch endogene Faktoren schließenlassen. Nur ergeben sich hieraus keine plausiblen Erklärungen.Im Vergleich der Selbst- und Fremdbeurteilungsbögen ergibt sich eine Bestätigung derVermutung, daß sich das Selbsterleben nicht adäquat nach außen abbildet, und zwarüber den ganzen Therapieverlauf gesehen. Es wird jedoch ersichtlich, daß dieSelbstbeurteilungen deutlich günstiger als die Fremdbeurteilungen ausfallen.Erwähnenswert ist hier noch, daß im Hinblick auf die Reizüberflutung ein durchwegpositives Resultat entstand, es scheint sogar, daß sich schizophrene Patienten in derfreien Gruppenimprovisation gut vor dieser Gefahr schützen können.Anhand des Verlaufes lassen sich die psychopathologischen Verbesserungen zum Endeder Musiktherapie, die vom BPRS und FBF gemessen wurden, nicht nachvollziehen.Und auch eine Aussage über die Beteiligung der Musiktherapie an der Veränderung istkaum möglich, da die Musiktherapie als begleitendes Therapieverfahren nur einesunter mehreren ist und keine Kontrollgruppe vorhanden war, die den gleichenMessungen unterzogen wurde.Dies ist jedoch kein musiktherapiespezifisches Problem, sondern betrifft alle Therapien,die zu einem Gesamtkonzept gehören.

3.2.5 Plum et al.(1997) Entwicklung des Kommunikationsverhaltens, desimprovisatorischen Spielausdrucks und der Psychopathologie im Verlauf einerGruppen-Musiktherapie mit schizophrenen PatientInnen.

� Art der Untersuchung:Explorative, praxisbegleitende Studie mit sowohl qualitativen als auch quantitativenElementen. Entwicklung der schizophrenen Patienten unter drei Gesichtpunkten:Psychopathologische Verfassung, improvisatorischer Spielausdruck undKommunikationserleben- und verhalten. Es nahmen insgesamt 13 Patienten an derUntersuchung teil. Die Therapiegruppe bot Platz für 4-6 Personen mit einerdurchschnittlichen Behandlungsdauer von 2 Monaten. Aufgrund der Art der Studie ließsich keine Kontrollgruppe organisieren.� Ziele:

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Selbst- und Fremdwahrnehmung, Aktivierung, kreative Gestaltung,Kontaktfähigkeiten, Kommunikations-, Beziehungs- und Gemeinschaftserfahrungen,Abgrenzungs-, Selbstbehauptungs-, Strukturierungs- und Integrationsprozesse impsychisch-emotionalen Handlungs- und Erlebensbereich Methode:Freie Improvisation und strukturierende Improvisationsangebote als außersprachlichesAusdrucks- und Kommunikationsmittel. Meßinstrumente:PANSS( Positive and negative Syndrome Scale),EPS (Extrapyramidale Symptomskala),MAKS (Musiktherapeutische Ausdrucks- und Kommunikationsskala) Datenerhebung:Erstinterview, Verlaufsprotokolle, Audioaufnahmen mit Solos der Patienten.Zu drei Zeitpunkten wurden Messungen durchgeführt (Anfang, Mitte und Ende desBehandlungszeitraums) mit PANNS, EPS und Audioaufnahmen, die durch 3unabhängige Rater mit dem MAKS beurteilt wurden. Ergebnisse:Die Ergebnisse der EPS zeigten keine Veränderungen, welche die Spielfähigkeit derPatienten hätten beeinflussen können. Die PANNS-Ergebnisse zeigten einen leichtenRückgang der Werte. In bezug auf den musikalischen Ausdruck, gemessen mit Hilfeder MAKS, ergaben sich im Durchschnitt zwar nur geringe Veränderungen. Aber wennman die Patienten individuell betrachtet, waren schon deutliche Entwicklungen zuerkennen, die ein differenzierteres und bewegungsreiches Bild trotz der geringenpsychopathologischen Veränderungen bieten.Das Kontaktverhalten der Patienten wurde anhand der Stundenprotokolle, die derTherapeut aufgrund seiner eigenen Wahrnehmung verfasste, bestimmt. Daraus ließsich eine 5-stufige Kontaktskala ableiten, die eine eindeutige positive Entwicklungzeigten, wenn man die Patienten individuell betrachtet. Auch die Mittelwerte lasseneine Entwicklung in Richtung Eigeninitiative und Gruppenkontaktfähigkeit erkennen.

3.2.6 Diskussion

Der Schwerpunkt soll hier auf der Methodik der Untersuchung liegen und dabei diemusiktherapeutischen Methoden vernachlässigt werden, da diese bereits im 1. Kapitelangesprochen wurde.Es wurden bei vier Untersuchungen Audioaufnahmen zur Auswertung hinzugezogen,jedoch nur bei einer mit Videoaufnahmen gearbeitet. Das so wenig mit Bildmaterialgearbeitet wird, läßt sich auf Grund der Probleme mit Datenschutz erklären. Auch kannman sich vorstellen, daß das gefilmt werden mit einer Kamera bei den Patienten durchden starken Eingriff in die Privatsphäre Angst auslösen kann und es deswegen dieBereitschaft einer Teilnahme an einer solchen Studie mangelt. Das Verwenden vonTonmaterial als objektives Mittel zur Datenerhebung scheint durch die hohe Häufigkeitunumstritten. Lediglich in einem Fall wurde bewußt darauf verzichtet, um eventuelleÄngste zu lindern (Reker, 1991).Des weiteren wurde sehr viel mit Stundenprotokollen gearbeitet, insgesamt bei fünfUntersuchungen, wobei hier meist Beobachtungen des Therapeuten, also qualitativeBeschreibungen, festgehalten wurden. In einem Fall war die Protokollierung am Ende

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jeder Stunde die Hauptmethode, und zwar wurden hier Bögen mit vorgefertigten Itemsverwendet, die sowohl von Patienten als auch von Therapeuten ausgefüllt wurden, umSelbst- und Fremdbeurteilungen gegenüberstellen zu können.Jedoch scheint die gleichzeitige Verwendung von Tonmaterial und Stundenprotokollendie größte Verbreitung zu finden. Bei dieser Arbeitsweise lassen sich eher subjektiveBeobachtungen oder Gefühle anhand der festgehaltenen Aufnahmen erklären undkönnen somit nachvollziehbarer gemacht werden.

3.2.7 Untergliederung der Skalen

Zur Auswertung der Daten wurden eine große Menge von Meßsysteme und Skalenverwendet. Man kann diese jedoch in verschiedene Gruppen unterteilen. Hierbei fälltauf, daß sich nur 3 Systeme wirklich auf das musikalische Geschehen beziehen,während die anderen eher psychopathologische Zustände, persönliches Erleben odersoziale Aspekte zu erfassen versuchen.Die musikspezifischen Skalen sind die Music Interaction Rating for Schizophrenia(MIR(S), Pavlicevic,1994), der Selbstbewertungsbogen von Reker(1991) und diemusiktherapeutische Ausdrucks- und Kommunikations-Stufenskala (MAKS, vonMoreau, 1996).Eine andere mögliche Unterteilung wäre die Unterscheidung zwischen Selbst- undFremdbeurteilungssystemen.Zur Fremdbeurteilung dienen die Lorr-Skala, SANS, BPRS, HDRS, PANSS, EPS, MIR(S)und MAKS, und zur Selbstbeurteilung wurden FPI, VEV, KASSL, SAS, FBF und derReker-Bogen herangezogen.Ein genauer Vergleich über diese Meßsysteme wäre an dieser Stelle zu umfangreich,allerdings werden im folgenden Kapitel einige davon detailierter betrachtet, die für dieUntersuchung in dieser Arbeit in Frage kommen.

3.2.8 Relevante Probleme, Erfahrungen und Ergebnisse

Es scheint mir bemerkenswert, daß in fast allen Untersuchungen kausaleZusammenhänge zwischen psychopathologischer Verbesserung und musik-therapeutischen Prozeßverläufen nicht plausibel zu erklären waren.Die Ursache dafür wird zum Teil darin gesehen, daß die Untersuchungen meist imStationsalltag eingebettet waren, und die Patienten neben Musiktherapie noch eineVielzahl anderer Therapien inklusive neuroleptischer Behandlung unterzogen wurden.Wenn dann Entwicklungen, die direkt mit der Musiktherapie zu tun hatten, beobachtetwurden, ergaben sich durchaus ansehnliche Ergebnisse, nur ist hier die statistischeSignifikanz nicht immer gegeben. Diese scheint bei Pavlicevic (1994) zwar gegeben,aber auch hier fehlen Beschreibungen aus dem Prozeßverlauf, die solche signifikantenVeränderungen rechtfertigen.Eine Möglichkeit, um diese Probleme zu umgehen, könnte eine Kombination ausqualitativen Beschreibungen und operationalisierten Verfahren sein, die sich beidedirekt auf den musiktherapeutischen Prozeßverlauf beziehen, um statistischsignifikante Ergebnisse direkt mit den subjektiven Beobachtungen koppeln zu können.

Ein weiteres Problem wird von Messer (1998) erwähnt: das Phänomen, das sich dasinnere Erleben der schizophrenen Patienten offenbar nicht adäquat nach außen

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abbildet. So tauchen Schwierigkeiten bei quantitativen Meßinstrumenten auf, die dasErleben der Patienten in der Musiktherapie durch außenstehende Beobachter zubestimmen versuchen. Hier scheint es demnach ratsam, auf die Selbstbewertung derPatienten nicht zu verzichten, um auch auf dieser Ebene Aussagen treffen zu können.Ein weiteres Argument, was für die Selbstbewertung spricht, ist die gewonneneAutonomie des Patienten. Er wird um seine Meinung gefragt und hat dadurch auch dieMöglichkeit auf Mitsprache, was eine Stärkung des Selbstbewußtseins bewirken kann,weil er ernst genommen wird.

3.3 Meßmethoden zur Einstufung musiktherapeutischer ImprovisationenAus der Diskussion über die durchgeführten Untersuchungen ist deutlich geworden,daß eine fast unüberschaubare Menge von Meßinstrumenten verwendet wurden, dieverschiedenste Aspekte bei der Behandlung von Schizophrenie mit Musiktherapieuntersucht haben.Da bei dieser Untersuchung gerade die Wirkungsweise der Musiktherapie untersuchtwerden soll, ist es sicherlich unnötig, daß hier an dieser Stelle alle möglichenMeßinstrumente besprochen werden. Ich will mich auf diejenigen konzentrieren, dieeine Aussage über das Geschehen in der Musiktherapie ermöglichen. Dies geht nur,wenn das jeweilige Meßinstrument die Besonderheiten der Musiktherapieberücksichtigt, also deren Methodik und Zielsetzungen, und wenn es auf dieZielgruppe anwendbar ist.Hier drängt sich die Frage auf, welche Meßinstrumente dann noch geeignet sind, ummeiner Fragestellung näher zu kommen?Aus den diskutierten Artikeln bleiben folgende Systeme übrig: MIR(S) – Music Interaction Rating for Schizophrenia (entwickelt und verwendet von

Pavlicevic, 1994) MAKS – Musiktherapeutische Ausdrucks und Kommunikationsskala (entwickeltvon Moreau, 1996; verwendet von Plum, 1997) Selbstbeurteilungs-Bogen (entwickelt und verwendet von Reker, 1991)

Darüberhinaus stehen noch einige andere Systeme zur Verfügung, die speziell für dieMusiktherapie entwickelt wurden, wo mir aber noch keine Untersuchungen mitschizophrenen Patienten bekannt sind. Diese wären: EBQ – Einschätzung der Beziehungsqualität (entwickelt von Schumacher (1998) zur

Beobachtung von autistischen Kindern, wurde aber auch bei psychiatrischenPatienten verwednet) Beschreibung und Rekonstruktion – ein qalitatives Verfahren zur Untersuchung vonmusiktherapeutischen Improvisationen, wurde von der MorphologischenForschungsgruppe entwickelt (Tüpker, Weymann u.a., 1988) eine qualitative Untersuchungsmethode nach Smeijsters (2000) IAPs – Improvisation Assessment Profiles (entwickelt von Bruscia (1982) zurAnalyse der Improvisation von verschiedenen Klientengruppen)

Die einzelnen Meßinstrumente werden hier nun genauer vorgestellt und diskutiert. Dieeigentlichen Systeme sind im Anhang noch einmal überschaubar aufgelistet.

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3.3.1 Der Selbstbeurteilungsbogen nach Reker

Als einzige Skala zur Selbstbeurteilung hat das von Reker (1991) entwickelte Systemeine Sonderstellung. Sie untersucht das konkrete Erleben der Patienten und derensubjektive Einschätzung und Bewertung der Musiktherapie anhand von 25 Items mit je3 Wahlmöglichkeiten. Der Bogen basiert auf Erfahrungen früherer Abschluß-gesprächemit schizophrenen Patienten und wurde nicht auf Validität und Reliabilität geprüft.Aufgrund des eher qualitativen Charakters wurden hier die Trennschärfe oder dieEindeutigkeit der Items vernachlässigt. Allerdings sind die Ergebnisse der damitdurchgeführten Untersuchung recht eindeutig, wie sich bei der Diskussion derUntersuchung herausstellte.Alle anderen Systeme sind Fremdbewertungsskalen.

3.3.2 Die Musikalische Interaktions-Skala für Schizophrene (MIR(S)) und die Skala zurEinschätzung der Beziehungsqualität (EBQ)

Eine gewisse Ähnlichkeit weisen die MIR(S) und die EBQ auf, da sie beide dieInteraktion zwischen Therapeut und Patient untersuchen. Die MIR(S) bezieht sich dabeiauf die Kontaktfähigkeit des schizophrenen Patienten und gliedert dabei verschiedenemusikalische und nicht-musikalische Reaktionsmöglichkeiten in neun Levels. Esbeginnt bei Level 1 (kein musikalischer Kontakt) und endet bei Level 9 (musikalischerPartnerschaft).Bei der EBQ geht es um die Beziehungsqualität und beschreibt sieben Modi. Sie beginntebenfalls bei Kontaktlosigkeit (Modus 0) und endet dann beiBegegnung/Interaffektivität (Modus 6). Hier hat die affektive Qualität der Beziehungeine hohe Bedeutung, was auch den wichtigsten Unterschied zur MIR(S) ausmacht,denn da wird allein das quantitative Niveau des Kontakts untersucht. Allerdings wurdedie EBQ für die Therapie von Autisten entwickelt. Auch wenn schizophrene Patientenautistische Symptome zeigen, müßte untersucht werden, ob diese Skala eine Relevanzin bezug auf diese Zielgruppe hat. Schumacher selbst ist der Ansicht, daß sich dieseSkala problemlos übertragen läßt.Bei beiden wurden Videoaufnahmen verwendet, um die Patienten einzustufen.Dadurch wird nicht nur das musikalische Verhalten relevant, sondern auchKörpersprache und Mimik mit einbezogen.Aufgrund dessen, daß sich diese beiden Systeme auf die Interaktion zwischenTherapeut und Patient konzentrieren, sind diese Verfahren in der Anwendung gutüberschaubar und recht schnell durchgeführt und ausgewertet.

3.3.3 Die Musiktherapeutische Ausdrucks- und Kommunikationsskala (MAKS)

Das MAKS ist schon wesentlich komplexer. Es umfaßt je eine Skala zum Ausdrucks-und zum Kommunikationsverhalten von Patienten (siehe Anhang).Die Ausdrucksskala enthält 15 Items, die in 4 Untergruppen eingeteilt sind: Umgangmit dem Instrument, Formgebung/Gestaltung, Vitalität/Ausdrucksdynamik undAusdrucksqualität.Die Kommunikationsskala besteht aus 13 Items und 3 Untergruppen: allgemeinesAngagement, Bezug zum Gegenüber, Ausdrucksqualität.Bis auf einzelne Ausnahmen haben alle Items 7 Stufen, die durch Adjektive genauerbeschrieben werden. Die 7 Stufen sind bipolar, entsprechen also einer Einteilung von –3bis +3 eines Items, wobei der Wert 0 immer eine ausgewogene Situation wiedergibt.

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Diese Skalen haben zunächst eine diagnostische Funktion. Ob und wie welche Wertetherapeutisch anzustreben sind, ist hier nicht direkt ersichtlich und hängt vonindividuellen Zielsetzungen ab. Hier besteht ein deutlicher Unterschied zu den beidenInteraktionsskalen MIR(S) und EBQ, wo ein hoher Wert eine positive Entwicklungdarstellt.Dieses Meßinstrument wurde von Moreau in Verbindung mit einer Diplomarbeit imFach Psychologie entwickelt, wurde aber noch nicht veröffentlicht. Die einzelnen Itemsentstanden aus einer Befragung von erfahrenen Musiktherapeuten zu musikalischenund außermusikalischen Kriterien, die für die musiktherapeutische Arbeit relevantsind. Die Skalen wurden in bezug auf Reliabilität, Validität und Objektivität anhandeiner umfassenden Untersuchung evaluiert, wozu Video-aufnahmen zurDatenerhebung verwendet wurden. Die Ergebnisse wurden als gut bewertet, wobei vorallem die Validität in bezug auf Differenzierungsfähigkeit, Unabhängigkeit der Itemsund Faktorenstruktur positiv herausstach.Es ist mir nur eine Untersuchung bekannt, wobei dieses Meßinstrument mitschizophrenen Patienten angewendet wurde (Plum, 1997). Allerdings wurde hier nurdie Ausdrucksskala benutzt, um Patientensolos einzuschätzen. In bezug auf Kontaktund Kommunikation wurde hier den Beobachtungen des Therapeuten der Vorranggegeben.Die Vorzüge dieses Systems sind sicherlich die getestete Zuverlässigkeit und dieangestrebte Vollständigkeit in bezug auf die in der Musiktherapie vorkommendenElemente (wie Form- Ausdrucks- und Verhaltensaspekte). In bezug auf die praktischeAnwendung bei einer Gruppensituation können hier noch keine Aussagen gemachtwerden, da sie nur mit Solo- und Duospielen evaluiert wurde. Außerdem fehlen hierbestimmte qualitative Aspekte wie z.B. Art und Inhalt von Emotionen, die dann parallelin qualitativen Verfahren getestet werden müßten.

3.3.4 Beschreibung und Rekonstruktion

Als Beispiel für ein qualitativer Forschungsansatz will ich hier das Verfahren derBeschreibung und Rekonstruktion erwähnen, um musiktherapeutische Improvisationenwissenschaftlich aufzuarbeiten. Die Methode dient als spezifisch musiktherapeutischeDiagnose, in dem durch eine unabhängige Gruppe phänomenologisch eineBeschreibung zu einer Improvisation erstellt wird. Im Anschluß daran wird in dreiweiteren Schritten hergeleitet, wie sich seelisches Leben in einer musikalischen Gestaltoffenbart und Erleben und Verhalten organisiert. Das Ziel ist hierbei, seelischeKonstruktionsprobleme in den musikalischen Äußerungen und Produktionen zuverstehen. Die genaue Herleitung kann hier nicht näher erläutert werden, darum listeich hier nur die vier Schritte auf und verweise auf die weiterführende Literatur (Tüpker1988).� Ganzheit – die Beschreibung der Improvisation in Bildern, Szenen, Geschichten etc.

und Erstellung einer Hypothese: das Leiden-Können als Lebensmethode desPatienten� Binnenregulierung – Überprüfung der Hypothese am musikalischen Material� Transformation – Überprüfung der Hypothese durch außer-musikalische Fakten,Daten, Verhaltensweisen usw.� Rekonstruktion des Falles vor dem Hintergrund der ersten drei Schritte,Theoriebezug, Behandlungsplanung.

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In bezug auf die mögliche Anwendbarkeit läßt sich feststellen, daß diese Methode inder Auswertung sehr aufwendig und kompliziert ist. Auch die Verwendung aufGruppentherapie-Situationen scheint aufgrund der phänomenologischen undsubjektiven Datenerhebung und der komplexen Auswertung eher problematisch.

3.3.5 Qualitative Forschung zur Untersuchung von Analogien

Ein weiterer qualitativer Ansatz beschreibt Smeijsters und dient der Untersuchung vonAnalogien in der Kreativen Therapie nach dem in Kapitel 3.1 vorgestelltem Konzept.Dazu werden insgesamt 9 Schritte durchgeführt, um solche Verbindungen herzuleiten(siehe Anhang).Auch hier wird mit Hilfe einer Beobachtergruppe eine phänomenologischeBeschreibung durchgeführt, wobei es vor allem um subjektive Eindrücke geht. Dannwerden in vier weiteren Schritten die Beobachtungen durch die Beobachtergruppekategorisiert und letztendlich psychologische Motive herauskristallisiert (Schritt 5).In 2 Schritten wird dann das musikalische Geschehen analysiert und festgelegt, was fürProzesse sich im Medium abspielen. Hier verweist Smeijsters auch auf die Möglichkeiteiner Analyse mit anderen Methoden.In Schritt 8 kommt es zum Vergleich der Ergebnisse aus den beiden Prozeßanalysen ausSchritt 5 und 7. Nach dem Analogen-Prozessmodell besteht in der Kreativen Therapieeine Analogie zwischen psychologischen und Mediumsprozessen. Dies Hypothese wirdhier überprüft und durch die Analyse von mehreren Sitzungen kann eine Aussagedarüber gemacht werden, ob psychologische Veränderungen auftreten und wie sie sichin den Mediumsprozessen darstellen. Dies findet in Schritt 9 statt, welcher dieUntersuchung abrundet. Des weiteren sollen in diesem Schritt die Erkenntnisse mit derklinischen Diagnose verglichen und die gesamte Untersuchung evaluiert werden.Der Grundgedanke ist hierbei, daß alle Schritte durch die Beobachtergruppe vollzogenwerden, wodurch sie gleichzeitig die Funktion einer Forschungsgruppe bekommt.Vom Konzept her sind hier einige Gemeinsamkeiten mit der Bearbeitung undRekonstruktion zu erkennen. Dort sind die ersten 5 Schritte von Smeijsters im erstenSchritt der Ganzheit zusammengefasst. Noch stärker auffallend ist aber, daß beide dieVerbindung zwischen den psychologischen Prozessen (bzw. dem Seelischen) und denmusikalischen Prozessen (bzw. musikalische Gestalten) untersuchen.Die Anwendung der Smeijsters-Methode scheint ebenso komplex zu sein wie dieBearbeitung und Rekonstruktion. Wenn man eine Beobachter- und Forschergruppe zurVerfügung hat, wird die Arbeit um einiges erleichtert, allerdings ist dies oft nichtgegeben.

3.3.6 Improvisations-Erfassungs-Profile (IAPs)

Als letztes Meßinstrument stelle ich hier die IAPs vor, die von Bruscia in seinem Buchimprovisational models of music therapy vorgestellt wurden (siehe Anhang).Dies ist eine sehr umfassende quantitative Methode zur Analyse von Improvisationen.Sie enthält eine Matrix von 6 Profilen und 8 Skalen. Alle 6 Profile enthalten 5 bipolareStufen und sollen jeweils einen Teil der musikalischen Prozesse veranschaulichen, diemusiktherapeutische Improvisationen kennzeichnen. Die Skalen geben dieverschiedenen musikalischen Elemente wieder (z.B. Rhythmus, Tonalität undDynamik).

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Hierbei war dem Autor bewußt, das dies ein großes Gebilde darstellt. Er betontdeshalb, daß hieraus verschiedene Profile und Skalen nach spezifischen Bedürfnissenausgewählt werden können. Auch kommen nie alle Profile und Skalen gleichzeitig ineiner Improvisation vor. Daher ist es sinnvoll, eine Auswahl zu treffen, die aber wohlüberlegt sein muß.Das Ziel dieser Analyse ist letzten Endes das Aufdecken von Beziehungen, die derSpieler eingeht. Diese Beziehungen können folgende Schwerpunkte haben:1. Intramusikalische Beziehungen: Wie verhalten sich die Elemente der Musik eines

Klienten untereinander.2. Intramenschliche Beziehungen: Wie verhalten sich diese Elemente in bezug auf

nicht-musikalische Aspekte des Klienten.3. Intermusikalische Beziehungen: Wie verhalten sich die musikalischen Elemente der

verschiedenen Spieler untereinander.4. Intermenschliche Beziehungen: Wie verhalten sich die intermusikalischen

Beziehungen mit dem Rollenverhalten der Spieler untereinander.Dabei soll keine klinische Diagnose gestellt oder gefestigt werden, sondern derTherapeut soll dadurch bestimmte Vorlieben und Neigungen des Klientenherausfinden und auch Einsicht in dessen mögliche Probleme bekommen, umBehandlungsziele besser formulieren zu können.Ob und inwiefern aus diesem Observationsinstrument auch Verlaufsanalysen zurEinschätzung der Effektivität einer Musiktherapie gemacht werden können, wird inden Beschreibungen nicht ersichtlich. Wohl fällt aber auf, daß ausschließlichmusikalische Prozesse, Parameter und Elemente durch die IAPs erfasst werden. Essollen zwar aus den Ergebnissen der Analyse mit den IAPs Aussagen über Beziehungenund psychologische Prozesse gemacht werden, diese scheinen aber nichtwissenschaftlich operationalisiert zu sein.Hier wäre eine Kombination mit einem qualitativen Verfahren zur Untersuchung vonpsychologischen Prozessen notwendig. Oder diese Methode ließ sich in ein anderesKonzept wie die von Smeijsters beschriebene Methode als Schritt 6 (s.o.) einbetten.

3.3.7 Diskussion der Skalen

Aus den theoretischen Konzepten wurden hier Zielsetzungen ausgewählt, die alsrealistisch für diese Untersuchung angesehen werden. Eine genaue Diskussion dieserZiele geschieht im Zusammenhang der Beschreibung der Arbeitsweise (Kap. 4.2.8):� Aktivierung und Motivation� Stabilisierung und Strukturierung, Stärkung der gesunden Anteile� Entwicklung des Selbsterlebens (Selbst- und Fremdwahrnehmung, emotionales

Erleben, spielerischer Ausdruck)� Kontaktverhalten sowohl zur Musik als auch zu anderen (Therapeut oder Patienten)Welche Skala kann Veränderungen in diesen Bereichen am genauesten erfassen?Die MIR(S) und die EBQ betrachten nur das Interaktionsverhalten, also kommen diesebeiden nicht in Frage. Die IAPs messen an sich sehr genau die musikalischen Elemente,doch wird eine plausible Aussage, inwieweit Veränderungen im Spiel auftherapeutische Entwicklungen hinweisen, nur in Kombination mit einer qualitativenMethode wie der von Smeijsters oder Tüpker möglich.Bei der MAKS werden Aspekte wie Engagement, Formgebung, Ausdruck undKontaktverhalten gemessen. Diese Punkte stehen an sich in direktem Zusammenhang

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zu den oben genannten Zielsetzungen. Allerdings ist auch dieses System sehr komplexund schwierig anzuwenden, wenn man es komplett benutzen wollte. Es wäre abermöglich, die Skala abzuwandeln und unwichtige Items herauszunehmen, um siepraktikabel und effektiv einsetzen zu können. Des weiteren wäre auch hier eineKombination mit qualitativen Methoden angebracht, um bestimmte Gesamtsituationenin der Gruppe herausheben zu können. Ein Nachteil der MAKS ist, das sie diemusikalischen Elemente geringer berücksichtigt. Da kommen sie nur in ehertherapeutisch relevanten Begriffen wie Struktur, Lebendigkeit und Variation zurGeltung. Aber das Argument, daß sie direkt die Zielsetzungen der Musiktherapieerfassen soll, ist der ausschlaggebende Punkt. Darum wird dieser Skala in Kombinationmit dem qualitativen Ansatz von Smeijsters der Vorzug gegeben.Die Methode von Smeijsters wird hinzugezogen, weil sie versucht, Analogien zwischendem musikalischen Geschehen und therapeutischen Prozessen zu erkennen. Damitsollen Zusammenhänge erkannt werden, die mit den therapeutischen Zielen und denErgebnissen der MAKS-Auswertung verglichen werden. Allerdings wird es nichtmöglich sein, alle 9 Schritte genau zu befolgen, da hier die Beobachergruppe nochstärker mit einbezogen werden müßte. Es soll aber versucht werden, dem Konzept inden wichtigsten Punkten gerecht zu werden.Im Hinblick auf Inhalt und praktische Anwendbarkeit habe ich die 7 Stufen der MAKSauf 5 reduziert, was auch von der Autorin in Erwägung gezogen wurde, und für dieseUntersuchung irrelevanten Items herausgenommen, so daß eine Skala von 14 Items mitfolgenden Kategorien entstand:1. allgemeines Engagement (Beteiligung, Motivation und Eigenständigkeit)2. Formgebung und Gestaltung (v.a. Strukturierung)3. Bezug zum Gegenüber/zur Gruppe (Wahrnehmung und Kontaktverhalten)4. Vitalität, Ausdrucksdynamik musikalischer Ausdruck,5. Ausdrucksqualität Emotionalität, Erleben

Aufgrund der erwähnten Schwierigkeiten mit dem genauen Einschätzen desSelbsterlebens von schizophrenen Patienten soll noch der Selbstbewertungsbogen vonReker hinzugezogen werden, um eventuelle Vergleiche ziehen zu können.

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4 Überlegungen zu Bedingungsfeld und Behandlungsmethode

4.1 Die Station P7 der Rheinischen Kliniken Essen

4.1.1 Allgemeine Beschreibung

Die Station P7 ist Teil der Rheinischen Kliniken Essen für Psychiatrie undPsychotherapie. Diese ist unterteilt in zwei Abteilungen, die geographisch ca. 10 kmvoneinander entfernt liegen. Das Haupthaus befindet sich direkt im Stadtkern auf demGelände des Uni-Klinikums mit einem Schwerpunkt auf Akutpsychiatrie, Tagesklinikund Ambulanz, und die Zweigstelle Heidhausen liegt am südlichen Stadtrand imgleichnamigen Vorort. Es ist umgeben von Wald und Feldern und bietet von daher eineandere Atmosphäre als das Haupthaus in der Stadt. Die P7 selbst ist in einem Pavillonuntergebracht und befindet sich demnach im Erdgeschoss. Daneben findet sich eineVeranda und ein Garten, die vom Tagesraum direkt zu erreichen sind.Der Auftrag an die Station liegt in der Behandlung von Patienten mit folgendenDiagnosen: Schizophrenie, Psychosen aus den schizophrenen Formenkreis und auchPersönlichkeitsstörungen.Voraussetzung ist, dass sich die Patienten in einer subakuten Verfassung befinden, weildurch die offene Lage und den geringen Personalschlüssel akute Patienten nur schwerzu führen sind. Solche Patienten werden erst im Haupthaus behandelt und spätereventuell auf die P7 verlegt.Die Behandlung dauert meistens zwischen 8 und 12 Wochen und hat folgendeHauptzielsetzungen: Erreichen einer möglichst hohen Selbständigkeit der Patienten Schrittweise soziale und berufliche WiedereingliederungUm diese langfristigen Ziele zu erreichen, müssen die Patienten zuerst medikamentösgut eingestellt werden. Dazu gehört auch, daß der Patient eine langfristige Einnahmevon Psychopharmaka nicht nur akzeptiert, sondern daß er auch lernt, diese selbständigeinzunehmen. Dies geschieht durch das sogenanntes Medi-Programm, damit diePatienten ihre Medikamente selbst zusammenstellen können (am Ende des Programmsbis auf eine Woche im voraus) und auch selbständig einnehmen. Wichtig in diesemZusammenhang ist auch eine Psychoedukation, um die eigene Krankheit und auch denSinn der langfristigen Medikamenteneinnahme besser verstehen zu können.Daneben ist ein geregelter Tagesablauf als deutliche Struktur von hoher Bedeutung.Auf einem Therapieplan werden die Veranstaltungen angekreuzt, die in einer Wochezu besuchen sind (siehe Anhang). Wenn man innerhalb von zwei Wochen an allenAngeboten teilgenommen hat, erhält man zur Belohnung einen therapiefreien Tag.Einige Veranstaltungen finden jeden Tag statt, andere nur 1-2 mal die Woche. ImAllgemeinen wird für jeden Patienten versucht, ein individuelles Programm je nachIndikation zusammenzustellen.Hierbei ist darauf zu achten, was der Patient als Ausgangsbasis mitbringt, was seineeigenen Vorstellungen und Ziele sind, und was in dem vorgesehenenBehandlungszeitraum realisierbar ist.

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4.1.2 Ein kurzer Abriß des Rehabilitationsmodells

Im Zusammenhang mit der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung ist noch zuerwähnen, daß ein selbständiges Wohnen und ein geregelter Tagesablauf nach derEntlassung von Bedeutung ist, um eine langfristige Stabilisierung zu erreichen. So gibtes z.B. eine Trainingswohnung auf dem Klinikgelände, wo alltägliche Dinge eingeübtwerden können. Und die Vermittlung in eine für den Patienten angemesseneWohnungsform wird von der Station übernommen, wenn hier Handlungsbedarfbesteht.An dieser Stelle möchte ich ein Stufenmodell aufführen, was Ciompi (1981) imZusammenhang mit der Rehabilitation von Schizophrenen Patienten aufgestellt hat:

Wohnachse ArbeitsachseGeschlossene SpitalabteilungOffene SpitalabteilungTages- oder NachtklinikWohn- oder ÜbergangsheimGeschützte WohngemeinschaftHalbgeschütztes WohnmilieuNormales Wohnmilieu

Keine ArbeitBeschäftigungstherapieArbeitstherapieRehabilitations-VorbereitungsateliersReha-Werkstätte, geschützte WerkstätteHalbgeschütztes ArbeitsmilieuNormales Arbeitsmilieu

So kann z.B. ein Patient, der bisher in einem Wohnheim für psychisch Kranke gewohnthat, soweit gebracht werden, daß er in einer betreuten WG unterkommen kann, wennder Patient das will. Andererseits kann es auch helfen, jemanden in einÜbergangswohnheim zu vermitteln, der in einer eigenen Wohnung hoffnungslosüberfordert war und dadurch dekompensiert ist.Ähnlich verhält es sich mit der Arbeitsachse. Was für Ziele verfolgt der Patient? Kanner mit Hilfe der Belastungserprobung und mit dem Besuch einer Werkstatt soweitkommen, daß er sich auf dem offenen Arbeitsmarkt umsehen kann? Oder hat erüberzogene Vorstellungen und kann man ihn vor Enttäuschungen bewahren, indemman ihm hilft, sich selbst besser einzuschätzen und kleinere Ziele anzugehen? Deutlichwird hier, dass viel Geduld und Motivation notwendig ist, um solcheEntwicklungsschritte zu ermöglichen.

Diese Beschreibungen erheben keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit undsollen nur einen Eindruck vermitteln, worum es bei der Rehabilitation vonSchizophrenen geht.Zur wissenschaftlichen Fundierung des Rehabilitationsmodell ist noch zu sagen, daß esmehrere Untersuchungen gibt, die sich mit der Prognose von Schizophrenieauseinandersetzen (Bleuler, 1972; Ciompi und Müller, 1976; Huber et al., 1980). DieErgebnisse dieser Studien hier aufzuführen, würde an dieser Stelle zu weit gehen,jedoch ist deren Grundtenor sicherlich ähnlich. Wenn es durch solche Maßnahmengelingt, die schweren Chronifizierungen der Schizophrenie zu vermeiden, dann läßtsich das allgemeine Bild der schlechten Prognose für schizophrene Patienten nicht mehrhalten. Nämlich zeigte ein ansehnlicher Teil von Klienten mit Schizophrenie nacheiniger Zeit keine oder lediglich marginale Symptome. Ein weiterer Teil zeigteMinussymptomatik wie z.B. Erschöpfbarkeit, Gefühlsverarmung oder erhöhteIrritierbarkeit, die ein relativ selbständiges Funktionieren der Klienten zulassen.

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Faktoren, die einen guten Verlauf begünstigen, kommen weitgehend mit denMaßnahmen des Rehabilitationskonzeptes überein. Allerdings ist er schon sehrschwierig, Verläufe zu prognostizieren. So sagt Ciompi (1981): „DEN Verlauf derSchizophrenie gibt es gar nicht.“

4.1.3 Die Rolle der Musiktherapie und die Indikationsstellung

Organisiert ist sie als Gruppenveranstaltung, die zwei mal die Woche stattfindet. EineEinheit dauert 45 Minuten. Es können maximal 5 Patienten an der Gruppe teilnehmen.Hierbei überlegt das Team gemeinsam, welche Patienten dafür in Frage kommen,anschließend wird die Therapie vom Stationsarzt verordnet. Dann ist auch dieTeilnahme verpflichtend.Für die neuen Patienten führe ich eine Einzelstunde zur Einführung in dieMusiktherapie durch. Deren Zweck ist das gegenseitige Kennenlernen, dasAusprobieren der Instrumente und ein erstes gemeinsames Spiel.Einige Erwartungen, welche die Station an die Musiktherapie hat, sehen so aus:Häufig geschieht die Verweisung von Patienten zur Musiktherapie aus dem Grunde,daß diese sich zurückziehen, von sich aus keinen Kontakt aufsuchen (weder zumPflegepersonal noch zu Mitpatienten) und man auch verbal keinen Zugang zu ihnenfindet. Mit einem Wort: Sie zeigen autistische Symptome. Ich als Musiktherapeuterhalte dann den Behandlungsauftrag, auf musikalischer Ebene, also prä- bzw.nonverbal, einen Zugang zu ihnen zu bekommen und sie zu sozialen Kontakten zustimulieren. Es geht auch um eine Vertrauensbasis, die entstehen soll, um weiter mitden Patienten arbeiten zu können, auch auf verbaler und inhaltlicher Ebene.Weiterhin bekomme ich auch Patienten, die überhaupt Schwierigkeiten in Gruppenhaben, nicht aus sich herauskommen, ängstlich sind und sich leicht verunsichern lassen.Hier geht es vor allem um die Erfahrung, daß eine Gruppe auch Sicherheit, Schutz undGeborgenheit bieten kann. Also hat hier die Musik eine Stabilisierungs- undStrukturierungsfunktion.Hin und wieder kommt es vor, daß Patienten starke Gefühle wie Wut, Aggressionenoder Trauer zeigen, die sie nicht regulieren können. „Dann sollen sie ihre Aggressionenmal in der Musiktherapie an der Pauke herauslassen!“Andere Patienten äußern von sich aus den Wunsch, an der Musiktherapie teilnehmenzu wollen, weil sie Musik toll finden und hoffen, daß bei mir tolle Musik gemacht wirdund daß sie sich dann musikalisch weiterentwickeln können. Sie haben dann meistensüberzogene und unrealistische Vorstellungen davon, was sie selbst können und was inder Musiktherapie gemacht werden kann. Oft kommen dann Ideen wie z.B. eine Bandaufbauen, Stücke schreiben und aufnehmen usw.So eine Haltung der Patienten wird in der Regel sehr gerne von der Station unterstützt,um ihnen auch die Gelegenheit zu geben, ihre Stärken weiterzuentwickeln und sie nichtnur mit ihren Problemen zu konfrontieren.

Dies sind vielschichtige Erwartungen, die an die Musiktherapie und an mich gerichtetwerden. Ob sich diese erfüllen lassen, versucht diese Arbeit aufzuzeigen.Ich gehe nun den nächsten nötigen Schritt und berichte über meine eigeneArbeitsweise.

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4.2 Entwicklung einer eigenen Methodik

4.2.1 Einleitung

Im Unterschied zum ersten Kapitel, dessen Grundlage die bereits existierende Literaturüber Musiktherapie bildet, will ich bei der Beschreibung meiner eigenen Arbeitsweiseim Umgang mit schizophrenen Menschen eher auf meine persönlichen Erfahrungenund Erkenntnisse zurückgreifen, um dem qualitativen Charakter dieser Arbeit gerechtzu werden. Natürlich ist eine wissenschaftliche Fundierung meiner Tätigkeit und auchdas Anstreben einer allgemein gültigen Methodik notwendig, um die Musiktherapie zuetablieren und auch für andere Berufsgruppen zugänglich zu machen.Deswegen ist die Verbindung zwischen Erfahrungswerten und bestehendenErkenntnissen der Forschung und Wissenschaft unabdingbar.Anderseits ist ein rein subjektiver Erfahrungsbericht aus meiner Sicht mitSchwierigkeiten verbunden, da ich mich in meinem Studium schon mit demKrankheitsbild der Schizophrenie und verschieden Behandlungskonzeptenauseinandergesetzt habe, bevor ich selbst praktische Erfahrungen auf diesem Gebietmachen konnte. So kommen dadurch aufgebaute Erwartungen bei der persönlichenBegegnung mit schizophrenen Menschen mit hinzu. Die theoretischen Modelle sindunbestritten eine große Hilfe gewesen im Umgang mit dieser Krankheit, um überhaupteine erste Begegnung im Rahmen meines musiktherapeutischen Praktikums zu wagen.Ich versuche mich aber von theoretischen Kategorisierungen zu befreien, um mich demschizophrenen Menschen vorbehaltloser widmen zu können.

4.2.2 Therapeutische Grundhaltung

Dies ist gleichzeitig der erste Punkt, der einer der Grundsätze meiner Arbeit bildet:Meine Haltung, dem Patienten offen und unvoreingenommen zu begegnen. So ist es fürmich selbstverständlich, die erste Stunde mit einem neuen Patienten zu verbringen,ohne seine genaue Diagnose zu kennen oder seine Krankenakte gelesen zu haben. Wasich im vornherein weiß, ist einzig, daß seine Krankheit irgendetwas mit einer Psychosezu tun hat, denn deswegen kommen die Patienten auf jene Rehabilitationsstation.Weitere Aspekte, die meine Haltung gegenüber dem Patienten und auch mich selbst alsPerson kennzeichnen, sind eine positive Einstellung und das Ernstnehmen eines jedenMenschen, dem ich begegne. So ist es mir wichtig, das der Patient Gelegenheit hat,seine Geschichte selbst zu erzählen und auch seine Wünsche, Vorstellungen und auchBedenken gegenüber der Musiktherapie zu äußern. Und ich respektiere die Grenzendes anderen, wenn derjenige misstrauisch ist und nichts von sich Preis geben will.Natürlich probiere ich auch, meine Angebote zu offerieren, um den Patienten dasgemeinsame musizieren auch ohne Vorkenntnisse schmackhaft zu machen, aber immermit dem Grundsatz, dass der Patient die Wahl hat, sofern ich das Gefühl habe, er kannsich entscheiden und ist damit nicht überfordert.Eine theoretische Basis dieser Haltung bietet Rogers (1973) mit der klientenzentriertenPsychotherapie in den Begriffen Empathie, Echtheit und Akzeptanz. Diese Aspektetauchen auch bei den relevanten Arbeitsweisen auf, die in Kapitel 3.1 Erwähnungfanden.

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4.2.3 Ressourcen-orientierte Arbeitsweise

Ein wichtiger Grundsatz ist also das Annehmen des Patienten als Menschen in seinerGanzheit und der Fokus auf seine Fähigkeiten (seine Ressourcen) und nicht aufKrankheit, seine Defizite oder Probleme. So ist auch der Schwerpunkt in denNachgesprächen immer aus dieser positiven Grundhaltung heraus zu sehen. Ichversuche mit den Patienten heraus zu arbeiten, was an dem Spiel gut war, was geklappthat oder was der einzelne zum Spiel beigetragen hat. Man kann natürlich auch malsagen, was gefehlt hat oder was gestört hat. Dies wird aber nicht tiefergehend diskutiert(z.B. warum haben Sie soundso gespielt?), sondern als Möglichkeit für ein neues Spielgenutzt.Manchmal bekomme ich es auch von Patienten direkt mitgeteilt, was hinter diesemAnsatz steckt: „Hier habe ich seit langem mal wieder das Gefühl, das ich ein Menschbin und nicht immer nur ein Problem.“

4.2.4 Techniken und Interventionen

Mit der Musiktherapie will ich einen Raum anbieten, der es dem Patienten ermöglicht,sich auszubreiten und zu entfalten. Dies ist meines Erachtens eine wichtigeVoraussetzung für Entwicklungen jeder Art. Dabei ist das Wort Raum vielschichtig zuinterpretieren. Es könnte hier leicht der Eindruck entstehen, daß dieser sich unendlichin alle Richtungen ausdehnt, um soviel Freiheit wie möglich zu gewähren. So einfach istes aber nicht. Es gilt immer abzuwägen, womit dem Patienten wirklich geholfen ist. Dereine Patient braucht vielleicht starke Begrenzungen und Anleitung, um sich orientierenzu können und nicht in Beziehungslosigkeit zur Umwelt zu enden. Hier wird esnotwendig, eine Situation zu schaffen, die deutliche Grenzen hat und in diesemRahmen soviel Bewegungsfreiheit zuläßt, das eine Entfaltungsmöglichkeit gegeben ist,ohne das die Sicherheit des schützenden Raumes aufgegeben wird.Hierzu will ich ein Beispiel nennen, wie dies praktisch in der Musiktherapie aussehenkönnte:

Frau K., eine 34-jährige Patientin mit einer Psychose, starken Ängsten und abhängigem, sehr unsicheremVerhalten kam zum erstenmal in die Musiktherapie. Nach einem ersten Gespräch fing ich an, ihrnacheinander ein paar Instrumente zu zeigen, aber auf allen wußte sie nicht, was sie machen sollte. Sieschien wie blockiert und ängstlich, irgendetwas falsch zu machen.Sie äußerte selbst, daß sie schnellstmöglich gesund werden müsse, und diesen Druck spürte ich auch, alssie an den Instrumenten stand.So probierte ich es mit der Ocean-Drum, ein schmales Fellinstrument mit großem Durchmesser, dashunderte von kleinen Metallkügelchen enthält und auf einer Seite mit durchsichtigem Plastik überzogenist, so daß man die Kugeln beobachten kann, während man sie über das Fell rollen läßt. Der Klangerinnert wirklich an Wellenrauschen und Brandung. Der Vorteil dieses Instruments ist, das es weder einRhythmus- noch ein Melodieinstrument ist und sich somit erstens klanglich deutlich von den anderenInstrumenten abhebt und zweitens für den Patienten keinerlei Fehlerquellen beinhaltet. Es klingt immerstimmig in dem, was es ausdrückt.Sie nahm es selbst in die Hand und ließ die Kugeln laufen. Dabei schaute sie ihnen ganz gebannt zu. Ichuntermalte ihr Spiel auf dem Klavier mit einer sich immer wiederholenden Akkordfolge in Dur in einemruhigen, gleichbleibenden Rhythmus. Die einzige Veränderung, die ich in mein Spiel einfließen ließ,waren Variationen in der Tonhöhe und in der Dynamik und Intensität. Zum einen waren dies Reaktionenauf Veränderungen im Spiel von Frau K., aber auch eigene Initiativen, um das Spiel vor Stagnation undLangeweile zu bewahren.Der ruhige, stetige Rhythmus bot für sie den fest umrissenen Raum, in dem sie sich offensichtlichentspannt hat und für sich einfach ausprobieren konnte. Meine Reaktionen auf ihr Spiel sollten ihrzeigen, daß sie nicht alleine ist und ihr jemand zuhört.

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Ich hätte nach dem Spiel nicht sagen können, wie lange wir so gespielt haben, aber es war länger als 15Minuten. Nach dem Spiel sagte sie, daß sie sich entspannt fühlte und während dem Spiel an Zeitendachte, in denen sie gesund war. Sie beschrieb außerdem, daß sie sich sonst immer nur als krank erlebt,ohne daß noch Platz für etwas Gesundes in ihr übrig bliebe. So habe sie erfahren, daß sie doch nochetwas gesundes in sich trage.

Hier hatte die Intervention das Ziel, die Patientin vor Frustration zu schützen, indemich ihr einen Raum zur Verfügung stelle, der sie nicht überfordert.Eine umfassende Übersicht von Interventionstechniken wurde von Bruscia (1987)zusammengestellt. Im Laufe meiner Beschreibungen tauchen immer wieder einige vonihnen auf. Die Basis für diese Techniken bildet folgendes Konzept:

4.2.5 Die freie Improvisation

Im Unterschied zu gewöhnlichen Musikstücken oder zu anderen musiktherapeutischenSpielformen ist die freie Improvisation eine Methode, bei der vorher weder Notenvorgelegt noch sonstwelche Absprachen getroffen werden, wie das Spiel ablaufen soll.Die Anfangssituation wird dadurch vollkommen offen gelassen und in keine bestimmteRichtung gelenkt. Dies hat mehrere Vorteile. Zum einen haben die Patienten dadurchdie Möglichkeit, einfach das zu spielen, wozu sie gerade Lust haben und zum anderenläuft der Zugang zum Spielen nicht erst über einen sprachlichen Weg, derverstandesgemäß aufgefaßt und wieder in Handlung umgesetzt werden muß. Damitumgehe ich ein Defizit, was bei vielen schizophrenen Patienten auftritt: Schwierigkeitenbei der Verarbeitung von Informationen und sprachlichen Inhalten.Aufgrund dieser Defizite können manche Patienten z.B. Spielregeln einfach nichtumsetzen, was oft zur Folge hat, daß Verwirrung auftritt. Meistens werden dann diePatienten verunsichert, welche die Spielregeln wohl verfolgen und sich wundern, daßdas Spiel irgendwo hakt. Desweiteren besteht die Gefahr, daß aus der VerwirrungFrustrationen und Widerstände entstehen, wenn man zu sehr auf der Ausführung derSpielform beharrt.So ist es wichtig, daß Anweisungen klar und deutlich formuliert werden müssen, umIrritationen im voraus zu vermeiden, wenn man Spielformen verwenden will.Zwischendurch lasse ich auch musikalische Spiele mit in die Therapie einfließen, wennes sich aus dem Therapieverlauf anbietet, aber in der Regel ziehe ich die freieImprovisation aus den beschriebenen Gründen vor.Aber was für eine Musik entsteht, wenn man sich vorher auf keine Richtung einigt,entsteht dann nicht das totale Chaos? Und birgt so ein Chaos nicht noch viel mehrPotential zur Verunsicherung der Patienten?Auf die erste Frage könnte ich durchaus mit ja antworten, aber aus meiner Erfahrungheraus können die schizophrenen Patienten recht gut mit so einem Chaos umgehen.Denn meistens entsteht Chaos, wenn jeder nur für sich spielt und auch nur auf seineigenes Spiel achtet. Aber wenn dies alle tun, können durchaus sehr viele verschiedeneKlänge nebeneinander existieren. Nur für denjenigen, der den Gesamtklangwahrnimmt, erklingt auch wirklich Chaos. Aber gerade die Schizophrenen haben ja oftRückzugtendenzen, indem sie sich ihre eigene Welt erschaffen. Ich denke, man kanndas isolierte Musizieren und das Negieren der Musik der anderen durchaus mit dentypischen Verhaltensweisen vergleichen, die Schizophrene im Alltag präsentieren.Dann käme ihnen die Situation der freien Improvisation entgegen, denn darin könnenund dürfen sie sich zurückziehen, um nur noch sich selbst und sein Spiel zu hören. Ich

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glaube, daß die Patienten es als angenehm und auch als sicher empfinden, wenn sie sosein können, wie sie es gewohnt sind. Und wenn sie merken, daß ich als Therapeutneben ihnen bin und sie nicht verändern will und nicht mit Forderungen überfalle,dann entsteht so etwas wie eine Vertrauensbasis. (Die Forschungsergebnissen ausKapitel 3.2 bestätigen übrigens die These, daß die freie Improvisation keineReizüberflutung bei schizophrenen Patienten verursacht.)Diese Basis ist wichtig für alles weitere, was ich tue. Das es nicht in dem Chaos stehenbleiben kann, liegt auf der Hand. Es soll ja nicht im bezugslosen Nebeneinanderstehenbleiben, sondern sich in ein Miteinander verwandeln.Welche Möglichkeiten habe ich also, um dem Chaos zu begegnen?An dieser Stelle bietet mir die Musik in ihrer Beschaffenheit einige Besonderheiten.Hierzu stelle ich ein paar Behauptungen auf:� Gemeinsames Musizieren macht Spaß� Man kann auch ohne Vorkenntnisse tolle Musik machen� In jedem Menschen stecken musikalische QualitätenOb diese Thesen allgemeine Gültigkeit haben, kann ich nicht sagen. Wichtig ist hier nur,daß sie für mich relevant sind. Ich glaube wirklich, daß in jedem Menschen ein kleinerMusiker steckt, den man eigentlich nur zu wecken braucht. Dies ist in der Praxisnatürlich nicht ganz so einfach, wie es hier vielleicht dargestellt wird. Aberentscheidend finde ich hier, daß der Fokus sich vom Menschen auf die Musik verlagert.In der Musik treten Veränderungen auf, die plötzlich etwas Gemeinsames entstehenlassen. Dadurch verschiebt sich auch die Aufmerksamkeit der Mitspieler: Man nimmtnicht mehr nur sich selbst, sondern auch den Gesamtklang wahr. Und hier werdenmeine Behauptungen spürbar: „Das macht ja richtig Spaß“ oder „die Musik hat sichecht gut angehört“ sind dann Bemerkungen, die oft nach dem Spiel von den Patientengeäußert werden.Um so eine Entwicklung in Gang zu bringen, habe ich mehrere Möglichkeiten:Ich könnte zum Beispiel das Spiel eines Patienten aufgreifen und unterstützen, umdann zu schauen, ob und wie derjenige darauf reagiert. Wenn sich dann schon mal zweigefunden haben, kommen dann vielleicht die anderen auch hinzu.Oder ich biete einfach meinerseits eine musikalische Figur an und hoffe, daß der eineoder andere Patient darauf reagiert.Eine weitere Möglichkeit ist auch, einfach mit dem Spiel aufzuhören, was eineVeränderung des Gesamtklanges bewirkt und erstaunliche Wirkungen haben kann.Es läßt sich eigentlich kein allgemein gültiges Rezept formulieren, wie und wannwelche Intervention wirkt. Hier ist es sinnvoller, ein Beispiel aufzuführen, die einzelneSituationen veranschaulichen soll. Dabei kann ich nur die wichtigsten Aktionen derImprovisation wiedergegeben. Aber eine Selektion ist notwendig, um nicht inverwirrenden Details stecken zu bleiben.

In einer Gruppenstunde, an der 4 Patienten teilnahmen, gestaltete sich die Anfangssituationfolgendermaßen: Herr E., der schon länger in der Musiktherapie ist, spielte von Beginn an recht kräftigauf der Pauke. Herr R. und Herr O. spielten leise vor sich hin. Herr S. der neu in der Gruppe war,beschäftigt sich intensiv mit dem Vibraphon, das ihm in der Einführungsstunde am besten gefiel, undschien sich um nichts anderes mehr zu kümmern. Ich selbst saß am Klavier und ging im Rhythmus vonHerrn E. mit. Der schaute oft zu mir herüber und grinste, was er häufig tut. Aber nach einiger Zeit gingmir sein kräftiges Trommeln auf die Nerven. Ich beobachtete die anderen aus der Gruppe, umAnzeichen dafür zu finden, ob es ihnen vielleicht ähnlich ging. Herr R. der immer etwas scheu undängstlich wirkt, schien in der Tat dadurch irritiert zu sein. Aber ich war mir nicht sicher, ob es nicht eher

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mein eigenes Gefühl war, daß mich zu dieser Wahrnehmung verführte. Ich fragte mich, warum dennHerr E. die ganze Zeit so laut spielt. Da er oft zu mir schaute, war deutlich, daß er mit seinerAufmerksamkeit nicht nur bei sich und seinem Spiel ist. Braucht er das laute Spiel als feste Strukturgegen den wirren Gruppenklang? Sucht er durch seine Blicke Halt bei mir als Gruppenleiter? Ich hattedas Gefühl, das er eine stabile Struktur sucht, an der er sich orientieren kann, um in seinem monotonenSpiel innehalten zu können. Ich entschied mich dafür, diese Struktur mit musikalischen Mitteln zu„würzen“. Ich wechselte vom Klavier zur Gitarre und spielte einen groovigen Funkrhythmus. Auch HerrE. wechselte von der Pauke zur Djembé und stieg mit in den Rhythmus ein. Nach und nach fiel mir auf,daß auch die anderen sich in diesem Rhythmus trafen. Nun entstand ein gemeinsames Gebilde und in dieRunde schauend zeigten sich auch Veränderungen in den Blicken der Patienten. Mit Herrn S. und HerrnR. waren Blickkontakte möglich. Die Wahrnehmung hatte sich verlagert.Zwischendurch nahm ich mein Spiel etwas zurück, spielte nur Akzente und ließ viele Pausen.Die Pausen wurden dann von einigen genutzt, um ihrerseits Akzente zu spielen. Und so entwickeltensich immer kleine Veränderungen, die das Spiel lebendig machten. Es hatte Ansätze von kleinenDialogen.Dann ging Herr S. vom Vibraphon an die Conga. Vorher war das Spiel eher leise geworden. Plötzlichergriff Herr S. die Initiative und begann, ein Crescendo zu spielen. Hier stieg die ganze Gruppe mit einund das Spiel steigerte sich immer mehr bis zu einem Höhepunkt. Beendet wurde das Spiel durch HerrnE. der den Schlußpunkt auf dem Becken setzte. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, daß wir längerals 30 Minuten gespielt hatten.Im Nachgespräch zeigten sich alle angetan vom Spiel und äußerten, daß es viel Spaß gemacht hat. Vorallem Herr S. der ja zum ersten Mal dabei war und zuerst sehr skeptisch gegenüber der Musiktherapiewar, freute sich über das gelungene Spiel.

Meine erste wichtige Intervention war hier, einen Rhythmus als deutliche Strukturanzubieten.Man könnte nun die Frage stellen, warum ich das nicht gleich von Beginn an getan habeund nicht erst, als die Gruppe schon 5 Minuten gespielt hatte.Aber gerade diese Anfangsphase ist wichtig, in der jeder erst mal für sich selbst seinenPlatz suchen muß. Ich habe auch schon Improvisationen direkt mit einem massivenRhythmus begonnen, den auch die meisten direkt aufgriffen. Aber das gemeinsameSpiel war anders. Es lebte nicht, weil darin keine Entwicklung stattfand. Da das Spielnicht aus dem Prozess heraus entstand, gab es auch innerhalb des Spiels keinenProzess. Und ich lasse den Patienten keinen Raum zur Entfaltung, sondern gebe einegenaue Richtung vor.Es ist sehr wichtig, wie man einen Rhythmus anbietet. Dränge ich mich damit auf oderbin ich damit nur einer unter mehreren, der sich aber durch Stabilität und gleichzeitigerBeweglichkeit auszeichnet und damit auf sich aufmerksam macht. Er muß Halt bieten,aber auch dem Patienten die Möglichkeit lassen, sein eigenes Spiel beizubehalten.Ein wichtiger theoretischer Aspekt steht hinter meinen sämtlichen Überlegungen: Imtheoretischen Teil habe ich das Analoge Prozessmodell kurz erwähnt. Ich denke, daß inmeinen Beschreibungen dieser Ansatz deutlich geworden ist (vgl. Kap.3.1).

Noch eine Bemerkung zur Anfangssituation: Die Lautstärke von Herrn E. war hier inerträglichem Maße. Nur relativ zum Spiel der anderen war sein Spiel deutlich imVordergrund. Wenn jedoch ein Patient so laut spielt, daß es über die Schmerzgrenzegeht, dann mache ich das direkt deutlich, in dem ich mir die Ohren zuhalte oder einenSchmerzenslaut von mir gebe. Es gehört meines Erachtens zu meinen Aufgaben alsTherapeut, daß ich meine eigenen Grenzen bewahre. Ich kann nicht von den Patientenerwarten, daß sie ihre Grenzen angeben, wenn ich es selbst nicht tue. Hierin hat derTherapeut eine wichtige Vorbildfunktion.

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4.2.6 Abstand und Nähe

Ein anderer Aspekt, mit dem ich häufig in Improvisationen zu tun habe, ist dasAusloten von Abstand und Nähe zu den Patienten. Viele Schizophrene empfindendirekten Kontakt mit anderen Menschen als bedrohlich und ziehen sich häufig nochweiter zurück, wenn man sie durch Kontaktversuche einengt oder hohe Anforderungenan sie stellt.In der Improvisation erlebt man Rückzüge häufig, wenn man versucht, daß Spiel desSchizophrenen direkt aufzugreifen. Das kann dem Patienten zu nah sein, und sofortwechselt er das Instrument oder verändert sein Spiel. Wenn man da als Therapeut mitseinem Spiel hinterherläuft, entsteht das sprichwörtliche Katz- und Mausspiel,gekennzeichnet durch Hektik und Nervosität. Einmal habe ich dies ausprobiert,daraufhin hat der Patient den Raum fluchtartig verlassen.Umgehen kann man diese Falle, wenn man seine Kontaktangebote subtiler einbringt.Eine Möglichkeit habe ich oben beschrieben. Man bietet einen „schmackhaften“Rhythmus an, und die Patienten haben es selbst in der Hand, da mit einzusteigen. Danngeschieht der Kontakt auf einer mehr musikalischen als auf einer persönlichen Ebeneund ist dementsprechend sicherer und auch besser veränderbar.Von Bedeutung kann auch die Wahl der Instrumente sein. Wenn sich die Instrumentedeutlich voneinander unterscheiden, kann der schizophrene Patient gut zwischen sichund den anderen differenzieren. Als ich einmal zur Djembé wechseln wollte, erhob derPatient, der an der Conga stand, Einspruch: „Die Instrumente sind sich zu ähnlich!“

4.2.7 Die musikalischen Parameter

Ich suche schon häufig den musikalischen Kontakt zu den Patienten, aber immer so,daß ich deren Spiel nicht kopiere, sondern eher unterstütze und begleite. Das Ziel isthierbei immer ein gleichberechtigtes Miteinander. Die Gemeinsamkeit entsteht dann inder Musik. Die Kenntnis über die musikalischen Parameter helfen hier enorm dabei, soetwas zu erreichen. Wenn der Patient eher melodisch spielt, dann untermale ich das z.B.mit Harmonie und Rhythmus. Spielt der Patient rhythmisch, lege ich Klänge darüber.Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten.Es macht Spaß zu sehen, wenn Patienten anfangen, solche Elemente selbst zu benutzen.Dazu ein Beispiel:

In einer Gruppe von 5 Patienten spielten Herr H. und Frau W. zusammen ein Duo, während die anderenzuhörten. Frau W. war dafür bekannt, daß sie ziemlich kräftig und rigide spielen kann, dabei aber keinenkonstanten Rhythmus beibehält, sondern holpert und stolpert, ohne daß man bei ihr Anschluß findenkann. Herr H. hat oft das Bedürfnis nach einem reibungslosen, harmonischen Spiel und löste dieseSituation ganz souverän, in dem er sich für langgezogene Töne auf einem tiefen Streichinstrumententschied. So konnten diese beiden Spielweisen wunderbar nebeneinander existieren, was sogar von denZuhörern Komplimente auslöste.

Wenn man das auf die musikalischen Parameter hin analysiert, verwendete Frau W.den Parameter Rhythmus und Herr H. den Parameter Klang bzw. Melodie. Hätte erauch rhythmisch gespielt, wäre es unweigerlich zu Reibungen gekommen, da esunmöglich ist, mit ihr einen gemeinsamen Puls zu finden. Da sind schon einigePatienten vorher dran gescheitert.Einen umfassenden Versuch, die einzelnen musikalischen Parameter in ihrenEigenheiten und Möglichkeiten zu beschreiben, wurde von Hegi (1993, 1998)

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unternommen. Viele seiner Aspekte, die auf einem gestalttherapeutischen Konzeptbasieren, habe ich in meiner Arbeit übernommen. Ein Aspekt, der hieraus nochaufgegriffen werden soll, ist das holistische Prinzip: Auch wenn die Parameter einzelnbetrachtet und auch eingesetzt werden können, entsteht in der Praxis aber immer eineumfassende Ganzheit, die dem Annehmen des Menschen in seinerGanzheit entgegen kommt.

Eine wichtige Frage, die über all diesen Puzzle-Teilchen meiner Arbeit steht, habe ichbis jetzt aufbewahrt:

4.2.8 Therapeutische Zielsetzungen dieser Musiktherapie

Auch wenn ich die Frage nach dem Warum noch nicht erwähnt habe, so habe ich siedoch immer mit einfließen lassen. So dient das Auflisten meiner therapeutischen Zielegleichzeitig einer Zusammenfassung der oben aufgelisteten Techniken.Um aber brauchbare Ziele für meine Arbeit formulieren zu können, muß man denRahmen betrachten, in der die Musiktherapie stattfindet. Dies meint in erster Linie diedurchschnittliche Teilnahmedauer der Patienten in der Musiktherapie und die Stabilitätund Kontinuität der Gruppe.Durchschnittlich nehmen Patienten auf der P7 in Heidhausen circa 7 Wochen an derMusiktherapie teil. Die Untergrenze liegt bei 3 Wochen und die Obergrenze bei 14Wochen.In bezug auf die Stabilität der Gruppe ist zu sagen, daß durch die halboffene Situationhäufig neue Patienten hinzukommen, und zwar ungefähr alle zwei Wochen. DieKontinuität ist sehr unterschiedlich. Es gibt Patienten, die kommen regelmäßig undlassen keine Therapie aus, und andere Patienten fehlen jede zweite Stunde. Dabei ist esjedoch meistens, daß sich die mangelhafte Therapieteilnahme eines bestimmtenPatienten auf sämtliche Therapien bezieht, also kein spezifisches Problem derMusiktherapie darstellt. Oft kommt es vor, daß die Patienten vom Pflegeteam geschicktwerden müssen, weil sie einfach nicht fähig sind Absprachen einzuhalten.Ferner fehlen Patienten durch äußere Umstände wie Außentermine (Behördengänge,Belastungserprobungen) oder therapiefreie Tage, die sie als Belohnung erhalten, wennsie zwei Wochen keine Therapie verpasst haben.Der längste Zeitraum, in der durchweg alle Patienten gekommen sind und keine neuenhinzustießen, umfaßt 5 Therapiesitzungen, was eine absolute Seltenheit war.Im großen und ganzen ist eine kontinuierliche Arbeit also eher schwierig. Was fürSchlußfolgerungen ergeben sich daraus für die Therapieziele?Ich habe hier die verschiedenen Ziele einmal aufgelistet, die sich aus meinerArbeitsweise und den Erwartungen der Station ergeben:� Aktivierung der Patienten in der Gruppe. Motivation zu einer gemeinsamen

Tätigkeit� Stärkung der gesunden Anteile, Aufbau des Selbstwertgefühls im gemeinsamenSpiel� Entwicklung der Selbst- und Fremdwahrnehmung� Aufbau von Kontakt und Beziehung über die Musik� Stimulierung des kreativen Potenzials der Patienten� Ausdruck von Emotionen auf einer außersprachlichen Ebene und das Teilen undgemeinsame Erleben von Emotionen

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(Anmerkung zum letzten Punkt: Hier geht es weniger um das Durcharbeiten von Gefühlen, wie es in derPsychotherapie passiert, sondern in erster Linie um eine positive Erfahrung, daß z.B. Spaß gemeinsamerlebt werden kann. Tauchen negative Gefühle auf, geht es mehr um das Akzeptieren dieser Gefühle alszum Menschen zugehörig. Tiefer wird in der Gruppe nicht darauf eingegangen.)

Sind diese Ziele realistisch für die aufgezählten Rahmenbedingungen?Diese Ziele haben alle gemeinsam, daß sie sich auf einen Prozeß konzentrieren. Mankann schwierig sagen, wann man so ein Ziel erreicht hat und dann zum nächsten Zielübergeht.Das ist aber auch gar nicht meine Absicht, denn ein wichtiger Punkt meinerArbeitsweise ist ja, das ich nicht zielstrebig auf Ziele hinsteuere, sondern den Patientenden Raum biete, der Entwicklungen in Gang setzen soll, mich also auf den Prozesskonzentriere. Auf Ziele hinarbeiten würde heißen, daß ich mich auf die Probleme desPatienten richte, die es zu bearbeiten gilt. Wenn ich aber den Menschen als Ganzesbetrachten will, muß ich schauen, in welche Richtung er sich entwickeln will.Ob diese Entwicklungen und Veränderungen auch wirklich stattfinden und auchbelegbar sind, soll diese Arbeit untersuchen.

4.2.9 Vergleich mit der Literatur

Welche Parallelen lassen sich zwischen meiner Arbeitsweise und den Ansätzen aus derLiteratur finden?Benedetti schrieb, daß er sich in die Welt des Psychotiker begibt, und nicht versucht,ihn da irgendwie herauszuholen, wobei er mehr auf die Beziehungsebene als auf dieInhaltsebene eingeht. In diesem Gedanken finde ich mich wieder, denn bei mir dürfendie Patienten auch in ihren Symptomen sein, sie dürfen sich zurückziehen, sie dürfenselbst Abstand und Nähe bestimmen. Und ich verwende auch die analogenEigenschaften der Musik, wie sie Watzlawik und Strobel beschrieben haben.Mit den psychoanalytischen Grundlagen aus der Literatur kann ich mich nur teilweiseidentifizieren. Dafür ist auch der Rahmen meiner Musiktherapie wenig geeignet, da dieProzesse aus der Symbiose in die Individualisierung sehr langwierig sind.Wohl aber die aus der psychoanalytischen Musiktherapie stammenden Begriffe des„holding“ und „containing“ beschreiben Aspekte, die ich oft im Hinterkopf habe. Wennich im Spiel aufkommende Gegenübertragungsgefühle bemerke, probiere ich dieseneine akzeptable Form zu geben. Dies tue ich aber eher selten und nur, wenn ich mirsicher bin, das es der Situation angemessen ist. Ansonsten versuche ich solche Gefühlezu registrieren und mir bewußt zu machen, um sie im Nachhinein für mich zubeleuchten.Ansonsten arbeite ich sehr intuitiv und spontan, um auch aus dem Unbewußten auf dieGruppe und einzelne Patienten reagieren zu können. Mit dem Verstand hat man eswirklich schwerer, diese Erfahrung, die Strobel (1985) beschrieb, habe auch ich machenkönnen.Die von Smeijsters aufgezeigten strukturierenden und ordnenden Elemente der Musikhabe ich oben in den Beispielen bereits angesprochen. Hier erübrigen sich weitereAusführungen.Wenn ich seine supportive Arbeitsweise, die dem Ressourcen-orientierten Ansatz rechtnahe kommt, mit meiner vergleiche, ergeben sich sehr viele Gemeinsamkeiten. Auch

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dort stehen die Patienten zentral und es geht um Unterstützung, Stabilisierung,Entwicklungsförderung und Erweiterung des Erlebnis- und Ausdrucksbereiches.Wichtige Parameter sind Kontakt, Spiel, Freude und Spontaneität. Und der Therapeutschafft aus einer empathischen Haltung heraus einen sicheren Rahmen für inneresWachstum.

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5 Die Einzelfalluntersuchung

5.1 Planung und Durchführung der Untersuchung

5.1.1 Planung

Praktische Überlegungen (zeitlicher Rahmen, Umfang der Untersuchung), lassen nurdie Möglichkeit zu, eine Gruppe auszuwählen und über den gesamtenBehandlungszeitraum zu beobachten. Eine Behandlungsgruppe besteht aus maximal 5Patienten mit einer Diagnose aus dem schizophrenen Formenkreis. Der Zeitraum derUntersuchung beläuft sich erfahrungsgemäß auf etwa 2 Monate. Weil in dieserEinrichtung die Musiktherapie als halboffenes Setting besteht, ist nicht gewährleistet,daß die Patientenkonstellation über den Beobachtungszeitraum konstant bleibt. Umdiese Konstanz für diese Untersuchung zu gewährleisten, habe ich den Startpunktdirekt nach einer Urlaubsphase gewählt. Dadurch habe ich sichergestellt, daß dieGruppe gemeinsam anfängt, und sich alle in der gleichen Situation befinden.Gleichzeitig sollen über den Beobachtungszeitraum keine neuen Patienten in dieGruppe aufgenommen werden. Die Patienten für diese Gruppe werden währendregelmäßiger Teamgespräche ausgewählt. Vorschläge kommen meistens vomPflegepersonal, welche die Patienten vom Stationsalltag her am besten kennen.Daraufhin setzt der Stationsarzt die Musiktherapie für die Patienten fest.Erfahrungsgemäß beläuft sich die durchgängige Teilnahme von Patienten an derMusiktherapie auf circa 7 Wochen. Dies wird als ungefährer Zeitraum für die Studieangepeilt.Die Studie läßt sich nur durchführen, wenn man sie in den Stationsalltag integriert.Dies kann bestimmte Störungen zu Folge haben, z.B. unregelmäßigeTherapieteilnahmen oder frühzeitliche Entlassungen, die weiter unten noch genauerdiskutiert werden. Die Einbindung in den Stationsalltag bietet aber auch den Vorteil,daß eine gewisse Behandlungsrealität gegeben ist.

5.1.2 Methode

Zu Beginn der Therapie führe ich mit allen Patienten eine individuelle Einführung voneiner Stunde durch. Darin enthalten sind das gegenseitige Kennenlernen, einErstinterview (Tüpker,1992,s.Anhang), das Ausprobieren der Instrumente und einegemeinsame Improvisation als musikalischer Erstkontakt.In den Gruppenstunden arbeite ich nach meiner bereits beschrieben Arbeitsweise undden darin angegebenen Zielen. Ich wende allerdings nicht nur die freie Improvisationan, sondern je nach Situation auch ein paar strukturierende Spielformen: z.B.Improvisieren auf ein Blues-Schema, Duo- und Frage-Antwort-Spiele. Ferner gehe ichauch häufig auf geäußerte Wünsche der Patienten ein, was den Ablauf einer Stundenicht im voraus planen läßt.

5.1.3 Datenerhebung

Um eine genaue Darstellung der Therapiesitzungen zu ermöglichen, führe ich mit Hilfeeines Krankenpflegeschülers in drei Sitzungen Videoaufnahmen durch. Diese dreiMeßzeitpunkte finden am Beginn, in der Mitte und am Ende der musiktherapeutischen

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Behandlung statt. Hierzu ist eine schriftliche Zustimmung der Patienten sowie dieErlaubnis des Oberarztes erforderlich.Es ist sicherlich nicht unproblematisch, Videoaufnahmen mit schizophrenen Patientendurchzuführen. In diesem Fall hat es sich als vorteilhaft erwiesen, daß nicht einFremder als Kameramann hinzugezogen werden muß. Denn der Krankenpflegeschülerder Station, der den Patienten vom Stationsalltag vertraut war, diese Aufgabeübernommen hat. Alle Patienten haben sich dazu bereit erklärt, an dem Projektmitzumachen.Die Videoaufnahmen wurden einer unabhängigen Beobachtergruppe vorgeführt, dieim ersten Schritt ihre subjektiven Eindrücke notieren und im zweiten Schritt diebearbeiteten MAKS-Skalen ausfüllen sollten. Die Gruppe besteht ausMusiktherapiestudenten, die sich im letzten Jahr ihrer Ausbildung befinden und bereitsein Jahrespraktikum absolviert haben.Zu jeder Stunde machte ich Audioaufnahmen und Stundenprotokolle nach einemvorgefertigten Formular (Schirmer, 1993, s.Anhang). Dieses Formular sollte meinesubjektiven Beobachtungen und Erlebnisse zu den einzelnen Stunden festhalten.Am Ende der Behandlungsphase, die in der Regel mit der Entlassung der Patientenendet, sollten die Patienten die Selbstbewertungsbögen nach Reker (1991) zurMusiktherapie ausfüllen.

5.1.4 Behandlungsgruppe, Therapieverlauf

Folgende Patienten werden für die Studie ausgewählt:

Name Geschlecht Alter Beruf sozialer Status Diagnose

Frau S. weiblich 37 Hausfrauverheiratet,

2 Kinderschizoaffektive

Psychose

Frau T. weiblich 39 Rentnerin alleinlebendparanoide

Schizophrenie

Herr H. männlich 18 Ausbildunglebt bei der

Mutterparanoide

Schizophrenie

Herr M. männlich 19keine

Ausbildung

Wohnheim,Eltern in

Polen

paranoideSchizophrenie

Herr S. männlich 29 Student alleinlebendparanoide

Schizophrenie

Die Teilnahme der einzelnen Patienten an der Musiktherapie wird in der folgendenTabelle wiedergegeben:

1.(V1)

2. 3. 4. 5. 6. 7.(V2)

8. 9. 10. 11. 12.(V3)

13.

Herr S. x x - x x x x x - x - x x

Herr H. x x x x x x x - x x x x x

Frau S. x x x x x x x x x x x EntlassenFrau T. x x x - x x - x - x EntlassenHerr M. x - x - - x - x - EntlassenLegende: V1,V2,V3: Zeitpunkt der 1.,2. und 3. Videoaufnahme

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Es waren insgesamt 13 Therapiesitzungen für die Untersuchung verwertbar. Danachwurden auch Herr S. und Herr H. entlassen.Aus der Tabelle wurde schnell deutlich, daß die Therapieteilnahme bei einigenPatienten nicht nach Wunsch verlief. Es ergab sich zu keinem Zeitpunkt, daß dieGruppe über zwei Sitzungen mit konstanter Teilnehmerzahl stattfinden konnte.Lediglich Frau S. nahm regelmäßig an der Musiktherapie teil. Wenn Frau T., Herr S.oder Herr H. fehlten, dann immer mit Entschuldigung, bedingt durch z.B. therapiefreieTage, Belastungserprobungen oder Behördengänge. Bei Herrn M. war dieUnzuverlässigkeit ein generelles Problem und betraf nicht nur die Musiktherapie. Erverweigerte sämtliche Therapien und hatte allgemein Schwierigkeiten mit Regeln.Für die Untersuchung sind nur von Herrn H. und Herrn S. die kompletten Datenverfügbar. Frau S. war beim letzten Videotermin auch nicht dabei, Frau T. und Herr M.sogar nur beim ersten Videotermin. Die beiden letzteren fielen somit gänzlich heraus.Inwieweit die Daten von Frau S. aussagekräftig sind, wird zu einem späteren Zeitpunktdiskutiert.

5.1.5 Meßinstrumente / Untersuchungsverfahren

Wie bereits im Kapitel über die Skalen zur Einstufung musiktherapeutischerImprovisationen sollen bei dieser Untersuchung die bearbeitete MusiktherapeutischeAusdrucks- und Kommunikationsskala (MAKS) in Kombination mit der qualitativenUntersuchungsmethode nach Smeijsters und dem Selbstbeurteilungsbogen nach Rekerverwendet werden.Desweiteren werden Stundenprotokolle und Audioaufnahmen zur Veranschau-lichungder Ergebnisse hinzugezogen.Die Beurteilung der Videos durch die Beobachtergruppe sah folgendermaßen aus:Die Untersuchung wurde im Rahmen des Faches Musikpsychologie an der HochschuleEnschede mit Studenten des 4. Jahres durchgeführt. Eine Tabelle der Raterdatenbefindet sich im Anhang. Der MAKS-Bogen wurde bereits vorher im Seminardurchgesprochen, um sich mit der Begrifflichkeit vertraut zu machen. Dazu bekamjeder einen Instruktionsbogen, der beschrieb, wie die Untersuchung ablaufen sollte unddie Skalen auszufüllen seien.An insgesamt zwei Terminen sahen die Rater zuerst eine längere Szene aus demjeweiligen Video, der aufgrund von Zeitmangel auf 5 Minuten begrenzt wurde. Hiermußte eine Auswahl erfolgen, welcher Teil der Improvisation gezeigt werden sollte.Die Kriterien, die hierfür ausschlaggebend waren, werden weiter unten aufgeführt.Anschließend notierte jeder seine subjektiven Eindrücke zum Video nach Schritt 1 derSmeijsters-Methode. Hierzu bekam jeder einen Vordruck mit einigen Anweisungen(siehe Anhang).Jetzt wurde jeder Patienten einzeln anhand der MAKS bewertet. Dazu wurde für jedenPatienten ein Ausschnitt von 1 Minute aus den bekannten Szenen gezeigt, in demderjenige besonders gut zu sehen war. Auch hier war wieder eine Auswahl notwendig.Nach jedem Ausschnitt füllten die Rater den MAKS aus, dann kam der nächste Patientan die Reihe. Die Patienten, die für die Untersuchung keine Relevanz haben, wurdenzuerst eingeschätzt als eine Art Probedurchlauf.Diese Prozedur wurde nacheinander mit den drei Videoaufnahmen aus der 1.,7. und12. Sitzung durchgeführt.Die Videoszenen wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt:

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Da die Improvisationen bei allen drei Aufnahmen sehr lang waren (20 – 30 min), suchteich im Voraus Szenen einer Länge von circa 5 Minuten aus. Dabei wählte ich bei derersten Aufnahme die Anfangssituation, um den Ausgangspunkt der Therapiefestzuhalten, und bei den anderen beiden Aufnahmen die Szenen, in denen meinesErachtens für den Therapieprozess relevante Momente zu sehen waren. Dies warenSzenen, in denen z.B. Kontakte entstanden oder durch Initiativen der Patienten dasSpiel eine neue Richtung bekam. Auch sollte der Entwicklungsprozess sichtbar werden.Die dritte Videoszene unterscheidet sich inhaltlich in einem Detail von den anderen.Dort ergab sich anstelle der freien Improvisation eine sogenannte Solo-Tutti-Improvisation, in der sich Gruppen-Spiel und Solo-Spiel abwechselten. Hier sollten diePatienten selbst Zeichen geben, wann sie Solo spielen wollten.

5.1.6 Probleme in der Durchführung

Das größte Problem wurde oben bereits angedeutet. Durch die unbefriedigendeTherapieteilnahme vielen 2 von 5 Patienten vollkommen aus der Untersuchung heraus,und ein Patient war nur bei zwei von drei Videoaufnahmen dabei. Gerade bei einerEinzelfalluntersuchung ist so eine hohe Drop-Out-Rate ungünstig. Ob sich eineähnliche Drop-Out-Rate auch zeigt, wenn man eine größere Menge von Probandeneinbezieht, bleibt hier offen.Diesem Problem hätte man unter Umständen besser begegnen können, wenn man aufder Station deutlicher auf die Wichtigkeit der Untersuchung hingewiesen hätte oderPatienten ausgewählt hätte, bei denen eine kontinuierlichere Therapieteilnahme zuerwarten gewesen wäre. Allerdings wäre die Nähe zur Realität verloren gegangen, diegerade durch ihre Integration in den Stationsalltag gegeben ist.Bei den Zustimmungserklärungen der Patienten zeigten sich bei einer PersonAnzeichen, daß sie die Tatsache, daß gefilmt werden sollte, wahnhaft verarbeitet hat.Dies konnte jedoch durch Gespräche mit der Stationsärztin und mit mir aufgelöstwerden.Ein weiteres Problem ergab sich bei der Datenerhebung. So war es schwierig, diegesamte Gruppe komplett mit der Videokamera aufzunehmen, da der Raum zu großund die Instrumente zu breit verteilt waren. Man konnte auch vorher nicht absehen,welche Instrumente von welchen Patienten gespielt werden würden. So mußte derKameramann immer hin- und herschwenken, um alle Patienten aufnehmen zu können.Dadurch konnte man manche Aktionen einiger Patienten nicht sehen. Am Anfangwurde noch der Fehler gemacht, daß die Kamera so positioniert wurde, daß ein Patientgar nicht zu sehen war, weil er von einem anderen Patienten verdeckt wurde. DieseProbleme hätten teils durch bessere Vorbereitung vermieden werden können, ließensich aber nicht ganz ausschließen, da es zum Konzept gehört, daß sich die Patienten dieInstrumente frei auswählen dürfen.Bei der Durchführung der Beurteilung durch die Beobachtergruppe ergaben sichVerständnisschwierigkeiten beim MAKS-Bogen. Da in der Gruppe sowohl deutsch- alsauch niederländisch-sprachige Studenten waren, mußte ich den Bogen übersetzen,wobei dies bei manchen Begriffen äußerst schwierig war. Differenzen im Verständniseinzelner Begriffe können somit nicht ausgeschlossen werden. Daneben gab es generelleBemerkungen zum MAKS-Bogen, die teilweise auf inhaltliche und formale Problemehinwiesen. Zum Beispiel konnte das Item Formgestaltung von vielen nicht immerausgefüllt werden. Diese Schwierigkeiten werden im Anhang ausführlich aufgelistet.

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5.2 Ergebnisse

5.2.1 Ergebnisse der MAKS-Auswertung

Zur Veranschaulichung der Ergebnisse habe ich die Mittelwerte aus den Beurteilungenin Grafiken dargestellt. Die genauen Ergebnisse und die Standartabweichungenbefinden sich im Anhang. Beim 1.Termin zur Beurteilung von Szene 1 waren 8 Raterzugegen, beim 2. mal fehlten 3 entschuldigt, so daß die Szenen 2 und 3 nur von 5 Raternbeobachtet wurden. In jeder Grafik sind die Beurteilungen zu allen drei Szenen einesSpielers enthalten:

1) allgemeines Engagement: BT:Beteiligung, AT:Autonomie2) Formgebung, Gestaltung: FG:Formgebung, ST:Strukturiertheit, VR:Variation3) Bezug zur Gruppe: BZ:Bezogenheit, KV:Kontaktverhalten, KI:Kontaktintensität, DO:Dominanz4) Vitalität, Ausdrucksdynamik: LB:Lebendigkeit, DY:Dynamik5) Ausdrucksqualität: AQ:affektive Qualität, EA:emotionale Aussagekraft, EL:ErlebenDie Werte eins bis fünf auf der y-Achse lassen sich verallgemeinernd nach dem Vorkommen der Aspektecharakterisieren: 1:kein/ sehr gering, 2:gering, 3:ausgewogen/ mittel, 4:stark, 5:übertrieben (sieheAnhang)

Bei Herrn S. wird direkt ersichtlich, daß viele seiner Werte im Verlauf der Therapiestetig anstiegen.Zu Anfang der Therapie bewegten sich die Werte eher im 2er-Bereich, was ein geringesoder schwaches Vorkommen der einzelnen Aspekte bedeutet. Bei den ItemsStrukturiertheit und Lebendigkeit hat sich zwar ein höherer Wert ergeben, aber hier istdie Standartabweichung ziemlich hoch (s.Anhang).Am Ende der Therapie zeigen sich in den meisten Kategorien eine Einstufung um den3er-Bereich herum, wobei vor allem das Kontaktverhalten und die Items aus denKategorien Engagement und Formgebung mit einem ausgewogenen bis starkenVorkommen herausragen.

Herr S.

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

5,0

BTAT

FG

ST VR

BZ

KV

KIDO LB

DYAQ

EA

EL

1.Szene 2.Szene 3.Szene

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Die Ausdruckskategorien liegen im ausgewogenen Bereich, während sie zu Beginn derTherapie sogar unter dem 2er-Bereich lagen.

Bei der Analyse der Standartabweichungen (s.Anhang) fällt auf, daß 2/3 der Werteunter 0,5 liegen, was eine gute Übereinstimmung bedeutet. Auffallend schlechte Wertegibt es nur bei der Beurteilung der 1.Szene in den Punkten Strukturiertheit,Kontaktverhalten und Lebendigkeit (SA>1).

1) allgemeines Engagement: BT:Beteiligung, AT:Autonomie2) Formgebung, Gestaltung: FG:Formgebung, ST:Strukturiertheit, VR:Variation3) Bezug zur Gruppe: BZ:Bezogenheit, KV:Kontaktverhalten, KI:Kontaktintensität, DO:Dominanz4) Vitalität, Ausdrucksdynamik: LB:Lebendigkeit, DY:Dynamik5) Ausdrucksqualität: AQ:affektive Qualität, EA:emotionale Aussagekraft, EL:ErlebenDie Werte eins bis fünf auf der y-Achse lassen sich verallgemeinernd nach dem Vorkommen der Aspektecharakterisieren: 1:kein/ sehr gering, 2:gering, 3:ausgewogen/ mittel, 4:stark, 5:übertrieben (sieheAnhang)

Bei Herrn H. fällt als erstes der sehr hohe Wert im Kontaktverhalten auf. Er zeigte schonzu Beginn der Therapie ein mittleres bis starkes Kontaktverhalten (3-4), und gegenEnde der Untersuchung ging es sogar in Richtung von aufforderndemKontaktverhalten (4-5).Im großen und ganzen haben sich die schon recht ausgewogenen Ausgangswerte nochsteigern können.Neben dem Kontaktverhalten traten große Veränderungen in den KategorienEngagement und Formgebung auf. Die beiden Items Strukturiertheit und emotionaleAussagekraft hatten bei Ende der Untersuchung die niedrigsten Werte (<2,5), allerdingsist im letztgenannten eine positive Entwicklung zu verzeichnen, da dieser Wert zuBeginn der Therapie eher bei geringen Niveau lag (2er-Bereich).

Herr H.

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

5,0

BT

AT FG

ST

VR

BZ

KV

KI

DO

LB

DY AQ

EA

EL

1.Szene 2.Szene 3.Szene

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Die Standartabweichung liegt auch hier großenteils unter 0,5. Lediglich bei Autonomiein der 2.Szene und bei Formgebung in der 3.Szene ergaben sich schlechteÜbereinstimmungen bei den Ratern (SA>1).

1) allgemeines Engagement: BT:Beteiligung, AT:Autonomie2) Formgebung, Gestaltung: FG:Formgebung, ST:Strukturiertheit, VR:Variation3) Bezug zur Gruppe: BZ:Bezogenheit, KV:Kontaktverhalten, KI:Kontaktintensität, DO:Dominanz4) Vitalität, Ausdrucksdynamik: LB:Lebendigkeit, DY:Dynamik5) Ausdrucksqualität: AQ:affektive Qualität, EA:emotionale Aussagekraft, EL:ErlebenDie Werte eins bis fünf auf der y-Achse lassen sich verallgemeinernd nach dem Vorkommen der Aspektecharakterisieren: 1:kein/ sehr gering, 2:gering, 3:ausgewogen/ mittel, 4:stark, 5:übertrieben (sieheAnhang)

Da hier wie oben erwähnt nur die ersten beiden Szenen bewertet wurden, können hierkeine vollständigen Aussagen über den Therapieverlauf gemacht werden. Es scheinttrotzdem lohnenswert, die Ergebnisse zu analysieren. Die Ausgangslage bei Beginn derTherapie zeigt sich fast ausschließlich auf geringem Niveau (1-2). Lediglich die ItemsAutonomie und Strukturiertheit tendieren in Richtung Ausgewogenheit. Im Laufe derersten Therapiephase hat sich daran auch nicht sehr viel geändert, nur die Dominanzwuchs noch über den 2er-Bereich hinaus.

Bei den Standartabweichungen zeigen sich bei Formgestaltung und gerade beiAutonomie und die Strukturiertheit die größten Raterdifferenzen. Diese Werte bewegensich um dem Wert 1.Die anderen Werte sind gut bis zufriedenstellend.

Frau S.

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

5,0

BTAT

FG

ST

VR

BZ

KV

KI

DOLB

DY

AQ

EAEL

1.Szene 2.Szene

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5.2.2 Ergebnisse der qualitativen Untersuchung nach Smeijsters

Methodisch muß hier erwähnt werden, daß die Beobachtergruppe die Schritte 2-9organisatorisch nicht durchführen konnte, so daß dies dem Untersucher vorbehaltenblieb.Aus den Eindrücken, welche die Beobachtergruppe zu den Gesamtszenen notiert haben(siehe Anhang), bildeten sich nach der Durchführung der Schritte 1-5 folgendeSchwerpunkte heraus:

Form InteraktionAtmosphäre,

emotionaler Ausdruck

1.Szene

� wenig Struktur� später wird esrhythmischer� der Therapeut versucht,Struktur ins Spiel zubringen

� kein Kontakt unter denPatienten, es wird nicht aufeinander gehört� jeder für sich, jeder schautauf sein Instrument� später wird kurz probiert,dem Therapeuten zu folgen� der Therapeut sucht Kontaktzu einigen Patienten

� chaotisches Spiel

2.Szene

� der Therapeut bietetStruktur an, ist deutlichanwesend� monotoner Puls� es tauchen immer wiederkleine Veränderungen auf

� es ist Kontakt und auchReaktionen der Patientenuntereinander zu erkennen� es wird aufeinander gehört,ein Zusammenspiel entsteht

� ruhige, warme undentspannteAtmosphäre� vor sich hinplätscherndes Spiel,beinahe langsam

3.Szene

� das Spiel ist dynamisch,energiereich und variabel

� viel Kontakt undBezogenheit der Spieler,auch viel Augenkontakt� die Patienten zeigen eigeneBeiträge und Ideen

� angenehme undentspannteAtmosphäre� deutlicher Ausdruckin der Musik: fröhlich,lebendig, bewegt

Bei der Zusammenfassung der einzelnen Beobachtungen wurden nur die Punkteaufgeführt, die am häufigsten auftauchten. Es gab auch konkrete Bemerkungen zu deneinzelnen Spielern, die aber zu wenig genannt wurden, um sie hier erwähnen zukönnen. Aber die wichtigsten Informationen, die hieraus zu entnehmen sind, sind zumeinen die Bestätigungen der Ergebnisse aus der MAKS-Auswertung und vor allemdessen Ergänzung an inhaltlichen Informationen in bezug auf Atmosphäre undemotionaler Ausdruck, was man aus dem MAKS nicht entnehmen kann.

5.2.3 Analyse des musikalischen Materials

Aus den Ergebnissen der qualitativen und quantitativen Untersuchungen lassen sichalso Entwicklungen und Veränderungen in den therapeutisch relevanten Gebieten wieStrukturierung, Kontaktverhalten und emotionales Erleben festmachen.Nun stellt sich die Frage, wie diese Entwicklung bei den einzelnen Patienten zustandegekommen ist. Hier ist eine Analyse des musikalischen Materials notwendig, um dafürHinweise zu finden. Nach der Methode von Smeijsters sind das die Schritte 6 und 7.Um aus der Fülle des musikalischen Materials die wichtigen Elemente herauszugreifen,werden diese unter der Berücksichtigung der bereits gewonnenen Erkenntnissebetrachtet.

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5.2.3.1 Szene 1:Hier spielen alle Patienten von Beginn an sehr rhythmisch. Weil dabei jeder für sichspielt und auf sein Instrument konzentriert ist, spielt auch jeder seinen eigenenRhythmus, wodurch der Eindruck von Chaos und wenig Struktur herrscht.Wie verhalten sich nun die Patienten in dieser Situation?

Herr M. und Frau T., die ja nicht in die Untersuchung mit einbezogen werden konnten,spielten auch zunächst ihren eigenen Rhythmus, sehr lebendig und kräftig, gingen aberspäter in den gemeinsamen Rhythmus von Herrn H. und mir hinein (siehe unten).

Herr S. zeigt sich wenig beteiligt (BT=2) und auch geringen Bezug zur Gruppe (BZ=2,KV=2,2). Allerdings ist sein Spiel klar strukturiert (ST=2,7), was auch durch diesesNotenbeispiel deutlich wird:

Die 4 hohen Töne tauchen immer wieder im Wechsel mit den durchgängigen Linien inder mittleren Lage auf. Herr S. bleibt bei diesem Spiel über einen langen Zeitraum vonmehreren Minuten. Er bezieht sich dabei auf nichts anderes, was durch andere gespieltwird und konzentriert sich nur auf sich und sein Instrument.

Bei Frau S. zeigt sich ein ähnliches Bild. Auch sie klebt mit ihrem Blick und ihrerAufmerksamkeit an ihrem Instrument und spielt für sich isoliert (BZ=1,6; KV=2). IhrSpiel ist durch einen gleichförmigen Viertel-Rhythmus auf der Steel-Drumgekennzeichnet. Hier war sich die Beobachtergruppe nicht einig, wie sie dieStrukturiertheit ihres Spiels bewerten sollte. (Standartabweichung:1,1) . Ich selbst binder Meinung, daß sie stereotyp spielt (Wert 5).In keinem Moment ist mit ihr Blickkontakt möglich und auch bei Veränderungen imGesamtklang sind keine Reaktionen von ihr zu erkennen. Sie scheint sich an ihr Spielfestzuklammern, um sich vielleicht einen Orientierungspunkt zu erhalten in demganzen Chaos.

Im Gegensatz dazu sucht Herr H. deutlich Orientierung bei anderen(BZ=3,4; KV=3,9).Sein Spiel ist lebendig (LB=3,5), aber zunächst recht holperig. Auch hier gab esDifferenzen bei der Beobachtergruppe (Standartabweichung:0,9). Meiner Meinung nachkommt das dadurch, daß sein Spiel stabiler und klarer wurde, als er mit mir zusammeneinen gemeinsamen Rhythmus gefunden hatte. An dieser Stelle entstand der ersteKontakt zwischen Patient und Therapeut. Jetzt wird es unabdingbar, diese Situation zubeleuchten:

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Zu Anfang war das Spiel noch nebeneinander, aber in dem Wechselspiel wurdeaufeinander reagiert, was in einem gemeinsamen Rhythmus mündete, noch weiterausgestaltet wurde und in ein Crescendo überging mit abschließendem Wirbel. Hierbeimachten auch Herr M. und Frau T. mit, während Frau S. und Herr S. ihrem Spiel treublieben.

Als Therapeut habe ich das Spiel bewußt laufen lassen und bin im Gesamtklang derGruppe mitgegangen, um daraus das Spiel entwickeln zu lassen. Dabei schaute ich oftumher, um zu sehen, wie die einzelnen Patienten mit dieser Situation umgehen. WegenHerrn H. der als einziger den Kontakt suchte und auch meiner Meinung nach alsOrientierungshilfe suchen mußte, war es wichtig, eine deutliche Struktur anzubieten.Darüber entstand der musikalische Kontakt mit ihm, woraus sich dann das weitereSpiel entwickelte.

5.2.3.2 Szene 2:Die Beobachtergruppe charakterisierte diese Improvisation mit einer ruhigen, warmenund entspannten Atmosphäre . Hier war das Grundtempo und die Grundlautstärkewesentlich gemäßigter, was sicherlich auch damit zusammenhing, daß zwei Patientennicht mit dabei waren. Aber auch der Gesamtklang war anders: Es wurde aufeinandergehört und es entstand ein Zusammenspiel. Die Wahrnehmung der Patienten hatte sicherweitert. Im Einzelfall sah das so aus:

Herr H. der im Vergleich zur 1.Szene von der Beobachtergruppe ähnlich eingestuftwurde, gab auch hier den ersten Impuls für Kontakt und Zusammenspiel. Er spielte anPauke, Becken und Hi-Hat, auf der er zu Anfang dieser Szene mit einem langsamenPuls begann.Hier kam ich mit einer Melodie auf dem Marimbaphon hinzu:

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Diese Melodie hatte ein sehr langsames Tempo (�=70), blieb aber durch die Hopser-

Figur und verschiedenen Variationen lebendig.

Auch Frau S. stieg auf der Steel-Drum mit durchlaufenden Vierteln in diesen Puls einund hielt ihn die ganze Zeit über aufrecht. Sie bekam bei diesem Spiel einen höherenDominanz-Wert (DO=2,5). In der Tat war es so, daß sie so an diesem Puls festhielt, daßsich das Spiel lange Zeit nicht maßgeblich verändern konnte (monotoner Puls, vor sichhin plätscherndes Spiel). Ich hielt das Spiel mit aufrecht, variierte aber meine Figur abund an und probierte damit, die Aufmerksamkeit der Patienten im Hier und Jetzt zuhalten.

Herr S. zeigte vor allem in bezug zur Gruppe ein anderes Bild als in Szene 1 (BZ=2,8;KV=3,6; KI=2,4). Er war auch in der 2.Szene erst auf sein Spiel konzentriert, übernahmdann aber auch den Puls der Gruppe. Er schaute häufiger in die Runde, gab Impulse,die zum Crescendo beitrugen (AT=2,8), und zeigte auch mimische Reaktionen, als aufseine Impulse reagiert wurde. Diese spiegeln sich in den verbesserten Ausdruckswertenwider (AQ=3; EA=2,6; EL=2,7). Hier wurde deutlich, daß er selbst den Schritt inRichtung Kontakt und gemeinsames Spiel unternommen hatte, und dies sich auch aufdas Erleben auswirken konnte.

Nach meiner Beobachtung wurde das Crescendo wieder von Herrn H. ausgelöst, indem

er im gemeinsamen Puls in eine Hopser-Figur verfiel ( ����������� ) und lauter wurde. Dies

müßte sich in einem besseren Autonomie-Wert äußern, aber auch hier gab es eine hoheStandartabweichung (SA>1) bei der Beurteilung durch die Beobachtergruppe.

5.2.3.3 Szene 3:Allgemein wurde diese Improvisation als dynamisches, energiereiches und variablesSpiel in einer angenehmen, entspannten Atmosphäre charakterisiert. Bei den Patientenfindet dies Ausdruck in folgenden Werten, welche die Beschreibung bestätigen undeine deutliche Steigerung zu den ersten beiden Szenen darstellen:Herr S: VR=3,4; LB=3,2; DY=2,8Herr H: VR=3,6; LB= 3,6; DY=3,2Wichtig erscheint mir hier die Erwähnung der angenehmen, entspannten Atmosphäre,die nicht durch die MAKS erfasst wird, aber deutlich werden lässt, daß scheinbargegensätzliche Aspekte (Energiereich � Entspannung) nebeneinander bestehenkönnen.Darüberhinaus wird das gute Kontaktverhalten und der emotionale Ausdruck derPatienten herausgehoben, was durch folgende Werte bekräftigt wird:Herr S: KV=3,6; KI=3; AQ=3; EA=2,6; EL=3Herr H: KV=4,6; KI=3,6; AQ=3,2; EA=2,4; EL=3,2Der emotionale Ausdruck wird durch die Adjektive fröhlich, lebendig und bewegtbeschrieben.

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Wie aber läßt sich diese Veränderung am musikalischen Geschehen festmachen?Zuerst ist bei der Improvisation zu berücksichtigen, daß wie oben erwähnt eine Solo-Tutti-Spielform durchgeführt wurde, in der die Patienten teilweise Solo spielen, die sieselbst ankündigen mußten. Diese Phasen wechselten sich immer mit Gruppenphasen(Tutti) ab.Dadurch ergab sich allein durch die Form ein abwechslungsreicheres Spiel. DiePatienten können in den Solophasen mehr ihr eigenes Spiel zeigen, was dann wiederumauch Einfluss auf das anschließende Gruppenspiel haben kann, wenn man sich dabeiam Solospieler orientiert. Und die Patienten sind mehr gefordert, weil sie irgendwie ihrSolospiel ankündigen müssen, indem sie Aufmerksamkeit der anderen erregen, sei esdurch Gestik oder durchs Spiel selbst. Leider sind diese Szenen auf dem Video nicht zuerkennen, so daß sie nicht mitbewertet werden konnten.

Herr S. der wieder an der Conga spielte, zeigte bei seinem Spiel deutlich größereKörperbewegungen (größere Armbewegung beim Schlagen) und eine starke Betonungdes Taktschwerpunktes.

Dieses Spiel variierte er in seinem Solo durch Tempoveränderungen. In denGruppenphasen bleibt er solide im gemeinsamen Metrum und zeigt dabei auch kleinemimische Reaktionen, die aber eindeutigen Inhalts zu sein schienen (siehe MAKS-Wert).Seine Bezogenheit zur Gruppe wird deutlich, wenn sich das Gruppenspiel verändert. Ineiner Situation entstand wieder ein Crescendo, der auf einem Höhepunkt mitanschließender Pause endete. Diese Entwicklung wurde von ihm mit vollzogen und eskam zu einem gelungenen gemeinsamen Ende der Phase.

Die Pause nutzte Herr H. für sein Solo.Sein Spiel war durchweg lebendig und variabel, aber teilweise auch mit wenig Struktur.Er veränderte sein Spiel ziemlich oft. Allerdings hat sich in seinem Spiel einerstaunliches Formbewußtsein entwickelt, was an folgendem Beispiel verdeutlichtwerden soll:

Diese Melodie entstand in einer Tuttiphase. Erst probiert er noch aus. An der Stelle, woetwas lebhafter steht, beginnt dann eine komplette melodische Phrase, die sauber

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abgerundet wird und in einer nächsten Phrase bearbeitet wird. Die beiden Phrasenzeigen eindeutige Ähnlichkeiten:� Phrasenlänge von 14 Tönen (inklusive Auftakt und Abschluß auf dem

Taktschwerpunkt)� gleichbleibender Rhythmus� Melodieführung (Auf- und Abwärtsbewegung mit Hinleitung zum Höhepunkt)Die Pause danach hält er recht lange aus und schaut wieder zum Therapeuten.Um solche Phrasen spontan spielen zu können, braucht man meiner Meinung nach eingutes Gehör, ein Gefühl fürs Instrument, eine Orientierung im Hier und Jetzt und einegewisse Stabilität, die dem ganzen die Basis gibt. Während er sich zu Anfang am Spieldes Therapeuten orientierte, zeigt er sich hier viel selbstbewußter.Ausdruck bekommt diese Veränderung in einer starken Steigerung der WerteFormgestaltung (FG=3,5) Variation (VR=3,6) und Autonomie (AT=3,4). Allerdings zeigtdie Standartabweichung von FG einen hohen Wert (SA>1), was auf eine hoheUneinigkeit bei der Beobachtergruppe schließen läßt. Deswegen kann diese Erkenntnisnicht als gesichert betrachtet werden.

Ich selbst habe bei dieser Improvisation wenig Struktur durch Rhythmus gegeben, dasich das Spiel eigenständig entwickelte. Vielmehr habe ich das Spiel der Patientenverstärkt und deren Impulse aufgegriffen. Von der Beobachtergruppe stammt hierzudieser Beitrag: Die Patienten zeigen eigene Beiträge und Ideen.

5.2.4 Verbindung zum klinischen Gesamtbild

In diesem Kapitel soll beschrieben werden, wie sich die Patienten im Klinikalltagverhalten haben und warum sie letztendlich für die Musiktherapie ausgewählt wurden.Außerdem soll auch eine kurze Skizzierung ihres Verhaltens in der Musiktherapie ausmeiner subjektiven Sicht erfolgen:

Herr S. wirkt sehr zurückhaltend, aber nicht ängstlich. Er spricht sehr leise und nursporadisch, und sucht von sich aus keinen Kontakt zu Mitpatienten. Er zeigt kaumMimik und ist sehr affektverflacht.Die Musiktherapie sollte ihn zu sozialen Kontakten motivieren. AllgemeineAktivierung und das Erleben von Beziehung und Begegnung mit dem Therapeutenund der Gruppe war hier das wichtigste Ziel. Das Wiederentdecken und Wahrnehmenvon Affekten ist ein Punkt, der hier auch erstrebenswert erscheint, aber wahrscheinlichschwierig zu erreichen ist.In der Musiktherapie blieb er zu Beginn meistens an einem Instrument und immer imHintergrund, spielte aber schon mal mit den anderen mit, d.h. er registriert, was dieanderen machen und spielt im gleichen Rhythmus, probiert darin dann eigene Sachenaus (z.B. Synkopen oder Triller). Auf Kontaktgesuche in der Musik reagiert er kaummerklich, einmal schaute er kurz zu mir herüber. Am Nachgespräch beteiligt er sichnicht. Auf Anfragen antwortet er sehr kurz, aber teilweise auch mit intelligentenBemerkungen: „Ich habe doch schon alles mit der Musik gesagt!“Im Laufe der Musiktherapie sind hier jedoch Veränderungen in seinem Spielverhaltenaufgetreten, die auch in der Untersuchung deutlich wurden, so daß man sagen kann,daß eine Entwicklung in der therapeutisch gewünschten Richtung aufgetreten ist. Es

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wurden sogar Entwicklungen im affektiven Bereich gemessen, die erst als wenigrealistisch eingestuft wurden.

Herr H. war mit drei Monate schon ungewöhnlich lange auf der Station, bevor er in dieMusiktherapiegruppe kam. Es war sein erster Psychiatrieaufenthalt und auch diePsychose tauchte bei ihm zum ersten Mal auf. Er zeigte eine sehr produktiveSymptomatik (v.a. akustische Halluzinationen und Wahnideen), welche auch untermassiver Behandlung mit Psychopharmaka nicht vollständig verschwanden. Allerdingswar er der Behandlung gegenüber positiv gestimmt und sehr kooperativ. Auch zeigteer sich häufig gutgelaunt und auch kontaktfreudig. Er war aber auch leicht irritierbarund reagierte oft verunsichert. Nach eigenen Angaben litt er selbst am meisten darunter, daß er sich nicht mehr gut konzentrieren könne und daß er immer häufigerAggressionen verspüre, die er sich nicht erklären könne.Die Verweisung in die Musiktherapie kam aus dem Grunde, daß er durch diestrukturierenden Eigenschaften der Musik stabilisiert werden sollte. Auch dieMöglichkeit eines Aggressionsabbaus auf musikalischer Ebene wurde in Erwägunggezogen.Zu Beginn der Musiktherapie probierte er viele verschiedene Instrumente aus, dabeispielte er sehr holperig, sprunghaft und ungeordnet.Man bekam oft Blickkontakt mit ihm, er reagierte auf Kontaktgesuche, und es kamhäufig zu gemeinsamen Aktionen, auch zu einem gemeinsamen Ende.Er suchte oft nach Orientierung bei anderen, indem er versucht, sich anpassen. Seineigenes Spiel konnte er nicht lange durchhalten, da er sich schnell durch uneindeutigeSituationen verunsichern ließ (z.B. wann ist das Spiel zu Ende?). Das Problem mit demuneindeutigen Endes schaffte er nach einiger Zeit, selbst für sich zu lösen, in dem eranfing zu klatschen, um das Spiel zu beenden. Dies wurde dann auch von den anderenaufgriffen.Auch sein Spiel wurde strukturierter, er entdeckte eine Vorliebe für gewaltige, Marsch-ähnliche Rhythmen. Und er schaffte es sogar, einzelne Melodien zu erfinden, wenn erz.B. am Marimbaphon spielte (vgl. Kap.5.9.3).Im großen und ganzen decken sich sein Gesamtbild und meine Beobachtungen mit denErgebnissen aus der Untersuchung. Lediglich im Bereich der Strukturierung aus derMAKS-Analyse ergibt sich eine Diskrepanz. Ich selbst hätte dort einen gesteigertenWert erwartet, während er am Ende der Therapie sogar noch unter dem Anfangswertlag. Hier lag auch sein Hauptproblem. Seine starke Irritierbarkeit und sein Suchen nachOrientierung bei anderen. Aber auf anderen Ebenen wie Formgebung, Autonomie undVariation und auch anhand der Musikbeispiele läßt sich eine Entwicklung in dietherapeutisch gewünschte Richtung festmachen.

Frau S. wirkt unsicher und zurückhaltend, man muß ihr „alles aus der Nase ziehen“.Und sie scheut sich scheinbar vor Kontakt und Begegnung. Verarbeitet vieleGeschehnisse wahnhaft, hat Beziehungs- und Verfolgungsideen. Viele Fragen sind ihrunangenehm.Zur Musiktherapie kam sie zur Stärkung ihres Selbstwertgefühls, zur Stimulierung vonKontakt und Aufbau einer therapeutischen Beziehung und um Anerkennung durch dieGruppe zu erleben.

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In der Musiktherapie selbst fing sie nie selbst ein Spiel an, sondern wartete immer aufdie Initiative anderer. Sie hing sich unscheinbar an das Spiel der anderen dran, bliebaber immer auf einem Niveau (Tempo, Dynamik). In einer Situation spielte siedurchweg den gleichen Rhythmus, in einer hohen Lautstärke, wie ich es bisher von ihrnicht kannte. Als die Gruppe dann leiser wurde und sie trotzdem weiterspielte, war diegesamte Aufmerksamkeit auf sie gerichtet. Als sie dies bemerkte, wurde sie rot, brachihr Spiel sofort ab, und reihte sich wieder in das allgemeine Geschehen ein. Bei eineranderen Situation spielte sie einen eigenen Rhythmus, den ich versuchte zuunterstützen. Sie registrierte das mit Blickkontakt und einem Lächeln und hielt diesenRhythmus bei. Dies sind Situationen, die nur vereinzelt auftraten und keinesignifikanten Veränderungen in Gang setzen konnten. Auch bei der Analyse derUntersuchungsergebnisse bestätigte sich das Bild einer Stagnierung. Dies war aber auchin den anderen Therapiebereichen der Station festzustellen. Es war im Team vonpsychodynamischen Schwierigkeiten die Rede, die ihre eigene Initiative erforderte, umsie zu beseitigen. Diesen Schritt wollte und konnte sie aber wohl nicht gehen, so daß siein der Stagnation steckenblieb und auch so entlassen werden mußte.

5.2.5 Ergebnisse des Selbstbeurteilungsbogen nach Reker

Die 25 Items aus dem Bogen wurden von den einzelnen Patienten sehr unterschiedlichbewertet:

Herr S. hat auch die meisten Aspekte mit zum Teil zutreffend beurteilt. Nur in fünfPunkten konnte er positiv zustimmen. Diese bezogen sich vor allem auf die BereicheAktivierung, Motivierung und musikalischer Inhalt. Die Musiktherapie habe ihm Spaßgemacht, aber die Frage, ob die Musiktherapie für seine Behandlung wichtig war, wirdvon ihm verneint. Wie kommt es, daß ein Patient, der in der Musiktherapie von außengesehen eine durchweg positive Entwicklung zeigt, diese für sich selbst als nicht sorelevant einstuft? Eine Erklärung liefert vielleicht, daß er nach eigenem Empfinden fürsich wenig Positives aus der gesamten Behandlung ziehen konnte, was auch dieanderen Therapiebereiche betraf. Dem Behandlungsteam fielen aber durchausVeränderungen auf, die mit den Meßresultaten übereinstimmen. Gerade bei ihm wirddie vermutete Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung bestätigt.

Herr H. hat fast alle Fragen eindeutig zu Gunsten der Musiktherapie beantwortet. Diesbetrifft die Aspekte, die bei Aktivierung, Strukturierung, Stabilisierung undemotionalem Erleben einzuordnen sind. Lediglich die Punkte, die Konzentration undverbale Reflexion ansprachen, beurteilte er mit zum Teil zutreffend . Diese Bewertungdeckt sich durchaus mit dem Bild, das durch die Fremdbeurteilung entstanden ist.Auch sagte er selbst im Anschluß an die Improvisationen, daß ihm das Spielen vielSpaß macht und er dies lieber tut als z.B. Kognitionstraining am Computer. Im Hinblickauf seine leichte Irritierbarkeit ist zu erwähnen, daß er das Durcheinander inImprovisationen nicht als beunruhigend oder beängstigend erlebt hat, was dieRichtigkeit der Arbeitsweise unterstützt.

Frau S. hat viele Fragen als zum Teil zutreffend beurteilt. Negative Auswirkungen derMusiktherapie hat sie verneint, aber die Angst, etwas falsches zu spielen, nicht

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ausgeschlossen. Aspekte, die mit Aktivierung und emotionalem Erleben zu tun haben,hat sie hingegen als voll zutreffend bewertet. Beispielsweise das Erleben von Gefühlenund Stimmungen und das Träumen und Phantasieren während der Improvisation.Dieses Erleben wurde nicht bei der Analyse der Fremdbeurteilungs-Untersuchungdeutlich. Auch hier tritt offensichtlich eine Diskrepanz zwischen Fremd- undSelbstbeurteilung auf, die bereits bei früheren Untersuchungen aufgetaucht ist (vgl.Kap. 3.2.4 und 3.2.8). Sie hat ihr Erleben konsequent für sich behalten und nicht nachaußen gezeigt. Dies wird auch bei der Beurteilung ihres Kontaktverhaltens deutlich.Und es ist ein Zusammenhang zu ihrem allgemeinen Verhalten zu erkennen: Auf derStation war sie unsicher, zurückhaltend und scheu. Dies konnte sie auch während derMusiktherapie nicht ablegen. Aber trotzdem hat sie nach eigener Ansicht von derMusiktherapie profitiert.

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6 Schlußfolgerungen und Ausblick

Rückblickend auf die Ausgangssituation sollen nun die Fragen aus der Problemstellungabschließend beantwortet werden:

1. Sind im Verlauf der Therapie Veränderungen und Entwicklungen in für dieseZielgruppe relevanten Bereichen zu beobachten?

Zunächst einmal wurden die als relevant angesehenen Bereiche anhand dertheoretischen Konzepte abgesteckt, die hier stichwortartig noch einmal aufgegriffenwerden sollen:� Aktivierung und Motivation� Stabilisierung und Strukturierung, Stärkung der gesunden Anteile� Entwicklung des Selbsterlebens (Selbst- und Fremdwahrnehmung, emotionales

Erleben, spielerischer Ausdruck)� Kontaktverhalten sowohl zur Musik als auch zu anderen (Therapeut oder Patienten)Aus den Ergebnissen der Untersuchung kann nun entnommen werden, daß tatsächlichbei den beobachteten Patienten signifikante Veränderungen aufgetreten sind. Dies istvor allem bei den Faktoren allgemeines Engagement, Bezug zur Gruppe (v.a.Kontaktverhalten) und Ausdruck aus der MAKS zu beobachten. Auch im BereichFormgebung, Gestaltung sind Entwicklungen zu erkennen, die aber aufgrund hoherStandartabweichungen nicht immer signifikant sind. Hier ergibt sich nur im ItemVariation ein überzeugender Wert. Aber die Ergebnisse, die die anderen Bereicherepräsentieren, sprechen eine deutliche Sprache.Diese Ergebnisse können durch die subjektiven Beobachtungen der Ratergruppe unddurch die musikalische Analyse deutlich untermauert werden, so daß hier wenig Anlaßfür Zweifel an der Richtigkeit der gewonnenen Erkenntnisse besteht.

2. Welche Meßinstrumente sind geeignet, um die in Frage 1 angedeutetenVeränderungen festzuhalten?

Es wurden eine Reihe von Meßinstrumente analysiert.Auffällig ist, wie wenig Meßinstrumente es tatsächlich gibt, die das Geschehen in derMusiktherapie relativ genau wiedergeben können. Hier besteht noch ein großerForschungsbedarf, aber auch Diskussionsbedarf, ob sich überhaupt relevantetherapeutische Prozesse in ihrer Ganzheit von operationalisierten Meßverfahrenvollständig festhalten lassen.Ausgewählt wurden schließlich die Musiktherapeutische Ausdrucks- undKommunikationsskala (MAKS), eine qualitative Forschungsmethode nach Smeijstersund der Selbstbewertungsbogen nach Reker. Im Rückblick kann man sagen, daß dieMAKS ihre Aufgabe, das Verhalten der Patienten in der Musiktherapie operationalisiertzu beurteilen, zufriedenstellend erfüllt hat. Nur in wenigen Punkten ergeben sichungenaue Aussagen durch eine zu hohe Standartabweichung und durch Unklarheitenbei der Beurteilung. Dies könnte auf Mängel des Meßinstruments oder aufungenügendes Ratertraining hinweisen. Auf ein solches Training wurde von Moreau,die das MAKS entwickelte, ausdrücklich hingewiesen, konnte aber praktisch bei dieserUntersuchung nicht besser realisiert werden.

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Allerdings sind auch die Grenzen einer solchen Meßskala deutlich geworden. Es kannz.B. nur der Grad einer affektiven Äußerung bestimmt werden, nicht aber deren Inhalt.Hier hat sich die Entscheidung, quantitative und qualitative Methoden zu kombinieren,bezahlt gemacht. Dadurch können diese Mängel kompensiert werden und sogarAussagen über die Gesamtsituation in der Gruppe gemacht werden. DieEinzelbewertung der Patienten mit Hilfe der MAKS formen sich durch die subjektivenBeobachtungen anhand der Smeijsters-Methode zu einem Gesamtbild. DieseKombination ist in der Durchführung natürlich sehr aufwendig, aber meiner Ansichtnach notwendig, um Zusammenhänge zwischen den gemessenen Veränderungen undden Therapieverläufen aufzeigen und auch belegen zu können. Wenn dieseZusammenhänge hinreichend untersucht werden, kann man sich auch auf quantitativeVerfahren beschränken, um eine größere Patientenstichprobe untersuchen zu können.Hier besteht jedoch immer die Gefahr, daß wichtige Gegebenheiten in bezug auf denTherapieprozeß nicht erfasst werden.Die Erkenntnisse aus der Auswertung des Selbstbeurteilungsbogens werden in derBeantwortung der nächsten Fragen noch einmal aufgegriffen.

3. Können Rückschlüsse auf bestimmte Elemente der Musiktherapie gemacht werden,die Veränderungen und Entwicklungen ausgelöst und in Bewegung gebracht haben(musikalische/ psychologische Prozesse)?

Es sind im Laufe der Untersuchung ein großes Vorkommen von Analogien entdecktworden. Psychologische Prozesse, die durch die Untersuchung herausgestellt wurden,konnten durch die Analyse der musikalischen Prozesse erklärt werden.Kann man nun bestimmte Elemente der musikalischen Prozesse herausgreifen, diediese Prozesse in Gang gesetzt haben?Bei der Reduzierung des Gesamtgeschehens auf die musikalischen Parameter kannglobal gesagt werden, daß Rhythmus ein Indikator für Kontakt darstellen kann. Warein Kontakt zwischen den Spielern zu erkennen, war auch immer ein gemeinsamerRhythmus vorhanden, indem sich die Patienten trafen. Aber der Rhythmus ist dafürnicht allein verantwortlich. Hier ist wohl auch der Moment der Veränderung wichtig.Woran merke ich, daß ich Kontakt zum Patienten habe? Wenn aufeinander reagiertwird. Und Reaktion ist nur in der Veränderung wahrnehmbar. Dies belegen dieBeispiele aus der musikalischen Analyse, in denen Impulse von Patienten von anderenPatienten aufgegriffen wurden und dadurch der bestehende Kontakt hörbar wurde.Eindeutig ist aber die strukturierende Eigenschaft des Rhythmus. Dies geht aus dentheoretischen Konzepten, aus den Beobachtungen der Ratergruppe und aus dermusikalischen Analyse hervor.Ob aber daran eine verbesserte Stabilisierung der Patienten abgelesen werden kann,geht nicht aus der Untersuchung hervor. Gerade die Bereiche der Formgestaltung undStrukturierung aus der MAKS wiesen Fehler auf. Hier spielen sicherlich auch andereParameter wie Form und Melodie eine wichtige Rolle, was eindeutige Aussagenerheblich erschwert. Die könnte auch eine Erklärung für die Fehler in der Untersuchungsein. Meine eigene subjektive Meinung, inwieweit die musikalischen ParameterRückschlüsse auf eine verbesserte Stabilisierung der Patienten ermöglichen, wird in dermusikalischen Analyse deutlich. Dort habe ich versucht, anhand einer melodischerPhrase eines Patienten seine Veränderungen in bezug auf Stabilisierung aufzuzeigen.

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Bis sich diese Thesen aber wissenschaftlich belegen lassen, braucht es wohl noch einigesmehr an weiterführender Forschung.

Ein Element der Musiktherapie, das meiner Ansicht nach für den Therapieverlauf vongroßer Relevanz ist, aber in diesen Ergebnissen kaum zu erkennen ist, ist dieArbeitsweise des Therapeuten, seine Interventionen und die Beziehung zwischenTherapeut und Patient.Anhaltspunkte aus der vorliegenden Untersuchung geben hierzu lediglich Hinweise:Zum einen gibt es Beobachtungen der Ratergruppe zum Therapeutenverhalten, die sicheher auf das Benennen von Interventionen beschränken, diese aber nicht näherbeschreiben (vgl. Kap.5.2.2). So wurde beispielsweise in Szene 1 hierzu beschrieben, daßder Therapeut versucht, Struktur anzubringen, und Kontak t zu einigen Patienten sucht.In der musikalischen Analyse wurde aber deutlich, wie diese Intervention aussah undwie die Patienten darauf reagierten. Hier entstand der Kontakt in einem kleinenmusikalischen Dialog (vgl. Kap.5.2.3.1).In der 2. Szene wurde beobachtet, daß der Therapeut Struktur anbietet und deutlichanwesend ist. Hier habe ich eine musikalische Figur angeboten, die durch seinerhythmische Prägung eine strukturierende Funktion hatte. Alle Patienten trafen sich imLaufe des Spiels in diesem Metrum, wobei trotzdem jeder seine Autonomie behielt.Diese Intervention hatte außerdem noch die Funktion, die ruhige Atmosphäre zuverstärken und ihr eine Form zu geben, wodurch sie weiter gestaltet werden konnte(vgl.Kap.5.2.3.2).In Szene 3 gab es dann keine Kommentare mehr zum Therapeutenverhalten, jedochwurde herausgehoben, daß die Patienten mehr eigene Beiträge und Ideen zeigen. Hierkam es zu einer annähernd gleichwertigen Stellung unter den Spielern. Hier konnte ichmich als Therapeut mehr zurücknehmen und verstärkte das Spiel der Patienten (vgl.Kap.5.2.3.3).Auch in den Selbstbeurteilungen der Patienten finden sich Hinweise über meineArbeitsweise. In drei Punkten waren sich alle drei Patienten einig:1. Die Musiktherapie hat Spaß gemacht2. Das Durcheinander der Töne wurde nicht als beunruhigend oder beängstigend

erlebt3. Sie waren überrascht, was für interessante Musik dabei entstehtDies ist zumindest eine Bestätigung für die Methode der freien Improvisation. Obmeine Arbeitsweise mit dieser Methode noch zu verbessern ist, kann hieraus nichtentnommen werden. Dazu wurde sie nicht genügend beobachtet.Das gleiche gilt für den Stellenwert der therapeutischen Beziehung. Die Werte aus derMAKS-Analyse in bezug auf Kontaktverhalten und –intesität geben sicherlichAufschluß über die Beziehung zwischen Therapeut und Patient. Aber wie sich dieseBeziehung genau entwickelte, läßt sich daraus nicht entnehmen.Hier ergeben sich neue Ansätze für weiterführende Untersuchungen.

4. Deckt sich das von außen beobachtbare Erleben der Patienten mit dem Selbsterleben?Aus den Selbstbewertungen der Patienten ergaben sich teilweise Über-einstimmungenzu den Fremdbewertungen. Jedoch tauchten auch auffällige Diskrepanzen auf, diesowohl positive als auch negative Anteile haben. Dieses Phänomen wurde schon in

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früheren Untersuchungen festgestellt. Die Frage, warum sich inneres Erleben derPatienten scheinbar nicht immer nach außen abbildet, bleibt aber weiter bestehen. EineAntwort konnte auch hier nicht gefunden werden. Aber in dieser Untersuchung isteinmal mehr deutlich geworden, daß man das Selbsterleben der schizophrenenPatienten nicht außer Acht lassen sollte. Dieses Thema kann hier leider nur am Randegestreift werden und bietet sicherlich Anlaß für tiefergehende Untersuchungen.Komm ich nun zur Diskussion der Hauptfragestellung:

Welche Aussagen können über die Effektivität von Musiktherapie bei der Behandlungvon Schizophrenie gemacht werden?Aufgrund der Diskussion der 4 Teilfragen kann die Frage nach der Effektivität vonMusiktherapie bei der Behandlung von Schizophrenie mit Ja beantwortet werden.Allerdings sind hier wichtige Einschränkungen zu machen, die sich aus demUntersuchungsverlauf ergeben haben.Zum einen gab es eine übermäßig hohe Dropout-Rate, so daß nur zwei von fünfPatienten wirklich beurteilt werden konnten. Dies scheint eine Aussage, die Anspruchauf eine allgemeine Gültigkeit erhebt, zunichte zu machen.Nichtsdestotrotz ist eine Aussage über eine Einzelfallbetrachtung von großerWichtigkeit. Sie bietet den Vorteil, daß man sich tieferen Zusammenhängen widmenkann, was rein pragmatisch bei einer rein quantitativen Untersuchung mit einer großenPatientenstichprobe nur schwer zu realisieren ist.Des weiteren ist das Erstreben einer allgemein gültigen Aussage vielleicht gar nicht sonotwendig. Ich erinnere nur an das Zitat von Ciompi, das ich in Kap. 4.1.2 aufgeführthabe. Wenn sich die einzelnen Krankheitsverläufe von schizophrenen Patienten sounterscheiden, daß man einen Fall nicht auf den anderen übertragen kann, dannkommt man zwangsläufig zu folgender Schlußfolgerung:Man kann nur durch die konsequente Beschreibung von Einzelfällen eine Gewissheiterlangen, ob eine Methode wirklich geeignet ist, um schizophrenen Patienten zu helfen.So kann diese Arbeit vielleicht einen Beitrag leisten, die Musiktherapie in derBehandlung von schizophrenen Patienten zu etablieren und zu festigen.Ich glaube, daß auch im wissenschaftlichen Sinne diese Arbeit trotz einiger Fehler in dierichtige Richtung weist. Denn die aktuelle Entwicklungen im Gesundheitssystem imHinblick auf Kosteneinsparungen und die Bevorzugung von beweisbarenBehandlungsverfahren (Evidence-Based) geben genügend Anlaß dafür, daß auch dieMusiktherapie den wissenschaftlichen Weg gehen muß. Hier steht die Musiktherapiesicherlich noch am Anfang eines beschwerlichen Weges, aber ich habe durch meineStudien und durch meine eigene Untersuchung die Zuversicht gewonnen, daß dieserWeg gegangen werden kann.

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Literaturverzeichnis

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Anhang

1. Der Selbstbeurteilungsbogen nach Reker 642. Music Interaction Rating vor Schizophrenia (MIR(S)) 653. Die Skala zur Einschätzung der Beziehungsqualität (EBQ) 664. Die Musiktherapeutische Ausdrucks- und Kommunikationsskala (MAKS) 675. Qualitative Forschung zur Untersuchung von Analogien nach Smeijsters 696. Improvisation Assessment Profiles (IAPs) 707. Raterinstruktionen (deutsch und niederländisch) 718. Die bearbeitete MAKS (deutsch und niederländisch) 729. Vorlage zum Festhalten der subjektiven Eindrücke (d. und n.) 7410. Die Ratergruppe 7611. Die Mittelwerte und Standartabweichungen aus der Untersuchung 7712. Zusammenfassung der subjektiven Eindrücke der Ratergruppe 7813. unsystematische Bemerkungen der Ratergruppe 7914. Die Ergebnisse der Selbstbeurteilung 80

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Abschlußfragebogen zur Musiktherapie stimmt stimmtzum Teil

stimmt nicht

1 .die Musiktherapiestunden haben Spaß gemacht2. das Durcheinander der Töne und Geräusche in den Musiktherapiestunden hat mich ganz unruhig und ängstlich gemacht3. über die Musik konnte ich leichter in Kontakt zu anderen kommen4. beim Musikmachen konnte ich Gefühle und Stimmungen gut erleben und ausdrücken5. durch Musik wurde ich zum Träumen und Fantasieren angeregt6. das Musikmachen hat mich beruhigt und entspannt7. beim Musikmachen hatte ich weniger Ängste als sonst8. ich habe immer mehr gelernt, beim Spielen auch auf das zu hören, was von anderen kommt9. ich habe meistens nur auf das gehört, was ich selber spiele10. ich hatte große Angst, falsch zu spielen11. ich mußte mich richtig anstrengen, um mich auf die Übungen und die Musik zu konzentrieren12. ich fand es leichter, mich auf das Musikmachen zu konzentrieren, als auf Gespräche, Fernsehen oder Lesen13. nach den Musiktherapiestunden habe ich mich eine Zeitlang ruhiger und entspannter gefühlt14. ich bin nach den Musiktherapiestunden eine Zeitlang wacher, frischer und aktiver gewesen15. nach den Musiktherapiestunden habe ich mich müde, abgespannt und genervt gefühlt16. ich habe mich nach den Musiktherapiestunden genauso wohl gefühlt wie vorher17. ich habe mich in der Gruppe sicher und geborgen gefühlt18. die Musiktherapiestunden waren eine willkommene Abwechslung im Klinikalltag19. ich fand es gut, daß hinterher über die Musik geredet wurde20. ich fand es schwierig, etwas über die gespielte Musik zu sagen21. mir sind oft passende Bilder oder Titel für eine Improvisation eingefallen22. ich habe mich gewundert, was andere zu der Musik gesagt haben23. ich fand es überraschend, was musikalische Laien für eine interessante Musik zustande bringen24. ich habe eine neue Art Musik zu machen kennengelernt25. ich glaube, daß Musiktherapie ein wichtiger Bestandteil meiner Behandlung war

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Music Interaction Rating for Schizophrenia-MIR(S) by Pavlicevic

� Level 1: no musical contaet. P's musical utterances are not sufficiently organized to enable Tto match or meet them. P´s pulse may be erratic, rhythmic patterns are unformed, and themeter is not well established. The joint improvisation is unsynchronized.� Level 2: P is unresponsive. T is able to meet or match some of P´s musical statements, eventhough they may be disordered, e.g., by reproducing the pulse in P's music so that the playershave a common pulse. However, when T intervenes to bring about a musical change, e.g., byaltering the tempo or the rhythmic pattern, P continues to play as before, showing awarenessof the change in T´s music. The musical contact is thus one.sided; T is making all theadjustments to meet P´s music, and P appears unaware.� Level 3: nonmusical response. As for level 2, but when T intervenes, P´s response is to stopplaying, start talking, look up, or play in a chaotic manner which loses the common beat.Here P shows an awareness of T´s intervention, but his/her response is nonmusical andoutside the musical relationship� Level 4: self-directed musical response. P responds to T´s interventions, but the content isnot directed toward T. That is, the resulting change in tempo or rhythmic pattern or accentdoes not move toward T but away from her, and effectively keeps her musically on theperiphery. This prevents any sustained musical contact between the two players, and is „self“rather than „other“ directed. This level is also used to designate improvisations in which Tdoes not intervene but allows P to "do his or her own rnusical thing," while offeringperipheral support. This is done to allow P time to explore the instrument and try out-musicalpossibilities without interference by another.� Level 5: tenuous musically directed response. P's responses to T's interventiors show amusical direction of movement towards T's music but this is as yet unsustained and limited incontent. For example, P may speed up in response to T´s accelerando, but may not sustainthis all the way to the musical resolution. This suggests the beginnings of awareness andresponsiveness by P of the other partner in a joint musical context.� Level 6: sustained musically directed response. As in Level 5, but P´s responses are moresustained. For example, P sustains an accelerando with T all the way through the harmonic ormelodic content of hte improvisation. P is likely to become over-dependent on T, and toimitate or attempt to imitate everything that T does musically.� Level 7: tenuous mutual contact. P begins to show some musical initiative within the contextof the joint interaction. This is different from levels 2 to 4, where P's inappropriate ornonresponsiveness results in a loss of mutuality. Here, P´s initiative is congruent with thepreceding shared musical material, which has musical meaning for both players. Forexample, P may play a basic pulse on the drums while T plays rhythmic patterns, or evensyncopations. P does not attempt to follow T's rhythmic and melodic elaborations, and hewould most likely lose his or her level of control if he or she tried to do so. But, by holdingthe basic pulse while T plays, he or she is enabling T to play, while participating in anindependent and related manner.� Level 8: sustained mutual contact. As in Level 7, but contacts are more sustained. P maybegin to initiate changes of tempo which are musically appropriate, may lengthen phrases,may return to an earlier rliythmie pattern, and so on.� Level 9: musical partnership. P and T take turns to lead in a fully mutual partnership. Thisapproaches an improvisation in Jazz, where the musical material is constantly tossed betweenthe two players, who then extemporize, using the forms they have created together.

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EBQ – Einschätzungsskala zur Beziehungsqualität von Schumacher

Modus 0 Kontaktlosigkeit

Modus 1 Kontakt-Reaktion

Modus 2 Funktional-sensorischer Kontakt

Modus 3 Kontakt zu sich, Selbstempfinden-Selbsterleben

Modus 4 Kontakt zum Anderen / Intersubjektivität

Modus 5 Beziehung zum Anderen/ Interaktivität

Modus 6 Begegnung/ lnteraffektivität

Kontaktlosigkeit (Modus 0) ist nie als absolute Größe zu verstehen, sondern meint ein nichtsichtbares Reagieren auf Personen und Gegenstände. Kontakt-Reaktion (Modus 1) meint das"Gewahrwerden" eines Reizes. Es ist eine Frage der Zeit, ob aus einer Kontakt-Reaktion einKontakt (contactus, lat. gemeinsames Berühren) wird. Entscheidend ist hier die Frage, wie langedie Bezogenheit, die "Berührung" anhält. Autistische Kinder reagieren oft nicht zunächst auf denMenschen, sondern auf Musik "an sich". Eine Kontakt-Reaktion meint den Moment, in demnoch offen ist, ob das Kind die Chance einer möglichen Beziehung nutzen wird oder sich erneutverschließt. Der funktional-sensorische Kontakt (Modus 2) meint das Herstellen von Kontakt füreigene sensorische Bedürfnisse, ohne das Gegenüber in seinen Eigenheiten und Wünschen oderden Gegenstand mit seinen Eigenschaften und in seiner ursprünglichen Funktion wahrzunehmen,bzw. zu berücksichtigen. Die Begriffe: "Beziehung" (Modus 5) und "Begegnung" (Modus 6)habe ich aus einer früheren Arbeit übernommen (Schumacher 1994, S.6). Sie sind dort wie folgtdefiniert: "Beziehung braucht Zeit. Sie ist das Ergebnis von Kontakt und Begegnung. Beziehungmuß - je länger sie andauert - gestaltet werden. In jeder neuen Situation gestaltet sie sich nachden Nähe-Distanz-Bedürfnissen der beteiligten Personen. Solange Beziehung besteht, hört dieseArbeit des Gestaltens nicht auf. Wird sie nicht mehr gestaltet, so entsteht entweder eine ArtSymbiose (Verschmelzung - zu wenig Distanz), oder die Beziehung löst sich auf(Beziehungsabbruch - zu viel Distanz). Begegnung ist wirkliches Leben (Buber 1984, S.15).Begegnung ist ein Glücksmoment, nicht planbar und von kurzer Dauer mit um so intensivererLangzeitwirkung. Die menschliche Begegnung meint den Augenblick, in dem zwei Menschensieh füreinander öffnen. Oft ist dieser Moment mit einem "Augenblick" verbunden, der schnellwieder vorbei sein kann. Auch wenn in der Arbeit mit autistischen Kindern der Moment derBegegnung so selten und kurzfristig ist, hinterläßt er unausweichlich Spuren...

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MAKS – Skala Ausdrucksverhalten1. Umgang mit dem InstrumentInstrumentenwahl wählt von sich

aus keinInstrurnent

Glockenspielkleine Klang- &Geräuschinstr.

Saiteninstrument(Leier. Psalter,Kantele)

Stabspiele(XylophoneMetallophone)

Trommeln Kl.Schlitztrommeln

Gongs BigBomSchlagzeug

Klavier,CelloBlasinstrumente

Tonraum (genutzteSpielfläche auf Instr.)

Tonraurn wirdnicht genutzt(funktionstremd)

kleinsterTonraum

kleiner Tonraum mittlerer / halberTonraurn

großer Tonraum ganzer Tonraurn erweiterterTonraum

Initiative (Häufigkeiteigener Impulse)

keine eigenenImpulse (spieltnur mitAufforderungund nterstützung)

sehr wenigeigene Impulse(spielt ausschl.übernomrnene,bekannte Musik)

wenig eigeneImpulse

eigene Impulse viele eigeneImpulse

sehr viele eigeneImpulse aufeinmal

zu viele eigeneImpulse, kannsich nichtbegrenzen, findetkein Ende

2. Formgebung, GestaltungFormgestaktung(Zusammensetzung vonEinzeltonen zukomplexeren Formen)

Einzeltöneunzusammen-hängend

Tonleiter, undTonleiterum-spielungen

Motivfetzen(2-3 zush. Töne)

Motive(4-8 zush.Töne)

musikalischePhrase (mehrerezush. Motive)

Phrasen-ausgestaltung, -weiterführung

übermäßigePhrasonaus-gestaltung(Manihertheit)

Strukturiertheit(Untergliederung desSpiels durch Pausen,Akzente, Wieder-holungen,Phresierung),

keine Struktur(diffus,verschwommen)

sehr wenigStruktur(Strukturele-mente zerfahren,ungeordnet)

wenig Struktur(holprig,brüchig)

angemesseneStruktur(geordnet, klar)

viel Struktur(konstant, stabil)

sehr viel Struktur(festgefahren,unflexibel)

übermäßig vielStruktur(stereotyp)

Variation(Beweglichkeit/ Wechselin Tonraum, SpieltechnikAnschlag,Akzentuierung)

keine Variation,(starr)

sehr wenig V.(monoton,einförmig)

wenig Variation(sparsam,undifferenziert)

mittlere V.(variabel,beweglich)

viel Variation(reichhaltig,differenziert)

sehr viel V.(abwechslungs-reich)

übermäßig vielV.

3. Vitalität, AusdrucksdynarnikSpielkraft(erlebte Lautstärke,Hörbarkeit)

extrem leise(kaum hörbar)

sehr leise (sehrschwach)

leise (schwach) mittel,angemessen

laut (deutlich) sehr laut(kraftvoll, stark)

extrem laut(forciert,unangenehm)

Spannung (auf das Instr.übertragene Energie inAbhängigkeit vomAusdruckspotential dasInstr.)

weit unter demPotential d. Instr.

im unterenPotential d. Instr.

im mittlerenPotential d. Instr.

im oberenPotential d. Instr.

Potential d. Instr.überspannend

Instrumentzerstörend

Spielfluß(Grad der Hemmung/Getriebenheit)

sehr gehemmt(stockend)

gehemrmt(holprig,brüchig)

eher gehemmt(verhalten,kontrolliert)

ausgewogen etwas getrieben(leicht erregt,leicht gesteigert)

getrieben (erregt,drängend)

sehr getrieben(übererregt)

Lebendigkeit(erlebtes Tempo)

extrem gering(verebbend,lähmend)

sehr gering(langsam,bedächtig, träge)

gering (ruhig) angemessen(gehend)

gesteigert(munter,beschwingt)

sehr gesteigert(schnell,aufgeregt)

übersteigert(hastig, quirrlig)

Dynamik(Variation in Tempo,Lautstärke)

keine Dynamik(monoton,gleichförmig)

sehr schwacheDynamik

schwacheDynamik

ausgewogeneDynamik

starke Dynamik sehr starkeDynamik

übersteigerteDynamik(sprunghaft)

4. AusdrucksqualitätKlangqualität(Heftigkeit/ Sanftheit desAnschlags)

sehr sanft(vorsichtig)

sanft (zart) eher sanft(weich, klingend)

ausgwogen eher heftig(dumpf)

heftig (hart) sehr heftig (spitz,scharf)

Ausdrucksqualität(Intensität desGefühlsausdrucks)

sehr geringe 1.(ausdrucksleer)

geringe 1.(ausdrucks-schwach)

angemessene,mittlere Intensität(ausdrucksvoll)

große Intensität(gefühlsstark,aufwühlend)

sehr große 1.(gefühls-überladen)

emotionale Aussagekraft(Erkennbarkeit u.Eindeutigkeit desemotionalen Erlebens desSpielers)

keine Aussageerkennbar

sehr undeutlicheverschwommeneAussage

undeutlicheAussage

deutliche,eindeutigeAussage

verschwimmende, überblendeteAussage

gespaltene,ambivalenteAussage

zerfahrene,ungeordneteAussageelemente

Erleben(Grad der Resonanz/Reaktiondes Spielers auf die Musik)

keine Resonanzerkennbar (wirktabwesend,gleichgültig)

schwacheResonanz (wirktwenigangesprochen)

angemesseneResonanz (wirktangesprochen)

starke Resonanz(wirkt sehrangesprochen)

überstarkeResonanz (wirktaufgewühg)

weiteres:

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MAKS - Stufenskala Kommunikationsverhalten1. allgemeines EngagementInstrumentenwahl(vom Pat. gewähltesInstrument bezogen auf dasInstrurnenten-potential desGegenüber)

stark unter demInstrumenten-potential desGegenüber

unter demInstrumenten-potential desGegenüber

gleichwertig:leise, kleineInstrumente(Saiten-. kl.Rhythmusinstr.Glockensp.)

gleichwertig:mittelgroßeInstrumente(Xylo-, Metallo-phon, kl. Schlitz-Trommeln)

gleichwertig:große, lauteInstrumente(Pauke, Gongs,SigBom, Klavier,Blasinstr.)

über demInstrumenten-potential desGegenüber

stark über demInstrumenten-potential desGegenüber

Autonomie(Eigenständigkeit,Unabhängigkeit im Setzenvon Impulsen)

keine A.: spieltnur nachAnweisung

sehr wenig A.:unselbständig,abhängig:imitiertausschließlich

wenig A.: setztwenige o.undeutlicheImpulse

angemessene A.:bringt eigeneImpulse ein

starke A.: setzteigene Impulsedurch

sehr starke A.:läßt sich von ei-genen Impulsennicht abbringen

übersteigerte A.:läßt anderennicht "zu Wortkommen"

Beteiligung(Aufmerksamkeit, bei derSache beteiligt sein)

unbeteiligt (wirktinnerlichabwesend)

sehr wenigbeteiligt(gleichgültig)

wenig beteiligt(wirkt verhalten,scheu, befangen)

angemessenbeteiligt(aufmerksam)

sehr beteiligt(neugierig)

gesteigert(überschäumend)

übersteigert(wirktangestrengt)

Dauer der Spielphrasen spielt nicht ohneAufforderung

sehr kurz kurz, knapp angemessen,bzw. gleichzeitig

lang sehr lang,weitschweifend

unterbricht nurauf Aufforderung

Raumbeanspruchung(genutzte Spielfläche aufInstr.)

Tonraum wirdnicht genutzt

kleinsterTonraum

kleiner Tonraum mittlerer/ halberTonraum

großer Tonraum ganzer Tonraum erweiterterTonraum

2. Bezug zum GegenüberBezogenheit(Wahrnehmungsorientierung auf das Instrument, sichselbst, das Gegenüber)

extremintrovertiert,abgeschottet,Bezug ausschl.zum Instrument

starkintrovertiert,selbstversunken

schwachintrovertiert

ausgewogen schwachextravertiert

stark extravertiert extremextravertiert:verliert sich inBezugslosigkeit

Kontaktverhalten(Grad der Zu-/Abgewandtbeit imSpielverhalten)

stark abgewandt(ignoriertKontaktangebot)

abgewandt (weistKontaktangebotab,zurückstoßend)

etwas abgewandt(weicht Kontakt-angebot aus)

neutral etwas zugewandt(läßt Kontakt zu,aufgeschlossen)

zugewandt(fordert zuKontakt auf,einladend)

stark zugewandt(aufdringlich,klammernd)

Kontakt – Intensität(Intensität das o.g.Kontaktverhaltens)

sehr geringeIntensität

geringe Intensität mittlere Intensität große Intensität sehr großeIntensität

Dominanz(Grad der Unterwürfigkeit/Überlegenheit)

stark unterwürfig(spielt kaum,verstummt)

unterwürfig(ergeben,fügsam)

etwasunterwürfig(unterordnend,sich anpassend)

gleichwertig,ebenbürtig

etwas überlegen(herausfordernd)

überlegen(mächtig)

stark überlegen(erdrückend)

3. Ausdrucksqualitätdynamische Qualität(Grad der Hemmung/Getriebenheit desSpielflusses)

sehrgehemmt(stockend)

gehemmt(holprig,brüchig)

etwas gehemmt(kontrolliert,verhalten)

ausgewogen etwasgetrieben(leichterregt, gesteigert)

getrieben (erregt,drängend)

sehr getrieben(übererregt)

affektive Qualität(Grad der Heftigkeit/Sanftheit des Spielers)

sehr heftig(destruktiv,zerstörerisch)

heftig (aggressiv) etwas heftig ausgewogen etwas sanft sanft(einfühlsam)

sehr sanft(zerfließend)

spielerische Qualität(Grad der Starrheit/ Le-bendigkeit des Spielers)

sehr starr starr etwas starr ausgewogen etwas lebendig lebendig sehr lebendig

logischer Aufbau(Grad der inneren Logikund Ordnung desSpielablaufs)

sehr ungeordnet,sehr zerfahren

ungeordnet,zerfahren

geordnet, logisch sehr geordnet

weiteres:

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Kwalitatief Onderzoek folgens Smeijsters

Stap 1: Bekijken van videomateriaal en beschrijven van eigen individuelesubjectieve indrukken van de sessie.

Stap 2.: Verzamelen van beschrijvingen en verdelen onder groepsleden. Nu benje onderzoeker en je analyseert de tekst:Kijk naar samenhangende alinea's: zet een streep tussen de regels als hetovergaat naar een nieuw onderwerp.Bepaal categorieën waartoe de beschrijvingen behoren, bv. Emoties, cognitiesetc.Maak aan de hand van de categorieën een schema waartoe de verschillendezinnen behoren.

Stap 3. Bespreek in de groep de gemaakte indeling en spreek af welke je gaatgebruiken (peer debriefing, triangulation).

Stap 4. Pas jouw indeling aan aan de indeling gemaakt in de groep, zonodigook schuiven met tekst. Nu ga je de inhoud van de categorieen verfijnen.Selecteer de belangrijkste zinnen, verwijder dubbele zinnen, markeer debelangrijkste woorden (sentizing concepts)

Stap 5: groepsbespreking waarbij je per categorie de sentisizing conceptsvergelijkt. Zoek samen naar psychologische motieven. Benoem deze.

Stap 6. Individuele beschrijving wat er gebeurt in het medium:muziekanalyse.

Stap 7. Groep: vergelijk de individuele beschrijvingen en stel met elkaarvast welke mediumprocessen plaats vinden.

Stap 8. Ga zoeken naar verbanden tussen mediumprocessen en psychologischemotieven. En overleg of er sprake is van analogieen.

Stap 9. Schrijf een evaluatie, waarin de persoonlijke ervaringen enproblemen in naar voren komen, welke complicaties kende het groepsproces:was er veel of weinig unanimiteit?.

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Integratie Verscheidenheid Spanning Congruentie Opvallende Zaken Autonomie1. ongedifferentieerd2. samengesmolten3. geintegreerd4. gedifferentieerd5. overgedifferentieerd

1. streng2. stabiel3. variabel4. contrasterend5. op basis van toeval

1. hypotensie2. kalm3. cyclisch4. tensie5. hypertensie

1. ongebonden2. congruent3. gecentreerd4. incongruent5. gepolariseerd

1. terugwijkend2. conformerend3. bijdragend4. beheersend5. overheersend

1. afhankelijk2. navolger3. partner4. leider5. opstandeling

ritme: figuur-basisritme: deel-geheel

tempometrum/onderverde-lingenritmefiguur

ritmebasisritmefiguur

ritmebasisritmefiguur

ritmebasisritmefiguur

ritmebasisritmefiguur

melodie: figuur-basismelodie: deel-geheelharmonie: figuur-basis

melodisch figuurtonale basisharmoniestijl

melodietonale basisharmonie

melodietonale basisharmonie

melodietonale basisharmonie

melodie en tonaalharmonie

textuur: deel-geheeltextuur: register engedaantes

textuur: totaaltextuur: rollentextuur: registertextuur: configuraties

textuur textuur: registerstextuur: gedaantes

textuur textuur

frasering frasering frasering frasering frasering fraseringklanksterkte klanksterkte klanksterkte klanksterkte klanksterkte klanksterkteklankleur klankleur klankleur klankleur klankleur klankleurmotorieklichaamsuitdrukking

lichaam lichaam- motoriek lichaam

lyriek lyriek programma/ lyriekverbale reactie

programma/ lyriekverbale reactieintermenselijk

programma/ lyriek programma/ lyriek

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Raterinstruktion Ausdrucks- und Kontaktskala:

Bitte gebt zunächst an, wie müde / angeregt ihr euch momentan fühlt:

Raterinstrukties Expressie- en Kontaktschaal:

A.u.b. geef teeerst aan, hoe moe / levendig je je op het moment voelt:

sehr müde müde mittel angeregt sehr angeregt heel moe moe middel levendig heel levendig

Es geht um 3 Videoszenen aus 3 Gruppentherapiesitzungen. Hier kommt eine Listeder Spieler und deren gespielten Instrumente, die in den jeweiligen Videos zu sehensind:

Het gaat om 3 videoscénen uit 3 groepstherapiezittingen. Hier komt een Lijst metde patienten en hun gespeelde instrumenten, die in de videos te zien zijn:

Szene 1 : Szene 2: Szene 3: Scéne 1 : Scéne 2: Scéne 3:Herr H.Herr S.Frau S.Herr M.Frau T.

DjembéMarimbaSteeldrumPaukeConga

Herr H.Herr S.Frau S.

PaukeCongaSteeldrum

Herr H.Herr S.

MarimbaConga

Dhr. H.Dhr. S.Mevr. S.Dhr. M.Mevr. T.

DjembéMarimbaSteeldrumPaukeConga

Dhr. H.Dhr. S.Mevr. S.

PaukeCongaSteeldrum

Dhr. H.Dhr. S.

MarimbaConga

Zuerst zeige ich euch die jeweilige Szene komplett (5 min), um einen erstenEindruck zu bekommen. Danach wird jeder Spieler einzeln bewertet, ich gebe vorheran, welcher Spieler beobachtet werden soll. Tragt dann bitte dessen Namen imBogen ein. Dann zeige ich von ihm einen kurzen Abschnitt (1 min), halte dann dasBand an und bitte euch, eure Beobachtungen und Eindrücke anhand der MAKS-Skala festzuhalten.

Dabei ist zu beachten:

Geht Zeile für Zeile vor und wenn ihr einen zutreffenden Aspekt gewählt habt,kreuzt für die 1.Szene das Feld 1 an, für Szene 2 das Feld 2 usw. Also wird proSpieler nur EIN Bogen verwendet.

Ihr habt für die Skalierung so viel Zeit, wie ihr benötigt. Bitte geht jedoch zügig vor,überlegt nicht zu lange und laßt keinen Aspekt aus.

Wer welche Spieler beobachten soll, werden wir vorher im einzelnen absprechen.Das hängt davon ab, wie viele Rater insgesamt da sind.

Wenn ihr unsicher seid, was ihr ankreuzen sollt, könnt ihr entweder mehrere Felderankreuzen oder eine Bemerkung unter die Skala oder auf die Rückseite schreiben.

Teerst laat ik aan jullie de betreffende scéne helemaal zien (5 min). om eeneerste indruk te krijgen. Daarna wordt iedere speler apart beoordeeld, ikgeefvan tevoren aan, welke speler geobserveerd zal worden. Schrijf dan a.u.b zijnnaam op het blaadje. Dan laat ik van hem een kort fragment (1 min) zien, stop hetvideo und vraag jullie, je observaties en indrukken op de MAKS-schaalvasttehouden.

Let daarbij op volgende punten:

Ga per regel werken en als je een aspect gekozen hebt, die van toepassing is, maakvoor de 1.scéne een kruis in veld 1, voor scéne 2 in veld 2 enz. Dus gebruik jevoor elke speler maar EEN blaadje.

Je hebt voor het uitvullen die tijd, die je nodig hebt. Maar ga a.u.b. vlot aan degang, denk niet te lang na en sla geen aspect over.

Wie welke speler zal observeren, moeten wij even vantevoren afspreken. Dathangt ervan af, hoeveel rater er in totaal zijn.

Als je onzeker bent, wat je moet aankruizen, kun je of meerdere veldenaankruizen of een opmerking onder de schaal of op de achterkant schrijven.

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MAKS - Stufenskala Ausdrucks- und KommunikationsverhaltenName des Spielers:____________

1. allgemeines Engagement

unbeteiligt (wirktinnerlich abwesend)

wenig beteiligt(wirkt verhalten,scheu, befangen)

angemessen beteiligt(aufmerksam)

sehr beteiligt(neugierig)

übersteigert(überschäumend)

Beteiligung(Aufmerksamkeit, bei der Sache

beteiligt sein) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

sehr wenig A.:unselbständig, ab-

hängig: imitiert nur

wenig A.: setztwenige o.

undeutliche Impulse

angemessene A.:bringt eigeneImpulse ein

starke A.: setzteigene Impulse

durch

übersteigerte A.:läßt anderen nicht

"zu Wort kommen"

Autonomie (Eigenständigkeit,Unabhängigkeit im Setzen

von Impulsen)1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

2. Formgebung, GestaltungEinzeltöne

unzusammen-hängend

Tonleiter, undTonleiterum-spielungen

Motive (einigezusammenhängende

Töne)

musikalische Phrase(mehrere zush.

Motive)

starke Phrasen-ausgestaltung, -weiterführung

Formgestaltung(Zusammensetzung von

Einzeltönen zu komplexerenFormen) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

keine Struktur(diffus,

verschwommen)

wenig Struktur(holprig, brüchig)

angemesseneStruktur (geordnet,

klar)

viel Struktur(konstant, stabil)

übermäßig vielStruktur (festgefahren,

stereotyp)

Strukturiertheit(Untergliederung des Spiels

durch Pausen, Akzente,Wiederholungen, Phrasierung) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

keine Variation(starr, monoton,

einförmig)

wenig Variation(sparsam,

undifferenziert)

mittlere V. (variabel,beweglich)

viel Variation(reichhaltig,differenziert)

übermäßig vielVariation

Variation(Beweglichkeit/ Wechsel in

Tonraum, SpieltechnikAnschlag, Akzentuierung) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

3. Bezug zum Gegenüber / zur Gruppeextrem introvertiert(abgeschottet, Bezugnur zum Instrument )

introvertiert,selbstversunken ausgewogen extravertiert

extrem extravertiert(verliert sich in

Bezugslosigkeit)

Bezogenheit(Wahrnehmungsorientierung

auf das Instrument, sich selbst,das Gegenüber/ die Gruppe) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

stark abgewandt(ignoriert

Kontaktangebot)

etwas abgewandt(weicht Kontakt-

angebot aus ODER zurückstoßend)

neutraletwas zugewandt(läßt Kontakt zu,aufgeschlossen)

stark zugewandt(fordert zu Kontakt

auf, einladend)

Kontaktverhalten(Grad der Zu-/ Abgewandtheit

im Spielverhalten)1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

sehr geringeIntensität geringe Intensität mittlere Intensität große Intensität sehr große IntensitätKontakt – Intensität

(Intensität das o.g.Kontaktverhaltens) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

unterwürfig(ergeben, fügsam)

etwas unterwürfig(unterordnend, sich

anpassend)

gleichwertig,ebenbürtig

etwas überlegen(herausfordernd)

stark überlegen(erdrückend)

Dominanz(Grad der Unterwürfigkeit/

Überlegenheit) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

3. Vitalität, Ausdrucksdynamikextrem gering(verebbend,lähmend)

gering(langsam, ruhig)

angemessen(gehend)

gesteigert (munter,beschwingt)

sehr gesteigert(schnell, aufgeregt)Lebendigkeit

(erlebtes Tempo)1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3keine Dynamik

(monoton,gleichförmig)

schwache Dynamik ausgewogeneDynamik starke Dynamik

übersteigerteDynamik

(sprunghaft)

Dynamik(Variation in Tempo,

Lautstärke) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

4. Ausdrucksqualitätsehr sanft

(einfühlsam) etwas sanft ausgewogen etwas heftig sehr heftig(aggressiv)

affektive Qualität(Grad der Heftigkeit/ Sanftheit

des Spielers) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

keine Aussageerkennbar undeutliche Aussage deutliche, eindeutige

Aussage

gespaltene,ambivalente

Aussage

zerfahrene,ungeordnete

Aussageelemente

emotionale Aussagekraft(Erkennbarkeit u. Eindeutigkeit desemotionalen Erlebens des Spielers)

1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3keine Resonanzerkennbar (wirkt

abwesend, gleichgültig)

schwache Resonanz(wirkt wenig

angesprochen)

angemesseneResonanz (wirktangesprochen)

starke Resonanz(wirkt sehr

angesprochen)

überstarke Resonanz(wirkt aufgewühlt)

Erleben(Grad der Resonanz/ Reaktion

des Spielers auf die Musik) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

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- 3 -

MAKS – expressie- en communicatieschaalnaam v/d speler:____________

1. allgemeen engagement onbetrokken (komtinnerlijk afwijzend

over)

weinigbetrokkenheit

(ingehouden, schuw,verlegen)

passendebetrokkenheit(aandachtig)

heel betrokken(nieuwsgierig)

overstijgend(overschuimend)

betrokkenheit (aandacht, aan de zaak

meedoen)1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3heel weinig a.:onzelfstandig,afhankelijk:

alleen imiteerend

weinig a.: brengtweinig of

onduidelijkeimpulsen in

passende a.: brengteigen impulsen in

sterke a.: gaat eigenimpulsen doorzetten

overmatige a.: laatanderen niet "tewoord komen"

autonomie(zelfstandigheid, onafhankelijkheid

bij het inbrengenvan impulsen)

1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

2. vormgeving

enkele tonen, zondersamen- hang

toonladders, entoonladderom-

spelingen

motieve(enkelesamh. tonen)

muziekale frasen(meerdere samh.

motieve)

sterke frasen-uitbeelding,

verderleidend

vormgeving(samensetting van enkele tonen

tot complexere vormen)1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

geen structuur(diffuus, wazig)

weinig structuur(hobbelig, breekbar)

passende structuur(geordend, helder)

veel structuur(constant, stabiel)

overmatig veelstructuur (stereotiep,

vastgelopen)

structureerdheid(onderverdeling v.h. spel doorpauzen, akzente, herhalingen,

frasering), 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

geen variatie (star, monotoon,

eenvormig)

weinig variatie(spaarzaam)

gemiddelde v.(variabel,

bewegelijk)

veel variatie (rijk,gedifferentieerd)

overmatig veelvariatie

variatie(bewegelijkheid/ wisseling van

toonruimte, speeltechniek,aanslag, accentuering) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

3. betrekking op de tegenover / de groupextreem introvert,

(afgesloten, betrekkingalleen op hetinstrument)

introvert,zelfversonken evenwichtig extravert

extreem extravert:verliest zich in

„Bezugslosigkeit“

betrokkenheid(waarnemingsorientatie op het

instrument, zich zelf, detegenover/ de group) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

sterk afgekeerd(ignoreert

contactanbod)

iets afgekeerd (wijktcontactanbod uit OF

terugduwend)neutraal iets toegekeerd (laat

contact toe, open)

toegekeert (roept totcontact op,

uitnodigend)

contactgedrag(graad v/d toe-/ afgekeerdheid

in het speelgedrag) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

heel geringeintensiteit geringe intensiteit gemiddelde

intensiteit grote intensiteit heel grote intensiteit contactintensiteit (intensiteit v/h b.g.

contactgedrags) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

onderdanig(volgsam)

iets onderdanig(onderschikkend,zich aanpassend)

gelijkwaardig iets superior(uitdagend)

sterk superior(verpletterend)

dominantie(graad v/d onderdanigheid/

superioriteit) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

3. vitaliteit, expressiedynamiekextreem gering(„verebbend“,verlammend)

gering(langzaam, rustig)

evenwichtig(gaand)

aangedreven(opgewekt, bezield)

erg aangedreven(snel, opgewonden)levendigheid

(beleefde tempo)1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3geen dynamiek

(monotoon,gelijkvormig)

zwakke dynamiek passedne dynamiek sterke dynamiek overmatigedynamiek

(springerig)dynamiek

(variatie in tempo, volume)1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

4. expressiequaliteitheel zacht

(meelevend) iets zacht passend iets heftig heel heftig(aggressief)

affectieve qualiteit(graad v/d heftigheid/ zachtheid

v/d speler) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

geen uitdrukkingherkenbar

onduidelijkeuitdrukking

duidelijke,ondubbelzinnige

uitdrukking

gespletene,ambivalenteuitdrukking

verstrooide,ongeordendeuitdrukking

emotionaleuitdrukkingskracht

(herkenbarheid en eenduidigheidv/h. emotionale beleven v/d speler) 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

geen resonantieherkenbar (lijkt

afwezig,onverschillig)

zwakke resonantie(lijkt weinig

aangesproken)

passende resonantie(lijkt aangesproken)

sterke resonantie(lijkt heel

aangesproken)

overmaigeresonantie (lijktaangegrepen)

belevenis(graad v/d resonantie/ reactie

v/d speler op de muziek)1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

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Notiere hier deine subjektiven Eindrucke von den Videos. Diese können sein:� Der individuelle oder kommunikative Kontakt, den du wahrnimmst� Metaphern oder Symbole, die das Geschehen oder das Produkt bei dir auslösen� Worum geht es dabei deiner Meinung nach� Der Gesamteindruck, der es auf dich macht� Gefühle, die die Personen deiner Meinung nach überkommen� Gefühle, die dich selbst beim Wahrnehmen überkommen� Das Verhalten des Therapeuten

Szene 1:

Szene 2:

Szene 3:

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Noteer hier je subjectieve indrukken van de videos. Dit kunnen zijn:� Het individuele of communicatieve contact, dat je waarneemt� Metaforen of symbolen, die het gebeurde of het product bij je oproept� Het verhaal, waar het volgens jouw omgaat� De totale indruk, die het op je maakt� Gevoelens, die de personen volgens jou ondergaan� Gevoelens, die je zelf ondergaat tijdens de waarneming� Het gedrag v/d therapeut

Scéne 1:

Scene 2:

Scene 3:

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Die Ratergruppe

Rater Alter Geschlecht beruflicherStatus

Erfahrungen mit derZielgruppe Verfassung Besonderes

1 24 m 7.Semester ja mittel

2 21 w 7.Semester ja müde fehlte beim 2. Terminentschuldigt

3 21 w 7.Semester nein mittel

4 22 w 7.Semester nein mittel

5 22 w 7.Semester nein müde

6 28 m 7.Semester ja müde fehlte beim 2. Terminentschuldigt

7 26 m 7.Semester ein bißchen sehr müde fehlte beim 2. Terminentschuldigt

8 30 w Psychologin nein müde

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Mittelwerte und Standartabweichungen aus der MAKS- Untersuchung

Herr S. MW 1 SA 1 MW 2 SA 2 MW 3 SA 3BeteiligungAutonomieFormgestaltungStrukturiertheitVariationBezogenheitKontaktverhaltenKontakt-IntensitätDominanzLebendigkeitDynamikaffektive Qualitätemotionale AussagekraftErleben

Herr H. MW 1 SA 1 MW 2 SA 2 MW 3 SA 3BeteiligungAutonomieFormgestaltungStrukturiertheitVariationBezogenheitKontaktverhaltenKontakt-IntensitätDominanzLebendigkeitDynamikaffektive Qualitätemotionale AussagekraftErleben

Frau S. MW 1 SA 1 MW 2 SA 2BeteiligungAutonomieFormgestaltungStrukturiertheitVariationBezogenheitKontaktverhaltenKontakt-IntensitätDominanzLebendigkeitDynamikaffektive Qualitätemotionale AussagekraftErleben

MW 1,2 u.3: Mittelwert aus den Szenen 1, 2 u.3SA 1,2 u.3 : Standartabweichung aus Szene 1,2 u.3

2,06 0,53 2,38 0,48 1,86 0,64 2,75 1,09 2,00 0,50 2,00 0,71 2,25 0,97 1,75 0,43 2,38 0,70 2,63 0,99 1,88 0,33 2,13 0,60 1,75 0,66 1,88 0,78

2,90 0,20 2,80 0,40 2,50 0,50 2,70 0,40 2,80 0,40 2,80 0,40 3,60 0,49 2,40 0,49 2,80 0,75 2,80 0,75 3,00 0,63 3,00 0,00 2,60 0,49 2,70 0,40

3,40 0,49 3,20 0,40 2,33 0,50 3,30 0,87 3,40 0,49 2,80 0,40 3,60 0,80 3,00 0,00 3,20 0,40 3,20 0,40 2,80 0,40 3,00 0,00 2,60 0,49 3,00 0,00

3,38 0,48 2,75 0,66 2,75 0,43 2,50 0,87 2,75 0,66 3,38 0,48 3,88 0,78 3,00 0,71 2,88 0,78 3,50 0,50 2,50 0,71 3,00 0,50 2,13 0,60 3,25 0,66

3,40 0,49 2,40 1,02 3,00 0,00 2,80 0,75 2,80 0,75 2,90 0,20 3,60 0,49 3,20 0,40 2,60 0,49 3,20 0,40 2,60 0,80 2,80 0,40 2,00 0,63 2,70 0,60

3,80 0,40 3,40 0,49 3,50 1,18 2,25 0,43 3,60 0,49 3,00 0,63 4,60 0,49 3,60 0,49 3,00 0,63 3,60 0,49 3,20 0,40 3,20 0,40 2,40 0,49 3,20 0,75

1,75 0,43 2,71 0,88 2,00 0,89 2,75 1,09 1,88 0,33 1,63 0,70 2,00 0,71 1,25 0,43 2,00 0,50 1,63 0,48 2,00 0,00 2,00 0,53 1,50 0,50 1,56 0,58

2,00 0,63 2,40 0,80 2,00 1,00 2,60 0,97 2,00 0,00 1,40 0,49 2,00 0,63 1,60 0,49 2,40 0,49 2,00 0,63 1,60 0,80 2,00 0,63 1,40 0,49 1,80 0,40

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Subjektive Erfahrungen der Beobachtergruppe:

Form Interaktion Atmosphäre,emotionaler Ausdruck

1.Szene: Wenig Struktur (3)Später rhythmisch, kurzerGroove (3)Therapeut bringt Strukturhinein, versucht eszumindest (4)Dynamisch lange Zeit dasgleiche (2)undeutliches GerommelSpiel chaotisch (2)hohes Grundtempolanges Spiel

Kein Kontakt, niemand sucht ihn (4)jeder für sich, jeder schaut auf seinInstrument (5)Es wird nicht auf einander gehört„Puzzlestücke werden nicht beachtet,sondern weggeworfen“Später wird kurz probiert, demTherapeuten zu folgen (4)Therapeut sucht Kontakt bei einigenPatienten (4)Therapeut findet wenig Anschluß bei denPatientenTherapeut läßt mehr Raum, dadurch mehrReaktionzwischen H und T kurz AugenkontaktHöhepunkt im Trommelwirbel alseinziger gemeinsamer PunktPauke verändert sein Spiel oft (2)Pauke will aufhören, aber niemandreagiert

kahler Eindruck„Rush-Hour“energiegeladen, hoheSpannung, Unsicherheit?EinengendTräge,„zähes Geflecht“

2.Szene: der Therapeut bietet eine vielstärkere Struktur an, deutlichanwesend, bietetOrientierung für diePatienten (3)es kommt zu keinem Ende,immer wird weitergespielt„wer traut sich, das Spiel zuverändern?“ewig weitergehender Pulszentrale Struktur:melodische Phase übertonales Zentrumer tauchen immer wiederVeränderungen auf, wodurch„sleur“ verhindert wird (3)

mehr Kontakt und Kommunikation (4)unter den Patienten mehr Reaktionen (4)es wird mehr aufeinander gehört,musikalisch und mimisch (2)Stdr-Spieler saugt Struktur auf, zieht sichsehr zurück (2)Stdr-Spieler schaut nur auf bei kräftigemAkzent von Pauke-Spieler, folgt dessenSpiel (2)Pauke-Spieler bringt Impuls fürVeränderung, hat die Leitung (3)kein Kontakt zwischen den Spielern,verändert sich aber (2)Conga-Spieler bleibt länger in seinemPuls, aber dann schließt er sich auch beidem Pauke-Spieler anmehr Zusammenspiel (2)Stdr-Spieler scheint dominant

wärmerer Eindruckmonotone Atmosphäre,einheitlich (2)ruhig, entspannt (4)vor sich hin plätschernd,beinahe langsam (3)„die Individuen kriegenRaum“spannend beim Zusehen,Neugier, was als nächstespassiertweniger chaotisch„Wanderung durch dieWüste“lebendig

3.Szene: eine musikalische Einheit (2)das Spiel ist dynamisch undEnergiereich, variabel (3)Therapeut gibt StrukturAbwechslungsreich

viel Kontakt, Bezogenheit der Spieler (4)die Patienten zeigen eigene Beiträge undIdeenmehr Zusammenspiel (2)viel Augenkontakt (2)die Haltung der Patienten ist offener undaktiverMarimbaphon-Spieler suchtAufmerksamkeit des Therapeuten, wirktfordernd (durch Blick und Musik)

es sind Persönlichkeiten zuerkennenangenehme Sphäre, entspannt(3)deutlicher emotionalerAusdruck in der MusikS. blieb in der ImprovisationfesthängenSpielwitzfröhlich, lebendig, bewegt (2)„wirr, viele Kinder, diedurcheinander hüpfen u.springen“

(Die Zahl in Klammern gibt die Häufigkeit wieder, wie oft dieser Aspekt genannt wurde)

unsystematische Raterbeobachtungen

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Rater Bemerkungen1 FG: Dhr S. bij alle drie scenes niet gescoord

Dhr H. bij scene 1 en 2 niet gescoord (Djembe) Mevr. S: bij scene 1 twee tonen steeds afgewisseldDhr. S: tegen het eind van scene 2 vindt er een duidelijke verandering plaats (roffelen, grijnzen, luiderspelen)

2 Ik let niet echt op wat bij de keuzes tussen haakjes of erachter staat, die vindt ik echt moeilijk3 Herr H: DO: läßt sich in Szene 2 vom vorgegebenen Rhythmus mitziehen, passt sich an

FG: in Szene 3 unterschiedlich KV: in Szene 3 vor allem visuellHerr S: BT nimmt im Laufe der 2. Szene zu KV nimmt ebenfalls zu VA gegen Ende besonders auffällig EL verändert zum Ende ST in Szene 3 teilweise vorhandenFrau S: BZ: in Szene 1: bis auf einen kurzen Moment, in dem sie zum Paukenspieler schaut, als dieser auffällig laut spielt FG: in Szene 2: reiht einige Töne zu kleinem Motiv zusammen und wiederholt dieses

4 Frau S: AT: in Szene 1 nicht zu beurteilen, da sie keinen Bezug zur Gruppe hat (geht unter) BZ: abgesehen von 1x aufblicken AQ: nicht zu beurteilen, da zu sehr auf sich selbst bezogen FG: Motiv entsteht in Szene 2 automatisch durch Tonanordnung auf Instrument, keine Variation innerhalb der Motive DO: Fällt schon auf durch ungewöhnliche Akzente, nicht beabsichtigt?Herr S: FG: In Szene 1 Motiv aus 2 Tönen VA: ab und zu ein sehr hoher Ton AQ: In Szene 1 ausgewogen als Bedeutung von neutral

5 Herr H: FG: in scene 1+2 geen score: ritmeinstrumentFrau S: FG : in scene 1+2 moelijk te horen, beoordeling op grond van wat ik gezien hebHerr S: FG: in scene 2+3 geen score: ritmeinstrument DO: in scene 1 client is in het eigen spel verzonken, maar is niet dominant of volgzaam. Speelt zijn eigen spel, maar laat wel ruimte voor andere spelers.

6 Herr S: scene 1: monotone, rigide spelform: ook de tussendoor gespeelde hoge noten keren steeds op zelfde manier terug.Frau S: scene 1: zij zet geen impulsen in die zin, dat zij daardoor invloed neemt op het muzikaal gebeuren, maar zij immiteerd ook niet. scene 2: bijna geen relatie zichtbaar, vandaar vindt ik het moeilijk over dominanz iets tezeggen

7 Frau S: Szene 1: zeigt eine Reaktion: auf Beckenspiel des Paukers schaut sie zum einzigen Mal vom Instrument auf, auf welches sie sich sonst konzentriert

8 Frau S: DO: moeilijk te scorenHerr S: AQ: ik realiseer me, dat ik dat sterk naar de personn toe scoor, dan voor de situatie passend

Allgemeine Schwierigkeiten:

FG war schwierig zu bewerten, wenn die Patienten Rhythmusinstrumenten spielten, die wurden häufigausgelassenEA: geht es hier mehr um das musikalische Verhalten oder auch um Körpersprache usw.?Trennung mit EL schwierigEinigung: EA mehr um musikalisches Verhalten

EL: auch um Körpersprache usw.

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Abschlußfragebogen zur Musiktherapie Herr S. Herr H. Frau S.1 .die Musiktherapiestunden haben Spaß gemacht + + +2. das Durcheinander der Töne und Geräusche in den Musiktherapiestunden hat mich ganz unruhig und ängstlich gemacht

- - -

3. über die Musik konnte ich leichter in Kontakt zu anderen kommen o + o

4. beim Musikmachen konnte ich Gefühle und Stimmungen gut erleben und ausdrücken o + +

5. durch Musik wurde ich zum Träumen und Fantasieren angeregt - o +

6. das Musikmachen hat mich beruhigt und entspannt o + o7. beim Musikmachen hatte ich weniger Ängste als sonst o + o

8. ich habe immer mehr gelernt, beim Spielen auch auf das zu hören, was von anderen kommt o + o

9. ich habe meistens nur auf das gehört, was ich selber spiele o o o

10. ich hatte große Angst, falsch zu spielen - - o15. ich mußte mich richtig anstrengen, um mich auf die Übungen und die Musik zu konzentrieren - o o

16. ich fand es leichter, mich auf das Musikmachen zu konzentrieren, als auf Gespräche, Fernsehen oder Lesen

o + o

17. nach den Musiktherapiestunden habe ich mich eine Zeitlang ruhiger und entspannter gefühlt o + +

18. ich bin nach den Musiktherapiestunden eine Zeitlang wacher, frischer und aktiver gewesen o + o

15. nach den Musiktherapiestunden habe ich mich müde, abgespannt und genervt gefühlt - - -

21. ich habe mich nach den Musiktherapiestundengenauso wohl gefühlt wie vorher o + -

22. ich habe mich in der Gruppe sicher und geborgengefühlt o + o

23. die Musiktherapiestunden waren eine willkommene Abwechslung im Klinikalltag + + +

24. ich fand es gut, daß hinterher über die Musikgeredet wurde o + o

25. ich fand es schwierig, etwas über die gespielte Musik zu sagen + o +

21. mir sind oft passende Bilder oder Titel für eine Improvisation eingefallen

- o o

24. ich habe mich gewundert, was andere zu der Musikgesagt haben + o +

25. ich fand es überraschend, was musikalische Laienfür eine interessante Musik zustande bringen + + +

24. ich habe eine neue Art Musik zu machen kennengelernt + + +

26. ich glaube, daß Musiktherapie ein wichtigerBestandteil meiner Behandlung war - + o

+ : stimmt, o: stimmt zum Teil, -: stimmt nicht