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Erfahrungsbericht Zagreb 2015/2016
Ich habe zwei Auslandssemester an der juristischen Universität in Zagreb, der Hauptstadt
Kroatiens absolviert.
Vorbereitungen:
Die Anmeldeformalitäten liefen zunächst über das Auslandsbüro der juristischen Fakultät in
Freiburg. Dafür hatte ich auch einen DAAD-Test absolviert, welcher mein Sprachlevel in
Englisch nachwies. Dieser kostet 30 Euro und man wird in den Bereichen Hörverstehen,
Schreiben, Lesen, Vokabular und Grammatik geprüft. Den Test kann man nach Anmeldung
direkt in Freiburg ablegen.
Zagreb war nach Budapest nur meine Zweitwahl, doch nach dem 10 monatigen Aufenthalt
war ich froh, dass es am Ende die kleine Balkanhauptstadt geworden ist.
Nachdem ich die Zusage von Freiburg für den Platz in Zagreb bekommen hatte, hörte ich und
mein Studienkollege, der dieselbe Destination anstrebte, lange nichts von unserer
Gastuniversität.
Die meisten unserer Freunde, die ebenfalls einen Erasmusaufenthalt anstrebten, waren
bereits mit deren Gastuniversitäten in Kontakt getreten, während wir noch sehnsüchtig auf
eine Kontaktaufnahme warteten. Mitte August erhielten wir endlich all die benötigten
Informationen und die restlichen Anmeldeformulare für die Einschreibung in Zagreb. Dies war
unsere erste von vielen Erfahrungen mit der „Balkanmentalität“.
Zur Vorbereitung auf den Erasmusaufenthalt, belegte ich einen 3-wöchigen Intensiv-
sprachkurs in Kroatisch, an dem in Zagreb ansässigem Sprachschule, dem Croaticum. Der
Sprachkurs begann am 7. September und enthielt tägliche Sitzungen in Kleingruppen für 6
Stunden. Der Sprachkurs war nützlich, um einige Grundlagen zu erlernen, aber war ganz
ehrlich gesagt absolut unnötig. Ich war die einzige Erasmus- Studentin in meinem Kurs,
welchen sonst nur ausländische Arbeitssuchende im mittleren Alter besuchten.
Auch wenn der Intensivkurs nicht meine beste Entscheidung war, so bietet das Croaticum auch
unter dem Semester noch Sprachkurse für Anfänger an, die 2 mal wöchentlich stattfinden und
welche auch hauptsächlich für Erasmusstudenten konzipiert sind. Diese kann ich meinen
Nachfolgern nur ans Herz legen.
Allerdings muss gesagt sein, dass man die Kroatische Sprache im Alltag nicht unbedingt
benötigt. Die Kurse an der Universität sind ausnahmslos in Englisch und auch die meisten
Bewohner in Zagreb und natürlich vor allem die kroatischen Kommilitonen verfügen über
gewisse bis gute Englischkenntnisse.
Natürlich kann es auf dem dolac (Stadtmarkt) oder in kleinen Geschäften zu Verständigungs-
problemen kommen, allerdings kann man sich in solchen Situationen immer mit Händen und
Füßen weiterhelfen.
Ansonsten habe ich mich nicht großartig auf mein Auslandsjahr vorbereitet. Von dem Land,
der Kultur und den Sitten wusste ich so gut wie gar nichts, was das Ganze umso spannender
machte.
Vor Ort in Zagreb: Universität
Mit der Auswahl meiner Kurse für das Learning-Agreement war ich anfangs in Freiburg
ziemlich überfordert, weshalb ich in Zagreb nach 2 Wochen „Schnupperphase“ etwa 80
Prozent meines Learning Agreements umgeändert habe. Dies stellte keinerlei Probleme dar.
Zu Beginn des Semesters in Zagreb hatten wir, wie oben bereits erwähnt, 2 Wochen Zeit uns
die Kurse, die uns interessieren, anzuschauen und von allen Professoren einen persönlichen
Eindruck zu bekommen. Danach wurde das Learning Agreement geändert und die Kurse für
das Semester standen fest.
Im ersten Semester habe ich 8 Kurse belegt, die jeweils 4 ECTS Punkte gebracht haben.
Natürlich lag der Focus bei der Kurswahl auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, doch bei 8
belegten Kursen, gab es auch Freiraum für Kurse, die einfach ansprechend und interessant
geklungen haben.
Im Bereich des öffentlichen Rechts kann ich vor allem diese Kurse empfehlen:
- States of Emergency in Comparative Constitutional Law, welches von Professor Đorđe
Gardašević unterrichtet wird. Der Kurs beinhaltete hauptsächlich aktuelle Themen
rund um Terrorismus und dazugehörige Fälle und der Vergleich der States of
Emergency Konstitutionen von Deutschland, Frankreich, den Vereinigten Staaten und
weiteren Ländern. Der Professor ist äußerst bestrebt und engagiert und erwartet im
Gegenzug eine gründliche Vorbereitung auf jede Unterrichtsstunde. Trotz allem habe
ich in diesem Kurs mit das Meiste gelernt und der Vorbereitungsaufwand hat sich
äußerst gelohnt.
- Internal Market Law unter der Leitung von Tamara Perišin. Dieser Kurs beschäftigt sich
mit den 4 europäischen Grundfreiheiten: Free movement of goods, people, services
und capital und dem dazugehörigem Case law.
Die Professorin hat die Themen hervorragend präsentiert und die Studenten immer
durch Diskussionen und Debatten in den Unterricht miteinbezogen.
Dieser Kurs gehört zu dem Jean-Monnet Chair, welcher mehrere Kurse anbietet und auch ein
offizielles Diplom vergibt, soweit 3 Kurse dieses Chairs erfolgreich absolviert wurden. Ich
persönlich habe innerhalb des ganzen Jahres 4 Kurse dort erfolgreich belegt:
- Internal Market Law 2h schriftliche Klausur
- Fundamental Rights in the EU 3 seitiges Essay
- WTO and EU 1h schriftliche Klausur
- European Public Law 1,5 h multiple choice Klausur
Mit allen Professorinnen dieses Chairs habe ich nur positive Erfahrungen gemacht und die
Unterrichtsgestaltung als auch die Klausuren waren immer fair und gut konzipiert.
Die Belegung von Kursen, die dem Jean-Monnet Programm angehören, kann ich wärmstens
empfehlen.
Im zweiten Semester belegte ich 6 Kurse. Ich war etwas experimentierfreudiger und belegte
neben Kursen des öffentlichen Rechts auch etwas „exotischere“ Fächer wie:
- Economic analysis of law
- Cybercrime and Cybersecurity
- Sociologie of the Croatian Society
Diese Kurse bereiteten mir die Möglichkeiten auch ganz andere Facetten des Rechts kennen
zu lernen, wozu in Deutschland nicht so einfach die Möglichkeit besteht.
Generell lässt sich sagen, dass ich mit den Professoren, den Klausuren und der gesamten
Organisation an der Universität äußerst zufrieden war und ich immer fair behandelt wurde.
Oft dauert vieles zwar etwas länger, hingegen wurden aber kleine Fehler oder die Nicht-
einhaltung von Fristen meistens sehr gelassen gesehen.
Bezüglich der Unterrichtsgestaltung gibt es große Unterschiede zwischen Deutschland und
Kroatien.
Wir wurden in Kleingruppen unterrichtet, die etwa 4 bis 25 Teilnehmer besuchten. Das
bedeutet natürlich, dass der Kontakt zu den Professoren wesentlich enger war als in
Deutschland und es bestand auch ein reges Interesse an den unterschiedlichen Nationalitäten
und Kulturen der Studenten. Generell lässt sich sagen, dass der Unterricht sehr interaktiv
durchgeführt wurde und die eigene Meinung sehr gefragt war. Auch wurde hier die
Präsentationsfähigkeiten durch Vorträge und Referate zum ersten Mal in meiner juristischen
Laufbahn gefördert und erprobt.
Die englische Sprache stellte für mich persönlich kein großes Hindernis dar, weil im
Allgemeinen die deutschen Austauschstudenten über ein sehr gutes Sprachlevel verfügen.
Man muss auch bedenken, dass die Professoren und vor allem die Mitstudenten auch alle
keine Muttersprachler sind und von daher muss man sich diesbezüglich wirklich keine Sorgen
machen. Positiv ist mir aber aufgefallen, dass meine Hemmschwelle Englisch zu reden fast
komplett verschwunden ist und auch das Klausuren oder Essay schreiben kein Problem mehr
darstellt.
Unsere Ansprechpartnerin an der juristischen Fakultät war Andrea Miskovic, welche stets
bemüht war uns mit Problemen bezüglich des Studiums weiterzuhelfen.
Die Jura- Universität hat 4 Standorte in Zagreb, die aber alle nah beieinander und direkt im
Zentrum oder der Oberstadt liegen. Das Hauptgebäude ist zugleich das Aushängeschild der
Universitäten in Zagreb und liegt Kopf an Kopf mit dem kroatischen Nationaltheater.
Organisatorisches
Geld
Kroatien ist seit 2013 in der EU, hat aber noch die Währung Kuna. Der Wechselkurs beläuft
sich etwa auf 1:7,5 in Bezug zum Euro und die Unterhaltskosten, sowie Ausgehen und jegliche
Veranstaltungen sind um einiges billiger als in Deutschland.
Ein Bankkonto habe ich mir nicht eingerichtet. Abgehoben habe ich einmal monatlich mit
meiner deutschen Bankkarte, wobei immer eine Gebühr angefallen ist.
Wohnen
In Zagreb besteht die Möglichkeit sehr kostengünstig für nur etwa 100 Euro im Monat in
Studentenwohnheimen unterzukommen.
Allerdings sind auch Privatwohnungen in Stadtnähe schon ab 175 Euro monatlich zu finden,
weshalb ich eine Privatwohnung empfehlen würde, da man sich in den Studenten-
unterkünften meistens ein Zimmer teilen muss und diese etwas außerhalb liegen.
Meine Wohnung hab ich in der Facebook-Gruppe : Erasmus Zagreb 2015/2016 gefunden.
In Zagreb ist es üblich, dass die alten Erasmusstudenten ihre Wohnungen an die Neu-
ankömmlinge abgeben. Dies läuft alles über die Facebook Gruppe, weshalb ich es nur
empfehlen kann die neue Gruppe für 2016/2017 aufzusuchen und beizutreten. So habe ich
auch meine spanische Mitbewohnerin gefunden und der komplette Vorgang, also die
Gespräche mit dem Vermieter, der ehemaligen Bewohnerin und den Nachbarn hat
einwandfrei funktioniert.
Im zweiten Semester habe ich dann mit einer dort gewonnenen französischen Freundin eine
WG gegründet, die jetzt nach unserem Auszug im kommenden Jahr auch an neue Erasmus-
studenten weitergegeben wurde.
Versicherung
Ich verfügte bereits über eine europäische Krankenversicherung, weshalb eine zusätzliche
Versicherung nicht nötig war.
Öffentliche Verkehrsmittel
Das Tram-Netz in Zagreb ist super ausgebaut und zuverlässig und für Leute, die nicht in
unmittelbarer Zentrumsnähe wohnen, kann ich eine Dauerkarte bei der ZET-Zagreb nur
empfehlen. Für 100 Kuna (etwa 13,50 Euro) im Monat kann man alle Trams und Busse im
gesamten Stadtbezirk nutzen.
Handy
In Zagreb angekommen habe ich mir eine kroatische Nummer zugelegt und einfach meine
deutsche gegen die kroatische Prepaidkarte ausgetauscht. Für 50 Kuna im Monat habe ich mir
eine Internetflatrate für 3 GB und eine Telefonflatrate im kroatischen Inland gekauft, die sich
bei ausreichendem Guthaben automatisch verlängert hat.
Mein Anbieter war Tele2, aber meine Freunde dort haben auch gute Erfahrungen mit bonbon
oder vip gemacht.
Reisen
Zagreb bietet einen optimalen Ausgangspunkt für Reisen, da es in unmittelbarere Nähe von 5
europäischen Hauptstädten liegt: Wien (Österreich), Ljubljana (Slowenien), Belgrad (Serbien),
Budapest (Ungarn), Sarajevo (Bosnien).
Ich habe alle 5 Städte besucht und war begeistert von der unglaublichen kulturellen und
religiösen Vielfalt, die einem dort geboten wurde.
Wien, Ljubljana und Budapest erinnern sehr an europäische Großstädte, sind aber allemal
einen Besuch wert.
Sarajevo hingegen mit den vielen Moscheen und dem krassen Schnitt in der Stadtgestaltung
von europäischer und abendländischer Architektur und Lebensweise ist definitiv ein must-see!
Mein persönlicher Favorit ist die serbische Hauptstadt Belgrad. Eine Wahnsinns Stadt, die
niemals schläft und unendliche Möglichkeiten bietet.
An der juristischen Fakultät haben die Erasmusstudenten aufgrund der Midterm Examina der
kroatischen Studenten während dem Semester eine Woche frei, was Anlass für eine größere
Reise bietet. Wir haben diese Woche genutzt um zu 9 in einem Van eine ausgedehnte
Balkanreise mit den Stationen: Sarajevo –Mostar (beides Bosnien) -Kotor-Budva (beides
Montenegro) - Dürres-Tirana (beides Albanien) -Skopje-Orhid (beides Makedonien) –Sofia
(Bulgarien)-Belgrad ( Serbien)-Zagreb zu unternehmen.
Einen Trip wie solchen zu organisieren, ist erstaunlich einfach in Zagreb. Die Autoverleiher
bieten Autos und Minivans zu äußert günstigen Konditionen und die Autobahngebühren in
den einzelnen Ländern halten sich auch in Grenzen.
Auch die Flüge von Zagreb aus sind, wenn man sie früh genug bucht, erschwinglich. So fanden
wir zum Beispiel einem Hin-und Rückflug Zagreb-Athen für 150 Euro.
Bei den ganzen Auslandsreisen darf man natürlich nicht vergessen, dass auch Kroatien mit der
ausgedehnten Küste und mehreren Nationalparks Einiges zu bieten hat.
Die beliebtesten Nationalparks sind die Plitvitzer Seen und der Krka Nationalpark, die mit ihren
unzähligen Wasserfällen beeindrucken. An der Küste von West nach Ost sind vor allem Rovinji,
Pula, Rijeka, Zadar, Split und natürlich Dubrovnik absolut empfehlenswert.
Freizeitgestaltung in Zagreb
Angekommen in Zagreb würde ich es jedem ans Herz legen, sich eine ESN (International
Exchange Erasmus Student Network) Karte für 50 Kuna für ein Jahr zuzulegen. Diese bietet
viele Rabattmöglichkeiten in Restaurants, auf Partys und auf Ausflügen.
Generell organisiert das Team von ESN viele Veranstaltungen speziell für Erasmusstudenten,
sind Ansprechpartner in allen Lebenssituationen und sorgen immer für gute Laune.
Über das von ESN angebotene Buddy-Programm, erhielt ich den Kontakt zu einem Kroaten,
der mir bei allen organisatorischen Fragen oder in den Fällen einer Sprachbarriere weiterhielf.
Zagrebs Innenstadt ist schnell überschaubar, man findet sich schnell zurecht und man trifft
fast an jeder Ecke ein bekanntes Erasmusgesicht. 2015/2016 gab es nämlich 700
Erasmusstudenten in Zagreb, was eine gewaltige Zahl für die Balkanhauptstadt darstellt.
Die Innenstadt ist übersät mit Straßencafés, die bei gutem Wetter auch voll belegt sind und
auf dem Hauptplatz gibt es eigentlich fast keinen Tag, an dem kein Event ansteht.
Die Stadt ist sehr lebendig und voll mit jungen Leuten auch Straßenbettler sieht man wenig
und von Kriminalität ist keine Spur.
Gute Party Locations mit internationaler und keiner Balkanmusik sind VipClub, History, Peper
und Johann Franck. Mein Favorit ist das Museum Katran, was im Gegensatz zu den andern
Clubs etwas außerhalb in einer verlassenen Lagerhalle mit 4 Floors untergebracht ist. Generell
kann man in Zagreb jede Nacht ausgehen und vor allem in der Erasmuskneipe Ziraffa
Gunduliceva findet man immer Gesellschaft. Die Preise für ein Bier belaufen sich hier
umgerechnet auf 1,20 Euro und die Bar befindet sich direkt gegenüber von der Jura
Universität.
Der Maksimir-Park oder der Jarun See bieten optimale Voraussetzungen zum Joggen,
Entspannen und Picknicken. Auch museumstechnisch kann Zagreb Einiges bieten. Besonders
beliebt ist das Museum of Broken Relationships oder das Museum of Modern Art.
Zusammenfassend war ich absolut begeistert von der Stadt, der Universität und den
Menschen. Das Jahr hat mir unglaubliche Eindrücke und Erfahrungen ermöglicht und ich war
sowohl von Freiburger und Zagreber Seite immer bestens betreut.
Ich würde die kleine Balkanhauptstadt als absoluten Geheimtipp unter den Freiburger
Erasmusdestinationen bezeichnen und kann sie jedem kulturoffenen Bewerber nur
wärmstens empfehlen.
Isabella Decker( belladecker94web.de)