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Act0 Polymerico 33 (1982) Haft 7 408 MULLER: Elektronenbeugungsuntersuchungen an Polyethylenschichten auf Quarz Elektronenbeugungsuntersuchungen an Polyethylenschichten auf Quarz E. MUUER Friedrich-Schiller-Universitat Jena, Sektion Chemie, WB Physikalische und Oberflachenchemie, DDR-6900 Jena Aus verdunnten Losungen auf Quarzeinkristallen abgeschiedene Filme von HD-PE wurden mit Hilfe der Elektronen- beugung untersucht, um zu uberpriifen, welchen EinfluB die Unterlage auf die Polymerstruktur besitzt. Es wurde festgestellt, daB sich die Polymerketten parallel zur Quarzoberflache ausrichten und epitaktische Verwachsungen auftreten konnen, wobei neben der orthorhombischen auch die monolcline Modifikation in Erscheinung trat. Epi- taxiebeziehungen werden abgeleitet und strukturell diskutiert. AuSerdem wird der EinfluB einer Temperbehandlung auf die Schichtstruktur untersucht. Mccneaoeanu 3~ce~mponnoic dug5panyuu cnoee nonuamwna na Reapye MeTOAOM DJIeKTpOHHOa AH@paKI(HH HCCJIeAOBaJIHCb IIJIeHKH II3B)4, BbIAeJIeHHbIe Ha MOHOKPHCTaJIJIbI KBapqa H3 pa36aBJIeHHbIX PPCTBOPOB, C qeJIbl0 IIpOBepKH BJIHRHHFI IIOAJIOHcKH Ha CTPYKTYPY IIOJIHMepa. YCTaHOBJIeHO, UTO qenH IlOJIHMepa OpHeHTHpOBaHbl napaJlJIeJIbH0 K IIOBepXHOCTH KBElpqa H UTO MOPYT BOBHHKaTb DIIHTaKCHaJIbHbIe CPOCTKU, IIpHUeM KpOMe OpTOpOM6HUeCKO8 MOAH@IIKaqHHIIpOHBJIHJIaCb H MOHOKJIUHHaR. BbIBeAeHbI DIIHTaKCHaJIbg HbIe COOTHOIIEHHH, KOTOPbIe O~C~?KA~H)TCR C T09KH 3peHHFI CTPYKTYPbI. ~CCJIeAOBaHO TaK3Iie BJIHHHHe IIpOqeCCa oTHcma Ha CTPYKTYPY cnoeB. Investigation of polyethylene layers on quartz surfaces by electron diffraction HD-PE layers formed on quartz monocrystal surfaces from dilute solutions were investigated by electron diffraction to test the influence of the substrate on the polymer structure. The PE chains proved to be arranged parallel to the quartz surface and epitaxial intergrowth is possible. Both orthorhombic and monoclinic modifications of PE were observed. Epitaxy relations are derived and discussed, and the influence of annealing on the layer structure was in- vestigated. 1. Einleitung Verbundsysteme zwischen Polymermatrix und oxidischen oder silikatischen Fullstoffen werden seit geraumer Zeit als Werkstoffe angewendet. Dabei sind fur die Eigenschaften soleher Systeme nicht nur die Einzelkomponenten, sondern auch deren Wechselwirkungen an den Grenzflachen, ihre Haftung aneinander und ihre gegenseitige strukturelle Beein- flussung von Bedeutung. Von Polymerverbunden ist bekannt, da13 Fullstoffe die sie unmittelbar umgebende Matrix in ihrer Struktur, besonders in ihrer Kristallinitat und damit in ihren Eigenschaften, so wesentlich verandern konnen, daB man diesen Interface-Bereieh als eigenstandige, dritte Phase betrachten muD. SOLOMKO [I] hat fur diesen EinfluD den Begriff der ,,Strukturaktivitat" der Fullstoffe eingefiihrt. Da bisher kaum konkrete Daten zur Struktur derartiger Interface-Schichten zur Verfugung stehen, wurden Untersuchungen an einem ein- fachen Modellsystem (Quarz/Polyethylen) durchgefuhrt. 2. Experimentelles Nach dem ZIECLER-NATTA-Verfahren dargestelles HD- Polyethylen (PE) wurde in Xylen bei einer Temperatur von etwa 370 K gelost (0,l Masse-%) und auf frisch gereinigte Wachstumsflachen (1010\ und (1071) von a-Quarzeinkristallen gegeben, wobei Substrattemperatur und Abkuhlgeschwindigkeit variiert wurden. Die nach Verdunsten des Losungsmittels ge- bildeten PE-Schichten rnit Dicken von wenigen 10 nm wurden rnit Hilfe der Beugung hochenergetischer Elektronen (E = 65 keV, Elektronenoptische Anlage EF vom VEB Carl Zeiss Jena) strukturell charakterisiert, wobei meist in Reflexion (RHEED), in Transmission (TED) hingegen nur in den Fallen gearbeitet werden konnte, wenn es gelang, die PE-Schichten nach zusatzlicher Stabilisierung durch Kohlebedampfung mit NH,HF,-Losung vom Quarz abzulosen. Alle Untersuchungen wurden im Strahlengang der Prazisionsbeugung durchgefuhrt, d. h. sie geben Information von Flachen der GroBenordnung von 1 mm2 (RHEED) bzw. von 0,l mm2 (TED) wieder. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich hierbei sowohl auf- grund der Isolatoreigenschaften von Quarz und PE (Aufla- dungen wahrend der Beobachtungen sind nur innerhalb ge- wisser Grenzen durch einen Entlader kompensierbar) als auch durch das geringe Streuvermogen des Kohlenstoffs. Da die Elektronenstrahlintensitat niedrig gehalten werden muate, auch um eine Veranderung der Polymerstruktur durch Elektronenbeschufl zu vermeiden, ergaben sich vor allem im RHEED-Fall intensitatsschwache Beugungsbilder, die oftmals nicht direkt auf dem Leuchtschirm, sondern erst auf der ent- wickelten Photoplatte beobachtbar waren. Auch die hier wiedergegebenen Positivabzuge sind oftmals nur unvollkommen in der Lage, auf der Platte erkennbare intensitatsschwache Details der Beugungsbilder zu demonstrieren. 3. Ergebnisse und Diskussion 3.1. Grenzflachenbedingte Kristallisation Ein EinfluB der Unterlage auf die Schichtbildung der PE-Filme wird aus einem Vergleich einiger Transmissions- beugungsbilder abgeloster Schichten (Bilder I a-c) deut- lich. Wahrend Bilder vom Typ la nur selten auftreten, dabei aber weitgehend das fur polykristallines, orthorhom- bisches PE typische Beugungsbild mit dem intensitats- starksten innersten (110)-Ring und dem dicht benach- barten (200)-Ring wiedergeben (eine genauere Analyse zeigt, daB hier nur Reflexe vom Typ hk0 auftreten), fehlen in den Bildern I b und I c gerade diese innersten Reflexe ganz oder sind nur unverhaltnismaflig schwach ausge- bildet. Dafur sind hier aber auch Reflexe mit 1 $: 0 zu finden, und es treten sehr haufig Texturierungen auf. Eben- so deutlich unterscheiden sich die Morphologien der ent- sprechenden Schichten im elektronenmikroskopischen Bild: Die zu Bild la gehorige Schicht zeigt die aus der Literatur [2--41 bekannten rhombusformigen Kristallamel- len, wie sie fur Kristalle aus verdunnten PE-Losungen typisch sind, wahrend in den anderen Fallen geschlossene Schichten rnit paralleler Riffelung zu finden sind. Offensichtlich kann die Kristallisation aus der Losung sowohl weitgehend unabhangig von der Unterlage (drei- dimensionale Keimbildung) als auch aufgrund der Wechsel- wirkung mit der Substratoberflache (zweidimensionale Keimbildung) erfolgen. Im ersten Fall setzen sich die Kristallite aufgrund ihres Habitus bevorzugt rnit (001)

Elektronenbeugungsuntersuchungen an Polyethylenschichten auf Quarz

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Act0 Polymerico 33 (1982) Haft 7 408 MULLER: Elektronenbeugungsuntersuchungen

a n Polyethylenschichten auf Quarz

Elektronenbeugungsuntersuchungen an Polyethylenschichten auf Quarz E. MUUER Friedrich-Schiller-Universitat Jena, Sektion Chemie, W B Physikalische und Oberflachenchemie, DDR-6900 Jena

Aus verdunnten Losungen auf Quarzeinkristallen abgeschiedene Filme von HD-PE wurden mit Hilfe der Elektronen- beugung untersucht, um zu uberpriifen, welchen EinfluB die Unterlage auf die Polymerstruktur besitzt. Es wurde festgestellt, daB sich die Polymerketten parallel zur Quarzoberflache ausrichten und epitaktische Verwachsungen auftreten konnen, wobei neben der orthorhombischen auch die monolcline Modifikation in Erscheinung trat. Epi- taxiebeziehungen werden abgeleitet und strukturell diskutiert. AuSerdem wird der EinfluB einer Temperbehandlung auf die Schichtstruktur untersucht.

Mccneaoeanu 3~ce~mponnoic dug5panyuu cnoee nonuamwna na Reapye MeTOAOM DJIeKTpOHHOa AH@paKI(HH HCCJIeAOBaJIHCb IIJIeHKH II3B)4, BbIAeJIeHHbIe H a MOHOKPHCTaJIJIbI KBapqa H 3 pa36aBJIeHHbIX PPCTBOPOB, C qeJIbl0 IIpOBepKH BJIHRHHFI IIOAJIOHcKH H a CTPYKTYPY IIOJIHMepa. YCTaHOBJIeHO, UTO qenH IlOJIHMepa OpHeHTHpOBaHbl napaJlJIeJIbH0 K IIOBepXHOCTH KBElpqa H UTO MOPYT BOBHHKaTb DIIHTaKCHaJIbHbIe CPOCTKU, IIpHUeM KpOMe OpTOpOM6HUeCKO8 MOAH@IIKaqHH IIpOHBJIHJIaCb H MOHOKJIUHHaR. BbIBeAeHbI DIIHTaKCHaJIbg HbIe COOTHOIIEHHH, KOTOPbIe O ~ C ~ ? K A ~ H ) T C R C T09KH 3peHHFI CTPYKTYPbI. ~CCJIeAOBaHO TaK3Iie BJIHHHHe IIpOqeCCa oTHcma H a CTPYKTYPY cnoeB.

Investigation of polyethylene layers on quartz surfaces by electron diffraction HD-PE layers formed on quartz monocrystal surfaces from dilute solutions were investigated by electron diffraction to test the influence of the substrate on the polymer structure. The PE chains proved to be arranged parallel to the quartz surface and epitaxial intergrowth is possible. Both orthorhombic and monoclinic modifications of PE were observed. Epitaxy relations are derived and discussed, and the influence of annealing on the layer structure was in- vestigated.

1. Einleitung

Verbundsysteme zwischen Polymermatrix und oxidischen oder silikatischen Fullstoffen werden seit geraumer Zeit als Werkstoffe angewendet. Dabei sind fur die Eigenschaften soleher Systeme nicht nur die Einzelkomponenten, sondern auch deren Wechselwirkungen an den Grenzflachen, ihre Haftung aneinander und ihre gegenseitige strukturelle Beein- flussung von Bedeutung. Von Polymerverbunden ist bekannt, da13 Fullstoffe die sie unmittelbar umgebende Matrix in ihrer Struktur, besonders in ihrer Kristallinitat und damit in ihren Eigenschaften, so wesentlich verandern konnen, daB man diesen Interface-Bereieh als eigenstandige, dritte Phase betrachten muD. SOLOMKO [I] hat fur diesen EinfluD den Begriff der ,,Strukturaktivitat" der Fullstoffe eingefiihrt. Da bisher kaum konkrete Daten zur Struktur derartiger Interface-Schichten zur Verfugung stehen, wurden Untersuchungen an einem ein- fachen Modellsystem (Quarz/Polyethylen) durchgefuhrt.

2. Experimentelles

Nach dem ZIECLER-NATTA-Verfahren dargestelles HD- Polyethylen (PE) wurde in Xylen bei einer Temperatur von etwa 370 K gelost (0,l Masse-%) und auf frisch gereinigte Wachstumsflachen (1010\ und (1071) von a-Quarzeinkristallen gegeben, wobei Substrattemperatur und Abkuhlgeschwindigkeit variiert wurden. Die nach Verdunsten des Losungsmittels ge- bildeten PE-Schichten rnit Dicken von wenigen 10 nm wurden rnit Hilfe der Beugung hochenergetischer Elektronen (E = 65 keV, Elektronenoptische Anlage E F vom VEB Carl Zeiss Jena) strukturell charakterisiert, wobei meist in Reflexion (RHEED), in Transmission (TED) hingegen nur in den Fallen gearbeitet werden konnte, wenn es gelang, die PE-Schichten nach zusatzlicher Stabilisierung durch Kohlebedampfung mit NH,HF,-Losung vom Quarz abzulosen. Alle Untersuchungen wurden im Strahlengang der Prazisionsbeugung durchgefuhrt, d. h. sie geben Information von Flachen der GroBenordnung von 1 mm2 (RHEED) bzw. von 0,l mm2 (TED) wieder.

Besondere Schwierigkeiten ergaben sich hierbei sowohl auf- grund der Isolatoreigenschaften von Quarz und PE (Aufla- dungen wahrend der Beobachtungen sind nur innerhalb ge- wisser Grenzen durch einen Entlader kompensierbar) als auch durch das geringe Streuvermogen des Kohlenstoffs.

Da die Elektronenstrahlintensitat niedrig gehalten werden muate, auch um eine Veranderung der Polymerstruktur durch Elektronenbeschufl zu vermeiden, ergaben sich vor allem im RHEED-Fall intensitatsschwache Beugungsbilder, die oftmals nicht direkt auf dem Leuchtschirm, sondern erst auf der ent- wickelten Photoplatte beobachtbar waren. Auch die hier wiedergegebenen Positivabzuge sind oftmals nur unvollkommen in der Lage, auf der Platte erkennbare intensitatsschwache Details der Beugungsbilder zu demonstrieren.

3. Ergebnisse und Diskussion

3.1. Grenzflachenbedingte Kristallisation

Ein EinfluB der Unterlage auf die Schichtbildung der PE-Filme wird aus einem Vergleich einiger Transmissions- beugungsbilder abgeloster Schichten (Bilder I a-c) deut- lich. Wahrend Bilder vom T y p l a nur selten auftreten, dabei aber weitgehend das fur polykristallines, orthorhom- bisches PE typische Beugungsbild m i t dem intensitats- s tarksten innersten (110)-Ring und dem dicht benach- bar ten (200)-Ring wiedergeben (eine genauere Analyse zeigt, daB hier nur Reflexe vom Typ hk0 auftreten), fehlen in den Bildern I b und I c gerade diese innersten Reflexe ganz oder sind n u r unverhaltnismaflig schwach ausge- bildet. Dafur sind hier aber auch Reflexe m i t 1 $: 0 zu finden, und es t re ten sehr haufig Texturierungen auf. Eben- so deutlich unterscheiden sich die Morphologien der ent- sprechenden Schichten i m elektronenmikroskopischen Bild: Die z u Bild l a gehorige Schicht zeigt die aus der Li teratur [2--41 bekannten rhombusformigen Kristallamel- len, wie sie fur Kristalle aus verdunnten PE-Losungen typisch sind, wahrend in den anderen Fallen geschlossene Schichten rnit paralleler Riffelung zu finden sind.

Offensichtlich kann die Kristallisation aus der Losung sowohl weitgehend unabhangig von der Unterlage (drei- dimensionale Keimbildung) als auch aufgrund der Wechsel- wirkung mi t der Substratoberflache (zweidimensionale Keimbildung) erfolgen. I m ersten Fall setzen sich die Kristallite aufgrund ihres Habi tus bevorzugt rnit (001)

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wobei sich die PE-Ketten parallel zur Aufwachsflache anordnen und zu den Beugungsbildern I b und c fuhren.

DaS es unter vergleichbaren Praparationsbedingungen in einigen Fallen zur dreidimensionalen Keimbildung gekommen ist, muB vermutlich auf Verschmutzungen der Substratoberflachen, evtl. wahrend der Elektronenbeu- gungsuntersuchungen der Substrate vor der Beschich- tung, zuruckgefuhrt werden. In einigen Fallen deuten die Beugungsbilder darauf hin, daS die dreidimensionale Keimbildung erst auf einer dunnen zweidimensionalen Schicht eingesetzt hat. Die folgenden Ergebnisse be- schranken sich auf den Fall des flachenhaften Aufwachsens des PE.

3.2. Epitaxie

Bei einer Substrattemperatur von 370 K und einer .4bkuhlgeschwindigkeit von etwa 6 K min-1 waren Textu- rierungen beobachtbar, die bis zur Ausbildung einkri- stalliner Reflexsysteme des P E reichten. Bild 2 a zeigt die RHEED-Aufnahme einer extrem dunnen PE-Schicht, auf der Oberflachenreflexe und KIKucm-Linien der Quarzunterlage noch zu sehen sind. Der hier dargestellte Positivabzug laSt zumindest im Falle des (200)-Reflexes eine ausgepragte Texturierung erkennen. (Dieses wie auch die Bilder 2 b und 5 wurden jeweils an der unteren Kristall- kanteLaufgenommen, so daS auch im RHEED-Fall kein Teil des PE-Beugungsbildes abgeschattet wurde.) 1 Deutlicher ausgebildete Einkristallreflexsysteme epi- taxial aufgewachsener PE-Schichten geben die Bilder 2 b (RHEED in Richtung der PE-Ketten), 2c (RHEED senkrecht zu den PE-Ketten) und 2 d (TED senkrecht zur Verwachsungsflache nach Ablosen der Schicht) wieder. Aus derartigen Aufnahmen konnten die in Tabelle 1 aufgefuhrten Orientierungsbeziehungen fur das geordnete Aufwachsen von PE auf der Prismenflache von a-Quarz abgeleitet werden. Lediglich die Relation (IV) ist wenig sicher, da sie nur aus Texturierungen geschluSfolgert wurde, ohne da13 ein entsprechend gut ausgebildetes Reflexsystem gefunden wurde. In der letzten Spalte dieser Tabelle ist die jeweilige relative fjbereinstimmung der Abstande zwischen den PE-Ketten und den Abstanden der an der Quarzoberflache existierenden endstandigen 0-Atome bzw. OH-Gruppen angegeben. Die in den ge- ringen Misfitwerten zum Ausdruck kommende gute fjbereinstimmung in den Strukturparametern wird auch in den Bildern 3 deutlich, auf denen Schnitte parallel zur jeweils interessierenden Verwachsungsebene durch die PE-Struktur (wobei nur die Kohlenstoffketten ohne Wasserstoffatome gezeichnet wurden) uber den Lagen der obersten Sauerstoffatome der Prismenflache (1010) dar- gestellt sind.

Analoge Ergebnisse konnten auch auf ( l o l l ) , der groSen Rhomboederflache von Quarz, und auf frischen Spalt-

Bild 1. Elektronenbeugungsaufnahmen in Durchstrahlung an polykristallinen PE-Schichten.

a) Dreidirnensionale Keimbildung; b) zweidimensionale Keirn- bildung ohne Vorzugsorientierung; c) zweidimensionale Keirn-

bildung mit Vorzugsorientierung Tabezk EP~taciebeziehungen fur P E auf a-Qmrz (1070)

Rela- tion

parallel zur Substratoberflache ab, so dal3 die PE-Ketten, bedingt durch die Kristallitgestalt und nicht durch die Wechselwirkung mit dieser Oberflache, senkrecht auf dieser Substratflache stehen. Der haufigere Fall ist aber der, da8 aufgrund der Wechselwirkung zwischen Quarzoberflache und PE-Ketten eine zweidimensionale Keimbildung einsetzt,

(I) (11) (111) (IV) (V)

Misfit 1 Ketten I Richtungen I Ebenen

I I

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an Polyethylenschichten auf Quarz

Bild 2. Beugungsbilder epitaktischer PE-Schichten. a) RHEED, nicht geschlossene Schicht ; b) RHEED, geschlossene Schicht, Einstrahlrichtung 11 Kettenrichtung; c) RHEED,

Einstrahlrichtung 1 Kettenrichtung; d) TED, Einstrahlrichtung 1 Verwachsungsflache

flachen von Glimmer erhalten werden:

( W o - P E I I ( 1 W Q ; [001l,-PE II P711,; 4,576

(I IO)o-PE 11 (0001)GL i [OO1]o-PE 11 [21101i1; 3p3% Das Auftreten epitaktischer PE-Schichten auf anor-

ganischen Substraten ist im Falle von Alkalihalogeniden als Unterlage schon lange bekannt [5, 61. Auch hierbei wurde vorrangig (110) als Verwachsungsebene des P E gefunden. Von MAURITZ u. a. [7, 81 existieren dazu aus- fiihrliche Modellrechnungen, die zeigen, da13 sich fur die Anordnung der PE-Ketten iiber den Reihen der Alkali- Ionen ein Maximum im Betrag der Wechselwirkungs- energie ergibt. Auch auf Talk und Kaolin konnte in jiing- ster Zeit epitaktisches P E gefunden werden [17].

3.3. Monoklines P E

huf einigen Beugungsbildern sind Reflexe vorhanden (z. B. besonders deutlich die zwei Einzelreflexe im Tnnern des (110)-Ringes auf Bild 4), die nicht durch die Struktur des iiblichen orthorhombischen PE (0-PE) erklarbar sind, sondern auf eine monokline Modifikation (m-PE) zuriickgefiihrt werden miissen, deren huftreten in der Literatur [9, 101 fur den Fall einer mechanischen Defor- mation des o-PE beltannt ist. Offensichtlich ltann diese Modifikation in den hier untersuchten diinnen Scliichten

auch ohne auBere Deformationskraft auftreten. khnliche Ergebnisse sind fur PE-Schichten auf NaCl gefunden worden [6].

Eine Ursache fur die Stabilisierung des m-PE auf Quarz (lOr0) liefert die Interpretation des Bildes 5, auf dem neben einem Reflexsystem des o-PE zwei Reihen von Einkristallreflexen zu erkennen sind, die sich aus den reziproken Vektoren [001]* und [310]* des m-PE aufbauen lassen und aufgrund der Einstrahlrichtung auf der Quarz- unterlage zu der als Relation (V) in Tabelle 1 bereits mit aufgefiihrten Beziehung fiihren.

3.4. Modell des Aufwachsprozesses

Fur den Fall zweidimensionaler Keimbildung laBt sich aus den Epitaxiebeziehungen folgendes Modell fur die Anfangsstadien der Schichtbildung ableiten : Aufgrund der Wechselwirkungen zwischen den H-Atomen der PE-Ketten mit den 0-Atomen bzw. OH-Gruppen der Quarzoberflache ordnen sich die Polymerketten bevorzugt entlang den Reihen dieser Oberflachen-OH-Gruppen an, wobei es fur die Orientierung der Ketten verschiedene, von der Starke der Wechselwirkungsmoglichkeiten her gesehen vergleichbare Vorzugsrichtungen gibt : - Setzt sich eine Kette in Richtung der a-Achse des

Quarzes ab, so findet eine Nachbarkette bzw. die riick-

MULLER: Elektroiienheuguiigsuntersuchungen an Polyethylenschichten auf Quarz

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1OOllo-PE 100011 Q

0,lnm H

11oo/o-PE/llloiolQ 100 11 o - PE I/ [OOOlj G

bl

10011o-PE

gefaltete Fortsetzung derselben Kette erst im Abstand von 0,54 nm analoge Wechselwirkungsbedingungen vor. Dieser Abstand ist im o-PE nur rnit der Entfer- nung der Ketten in der Ebene (100) vergleichbar (0,49 nm), und es ergibt sich Epitaxierelation (11). Ordnet sich eine Kette parallel der c-Achse des Quarzes, so existieren fur eine Nachbarkette in einem Abstand von 0,49 nm analoge Anlagerungsbedingungen. Hat die durch die C-Atome festgelegte Ebene der Nachbarkette etwa dieselbe Neigung zur Substratoberflache wie die erstc Kette, kann der PE-Kristall in sehr guter uberein- stimmung rnit der Struktur von (lOO),- ,E weiter-

wachsen (Relation (I), Bild 3a). 1st die Neigung der Kettenebenen entgegengesetzt, so ist die Struktur bes- ser rnit ( l l O , , - p ~ vergleichbar (Kettenabstand 0,44 nm), wie aus Bild 3 b ersichtlich wird (Relation (111)). Wie aus IR-spektroskopischen Untersuchungen an deuteriertem P E bekannt ist [Ill, entspricht ein sol- ches Wachstum durch Riickfaltung der Ketten entlang (110) ohnehin dem bevorzugten Aufbau aus ver- dunnten Losungen, so daB verstandlich wird, daB auch diese Orientierung hier trotz der deutlich schlechteren Anpassung, als sie die Relation ( I ) ermoglicht, auftritt.

Bild 4. TED-Aufnahme von o-PE mit monoklinem Zusatzreflex

1315// 10041

Bild 5. RHEED, Uberlagerung von Reflexsystemen beider PE-Modifikationen mit Indizierungsschema

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Bild 6. TED-Aufnahme einer getemperten Schicht

- Hat sich eine Kette entlang der Diagonalenrichtung der Quarzoberflachenmasche abgesetzt, so hat die dazu parallele Nachbarreihe von OH-Gruppen einen Abstand von nur 0,36nm. Ein so kurzer Kettenab- stand ist im o-PE rnit seinen zueinander geneigten Kettenebenen nicht realisierbar. Entweder wird dann nur jede zweite Reihe der OH-Gruppen zur Wechselwir- kung durch das o-PE genutzt (Epitaxiebeziehung (IV)), oder die PE-Ketten mussen sich dichter anordnen: Die Kettenebenen mussen parallel zueinander senk- recht auf der Quarzoberflache stehen. Das aber ergibt die Struktur des m-PE rnit einem Kettenabstand von nur 0,40 nm (Relation (V), Bild 3c).

Alle weiteren denkbaren Orientierungen wurden bei regelmabigem Aufbau des PE und optimaler Wechsel- wirkung rnit der Unterlage zu noch kurzeren Kettenab- standen fuhren und werden daher nicht realisiert. Im Vergleich zu rein anorganischen Epitaxiesystemen mit ihren unter vorgegebenen thermodynamischen Bedin- gungen starreren und vielfach eindeutigen Epitaxiegesetzen fallt hier im Falle einer relativ schwachen Bindung zwischen Deposit und Substrat, aber auch einer gleicherma5en schwachen Bindung innerhalb des Deposits eine unge- wohnliche Strukturvielfalt auf, die nicht nur unterschied- liche Orientierungsbeziehungen, sondern auch zwei ver- schiedene Modifikationen nebeneinander auftreten laat.

3.5. EinfluP der Temperbehandlung

Wurden die PE-Filme vor dem Ablosen von den Quarz- substraten getempert (bis zu 30 min bei 360 bis 380 K), so traten in verstarktem MaBe Beugungsbilder wie Bild 6 auf, die an die aus der Rontgenkristallstrukturanalyse bekannten Drehkristallaufnahmen erinnern und dadurch zustande kommen, daB Kristallite zwar eine feste Achse senkrecht zur Einstrahlrichtung (hier also parallel zur Verwachsungsflache) gemeinsam haben, um diese aber beliebig orientiert sind. (Ansatze dazu sind auch schon im Bild 2 d zu sehen, wo der innerste Reflex (110) rnit mono- klinen Nebenreflexen nicht in das Einkristallreflexschema paBt). Im Falle von Polymerstrukturen sind derartige morphologische Erscheinungen zwar von Spharoliten her bekannt. Da aber die einheitliche Achse hier die c-Achse des o-PE, also die Richtung der PE-Ketten, darstellt, sind die aus der Literatur fur PE bekannten Spharolitmodelle [ 12, 131 rnit [010] als Spharolitachse rnit den hier gefundenen Beugungsbildern nicht i n ubereinstimmung zu bringen.

Vielmehr ist Bild 6 dem Beugungsbild von sogenannten ,,ultragezogenem" PE [ 141 weitgehend analog. Hier liegen nebeneinander Kristallite einheitlicher Kettenrichtung, aber unterschiedlicher azimutal-r Orientierung vor. Eben- so denkbar ware, daB sich an einem durch die Quarzober- flache einheitlich vororientierten PE-Kettenzug im Ver- laufe der temperungsbedingten Rekristallisation hinter- einander Lamellen einheitlicher Kettenrichtung, aber azimutal gegeneinander verdreht, anlagern, also ,,Schasch- lik"(,,shish-kebab")-artige Strukturen entstehen.

Auf jeden Fall scheint der orientierende EinfluB der Quarzunterlage auf die PE-Ketten genugend groB zu sein, den RekristallisationsprozeB auch in der weiteren Um- gebung der Grenzflache so stark mitzubestimmen, daS Strukturen gebildet werden, wie sie sonst nur unter Einwirkung auBerer Krafte im Falle der gezogenen PE- Filme bzw. durch hydrodynamische Krafte wahrend der Kristallisation [3, 15, 161 im Falle der Bildung von shish- kebab-Strukturen entstehen wiirden.

4. Zusammenfassung

Anhand von Elektronenbeugungsuntersuchungen an diinnen HD-PE-Filmen, die aus verdiinnten Losungen auf Quarz- kristalloberflachen abgeschieden worden waren, wurde der EinfluS einer oxidischen Substratstruktur auf Kristallisations- verhalten und Struktur des Polymers untersucht. Es konnte gezeigt werden, daS beim Kristallisieren eine Ausrichtung der PE-Ketten parallel zur Substratoberflache erfolgt und epitak- tische Verwachsung moglich ist, wobei die Ebenen (110) und (100) im Falle des orthorombischen PE, (001) im Falle des monoklinen PE als bevorzugte Verwachsungsebenen auftreten. Die Epitaxiebeziehungen lassen sich durch Vergleich ent- sprechender Strukturparameter (Kettenabstande in den be- treffenden Ebenen, Abstande der Oberflachen-OH-Gruppen auf dem Substrat) verstandlich machen. Temperversuche zeigen, daR auch der RekristallisationsprozeR durch die grenzflachen- bedingte Verwachsungsstruktur mitbestimmt wird. Insgesamt also spiegelt sich hier eine starke Heeinflussung der Interface- Struktur der Polymermatrix eines Oxid/Polymer-Verbund- systems durch die Oxidkomponente wider.

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Eingegangen am 6 . Oktober 1981