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Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen – Physikalische Effektkataloge zur systematischen
Identifikation potentieller Messgrößen
Vom Fachbereich Maschinenbau
an der Technischen Universität Darmstadt
zur Erlangung des akademischen Grades eines
Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.)
genehmigte
DISSERTATION
vorgelegt von
Gunnar Thomas Vorwerk-Handing, M.Sc.
aus Gütersloh
Berichterstatter: Prof. Dr.-Ing. Eckhard Kirchner
Mitberichterstatter: Prof. Dr.-Ing. Sven Matthiesen
Tag der Einreichung: 10.11.2020
Tag der mündlichen Prüfung: 23.02.2021
Darmstadt 2021
D17
Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen
– Physikalische Effektkataloge zur systematischen Identifikation potentieller Messgrößen
Dissertation
Genehmigte Dissertation von Gunnar Thomas Vorwerk-Handing, M.Sc. aus Gütersloh
Berichterstatter: Prof. Dr.-Ing. Eckhard Kirchner
Mitberichterstatter: Prof. Dr.-Ing. Sven Matthiesen
Tag der Einreichung: 10.11.2020
Tag der mündlichen Prüfung: 23.02.2021
Darmstadt 2021 — D 17
Bitte zitieren Sie dieses Dokument als:
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-176296
URL: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/17629
Dieses Dokument wird bereitgestellt von TUprints,
E-Publishing-Service der TU Darmstadt
http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de
Die Veröffentlichung steht unter folgender Creative Commons Lizenz:
Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International
(CC BY-NC-ND 4.0)
http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0
III
Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit, abgesehen von den in ihr ausdrücklich
genannten Hilfen, selbstständig verfasst habe.
Darmstadt, den 25. Februar 2021
(Gunnar Thomas Vorwerk-Handing)
IV
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbei-
ter am Fachgebiet Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd) der Technischen Uni-
versität Darmstadt. Der Ursprung und die Motivation für diese Arbeit gehen auf das erste von
mir bearbeitete Kooperationsprojekt, mit dem Ziel einer Konzeptentwicklung zur Erfassung
von Lastkollektiven in einer Sattelkupplung, zurück. Ausgehend von diesem Projekt hat mich
die Frage begleitet: Was wird wo gemessen, um eine benötigte Information zu gewinnen?
An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei meinem Doktorvater und Leiter des Fachge-
biets pmd, Herrn Prof. Dr.-Ing. Eckhard Kirchner, für das entgegengebrachte Vertrauen, die
vielen fachlichen Anregungen und die wissenschaftliche Betreuung meiner Arbeit bedanken.
Insbesondere die intensiven Gespräche und Beispiele aus der Industrie haben zum Gelingen
dieser Arbeit beigetragen. Darüber hinaus hat die gemeinsame Arbeit mit Herrn Prof. Dr.-Ing.
Eckhard Kirchner meine persönliche Entwicklung mit geprägt und zu meiner fachlichen und
persönlichen Weiterentwicklung beigetragen.
Herrn Prof. Dr.-Ing. Sven Matthiesen, Inhaber des Lehrstuhls für Gerätekonstruktion und Ma-
schinenelemente am Institut für Produktentwicklung (IPEK) am Karlsruher Institut für Tech-
nologie (KIT), danke ich für das Interesse an meiner Arbeit und die beiden damit verbundenen
konstruktiven fachlichen Diskussionen sowie die Bereitschaft zur Übernahme des Korreferates.
Durch seine fachliche sowie wissenschaftliche Expertise war er ein idealer Ansprechpartner
für meine Forschungsarbeit. Die resultierenden Fragen und Anregungen seinerseits haben zu
einer fachlichen und wissenschaftlichen Schärfung meiner Arbeit beigetragen.
Für die kollegiale Arbeitsatmosphäre und die gute Zusammenarbeit sowie die daraus resultie-
rende angenehme Zeit am Fachgebiet, danke ich allen ehemaligen und derzeitigen Kollegin-
nen und Kollegen, die mich auf dem Weg zur Promotion begleitet haben. Georg Martin, Stefan
Schork und Sven Vogel danke ich insbesondere für die sehr gute, knapp vierjährige, Zusam-
menarbeit sowie den stets intensiven Austausch im Arbeitsbereich Mechatronische Maschinen-
elemente, auch über die Forschung hinaus. Hervorheben möchte ich auch die direkte Zusam-
menarbeit mit meinen Bürokollegen Stefan Schork und anschließend Peter Welzbacher.
Gerade in der Endphase meines Promotionsvorhabens sowie beim Schreiben der vorliegenden
Dissertation waren die Diskussionen und Rückmeldungen sehr hilfreich – Danke!
Ein explizites Dankeschön gilt zudem Herrn Kropp, stellvertretend für die Firma Federal-
Mogul DEVA GmbH, sowie meinem Kollegen André Harder und dem Studenten Hans Joachim
Groß, die durch die erstmalige Anwendung der Ergebnisse dieser Arbeit in einem Koopera-
tionsprojekt eine initiale Evaluation der Ergebnisse ermöglicht haben. Weiterhin möchte ich
allen Studierenden danken, die mit ihrem Einsatz im Rahmen von Gruppen- und Abschluss-
arbeiten meine Forschung unterstützt haben.
Mein herzlichster Dank gilt meinem persönlichen Umfeld, das mich auf meinem bisherigen
Weg begleitet, auf vielfältigste Art und Weise unterstützt und mir stets den notwendigen Rück-
halt gegeben hat – meiner Familie, meinen Freunden und natürlich meiner Freundin Luisa.
Darmstadt, im Februar 2021 Gunnar Vorwerk-Handing
V
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ................................................................................................................. 1
2 Grundlagen und Stand der Forschung ...................................................................... 4
2.1 Grundlagen der methodischen Produktentwicklung ............................................... 4
2.1.1 Grundlagen technischer Systeme ............................................................... 4
2.1.2 Physikalische Effekte im Kontext der Produktentwicklung ....................... 10
2.1.3 Beherrschung von Komplexität durch Modelle und Methoden ................. 12
2.1.4 Grundlagen technischer Entwicklungsprozesse ........................................ 13
2.2 Grundlagen zur Modellierung technischer Systeme ............................................. 18
2.2.1 Klassifizierung von Modellen technischer Systeme der PE ....................... 18
2.2.2 Modellierung technischer Systeme aus Sicht der Regelungstechnik ......... 19
2.2.3 Modellierung mechatronischer Systeme .................................................. 23
2.2.4 Modellierung von Messungen in technischen Systemen ........................... 30
2.3 Grundlagen zur Unsicherheit in technischen Systemen ........................................ 32
2.3.1 Unsicherheit in der Produktentwicklung .................................................. 32
2.3.2 Unsicherheit in der Messtechnik .............................................................. 38
2.4 Stand der Forschung hinsichtlich methodischer Ansätze
zur Entwicklung technischer Systeme .................................................................. 40
2.4.1 Effektkataloge – Informationsspeicher physikalischer Effekte .................. 40
2.4.2 Beobachter – Bestimmung nicht gemessener Regelgrößen ....................... 46
2.4.3 Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme
– Festlegung der Messgröße .................................................................... 48
2.4.4 Methoden zur Identifikation und Berücksichtigung von Unsicherheit
in technischen Systemen .......................................................................... 52
2.5 Zusammenfassung der Grundlagen und des Stands der Forschung ...................... 56
3 Potentiale und Grenzen bestehender Effektkataloge .............................................. 57
3.1 Anwendbarkeit bestehender Effektkatalogen im angestrebten Kontext ................ 57
3.2 Problembezogene Beschränktheit bestehender Effektkataloge ............................. 58
4 Zielsetzung und Forschungsdesign ......................................................................... 62
4.1 Forschungsbedarf ................................................................................................ 62
4.2 Zielsetzung .......................................................................................................... 63
4.3 Forschungsfragen ................................................................................................ 64
4.4 Forschungsvorgehen ............................................................................................ 65
5 Effektkataloge – Systematisches Verknüpfen einer systemspezifischen
Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen ......................................................... 69
5.1 Analyse der problembezogenen Beschränktheit bestehender Katalogsysteme....... 69
5.1.1 Analyse bestehender zweidimensionaler Effektmatrizen .......................... 69
5.1.2 Analyse bestehender eindimensionaler Effektkataloge ............................. 72
5.2 Anforderungen an ein Katalogsystem ................................................................... 75
VI
5.3 Konzipierung und Entwicklung der Effektmatrix
– Verknüpfung von individueller Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen.... 77
5.3.1 Aufbau und Gliederung der Effektmatrix ................................................. 77
5.3.2 Inhalte der Effektmatrix .......................................................................... 89
5.3.3 Anwendbarkeit der Effektmatrix .............................................................. 90
5.4 Konzipierung und Entwicklung des Effektkatalogs
– Effektsammlung inklusive Verknüpfung notwendiger Eigenschaften ................. 91
5.4.1 Aufbau und Gliederung des Effektkatalogs .............................................. 91
5.4.2 Inhalte und Informationen des Effektkatalogs ......................................... 92
5.4.3 Anwendbarkeit des Effektkatalogs ........................................................... 97
5.5 Anwendung des Katalogsystems
– Erfassung der Dehnung von Zugträgern in einem Zahnriemen .......................... 98
5.5.1 Grundlagen zum Zahnriemen(-trieb) ....................................................... 98
5.5.2 Ziel und Umfang der beispielhaften Betrachtung ..................................... 99
5.5.3 Potentielle Messgrößen zur Erfassung der Dehnung von Zugträgern ..... 100
6 Unsicherheitsbetrachtung
– Abschätzung der Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten ......................... 105
6.1 Identifikation von Unsicherheit in Effektketten .................................................. 105
6.1.1 Kontextunsicherheit ............................................................................... 107
6.1.2 Modellunsicherheit ................................................................................ 109
6.1.3 Datenunsicherheit ................................................................................. 112
6.2 Berücksichtigung von Unsicherheit in Effektketten ............................................ 114
6.2.1 Beurteilung der identifizierten Unsicherheit .......................................... 114
6.2.2 Ansätze zur Beherrschung der identifizierten Unsicherheit .................... 127
7 Initiale Evaluation der Ergebnisse ........................................................................ 129
7.1 Erreichung der Zielsetzung ................................................................................ 130
7.2 Anwendung des entwickelten Ansatzes im Rahmen der Entwicklung
eines sensorintegrierenden Gleitlagers ............................................................... 135
7.2.1 Grundlagen und Randbedingungen ....................................................... 135
7.2.2 Identifikation potentieller Messgrößen und Entwicklung von
Messkonzepten zur Erfassung des Verschleißes einer
selbstschmierenden Gleitlagerbuchse..................................................... 138
7.2.3 Initiale Beurteilung der Anwendbarkeit sowie
Nützlichkeit / Brauchbarkeit des entwickelten Katalogsystems
anhand des Kooperationsprojekts .......................................................... 143
8 Darstellung und Einordnung der Ergebnisse ........................................................ 145
8.1 Fazit .................................................................................................................. 145
8.2 Ausblick ............................................................................................................. 149
VII
Anhang A – Grundlagen und Stand der Forschung...................................................... XVI
Anhang B – Zielsetzung und Forschungsdesign ........................................................ XXVII
Anhang C – Effektkataloge – Systematisches Verknüpfen einer
systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen ......... XXIX
Anhang D – Darstellung und Einordnung der Ergebnisse ......................................... XXXI
Glossar .................................................................................................................... XXXIII
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... XXXVIII
Tabellenverzeichnis .................................................................................................... XLII
Literaturverzeichnis ................................................................................................... XLIII
Eigene Veröffentlichungen ............................................................................................. LI
Betreute studentische Arbeiten .................................................................................... LII
VIII
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
CPM Characteristics-Properties Modelling
DIN Deutsches Institut für Normung
DMS Dehnungsmessstreifen
el. elektrisch(e)
E Element
E-Modul Elastizitätsmodul
engl. englisch
FE Finite-Elemente
FF Fest-Forderung
FMEA Failure Mode and Effects Analysis
FTA Fault Tree Analysis
GUM Guide to the expression of uncertainty in measurement
HAZOP Hazard and Operability (-Verfahren)
IPEK Institut für Produktentwicklung (am KIT)
KIT Karlsruher Institut für Technologie
mag. magnetisch(e)
MEMS Micro-Electro-Mechanical System
PDCA Plan – Do – Check – Act
PDD Property-Driven Development
PDF probability density function
(deutsch: Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion, WDF)
PE Produktentwicklung
physik. physikalisch(e)
pmd Produktentwicklung und Maschinenelemente Darmstadt
(Fachgebiet an der TU Darmstadt)
PTFE Polytetrafluorethylen
PTW Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen
(Fachgebiet an der TU Darmstadt)
PU Polyurethan
QFD Quality-Function-Deployment
IX
R Relation
SFB Sonderforschungsbereich
SWOT Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats (-Analyse)
TOTE Test – Operate – Test – Exit
TRIZ Theorie des erfinderischen Problemlösens
TU Technische Universität
UMEA Uncertainty Mode and Effects Analysis
VDI Verein Deutscher Ingenieure
VDI [Nummer] VDI-Richtlinie [Nummer]
VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau
W Wunsch
WDF Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
(engl.: probability density function, PDF)
ZF Zugehörigkeitsfunktion
ZF Ziel-Forderung
ZHA Zurich Hazard Analysis
Symbolverzeichnis
A Systemmatrix
A Fläche
a Beschleunigung
an Vorfaktor (multiplikative Verknüpfung von Eingangsgrößen x und Ausgangs-
größe y im Modell der Auswertung)
B Steuermatrix
B Magnetische Flussdichte
C Beobachtungsmatrix
C Kapazität
ci Sensitivitätskoeffizient
cmed Medienabhängigen Phasengeschwindigkeit
D Durchgangsmatrix
d Störgröße
d Dämpfungsfaktor
X
d Dicke
E Elastizitätsmodul
E Elektrische Feldstärke
E Energie
e Regelabweichung bzw. Beobachterfehler
e Potentialgröße (allg. auch als Leistungs- oder Netzwerkvariable bezeichnet)
ei,max Maximale Messabweichung
ei,zul Zulässige Messabweichung
Ex Extensum
F Kraft
FL Längskraft
FV Vorspannkraft
f Flussgröße (allg. auch als Leistungs- oder Netzwerkvariable bezeichnet)
fabtast Abtastfrequenz
fλ Eigenfrequenz (λ ≙ Ordnung Eigenfrequenz)
G Fehlergrenze
g Erdbeschleunigung
I Intensität
I Strom
IM Flussgröße
i Intensive Zustandsgrößen oder Intensitätsgrößen
i Zählvariable bzw. Zählindex
j Ruck
k Federsteifigkeit
L Induktivität
L Drehimpuls
l Länge
M Memristor
m Masse
m Stellgröße (Verständnis und Notation nach TAGUCHI)
m‘ Längengewicht
XI
mS (Schwere) Masse
n Zählvariable bzw. Zählindex
n Stoffmenge
P Leistung
P Index für P-Variable (Einpunktgröße)
p Impuls
p Schalldruck
Q Elektrische Ladung
Q Wärmemenge
�� Wärmestrom
q Extensive Zustandsgrößen
R Widerstand
Rm Reluktanz
r Abstand (Länge)
S Entropie
s Verschiebung
T Index für T-Variable (Zweipunktgröße)
T Temperatur
T Messdauer
t Zeit
U Spannung
𝑈∆𝑦
Dimensionsloses Verhältnis aus der maximalen, aus der identifizierten
Unsicherheit resultierenden, Abweichung und der maximal zulässige
Messabweichung
u Eingangsvektor
u Stellgröße
u Messunsicherheit
uzul Zulässige Messunsicherheit
V Volumen
�� Volumenstrom
v Geschwindigkeit
v Schallschnelle
XII
WA Verschleißfläche
Wl Verschleißlänge
WM Verschleißmasse
WV Verschleißvolumen
w Führungsgröße
X Primärgröße
X Wirkung
XG Gestaltparameter
XMess,pot Potentielle Messgrößen
x Variable (physikalische Größe)
x Zustandsvektor
�� Schätzwert des Zustandsvektors
x Störgröße (Verständnis und Notation nach TAGUCHI)
x0 Arbeitspunkt der Messgröße
xG Erwartungswert des Gestaltparameter XG
xiW Wahrer Wert der Messgröße
xmax Obere Grenze des Messbereichs
xmin Untere Grenze des Messbereichs
xMess,pot Erwartungswert der potentiellen Messgröße XMess,pot
Δxi Fehlergrenze der Messgröße
ΔxMess Maximal zulässige Messabweichung eines Sensors
Y Ursache
YZ Zu erfassende Zustandsgröße
Y Potentialgröße
y Ausgangsvektor
y Variable (physikalische Größe)
y Regel- bzw. Ausgangsgröße
y Antwort / Reaktion (Verständnis und Notation nach TAGUCHI)
y0 Arbeitspunkt der zu bestimmenden Größe
yiW Wahrer Wert der zu bestimmenden Größe
yM Gemessene Regel- bzw. Ausgangsgröße
XIII
yZ Erwartungswert der zu bestimmenden Größe
Δy Maximal zulässige Messabweichung
Δyi Fehlergrenze der zu bestimmenden Größe
Δyuns Maximale, aus der identifizierten Unsicherheit resultierende, Abweichung
der zu erfassenden Größe
z Steuergröße (Verständnis und Notation nach TAGUCHI)
α Gruppennummer
α Thermischer Ausdehnungskoeffizient
αn Potenz (multiplikative Verknüpfung von Eingangsgrößen x und
Ausgangsgröße y im Modell der Auswertung)
ε Dehnung
ε0 Influenzkonstante
η Dynamische Viskosität
λ Wärmeleitfähigkeit
λ Wellenlänge
λ Ordnung Eigenfrequenz
π Kreiszahl
Φ Induktionsfluss
ω Winkelgeschwindigkeit
ω Winkelbeschleunigung
б Spannung (mechanisch)
XIV
Kurzfassung
Die Verfügbarkeit zuverlässiger und aussagekräftiger Informationen über technische Systeme
und Prozesse ist eine essentielle Voraussetzung für die Digitalisierung technischer Systeme
und stellt eine der aktuellen Herausforderungen im Maschinenbau dar. Im Zuge dessen stellt
sich die Frage, welche Messgrößen potentiell geeignet sind, um benötigte Informationen über
systemindividuelle Prozess- oder Zustandsgrößen zu gewinnen. Dementsprechend ist es das
Ziel dieser Arbeit, systematisch Zusammenhänge zwischen einer zu erfassenden systemspezifi-
schen Prozess- oder Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen, unter Berücksichtigung eines
(bestehenden) technischen Systems, herzustellen.
Der Ansatz physikalische Effektsammlungen einzusetzen, um einen Zusammenhang zwischen
physikalischen Größen herzustellen, wird in dieser Arbeit aufgegriffen und zur Identifikation
potentieller Messgrößen, ausgehend von einer zu bestimmenden physikalischen Größe, ein-
gesetzt. Hieraus wird die erste der beiden Hauptforschungsfragen abgeleitet: Wie kann der
Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen,
unter Berücksichtigung des individuellen Systems, lösungsneutral durch eine Modellierung mittels
physikalischer Effekte, basierend auf einer Effektmatrix und einem Effektkatalog hergestellt
werden? In einer Literaturrecherche wird festgestellt, dass die Katalogsysteme nach KOLLER
und ROTH als etablierte Stellvertreter physikalischer Effektkataloge anzusehen sind. Diese
weisen hinsichtlich der angestrebten Identifikation von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen
in Form von Effektketten allerdings zwei wesentliche Einschränkungen auf: Zum einen gehen
beide Effektkataloge von einer zu realisierenden Wirkung aus und nicht von einer Ursache
und zum anderen ist eine Berücksichtigung von Gestaltparametern eines technischen Systems
nicht vorgesehen. Durch den Vergleich der beiden Katalogsysteme sowie durch eine Abstrak-
tion der identifizierten Einschränkungen werden Anforderungen an ein zu entwickelndes
Katalogsystem definiert. Darauf aufbauend wird durch die Verknüpfung der Grundgedanken
beider Katalogsysteme mit den Grundlagen der mehrpolbasierten Modellbildung ein anforde-
rungsgemäßes Katalogsystem konzipiert.
Um das divergente Vorgehen bei der Identifikation potentieller Messgrößen begründet in
einem zweckmäßigen Umfang zu halten, wird die zweite Hauptforschungsfrage definiert: Wie
kann, durch eine Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von Umgebungs-
und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels einer Unsicherheitsbetrachtung,
die prinzipielle Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten frühzeitig geprüft und abgesichert
werden? Durch das Übertragen, Verknüpfen und Weiterentwickeln existierender Ansätze der
Unsicherheitsforschung sowie dem Einbeziehen von Robust-Design-Strategien wird eine Iden-
tifikation und Berücksichtigung auftretender Unsicherheit ermöglicht.
Die Beantwortung der Forschungsfragen wird in einer logischen Verifikation gezeigt. Die An-
wendbarkeit sowie Nützlichkeit der Ergebnisse dieser Arbeit werden durch eine exemplarische
Anwendung im Zuge der Entwicklung eines sensorintegrierenden Gleitlagers initial validiert.
Hierbei werden die Funktionsfähigkeit und die Anwendbarkeit des Ansatzes initial nachgewie-
sen. Somit bilden die Ergebnisse dieser Arbeit eine Grundlage, um die in einem technischen
System auftretenden Wandlungen einer zu erfassenden physikalischen Größe systematisch in
die Identifikation potentieller Messgrößen zur Erfassung dieser Größe einzubeziehen. Mittels
der eingeführten Unsicherheitsbetrachtung wird eine frühzeitige Prüfung und Absicherung der
prinzipiellen messtechnischen Funktionsfähigkeit einer identifizierten Effektkette ermöglicht.
XV
Abstract
Reliable and meaningful information about technical systems and processes is key to the dig-
italisation of technical systems and represents one of the current challenges in mechanical
engineering. In this context, it is unclear which quantities should be measured to obtain
relevant information about system-specific process or state variables. Hence, this thesis aims
at systematically establishing a connection between a system-specific process or state variable
and potential measurands by taking the (existing) technical system into account.
This thesis considers collections of physical effects to establish a connection between physical
quantities and these are used to identify potential measurands. This leads to the first of two
main research questions: how can a system-dependent connection between a system-specific state
variable and potential measurands be established in a solution-neutral way by using an effect
matrix and an effect catalogue to model physical effects? A literature study shows that the two
catalogue systems by KOLLER and ROTH, respectively, represent important examples of physical
effect catalogues. However, both approaches have two main limitations if one aims to identify
cause-effect relationships in the form of effect chains: on the one hand, both effect catalogues
focus on an effect to be realised and not a cause. On the other hand, the approaches do not
consider design parameters of the technical system. Requirements for a novel catalogue system
are defined by comparing the two catalogue systems and by abstracting the identified limita-
tions. According to these requirements, this thesis develops a catalogue system by combining
the basic ideas of both catalogue systems with the fundamental idea of multipole-based
modelling.
In order to constrain the divergent approach to identify potential measurands within reason-
able limits, the second main research question is defined: how can the basic functionality of
developed effect chains be verified through an uncertainty analysis, i.e. by identifying and consid-
ering the influences and effects of environmental and boundary conditions on the developed effect
chains, at an early stage? The transfer, combination and further development of existing
approaches of uncertainty research as well as the inclusion of robust design strategies enable
the identification and consideration of occurring uncertainties.
The answers to the research questions are confirmed by logical verification. The applicability
as well as the usefulness of the results proposed in this thesis are initially validated by an
exemplary application in the development of a sensor-integrating plain bearing. Hereby, the
functionality and applicability of the approach are initially proven. Thus, the results of this
thesis form a basis for systematically including the changes of a physical quantity of a technical
system into the identification of potential measurands for recording this quantity. The pro-
posed uncertainty analysis enables an early verification of the fundamental metrological func-
tionality of an identified effect chain.
1
1 Einleitung
Eine wesentliche Grundlage der Digitalisierung technischer Systeme und der einhergehenden
Integration von intelligenten Funktionen, bspw. im Kontext der Zielvision „Industrie 4.0“ oder
vorausschauender Instandhaltung (engl. Predictive Maintenance), stellt die Verfügbarkeit aus-
sagekräftiger und verlässlicher Informationen über Prozesse und Zustände dar.1 Vor diesem Hin-
tergrund entstehen neben der Erfüllung der Primärfunktion eines technischen Systems zusätz-
liche Anforderungen hinsichtlich einer Erfassung systemspezifischer Prozess- und Zustandsgrö-
ßen2. Je nach Betrachtungshorizont reicht der Umfang technischer Systeme hierbei von ganzen
(Produktions-) Anlagen, über einzelne Maschinen bis hin zu Baugruppen und deren Kompo-
nenten bspw. in Form von standardisierten Maschinenelementen. In der gegenwärtigen Situ-
ation muss festgestellt werden, dass eine Vielzahl bestehender technischer Systeme – insbe-
sondere solche mit langen Lebenszyklen – nicht vor diesem Hintergrund entwickelt wurden
und entsprechend nicht in der Lage sind, die benötigten Informationen zur Verfügung zu stel-
len.3 Je nach Branche liegt das statistische Durchschnittsalter des deutschen Maschinenparks
bei 12 bis 18 Jahren.4 Auch international lässt sich diese Feststellung bspw. am durchschnitt-
lichen Alter des französischen Maschinenparks (19 Jahre) oder dem der USA (10 Jahre)
bestätigen.5 Hinzu kommt, dass die eingesetzten Maschinen technologisch betrachtet entspre-
chend ihrer Entwicklungszeit etwa zwei bis drei Jahre älter sind.6
Die Erfüllung der aufgezeigten Anforderung hinsichtlich einer Bereitstellung aussagekräftiger
und verlässlicher Zustandsgrößen durch einen Austausch der bestehenden Maschinen und
Anlagen ist kurz- und mittelfristig kaum realistisch, da dieser in der Regel unwirtschaftlich
ist.7 Folglich tritt die (nachträgliche) Integration von Messfunktionen in (bestehende) techni-
sche Systeme zur Erfassung der benötigten Informationen in den Vordergrund.8 In der Litera-
tur werden solche Nachrüst-Lösungen (engl. Retrofit) vielfach in Form von Vorgehensmodel-
len beschrieben. Einen wesentlichen Schritt zur Sensorintegration in ein (bestehendes) tech-
nisches System stellt die „Festlegung möglicher Messgrößen“ unter Einbezug eines vorgelager-
ten Schritts der „Festlegung möglicher Messstellen“ dar.9 Dem liegt zugrunde, dass zur Erfassung
1 Vgl. Kirchner et al. (2018), S. 64; Simmons (2018), S. 28 sowie Abramovici und Herzog (2016), S. 18 f. 2 Zustandsgrößen sind physikalische Größen, die den Zustand eines Beobachtungsobjekts charakterisieren.
Die Bezeichnung Zustand kann sich sowohl auf ein betrachtetes technisches System sowie dessen
Elemente als auch auf Operanden eines Prozesses beziehen und wird durch die Summe der momentanen
Eigenschaften des Beobachtungsobjekts bestimmt (vgl. Unterabschnitt 2.1.1). Dementsprechend wird im
Folgenden konsequent die Bezeichnung Zustandsgröße verwendet, welche gemäß des dargestellten
Verständnisses Prozessgrößen mit einschließt. 3 Vgl. Guerreiro et al. (2018), S. 161 sowie Juschkat (2016) – Aussage von Dr.-Ing. Struth als Geschäfts-
führer der Robert Bosch GmbH im Bereich „Industrial Technology“. 4 Vgl. Weinzierl (2019) – Aussage von Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Abele als Leiter des Instituts für Produk-
tionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) an der TU Darmstadt. 5 Vgl. Guerreiro et al. (2018), S. 162. 6 Vgl. Weinzierl (2019) – Aussage von Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Abele. 7 Vgl. Weinzierl (2019) – Aussage von Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Abele sowie Harting (2017), S. 16. 8 Vgl. Guerreiro et al. (2018), S. 167; Löpelt et al. (2019), S. 273; Gräler und Anell (2018), S. 34 sowie
Vorwerk-Handing et al. (2018) und Vorwerk-Handing et al. (2019). 9 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 273 ff.; Zeller (1996), S. 144 sowie Fleischer et al. (2018), S. 6.
2
systemspezifischer Zustandsgrößen eines technischen Systems sowohl direkte als auch indi-
rekte Messungen in Betracht zu ziehen sind.10 Für die folgenden Inhalte dieser Arbeit wird
deswegen konsequent zwischen der zu erfassenden Zustandsgröße, als Ziel der Messung und
deren Auswertung, sowie der eigentlichen Messgröße, als Eingangsgröße eines Sensors, unter-
schieden.
Um ein vorzeitiges Denken in technischen Lösungen und eine resultierende unbegründete Ein-
schränkung des Lösungsraums durch eine Vorfixierung zu vermeiden, wird im „Leitfaden Sen-
sorik für Industrie 4.0“ des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) die
Bedeutung einer lösungsneutralen Diskussion verschiedener potentieller Messgrößen explizit her-
vorgehoben.11
Unabhängig davon, ob die Integration einer Messfunktion nachträglich in ein bestehendes
System oder im Rahmen einer sensorischen Neuentwicklung angestrebt wird, stellt sich die
Frage nach potentiellen Messgrößen. Das Ziel ist hierbei die Gewinnung einer definierten Infor-
mation. Beispiele für sensorische Neuentwicklungen stellen die Entwicklung von sensorischen
Maschinenelementen12 oder Prüf- und Validierungsumgebungen13 dar.
Ziel der Arbeit
Aus der Motivation ist zu schlussfolgern, dass das übergeordnete Ziel darin besteht, aussage-
kräftige und verlässliche Informationen über Prozesse und Zustände in (bestehenden) techni-
schen System effektiv und effizient bereitzustellen. Vor diesem Hintergrund wird mit der vor-
liegenden Arbeit das Ziel verfolgt, einen Zusammenhang zwischen einer definierten, system-
spezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen zur Erfassung dieser, insbesondere
unter Berücksichtigung eines (bestehenden) technischen Systems, methodisch herzustellen.
Da physikalische Effekte allgemeingültig den Zusammenhang zwischen physikalischen
Größen herstellen, wird der Ansatz verfolgt, hierzu physikalische Effektkataloge einzusetzen.
Auf diese Weise soll systematisch eine Grundlage für die lösungsneutrale Diskussion potenti-
eller Messgrößen zur Erfassung der benötigten Daten ermöglicht werden. Eine präzise
Beschreibung der Zielsetzung dieser Arbeit erfolgt in Abschnitt 4.2 auf Basis relevanter Grund-
lagen und dem Stand der Forschung sowie einer aufbauenden Einschätzung der Potentiale
und Grenzen bestehender physikalischer Effektkataloge im Kontext dieser Arbeit.
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in acht Kapitel, die logisch in ihrer Argumentation aufei-
nander aufbauen. Eine Übersicht über den Aufbau der Arbeit ist auf der folgenden Seite in
Abbildung 1.1 dargestellt.
10 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 6. 11 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 5 ff. 12 Vgl. Kirchner et al. (2018), S. 63 ff. sowie Vorwerk-Handing et al. (2020a), S. 21 ff. 13 Vgl. Matthiesen et al. (2014), S. 54.
3
Kapitel
2Kapitel
3Kapitel
4Kapitel
5Kapitel
6Kapitel
7Kapitel
8
Absch
ließ
ende
Betr
ach
tung
2.) Forschungsfrage /
Zielsetzung
1.) Forschungsfrage /
Zielsetzung
Beantw
ort
ung For
sch
ung
sfr
agen
Fol
gerunge
n &
For
sch
ung
sdesign
Erf
assung IST-Sta
nd &
Pro
ble
mste
llun
g
Grundlagen
Modellierung technischer Systeme
Klassische Produktentwicklung;
Regelungstechnik; Mechatronik; Messtechnik
Unsicherheit
Produktentwicklung;
Messtechnik
Methodische Produktentwicklung
Technische Systeme; Physikalische Effekte;
Modelle & Methoden; Entwicklungsprozesse
Stand der Forschung
Beobachter
(Regelungstechnik)
Integration von Messfunk-
tionen in technische Systeme
Physikalische
Effektkataloge
Unsicherheit in
technischen Systemen
Potentiale und Grenzen bestehender Effektkataloge
Anwendbarkeit bestehender
Effektkataloge im angestrebten Kontext
Problembezogene Beschränktheit
bestehender Effektkataloge
Zielsetzung & Forschungsdesign
ZielsetzungForschungsfragen
Forschungsvorgehen
Forschungsbedarf
Anforderungen an ein
Katalogsystem
physikalischer Effekte
Konzeptionierung und Entwicklung eines
entsprechenden Katalogsystems
Analyse der problembezogenen Beschränkt-
heit bestehender Effektkataloge
Katalogsystem physikalischer Effekte
Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten
Effektmatrix Effektkatalog
Identifikation von Unsicherheit
Differenzierung von Kontext-, Modell- & Datenunsicherheit
Berücksichtigung von Unsicherheit
Beurteilung & Beherrschung der identifizierten Unsicherheit
Darstellung & Einordnung der Ergebnisse
Initiale Evaluation der Ergebnisse
Verifikation der Ergebnisse
Beurteilung der Zielerreichung
Initiale Validierung
Beispiel eines sensorintegrierenden Gleitlagers
Fazit Ausblick
Abbildung 1.1: Aufbau der Arbeit
4
2 Grundlagen und Stand der Forschung
Neben den Grundlagen zur Entwicklung und Modellierung technischer Systeme wird in die-
sem Kapitel ein Überblick über den für diese Arbeit relevanten Stand der Forschung gegeben.
2.1 Grundlagen der methodischen Produktentwicklung
Mit dem Ziel technische Probleme zu lösen, wird unter Produktentwicklung (PE) der Prozess
ausgehend von einem anfänglichen Problem bis hin zu einer technischen Lösung dieses Prob-
lems in Form eines Produkts verstanden. Dies erfolgt unter Berücksichtigung definierter
Anforderungen sowie individuell vorliegenden Bedingungen und Einschränkungen.14
2.1.1 Grundlagen technischer Systeme
Die Lösung eines technischen Problems wird nach PAHL & BEITZ mithilfe technischer Gebilde
erreicht, diese werden u. a. als Anlage, Apparat, Maschine, Gerät, Einzelteil bezeichnet.15
HUBKA beschreibt eine Hierarchie ausgehend vom technischen Objekt und darauf aufbauenden
Objektgruppen, wie z. B. technischen Gebilden oder technischen Produkten. An der Spitze der
Hierarchie und folglich als Oberbegriff zu sehen, beschreibt HUBKA technische Systeme, deren
Zweck die Ausübung einer Wirkung auf einen technischen Prozess ist.16 Aufbauend darauf
definieren EHRLENSPIEL & MEERKAMM ein technisches System als ein künstlich erzeugtes geomet-
risch-stoffliches Gebilde, das entwickelt wird, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Liegt
der Fokus der Betrachtung vornehmlich auf dem geometrisch-stofflichen Gebilde und weniger
auf dem Prozess, sprechen auch EHRLENSPIEL & MEERKAMM von einem technischen Produkt.17
Da das dargestellte Verständnis eines technischen Systems nach HUBKA bzw. EHRLENSPIEL &
MEERKAMM vom allgemeinen Systembegriff abgeleitet wird, gilt für das technische System wei-
terhin auch das grundlegende Verständnis eines Systems.18
Abbildung 2.1: Modell eines (technischen) Systems19
14 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 1. 15 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 39. 16 Vgl. Hubka und Eder (1992), S. 6 f. und 89 ff. sowie Hubka (1984), S. 80. 17 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 35. 18 Vgl. Hubka (1984), S.11 ff. bzw. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 25 ff. 19 Eigene Darstellung, nach Hubka (1984), S. 15.
Eigene Darstellung nach Hubka 1984
S.15
Eingangs-
größen
Ausgangs-
größen
Umgebung
System-
grenze
Menge der Elemente E
Menge der Relationen RStr
ukt
ur
5
Ein System setzt sich aus einer endlichen Menge von Elementen, ihren Eigenschaften und der
Verknüpfung dieser Elemente mittels Relationen zusammen.20 Es ist gegenüber der Umgebung
durch eine Systemgrenze abgegrenzt, wobei Interaktionen zwischen dem System und der Um-
gebung stattfinden und mittels Ein- und Ausgangsgrößen (Inputs und Outputs) beschrieben
werden.21 Der beschriebene prinzipielle Aufbau von (technischen) Systemen ist in Abbildung
2.1 in einem Modell dargestellt.
Ein- und Ausgangsgrößen eines technischen Systems sind allgemein Energien, Stoffe und
Signale.22 Die Funktion eines technischen Systems stellt u. a. nach BIRKHOFER & KLOBERDANZ
eine lösungsneutrale Beschreibung als Operation des gewollten Zusammenhangs zwischen
Ein- und Ausgangsgrößen dar.23 Der tatsächliche Zusammenhang zwischen Ein- und
Ausgangsgrößen eines realisierten technischen Systems in Form eines technischen Produkts
wird als Verhalten bezeichnet.24 Das Verhalten schließt hierbei auch unerwünschte und/oder
unbeabsichtigte Effekte mit ein. Die dargestellten Grundlagen technischer Systeme und der
Zusammenhang zum technischen Prozess sind in Abbildung 2.2 abgebildet.
Eigene Darstellung in Anlehnung an
Hubka/Eder 1992 S. 94
Zustand n
des Operanden
Technischer
Prozess
Zustand n + 1
des Operanden
Tec
hnisch
es S
yste
m
Ausgangsgrößen /
Wirkungen
Eingangsgrößen /
Energien, Stoffe, SignaleFun
ktion
/
Ver
halten
Umgebung
Abbildung 2.2: Zusammenhang zwischen technischem System und technischem Prozess25
20 Vgl. Hubka (1984), S.11 ff. 21 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 28. 22 Vgl. u. a. Hubka und Eder (1992), S. 94 sowie Pahl und Beitz (2007), S. 41 ff. 23 Vgl. Birkhofer und Kloberdanz (2014) S. 53; Pahl und Beitz (2007), S. 44 und 783; Lindemann (2009),
S. 331 sowie VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6. 24 Vgl. Birkhofer und Kloberdanz (2014), S. 55. 25 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Hubka und Eder (1992), S. 94.
6
Um wesentliche Aspekte hervorzuheben, werden Systeme – im hier betrachten Fall technische
Systeme – je nach Bedarf auf verschiedene Weise betrachtet. ROPOHL unterscheidet hierzu drei
Konzepte zur Modellierung von Systemen (vgl. Abbildung 2.3):
• funktionales Systemkonzept,
• strukturales Systemkonzept und
• hierarchisches Systemkonzept.26
Die jeweiligen Konzepte haben das Ziel, einen Systemaspekt in den Vordergrund zu stellen,
wobei der Systembegriff insgesamt alle drei Aspekte umfasst.
Eigene Darstellung nach Ropohl 2009,
S.8, vgl. Auch Hubka 1992 S. 94
a) Funktionales Systemkonzept b) Strukturales Systemkonzept c) Hierarchisches Systemkonzept
System
Umge
bung
System
Umge
bung
System
Umge
bung
Eingangsgrößen
Ausgangsgrößen
Element Relation Supersystem
Zustände
Subsystem
Abbildung 2.3: Funktionales, strukturales und hierarchisches Konzept
zur Modellierung von Systemen27
Das funktionale Systemkonzept stellt die Funktion des Systems in den Vordergrund. Wie in
Abbildung 2.3 a) dargestellt, wird hierzu das System als Blackbox betrachtet, die durch von
außen sichtbare Zusammenhänge zwischen ihren Eingangs- und Ausgangsgrößen charakteri-
siert wird.28 Es wird bewusst weder die materielle Konkretisierung, noch die innere Struktur
des Systems betrachtet.29 Diese Betrachtungsweise entspricht in vielen Fällen dem alltäglichen
Umgang eines Laien mit technischen Produkten. Zum Beispiel sieht der Nutzer einer Wasch-
maschine als Eingangsgrößen den elektrischen Strom (Energie), das Wasser und das Wasch-
mittel (Stoff) sowie die Programmauswahl (Signal) und erwartet als Ausgangsgröße eine Wir-
kung, die die zugeführte verschmutzte Wäsche reinigt.
Das strukturale Systemkonzept betrachtet das System als eine Ganzheit aus verknüpften Ele-
menten (vgl. Abbildung 2.3 b). Es geht davon aus, dass einzelne Teile nicht isoliert von ihrem
Kontext betrachtet werden dürfen, sondern in Abhängigkeit der weiteren Elemente des Sys-
tems zu sehen sind. Entsprechend liegt der Fokus einerseits auf der Darstellung der Vielfalt an
Interdependenzen zwischen den einzelnen Elementen des Systems und andererseits auf der
Beschaffenheit der Elemente.30
26 Vgl. Ropohl (2009), S. 75. 27 Eigene Darstellung, nach Ropohl (2009), S. 76; vgl. auch Hubka und Eder (1992), S. 94. 28 Vgl. Ropohl (2009), S. 75. 29 Vgl. Ropohl (2009), S. 76. 30 Vgl. Ropohl (2009), S. 75.
7
Das hierarchische Systemkonzept, dargestellt in Abbildung 2.3 c), berücksichtigt den Umstand,
dass sich – je nach Standpunkt der Betrachtung – ein System aus Subsystemen zusammensetzt
und insgesamt als Teil eines umfassenden Systems, eines sogenannten Supersystems, zu sehen
ist. Diese Betrachtungsweise spiegelt sich insbesondere in der Detaillierung des jeweils
betrachteten Systems wider. In einer immer tiefer greifenden Analyse des Systems bewegt sich
der Betrachter in der Hierarchie nach unten, wohingegen ebenso entgegengesetzt eine immer
weiter greifende Synthese von Zusammenhängen auf einer höheren Hierarchiestufe möglich
ist.31
Beschreibung technischer Systeme
Da ein technisches System nur wegen bestimmter gewünschter Eigenschaften entwickelt, her-
gestellt und genutzt wird, erfolgt dessen Beschreibung anhand seiner Eigenschaften.32 Hierzu
definieren EHRLENSPIEL & MEERKAMM eine Eigenschaft als alles, „was durch Beobachtungen,
Messergebnisse, allgemein akzeptierte Aussagen usw. von einem Gegenstand festgestellt werden
kann“ 33. Dieses Verständnis übernimmt auch die VDI-Richtlinie 2221 von 2019 sinngemäß.34
Um Missverständnissen bezüglich der Bedeutung und des Verhältnisses der Bezeichnungen
Eigenschaft und Merkmal vorzubeugen, wird weiterhin nach PONN & LINDEMANN definiert, dass
sich eine Eigenschaft formal aus einem Merkmal (z. B. Wanddicke) und einer Ausprägung (z. B.
5 mm) zusammensetzt.35 Ein Merkmal bezeichnet also einen beschreibenden Parameter eines
(technischen) Systems.36 Diese Differenzierung zwischen Eigenschaft und Merkmal entspricht
dem Verständnis der VDI-Richtlinie 2221.37
Neben dem bisher dargestellten und im Folgenden verwendeten Verständnis von Eigenschaf-
ten und Merkmalen existieren in der Literatur zahlreiche weitere Auffassungen zur Bedeutung
und Ansätze zur Definition der beiden Begriffe. Exemplarisch wird an dieser Stelle auf das
abweichende aber ebenfalls etablierte Verständnis nach WEBER hingewiesen. Im Rahmen der
Modellierungsansätze des Characteristics-Properties Modelling (CPM)38 und des Property-
Driven Development (PDD)39 wird nach WEBER zwischen Merkmalen, welche direkt vom Ent-
wickelnden beeinflusst und festgelegt werden sowie Eigenschaften, welche sich aus diesen
Merkmalen ergeben und nicht direkt beeinflusst werden können, unterschieden.40 Insbeson-
dere auf dem Forschungsgebiet von Prozessen und Methoden zur Gestaltung von technischen
Produkten kann dieses Verständnis zweckmäßig sein und wird aus diesem Grund von
31 Vgl. Ropohl (2009), S. 77. 32 Vgl. Hubka (1984), S. 97 ff. sowie Hubka und Eder (1992), S. 9 ff. 33 Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 38. 34 Vgl. VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 5. 35 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 432. 36 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 443. 37 Die VDI-Richtlinie 2221 von 2019 ist hinsichtlich der Bedeutung und des Verhältnisses der Bezeichnun-
gen Eigenschaft und Merkmal uneinheitlich. Die hier dargestellte Aussage bezieht sich auf S. 7. Auf S. 5
wird abweichend das Verständnis eines Merkmals als eine Eigenschaft, die besonders herausgehoben
werden soll, von Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 38 übernommen. 38 Ansatz zur Modellierung eines zu entwickelnden Produkts von den direkt beeinflussbaren „characteris-
tics“ (deutsch: „Merkmalen“) hin zu den abhängigen „properties“ (deutsch: „Eigenschaften“). 39 Ein auf dem CPM aufbauender Ansatz zur Beschreibung des Entwicklungs- und Gestaltungsprozesses. 40 Vgl. Weber (2007), S. 87.
8
MATTHIESEN aufgegriffen und angewendet.41 Da im Kontext dieser Arbeit hingegen die Diffe-
renzierung zwischen einem beschreibenden Parameter eines (technischen) Systems (Merk-
mal) und die Angabe einer Quantifizierung dieses Merkmals (Ausprägung) – zusammen als
Eigenschaft bezeichnet – in den Vordergrund tritt, ist das eingangs dargestellte Verständnis für
diese Arbeit zweckmäßig. Eine Übersicht über weitere Auffassungen in der Fachliteratur liefert
ERBE, indem verschiedene Abgrenzungen der Begriffe Eigenschaft, Merkmal und Verhalten
etablierter Autoren (u. a. Weber, Hubka, Gero & Kannengiesser, Suh, Birkhofer & Wäldele)
gegenübergestellt werden.42
Eigenschaften ermöglichen nicht nur die Beschreibung von technischen Systemen und deren
Elementen, sondern auch die Beschreibung von Prozessen bzw. deren Operanden. Die Summe
der momentanen Eigenschaften eines Beobachtungsobjekts bspw. von einem technischen
System oder vom Operanden eines Prozesses bestimmt dessen Zustand. Der Zustand eines
Beobachtungsobjekts wird entsprechend als das quantitative Maß seiner momentanen
Eigenschaften definiert.43 Zustandsgrößen charakterisieren in Form von physikalischen Größen
den Zustand eines technischen Systems. Ändert sich der Zustand eines Systems, ändern sich
zwangsläufig auch bestimmte Zustandsgrößen.44 Der Zustand von einzelnen materiellen
Elementen eines technischen Systems lässt sich durch Gestaltparameter beschreiben. Diese
fassen sowohl geometrische als auch stoffliche Merkmale bzw. Eigenschaften zusammen.45 Die
Gesamtheit der Gestaltparameter, die das materielle Objekt beschreiben und zu seiner
Herstellung notwendig sind, werden als Gestalt bezeichnet.46 Gestaltparameter, die „entweder
einen direkten Zusammenhang mit einer Funktion besitzen oder […] Gestalteigenschaften beein-
flussen, die für die Funktionserfüllung relevant sind“47 werden weiterhin als funktionsrelevante
Gestaltparameter bezeichnet.48
Um technische Systeme zweckmäßig und einheitlich beschreiben zu können, ist eine Struktu-
rierung der Eigenschaften technischer Systeme sinnvoll. Eine im Entwicklungsprozess zweck-
mäßige Differenzierung stellt die Unterscheidung zwischen Eigenschaften, die vom Entwi-
ckelnden unmittelbar festgelegt werden und denen, die sich mittelbar aus den erstgenannten
ergeben, dar.49 In diesem Kontext werden die Bezeichnungen „unabhängige Eigenschaft“ und
„abhängige Eigenschaft“ für die beschriebene Differenzierung von BIRKHOFER & WÄLDELE in die-
ser Arbeit übernommen.50 Indem eine Differenzierung zwischen unabhängig veränderlichen
und abhängig veränderlichen Eigenschaften getroffen wird, vertritt auch HUBKA, im Rahmen
41 Vgl. Matthiesen (2020), S. 7. 42 Vgl. Erbe (2013), S. 159. 43 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 515 und 926 ff. sowie MacFarlane (1967), S. 13. 44 Vgl. Lunze (2016), S. 79; Löser et al. (2018), S. 24. 45 Vgl. Matthiesen (2020), S. 2 und 7. 46 Vgl. Matthiesen (2020), S. 2 und 7 sowie Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 908. 47 Matthiesen (2020), S. 7. 48 Vgl. Matthiesen (2020), S. 7. 49 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 39. 50 Vgl. Birkhofer und Waeldele (2008), S. 22 ff.
9
von Eigenschaftskategorien nach der Funktionsabhängigkeit, diese Sichtweise.51 Die Funktion
eines technischen Systems ergibt sich in diesem Verständnis aus den abhängig veränderlichen
Eigenschaften. Da sich die Funktion eines technischen Systems über den Zusammenhang
zwischen (allgemeinen) Ein- und Ausgangsgrößen (Energien, Stoffe und Signale) definiert,
lassen sich zur Beschreibung technischer Systeme auch allgemeine Funktionen aufstellen. Eine
Übersicht über die allgemeinen Funktionen „Wandeln“, „Umformen“, „Verknüpfen“, „Leiten“ und
„Speichern“ nach ROTH gibt Tabelle 2.1.52
Tabelle 2.1: Übersicht über die allgemeinen Funktionen nach ROTH
Der wesentliche Vorteil dieser normierten und definierten Beschreibung liegt in der begrenz-
ten Anzahl an Funktionen, mit denen unterschiedliche technische Systeme beschrieben wer-
den können. Dies ermöglicht es einerseits, Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen technischen
Systemen zu erkennen und zu nutzten sowie andererseits, auf gut dokumentiertes Wissen,
z. B. in Form von Effektkatalogen oder Lösungssammlungen zurückzugreifen.
51 Vgl. Hubka (1984), S. 101. 52 Vgl. Roth (2000), S. 81 ff. 53 Eigene Darstellungen, in Anlehnung an Roth (2000), S. 82. 54 Die dargestellten Beispiele beziehen sich auf die allgemeine Ein- und Ausgangsgröße der Energie sowie
im Fall des Verknüpfens auf den expliziten Fall der summativen Verknüpfung von Energie und Informa-
tion. Analog lassen sich Beispiele für die beiden anderen allgemeinen Ein- und Ausgangsgrößen (Stoff
und Information) beschreiben. Eine vollständige Übersicht (inkl. Beispielen) der allgemeinen Funktio-
nen im Zusammenhang mit den allgemeinen Ein- und Ausgangsgrößen eines technischen Systems stellt
Roth (2000) auf S. 84 zur Verfügung.
Allgemeine Funktion Symbol53 Erklärung Beispiel54
Wandeln
Ändern der Art Elektromotor
Umformen
Ändern der
Erscheinungsform
Mechanisches
Getriebe
Verknüpfen
Vereinigen oder Teilen Elektrischer
Schalter
Leiten
Versetzen an einen
anderen Ort Mechanische Welle
Speichern
Ein- und Ausspeichern
sowie gespeichert
halten
Akkumulator
Eigene Darstellung in Anlehnung an
Roth 2000, S. 82
S
L
U
W
V
V
Eigene Darstellung in Anlehnung an
Roth 2000, S. 82
S
L
U
W
V
V
Eigene Darstellung in Anlehnung an
Roth 2000, S. 82
S
L
U
W
V
V
Eigene Darstellung in Anlehnung an
Roth 2000, S. 82
S
L
U
W
V
V
Eigene Darstellung in Anlehnung an
Roth 2000, S. 82
S
L
U
W
V
V
10
2.1.2 Physikalische Effekte im Kontext der Produktentwicklung
Der Zusammenhang zwischen den Ein- und Ausgangsgrößen eines technischen Systems in
Form der Funktion bzw. des Verhaltens (vgl. Unterabschnitt 2.1.1) wird mittels physikalischer,
chemischer und/oder biologischer Effekte hergestellt und ist entsprechend auch mittels diese
beschreibbar.55 Im Maschinenbau kommt der genannte Zusammenhang in der Regel durch
einen physikalischen Effekt oder durch eine Verkettung mehrerer physikalischer Effekte
zustande. Eine Ausnahme bildet hierbei bspw. die Verfahrenstechnik.56 Diese beruht vielfach
auch auf chemischen und biologischen Effekten. Im Folgenden wird der Begriff „physikalischer
Effekt“ bzw. kurz „Effekt“ stellvertretend verwendet. Dieser soll gemäß des beschriebenen Ver-
ständnisses auch die Möglichkeit einer Nutzung chemischer und biologischer Effekte prinzipi-
ell mit einschließen. Eine physikalische Erscheinung bzw. ein physikalisches Geschehen wird
als physikalischer Effekt und die quantitativ ausformulierte Beziehung zwischen beteiligten
physikalischen Größen als physikalisches Gesetz bezeichnet.57 Da physikalische Effekte die
Grundlage bzw. Voraussetzung zur Realisierung der in Tabelle 2.1 dargestellten allgemeinen
Funktionen bilden, stellt die Betrachtung dieser einen etablierten Ansatz zur Realisierung von
Funktionen dar (vgl. Abbildung 2.4).58
Abbildung 2.4: Realisierung einer allgemeinen Funktion in einem technischen System
auf Basis eines physikalischen Effekts
Die technische Realisierung physikalischer Effekte findet durch geometrisch-stoffliche Gebilde,
sog. Effektträger59, in einer definierten Umgebung, d. h. im technischen System statt. In diesem
Zusammenhang wird die Verknüpfung von physikalischem Effekt und Effektträger als Wirk-
zusammenhang bezeichnet.60 Wird weiterhin der Wirkzusammenhang im Kontext der Funkti-
55 Vgl. Koller (1998), S. 59 ff. sowie Pahl und Beitz (2007), S. 51 f. 56 Vgl. u. a. Pahl und Beitz (2007), S. 52. 57 Vgl. Roth (2000), S. 2 sowie Ponn und Lindemann (2011), S. 447. 58 Vgl. u. a. Pahl und Beitz (2007), S. 52 ff.; Roth (2000), S. 111 ff. sowie Koller (1998), S. 59 ff. 59 Vgl. bspw. Koller (1998), S. 61 f. 60 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 52.
Allgemeine Funktion:
Umformen (und Leiten)
Physikalischer Effekt:
Hebel-Effekt
Realisierung im technischen System mittels Effektträger:
Balken und Auflager
Eigenschaften* des technischen Systems:
Geometrisch: Längen l1 = 850 mm und l2 = 500 mm sowie
Flächenträgheitsmoment des Balkens I = 39.800 mm4
Stofflich: E-Modul des Balkenmaterials E = 210.000 MPa
Kinematisch: Kopplung zwischen Balken und Auflager
mit einem rotatorischen Freiheitsgrad
* Beispielhafte Angabe von funktionsrelevanten Eigenschaften
l1 l2
F2
F1
Notiz: Brechstange aus Stahl (rund mit einem Durchmesser von etwa 30 mm)
11
onserfüllung beschrieben, sprechen PAHL & BEITZ von einem Wirkprinzip.61 Die notwendigen
Voraussetzungen eines technischen Systems zur Realisierung eines physikalischen Effekts
lassen sich über die geometrischen, stofflichen und kinematischen Eigenschaften eines techni-
schen Systems beschreiben.62 Abbildung 2.4 verdeutlicht dies am Beispiel eines mechanischen
Hebels.
Die Betrachtung von physikalischen Effekten zur Realisierung von Funktionen bietet die Mög-
lichkeit, Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen technischen Aufgaben bzw. Problemen zu
erkennen, zu nutzten und bereits vorhandenes Wissen aufzugreifen, z. B. in Form von
Effektkatalogen (vgl. auch: Beschreibung technischer Systeme über allgemeine Funktionen –
Unterabschnitt 2.1.1). In diesem Kontext betrachtet SIMONEK physikalische Gesetze vor dem
Hintergrund, dass diese einen Zusammenhang sowie darüber hinaus eine kausale Beziehung
zwischen zwei63 physikalischen Größen herstellen.64 Hierbei wird festgestellt, dass sich die
Gleichungen aus einer abhängig veränderlichen Größe, einer unabhängig veränderlichen
Größe und einer unveränderlichen Größe65 zusammensetzen. Weiterhin differenziert SIMONEK
zwischen Größen, die vom Entwickelnden im Konstruktionsprozess in Form von geometri-
schen und stofflichen Eigenschaften festgelegt werden (sog. Konstruktionsgrößen) und Grö-
ßen, die im Funktionsablauf veränderlich sind und vom Entwickelnden nicht unmittelbar fest-
gelegt werden können (sog. Funktionsgrößen).66 Diese Gemeinsamkeiten zwischen Größen in
physikalischen Gleichungen fasst SIMONEK in den Bezeichnungen abhängige und unabhängige
Funktionsgröße sowie Konstruktionsgröße zusammen:
abhängige Funktionsgröße = f (unabhängige Funktionsgröße, Konstruktionsgröße) .67
Weiterhin wird die Zeit t als Ausnahme definiert, da diese weder den Konstruktions- noch den
Funktionsgrößen zugeordnet werden kann. Auf das Beispiel aus Abbildung 2.4 bezogen, wird
die Kraft F1 als abhängige Funktionsgröße, die Kraft F2 als unabhängige Funktionsgröße sowie
die Längen l1 und l2 als Konstruktionsgrößen bezeichnet. Die Größen stehen gemäß des Hebel-
Gesetzes im folgenden Zusammenhang:
61 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 786. 62 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 52 ff. und S. 149. 63 Simonek betrachtet nur Zusammenhänge, die sich aus einem isolierten Effekt ergeben und sich nicht
weiter zerlegen lassen (vgl. Simonek (1973) S. 10). 64 Vgl. Simonek (1973), S. 10. 65 Eine unveränderliche Größe muss nach dem von Simonek vorgestellten Verständnis nicht zwangsläufig
konstant sein (vgl. Simonek (1973), S. 11 f.). 66 Vgl. Simonek (1973), S. 12. 67 Anmerkung des Autors: Eine weitere Differenzierung hinsichtlich physikalischer Konstanten wird von
Simonek nicht beschrieben.
𝐹1 = 𝐹2 ∙
𝑙2
𝑙1
. ( 2.1 )
12
2.1.3 Beherrschung von Komplexität durch Modelle und Methoden
Die Art und Ausprägung der Komplexität von technischen Systemen kann stark variieren.
Intuitiv erscheinen bspw. technische Systeme mit einer hohen Anzahl an Elementen und
Relationen zwischen diesen Elementen als komplex.68 LINDEMANN definiert Komplexität in
diesem Zusammenhang in Abhängigkeit von den „Elementen (Art und Verschiedenartigkeit,
Anzahl und Ungleichmäßigkeit der Aufteilung), den Relationen (Art, Verschiedenartigkeit und
Anzahl) sowie der Dynamik (Art und Anzahl der möglichen Zustände)“ 69. Die definierten
Abhängigkeiten zieht LINDEMANN gleichzeitig auch zur Beschreibung der Komplexität eines
(technischen) Systems heran.70
Um die wachsende Komplexität technischer Systeme zu beherrschen, hat sich der Ansatz der
Systemtechnik (engl. Systems Engineering) etabliert.71 Ein wesentlicher Aspekt der System-
technik ist die an die Situation und den Zweck angepasste Definition einer Betrachtungseinheit
in Form eines (technischen) Systems und dessen Abgrenzung durch Systemgrenzen.72 Das
betrachtete System genügt hierbei den in Unterabschnitt 2.1.1 beschriebenen Grundlagen.
Hierauf aufbauend werden mittels einer Systembetrachtung Modelle entwickelt und einge-
setzt, um durch Abstraktion komplexe Sachverhalte zu strukturieren.73 EHRLENSPIEL &
MEERKAMM definieren ein Modell als ein „gegenüber einem Objekt (Original) vereinfachtes,
abstrahiertes, gedankliches, programmtechnisches, immaterielles oder stoffliches Gebilde, das
Analogien zu diesem Objekt aufweist“ 74. Weiterhin sind Modelle allgemein zweckorientiert,
trennen das für die jeweilige Situation Wesentliche von Unwesentlichem und aus ihrem Ver-
halten lassen sich Rückschlüsse auf das Original ziehen.75
STACHOWIAK weist Modellen drei charakterisierende Merkmale zu:
• Das Abbildungsmerkmal besagt, dass Modelle Abbildungen bzw. Repräsentationen von
natürlichen oder künstlichen Originalen sind. Je nach Standpunkt können die Originale
wiederum Modelle sein.
• Das Verkürzungsmerkmal beschreibt die reine Erfassung von relevanten Attributen des
Originals durch das Modell, d. h. ein Modell erfasst nicht alle Attribute des repräsen-
tierten Originals.
• Das pragmatische Merkmal berücksichtigt, dass ein Modell zu einem bestimmten Zeit-
punkt und zu einem definierten Zweck gebildet wird. Es erfüllt eine Einsatzfunktion
für bestimmte modellnutzende Subjekte, innerhalb eines definierten Zeitintervalls und
unter Einschränkung auf bestimmte Operationen.76
68 Vgl. Lindemann (2009), S. 8. 69 Lindemann (2009), S. 332. 70 Vgl. Lindemann (2009), S. 10. 71 Vgl. u. a. Haberfellner (2012), S. 31 ff.; Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 26 f., Lindemann (2009),
S. 9 sowie VDI 2206 (2004), S.24. 72 Vgl. Lindemann (2009), S. 9 sowie Haberfellner (2012), S. 32 ff. 73 Vgl. Haberfellner (2012), S. 39 ff. sowie Lindemann (2009) S. 11. 74 Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911; vgl. auch VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6 sowie Lindemann
(2009), S. 333. 75 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911 sowie VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6. 76 Vgl. Stachowiak (1973), S. 131 ff.
13
Verschiedene Modelle werden in einem Vorgehen (z. B. zur Lösung eines technischen Prob-
lems) jeweils zu einem bestimmten Zweck und zu bestimmten Zeitpunkten eingesetzt. Erfolgt
dieses Vorgehen planmäßig und regelbasiert als eine Abfolge von Tätigkeiten zum Erreichen
eines definierten Ziels (z. B. Lösung eines technischen Problems), so wird dies als Methode
bezeichnet.77
2.1.4 Grundlagen technischer Entwicklungsprozesse
Technische Entwicklungsprozesse sind durch die Lösung von Aufgaben und/oder Problemen78
zur Erreichung eines Ziels geprägt. In diesem Zusammenhang stellt sich die wesentliche Frage,
welche Handlungen in welcher Reihenfolge auszuführen sind, um den Entwicklungsprozess
mit möglichst geringem Aufwand (hohe Effizienz) zu einem möglichst guten Ergebnis (hohe
Effektivität) zu führen. Durch die Beschreibung wesentlicher Elemente einer Handlungsfolge
für bestimmte Situationen oder Zielsetzungen, können Vorgehensmodelle eine Hilfestellung
bieten. Sie ermöglichen ein planmäßiges und regelbasiertes Vorgehen in Form einer Methode.
Die Formulierung von Vorgehensmodellen erfolgt entweder in Form einer deskriptiven
Beschreibung von Vorgehensmustern oder in Form von präskriptiven Vorgaben oder Empfeh-
lungen von Arbeitsschritten und deren zeitlicher Abfolge.79 Weder deskriptiven Beschreibung
noch präskriptiven Vorgaben oder Empfehlungen, sind hierbei als starre Vorschriften zu sehen.
Sie sind an die jeweilige Situation und die entsprechenden Kontextfaktoren flexibel anzupas-
sen.80 Ohne eine entsprechend kritische Betrachtung von Vorgehensmodellen kann es auf-
grund des vereinfachten, abstrahierten und zweckorientierten Abbilds der Realität (vgl. Un-
terabschnitt 2.1.2) zu Fehlern und Misserfolg kommen.81 In Abhängigkeit des jeweiligen
Standpunkts und Blickwinkels auf den technischen Entwicklungsprozess existieren allein im
deutschsprachigen Raum eine Vielzahl von Vorgehensmodellen. Ein wesentlicher Faktor ist in
diesem Zusammenhang der Auflösungsgrad des Vorgehensmodells. LINDEMANN unterscheidet
in einem fließenden Übergang die als Mikrologik bezeichneten elementaren Denk- und Hand-
lungsabläufe sowie die Makrologik, die bspw. in Form einer Gesamtprojektplanung erfolgt.82
Im Folgenden werden gezielt Vorgehensmodelle aus den Disziplinen Maschinenbau, Mechat-
ronik (Elektrotechnik und Informatik) sowie der Messtechnik vorgestellt, die für das Verständ-
nis und den Aufbau der Arbeit relevanten sind.
77 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911; Lindemann (2009), S. 333 sowie VDI 2221 (2019),
Blatt 1, S. 7. 78 Eine Differenzierung zwischen Aufgabe und Problem stellt die Kenntnis und die Verfügbarkeit eines
Vorgehens und der Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels dar. Bei einer Aufgabe sind Vorgehen
und Mittel zur Zielerreichung bekannt und verfügbar, bei einem Problem hingegen sind Vorgehen
und/oder Mittel unklar bzw. nicht verfügbar (vgl. Lindemann (2009), S. 329 und 334). 79 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 458. 80 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 190; Nähere Informationen zu möglichen Kontextfaktoren können der
VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 24 f. entnommen werden. 81 Vgl. Lindemann (2009), S. 38. 82 Vgl. Lindemann (2009), S. 38.
14
Entwicklung technischer Produkte und Systeme gemäß VDI-Richtlinien 222x
Die Kernrichtlinie zur Entwicklung technischer Produkte bildet die VDI-Richtlinie 2221
(VDI 2221) in ihrer aktuellen Fassung aus dem Jahr 2019. Das beschriebene allgemeine Vor-
gehen zur Entwicklung technischer Produkte ist national und international anerkannt. Zur
besseren Übertragbarkeit in die Praxis ist die VDI 2221 in zwei Blätter unterteilt. Blatt 1
beschreibt die Grundlagen der methodischen Entwicklung von technischen Produkten und
Systemen und definiert hierzu zentrale Ziele, Aktivitäten und Arbeitsergebnisse in einem
„Modell der Produktentwicklung“ (vgl. Abbildung 2.5).
Abbildung 2.5: Allgemeines Modell der Produktentwicklung83
83 Eigene Darstellung, nach VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 31.
Eigene Darstellung nach VDI 2221 (2019), Blatt 1, S.31 und VDI 2222, Blatt 1. S.5
Produktplanung
Entwicklungsauftrag
Verfeinerte und
ergänzte
Anforderungen
Ziele
PhasenAktivitäten
Ergebnisse
Absicherung der
Anforderungserfüllung
physisch
virtuell
Freigabe
Produktdokumentation
Planung Konzept etc.
Zeit
Klären und Präzisieren des
Problems bzw. der Aufgabe
Ermitteln von Funktionen und
deren Strukturen
Bewerten und Auswählen von
Lösungskonzepten
Gliedern in Module,
Schnittstellendefinition
Gestalten der Module
Integrieren des gesamten
Produkts
Ausarbeiten der Ausführungs-
und Nutzungsangaben
...
Suchen nach Lösungsprinzipien
und deren Strukturen
Anforderungen
Funktionsmodelle
Lösungskonzepte
Systemarchitektur
Teilentwürfe
Gesamtentwürfe
Produktdokumentation
...
Prinzipielle
Lösungskonzepte
15
In Blatt 2 werden exemplarisch Produktentwicklungsprozesse (PE-Prozesse) in unterschiedli-
chen Kontexten erläutert, bspw. resultierend aus der jeweiligen Branche, Produktart oder
Stückzahl. Weiterhin wird eine Zuordnung der möglichen Aktivitäten zu Prozessphasen in
kontextspezifischen Entwicklungsprozessen vorgeschlagen.84 Anhand der im „Modell der Pro-
duktentwicklung“ beschriebenen Aktivitäten und den entsprechend angestrebten Ergebnissen
wird eine Einordnung der Inhalte dieser Arbeit in Abbildung 2.5 ermöglicht. Die Aktivität
„Suche nach Lösungsprinzipien und deren Strukturen“ und das angestrebte Ergebnis in Form
„prinzipieller Lösungskonzepte“ stehen hierbei im Mittelpunkt. Die VDI-Richtlinie 2222
(Blatt 1) „Methodisches Entwickeln von Lösungsprinzipien“ besitzt im Vergleich zur übergeord-
neten VDI 2221 einen vertiefenden und ergänzenden Charakter, wobei der Fokus auf den
Tätigkeiten liegt, die zum Ermitteln einer prinzipiellen Lösung führen. Die angestrebten
Lösungen enthalten die wesentlichen Funktionen, physikalischen Effekte zur Umsetzung
dieser Funktionen und erste Bezüge zur technischen Realisierung in Form einer Gestalt.85 Ein
wesentlicher Schritt ist in diesem Zusammenhang die Suche nach Lösungsprinzipien auf der
Ebene von (physikalischen) Effekten und der Gestalt (vgl. Unterabschnitt 2.1.2).86
Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme gemäß VDI-Richtlinie 2206
Um das domänenübergreifende Entwickeln mechatronischer Systeme auf den Gebieten des
Maschinenbaus, der Elektrotechnik und der Informationstechnik methodisch zu unterstützen,
existiert mit der VDI-Richtlinie 2206 „Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme“
(VDI 2206) eine Ergänzung zur VDI 2221. Die Bezeichnung mechatronisches System beinhal-
tet gemäß VDI 2206 die funktionale und/oder räumliche Integration von Sensoren, Aktoren
und Informationsverarbeitung in einem Grundsystem.87 Der Fokus der beschriebenen Vorge-
hensweisen, Methoden und Werkzeuge liegt auf dem Systementwurf unter Berücksichtigung
der genannten Fachdomänen. Ein wesentliches Ziel des Systementwurfs ist neben der Vermei-
dung von Vorfixierungen hinsichtlich der späteren Lösung durch Abstraktion, die Suche nach
Wirkprinzipien und Lösungselementen zur Erfüllung von Teilfunktionen. Das makroskopische
Vorgehen zur Entwicklung mechatronischer Systeme wird im V-Modell in Abbildung 2.6
zusammenfassend dargestellt.88 Auf der Mikro-Ebene verweist die VDI 2206 auf die Anwen-
dung allgemeiner Problemlösungszyklen ausgehend von einer Situationsanalyse oder Ziel-
übernahme und darauffolgenden wechselnden Analyse- und Syntheseschritten (siehe auch
Abschnitt 4.4).89
84 Vgl. VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 3. 85 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 1, S. 2. 86 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 1, S. 19 f. und S. 23 ff. 87 Vgl. VDI 2206 (2004), Blatt 1, S.10. 88 Vgl. VDI 2206 (2004), Blatt 1, S.29. 89 Vgl. VDI 2206 (2004), Blatt 1, S.27 f.
16
Eigene Darstellung nach VDI 2206, S.29
Anforderungen Produkt
Eigenschaftsabsicherung
Informationstechnik
Elektrotechnik
Maschinenbau
Modellbildung und -analyse
Domänenspezifischer Entwurf
Abbildung 2.6: Das V-Modell als Makrozyklus90
Methodische Vorgehensweisen zur Entwicklung von Sensorsystemen
In Abhängigkeit vom Standpunkt und individuellem Ziel existiert eine Vielzahl verschiedenster
Vorgehensmodelle zur Entwicklung von Sensorsystemen. Ein makroskopisches Vorgehen zum
Entwurf von Sensoren und Sensorsystemen stellen bspw. TRÄNKLER & REINDL vor.91 Konkretere
Vorgehensmodelle – angefangen beim Entwurf von Sensorsystemen92, über Modelle zum Vor-
gehen bei der Auswertung von Messungen93, bis hin zum Vorgehen bei der Bestimmung der
Messunsicherheit94 – werden ebenfalls in der Literatur beschrieben.
Wie bereits in den Ausführungen zu den VDI-Richtlinien 222x und 2206 erläutert, liegt der
Fokus dieser Arbeit auf der konzeptionellen Lösungssuche u. a. durch die Auswahl von
Lösungsprinzipien und deren Strukturen im Rahmen des Systementwurfs. Aus diesem Grund
wird exemplarisch ein zur Erreichung dieses Ziels repräsentatives Vorgehensmodell nach
LÖPELT ET AL.95 bzw. ZELLER96 in Abbildung 2.7 dargestellt.
90 Eigene Darstellung, nach VDI 2206 (2004), S. 29 und 32. 91 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S. 16 f. 92 Vgl. u. a. Löpelt et al. (2019), S. 273 ff.; Zeller (1996), S. 144 f. sowie Fleischer et al. (2018), S. 6 ff. 93 Vgl. DIN 1319-3 (1996), S.4 f. 94 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008) sowie Tränkler und Reindl (2015), S. 32 ff. 95 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 273 ff. 96 Vgl. Zeller (1996), S. 144 f.
17
Eigene Darstellung nach Löpelt et al. (2019), S. 273
Identifikation der Messaufgabe
Erstellung der Anforderungsliste
Festlegung möglicher Messstellen
Auswahl möglicher Messprinzipien
Einschränkung der Messprinzipien
Festlegung des Messprinzips
Auswahl und Bewertung geeigneter Sensorsysteme
Det
aillieru
ng u
nd K
onk
retisierung
von
Aufg
aben
und
Anfo
rderu
ngen
Vorbereitungsphase
Auswahlp
hase
Festlegung eines positiven Nutzens
durch den Einsatz von Sensoren
Konzept
Rechnerunterstützung
Festlegung möglicher Messgrößen
Abbildung 2.7: Modell einer methodischen Vorgehensweise zur Sensorauswahl97
Das Vorgehen ist in eine Vorbereitungs- und eine Auswahlphase unterteilt. Insbesondere die
„Festlegung möglicher Messgrößen“ unter Einbeziehung des vorgelagerten Schritts der „Festle-
gung möglicher Messstellen“ sowie die Auswahlphase sind für diese Arbeit relevant. Die Ent-
wicklung der eigentlichen Sensoren und Messgeräte steht nicht im Fokus dieser Arbeit. Da
Sensoren und Messgeräte dem eingeführten Verständnis nach aber allgemein technische
Systeme darstellen, sind die bereits eingeführten Vorgehen und Entwicklungsprozesse prinzi-
piell anwendbar. Dies spiegelt sich, bei teilweise leicht abweichenden Bezeichnungen, in der
entsprechenden Literatur durch prinzipiell gleiche Vorgehensweisen wider.98
97 Eigene Darstellung, nach Löpelt et al. (2019), S. 273 bzw. Zeller (1996), S. 144. 98 Vgl. bspw. Czichos (2008), S. 82 ff.
18
2.2 Grundlagen zur Modellierung technischer Systeme
Um die in der Realität vielfach komplexen technischen System entwickeln zu können, muss
der Entwickelnde deren Komplexität beherrschen. In Unterabschnitt 2.1.3 werden hierzu
Modelle und Methoden eingeführt. In diesem Kapitel werden darauf aufbauend
Modellierungsansätze und Sichtweisen verschiedener Disziplinen auf technische Systeme
vorgestellt.
2.2.1 Klassifizierung von Modellen technischer Systeme der PE
Die Modellierung technischer Produkte bzw. im Allgemeinen technischer Systeme (vgl. Unter-
abschnitt 2.1.1) beschreibt die Bildung eines zum gegebenen Zeitpunkt zweckmäßigen und
verkürzten Abbilds des technischen Systems in Form eines (Produkt-) Modells. EHRLENSPIEL &
MEERKAMM definieren ein Produktmodell als ein Modell (vgl. Unterabschnitt 2.1.3), „das alle für
die Produkterstellung, -nutzung und -entsorgung relevanten Informationen in hinreichender Voll-
ständigkeit enthält“ 99.
Abbildung 2.8: Produktmodellpyramide nach Ehrlenspiel100
Eine Differenzierung bestehender Produktmodelle ist anhand unterschiedlicher Aspekte mög-
lich, z. B. anhand der Phase des PE-Prozesses (Planung, Konzeptionierung, …), des Zwecks
(Analyse, Kommunikation, …), des Informationsgehalts (funktionale Zusammenhänge, physi-
kalische Effekte, …) oder der Form der Abbildung (gedanklich/programmtechnisch, immate-
riell/stofflich, …) (vgl. Unterabschnitt 2.1.3 und 2.1.4). Als eine in der Entwicklungsmethodik
99 Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 913. 100 Eigene Darstellung, nach Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 48.
19
etablierte und für den weiteren Verlauf dieser Arbeit zweckmäßige Differenzierung wird im
Folgenden die Klassifizierung anhand des Konkretisierungs- bzw. Abstraktionsgrads101 der
Beschreibung des technischen Systems auf Ebene der Funktion, der Physik und der Gestalt
vorgenommen.102 In Abbildung 2.8 werden diese Ebenen horizontal in Form einer Produkt-
modellpyramide nach EHRLENSPIEL & MEERKAMM dargestellt.
Im Kontext des PE-Prozesses (vgl. Unterabschnitt 2.1.4) stellen die schraffierten vertikalen
Flächen schematisch die Lösungssuchen und -auswahl dar. Die horizontalen Flächen reprä-
sentieren schematisch die jeweils möglichen Lösungsvarianten auf der entsprechenden Ebene.
Um von einer Ebene auf die nächst tiefere zu gelangen, muss eine Lösungsvariante103 ausge-
wählt werden. Diese führt auf der nun erreichten Ebene erneut zu mehreren Alternativen. Die
Anzahl der sinnvollen Lösungsalternativen sowie deren Komplexität nimmt im Entwicklungs-
prozess mit fortschreitender Konkretisierung zu. Dieser Umstand wird durch die Pyramiden-
form unterstrichen.104
In dieser Arbeit tritt im Rahmen des Konzeptprozesses insbesondere die Suche nach Lösungs-
prinzipien und deren Strukturen in den Vordergrund (vgl. Unterabschnitt 2.1.4). Die techni-
schen Lösungsmöglichkeiten bzw. das betrachtete bestehende technische System lassen bzw.
lässt sich auf dieser Konkretisierungs- bzw. Abstraktionsebene durch Effekt- und Wirkprinzi-
pienmodelle abbilden (vgl. Unterabschnitt 2.1.2).
2.2.2 Modellierung technischer Systeme aus Sicht der Regelungstechnik
In verschiedenen Teildisziplinen des Maschinenbaus existiert eine Vielzahl von Modellen, die
auf spezifische Ziele angepasst sind. Die Teildisziplin der Regelungstechnik befasst sich mit der
gezielten Beeinflussung von (physikalischen) Größen in dynamischen (technischen) Syste-
men. Ziel ist es, die Regelgröße105 y(t) auch unter Einwirkung einer Störgröße d(t) entweder
auf einem vorgegebenen konstanten Wert zu halten oder gemäß einer durch eine Führungs-
größe w(t) vorgegebene Weise zeitlich zu verändern. Ein Regler bestimmt hierzu die Differenz
zwischen der Führungsgröße w(t) und der direkt oder indirekt gemessenen Regelgröße yM(t) in
Form der Regelabweichung e(t)= w(t) – yM(t) und gibt in Abhängigkeit von dieser eine Stell-
größe u(t) für die Regelstrecke vor. Die Grundstruktur eines Regelkreises ist in Abbildung 2.9
a) in einem für die Regelungstechnik typischen Modell, dem Blockschaltbild dargestellt.
101 Im Sinne des PE-Prozesses findet eine stetige Konkretisierung, ausgehend von Anforderungen und Funk-
tionen über prinzipielle Lösungen hin zur Gestalt des Produkts, statt. Bezogen auf die Betrachtung eines
vorliegenden technischen Systems, z. B. im Rahmen einer Analyse, wird hingegen in der Regel von einer
Abstraktion, in entgegengesetzter Richtung, gesprochen. 102 Vgl. auch Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 47 ff. 103 In der Realität ist die Beschränkung auf eine Lösungsvariante häufig nicht möglich bzw. nicht sinnvoll
zu begründen. In diesem Fall müssen mehrere Lösungsalternativen parallel weiterentwickelt werden,
bis eine Bewertung auf einer konkreteren Ebene möglich ist. 104 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 47 ff. 105 An dieser Stelle wird exemplarisch die Regelung einer Größe dargestellt. In praktischen Anwendungen
kann z. B. im Fall von Verkopplungen mehrerer Regel- und Stellgrößen oder der Verknüpfung von meh-
reren (Teil-) Systemen eine Mehrgrößenregelung notwendig sein (vgl. Lunze (2020), S. 1 ff.).
20
Führungsgröße
w(t) Regeleinrichtung
(Regler & Stellglied)
Regelstrecke
(Stell- & Störverhalten)
Messglied
Regelabweichung
e(t)
Stellgröße
u(t)
Störgröße
d(t)
Regelgröße
y(t)
Rückführung der gemessenen Regelgröße
yM(t)
-
a)
b)
w(t) e(t)
d(t)
y(t)
yM(t)
u(t)
1Regeleinrichtung
(Regler & Stellglied)
- 1 Messglied
Regelstrecke
(Stell- & Störverhalten)
Abbildung 2.9: Grundstruktur eines Regelkreises –
a) Blockschaltbild106 und b) Signalflussgraph107
Blockschaltbilder stellen (technische) Systeme als eine Verkopplung von Teilsystemen grafisch
dar und werden neben der Regelungstechnik bspw. auch in der Elektrotechnik oder der
Mechatronik eingesetzt. Sie lassen eine frühe Modellierung von technischen Systemen bereits
vor einer quantitativen Beschreibung zu und können in späteren Phasen zur Systemanalyse
und zum Reglerentwurf eingesetzt werden.108 Hierbei vermittelt die strukturierte Darstellung
eine Übersicht über den Aufbau des technischen Systems und zeigt, wie die auftretenden Sig-
nale109 untereinander verkoppelt sind, wo Rückkopplungen auftreten und ob das System in
voneinander unabhängige Teilsysteme zerlegbar ist.110 Teilsysteme bzw. Übertragungsglieder
werden als Blöcke und Signale als Pfeile dargestellt. Um die gegenseitige Beeinflussung ein-
zelner Signale untereinander darstellen zu können, werden in der Regelungstechnik neben
Blockschaltbildern auch Signalflussgraphen eingesetzt. Ein Signalflussgraph ist ein gerichteter
Graph, in dem Signale durch Knoten und die Übertragungseigenschaften durch Kanten
beschrieben werden (vgl. Abbildung 2.9 b). Bei einem direkten Vergleich der beiden Modelle
aus Abbildung 2.9 wird deutlich, dass die Bedeutung der Pfeile/Kanten und Blöcke/Knoten
zwischen den beiden Darstellungsformen vertauscht ist.
106 Eigene Darstellung, nach Lunze (2016), S. 4 f. 107 Eigene Darstellung, nach Lunze (2016), S. 55 f. 108 Vgl. Lunze (2016), S. 43. 109 In der Regelungstechnik wird von den allgemeinen Ein- und Ausgangsgrößen eines technischen Systems
(vgl. Unterabschnitt 2.1.1) primär der Signalfluss betrachtet. Blockschaltbilder sind diesbezüglich aber
nicht grundsätzlich limitiert und können prinzipiell auch Stoff- und Energieflüsse abbilden. 110 Vgl. Lunze (2016), S. 44.
21
Zustandsraumdarstellung
Die Zustandsraumdarstellung in einem Zustandsraummodell ist eine, insbesondere in der Re-
gelungstechnik verwendete, Form zur Beschreibung von dynamischen (technischen) Syste-
men. Sie wird zur Analyse und Synthese dynamischer (technischer) Systeme im Zeitbereich
eingesetzt, z. B. im Rahmen der regelungstechnischen Behandlung von nichtlinearen Syste-
men oder Mehrgrößensystemen. Das Modell besteht aus einer Menge von n Differentialglei-
chungen erster Ordnung, wobei die Beziehungen zwischen den Ein-/Ausgangsgrößen und den
Zustandsgrößen durch Matrizen und Vektoren in Zustandsgleichungen dargestellt werden.
Das Zustandsraummodell für ein Mehrgrößensystem111 hat die allgemeine Form:
��(𝑡) = 𝐀 𝒙(𝑡) + 𝐁 𝒖(𝑡)
𝒚(𝑡) = 𝐂 𝒙(𝑡) + 𝐃 𝒖(𝑡) . ( 2.2 )
Legende:
Zustandsvektor x (n x 1)-Vektor Systemmatrix A (n x n)-Matrix
Eingangsvektor u (m x 1)-Vektor Steuermatrix B (n x m)-Matrix
Ausgangsvektor y (p x 1)-Vektor Beobachtungsmatrix C (p x n)-Matrix
Durchgangsmatrix D (p x m)-Matrix
Beispiel des Einmassenschwingers
Die beschriebene Modellierung technischer Systeme wird im Folgenden am Beispiel des in
Abbildung 2.10 dargestellten Einmassenschwingers verdeutlicht.
k d
F F
x xm m
System Freikörperbild
Fk = k · x Fd = d · x g
Abbildung 2.10: Modellierung des Einmassenschwingers als System und als Freikörperbild
Die Bewegungsgleichung wird durch
𝑚�� = 𝐹 − 𝑘𝑥 − 𝑑��
⇔ �� =𝐹
𝑚−
𝑘
𝑚𝑥 −
𝑑
𝑚��
( 2.3 )
beschrieben. Die Differenzialgleichung 2. Ordnung ist in Abbildung 2.11 in einem Blockschalt-
bild dargestellt.
111 Bei der Darstellung eines Eingrößensystems werden die Matrizen B, C und D entsprechend zu den
Vektoren b, c und d.
22
F
1
m
-k
-d
x x x.. .
Abbildung 2.11: Darstellung der Differenzialgleichung des Einmassenschwingers
als Blockschaltbild
Der Zustand112 des Systems zweiter Ordnung wird durch die zwei Zustandsgrößen 𝑥 (Ver-
schiebung) und �� (Geschwindigkeit) in einem Zustandsvektor x beschrieben. Nur durch die
Kenntnis beider Zustandsgrößen lässt sich der aktuelle Zustand des Systems bestimmen,
anschaulich die aktuelle Position x und die Verteilung der Energie113 zwischen den beiden
Speichern Masse und Feder.
Die Zustandsraumdarstellung des Systems ist gemäß
�� = 𝐀 𝑥 + 𝒃 𝑢
𝑦 = 𝒄 𝑥 + 𝒅 𝑢
( 2.4 )
durch das Gleichungssystem114
[��1
��2
] = [0 1
− 𝑘𝑚⁄ − 𝑑
𝑚⁄] [
𝑥1
𝑥2
] + [0
1𝑚⁄
] 𝑢
𝑦 = [1 0] [𝑥1
𝑥2
]
( 2.5 )
gegeben und in Abbildung 2.12 in einem Blockschaltbild dargestellt.
u
A
x
b c
yx.
Abbildung 2.12: Zustandsraumdarstellung des Einmassenschwingers im Blockschaltbild
112 Der Zustand eines Systems wird in diesem Zusammenhang dem regelungstechnischen Verständnis nach
als ein Vektor x verstanden, der zusammen mit dem Verlauf der Eingangsgröße u(t) des Systems eine
eindeutige Bestimmung der Ausgangsgröße y(t) ermöglicht (vgl. Lunze (2016), S. 79). Dies ist ein vom
sonstigen Verständnis (vgl. Glossar) in dieser Arbeit abweichendes Verständnis des Zustandsbegriffs. 113 Für die Masse gilt 𝐸𝑚 =
1
2𝑚��2 und für die Feder gilt 𝐸𝑘 =
1
2𝑘𝑥2.
114 In der dargestellten Form werden Störungen d(t) (Durchgangsmatrix D bzw. Durchgangsvektor d) nicht
berücksichtigt, d. h. es ist der Fall d(t)=0 dargestellt.
23
Neben der klassischen Regelung des Systems anhand seiner Ausgangsgröße y(t) (vgl.
Abbildung 2.9) ermöglicht die Betrachtung im Zustandsraum nicht nur die Rückführung der
Ausgangsgröße y(t), sondern des gesamten Zustandsvektors x in Form einer sog. Zustandsre-
gelung (vgl. Abbildung 2.12). Eine Zustandsregelung wird u. a. in Mehrgrößensystemen oder
nichtlinearen Systemen eingesetzt und ermöglicht eine schnelle Regelung bei einer hohen
Regelgüte.115
Um eine vollständige Zustandsrückführung technisch zu realisieren, müssten theoretisch alle
Zustandsgrößen gemessen werden.116 Dies ist in vielen technischen Anwendungen allerdings
nicht erfüllt bzw. umsetzbar.117 Der Einsatz von Beobachtern zur Lösung dieses Problems wird
in Unterabschnitt 2.4.2 vorgestellt.
2.2.3 Modellierung mechatronischer Systeme
Mechatronische Systeme setzen sich gemäß der VDI 2206 aus einem mechanischen, elektro-
mechanischen, hydraulischen oder pneumatischen Grundsystem sowie Sensoren, Aktoren und
einer Informationsverarbeitung zusammen.118 Die Grundstruktur eines mechatronischen Sys-
tems ist als eine Verknüpfung der vier genannten Elemente durch allgemeine Ein- und Aus-
gangsgrößen (vgl. Unterabschnitt 2.1.1) modellhaft in Abbildung 2.13 dargestellt.
Grundsystem
Sensoren
Mensch
Umgebung
Informations-
verarbeitung
Aktoren
Informations-
verarbeitung
Leistungs-
versorgung
Kommunikations-
system
Mensch-Maschine-
Schnittstelle
notwendige Elemente
optionale Elemente
Informationsfluss
Stofffluss
Energiefluss
Abbildung 2.13: Grundstruktur eines mechatronischen Systems119
Die Inhalte dieser Arbeit lassen sich im V-Modell (vgl. Unterabschnitt 2.1.4) in der Phase „Sys-
tementwurf“ einordnen. Um die eingenommene Betrachtungsweise einzuordnen und aufbau-
end relevante Modellierungsansätze vorzustellen, wird die Modellhierarchie nach JANSCHEK in
Abbildung 2.14 genutzt.120
115 Vgl. Lunze (2020), S. 149 ff. 116 Vgl. Lunze (2020), S. 150 und 345. 117 Vgl. Lunze (2020), S. 345. 118 Vgl. VDI 2206 (2004), S. 14. 119 Eigene Darstellung, nach VDI 2206 (2004), S. 14. 120 Vgl. Janschek (2009), S. 54 f.
24
Systemsicht: Produktaufgabe
Systemsicht:
Energie-, Signalfluss, DynamikSystemsicht: Struktur, Schnittstellen
Energiebasierte Modellierung
Sortieren + Gleichungsmanipulation
Linearisierung
Lineare Analysemethoden
Numerische Integration
Mechatronisches System
Qualitatives Systemmodell
(hybrides) Zustandsmodell
Modellbasierte Verhaltensaussagen für
das reale mechatronische System
Lineares zeitinvariantes
System, Übertragungsfunktion
Mehrpolbasierte Modellierung
Sim
ula
tionste
chnik
Modellb
ildung
Domänenspezifische Modelle mit konzentrierten Elementen
(hybrides) Differential-algebraisches Gleichungssystem
Abbildung 2.14: Modellhierarchie für den Systementwurf mechatronischer Systeme121
Es wird zwischen qualitativen und quantitativen Systemmodellen unterschieden, wobei sich
grundsätzlich die Herausforderung der Modellierung eines technischen Systems unter Berück-
sichtigung und Verknüpfung der verschiedenen involvierten Domänen (Mechanik, Elektro-
technik, Informatik) ergibt. Die Interaktionen zwischen Systemelementen der verschiedenen
physikalischen Domänen finden über Energieflüsse mit entsprechenden Rückwirkungen statt.
Das resultierende heterogene, gekoppelte Verhalten eines mechatronischen Systems ist in
geeigneten domänenunabhängigen Modellen abzubilden.122
Die qualitativen Systemmodelle ermöglichen es, ein System so zu strukturieren, dass es über-
schaubar und damit die inneren Zusammenhänge für einen Entwickelnden ersichtlich werden.
Auf dieser Basis können gerätetechnische Entwurfsvarianten erarbeitet werden. Weiterhin
wird durch die qualitative Modellierung des Systems erst die darauf aufbauende, quantitative
Modellierung von klar abgegrenzten und überschaubaren Subsystemen in Form von physika-
lisch/mathematischen Gleichungen ermöglicht.123 Zur Modellierung mechatronischer Systeme
können zwei Ansätze verfolgt werden: Zum einen lassen sie sich, entsprechend des im
V-Modell beschriebenen „Domänenspezifischen Entwurfs“ (vgl. Unterabschnitt 2.1.4), jeweils
121 Eigene Darstellung, nach Janschek (2009), S. 55. 122 Vgl. Janschek (2009), S. 55. 123 Vgl. Janschek (2009), S. 57 f.
25
aus Sicht der beteiligten Domänen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik modellie-
ren124, zum anderen ist eine domänenunabhängige Modellierung des Gesamtsystems mög-
lich125. Da ersteres der angestrebten domänenübergreifenden Modellierung widerspricht, wird
die domänenunabhängige Modellierung im Folgenden näher betrachtet.
Hierzu wird nach JANSCHEK ausgehend von einer Modellierung mit konzentrierten Systemele-
menten und allgemeinen Energieerhaltungssätzen zwischen Ansätzen zur energiebasierten
Modellierung unter Nutzung von skalaren Energiefunktionen und Ansätzen zur mehrpolbasierten
Modellierung unter Nutzung von komponentenbasierten Systemmodellen mit leistungserhalten-
den Verschaltungsgesetzen unterschieden.126 Im Rahmen der in dieser Arbeit betrachteten
Modellbildung wird der mehrpolbasierte Modellierungsansatz verfolgt. Die Struktur eines
mehrpolbasierten Netzwerkmodells ermöglicht es, die physikalische Topologie des betrachte-
ten technischen Systems zu erhalten. Auf diese Weise eröffnet sich die Möglichkeit einer
Modularisierung von physikalischen Modellen bzw. vom Modellierungsprozess allgemein
anhand einer klaren technischen Komponentenzuordnung.127 Darüber hinaus ist der mehrpol-
/netzwerkbasierte Modellierungsansatz auch für umfangreiche und komplexe Systeme geeig-
net.128 Ein Ausblick auf Paradigmen zur Multidomänenmodellierung auf Basis von Mehrpolen
wird in Abbildung 2.15 gegeben.
Kirchhoffsche
Netzwerke
(rückwirkungsbehaftet)
Signalgekoppelte
Netzwerke
(rückwirkungsfrei)
Multidomänenmodellierung
auf Basis von Mehrpolen
Port-HAMILTONIAN
Formalismus
Bond
Graphen
Abbildung 2.15: Paradigmen zur Multidomänenmodellierung mechatronischer Systeme auf Basis
von konzentrierten Netzwerkelementen in Form von Mehrpolen129
Mehrpolbasierte Modellbildung
Bei der mehrpolbasierten Modellbildung werden technische Systeme mit multidisziplinärem
Charakter einheitlich anhand von konzentrierten Netzwerkelementen sowie allgemeinen
Energieerhaltungssätzen beschrieben.130 Die Verknüpfung der einzelnen örtlich und funktio-
nell abgegrenzten Netzwerkelemente zu einem Gesamtmodell des technischen Systems
geschieht über Klemmen bzw. Pole anhand leistungserhaltender Verschaltungsgesetze
(Kirchhoffsche Gesetze). Je nach Anzahl der Pole werden die Netzwerkelemente als Zweipol
bzw. Eintor, Dreipol, Vierpol bzw. Zweitor oder Mehrtor bezeichnet (vgl. Abbildung 2.16).
124 Vgl. Czichos (2008), S. 31 ff. 125 Vgl. Janschek (2009), S. 75 ff. 126 Vgl. Janschek (2009), S. 75. 127 Vgl. Janschek (2009), S. 106 f. 128 Vgl. Janschek (2009), S. 123. 129 Eigene Darstellung, nach Janschek (2009), S. 76. 130 Eine solche Modelldarstellung technischer Systeme wird von MacFarlane (1967), S. 69 allgemein auch
als „Netzwerkbild“ bezeichnet.
26
e(t)
f(t)
konzentriertes
Netzwerkelement
Zweitor/
Vierpol
Eintor/
ZweipolDreipol
Nur innerhalb einer
physikalischen Domäne verschaltbar
Verschaltungen zwischen verschiedenen
physikalischen Domänen möglich
→ Wandler sind mindestens Zweitore
Mehrtor
Abbildung 2.16: Übersicht konzentrierter Netzwerkelemente
Die Grundlage der mehrpolbasierten Modellbildung stellt der Energieaustausch zwischen den
Netzwerkelementen mittels eines Paars von zueinander konjugierten generalisierten Energie-
variablen bzw. Netzwerkvariablen dar.131 Diese werden definiert als
• generalisierte Potentialgröße e (engl. effort) und
• generalisierte Flussgröße f (engl. flow).132
Beispiele für generalisierte Potentialgrößen sind die Geschwindigkeit v oder die Spannung U
und Beispiele für generalisierte Flussgrößen sind die Kraft F oder der Strom I.133
Das Produkt der Potential- und Flussgröße stellt eine
• generalisierte Leistung 𝑃(𝑡) ∶= 𝑒(𝑡) ∙ 𝑓(𝑡) dar.134
Da anhand des Paares generalisierter Netzwerkvariablen der Energieaustausch, nicht aber die
im System bzw. Element gespeicherte Energie beschrieben wird, reichen diese beiden Größen
zur Beschreibung der in einem System bzw. Element vorhandenen Gesamtenergie nicht aus.
Die in einem abgeschlossenen System bzw. Element vorhandene Gesamtenergie kann durch
eindeutig definierte Fundamentalgrößen beschrieben werden. Da die Energie als eine mengen-
artige physikalische Zustandsgröße nicht alleine fließen kann, benötigt sie immer einen Ener-
gieträger. Zu jedem Energieträger gehört wiederum ein Potential.135 Die bereits eingeführten
generalisierten Netzwerkvariablen e und f sind nicht von der Größe des betrachteten Systems
bzw. allgemein einer Menge abhängig. Sie werden aus diesem Grund als intensive Zustandsgrö-
ßen oder Intensitätsgrößen 𝑖𝑗 bezeichnet. Beispiele für intensive Zustandsgrößen sind die Kraft
F oder der Strom I sowie die Geschwindigkeit v oder die Spannung U. Dem gegenüber werden
Zustandsgrößen, die von der Größe des betrachteten Systems bzw. allgemein einer Menge
131 Vgl. MacFarlane (1967), S. 18 ff. und S. 69 ff, sowie Wellstead (1979), S. 11 f. 132 Vgl. Wellstead (1979), S. 11 sowie Janschek (2009), S. 77 ff. 133 In der Literatur werden unter der Einnahme eines anderen Standpunktes auch gegensätzliche Zuord-
nungen beschrieben. Die an dieser Stelle eingeführte Sichtweise wird für den weiteren Verlauf dieser
Arbeit konsequent beibehalten. Weitere Informationen können Wellstead (1979), S. 26 sowie Janschek
(2009), S. 82 entnommen werden. 134 Vgl. Wellstead (1979), S. 9 ff. sowie Janschek (2009), S. 78; siehe auch MacFarlane (1967), S. 31 ff.
Hinweis: Sowohl die Regelabweichung (vgl. Unterabschnitt 2.2.2) als auch die generalisierte Potential-
größe werden gemäß der jeweils üblichen Konvention als e(t) bezeichnet. Die Unterscheidung der beiden
Bezeichnungen findet in dieser Arbeit anhand des Kontexts statt. 135 Vgl. Grabow (2013), S. 1 ff.
27
abhängig sind als extensive Zustandsgrößen 𝑞𝑗 bezeichnet. Beispiele für extensive Zustandsgrö-
ßen sind der Impuls p oder die elektrische Ladung Q sowie die Verschiebung s oder der Induk-
tionsfluss Φ. Intensive und extensive Zustandsgrößen stehen über die Ableitung nach der Zeit
t im Zusammenhang:
𝑖𝑗 ∶=𝑑𝑞𝑗
𝑑𝑡 . ( 2.6 )
Nach der Gibb‘schen Fundamentalform für Gleichgewichtszustände berechnet sich die Ener-
gieänderung eines Systems gemäß der Gleichung:
𝛿𝐸 = ∑ 𝑖𝑗 ∙ 𝛿𝑞𝑗 .
𝑗
( 2.7 )
Die Gesamtenergie eines Systems bzw. eines Elements ergibt sich nach Gleichung 2.7 aus der
Summe der Produkte der beiden paarweisen intensiven und extensiven Zustandsgrößen.136
Daraus folgt, dass sich innerhalb einer physikalischen Domäne immer genau vier Systemvari-
ablen bilden lassen, zwei intensive Größen und zwei extensiven Größen. Die beiden intensiven
Größen und extensiven Größen werden weiterhin anhand ihrer messtechnischen Eigenschaf-
ten unterschieden:
• Zustandsgrößen, zu deren Bestimmung genau ein Raumpunkt notwendig ist, werden
als P-Variablen (von lat. per – „durch“) oder Einpunktgrößen bezeichnet und mit dem
Index P charakterisiert. Beispiele sind die Kraft F oder der Strom I bzw. der Impuls p
oder die elektrische Ladung Q.
• Zustandsgrößen, zu deren Bestimmung zwei Raumpunkte notwendig sind, werden als
T-Variablen (von lat. trans – „über“) oder Zweipunktgrößen bezeichnet und mit dem
Index T charakterisiert. Beispiele sind die Geschwindigkeit v oder die Spannung U bzw.
die Verschiebung s oder der Induktionsfluss Φ.
Die beschriebenen Definitionen und Zusammenhänge sind in Tabelle 2.2 systematisch zusam-
mengefasst. Die bereits im Fließtext genutzten Beispiele aus den Domänen der Mechanik und
der Elektrotechnik sind sowohl in dieser Tabelle als auch in Tabelle 2.3 und in Abbildung 2.17
konsistent aufgegriffen.
Die eingeführten Systemvariablen werden über zwei Arten von konstitutiven Gesetzen mitei-
nander verknüpft. Der zeitliche Zusammenhang zwischen intensiven und extensiven
Zustandsgrößen wurde bereits in Gleichung 2.6 eingeführt. Der Zusammenhang zwischen P-
und T-Variablen wird über Gestaltparameter wie z. B. die innere Dämpfung d, die Federkon-
stante k und die Masse m bzw. den elektrischen Widerstand R, die Induktivität L und die
Kapazität C hergestellt. Diese Gestaltparameter rufen auf Systemebene entweder speichernde
(z. B. Federkonstante k und Masse m bzw. Induktivität L und Kapazität C) oder wandelnde
(z. B. innere Dämpfung d oder elektrischer Widerstand R) Eigenschaften hervor. Die beschrie-
benen konstitutiven Gesetze sind in der Tabelle 2.3 zusammenfassend dargestellt.
136 Vgl. Grabow (2013), S. 5 f.
28
Tabelle 2.2: Zusammenfassung der Systemvariablen im Rahmen der
Mehrpolbasierten Modellbildung
System-
variable
Formel-
zeichen Eigenschaft
Energie-
variable
Leistungs-
variable137
Beispiel
(Mechanik /
Elektrotechnik)
Primärgröße X
P-Variable
extensive
Zustandsgröße
qP –
Impuls p /
elektrische
Ladung Q
Potentialgröße Y
T-Variable
intensive
Zustandsgröße
iT e
Geschwindig-
keit v /
Spannung U
Flussgröße IM
P-Variable
intensive
Zustandsgröße
iP f Kraft F /
Strom I
Extensum Ex
T-Variable
extensive
Zustandsgröße
qT –
Verschiebung s /
Induktions-
fluss Φ
Hinweis:
P-Variable ≙ Einpunktgröße
T-Variable ≙ Zweipunktgröße
extensive Zustandsgröße ≙ „Quantität“
intensive Zustandsgröße ≙ „Intensität“
Tabelle 2.3: Übersicht über die konstitutiven Gesetze zur Verknüpfung der Systemvariablen
Bezeichnung Gleichung
(Definition)
Allgemeines
Element Eigenschaft
Beispiel
(Mechanik /
Elektrotechnik)
kapazitives
Gesetz 𝐶 ∶=
𝑞𝑃
𝑖𝑇
Kapazität Energie-
speicher
Masse m /
Kapazität C
resistives
Gesetz 𝑅 ∶=
𝑖𝑇
𝑖𝑃
Widerstand Energie-
wandler
innere Dämpfung d /
el. Widerstand R
induktives
Gesetz 𝐿 ∶=
𝑞𝑇
𝑖𝑃
Induktivität Energie-
speicher
Federkonstante k /
Induktivität L
memristives
Gesetz 𝑀 ∶=
𝑞𝑇
𝑞𝑃
Memristor Energie-
wandler –
137 Da der Energieaustausch zwischen den Netzwerkelementen mittels eines Paars von zueinander konju-
gierten, generalisierten Leistungsvariablen dargestellt wird, werden diese in der Literatur teilweise auch
als Netzwerkvariablen bezeichnet.
29
Ein Überblick über die Systemvariablen, deren Bildungsgesetze sowie deren Verknüpfung mit-
tels konstituierender Gesetze ist in Abbildung 2.17 in einem Übersichtsmodell dargestellt. Es
wird deutlich, dass ausgehend von der Primärgröße die drei weiteren Systemvariablen zumin-
dest mathematisch eindeutig abgeleitet werden können. In der Praxis stellt sich nach JANSCHEK
allerdings heraus, dass es nicht immer trivial ist, die domänenübergreifenden Analogiebezie-
hungen in korrekter Weise aufzustellen.138
Ex
qT
Y
iT
X
qP
IM
iP
P = iP · iT
δ EP = iT · δ qP δ ET = iP · δ qT
qT
iPL :=
qP
iTC :=
d
dt
d
dt
Verschiebung
s
[m]
Geschwindig-
keit v
[m/s]
Impuls p
[N·s]
Kraft F
[N]
d
dt
d
dt
Fed
er-
konst
ante
k
Masse m
Induk-
tionsfluss Φ[Wb]
Spannung U
[V]
el. Ladung Q
[C]
el. Strom I
[A]
d
dt
d
dt
Indukt
ivität L
Kapazität
C
Beispiel: Mechanik Beispiel: Elektrotechnik
Allgemein
Abbildung 2.17: Übersicht über die Systemvariablen sowie deren Verknüpfung mittels
konstituierender Gesetze in allgemeiner Form sowie jeweils an einem Beispiel
aus der Mechanik und aus der Elektrotechnik139
138 Vgl. Janschek (2009), S. 106 f. 139 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Grabow (2013), S. 11.
30
2.2.4 Modellierung von Messungen in technischen Systemen
Messungen, d. h. die Erfassung und Darstellung physikalischer Größen und die Zuordnung
entsprechender Maßzahlen, sind Gegenstand des disziplinübergreifenden Gebiets der Mess-
technik. Der grundlegende Aufbau einer Messkette ist in Abbildung 2.18 dargestellt. Anknüp-
fungspunkte zu den Inhalten dieser Arbeit bestehen im Bereich der Messgrößenaufnahme.
Sensorelemente bzw. Sensoren wandeln oder formen eine physikalische, chemische oder biolo-
gische Messgröße in ein elektrisches Messsignal140 um. Hierbei ist anzumerken, dass der
Begriff des Sensorelements bzw. Sensors nicht einheitlich definiert ist.141 Im Folgenden wird
das in Abbildung 2.18 b) dargestellte Verständnis eines Sensors als die erste in sich geschlos-
sene Komponente, die an ihrem Eingang die Messgröße aufnimmt und an ihrem Ausgang ein
konditioniertes Messsignal liefert, nach TRÄNKLER & REINDL übernommen.142
Hilfsenergie
Umgebung
Einfluss & Störgrößen
Mess-
signal
Messgrößenaufnehmer
• Sensor
• Messaufnehmer
• Fühler
• Detektor
Mess-
größeMess-
objekt
Mess-
wert
Signalverarbeitung
• Messschaltung
• Messverstärker
• Rechner
Messwertausgabe
• Anzeige
• Registrierung
• Speicherung
a)
b)
Sensor-
element
Mess-
schaltung
Messver-
stärker
Mikro-
controller
mit AD-
Wandler
Bus-
koppler
physikalische
Messgröße
elektrisches
Messsignal
normiertes,
analoges,
elektrisches
Messsignal
Sensor (-Element)
Sensor (mit analogem, normiertem Ausgangssignal)
(busfähiger, intelligenter) Sensor
aktive Messschaltung
Digitale Bus-
Schnittstelle
Abbildung 2.18: Allgemeine Struktur der Messtechnik
a) Messkette143 und b) Abgrenzung des Sensor-Begriffs144
140 Messgrößenaufnehmer bzw. Sensoren weisen heute nahezu ausschließlich ein elektrisches Signal als
Ausgangsgröße auf (vgl. bspw. Hoffmann (2015), S. 30 oder Tränkler und Reindl (2015), S.3). Grund-
sätzlich ist aber auch ein analoger Messvorgang z. B. durch den optischen Vergleich eines Prüflings mit
einer Maßverkörperung (z. B. Lineal) möglich. 141 Vgl. DIN 1319-1 (1995), S. 19. 142 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S.4. 143 Eigene Darstellung, nach Czichos und Habig (2015), S. 80. 144 Eigene Darstellung, nach Tränkler und Reindl (2015), S. 4.
31
Da ein Sensor ein Messsignal wandelt, kann eine Messung auch als eine Erfassung der Wir-
kung X1 einer Ursache Y (Messgröße) auf den Sensor gesehen werden. Das Ziel ist der Rück-
schluss von der Wirkung X1 auf die Ursache Y (vgl. Abbildung 2.19).
Ursache Y
Kraft F
Wirkung X1
Verschiebung s
Messung: X1 = h ( Y, X2, X3, , XN )
Modell der Auswertung: Y = f ( X1, X2, X3, , XN )
Bsp.: FederkraftmesserZugfeder mit der
Federkonstanten k
70 N
60 N
50 N
40 N
30 N
20 N
10 N
[ N ]
F
s
Abbildung 2.19: Entwicklung eines Modells der Auswertung basierend auf einem
Ursache-Wirkung-Zusammenhang145
Der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung wird anhand von physikalischen Effekten
aufgebaut. Nicht berücksichtigte Einflüsse und Unvollkommenheiten (bspw. des Messobjekts,
der Umwelt oder des Messgeräts) wirken auf die Messkette und rufen Messunsicherheit (vgl.
Unterabschnitt 2.3.2) hervor. Mathematisch kann der Ursache-Wirkung-Zusammenhang
durch die funktionale Abhängigkeit
X1=h(Y, X2, X3, …, XN) ( 2.8 )
ausgedrückt werden. Wird diese Gleichung nach dem gesuchten Merkmal bzw. der Messgröße
Y umgestellt, ergibt sich die allgemeine Form des Modells der Auswertung
Y=f(X1, X2, X3, …, XN).146 ( 2.9 )
Gemäß dem bisherigen Verständnis dieser Arbeit, wird ein Sensor als ein technisches System
betrachtet. Folglich gelten die bereits in den Unterabschnitten 2.1.1, 2.1.2 und 2.1.4 beschrie-
benen Grundlagen. Insbesondere auch die in den Unterabschnitten 2.2.1 bis 2.2.3 vorgestell-
ten Ansätze und Möglichkeiten zur Modellierung sind auf Sensoren bzw. Sensorsysteme über-
tragbar.
145 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Weckenmann et al. (2006), S. 191 sowie Tränkler und Reindl
(2015), S. 27. 146 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008), S. 8 sowie Sommer und Siebert (2004), S. 53.
32
2.3 Grundlagen zur Unsicherheit in technischen Systemen
Im folgenden Kapitel werden die notwendigen Grundlagen zum Verständnis von Unsicherheit
im Kontext der vorliegenden Arbeit beschrieben. Vor diesem Hintergrund liegt der Fokus auf
der Betrachtung von Unsicherheit im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich, insbesondere
aus Sicht der Produktentwicklung und der Messtechnik. In anderen wissenschaftlichen Diszip-
linen wie z. B. der Psychologie, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre oder Informatik wird der
Begriff der Unsicherheit im jeweiligen Zusammenhang abweichend verwendet.
2.3.1 Unsicherheit in der Produktentwicklung
Bei der Betrachtung des Produktlebenslaufs vom Standpunkt der Produktentwicklung aus wird
deutlich, dass ein Produkt über alle Entwicklungs-, Fertigungs- sowie Nutzungsphasen hinweg
einer Vielzahl von zum Entwicklungszeitpunkt nicht exakt vorhersehbaren und somit unsiche-
ren Einflüssen ausgesetzt ist. Eine hieraus resultierende Notwendigkeit einer Berücksichtigung
von Unsicherheit im Rahmen der Entwicklung von technischen Systemen wird in der Literatur
beschrieben.147
Begriff der Unsicherheit
Die verschiedenen Perspektiven aus denen Unsicherheit im Kontext der Produktentwicklung
betrachtet werden kann, zeigen sich an der vielfältigen Verwendung des Begriffs, bspw. in
Form von Beurteilungs-, Prognose-, Planungs- oder Datenunsicherheit.148 Anstelle einer ein-
deutigen Abgrenzung wird der jeweilige Fokus der Betrachtung durch die verfolgte Zielset-
zung, welche dem Begriff der Unsicherheit vorangestellt wird, festgelegt. Zurückführen lässt
sich Unsicherheit themenübergreifend auf eine eingeschränkte Informationsverfügbarkeit.149
Diesem Verständnis folgend, wird die Definition von Unsicherheit gemäß ISO Guide 73:2009
aufgegriffen und den folgenden Inhalten zugrunde gelegt. Unsicherheit ist demnach der
Zustand, „der sich aus dem gänzlichen oder teilweisen Fehlen von Informationen, Verständnis
oder Wissen […] ergibt“ 150.
Das Verständnis und die Beziehungen zwischen den Begriffen Daten, Informationen und Wissen
wird gemäß der VDI 5610 übernommen. Demnach sind Daten objektive Fakten, die ohne
Zusammenhang bzw. Kontext nicht deutbar sind und als „Rohmaterial“ zu verstehen sind.151
Informationen ergeben sich aus „strukturierten Daten mit Relevanz und Zweck, die in einen Kon-
text gebracht, kategorisiert, kalkuliert und korrigiert werden können“ 152. Durch die Vernetzung
von Informationen entsteht Wissen, welches es ermöglicht, Vergleiche anzustellen, Verknüp-
fungen herzustellen und Entscheidungen zu treffen.153
147 Vgl. Lawrence (1996), S. 8 ff.; Pahl und Beitz (2007), S. 499 sowie Engelhardt (2012), S. 23 f. 148 Vgl. Eifler (2014), S. 7. 149 Vgl. Galbraith (1973), S. 5 sowie Eifler (2014), S. 7. 150 Vgl. ISO Guide 73: 2009 (2009), S. 2. 151 Vgl. VDI 5610 (2009), S. 4. 152 VDI 5610 (2009), S. 4. 153 Vgl. VDI 5610 (2009), S. 4.
33
Grundlagen der Klassifizierung von Unsicherheit
Verschiedene Arten von Unsicherheit haben unterschiedliche Ursachen sowie Folgen und kön-
nen mit unterschiedlichen Maßnahmen beherrscht werden. Daher ist sowohl für die Identifi-
kation (Analyse), als auch für die Berücksichtigung (Synthese) von Unsicherheit im weiteren
Verlauf dieser Arbeit eine Unterscheidung von Unsicherheit in Form einer Klassifizierung sinn-
voll. Ansätze zur Klassifizierung bieten bspw. die Differenzierung zwischen epistemischer154
und aleatorischer Unsicherheit155 sowie der zur Verfügung stehende Umfang an Informationen
bzgl. einer mit Unsicherheit behafteten Größe. Diese Ansätze sind zur Identifikation und
Berücksichtigung von Unsicherheit allerdings noch nicht präzise genug. Eine zweckmäßige
Klassifizierung von Unsicherheit anhand ihrer Manifestation schlägt KREYE ET AL. in Form der
Differenzierung von Kontext-, Daten-, Modell- und Phänomenologischer Unsicherheit vor.156 Eine
Darstellung der vorgeschlagenen Manifestation ist in Abbildung 2.20 in einem Systemmodell
verortet dargestellt.
Wahrscheinlichkeitsdichtefunktio
n
y
Schritt 2
Soll-Wert
Wahrscheinlichkeitsdichtefunktio
n
y
Ausgangs-
verhalten
Reduzierte
Schwankung
Schritt 1
Soll-Wert
Mittelwert
wird an
Soll-Wert
angepasst
a) b)
Abbildung 2.20: Manifestation von Unsicherheit im Systemmodell nach KREYE ET AL.157
Als Kontext einer Situation oder eines Systems werden die umgebenden Umstände verstanden.
Die Kontextunsicherheit beschreibt den Ausfall oder die Beeinträchtigung bzw. allgemein die
Beeinflussung des Systems durch äußere Einflüsse.158 DE WECK ET AL. unterscheiden Kontex-
tunsicherheit in Abhängigkeit von der Beeinflussbarkeit der Umstände durch das Unterneh-
men bzw. den Entwickelnden in endogene und exogene Unsicherheit.159
Datenunsicherheit beschreibt die mit den Eingangsgrößen eines Systems bzw. eines Modells
verknüpfte Unsicherheit. Je nach Ausprägung der Unsicherheit ist zwischen Datenunvollstän-
digkeit, Datenungenauigkeit und einer Variation in den Eingangsdaten zu unterscheiden.160
Die bewusst oder unbewusst getroffenen Vereinfachungen in der Modellbildung führen, zu
einer als Modellunsicherheit bezeichneten Abweichung zwischen dem Modell als Abbild der
154 Auf einem Mangel an Informationen beruhende Unsicherheit, die durch einen Informationsgewinn
reduziert werden kann. 155 Auf Zufall basierende Unsicherheit, die nicht reduziert werden kann. 156 Vgl. Kreye et al. (2011), S. 2 ff. 157 Eigene Darstellung, nach Kreye et al. (2011), S. 97. 158 Vgl. Kreye et al. (2011), S. 2. 159 Vgl. de Weck et al. (2007), S. 4 ff. 160 Vgl. Kreye et al. (2011), S. 3.
34
Realität und der tatsächlichen Realität. Sie kann entsprechend des Modells bspw. in Unsicher-
heit des konzeptionellen Modells, des mathematischen Modells oder des Berechnungsmodells
unterschieden werden.161
Phänomenologische Unsicherheit berücksichtigt die Unvorhersehbarkeit der Zukunft aufgrund
unbekannter Ereignisse oder unbeachteter Einflüsse, wie z. B. das zukünftige Systemverhalten
oder potentielle Konsequenzen aus einer Entscheidung. Sie resultiert aus der Gegebenheit,
dass manche (erforderlichen) Informationen zum Zeitpunkt der Beschreibung unbekannt sind.
Da immer ein Einfluss eines unberücksichtigten Ereignisses auftreten kann, ist phänomenolo-
gische Unsicherheit nie vollständig beschreibbar oder eliminierbar.162
EIFLER greift die Klassifizierung von Unsicherheit nach KREYE ET AL. auf und differenziert die
im PE-Prozess relevante Unsicherheit in Daten- und Modellunsicherheit.163 Eine Einordung
dieser Differenzierung in den PE-Prozess ist in Abbildung 2.21 dargestellt.
Phase
I
Produkt-
definitionsphase
Phase
II
Konzept-
phase
Phase
III
Entwurfs-
phase
Phase
IV
Ausarbeitungs-
phase
Fehle
nde
Infor
matio
n
Aufw
and d
er In
formatio
ns-
aufn
ahme
Aufgrund von:
• Eingrenzung der Modelle auf
Teilbereiche eines Systems
• Nicht berücksichtigten
Einflussgrößen
• Unsicherheit über tatsächlich
bestehende Abhängigkeiten
Aufgrund von:
• Vielzahl von Einflussgrößen und
bestehenden Abhängigkeiten
• Reduzierung des Modellierungs-
und Berechnungsaufwands
Fehle
nde
Infor
matio
n
Aufw
and d
er In
formatio
ns-
auf n
ahme
Aufgrund von:
• Noch nicht getroffenen
Entwicklungsentscheidungen
• Unbekannter bzw. großer
Schwankungsbreite
Aufgrund von:
• Begrenzten oder unvollständigen
Datensätzen
• Großer Schwankungsbreite
• Messungenauigkeiten
Datenunsicherheit
Unsicherheit über die Eingangsgrößen
eines Systems oder eines Modells
Modellunsicherheit
Unsicherheit eines Modells
im Vergleich mit der Realität
Abbildung 2.21: Einordnung von Daten- und Modellunsicherheit in den PE-Prozess nach Eifler164
Daten- und Modelunsicherheit weisen dem dargestellten Verständnis nach verschiedene Abhän-
gigkeiten im Entwicklungsablauf auf. Auf der einen Seite hängt die Genauigkeit eines empiri-
schen Modells bspw. stark von der Vollständigkeit bzw. dem ausgewählten Wertebereich, der
zugrunde liegenden Datensätze ab, auf der anderen Seite kann die Analyse von Produktmo-
dellen mit einem vereinfachenden Charakter zu Unsicherheit über die ermittelten Größen in
nachfolgenden Entwicklungsschritten führen.165 Weiterhin wird deutlich, dass der überwie-
gende Teil der für den PE-Prozess relevanten Unsicherheit im Bereich der epistemischen
Unsicherheit einzuordnen ist, d. h. sich primär über einen Mangel an Informationen, sowohl
im Bereich der Daten als auch der Modelle, definiert. Entsprechend kann dieser Unsicherheit
161 Vgl. Kreye et al. (2011), S. 3. 162 Vgl. Kreye et al. (2011), S. 5. 163 Vgl. Eifler (2014), S. 17. 164 Eigene Darstellung, nach Eifler (2014), S. 18. 165 Vgl. Eifler (2014), S. 17 f.
35
durch die Beschaffung notwendiger Informationen entgegengewirkt werden. Dies steht aller-
dings in einem Zielkonflikt mit der Senkung des Entwicklungsaufwandes und der Modellkom-
plexität.
Zusammenfassend werden die Zusammenhänge im erweiterten Unsicherheitsmodell des SFB
805 abgebildet. In Abbildung 2.22 wird hierzu Modellunsicherheit einbezogen und eine
Zuordnung von epistemischer und aleatorischer Unsicherheit166 vorgenommen. Die darge-
stellte Determiniertheit ist als ein idealisierter Zustand anzusehen.
Determiniertheit
Wirkung bekannt
Aleatorische
Unsicherheit
Wirkung bekannt
Wirkung unbekanntvollständig
beschreibbar
vollständig
beschreibbar
nur teilweise
beschreibbar vernachlässigt
UnsicherheitDeterminiertheit
exakte Modelle,
vollständige
Information
Stochastische
Unsicherheit
determinierte
Variabilität
bekannte
Wahrscheinlich-
keitsdichte-
funktionen (WDF)
Epistemische
Unsicherheit
Ungewissheit
unsichere
Variabilität
geschätzte WDF
oder Zugehörig-
keitsfunktionen
(ZF)
Ungewissheit
unbekannte
Variabilität
unbekannte oder
teilweise unbe-
kannte WDF,
geschätzte ZF,
Intervalle
Unbeachtete
Unsicherheit
bekannte oder
geschätzte
Unsicherheit,
bewusst
vernachlässigt
Unwissen
Modell und
Parameter sind
nicht hinreichend
bekannt
Abbildung 2.22: Erweitertes Unsicherheitsmodell des SFB 805167
Grundlagen des Robust Design
Der Begriff des Robust Design ist nicht strikt definiert und fasst allgemein Ansätze zur Entwick-
lung robuster Produkte zusammen. Robustheit wird in diesem Zusammenhang als die Unemp-
findlichkeit des zu entwickelnden Produktes gegenüber potentiell auftretenden Störeinflüssen
bzw. allgemein gegenüber Unsicherheit168 aufgefasst. Die ersten Ansätze sowie die Bezeich-
nung „Robust Design“ gehen auf Weiterentwicklungen auf dem Gebiet des „Quality
Engineerings“ durch den Japaner GENICHI TAGUCHI zurück.169 Qualität bzw. Qualitätsverlust
definiert TAGUCHI als die Abweichung von einem Soll-Wert und dem daraus resultierenden
166 Der Balken im unteren Teil des Modells repräsentiert hierbei den relativen und nicht den absoluten
Anteil der aleatorischen und epistemischen Unsicherheit an der Gesamtunsicherheit. 167 Eigene Darstellung, nach Lotz (2018), S. 37 – Basierend auf dem Unsicherheitsmodell des SFB 805 von
Hanselka und Platz (2010), S. 57 und Engelhardt (2012), S. 20. 168 Der Begriff der klassischen Störgröße als einen äußeren Einfluss, der den idealen Zusammenhang
zwischen Eingangs- und Ausgangsgröße negativ beeinflusst, wird durch den allgemeinen Begriff der
Unsicherheit erweitert. 169 Vgl. Park et al. (2006), S. 183.
36
gesellschaftlichen Gesamtverlust. Eine stetige Verlustfunktion stellt den direkten Zusammen-
hang zwischen der Abweichung vom Soll-Wert und einem daraus resultierenden geldwerten
Nachteil her.170 Ziel ist es entsprechend, die Abweichungen vom definierten Soll-Wert und
damit den gesellschaftlichen Gesamtverlust zu minimieren.
Der für diese Arbeit relevante Teil des Robust Design-Ansatzes nach TAGUCHI liegt im Bereich des
„Product Design“. Es werden die drei Schritte des „System Design“, des „Parameter Design“ und des
„Tolerance Design“ durchlaufen.
• System Design nach TAGUCHI
Das System Design umfasst die Entwicklung des Produkts gemäß der definierten Anfor-
derungen bis zu einem Detaillierungsgrad, der es ermöglicht einen Prototyp aufzu-
bauen, welcher die gestellten Anforderungen erfüllt und die Auswahl und Festlegung
der Bauteile, Materialien sowie möglicher Fertigungsverfahren unterstützt.171 Es
werden in dieser Phase keine expliziten Maßnahmen hinsichtlich Robust Design vor-
genommen.172
• Parameter Design nach TAGUCHI
Im Rahmen des Parameter Designs wird eine Optimierung der Produktparameter vor dem
Hintergrund der ganzheitlichen Kostenminimierung173 durch die Minimierung der Varianz
in der Produktleistung174 angestrebt. Dies beinhaltet den Kerngedanken des Robust Designs,
in Form einer Minimierung der Auswirkungen von Störgrößen (Noise) auf das Verhalten eines
Produktes oder Prozesses.175 Hierzu werden die Stör- und Steuergrößen (engl. Noise Factors
and Control Factors) erfasst und gezielt direkt bzw. indirekt beeinflusst. Der schematische
Zusammenhang zwischen dem Produkt/Prozess mit seinen Ein- und Ausgängen sowie den
Stör- und Steuergrößen ist in Abbildung 2.23 in Form eines P-Modells nach TAGUCHI abge-
bildet.
Produkt / ProzessStellgröße
(Signalfaktor)
Störgröße
Steuergröße
Antwort /
Reaktion
m
x
z
y = f (m,x,z)
Abbildung 2.23: P-Modell nach TAGUCHI176
170 Vgl. Lochner und Matar (1990), S. 13 ff. sowie Klein (2011), S. 15 ff. 171 Vgl. Taguchi et al. (2004), S. 176 f. 172 Vgl. Lochner und Matar (1990), S. 16. 173 Bezieht sich auf den gesamten Produktlebenszyklus, d. h. neben der Entwicklung und Produktion auch
maßgeblich auf die spätere Nutzungsphase des Produkts. 174 In diesem Zusammenhang steht die Produktleistung als Oberbegriff für alle Kriterien, die im Rahmen
einer Beurteilung der Leistungserfüllung des Produkts, d. h. der Befriedigung der vom Kunden gestellten
Anforderungen, zu berücksichtigen sind. 175 Vgl. Lochner und Matar (1990), S. 18. 176 Eigene Darstellung, nach Klein (2011), S. 30, in Anlehnung an TAGUCHI.
37
Die Störgrößen stellen die einzigen Größen dar, die im Bereich des Parameter Designs nicht
direkt durch den Entwickelnden beeinflussbar sind.177 TAGUCHI unterscheidet sie in drei
verschiedene Arten: Schwankungen in den Umgebungsbedingungen (engl. External Noise),
Verschleiß oder Alterung (engl. Internal Noise) und Variationen zwischen eigentlich
gleichen Produkten durch Schwankungen der Materialeigenschaften, Fertigungs- oder
Montageprozesse (engl. Unit-to-Unit Noise).178
• Tolerance Design nach TAGUCHI
Um die Abweichungen der Ausgangsgrößen unter dem Einfluss von Störgrößen in
einem akzeptablen Bereich zu halten, werden im Rahmen des Tolerance Design nach
TAGUCHI die zulässigen Toleranzen der Steuergrößen entsprechend festgelegt bzw. ver-
schärft. Da jede Verschärfung der Toleranzen eine Erhöhung der Kosten nach sich zieht,
ist es das Ziel, die Toleranzen so grob wie möglich zu wählen.179 Da diese Maßnahme
auf den Möglichkeiten und dem betriebenen Aufwand im Bereich des Parameter
Designs aufbaut, sieht TAGUCHI im Parameter Design den wichtigsten Schritt, hin zur
Entwicklung robuster Produkte bzw. Prozesse.180
Aufbauend auf den Grundlagen des Robust Design nach TAGUCHI werden in der Literatur eine
Vielzahl an Weiterentwicklungen und Verknüpfungen mit weiteren Ansätzen beschrieben.
Einen Überblick hierüber geben bspw. FREUND181 oder LOTZ182.
Um Anknüpfungspunkte zwischen den Ergebnissen des SFB 805 „Beherrschung von Unsicher-
heit in lasttragenden Systemen des Maschinenbaus“ und den Inhalten dieser Arbeit herzustellen
und nutzbar zu machen, wird im Folgenden die entsprechende Betrachtungsweise vorgestellt.
Ausgangspunkt stellt der in Abbildung 2.24 dargestellte Zusammenhang zwischen einer Stör-
größe bzw. Unsicherheit und der daraus resultierenden Abweichung des Produktverhaltens
von der Produktfunktion dar.
Störung/
UnsicherheitEinfluss VerhaltenAuswirkung
Pro
dukt
Rotor läuft
unsauber
z. B. Verklemmen
Wärmequelle Strahlung Strahlung
Umwelt
z. B. Wärmezufuhr z. B. Strahlung z. B. Bauteilverzug
Abbildung 2.24: Zusammenhang Störung/Unsicherheit und Verhalten
am Beispiel eines Lagerbocks183
177 Vgl. Park et al. (2006), S. 184. 178 Vgl. Taguchi et al. (2004), S. 176. 179 Vgl. Lochner und Matar (1990), S.18. 180 Vgl. Taguchi et al. (2004), S. 178. 181 Vgl. Freund (2018), S. 42. 182 Vgl. Lotz (2018), S. 38. 183 Eigene Darstellung, nach Mathias (2016), S. 101.
38
Der dargestellte Zusammenhang wird durch vier chronologisch aufeinander aufbauende
Schritte hergestellt, welche erfüllt sein müssen, um die beschriebene Abweichung hervorzuru-
fen184:
1.) Eine Störgröße bzw. Unsicherheit muss auftreten.
2.) Eine Störgröße bzw. Unsicherheit muss einen Einfluss auf die Funktion haben.
3.) Dieser Einfluss muss eine Auswirkung auf die Funktion haben.
4.) Die Auswirkung des Einflusses auf die Funktion muss eine relevante Abweichung zwischen
Funktion und Verhalten hervorrufen.
2.3.2 Unsicherheit in der Messtechnik
In der Messtechnik wird Unsicherheit zur Charakterisierung der Güte von Messergebnissen
verwendet und in diesem Kontext als Messunsicherheit bezeichnet. Ihre Kenntnis stellt die
Grundlage für die Vergleichbarkeit und Akzeptanz von Messergebnissen und den darauf auf-
bauenden Entscheidungen dar.185 Als weltweit akzeptierter Standard zur Bewertung und
Angabe von Messunsicherheit hat sich der „Guide to the Expression of Uncertainty in Measure-
ment“ (GUM)186 etabliert.187 Das deutschsprachige Pendant stellt der „Leitfaden zur Angabe der
Unsicherheit beim Messen“188 als Nachfolgedokument bzw. Ersatz für die zurückgezogene DIN
V ENV 13005189 dar. Die GUM definiert Messunsicherheit als „Parameter, associated with the
result of a measurement, that characterizes the dispersion of the values that could reasonably be
attributed to the measurand” 190. Die DIN 1319-x definiert Messunsicherheit sinngemäß gleich,
als „Kennwert, der aus Messungen gewonnen wird und zusammen mit der Messgröße zur Kenn-
zeichnung eines Wertebereichs für den wahren Wert der Messgröße dient“ 191. Die vollständige
Angabe eines Messergebnisses setzt sich aus einem Messwert x, einer Angabe zur Messunsi-
cherheit u und einer Einheit zusammen (Bsp.: Länge l=10 mm ± 0,05 mm).192 Im Vergleich
zum bisher dargestellten Verständnis der Unsicherheit in der Produktentwicklung, stellt die
Messunsicherheit einen rein quantitativen Kennwert dar. Zur Bewertung bzw. Bestimmung
der Messunsicherheit stellt die GUM ein standardisiertes Verfahren zur Verfügung. Das sche-
matisch in Abbildung 2.25 dargestellte Verfahren geht von vorhandenen Kenntnissen über den
Messprozess und die beteiligten Eingangsgrößen aus. Als beteiligte Eingangsgrößen werden
gemäß Abbildung 2.19 alle Größen bezeichnet, die einen Einfluss auf das Messergebnis und
die zugehörige Messunsicherheit haben können, also auch Störgrößen.193 Ergebnisse vorheri-
ger Messungen, Erfahrungswerte und subjektive Bewertungen, Werte aus Kalibrier-/Prüfschei-
nen, Herstellerangaben oder Tabellen-/Literaturwerte können als mögliche Quellen für diese
184 Vgl. Mathias et al. (2010), S. 344. 185 Vgl. Sommer und Siebert (2004), S. 53. 186 JCGM 100: 2008 (2008). 187 Vgl. Sommer und Siebert (2004), S. 52. 188 ISO/IEC Guide 98-3: 2008 (2008). 189 DIN V ENV 13005: 1999 (1999) [zurückgezogen 10.2014]. 190 JCGM 100: 2008 (2008), S. 2. 191 DIN 1319-1 (1995), S.14. 192 Vgl. DIN 1319-1 (1995), S.16. 193 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S. 34.
39
Kenntnisse herangezogen werden.194 Darauf aufbauend muss das Modell der Auswertung (vgl.
Unterabschnitt 2.2.4) in Form eines mathematischen Zusammenhangs zwischen allen relevan-
ten Eingangsgrößen und der Messgröße aufgestellt werden. Im nächsten Schritt müssen die
Eingangsgrößen durch die Zuweisung einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (engl. proba-
bility density function, PDF) beschrieben werden.195 Die folgenden Schritte bis hin zur Angabe
des Messergebnisses bzw. bis zum Aufstellen und Bewerten des Messunsicherheits-Budgets
basieren auf der Gauß’schen Unsicherheitsfortpflanzung und erfolgen nach festen Regeln.196
Darlegung der Kenntnisse über die Messung und die Eingangsgrößen
Modellierung der Messung Einschätzen der Größen
Methoden:
- Typ A
- Typ B
Ursache Wirkung
Modell der Auswertung:
Y=f(X1 ,X2 ,X3 , ,XN)
- Erwartungswerte xi
- Messunsicherheit uxi
Kombinieren der Werte und Unsicherheiten
Gauß sche Unsicherheitsfortpflanzung
- Erwartungs-
- wert y
- Mess-
- unsicherheit uy
Berechnen der erweiterten MessunsicherheitErweiterte Mess-
unsicherheit Uy, kP
Angabe des vollständigen MessergebnissesErwartungswert y
± Unsicherheit Uy (kP)
Aufstellen und Bewerten des Messunsicherheits-Budgets
Hauptaufgaben
Rechnen nach
festen Regeln
1
2 3
4
5
6
7
Abbildung 2.25:Vorgehen zur Messunsicherheitsbestimmung
nach dem Standard-GUM-Verfahren197
194 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S. 35. 195 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008) sowie Sommer und Siebert (2004), S. 54 ff. 196 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008) sowie Sommer und Siebert (2004), S. 55 ff. 197 Eigene Darstellung, nach Sommer und Siebert (2004), S. 56.
40
2.4 Stand der Forschung hinsichtlich methodischer Ansätze zur Entwicklung
technischer Systeme
Aufbauend auf den in den Unterkapiteln 2.1 bis 2.3 eingeführten Grundlagen werden im Fol-
genden gezielt methodische Ansätze zur Entwicklung technischer Systeme vorgestellt, die vor
dem Hintergrund der Zielsetzung und dem Forschungsdesign in Kapitel 3 den Stand der For-
schung abbilden und damit die Basis für die Kapitel 5 und 6 schaffen.
Der in Abschnitt 2.4.1 vorgestellte Ansatz, Informationsspeicher in Form von Effektkatalogen
zur Entwicklung prinzipieller Lösungen auf der Ebene von physikalischen Effekten einzuset-
zen, stammt aus der klassischen Produktentwicklungsmethodik. Aufgrund der prinzipiell sehr
ähnlichen Fragestellung nach der Bestimmung einer nicht (direkt) messbaren Regelgröße in
der Disziplin der Regelungstechnik, wird in Unterabschnitt 2.4.2 der Ansatz eines Beobachters
eingeführt. Domänen- und disziplinunabhängig wird in Unterabschnitt 2.4.3 ein Überblick
über den Stand der Forschung hinsichtlich konkreter Ansätze zur Integration einer Messfunk-
tion in (bestehende) technische Systeme gegeben. Abschließend wird der für diese Arbeit
relevante Stand der Forschung auf dem Gebiet der Identifikation und Berücksichtigung von
Unsicherheit inkl. einer Betrachtung von ausgewählten Robust Design-Ansätzen in Unterab-
schnitt 2.4.4 dargestellt.
2.4.1 Effektkataloge – Informationsspeicher physikalischer Effekte
Zur Entwicklung technischer Systeme stellt die Verfügbarkeit von, zum entsprechenden Zeit-
punkt benötigten, Informationen eine elementare Voraussetzung dar. Ein erheblicher Anteil
des bereits (allgemein) erarbeiteten Wissens kann nicht nutzbringend angewandt werden, da
es nicht oder nicht in geeigneter Form verfügbar ist. Dies betrifft insbesondere Entwickelnde
technischer Systeme, die permanent bspw. auf physikalisches, technologisches oder stoffkund-
liches Wissen zurückgreifen müssen.198 Sobald die im Gedächtnis des Entwickelnden verfüg-
baren Informationen nicht mehr ausreichen, wird allgemein und insbesondere beim methodi-
schen Entwickeln der Zugriff auf extern gespeicherte Informationen erforderlich.199 Als Hilfs-
mittel, um die Verfügbarkeit und Ausschöpfung bestehenden Wissens zu verbessern und damit
als geeignetes Hilfsmittel für bessere Lösungen, bieten sich Kataloge an.200
Gemäß der VDI 2222, Blatt 2 werden unter dem Oberbegriff des Konstruktionskatalogs Infor-
mations- bzw. Wissensspeicher zusammengefasst, die hinsichtlich ihrer Inhalte, ihrer Zugriffs-
möglichkeiten und ihres Aufbaus auf das methodische Entwickeln von technischen Systemen
zugeschnitten sind. Insbesondere werden sie durch eine jeweils weitgehende Vollständigkeit,
eine klare Systematik und Gliederung sowie der Existenz von Zugriffsmerkmalen charakteri-
siert (vgl. Abbildung 2.26). Konstruktionskataloge werden weiterhin in drei wesentliche Arten
198 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4. 199 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 2. 200 Vgl. u. a. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4 sowie Koller und Kastrup (1998), S. 27 ff.
41
unterschieden: Objektkataloge, Operationskataloge201 und Lösungskataloge202.203 Da Objektka-
taloge aufgabenunabhängig die zum Entwickeln notwendigen Informationen insbesondere aus
dem Bereich der Physik enthalten, treten sie an dieser Stelle in den Vordergrund. Objektkata-
loge die Informationen über physikalische Effekte beinhalten, werden im Folgenden als
Effektkataloge bezeichnet. Sie sind gegenüber reinen Sammlungen physikalischer Effekte wie
z. B. nach VON ARDENNE ET AL.204 abzugrenzen, da solche Sammlungen das oben beschriebene
Charakteristikum des Zugriffsmerkmals hinsichtlich der Entwicklung technischer Systeme
nicht aufweisen. Einen Überblick über Effektsammlungen und Effektkataloge stellt ZOBEL205
zur Verfügung.
Hauptteil
Gliederungsteile
[ & Zugriffsteile ]II
I Nr.
1
2
3
1 2 3
Hauptteil
Gliederungsteile
[ & Zugriffsteile ]II
I Nr.
1
2
3
1 2 3
C
Hauptteil
Gliederungsteile
[ & Zugriffsteile ]II
I Nr.
1
2
3
1 2 3
B
Hauptteil
Gliederungsteile
[ & Zugriffsteile ]II
I Nr.
1
2
3
1 2 3
A
1 2 31 2 1 21 2 53 4
Gliederungsteil Hauptteil Zugriffsteil Anhang
Eindimensionaler Gliederungsteil
Zweidimensionaler Gliederungsteil Dreidimensionaler Gliederungsteil
Abbildung 2.26: Allgemeiner Aufbau physikalischer Effektkataloge mit
ein-, zwei oder dreidimensionalem Gliederungsteil206
Wie in Unterabschnitt 2.1.2 eingeführt, stellen physikalische Effekte den Zusammenhang zwi-
schen den Ein- und Ausgangsgrößen eines technischen Systems, in Form der Funktion bzw.
des Verhaltens, her. Da physikalische Effekte allgemein einen Zusammenhang zwischen zwei
201 Enthalten Operationen (Verfahrensschritte) oder Operationsfolgen (Verfahren), die im Rahmen des
methodischen Entwickelns von Bedeutung sind sowie deren Anwendungsbedingungen und Einsatzkri-
terien (vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4 f. sowie Koller und Kastrup (1998), S. 29 f.). 202 Enthalten Lösungen für bestimmte, ggf. durch Randbedingungen ergänzte, Funktionen oder Aufgaben
(vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 5 sowie Koller und Kastrup (1998), S. 29). 203 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4 sowie Koller und Kastrup (1998), S. 29 f. 204 „Effekte der Physik und ihre Anwendungen“, von Ardenne et al. (2005). 205 „Systematisches Erfinden : Methoden und Beispiele für die Praxis“, Zobel (2019), S. 236 ff. 206 Eigene Darstellung, nach Koller und Kastrup (1998), S. 31, 32 und 33.
42
physikalischen Größen herstellen, werden Effektkatalogen gemäß des Ursache-Wirkung-
Grundgedankens207 anhand der beteiligten physikalischen Größen aufgebaut und strukturiert.
Effektkataloge setzen sich gemäß des allgemeinen Aufbaus von Konstruktionskatalogen aus
einem Gliederungsteil, einem Hauptteil und einem Zugriffsteil (ggf. inkl. Anhang) zusammen.
Je nach Anzahl der an der Gliederung des Effektkatalogs beteiligten physikalischen Größen
wird zwischen ein-, zwei- oder dreidimensionalen208 Katalogen unterschieden. Der prinzipielle
Aufbau und die eingeführte Differenzierung sind in Abbildung 2.26 dargestellt.
Der konkrete Aufbau von verfügbaren Effektkatalogen sowie deren jeweiliger Einbezug in ein
Vorgehen zur Synthese von Prinziplösungen unterscheiden sich im Detail je nach Autor. Am
weitesten verbreitet und sehr etabliert sind das Katalogsystem nach KOLLER und die Funktions-
größenmatrix nach ROTH.209 Diese werden im Folgenden vorgestellt.
Katalogsystem nach KOLLER
Das Katalogsystem nach KOLLER setzt sich aus den vier Komponenten der Zuordnungsmatrix,
des Effekt-Gruppenverzeichnisses, der Eigenschaftstabelle sowie dem eigentlichen Effektkatalog
zusammen. Eine schematische Übersicht über das von KOLLER präsentierte Katalogsystem zur
Synthese von Effektstrukturen und Prinziplösungen ist in Abbildung 2.27 dargestellt.
Die Zuordnungsmatrix stellt einen zweidimensionalen Übersichtskatalog dar, in dem der
Zusammenhang zwischen physikalischen Ein- und Ausgangsgrößen unter indirektem Verweis
auf die jeweiligen physikalischen Effekte abgebildet wird. Die schraffierten Felder symbolisie-
ren die Existenz von Effektgruppen, in welchen die eigentlichen physikalischen Effekte geclus-
tert sind. Die Effektgruppen und eine Übersicht über die enthaltenen physikalischen Effekte
sind im Effekt-Gruppenverzeichnis eingetragen. Dieses verweist wiederum auf die entsprechen-
den Einträge in der Eigenschaftstabelle und im Effektkatalog. Da vielfach mehrere Effekte
prinzipiell den Zusammenhang zwischen zwei physikalischen Größen herstellen können, stellt
die Eigenschaftstabelle Informationen zur Vorauswahl potentiell in Frage kommender Effekte
anhand ihrer aufgabenspezifischen Anwendbarkeit zur Verfügung. Die aufgeführten Informa-
tionen werden in die Rubriken „Vereinfachungen“, „zu beachtende Randbedingungen“ und
„Anmerkungen des Anwenders“ eingeteilt. Im Effektkatalog sind die vom Autor dem Abstrakti-
onsgrad entsprechend als relevant erachteten Informationen und Verweise systematisch auf-
geführt.210
207 Siehe auch Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 540 oder Zobel (2019), S. 236. 208 Ein Beispiel für einen dreidimensionalen Katalog liefert Huang (2002), S. 110. Allgemein ist diese Form
in der Praxis allerdings wenig verbreitet (vgl. Koller und Kastrup (1998), S. 33) und für den weiteren
Verlauf dieser Arbeit nicht von Relevanz. 209 Die Aussage baut auf der vom Autor durchgeführten Literaturrecherche und der Erfahrung des Autors
sowie der Aussage der VDI 2222 (1997), Blatt 1, (S.23 f.): „Ein sehr wichtiges Hilfsmittel für die Kon-
struktion in der prinzipiellen Phase […] besteht darin, wichtige, zur Verwendung geeignete physikalische
Effekte übersichtlich aufzubereiten […]. Das wurde in vorbildlicher Weise von Koller in Effekt-Katalogen
gemacht, für bestimmte Größen auch von Roth […]“ auf. Auf die Existenz weitere Effektsammlungen, die
im Kontext dieser Arbeit von untergeordneter Bedeutung sind, wird an dieser Stelle hingewiesen. Einen
Überblick inkl. dem Verweis auf weiterführende Literatur gibt die VDI 2222 (1997), Blatt 1 (S. 24). 210 Detaillierte Informationen zur Entwicklung und dem Aufbau des beschriebenen Katalogsystems sind
Koller und Kastrup (1998), S. 36 ff. zu entnehmen.
43
Abbildung 2.27: Katalogsystem physikalischer Effekte nach KOLLER & KASTRUP211
Funktionsgrößenmatrix nach ROTH
ROTH ordnet die von ihm entwickelte Funktionsgrößenmatrix und die Sammlung physikalischer
funktioneller Zusammenhänge in die Entwicklung und Realisierung eines Lösungsprinzips, aus-
gehend von bzw. mit der Funktionsstruktur auf Grundlage einer Betrachtung von Intensitäts-
und Qualitätsgrößen, ein.212 Als Hilfsmittel, um einer erarbeiteten Funktionsstruktur Effekte
zuordnen zu können, stellt ROTH eine Übersicht physikalischer Effekte in der „Funktionsgrö-
ßenmatrix“ und eine ausführlichere Beschreibung dieser in der „Sammlung physikalischer,
funktioneller Zusammenhänge“ vor. Eine schematische Übersicht über die von ROTH präsen-
tierte Funktionsgrößenmatrix und den zugehörigen Effektkatalog ist in Abbildung 2.28 darge-
stellt.
In der Funktionsgrößenmatrix werden Intensitäts- und Quantitätsgrößen aus verschiedenen
physikalischen Domänen in einem zweidimensionalen Effektkatalog zeilenweise (Eingangs-
größen bzw. abhängige Variablen) und spaltenweise (Ausgangsgrößen bzw. unabhängige
Variablen) symmetrisch aufgeführt. In den entstehenden Kreuzungsfeldern der Matrix wird
211 Eigene Darstellung, nach Koller und Kastrup (1998), S. 40. 212 Vgl. Roth (2000), S. 111 ff.
44
das Vorhandensein von Effekten, welche einen Zusammenhang zwischen der jeweilige Ein-
und Ausgangsgröße herstellen können, über eine Schraffur kenntlich gemacht. Eine Ziffer im
Kreuzungsfeld dient als Kennzahl für die Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammen-
hänge in Form eines eindimensionalen Effektkatalogs. In der Sammlung physikalischer, funk-
tioneller Zusammenhänge sind die vom Autor als relevant erachteten Informationen und Ver-
weise systematisch aufgeführt.213
Ein-
gang
Aus-
gang
Nr.
1
2
3
4
...
1 2 3 4 ...
Abhängige
Variable
Unab-
hängige
Variable
Ein
Aus
1.1 1.2 ...
...
Feldnummer
Funktions-
größen-
matrix
Bemerkung
(Bezeichnungen ,
Erklärungen zu
Formelzeichen,
Anwendungen, )
Verweis auf
weiterführende
Literatur
1.1
Funktionsgrößen
Funktionsgrößen
Gleichung
Sammlung physikalischer ,
funktioneller Zusammenhänge
(eindimensionaler Effektkatalog )
Funktionsgrößenmatrix
(zweidimensionaler Effektkatalog )
Abbildung 2.28: Aufbau der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH sowie der zugehörigen
Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammenhänge214
213 Detaillierte Informationen zur Entwicklung und dem Aufbau der Funktionsgrößenmatrix und dem
zugehörigen Effektkatalog sind Roth (2000), S. 111 ff. zu entnehmen. 214 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Roth (2000), S. 115 und 118 ff.
45
Zusammenfassung digitaler Anwendungen (Effektkataloge)
Neben den beiden vorgestellten analogen Katalogen nach KOLLER und ROTH existieren digitale
Effektkataloge in Form von Effektdatenbanken, die häufig im Zusammenhang mit der „Theorie
des erfinderischen Problemlösens“ (TRIZ) beschrieben werden. Effektdatenbanken existieren
sowohl als eigenständige Anwendungen215, als auch in Form von Modulen in Programmen216.
Da nur eine begrenzte Anzahl von physikalischen Effekten existiert217 und sowohl digitale als
auch analoge Effektkataloge auf dieser Tatsache basieren, ist der grundlegende Informations-
gehalt und Funktionsumfang von Effektdatenbanken vergleichbar mit dem der analogen
Effektkataloge. Da aus den bekannten Effektdatenbanken aufgrund der mangelnden Verfüg-
barkeit von Informationen über deren Entwicklung und zugrundeliegenden Strukturierung
bzw. Logik keine allgemeingültigen Aussagen abgeleitet werden können, ist ihre Bedeutung
für die folgenden Inhalte dieser Arbeit als gering zu bewerten. Hinsichtlich eines Ausblicks
zeigen die bestehenden digitalen Effektkataloge allerdings Möglichkeiten einer rechnerbasier-
ten Anwendung auf Basis der Ergebnisse dieser Arbeit auf. Stellvertretend wird im Folgenden
die Effektdatenbank der Oxford Creativity vorgestellt.
Effektdatenbank der OXFORD CREATIVITY218
Im ersten Schritt der Effektsuche in der „Effects Database“ wird mittels einer Suchmaske zwi-
schen drei möglichen Typen an Effektabfragen unterschieden:
• allgemein beabsichtigte Funktion („Function Query“)219,
• auf einen Parameter bezogene Funktion („Parameter Query“)220 und
• dem Wandeln/Umformen einer Größe („Transform Query“).
Die aufgeführten Funktionen, Parameter und Größen sind nicht normiert und weisen keine
erkennbare Struktur innerhalb der jeweiligen Kategorie auf. Für diese Arbeit relevant ist, im
direkten Vergleich mit den klassischen analogen Effektkatalogen, die Effektabfrage „Transform
Query“. Die Auswahlmöglichkeiten dieser Abfrage und die ausgegebenen Ergebnisarten
(Effekt, Anwendung oder beides) sind Abbildung 2.29 zu entnehmen. Entsprechend der
215 Kostenfreie Beispiele stellen die „Effects Database“ der Oxford Creativity Ltd. (2020)(am 24.04.2020
unter dieser Adresse verfügbar: „http://wbam2244.dns-systems.net/EDB/index.php“) oder das „Produc-
tion Inspiration“ – Werkzeug der Firma AULIVE (am 24.04.2020 unter dieser Adresse verfügbar:
„http://www.productioninspiration.com/“) dar. 216 Das kommerzielle Programm „TechOptimizer“ der Firma Invention Machine beispielsweise enthält ein
auf Effekten basierendes Transformationsmodul. Weitere Informationen und ein Überblick über alterna-
tive Programme bietet Zobel (2019), S. 317 ff. 217 Vgl. Huang (2002), S. 110. 218 Am 24.04.2020 unter dieser Adresse verfügbar: „http://wbam2244.dns-systems.net/EDB/index.php“. 219 Eine Abbildung zur entsprechenden Abfrage ist im Anhang A1 in Abbildung A.5 abgebildet. 220 Eine Abbildung zur entsprechenden Abfrage ist im Anhang A1 in Abbildung A.6 abgebildet.
46
jeweiligen Auswahl gibt die Effektdatenbank potentielle Effekte als Vorschläge inkl. einer kur-
zen Beschreibung und dem Verweis auf weiterführende Informationsquellen (in der Regel
Wikipedia221) aus.222
Abbildung 2.29: Auswahlmöglichkeiten im Rahmen der „Transform Query“
in der „Effects Database“ der Oxford Creativity Ltd.223
Eine weitere Funktion der Effektdatenbank, die vor dem Hintergrund dieser Arbeit von Inte-
resse ist, stellt die Effektabfrage „Parameter Query“ unter Verwendung der auf einen auszu-
wählenden Parameter bezogenen Funktion „messen“ dar.224 Als Ergebnis einer solchen Abfrage
gibt die Effektdatenbank Vorschläge für potentielle Effekte zum Messen der gewählten Größe
aus (inkl. kurzer Beschreibung und dem Verweis auf weiterführende Informationsquellen).
Für das Beispiel einer Kraftmessung sind die ausgegebenen Ergebnisse in Abbildung A.7 in
Anhang A1 exemplarisch dargestellt.
2.4.2 Beobachter – Bestimmung nicht gemessener Regelgrößen
Aufbauend auf der Formulierung einer Regelungsaufgabe besteht ein wesentlicher Schritt zur
Lösung in der Auswahl der Regelgröße. Welche Größe(n) jeweils als Regelgröße(n) fun-
giert/fungieren geht vielfach aus den Güteanforderungen der Regelungsaufgabe hervor. Her-
ausforderungen treten auf, wenn relevante Größen nicht (direkt) messbar sind und deshalb
an ihrer Stelle eine andere messbare Ersatzgröße als Ausgang y(t) betrachtet werden muss.225
In diesem Fall muss die eigentlich relevante Größe aus der gemessenen Ersatzgröße berechnet
werden. Nach LUNZE setzt die Bestimmung der Regelgröße gute Kenntnisse und Erfahrungen
aus dem jeweiligen Anwendungsgebiet voraus.226 Die beschriebene Herausforderung tritt wei-
terhin insbesondere im Zusammenhang der Zustandsregelung auf. Wie in Unterabschnitt 2.2.2
beschrieben, müssten für eine Zustandsregelung theoretisch alle Zustandsgrößen gemessen
werden. Dieser Anforderung, die in vielen technischen Anwendungen nicht erfüllt, bzw. nicht
umsetzbar ist, wird mit einem Beobachter begegnet. Der eingesetzte Beobachter bestimmt
221 Wikipedia ist eine Online-Enzyklopädie aus freien Inhalten. Die deutsche Startseite ist unter folgender
Adresse verfügbar: „https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite“ (Stand 25.04.2020). 222 Die Art und Ansicht der Ausgabe kann anhand Abbildung A.7 in Anhang A1 exemplarisch nachvollzogen
werden. 223 Oxford Creativity Ltd. (2020) 224 Eine Abbildung zur entsprechenden Abfrage ist in Anhang A1 in Abbildung A.6 dargestellt. 225 Vgl. Lunze (2016), S. 14. 226 Vgl. Lunze (2016), S. 15.
47
unter Verwendung eines Regelstreckenmodells aus dem Verlauf der Stell- und Regelgrößen
(Ein- und Ausgangsgrößen der Regelstrecke) einen Schätzwert ��(𝑡) für den Zustandsvektor
x(t).227 Hierzu wir ein zweites System in Form eines Modells parallel zur Regelstrecke aufge-
baut (vgl. Abbildung 2.30).
Der unterlagerte
Regelkreis hat das Ziel,
den Beobachterfehler
möglichst schnell
abklingen zu lassen.
x
^ x
u
A
x
B C
yx.
x (0)
A
x (0)^
CB
^ x
.uB
x
^
-
y
^
e
Anfangszustand
Anfangszustand
Beobachterfehler
Schätzwert des
Zustandsvektors
Rückführungsmatrix
L
Beobachter
Zustandsvektor
nicht messbar oder
nicht gemessen
Abbildung 2.30: Struktur des Luenbergerbeobachters inkl. Erläuterung228
Der Beobachter verfügt über zwei wesentliche Eigenschaften:
• Erstens ist das Verhalten des Regelkreises mit Zustandsrückführung über den Beobach-
ter sehr ähnlich zum Verhalten des Regelkreises bei einer Zustandsrückführung mit
gemessenen Zustandsgrößen.
• Zweitens ist die Funktionsfähigkeit auch unter dem Einfluss von Störgrößen auf die
Regelstrecke gegeben.229
Der Entwurf eines Beobachters baut auf einem (guten) Modell der Regelstrecke und der
Beobachtbarkeit230 des Modells auf und kann allgemein mit denselben Verfahren wie der Ent-
wurf eines Zustandsreglers durchgeführt werden.231
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aus Sicht der Regelungstechnik die zu erfassen-
den Größen (Regelgrößen bzw. Zustandsgrößen) aus der Regelungsaufgabe ergeben. Zur
Erfassung kommt sowohl eine direkte Messung der relevanten Größen, als auch eine indirekte
227 Für weitere Informationen wird auf entsprechende Fachliteratur verwiesen, z. B. Lunze (2020), S. 345 ff. 228 Eigene Darstellung, nach Lunze (2020), S. 350. 229 Vgl. Lunze (2020), S. 346. 230 Weiterführende Informationen sind bspw. Lunze (2020), S. 93 ff. zu entnehmen. 231 Vgl. Lunze (2020), S. 358 ff.
48
Messung von Ersatzgrößen infrage. Es wird hierbei nicht weiter betrachtet, wie der Zusam-
menhang zwischen einer relevanten Größe und möglichen Ersatzgrößen im betrachteten Sys-
tem systematisch hergestellt werden kann. Eine systematische Betrachtung von systemspezifi-
schen Eigenschaften, die mittels Wandlungen (und Umformungen) den Zusammenhang zwi-
schen relevanten Größen und Ersatzgrößen herstellen können, wird nicht beschrieben.
Beobachter, die in der VDI 2206 auch als „Softwaresensoren“ bezeichnet werden, ermöglichen
es mittels eines Modells aus bekannten und gemessenen Größen (Stell- und Regelgrößen),
nicht gemessene Zustandsgrößen abzuschätzen.
2.4.3 Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme –
Festlegung der Messgröße
Wie in der Motivation und Zielsetzung in Kapitel 1 ausgeführt, bilden methodische Ansätze
zur Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme einen wesentlichen
Anteil am Stand der Forschung für die Inhalte dieser Arbeit. In diesem Abschnitt werden die
relevanten Ergebnisse einer Literaturrecherche hinsichtlich entsprechender Ansätze darge-
stellt. Neben der direkten Recherche nach konkreten Ansätzen wurden auch exemplarisch Pro-
jekte zur Integration von Messfunktionen in ausgewählte technische Systeme betrachtet, um
aus den jeweils beschriebenen Ergebnissen Rückschlüsse auf das angewendete Vorgehen zu
ziehen. Es wird darauf hingewiesen, dass eine solche Betrachtung aufgrund der nicht über-
schaubaren Anzahl an praktischen Sensorintegrationen in technische Systeme nur exempla-
risch umgesetzt werden kann. Ein Überblick über die erfassten Ansätze und Vorgehen zur
Integration von Messfunktionen in bestehende technische Systeme ist in Tabelle A.1 und
Tabelle A.2 im Anhang A2 dargestellt. Die für den weiteren Verlauf wesentlichen Ansätze und
Vorgehen sind in dieser Tabelle hervorgehoben und werden im Folgenden zusammengefasst.
Hierbei stehen insbesondere die Festlegung einer Messgröße und die Auswahl entsprechender
Sensorik im Vordergrund.
Der Umfang und der Zeitraum, in dem die Integration von Sensoren in technische Systeme in
der Literatur232 beschrieben wird, verdeutlicht, dass die grundsätzliche Integration von Mess-
funktionen in (bestehende) technische Systeme ein weit verbreitetes Entwicklungsziel dar-
stellt. Vor dem Hintergrund des Bedarfs einer belastbaren Datenbasis zur Realisierung von
Bestrebungen hinsichtlich der Zielvision Industrie 4.0 gewinnt das Thema zusätzlich an
Bedeutung und Aktualität.233 Entsprechend werden in Fachbüchern234, Leitfäden235, Journal-
beiträgen236 und Dissertationen237 eine Vielzahl von Ansätzen dargestellt, die die Integration
von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme makroskopisch in Form von Vorge-
hensmodellen beschreiben. Da sich bei einer vergleichbaren Betrachtungsweise der Entwick-
232 Vgl. Tabelle A.1 und Tabelle A.2 im Anhang A2. 233 Vgl. Simmons (2018), S. 26 ff. und Fleischer et al. (2018), S. 1 ff. 234 Vgl. bspw. u. a. Tränkler und Reindl (2015), S. 17. 235 Vgl. bspw. u. a. Fleischer et al. (2018). 236 Vgl. bspw. u. a. Löpelt et al. (2019). 237 Vgl. bspw. u. a. Zeller (1996), S. 144 f.
49
lungsaufgabe sinngemäß ein konsistentes Vorgehen in der Literatur abzeichnet, wird stellver-
tretend auf das Vorgehensmodell nach LÖPELT ET AL.238 bzw. ZELLER239 aus Unterabschnitt 2.1.4,
dargestellt in Abbildung 2.7, verwiesen. Wie bereits angedeutet sind insbesondere die „Festle-
gung möglicher Messgrößen“ unter Einbezug des vorgelagerten Schritts der „Festlegung mögli-
cher Messstellen“ sowie die Auswahlphase für die folgenden Inhalte von Relevanz. Da die Ent-
wicklung der eigentlichen Sensoren und Messgeräte nicht im Fokus dieser Arbeit steht, wird
an dieser Stelle auf weiterführende Fachliteratur240 verwiesen.
Festlegung möglicher Messgrößen
Im Vorgehensmodell nach LÖPELT ET AL.241 aus Abbildung 2.7 stellt die Festlegung der Mess-
größe den letzten Schritt in der Vorbereitungsphase zur Sensorauswahl dar. Aufbauend auf
den Anforderungen und der Betrachtung potentieller Messstellen werden in einem iterativen
Prozess potentielle Messgrößen festgelegt.242 FLEISCHER ET AL. heben in diesem Zusammenhang
hervor, dass individuell zu erfassende Zustandsgrößen eines technischen Systems häufig auf
verschiedene Arten erfasst werden können. Die Erfassung kann direkt erfolgen, d. h. die
Zustandsgröße entspricht der Messgröße oder indirekt, d. h. über physikalische Zusammen-
hänge einer oder mehrerer anderer Messgrößen.243 Eine konkrete methodische Unterstützung
wie der Zusammenhang zwischen der in den Anforderungen charakterisierten Erfassung einer
Zustandsgröße244 und potentiellen Messgrößen hergestellt werden kann, wird von LÖPELT ET
AL. nicht gegeben. Die Bedeutung einer lösungsneutralen Diskussion verschiedener, auf diesem
Entwicklungsniveau denkbarer Messgrößen hebt der „Leitfaden Sensorik für Industrie 4.0“ im
Kontext einer äquivalent beschrieben Phase explizit hervor. Den Hintergrund bildet das
Bestreben, ein vorzeitiges Denken in technischen Lösungen und die unbegründete Einschrän-
kung des Lösungsraums durch eine Vorfixierung zu vermeiden.245 Um eine anwendungsspezi-
fische, lösungsneutrale Diskussion potentieller Messgrößen anzuregen, werden Leitfragen wie
z. B. „Sind die Messgröße bereits bekannt?“ oder „Welche [Messgrößen, Anm. des Autors] sollen
erfasst werden?“ zur Verfügung gestellt.246 Darüber hinaus soll die Diskussion durch einen
„Werkzeugkasten Sensortyp“ unterstützt werden.247
Im Kontext des Predictive Maintenance, beschreiben GOURIVEAU ET AL. eine vergleichbare Situ-
ation bei der Auswahl der zu messenden Größe, um eine benötigte Information zu gewinnen.
Demnach erfordert die Wahl der zu messenden Größe in der Praxis ein tiefes Verständnis der
238 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 273 ff. 239 Vgl. Zeller (1996), S. 144 f. 240 Siehe bspw. Hoffmann (2015), Bergmann (2008), Hering und Schönfelder (2018) oder Tränkler und
Reindl (2015). 241 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 273 ff. 242 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 273 f. 243 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 6. 244 Der Begriff wird vom Autor entsprechend des im Glossar für diese Arbeit eingeführten Verständnisses
an dieser Stelle konsistent zu den aufbauenden Inhalten eingesetzt. Löpelt et al. (2019) verwenden den
Begriff nicht. 245 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 6. 246 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 6 f. 247 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 10 f.
50
kausalen Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung. Aufgrund der Vielfalt an physika-
lischen Phänomenen in technischen Systemen wird weiterhin multidisziplinäre Expertise
benötigt.248 In diesem Zusammenhang wird festgestellt, dass es keine systematische Methode
gibt, um zu ermitteln welche physikalischen Größen überwacht bzw. gemessen werden
sollten, um eine angestrebte Information zu generieren. In der Praxis wird dieser Situation
vielfach durch erfahrungsbasierte „Best Practice“-Ansätze begegnet.249
Erste modellunterstützte Ansätze zur systematischen und lösungsneutralen Auswahl von
Messgrößen präsentieren MATTHIESEN ET AL. im Kontext von Prüf- und Validierungstätigkeiten
handgehaltener Geräte (engl. „Power-Tools“). Im Rahmen der messtechnischen Erfassung eines
Systemzustands in Form von Systemgrößen wird die Bedeutung der Wahl der zu analysieren-
den Messgröße hervorgehoben.250 Allgemein wird eine Differenzierung von Fluss- und
Potentialgrößen aufgrund ihrer jeweiligen Eigenschaften und der daraus resultierenden Aus-
wirkungen auf eine potentielle Messung dieser Größen vorgeschlagen.251 Weiterhin wird be-
schrieben, dass zur quantitativen Bestimmung einer Systemgröße auch andere Systemgrößen,
im Fall von Flussgrößen insbesondere korrespondierende Potentialgrößen, unter Verwendung
eines validen Systemmodells genutzt werden können.252 Eine systematische bzw. methodisch
unterstützte Erschließung des Zusammenhangs zwischen den zu quantifizierenden System-
größen und anderen Systemgrößen, durch deren Messung eine indirekte Quantifizierung der
benötigten Systemgröße ermöglicht werden kann, wird nicht dargestellt.253
Einen anderen Ansatz, um die Auswahl von Messgrößen und die quantitative Bewertung von
kommerziell verfügbaren Sensoren bzw. Sensorsystemen im Kontext der Produktvalidierung
zu unterstützen, beschreiben MATTHIESEN ET AL. ausgehend von den Ergebnissen von ANDING.254
Hierzu werden – aufbauend auf der Ermittlung der aus der initialen Messaufgabe resultieren-
den Anforderungen – die relevanten Wirkzusammenhänge des betrachteten Prüflings und des
zu entwickelnden Messsystems ergründet. Nähere Aussagen welche Wirkzusammenhänge
relevant sind bzw. wie die Relevanz von Wirkzusammenhängen erkannt werden kann sowie
über konkrete Ansätze zur Identifikation der Zusammenhänge werden nicht dargestellt. Die
relevanten Wirkzusammenhänge werden in Form mathematischer Zusammenhänge model-
liert und in einem Baumdiagramm entsprechend ihrer Abhängigkeiten dargestellt. Ob und in
wie weit sich auf dem betrachteten Abstraktionsniveau die Zusammenhänge bereits begründet
mathematisch beschreiben lassen bleibt offen. Auf Basis der dargestellten Aufschlüsselung der
mathematischen Gleichungen in einem Messprinzipbaum (vgl. Abbildung 2.31) sollen Lösun-
gen für die Messaufgabe generiert werden.255
248 Vgl. Gouriveau et al. (2016), S. 19 f. 249 Vgl. Gouriveau et al. (2016), S. 20. 250 Vgl. Matthiesen et al. (2014), S. 54. 251 Vgl. Matthiesen et al. (2014), S. 54 ff. 252 Vgl. Matthiesen et al. (2014), S. 56. 253 Vgl. Matthiesen et al. (2014), S. 57 f. 254 Vgl. Matthiesen et al. (2016) sowie Anding (2016). 255 Vgl. Matthiesen et al. (2016), S. 4 ff.
51
·
Fgesamt (t) = Ff (x) + Fd (x) + Fm (x)· ·
a
v
x
Fm
Fd
Ff
j
Fm = m a
j = ad
dt v = dta
x = dtv
Fd = d v
Ff = c x
Ff
Fd
Fm
x
v
a
j
Federkraft
Dämpferkraft
Trägheitskraft
Verschiebung
Geschwindigkeit
Beschleunigung
Ruck
Abbildung 2.31: Aufschlüsselung der mathematischen Gleichungen eines Wirkzusammenhangs
in einem Messprinzipbaum nach MATTHIESEN et. al256
Hierzu werden zwei Grundregeln definiert:
• Zum einen sollen die Pfade zwischen zu quantifizierender Größe und tatsächlich
gemessener Größe möglichst kurz sein.
• Zum anderen sollen lineare Zusammenhänge einer Integration oder Differentiation
vorgezogen werden.257
Es wird hierbei keine allgemeingültige Begründung für die definierten Grundregeln gegeben.
Um die Leistungsfähigkeit der generierten Lösungen zu bewerten, wird eine Simulation der
Messkette vorgeschlagen. Welche Informationen für eine solche Simulation benötigt werden,
wie diese ermittelt werden und wie die Simulation aufgebaut werden soll, wird nicht näher
beschrieben. Faktoren wie z. B. ein späterer Messaufbau oder allgemein der zu betrachtende
Prüfling werden in die Betrachtung nicht eingeschlossen. In der Diskussion der Ergebnisse
kommen die Autoren zu dem Schluss, dass „Die vorgestellte Methode hinsichtlich einer Berück-
sichtigung der realen Gestalt erweitert werden muss, um auch eine Aussage über die spätere Mess-
qualität des realen Messsystems treffen zu können“ 258.
Auswahlphase – Von der Messgröße zum Sensor
Aufbauend auf der Festlegung möglicher Messgrößen wird schrittweise über die Auswahl
möglicher Messprinzipien und die beiden konvergenten Schritte „Einschränkung der Messprin-
zipien“ und „Festlegung des Messprinzips“ die Grundlage für die schlussendliche Sensorauswahl
erarbeitet (vgl. Abbildung 2.7). Die genannten Schritte werden jeweils maßgeblich vor dem
individuellen Hintergrund der definierten Anforderungen und Randbedingungen durchge-
führt. Zur methodischen Unterstützung sind verschiedenste Ansätze denkbar. LÖPELT ET AL.
beschreiben bspw. den Aufbau einer Messprinzipienhierarchie. Hierzu wird ausgehend von
der Messgröße ein Baumdiagramm aufgebaut, dessen Äste sich nach charakteristischen Eigen-
256 Eigene Darstellung, nach Matthiesen et al. (2016), S. 7. 257 Vgl. Matthiesen et al. (2016), S. 8. 258 Matthiesen et al. (2016), S. 11.
52
schaften potentieller Messprinzipien aufspannen und an dessen jeweiligen Enden ein Mess-
prinzip steht.259 Der „Leitfaden Sensorik für Industrie 4.0“ unterstützt diese Phase durch eine
systematische Betrachtung des zur Verfügung stehenden Bauraums und der zur Verfügung
stehenden Sensorschnittstellen, der Umgebungsbedingungen, der geforderten Eigenschaften
des Messsignals, potentieller Ausfälle oder Fehlfunktionen sowie benötigter Stückzahlen,
unter Nutzung von Leitfragen und entsprechenden Werkzeugkästen.260 Allgemein wird der
Weg von einer festgelegten Messgröße bis hin zu spezifischen Sensoren ausführlich in der
entsprechenden Fachliteratur261 sowie durch Informationen der jeweiligen Sensorhersteller
beschrieben.
2.4.4 Methoden zur Identifikation und Berücksichtigung von Unsicherheit in
technischen Systemen
Die Definition und Klassifizierung von Unsicherheit in Unterabschnitt 2.3.1 ermöglicht die
Beschreibung auftretender Unsicherheit, ggf. unter Einbeziehung ihrer Quelle. Die vorausge-
hende Identifikation und die sich anschließende Berücksichtigung von Unsicherheit werden in
diesem Abschnitt betrachtet. Als maßgebliche Grundlage zur Identifikation und Berücksichti-
gung von Unsicherheit dienen die Ergebnisse von ENGELHARDT in Form der Uncertainty Mode
and Effects Analysis (UMEA).262 Ausgehend von den Ergebnissen der UMEA erfolgt die syste-
matische Beherrschung der Unsicherheit. Einen Ausblick auf diese Tätigkeit, die allgemein als
Robust Design bezeichnet wird, wird abschließend in diesem Abschnitt dargestellt.
Ansatz zur Identifikation und Berücksichtigung von Unsicherheit
Aufbauend auf der in Unterabschnitt 2.3.1 vorgestellten Definition und Klassifizierung von
Unsicherheit stellt ENGELHARDT mit der UMEA eine Methodik zur systematischen Erfassung
und Bewertung von Unsicherheit zur Verfügung. Die in Abbildung 2.32 dargestellte UMEA-
Methodik wird gemäß eines sequenziellen Vorgehens in die fünf Phasen: Umfeld/Zielanalyse,
Identifikation von Unsicherheit, Wirkung von Unsicherheit, Bewerten von Unsicherheit sowie eine
abschließende Entscheidungsphase untergliedert.
Hierbei greift die UMEA-Methodik auf bereits bestehende Modelle und Methoden zurück und
ordnet diese den einzelnen Phasen zu.263 Die jeweiligen Modelle bilden, entsprechend der
jeweiligen UMEA-Phase, die Realität auf einem zweckmäßigen Niveau ab. Dadurch wird die
Grundlage geschaffen, um mit den entsprechend zugeordneten Methoden Unsicherheit zu
identifizieren sowie Ursachen und Wirkungen einheitlich zu beschreiben. Je nach Wissens-
stand kann die überwiegend auf Expertenwissen zurückgreifende Methodik sowohl quantita-
tive als auch qualitative Daten nutzen.264 In einer anknüpfenden Arbeit erweitert EIFLER die
259 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 274 f. 260 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 7 ff. 261 Siehe bspw. Hoffmann (2015), Bergmann (2008), Hering und Schönfelder (2018) oder Tränkler und
Reindl (2015). 262 Vgl. Engelhardt (2012), S. 55 ff. 263 Vgl. Engelhardt (2012), S. 55 ff. 264 Vgl. Engelhardt (2012), S. 138.
53
UMEA, indem Prozessketten entlang des Produktlebens, formalisiert über verkettete Eigen-
schaftsnetzwerke, in Sensitivitätsmatrizen abgebildet werden.265
Umfeld / Ziel
Analyse
Identifikation von
Unsicherheit
Wirkung von
Unsicherheit
Bewerten von
Unsicherheit
Ent-
schei-
den
• Umfeldmodell
• Zielanalyse
• Prozessmodell
• Eigenschaftsmodell
• Wirkkettenmodell • Beurteilungsmodell
• Entscheidungsmodell
• Fragelisten
• Delphi-Methode
• QFD
• SWOT
• Umfeldanalyse (5M)
• ZHA
• HAZOP
• Expertenbefragung
• Fault-Tree-
Analysis
• Eigenschafts-/
Prozessbeziehungen
• Ursachenanalyse
• ETA
• Expertenbefragung
• Auswirkungsteil
FMEA
• Wirkungsdiagramme
• Bewertungsteil ZHA
• Risikoanalyse
• Bewertungsteil FMEA
• Kostenanalyse
• Zuverlässigkeitsanalyse
• Entscheidungstheorie
UMEA
Modelle
Meth
oden
1
2
3
Abbildung 2.32: Uncertainty Mode and Effects Analysis (UMEA) nach ENGELHARDT266
Ansätze des Robust Designs
Um im Rahmen des in Unterabschnitt 2.3.1 beschriebenen Parameter Design nach TAGUCHI,
den Zielkonflikt zwischen Minimierung der Schwankung und Minimierung der Abweichung
des Mittelwerts vom Soll-Wert zu lösen, beschreibt TAGUCHI ein zweistufiges Vorgehen267:
1) Minimierung der Schwankung durch Steigerung der Robustheit (Abweichung des Mit-
telwerts vom Soll-Wert bleibt vorerst unberücksichtigt) (vgl. Abbildung 2.33 a) und
2) Minimierung der Abweichung des Mittelwerts vom Soll-Wert (geringfügige Vergröße-
rung der Schwankung aus Schritt 1) werden akzeptiert) (vgl. Abbildung 2.33 b).
Die schematisch dargestellte Optimierung findet in beiden Schritten mittels einer Anpassung
der Steuergrößen (vgl. Abbildung 2.23) statt. Zur Durchführung der eigentlichen Optimierung
wird der mathematische Zusammenhang zwischen den beteiligten Stör- und Steuergrößen
benötigt. Entsprechend der beiden Optimierungsschritte wird die Ausnutzung folgender
Zusammenhänge zwischen Stör- und Steuergrößen beschrieben268:
265 Vgl. Eifler (2014), S. 68 ff. 266 Eigene Darstellung, nach Engelhardt (2012), S. 55. 267 Vgl. Taguchi et al. (2004), S. 353. 268 Vgl. Taguchi et al. (2004), S. 177 sowie Klein (2011), S. 29.
54
1) Durch ein gezieltes Verschieben der Steuergrößen wird unter Ausnutzung von Nichtli-
nearitäten die Empfindlichkeit gegenüber Störgrößen gesenkt und somit die Schwan-
kung der Ausgangsgrößen minimiert (vgl. Abbildung 2.34 a) und
2) Mithilfe linearer Zusammenhänge wird anschließend die Abweichung des Mittelwerts
vom Soll-Wert minimiert (vgl. Abbildung 2.34 b).
Wahrsch
einlich
keitsdichte
funktion
y
Schritt 2
Soll-Wert
Wahrsch
einlich
keitsdichte
funktion
y
Ausgangs-
verhalten
Reduzierte
Schwankung
Schritt 1
Soll-Wert
Mittelwert
wird an
Soll-Wert
angepasst
a) b)
Abbildung 2.33: Lösung des Zielkonflikt zwischen Minimierung der Schwankung und
Minimierung der Abweichung des Mittelwerts vom Soll-Wert – Parameter Design nach TAGUCHI269
Stellgröße / Signalfaktor
Antw
ort / R
eaktion
Mithilfe nichtlinearer Beziehungen
kann die Empfindlichkeit gegenüber
Streuungen vermindert werden
Mithilfe linearer Beziehungen kann
der Mittelwert auf den Sollwert
eingestellt werden
Stellgröße / Signalfaktor
Antw
ort / R
eaktion
a) b)
Abbildung 2.34: Ausnutzung von nichtlinearen und linearen Zusammenhängen
zwischen Stör- und Steuergrößen – Parameter Design nach TAGUCHI270
In der Literatur werden fortführend weitere, konkretere Methoden beschrieben, um die Vari-
anz im Produktverhalten zu beherrschen. LOTZ gibt unter Verweis auf weiterführende Literatur
einen Überblick über entsprechende Methoden.271
269 Eigene Darstellung, nach Park et al. (2006), S. 184. 270 Eigene Darstellung, nach Klein (2011), S. 29. 271 Vgl. Lotz (2018), S. 38.
55
Für den Fall, dass der mathematische Zusammenhang zwischen den beteiligten Stör- und
Steuergrößen (noch) nicht bekannt ist, hat TAGUCHI die Methode des „Design of Experiments“
(DoE) entwickelt. Sie verfolgt das Ziel, durch die Entwicklung und Anwendung von systema-
tischen Versuchsplänen, die optimalen Werte der Steuergrößen mit einem Minimum an Ver-
suchen zu ermitteln.272
Da die entsprechenden Ergebnisse des SFB 805 für die in Kapitel 6 folgenden Inhalte relevant
sind, werden diese konsistent zu Unterabschnitt 2.3.1 im Folgenden zielgerichtet und aus-
schnittsweise zusammengefasst. Von dem bereits dargestellten Verständnis des SFB 805 aus-
gehend werden die folgenden, in Abbildung 2.35 schematisch am Beispiel dargestellten, drei
grundsätzlichen Robust Design-Strategien unterschieden273:
1.) Die Störgröße/Unsicherheit eliminieren.
2.) Den Einfluss der Störgröße/Unsicherheit reduzieren/eliminieren.
3.) Die Auswirkung des Einflusses reduzieren/eliminieren.
Störung/
UnsicherheitEinfluss VerhaltenAuswirkung
Pro
dukt
Umwelt
Robust Design
Strategien
Wärmequelle Strahlung Strahlung
Von Wärmequellen
abschirmen!
Reflektierende
BeschichtungSymmetrischer Aufbau
Störung/
Unsicherheit
eliminieren
Einfluss
unterdrücken
Auswirkung
reduzieren
Abbildung 2.35: Robust Design-Strategien des SFB 805 am Beispiel eines Lagerbocks274
272 Da diese Ausprägungen des Robust Design für den weiteren Verlauf der Arbeit nicht relevant sind, wird
zur weiteren Ausführung des Ansatzes auf weiterführende Literatur u. a. bspw. Taguchi et al. (2004)
oder Klein (2011) verwiesen. 273 Vgl. Mathias et al. (2010), S. 345 f. 274 Eigene Darstellung, nach Mathias (2016), S. 104.
56
2.5 Zusammenfassung der Grundlagen und des Stands der Forschung
Aufbauend auf den Grundlagen der methodischen Produktentwicklung in Unterkapitel 2.1
wurden in Unterkapitel 2.2 verschiedene Ansätze zur Modellierung technischer Systeme sowie
die notwendigen Grundlagen hierzu eingeführt. Neben den klassischen Modellierungsansät-
zen aus der Produktentwicklung wurden insbesondere Ansätze aus der Regelungstechnik,
Mechatronik und Messtechnik betrachtet. Im Rahmen der Beschreibung der Grundlagen zur
Unsicherheit in technischen Systemen wurden die beiden für diese Arbeit relevanten Sichtwei-
sen der klassischen Produktentwicklung, insbesondere auch die des SFB 805 sowie der Mess-
technik zusammengefasst. In Unterkapitel 2.4 wurde der für die folgenden Inhalte relevante
Stand der Forschung dargestellt. Von besonderer Bedeutung für dieses Unterkapitel sind die
Informationsspeicher physikalischer Effekte in Form von Effektkatalogen nach KOLLER und
ROTH sowie die Methoden zur Identifikation und Berücksichtigung von Unsicherheit in tech-
nischen Systemen.
Auf Basis der durchgeführten Literaturrecherche wird festgestellt, dass die Integration von
Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme ein weit verbreitetes Entwicklungsziel
darstellt, welches vor dem Hintergrund gegenwärtiger Bestrebungen bspw. hinsichtlich der
Zielvision „Industrie 4.0“ oder vorausschauender Instandhaltung (engl. Predictive Mainte-
nance) zusätzlich an Bedeutung und Aktualität gewinnt.275 In der Fachliteratur wird die
Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme vielfach makroskopisch
in Form von Vorgehensmodellen beschrieben, wobei sich bei einer vergleichbaren Betrach-
tungsweise der Entwicklungsaufgabe sinngemäß ein konsistentes Vorgehen in den verschie-
denen Quellen abzeichnet.276 In diesem Zusammenhang ist insbesondere die „Festlegung mög-
licher Messgrößen“ unter Einbezug eines vorgelagerten Schritts der „Festlegung möglicher Mess-
stellen“ sowie die Sensor-Auswahlphase für diese Arbeit von Relevanz. Es wird weiterhin fest-
gestellt, dass zur individuellen Erfassung benötigter Zustandsgrößen eines technischen Sys-
tems sowohl direkte als auch indirekte Messungen in Betracht gezogen werden können. Um
ein vorzeitiges Denken in technischen Lösungen und die unbegründete Einschränkung des
Lösungsraums durch eine Vorfixierung zu vermeiden, wird im „Leitfaden Sensorik für Industrie
4.0“
277 des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) die Bedeutung einer
lösungsneutralen Diskussion verschiedener potentieller Messgrößen explizit hervorgehoben.
Ein methodischer Ansatz oder eine konkrete Unterstützung, wie der Zusammenhang zwischen
der in den Anforderungen charakterisierten Erfassung einer Zustandsgröße und potentiellen
Messgrößen hergestellt werden kann, konnte sowohl in dem genannten Leitfaden als auch all-
gemein in der Literatur nicht festgestellt werden.
275 Vgl. u. a. Simmons (2018), S. 26 ff. sowie Guerreiro et al. (2018), S. 161 ff. 276 Vgl. stellvertretend Löpelt et al. (2019), S. 273 ff. und Zeller (1996), S. 144. 277 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 5 ff.
57
3 Potentiale und Grenzen bestehender Effektkataloge
Im Folgenden werden die in Unterabschnitt 2.4.1 eingeführten Effektkataloge nach KOLLER
und ROTH problembezogen analysiert und die Folgerungen für diese Arbeit hieraus abgeleitet.
Hierzu wird bereits der grundlegende Ansatz dieser Arbeit, den Zusammenhang zwischen einer
zu erfassenden Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen unter Berücksichtigung des bestehen-
den technischen Systems durch die Verwendung von Effektkatalogen herzustellen, antizipiert.
3.1 Anwendbarkeit bestehender Effektkatalogen im angestrebten Kontext
Physikalische Effekte stellen einen Zusammenhang zwischen physikalischen Größen her (vgl.
Unterabschnitt 2.1.2). Im Kontext der klassischen Produktentwicklung wird nach Unterab-
schnitt 2.1.2 insbesondere der Zusammenhang zwischen den Ein- und Ausgangsgrößen eines
technischen Systems betrachtet. Mit der Verwendung von Effektkatalogen wird das Ziel ver-
folgt, für eine definierte Funktion einen realisierenden Effekt oder eine Effektkette zu finden.
Im Kontext des in Unterabschnitt 2.1.1 eingeführten Verständnisses, steht in diesem Zusam-
menhang die Ausgangsgröße des Effekts, in Form der primär angestrebten Wirkung auf einen
Prozess, im Vordergrund. Eingangsgrößen eines potentiell nutzbaren Effekts werden entspre-
chend eingesetzt, um gewünschte Ausgangsgrößen hervorzurufen. Aus dieser Situation folgt,
dass sich die grundsätzliche Ausrichtung bestehender Kataloge am Ziel, d. h. der Ausgangs-
größe eines Effekts, orientiert. Um einen Zusammenhang zwischen der zu erfassenden
Zustandsgröße YZ und potentiellen Messgrößen XMess,pot herzustellen, wird in dieser Arbeit eine
entgegengesetzte Betrachtungsweise, von der Ursache Y hin zur Wirkung XMess,pot, angestrebt.
Da physikalische Effekte zum Teil richtungsgebunden sind, muss dies bei der Betrachtung
bestehender Kataloge berücksichtigt werden.
Ein Beispiel für einen richtungsgebundenen und damit irreversiblen physikalischen Effekt,
stellt die Joulesche Wärme bspw. in einem stromdurchflossenen ohmschen Leiter dar. Elektri-
sche Energie Eelektrisch wird durch den elektrischen Widerstand R des Leiters in thermische Ener-
gie Ethermisch gewandelt und dissipiert.278 Für einen ohmschen Leiter, der weder mechanische
noch chemische Arbeit verrichtet, folgt aus dem Jouleschen Gesetz:
�� =
𝑑𝑄
𝑑𝑡= 𝑃 = 𝐼2 ∙ 𝑅 =
𝑈2
𝑅 . ( 3.1 )
Anwendung findet dieser Effekt u. a. in Glühlampen oder Heizwiderständen als zentrale Kom-
ponente von Widerstandsheizungen. In diesem physikalischen Zusammenhang stellen die
Spannung U und der Strom I die Eingangsgröße bzw. Ursache und der Wärmestrom �� die
Ausgangsgröße bzw. Wirkung des physikalischen Effekts dar. Eine Umkehrung des Effekts,
was einem Vertauschen von Ursache und Wirkung gleichbedeutend wäre, ist physikalisch
nicht möglich. Anschaulich auf das Beispiel der Glühlampe bezogen: Durch die Zufuhr eines
Wärmestroms �� in den Glühfaden, ist es nicht möglich eine Spannung U bzw. einen Strom I
am Anschlusssockel hervorzurufen.
278 Allgemein wird der Sachverhalt der Richtungsabhängigkeit bzw. Irreversibilität von Vorgängen im zwei-
ten Hauptsatz der Thermodynamik behandelt.
58
Für zweidimensionale Effektkataloge führt dies entsprechend zu einer unsymmetrischen Mat-
rix. Das „Vertauschen“ von Ein- und Ausgangsgrößen bestehender Kataloge, was bspw. einer
Spiegelung der Effektmatrix an ihrer Hauptdiagonalen entspräche, ist folglich nicht zulässig.
Unter Berücksichtigung dieser Tatsache ist die Nutzung bestehender Effektkataloge im beab-
sichtigten Kontext zulässig.
3.2 Problembezogene Beschränktheit bestehender Effektkataloge
Als Ergebnis des vorherigen Abschnitts 3.1 wird festgestellt, dass bestehende Effektkataloge,
die entwickelt wurden, um einen realisierenden Effekt oder eine Effektkette für definierte
Funktionen zu identifizieren, prinzipiell dazu geeignet sind, einen Zusammenhang zwischen
einer zu erfassenden Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen herzustellen.
Aufbauend auf den Ausführungen zum Katalogsystem nach KOLLER und der Funktionsgrößen-
matrix nach ROTH in Unterabschnitt 2.4.1, wird in diesem Abschnitt erläutert welche Ein-
schränkungen bestehende Effektkataloge in Bezug auf die angestrebte Verwendung aufwei-
sen.
Katalogsystem nach KOLLER
Im Katalogsystem nach KOLLER sind die Zuordnungsmatrix als Übersichtskatalog und der
Effektkatalog als Detailkatalog eingesetzt. Beide Kataloge werden in den Fachbüchern
„Prinziplösungen zur Konstruktion technischer Systeme“279 und „Konstruktionslehre für den
Maschinenbau“280 abgebildet. In „Prinziplösungen zur Konstruktion technischer Systeme“ wird
innerhalb des Katalogsystems zwischen verschiedenen Gruppen von Effekten (mechanische,
fluidmechanische, elektrische und magnetische sowie optische) unterschieden und diese wie-
derum in einzelnen Katalogsystemen dargestellt. Aufgrund dieser Untergliederung ist das Auf-
bauen von übergreifenden Zusammenhängen zwischen den aufgeführten physikalischen
Größen deutlich unübersichtlicher als in der Darstellung in „Konstruktionslehre für den
Maschinenbau“. Da die prinzipiellen Inhalte identisch sind und die Darstellung im Fachbuch
„Konstruktionslehre für den Maschinenbau“ übersichtlicher ist, beziehen sich die folgenden Aus-
führungen auf die dort dargestellten Effektkataloge. Ein Ausschnitt der betrachteten Zuord-
nungsmatrix und dem zugehörigen Effektkatalog ist im Anhang A1 in Abbildung A.1und
Abbildung A.2 dargestellt.
Die Zuordnungsmatrix führt im Gliederungsteil zeilenweise Ursachen und spaltenweise die
daraus resultierenden Wirkungen auf (vgl. Abbildung 3.2). Diese Darstellung ermöglicht eine
direkte Nutzbarkeit vor dem Hintergrund der in Abschnitt 3.1 beschriebenen Ursache-
Wirkung-Sichtweise. Die jeweils in der ersten Zeile und Spalte im Gliederungsteil des Katalogs
aufgeführten physikalischen Größen lassen eine individuelle Zuordnung der im spezifischen
Anwendungsfall betrachteten physikalischen Größen zu. Die Beschreibung der aufgeführten
Größen ist hierbei allerdings stellenweise unpräzise. Aus messtechnischer Sicht stellt es z. B.
einen Unterschied dar, ob eine Größe als Ursache bzw. Wirkung281 oder im Zusammenhang
279 Koller und Kastrup (1998), S. 49 ff. 280 Koller (1998), S. 547 ff. 281 Im Verständnis nach Simonek (1973), S. 12 als Funktionsgröße bezeichnet (vgl. Abschnitt 2.1.2).
59
des Effekts als Konstante282 auftritt. Insbesondere ist hiervon die Länge l betroffen. Wie in
Abbildung 3.1 verdeutlicht, stellt die Länge l bspw. im Hooke’schen Gesetz als Δ l eine Funkti-
onsgröße, im Hebeleffekt hingegen einen Gestaltparameter282 dar.
Abbildung 3.1: Differenzierung der Länge als Funktionsgröße und Gestaltparameter
Die Zusammenfassung von „nahe verwandten“ physikalischen Größen zu einer Gruppe erfolgt
nach KOLLER aus „Platzgründen“.283 Im Hinblick auf die angestrebte Verwendung führt dies
dazu, dass Gruppen von physikalischen Größen gebildet werden, die Größen mit messtech-
nisch unterschiedlichen Eigenschaften enthalten und somit deren Differenzierung verhindern
(vgl. Abbildung 3.2).
Abbildung 3.2: Ausschnitt der Zuordnungsmatrix nach KOLLER284
Ein anschauliches Beispiel stellt das in Abbildung 3.2 dargestellte Ursachen- bzw. Wirkungs-
feld dar. In diesem Feld werden die physikalischen Größen „elektrische Spannung U“, „elektri-
scher Strom I“ und „elektrisches Feld E“ zusammengefasst. Gemäß des in Unterabschnitt 2.2.3
eingeführten Verständnisses stellt die elektrische Spannung U eine Potentialgröße, der elektri-
scher Strom I eine Flussgröße und das elektrische Feld bzw. die elektrische Feldstärke E eine
auf eine Fläche bezogene Potentialgröße mit den jeweils entsprechenden messtechnischen
282 Im Verständnis nach Simonek (1973), S. 12 als Konstruktionsgröße bezeichnet (vgl. Abschnitt 2.1.2). 283 Vgl. Koller (1985), S. 56. 284 Vgl. Koller (1998), S. 548 f.
...
10
...
... ...10
Ursache
Wirkung
...
...
... ...
el. Spannung
el. Strom
el. Feld
el. Spannung
el. Strom
el. Feld
Verstärker-EffektTransformator
Sekundärelektronen-vervielfacherThermokreuz
LeitungTransduktorInfluenz
Magnetverstärker
Nr.
Nr.
60
Eigenschaften dar. Eine messtechnisch sinnvolle Differenzierung dieser Größen wird in der
beschriebenen Zuordnungsmatrix folglich verhindert.
Für den Übersichtskatalog nach KOLLER wird festgestellt, dass die jeweils als Ursache bzw. Wir-
kung aufgeführten physikalischen Größen:
• aus der praktischen Konstruktionsanwendung heraus und nicht nach physikalischen
Gesichtspunkten ausgewählt und differenziert werden. Dies führt zu physikalischen
Uneindeutigkeiten.
• ohne ausreichende physikalische Begründung zusammengefasst bzw. nicht ausrei-
chend differenziert dargestellt werden. Dies verhindert eine messtechnisch sinnvolle
Differenzierung der physikalischen Größen.
Als Konsequenz sind nicht alle nutzbare Zusammenhänge zwischen systemspezifischen
Zustandsgrößen und potentiellen Messgrößen systematisch in der Zuordnungsmatrix
abbildbar.
Da die Zuordnungsmatrix als Übersichtskatalog für den Effektkatalog fungiert, treffen die dar-
gestellten Aussagen auch auf den Effektkatalog zu. Darüber hinaus ist der Effektkatalog wie
in Abschnitt 3.1 erläutert im Gegensatz zur Zuordnungsmatrix wirkungsorientiert aufgebaut.
Die notwendige Berücksichtigung dieser Tatsache führt zu einer wenig intuitiven Anwendung
und zu einem erhöhten Aufwand in der Anwendung.
Funktionsgrößenmatrix nach ROTH
Wie auch im Katalogsystem nach KOLLER wird von ROTH ein zweidimensionaler Übersichtska-
talog und ein eindimensionaler Detailkatalog eingesetzt (vgl. Abbildung 2.28).285 Der Über-
sichtskatalog in Form einer Funktionsgrößenmatrix, ausschnittsweise in Abbildung 3.3 sowie
in Abbildung A.3 im Anhang A1 dargestellt, wird im Gegensatz zur Zuordnungsmatrix nach
KOLLER aus abhängigen Variablen am Eingang (zeilenweise) und unabhängigen Variablen am
Ausgang (spaltenweise) aufgebaut. Die jeweils im Gliederungsteil aufgeführten Variablen ent-
sprechen dabei den Intensitäts- und Quantitätsgrößen (vgl. Unterabschnitt 2.2.3) der physi-
kalischen Domänen der Mechanik (translatorisch/rotatorisch), der Strömungslehre, der Elekt-
rotechnik und der Thermodynamik und sind gemäß dieser Domänen strukturiert. Konstrukti-
onsgrößen (vgl. Unterabschnitt 2.1.2) werden nicht betrachtet. Gemäß der Ein- und Ausgänge
der Funktionsgrößenmatrix ist diese wie in Abschnitt 3.1 eingeführt wirkungsorientiert aufge-
baut. Weiterhin entspricht der Begriff der Funktionsgröße in der Benennung dem in Unterab-
schnitt 2.1.2 dargestellten Verständnis nach SIMONEK.
285 Vgl. Roth (2000), S. 114 ff.
61
Ein-
gang
Aus-
gang
Nr.
1
2
3
4
...
1 2 3 4 ...
F
s
pi
v
...
F s pi v ...Abhängige
Variable
Unab-
hängige
Variable
Ein
Aus
1.1 1.2 ...
... ...
Abbildung 3.3: Ausschnitt der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH286 –
Funktionsgrößen des translatorischen Impulses aus der Domäne der Mechanik
Für den weiteren Verlauf der Arbeit wird festgestellt, dass die Funktionsgrößenmatrix nach
ROTH:
• Konstruktionsgrößen aufgrund des ursprünglichen Anwendungszwecks nicht aufführt.
Diese sind im betrachteten Kontext aber vielfach von Interesse und entsprechend
Gegenstand von Messungen.
• magnetische Phänomene nicht berücksichtigt.
• Phänomene der Wellenlehre (sowohl materiegebunden als auch nicht materiegebun-
den) weder im Gliederungs- noch im Zugriffsteil berücksichtigt, diese für praktischen
Messungen aber relevant sind.
• im Gliederungs- und Zugriffsteil zwar die Domäne der Thermodynamik aufführt, in der
Matrix aber diesbezüglich keine Effekte verzeichnet sind. Folglich werden entspre-
chende Effekte mit der bestehenden Funktionsgrößenmatrix nicht abgebildet.
Als Konsequenz sind nicht alle nutzbare Zusammenhänge zwischen systemspezifischen
Zustandsgrößen und potentiellen Messgrößen systematisch in der Funktionsgrößenmatrix
abbildbar.
Da die Zuordnungsmatrix als Übersichtskatalog für die „Sammlung physikalischer, funktioneller
Zusammenhänge“, ausschnittsweise in Abbildung A.4 im Anhang A1 dargestellt, fungiert, tref-
fen die dargestellten Aussagen auch auf diesen Effektkatalog zu.
286 Vgl. Roth (2000), S. 115.
62
4 Zielsetzung und Forschungsdesign
Im Abschnitt 4.1 wird zunächst der Forschungsbedarf und anschließend in Abschnitt 4.2 die
Zielsetzung dieser Arbeit dargestellt. Sowohl die resultierenden Forschungsfragen als auch die
Vorgehensweise zur Beantwortung dieser, wird in den Abschnitt 4.3 und 4.4 vorgestellt.
4.1 Forschungsbedarf
Die Integration von Messfunktionen in bestehende technische Systeme stellt eine der aktuellen
Herausforderungen im Maschinenbau dar. Insbesondere vor dem Hintergrund der Zielvision
„Industrie 4.0“ und vorausschauender Instandhaltung (engl. Predictive Maintenance) ist dies
von großer Bedeutung und Aktualität. In der Fachliteratur wird die Integration von Messfunk-
tionen in (bestehende) technische Systeme vielfach makroskopisch in Form von Vorgehens-
modellen beschrieben (vgl. Unterabschnitte 2.1.4 und 2.4.3). Um die unbegründete Ein-
schränkung des Lösungsraums durch eine Vorfixierung zu vermeiden, wird die Bedeutung
einer lösungsneutralen Diskussion verschiedener potentieller Messgrößen in der Literatur explizit
hervorgehoben.287 Ein methodischer Ansatz oder eine konkrete Unterstützung wie der Zusam-
menhang zwischen einer zu erfassenden Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen, insbeson-
dere unter Berücksichtigung des bestehenden technischen Systems, hergestellt werden kann,
konnte in der Literatur nicht aufgezeigt werden.
Da physikalische Effekte allgemeingültig einen Zusammenhang zwischen physikalischen Grö-
ßen herstellen, werden Effektkataloge betrachtet, um systematisch einen Zusammenhang zwi-
schen einer relevanten Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen herzustellen. Ausgehend von
diesem grundlegenden Ansatz der Arbeit, wird in Abbildung 4.1 der Forschungsbedarf in Form
eines graphischen Fazits zu den Grundlagen und dem Stand der Forschung dargestellt.
Wesentliche Kernpunkte stellen die folgenden Feststellungen dar:
• Die grundsätzliche Anwendung bestehender Effektkataloge im beabsichtigten Zusam-
menhang ist prinzipiell von der Ursache zur Wirkung hin zulässig (vgl. Abschnitt 3.1).
Durch das systematische Vorgehen kann eine Grundlage für eine lösungsneutrale Dis-
kussion potentieller Messgrößen geschaffen werden.
• Das Katalogsystem nach KOLLER und die Funktionsgrößenmatrix nach ROTH weisen
stellvertretend für bestehende Effektmatrizen und -kataloge zwei wesentliche
Beschränkungen hinsichtlich der angestrebten Verwendung auf:
• Sie können nicht alle Zusammenhänge zwischen systemspezifischen
Zustandsgrößen und potentiellen Messgrößen systematisch abbilden (vgl.
Abschnitt 3.2).
• Gemäß des ursprünglichen Anwendungszwecks ist der Einbezug der Ein- und
Auswirkungen der Eigenschaften eines bereits existierenden technischen Sys-
tems sowie der Einbezug der in der Realität auftretenden Störgrößen, zusam-
men allgemein als Unsicherheit bezeichnet, auf die entwickelten Effektketten
nicht vorgesehen.
287 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 5 ff.
63
i
i i
Effekt-
kataloge
Informationen über
Zustandsgrößen auf
System- und
Komponentenebene
Komponente trägt
bzw. verkörpert
Information initial
Bestehende Systeme Verfügbare Messtechnik
Komponenten als Leiter,
Wandler und/oder
Umformer von Energien,
Signalen und Stoffen
Komponenten als
potentielle
Messobjekte
Lösungsneutrale Diskussion potentieller
Messobjekte und -größen sowie Festlegung
Physikalische Effekte
Umwelt
Einflüsse und
Interaktionen
Charakterisierung des Systems
und der Komponenten über Eigen-
schaften sowie Modellierung der
Zusammenhänge
Unsicherheit
Mess-
signal
Sensor
Mess-
wert
i
Signalverarbeitung
(Messschaltung und -
verstärker sowie
Rechner)
Messwertausgabe
(Schnittstelle, Speicher
oder Anzeige)
Vorgehens-
modelle
Abbildung 4.1: Forschungsbedarf resultierend aus den Grundlagen
und dem Stand der Forschung
4.2 Zielsetzung
Gemäß der Feststellungen in Abschnitt 4.1 ergeben sich für diese Arbeit zwei aufeinander
aufbauende Zielsetzungen, deren Erreichung auf einer jeweiligen Hypothese basiert:
(1) Methodische Herstellung eines Zusammenhangs zwischen einer systemspezifischen
Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen, unter Berücksichtigung des individuellen
Systems, durch eine Modellierung auf der Ebene physikalischer Effekte mithilfe einer
Effektmatrix und eines zugehörigen Effektkatalogs.
Hypothese:
Wenn die in Abschnitt 5.2 erfassten Anforderungen bei der Entwicklung einer Effekt-
matrix und des zugehörigen Effektkatalogs berücksichtigt und erfolgreich umgesetzt
werden, wird das angestrebte Ziel erreicht.
(2) Methodische Prüfung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten
und frühzeitiger Abbruch von Effektketten, die begründet nicht erfolgsversprechend
sind. Umsetzung anhand der Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkun-
gen von Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels
einer Unsicherheitsbetrachtung.288
288 Es wird keine Unsicherheitsforschung angestrebt, sondern auf bestehende Ergebnisse aus der Produkt-
entwicklung und Messtechnik (vgl. Abschnitt 2.3 und Unterabschnitt 2.4.4) zurückgegriffen.
64
Hypothese:
Anhand der in Unterabschnitt 6.2.1 definierten Kriterien zur Beurteilung der identifi-
zieren Unsicherheit lässt sich eine begründete Aussage treffen, ob Ein- und Auswirkun-
gen von Umgebungs- und Randbedingungen die prinzipielle Funktionsfähigkeit und
Anwendbarkeit von Effektketten verhindern.
Beurteilung der Ergebnisse
Die direkten Ergebnisse dieser Arbeit können anhand der beschriebenen Zielsetzung sowie der
formulierten Hypothese beurteilt werden. Die übergeordneten, auf die (Gesamt-) Situation
bezogenen Auswirkungen der Ergebnisse, müssen anhand situationsbezogener Kriterien beur-
teilt werden. Konkret bedeutet dies eine Anwendung im Rahmen der Bearbeitung praktischer
Entwicklungsaufgaben/-probleme im Kontext der in der Motivation (vgl. Kapitel 1) dargestell-
ten Situation. In Tabelle B.1 und Tabelle B.2 im Anhang B1 werden entsprechende Kriterien
und Bewertungsoptionen zur Beurteilung der Ergebnisse dieser Arbeit aufgeführt. Eine initiale
Evaluation der Ergebnisse erfolgt in Kapitel 7.
4.3 Forschungsfragen
Um die im vorherigen Abschnitt beschriebenen Ziele zu erreichen, ist die Beantwortung der
nachfolgenden Forschungsfragen essenziell. Analog zu den Zielen ergeben sich zwei aufeinan-
der aufbauende Hauptforschungsfragen, welche wiederum in Teilfragen untergliedert werden:
(1) Wie kann der Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und
potentiellen Messgrößen, unter Berücksichtigung des individuellen Systems, lösungs-
neutral durch eine Modellierung mittels physikalischer Effekte, basierend auf einer
Effektmatrix und einem Effektkatalog, hergestellt werden?
a) Warum sind bestehende Effektmatrizen und -kataloge nicht in der Lage, alle nutz-
baren Zusammenhänge abzubilden?
b) Wie sind eine Effektmatrix und ein zugehöriger Effektkatalog gemäß der definier-
ten Anforderungen aufzubauen?
(2) Wie kann, durch eine Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von
Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels einer
Unsicherheitsbetrachtung, die prinzipielle Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten
frühzeitig geprüft und abgesichert werden?
a) Welche systematischen Ansätze zur Erfassung von Unsicherheit sind zur Identifi-
kation der Ein- und Auswirkungen von Umgebungs- und Randbedingungen auf die
entwickelten Effektketten einsetzbar?
b) Welche Kriterien können zur Beurteilung der identifizierten Unsicherheit im
betrachteten Kontext angewendet werden?
c) Welche Ansätze zur Beherrschung der identifizierten Unsicherheit können im
betrachteten Kontext aus dem Robust Design abgeleitet werden?
65
4.4 Forschungsvorgehen
Die Forschung im Rahmen dieser Arbeit baut sowohl auf Grundlagen der Systemtechnik als
auch der Konstruktionswissenschaft auf und lässt sich entsprechend in beide Denkansätze ein-
ordnen. Es wird festgestellt, dass beide Denkansätze über die jeweils betrachteten Inhaltsbe-
reiche der Beschreibung des (technischen) Systems289 und der Methodik zur Analyse und Syn-
these von (technischen) Systemen290 eine enge Beziehung aufweisen. Der Zusammenhang
zwischen den beiden jeweils betrachteten Inhaltsbereichen ist in Abbildung 4.2 nach
EHRLENSPIEL & MEERKAMM dargestellt.
Theorie technischer
Systeme
Physik, Technologie
Theorie der
Konstruktionsprozesse
Mensch
Was wird festgelegt? Wie wird festgelegt?
Konstruktions- bzw. Entwicklungsmethodik
Konstruktionspraxis
Wissenschaft
Basis
Anleitung
zum Handeln
Abbildung 4.2: Zusammenhang zwischen der Theorie technischer Systeme
und der Theorie der Konstruktionsprozesse291
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf den Inhalten der linken Seite der Abbildung im Bereich der
Physik und Technologie als Basis technischer Systeme. Die erzielten Ergebnisse fließen in
Ansätze der Konstruktions- bzw. Entwicklungsmethodik ein, welche in der Konstruktionspra-
xis Anwendung finden.
Aufbauend auf der Einordnung dieser Arbeit wird im Folgenden das Vorgehen zur Beantwor-
tung der in Abschnitt 4.3 dargestellten Forschungsfragen zur Erreichung der in Abschnitt 4.2
aufgestellten Zielsetzung vorgestellt. Das konkrete Vorgehen in Form von einzelnen Schritten
und zugehörigen Zwischenergebnissen wird jeweils entsprechend der beiden Hauptfor-
schungsfragen detailliert in Tabelle 4.1 und Tabelle 4.2 beschrieben.
289 Im klassischen Verständnis der Konstruktionswissenschaft als „Theorie technischer Systeme“ bezeichnet
(vgl. bspw. Hubka und Eder (1992), S. 85 ff.). 290 Im klassischen Verständnis der Konstruktionswissenschaft als „Theorie der Konstruktionsprozesse“
bezeichnet (vgl. bspw. Hubka und Eder (1992), S. 109 ff.). 291 Eigene Darstellung, nach Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 24 und 12.
66
Tabelle 4.1: Forschungsvorgehen zur ersten (Haupt-) Forschungsfrage
Forschungsvorgehen zur ersten (Haupt-) Forschungsfrage:
Wie kann der Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrö-
ßen, unter Berücksichtigung des individuellen Systems, lösungsneutral, durch eine Modellierung auf Ebene
physikalischer Effekte mithilfe einer Effektmatrix und eines zugehörigen Effektkatalogs, hergestellt werden?
Tätigkeit Ansatz /
Methode
Angestrebtes
Ergebnis
Verweis im
Manuskript
Erfassung und Vergleich
verschiedener physikali-
scher Effektkataloge hin-
sichtlich ihres Aufbaus
und Inhalts
Literaturrecherche Übersicht über wesentliche
physikalische Effektkataloge,
ihren Aufbau und prinzipiel-
len Inhalt sowie Feststellung
der problembezogenen Be-
schränktheit
(Unter-)
Abschnitte
2.4.1, 3.1
und 3.2
Analyse der problembe-
zogenen Beschränktheit
bestehender Effektkata-
loge
Siehe allgemein angewende-
tes Vorgehen (im Anschluss
an Tabelle 4.2)
Übersicht über die Gründe,
die zu einer problembezoge-
nen Beschränktheit bestehen-
der Effektkataloge führen
Abschnitt
5.1
Definition von Anforde-
rungen an ein Katalog-
system sowie Hypothe-
senbildung zur Zielerrei-
chung
Siehe allgemein angewende-
tes Vorgehen (im Anschluss
an Tabelle 4.2) sowie speziell
auch VDI 2222, Blatt 2, S. 9
Entsprechende Anforderungen
und Hypothesen an ein zu
entwickelndes Katalogsystem
physikalischer Effekte
Abschnitt
5.2
Konzipierung und Auf-
bau einer Effektmatrix
und eines zugehörigen
Effektkatalogs
Siehe allgemein angewende-
tes Vorgehen (im Anschluss
an Tabelle 4.2), Informations-
beschaffung über bestehende
Kataloge sowie Sammlungen
physikalischer Effekte (Physik
Fachliteratur)
Logisch begründeter Aufbau
des Katalogsystems in Form
der Gliederung und der Zu-
griffsoptionen
Abschnitte
5.3 und 5.4
Prinzipielle Anwendung
des entwickelten Kata-
logsystems
Exemplarische Anwendung
des entwickelten Katalogsys-
tems am Beispiel der Entwick-
lung eines sensorintegrieren-
den Zahnriemens
Aufzeigen einer prinzipiellen
Anwendung des entwickelten
Katalogsystems sowie Ver-
deutlichung eines Vorgehens
zur Anwendung
Abschnitt
5.5
Beurteilung der Errei-
chung der Zielsetzung
Logische Verifikation anhand
einer Argumentation und Be-
gründung auf Basis eines Ab-
gleichs zwischen den definier-
ten Zielen und den erzielten
Ergebnissen
Logisch begründete Beurtei-
lung der Erreichung der Ziel-
setzung vor dem Hintergrund
der in Abschnitt 4.2 aufge-
führten Hypothesen
Abschnitt
7.1
Erbringung des initialen
Nachweises der Anwend-
barkeit sowie Nützlich-
keit der Ergebnisse
Initiale Validierung durch eine
exemplarische Anwendung
(unabhängig vom Autor) der
Ergebnisse in einem Koopera-
tionsprojekt
Initialer Nachweis der An-
wendbarkeit sowie Nützlich-
keit bzw. Brauchbarkeit der
Ergebnisse
Abschnitt
7.2
67
Tabelle 4.2: Forschungsvorgehen zur zweiten (Haupt-) Forschungsfrage
Forschungsvorgehen zur zweiten (Haupt-) Forschungsfrage:
Wie kann, anhand der Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von Umgebungs- und
Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels Unsicherheitsbetrachtung, die prinzipielle Funkti-
onsfähigkeit entwickelter Effektketten möglichst frühzeitig geprüft werden?
Tätigkeit Ansatz /
Methode
Angestrebtes
Ergebnis
Verweis im
Manuskript
Identifikation und Be-
wertung bestehender
Methoden zur Erfassung
und Berücksichtigung
von Unsicherheit
Literaturrecherche in den Ge-
bieten der Produktentwick-
lung und Messtechnik (keine
explizite Unsicherheitsfor-
schung)
Übersicht über wesentliche
Methoden zur Erfassung und
Berücksichtigung von Unsi-
cherheit sowie deren Bewer-
tung vor dem Hintergrund
dieser Arbeit
Abschnitt 2.3,
Unterabschnitt
2.4.4 und
Abschnitt 6.1
Entwicklung eines An-
satzes zur Berücksichti-
gung von Unsicherheit
im betrachteten Kontext
Siehe allgemein angewende-
tes Vorgehen (im Anschluss
an Tabelle 4.2)
Ansatz zur Berücksichtigung
von Unsicherheit im be-
trachteten Kontext
Abschnitt 6.2
Anwendung und Ver-
deutlichung der beiden
zuvor aufgeführten
Schritte
Exemplarische Anwendung
und Verdeutlichung der bei-
den zuvor aufgeführten
Schritte am Beispiel des „In-
telligenten Zahnriemens“
Verdeutlichung des Vorge-
hens sowie Nachweis der An-
wendbarkeit
Abschnitte 6.1
und 6.2
Beurteilung der Errei-
chung der Zielsetzung
Logische Verifikation anhand
einer Argumentation und Be-
gründung auf Basis eines Ab-
gleichs zwischen den defi-
nierten Zielen und den erziel-
ten Ergebnissen
Logisch begründete Beurtei-
lung der Erreichung der Ziel-
setzung vor dem Hintergrund
der in Abschnitt 4.2 aufge-
führten Hypothesen auf Basis
bestehender und etablierter
Ansätze
Abschnitt 7.1
Das angewendete Vorgehen zur Beantwortung der wissenschaftlichen Fragen bzw. Lösung der
wissenschaftlichen Probleme wird für alle Forschungsfragen gemeinsam erläutert. Da es keine
expliziten Vorgehensweisen oder Methoden gibt, um Methoden und Heuristiken zu entwi-
ckeln292, orientiert sich das angewendete Vorgehen zur Beantwortung der wissenschaftlichen
Fragen bzw. Lösung der wissenschaftlichen Probleme am allgemeinen Vorgehen zum Prob-
lemlösen. An dieser Stelle wird auf das generelle Vorgehen zum Lösen von Problemen nach
der VDI 2206 verwiesen, welches in Abbildung 4.3 dargestellt ist.293
Aufbauend auf einer Situationsanalyse und der Zielformulierung (Anforderungen) werden be-
stehende Ansätze analysiert und in darauffolgenden Syntheseschritten kombiniert und weiter-
entwickelt. Die Grundlage hierfür stellt die Abfolge grundlegender Denkprozesse bspw.
292 Vgl. Blessing und Chakrabarti (2009), S. 144. 293 Vgl. VDI 2206 (2004), S.28; siehe auch VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 17.
68
beschreibbar in Form einer TOTE-Einheit294 dar.295 Die erarbeiteten Ergebnisse werden
exemplarisch296 angewendet, analysiert und bewertet. In einem iterativen Prozess, der eine
erneute Situationsanalyse und Zielformulierung je nach Entwicklungsstand zulässt werden die
Teilaspekte beantwortet. Hierbei werden die Ergebnisse stetig weiterentwickelt und verbes-
sert. Aus Sicht des Qualitätsmanagements wird ein vergleichbares Vorgehen durch den PDCA-
Zyklus297, auch als Demingkreis bezeichnet, beschrieben.298 Eine weitere Orientierung bieten
die Ausführungen von BLESSING & CHAKRABARTI, in denen der Prozess zur Entwicklung von
Methoden und Heuristiken in die fünf Schritte: Aufgabenklärung, Konzeptionierung, Ausar-
beitung, Realisierung und Evaluation untergliedert wird.299
Analyse und Bewertung
Ist-Zustand
orientiertes Vorgehen
(vorhandene Struktur
wird zugrunde gelegt)
Situationsanalyse
Zielformulierung
Zielübernahme
Soll-Zustand
orientiertes Vorgehen
(Idealkonzept steht
im Vordergrund)
Anstoß Anstoß
Situationsanalyse
• Lösungs-
alternativen
entwickeln
• Lösungen prüfen,
verbessern,
verwerfen
Planen des
weiteren
Vorgehens
Lernen
Entscheidung
Abbildung 4.3: Problemlösezyklus als Mikrozyklus300
294 Die Abkürzung TOTE steht für „Test – Operate – Test – Exit“. 295 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 63 sowie Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 103 ff. 296 Anwendung durch den Autor sowie durch Studierende der Studiengänge Maschinenbau, Mechatronik
und Wirtschaftsingenieurwesen (Fachrichtung Maschinenbau) an der TU Darmstadt im Rahmen von
Abschlussarbeiten (Bachelor-/Master-Thesen und einer Studienarbeit) sowie Projektarbeiten (Advanced
Design Projects) in verschiedenen Projekten: Formular Student Fahrzeug (Welches (2018), Sattelkupp-
lung (Dieter et al. (2018), Marknagel (Müller (2018) und Intelligenter Zahnriemen (Erz et al. (2018)
sowie Asan (2019). 297 Die Abkürzung PDCA steht für „Plan – Do – Check – Act“. 298 Vgl. Kirchner (2020b), S. 227 f. sowie Gitlow et al. (1989), S. 19 f. 299 Vgl. Blessing und Chakrabarti (2009), S. 146 ff. 300 Eigene Darstellung, nach VDI 2206 (2004), S. 28; vgl. auch Haberfellner (2012), S. 72 ff.
69
5 Effektkataloge – Systematisches Verknüpfen einer systemspezifischen
Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen
Um das erste in Abschnitt 4.2 beschriebene Ziel zu erreichen, wird in diesem Kapitel die erste
der beiden in Abschnitt 4.3 aufgestellte Forschungsfragen untersucht und beantwortet. Durch
die Analyse der problembezogenen Beschränktheit bestehender Effektmatrizen und -kataloge
wird der Forschungsfrage 1 a) in Abschnitt 5.1 begegnet. Anschließend wird in den Abschnit-
ten 5.2 bis 5.4 die Forschungsfrage 1 b) behandelt.
Der verfolgte Ansatz beruht auf dem Zugriff auf Informationsspeicher physikalischer Effekte
in Form von Effektkatalogen. Weiterhin wird die in der Literatur etablierte Verwendung eines
zweidimensionalen Übersichtskatalogs (Abschnitt 5.3) und eines eindimensionalen Detailka-
talogs (Abschnitt 5.4) beibehalten (vgl. Unterabschnitt 2.4.1). Den Ausgangspunkt des Kapi-
tels bildet die Erfassung und der Vergleich verschiedener physikalischer Effektkataloge hin-
sichtlich ihres Aufbaus und ihres Inhalts mittels einer Literaturrecherche sowie die Feststellung
der problembezogenen Beschränktheit dieser Kataloge in den (Unter-) Abschnitten 2.4.1, 3.1
und 3.2. Darauf aufbauend werden die Gründe für die festgestellte problembezogene
Beschränktheit analysiert, Anforderungen an ein Katalogsystem abgeleitet sowie eine entspre-
chende Effektmatrix und der zugehöriger Effektkatalog konzipiert und aufgebaut. In Abschnitt
5.5 wird am Beispiel eines sensorintegrierenden Zahnriemens die Anwendung des entwickel-
ten Katalogsystems exemplarisch gezeigt.
5.1 Analyse der problembezogenen Beschränktheit bestehender
Katalogsysteme
Um zu analysieren an welchen Stellen bereits existierende Effektkataloge301 problembezogene
Beschränkungen aufweisen, wurden diese in verschiedenen realen Entwicklungsprojekten vor
dem betrachteten Hintergrund eingesetzt.302 Aus den exemplarischen Beobachtungen folgt die
Feststellung einer eingeschränkten Nutzbarkeit bestehender Effektkataloge im angestrebten
Kontext. Diese wurde in den Abschnitten 3.1 und 3.2 beschrieben und davon ausgehend in
Abschnitt 4.1 ein Forschungsbedarf abgeleitet. Daran anknüpfend werden die exemplarisch
festgestellten Einschränkungen in diesem Abschnitt abstrahiert, um die Ursachen der allge-
meinen problembezogenen Beschränktheit bestehender Effektkataloge zu erfassen.
5.1.1 Analyse bestehender zweidimensionaler Effektmatrizen
Die betrachteten Katalogsysteme nach KOLLER und ROTH nutzen jeweils einen zweidimensio-
nalen Übersichtskatalog und einen zugehörigen eindimensionalen Detailkatalog. Da in diesem
301 Als die beiden am weitesten verbreiteten und etabliertesten Effektkataloge (vgl. Unterabschnitt 2.4.1)
werden im Folgenden konsistent zum Unterabschnitt 2.4.1 das Katalogsystem nach KOLLER sowie die
Funktionsgrößenmatrix inkl. der zugehörigen Sammlung physikalischer, funktionelle Zusammenhänge
nach ROTH betrachtet. 302 Die Anwendung in den Projekten Formular Student Fahrzeug (Welches (2018), Sattelkupplung (Dieter
et al. (2018), Marknagel (Müller (2018) und Intelligenter Zahnriemen (Erz et al. (2018) sowie Asan
(2019) erfolgte durch Studierende der Studiengänge Maschinenbau, Mechatronik und Wirtschaftsinge-
nieurwesen (Fachrichtung Maschinenbau) an der TU Darmstadt im Rahmen von Abschlussarbeiten
(Bachelor-/Master-Thesen und einer Studienarbeit) sowie Projektarbeiten (Advanced Design Projects).
70
Abschnitt gezielt nur die jeweiligen zweidimensionalen Effektmatrizen betrachtet werden,
wird diese Differenzierung bei der folgenden Analyse aufrechterhalten.
Zuordnungsmatrix nach KOLLER
Die bei der Anwendung der Zuordnungsmatrix nach KOLLER festgestellte Beschränktheit der
Effektmatrix hinsichtlich der abbildbaren Ursache-Wirkung-Zusammenhänge in Form von
Effekten oder Effektketten zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen
Messgrößen wird auf drei wesentliche Tatsachen zurückgeführt.
1.) Die Zusammenfassung von „nahe verwandten“ physikalischen Größen zu einer Gruppe
erfolgt nach KOLLER aus „Platzgründen“ 303 und basiert nicht auf klaren Regeln in Form
einer physikalischen Grundlage.
Systemspezifische Zustandsgrößen müssen am Eingang der Matrix entsprechend in eine der
aufgeführten Gruppen eingeordnet werden. Hierbei treten in zwei prinzipiellen Fällen Unein-
deutigkeiten auf:
• Zum einen, wenn die systemspezifische Zustandsgröße nicht direkt als Ursache aufge-
führt ist und indirekt verschiedenen aufgeführten Gruppen von Ursachen zugeordnet
werden kann und
• zum anderen, wenn die aufgeführten physikalischen Größen innerhalb einer Gruppe
hinsichtlich der Differenzierung zwischen Funktionsgröße und Gestaltparameter nicht
eindeutig sind.
Exemplarisch lässt sich der erste Fall an dem in Abbildung 5.1 betrachten Volumenstroms ��
verdeutlichen. Dieser könnte sowohl der Gruppe „Länge/Querschnitt/Volumen“ unter Bezug
auf die zeitliche Ableitung des Volumens V als auch der „Geschwindigkeit“ unter Bezug auf das
Integral der Fläche dA über die Geschwindigkeit v zugeordnet werden.
1
2
...
...
Ursache
Wirkung
Länge
Querschnitt
Volumen
...
...
Geschwindigkeit
Volumen V
Volumen-
strom V. ?
...
V=dV
dt
.
V = dAv.
Abbildung 5.1: Uneindeutigkeit bei der Einordnung eines Volumenstroms ��
in die Zuordnungsmatrix nach KOLLER
Der zweite Fall lässt sich am Beispiel der in Abbildung 3.1 betrachteten Länge l veranschauli-
chen. Es ist ein Unterschied, ob die Länge l als Ursache bzw. Wirkung eines physikalischen
303 Vgl. Koller (1985), S. 56.
71
Effekts in Form einer Funktionsgröße (bspw. im Hooke’schen Gesetz) oder im Zusammenhang
eines Effekts als Konstante in Form eines Gestaltparameters (bspw. beim Hebeleffekt) auftritt.
Die Zusammenfassung von verschiedenen physikalischen Größen in Gruppen führt weiterhin
dazu, dass Größen mit messtechnisch unterschiedlichen Eigenschaften in einer Gruppe zusam-
mengefasst werden. Eine messtechnisch sinnvolle Differenzierung und der Aufbau von Effek-
ten oder Effektketten zwischen den Größen einer Gruppe werden in der Zuordnungsmatrix
folglich verhindert.
Ein anschauliches Beispiel stellt das in Abbildung 3.2 dargestellte Ursachen- bzw. Wirkungs-
feld dar. In diesem Feld werden die physikalischen Größen „elektrische Spannung U“, „elektri-
scher Strom I“ und „elektrisches Feld E“ zusammengefasst. Gemäß des in Abschnitt 2.2.3 einge-
führten Verständnisses stellt die elektrische Spannung U eine Potentialgröße, der elektrische
Strom I eine Flussgröße und das elektrische Feld bzw. die elektrische Feldstärke E eine auf
eine Fläche bezogene Potentialgröße dar. Weiterhin ist es in diesem Fall nicht direkt möglich
den Zusammenhang zwischen einer elektrischen Spannung U und dem elektrischen Strom I
bspw. über den Widerstand R mittels des ohmschen Gesetzes abzubilden.
2.) Der Vergleich der Zuordnungsmatrix nach KOLLER mit der Funktionsgrößenmatrix nach
ROTH zeigt, dass erstere nicht alle von ROTH systematisch ermittelten und aufgeführten
Funktionsgrößen enthält.
Als Beispiele aus der Domäne der Mechanik, sind das Moment M oder der Volumenstrom ��
zu nennen. Entsprechende Zustandsgrößen müssen unter dem Rückgriff auf das Wissen bzw.
die Erfahrung des Nutzers einer existierenden Gruppe zugeordnet werden. Hierbei können,
wie unter 1.) am Beispiel des Volumenstroms �� gezeigt, Uneindeutigkeiten auftreten.
3.) Gestaltparameter werden nur vereinzelt und nicht systematisch aufgeführt.
Funktionsrelevante Gestaltparameter stellen den Zusammenhang zwischen den beabsichtig-
ten Funktionsgrößen her und bilden somit die Grundlage eines technischen Systems und
dessen Funktionsfähigkeit. Aus diesem Grund sind funktionsrelevante Gestaltparameter, ins-
besondere auf dem Gebiet des Condition Monitorings, von Interesse und entsprechend Gegen-
stand von Messungen. Darüber hinaus bilden Gestaltparameter die Grundlage für die Wirkung
von Störgrößen auf das technische System sowie das von der Funktion abweichende Verhalten
des technischen Systems. Die Zuordnungsmatrix nach KOLLER führt als Gestaltparameter
„Länge/Querschnitt/Volumen“, „Masse/Trägheitsmoment/Dichte“, „elektrischer Widerstand“,
„elektrische Kapazität“ und die „elektrische Induktivität“ im Gliederungsteil auf. Wesentliche
weitere funktionsrelevante Gestaltparameter wie bspw. der Elastizitätsmodul E, die dynami-
sche Viskosität η oder der Wärmeleitfähigkeit λ werden nicht berücksichtigt.
Funktionsgrößenmatrix nach ROTH
Die Funktionsgrößenmatrix nach ROTH führt ihrer Bezeichnung entsprechend nur Funktions-
größen auf. Gestaltparameter, nach ROTH bzw. SIMONEK als Konstruktionsgrößen bezeichnet
(vgl. Abschnitt 2.1.2 und 2.4.1), werden nicht aufgeführt. In Folge dessen lassen sich, wie
bereits im Absatz zuvor für die Zuordnungsmatrix nach KOLLER beschrieben, Gestaltparameter
nicht berücksichtigen. Darüber hinaus werden drei Gründe festgestellt, die zu einer einge-
schränkten Nutzbarkeit im beabsichtigten Kontext führen.
72
1.) Es werden nicht alle Domänen der Physik systematisch berücksichtigt, folglich ist die
Auflistung von Primärgrößen unvollständig.
Die (schwere) Masse bspw. wird nicht als Primärgrößen berücksichtigt. Entsprechend werden
Gravitationseffekte nicht (direkt) abgebildet.
2.) Die Domäne der Thermodynamik ist zwar im Gliederungs- und Zugriffsteil aufgeführt,
es werden hierzu aber keine physikalischen Effekte in der Funktionsgrößenmatrix auf-
geführt.
Entsprechend sind thermodynamische Zusammenhänge in der Funktionsgrößenmatrix nach
ROTH nicht abgebildet. PONN und LINDEMANN, die sich über die VDI 2222, Blatt 1 auf die Funk-
tionsgrößenmatrix nach ROTH beziehen, führen in der Funktionsgrößenmatrix auch thermo-
dynamische Effekte auf und heben diese Einschränkung damit bereits auf.304
3.) Die in der Funktionsgrößenmatrix aufgeführten Funktionsgrößen sind entsprechend
der betrachteten Domänen physikalisch begründet. Darüber hinaus treten in der prak-
tischen Anwendung weitere abgeleitete oder in Zusammenhang stehende physikalische
Größen mit messtechnischer Relevanz auf. Diese Größen werden aufgrund des rein
systematischen Aufbaus der Funktionsgrößenmatrix nicht berücksichtigt.
Bspw. wird die aus der Primärgröße des translatorischen Impulses p bzw. der zugehörige Po-
tentialgröße der Geschwindigkeit v ableitbare Beschleunigung a nicht aufgeführt. Die in tech-
nischen und insbesondere messtechnischen Anwendungen eingesetzten Beschleunigungsmes-
sungen sind somit nicht abbildbar. Weiterhin lassen sich magnetische Effekte und insbeson-
dere elektromagnetische Wellen wie z. B. Licht nicht darstellen. Auch materiegebundene Wel-
len wie z. B. Fluidschall können höchstens indirekt einbezogen werden. Optische und akusti-
sche Zusammenhänge können in der Funktionsgrößenmatrix folglich nicht adäquat erfasst
werden.
5.1.2 Analyse bestehender eindimensionaler Effektkataloge
In diesem Unterabschnitt werden die eindimensionalen Effektkataloge nach KOLLER und ROTH
analysiert.
Prinzipkatalog nach KOLLER
Der Prinzipkatalog baut im Katalogsystem nach KOLLER über das Effektgruppenverzeichnis auf
der Zuordnungsmatrix auf (vgl. Abschnitt 2.4.1). Da entsprechend eine Durchgängigkeit bzgl.
der aufgeführten Ursachen und Wirkungen und den verknüpfenden physikalischen Effekten
besteht, treffen die inhaltlichen Feststellungen bzgl. der problembezogenen Beschränktheit
der Zuordnungsmatrix auch auf den Effektkatalog zu. Diese wurden bereits in Unterabschnitt
5.1.1 erläutert. Darüber hinaus ist der Prinzipkatalog wie in Abschnitt 3.1 eingeführt, im
Gegensatz zur Zuordnungsmatrix, wirkungsorientiert aufgebaut (vgl. Abbildung 5.2). Dies
stellt keine direkte Beschränkung, wohl aber eine Einschränkung dar, da es zu einer wenig
intuitiven Anwendung und zu einem erhöhten Aufwand in der Anwendung führt.
304 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 349.
73
Prinzipkatalog: Wandeln der Energie- bzw. Signalart
Ursache: ... Kraft/Druck / Mechanische Energie
Ursache GesetzPhysikalischer EffektAnwendungs-
beispieleLiteratur
01.04
Länge,
Querschnitt,
Volumen
02.04
Geschwindigkeit
...
Prinzipkatalog: Wandeln der Energie - bzw. Signalart
Ursache: ... el. Spannung / el. Strom / el. Feld
Ursache GesetzPhysikalischer EffektAnwendungs-
beispieleLiteratur
01.10
Länge,
Querschnitt,
Volumen
02.10
Geschwindigkeit
...
Abbildung 5.2: Darstellung des wirkungsorientierten Aufbaus des Prinzipkatalogs nach KOLLER305
Im klassischen Anwendungsbereich der betrachteten Effektkataloge, ist es das Ziel physikali-
sche Effekte zu finden, um eine definierte Funktion physikalisch-technisch zu realisieren. Da
auf diesem Abstraktionsniveau mehrere Effekte zur Auswahl stehen können, um einen
Ursache-Wirkung-Zusammenhang gemäß der angestrebten Funktion herzustellen, stellt
KOLLER zur Vorauswahl der infrage kommenden Effekte eine gesonderte „Eigenschaftstabelle“
(vgl. Abschnitt 2.4.1) vor. Diese basiert auf dem Ansatz, Randbedingungen bzw. Anforderun-
gen der jeweiligen Effekte an die Gestalt und die Umgebung des technischen Systems zu er-
fassen und in einem Katalog zu verzeichnen. Im Kontext dieser Arbeit lässt sich ein solcher
Ansatz prinzipiell einsetzen und weist darüber hinaus vielversprechende Potentiale hinsicht-
lich der zielgerichteten Entwicklung erfolgsversprechender Effektketten auf. Der wesentliche
Grund hierfür liegt in der Verfügbarkeit von Informationen über das betrachtete bestehende Sys-
tem bzw. der Möglichkeit Informationen über das bestehende System zu gewinnen. Die ursprüng-
liche Anwendung nach KOLLER geht von einer Anwendung auf Basis festgelegter Funktionen
aus. Dementsprechend liegen noch keine Gestaltinformationen vor bzw. für den Fall dass sol-
che aus Umgebungssystemen, Anforderungen oder Randbedingungen ableitbar sind, werden
diese im beschriebenen Vorgehen nicht explizit berücksichtigt. Die Eigenschaftstabelle nach
KOLLER sieht gemäß des in Abbildung 5.3 dargestellten Ausschnitts zur Gliederung der Infor-
mationen zum jeweiligen Effekt eine Differenzierung in „Vereinfachungen“, „zu beachtende
Randbedingungen“ sowie „Anmerkungen des Anwenders“ vor.306
305 Vgl. Koller (1998), S. 561 und 575. 306 Vgl. Koller und Kastrup (1998), S. 44 sowie bspw. S. 60 f.
74
Name des
EffektsVereinfachung
Zu beachtende
Randbedingungen
Anmerkungen
des Anwenders
... ... ...
Hebeleffekt
Supraleitung
Vernachlässigung von Deformationen,
Massenträgheit und LagerreibungKraftwirkung auf das Fundament
Unterschreitung einer kritischen
Temperatur notwendig; Stromstärke
und äußeres Magnetfeld dürfen
einen krit. Wert nicht überschreiten
-
Abbildung 5.3: Ausschnitt der Eigenschaftstabelle für mechanische Effekte sowie elektrische und
magnetische Effekte nach KOLLER & KASTRUP307
Gemäß der Bezeichnung werden in der Rubrik „Vereinfachungen“ Annahmen und Vereinfa-
chungen aufgeführt, soweit diese in der beschriebenen Ursache-Wirkung-Beziehung angenom-
men wurden. Auf das Beispiel des Hebeleffekts in Abbildung 2.4 bezogen werden bspw. die
Vernachlässigung von Deformationen, Massenträgheit und Lagerreibung bei der Herstellung
des Zusammenhangs der Kräfte F1 und F2 aufgeführt. Insbesondere von Bedeutung für eine
Vorauswahl von physikalischen Effekten ist die zweite Rubrik, „zu beachtende Randbedingun-
gen“, da in dieser Spalte Bedingungen vermerkt werden unter denen der jeweilige Effekt auf-
tritt. Die in der Eigenschaftstabelle nach KOLLER in dieser Spalte aufgeführten Randbedingun-
gen sind individuell für den jeweiligen Effekt zutreffend, untereinander weisen sie jedoch kei-
nen einheitlichen Charakter auf. Als Randbedingung für den bereits oben als Beispiel heran-
gezogenen Hebel-Effekt wird bspw. die Kraftwirkung auf ein Fundament genannt. Für den
Effekt der Supraleitung wird die Unterschreitung einer kritischen Temperatur als notwendig
sowie die Überschreitung der Stromstärke und des äußeren Magnetfelds über einen kritischen
Wert als ausschließende Randbedingungen aufgeführt.308 Der uneinheitliche Charakter und
die unsystematische Beschreibung der aufgeführten Randbedingungen verhindern eine ein-
heitliche Vorgabe bzw. auf den angestrebten Anwendungsfall bezogen einen einheitlichen Ab-
gleich von vorliegenden Randbedingungen und notwendigen bzw. ausschließenden Randbe-
dingungen. Die letzte Rubrik „Anmerkungen des Anwenders“ enthält leere Felder und soll dem
Anwendenden die Möglichkeit geben, einem Effekt individuelle Informationen zuzuordnen.
Solche anwendungsspezifischen und nicht allgemeingültigen Informationen stehen nicht im
Fokus dieser Arbeit. Folglich ist diese Rubrik für die vorliegende Arbeit nicht relevant.
Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammenhänge nach ROTH
Die Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammenhänge nach ROTH bildet den eindimen-
sionalen Detailkatalog zum zweidimensionalen Übersichtskatalog in Form der Funktionsgrö-
ßenmatrix (vgl. Unterabschnitt 2.4.1). Wie für den Prinzipkatalog nach KOLLER, gilt auch für
die Sammlung nach ROTH, dass aufgrund der Kompatibilität zwischen Übersichts- und
Detailkatalog die Feststellungen bzgl. der problembezogenen Beschränktheit der
307 Eigene Darstellung, nach Koller und Kastrup (1998), S. 60. 308 Vgl. Koller und Kastrup (1998), S. 60 und 274.
75
Funktionsgrößenmatrix auch auf den Effektkatalog zutreffen. Diese wurden bereits in
Unterabschnitt 5.1.1 erläutert. Im direkten Vergleich zum Prinzipkatalog nach KOLLER ist
weiterhin festzustellen, dass in der Sammlung nach ROTH keine Skizzen und Beispiele der
aufgeführten Effekte enthalten sind. Entsprechend sind die aufgeführten Informationen
weniger anschaulich bzw. intuitiv verständlich. Die Sammlung physikalischer Effekte nach
PONN & LINDEMANN, welche sich über die VDI 2222, Blatt 1 auf die Funktionsgrößenmatrix
nach ROTH bezieht, umfasst hingegen sowohl Prinzipskizzen als auch Beispiele. Dabei gilt es
zu beachten, dass diese Sammlung nur eine Auswahl an Effekten darstellt.309
Eine Vorauswahl von potentiell infrage kommenden physikalischen Effekten zur Realisierung
einer Funktion betrachtet ROTH nicht. Dementsprechend enthält die Sammlung physikalischer,
funktioneller Zusammenhänge keinen Zugriffsteil. Das zuvor in diesem Abschnitt aufgezeigte
Potential, Randbedingungen bzw. Anforderungen der jeweiligen Effekte an die Gestalt und
die Umgebung des technischen Systems auszunutzen, um zielgerichtet erfolgsversprechende
Effektketten zu entwickeln, wird folglich von ROTH nicht genutzt.
5.2 Anforderungen an ein Katalogsystem
Als Grundlage für die Konzipierung und Entwicklung einer Effektmatrix in Abschnitt 5.3 und
eines Effektkatalogs in Abschnitt 5.4 werden in diesem Abschnitt die Anforderungen und
Randbedingungen erfasst und definiert. Die Anforderungen gehen hierbei auf die Analyse der
problembezogenen Beschränktheit bestehender Katalogsysteme in Abschnitt 5.1 zurück und
werden gemäß der VDI 2222, Blatt 2 hinsichtlich allgemeiner sowie problemspezifischen
Anforderungen und Randbedingungen vervollständigt.310 Klassischerweise werden beste-
hende Effektmatrizen und -kataloge gemäß Abschnitt 2.1.4 aufbauend auf Funktionsmodellen
zur Suche nach Lösungsprinzipien und deren Strukturen eingesetzt.311 Eine konkrete Gestalt
des zu entwickelnden Systems, liegt in dieser Phase im ursprünglichen Sinne noch nicht vor.
Aus der Gegebenheit heraus, dass bei der Betrachtung bestehender Systeme bereits eine kon-
krete Umgebung in Form des technischen Systems vorliegt, wird diese neben der angestrebten
Funktion als Grundlage mit einbezogen.
Das makroskopische Ziel bzw. die makroskopische Anforderung an das zu entwickelnde Kata-
logsystem besteht darin, einen Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen
Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen mittels eines physikalischen Effekts bzw. einer
Effektkette herzustellen. Verallgemeinert werden Zusammenhänge zwischen einer Ursache
und der resultierenden Wirkung systematisch in der Effektmatrix aufgebaut und abgebildet
(vgl. Abbildung 3.2 sowie Unterabschnitt 2.4.1). Die Informationen über die einzelnen physi-
kalischen Effekte, die diese Zusammenhänge herstellen, sind im eindimensionalen Effektkata-
log verzeichnet (vgl. auch Abbildung 2.26 aus Unterabschnitt 2.4.1). Die detaillierteren An-
forderungen aus der Analyse der Zuordnungsmatrix nach KOLLER und der Funktionsmatrix
nach ROTH sowie der jeweils zugehörigen Effektkataloge wurden inhaltlich in Abschnitt 5.1
erläutert und werden in Tabelle 5.1 zusammengefasst.
309 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 350 ff. 310 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4. 311 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 3.
76
Tabelle 5.1: Anforderungen an Effektmatrix und -katalog
Glie-
der-
ung
Art der
Anforde-
rung
Nr. Bezeichnung Erläuterung
Gli
ed
eru
ng u
nd
Au
fbau
FF 1. Vollständigkeit und
Aufbau des Gliede-
rungsteils
Aufbau und Inhalt des Gliederungsteils müssen physi-
kalisch logisch begründet und in diesem Rahmen voll-
ständig sein; die verwendete Logik muss erkennbar
und nachvollziehbar sein (vgl. Anforderung Nr. 5)
FF 2. Zweckmäßigkeit
des Gliederungs-
teils
Technisch und aus der Anwendungserfahrung heraus
als sinnvoll erachtete Gliederungsaspekte sind über die
Gliederung unter Punkt 1. hinaus aufzuführen
FF 3. Eindeutigkeit Differenzierte, eindeutige Bezeichnung und Auffüh-
rung der physikalischen Größen im Gliederungsteil
FF 4. Funktionsgrößen
und Gestaltparame-
ter
Berücksichtigung von Funktionsgrößen, funktionsrele-
vanten Gestaltparametern und zeitlichen Zusammen-
hängen im Hauptteil
FF 5. Zugriffsteil
Effektkatalog
Aufführen erforderlicher Eigenschaften einer Kompo-
nente bzw. des Systems, damit ein potentieller Effekt
auftritt bzw. auftreten kann; Möglichkeit der Selektion
bzw. Vorauswahl potentieller Effekte anhand eines Ab-
gleichs zwischen erforderlichen und vorliegenden bzw.
herstellbaren Eigenschaften
Inh
alt
FF 6. Erweiterbarkeit, Ak-
tualisierbarkeit
Der Aufbau muss (lokal) sowohl hinsichtlich der Glie-
derung als auch der aufgeführten Effekte flexibel er-
weiterbar und aktualisierbar sein
FF 7. Gültigkeit Die Inhalte müssen den Grundgesetzen der Physik ge-
nügen sowie allgemeingültig und übertragbar sein
FF 8. Widerspruchsfrei-
heit
Die Effektmatrix und der Effektkatalog müssen unter-
einander und im Kontext weiterer Effektsammlungen
widerspruchsfrei sein
ZF 9. Vollständigkeit der
aufgeführten Ef-
fekte
Gemäß der Gliederung ist eine möglichst vollständige
Aufführung aller potentiell nutzbaren Effekte anzustre-
ben; die Basis bilden die in der Effektmatrix nach
KOLLER und der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH
enthaltenen Effekte
An
wen
dbark
eit
ZF 10. Anwendbarkeit Die Anwendbarkeit soll für einen möglichst großen
Nutzerkreis und entsprechend individuell verfolgte
Ziele gegeben sein
W 11. Zugriff Schneller Zugriff auf Informationen
W 12. Handhabung Bequeme Handhabung
77
Aus den in Tabelle 5.1 aufgeführten Anforderungen ergibt sich die in den Abschnitte 5.3 und
5.4 vorausgesetzte Hypothese hinsichtlich der Konzipierung und Entwicklung der Effektmatrix
und des Effektkatalogs:
Wenn die in Tabelle 5.1 erfassten Anforderungen bei der Konzipierung und Entwicklung einer
Effektmatrix und des zugehörigen Effektkatalogs berücksichtigt und erfolgreich umgesetzt werden,
wird das angestrebte Ziel, die Herstellung des Zusammenhangs zwischen einer systemspezifischen
Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen unter Berücksichtigung des jeweiligen Systems,
erreicht.
Da die erarbeiteten Ergebnisse auf dieser Hypothese basieren, sind sie auch vor dem Hinter-
grund dieser Hypothese sowie der enthaltenen Zielsetzung zu beurteilen (vgl. Abschnitt 7.1
sowie Anhang B1, Tabelle B.1 und Tabelle B.2). Inwieweit die Ergebnisse hinreichend bzgl.
einer finalen Anwendbarkeit und angenommenen positiven Auswirkungen sind, muss an der
Verbesserung der in der Einleitung (vgl. Kapitel 1) dargestellten Situation bzw. der Lösung
des als wiederkehrend identifizierten Problems evaluiert werden (vgl. Abschnitt 7.2).
5.3 Konzipierung und Entwicklung der Effektmatrix – Verknüpfung von
individueller Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen
In diesem Abschnitt wird die Konzeption und Entwicklung eines zweidimensionalen Über-
sichtskatalogs in Form einer Effektmatrix zum systematischen Verknüpfen einer systemspezi-
fischen Zustandsgröße mit potentiellen Messgrößen dargestellt.
Der Aufbau dieses Abschnitts orientiert sich an der Gliederung der im vorherigen Abschnitt in
Tabelle 5.1 aufgeführten Anforderungen. Da die Effektmatrix als Übersichtskatalog fungiert,
liegt der Schwerpunkt auf einem systematischen Aufbau und einer physikalisch begründeten
Gliederung der Inhalte.
5.3.1 Aufbau und Gliederung der Effektmatrix
Der Bezeichnung entsprechend wird der zweidimensionale Übersichtskatalog zur Herstellung
eines Zusammenhangs zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen
Messgrößen in Form einer schematisch in Abbildung 5.4 dargestellten Matrix, der sog. Effekt-
matrix, aufgebaut. Diese führt, gemäß der in Abschnitt 3.1 beschriebenen Ursache-
Wirkung-Sichtweise, analog zur Zuordnungsmatrix nach KOLLER (vgl. Abschnitt 3.2), im Glie-
derungsteil spaltenweise Ursachen und zeilenweise die daraus resultierenden Wirkungen auf.
Ursache
Wirkung
...
... ...
...
...
...
Hauptteil
Gliederungsteil
Gliederungste
il
Ursache-/
Wirkungs-
sichtweise
Abbildung 5.4: Schematischer Aufbau der Effektmatrix
78
Grundlegender Ansatz zur Gliederung und zum Aufbau
Die Ursachen und Wirkungen werden anhand der Hauptbereiche der klassischen Physik in
Mechanik, Elektrizität und Magnetismus sowie Thermodynamik gegliedert.312 Das Gebiet peri-
odischer Zustandsänderungen in Form von sowohl materiegebundenen als auch nicht mate-
riegebundenen Wellen, allgemein als Wellenlehre bezeichnet, wird im Zusammenhang der
Hauptbereiche Mechanik (materiegebundene Wellen, Bsp. Fluidschall) sowie Elektrizität und
Magnetismus (nicht-materiegebundene Wellen, Bsp. Licht) berücksichtigt. Die jeweils im Glie-
derungsteil aufgeführten physikalischen Größen werden aus den acht bilanzierungsfähigen
Größen der klassischen Physik abgeleitet. Die allgemeine Bilanzierung von Energie bildet hier-
für die Grundlage. Zur differenzierten Gliederung werden die weiteren sieben bilanzierungsfä-
higen Größen der klassischen Physik Impuls p, Drehimpuls L, (schwere) Masse mS, Volumen V,
elektrische Ladung Q, Entropie S und Stoffmenge n herangezogen.313 Gemäß der in Abschnitt
2.2.3 eingeführten Grundlagen zu Systemvariablen und der darauf aufbauenden mehrpolba-
sierten Modellbildung, werden die sieben bilanzierungsfähigen Größen als Primärgrößen X
herangezogen und die jeweiligen Fluss- und Potentialgrößen IM und Y sowie das Extensum Ex
abgeleitet. Auf diese Weise wird der Gliederungsteil gemäß der ersten Anforderung (vgl.
Tabelle 5.1) physikalisch logisch begründet und in diesem Betrachtungskontext vollständig
aufgebaut. Eine Übersicht über den grundlegenden Ansatz zur Unterteilung und zum Aufbau
des Gliederungsteils bzw. der Effektmatrix ist in Abbildung 5.5 dargestellt. Konsistent zu den
Beispielen zur mehrpolbasierten Modellbildung in Unterabschnitt 2.2.3, sind in Abbildung 5.7
der Gliederungsteil zum translatorischen Impuls aus der Domäne Mechanik und der Gliede-
rungsteil zur elektrischen Ladung aus der Domäne Elektrizität und Magnetismus exemplarisch
dargestellt.
312 Für weitere Informationen wird auf entsprechende Fachliteratur aus dem Bereich der Physik verwiesen,
bspw. Hering et al. (2016), S. 3 - 6. 313 Weitere Informationen zum didaktischen Ansatz der Systemphysik können bspw. Maurer (2015) ent-
nommen werden.
79
Thermodynamik
Mechanik
Elektrizität
Magnetismus
Temperatur
Ladung
Masse
ZeitLängemate
rie-
gebun
den
nicht mate
rie-
gebun
den
Wellenle
hre
Akustik
Optik
Wellenbild (Felder)
Partikelbild
Klassische PhysikEnergie
E
Bilanzierungsfähige Größen der klassischen Physik
el.
Ladung Q
trans.
Impuls p
rot.
Impuls L
(schwere)
Masse mS
Volumen
V
Entropie
S
Stoff-
menge n
Modell eines Ersatzelements in der mehrpolbasierten Modellbildung
Ex
q T
Y
i T
X
q P
I M
i P
d
dt
d
dt
Gestaltparameter
Abbildung 5.5: Übersicht über den grundlegenden Ansatz zur Gliederung
und zum Aufbau des Gliederungsteils der Effektmatrix314
314 Eigene Darstellung, Ausschnitt der Zusammenhänge innerhalb der klassischen Physik, nach Hering et al.
(2016), S. 5.
80
Die Differenzierung der genannten physikalischen Größen bzw. Systemvariablen und die
daraus resultierende Kompatibilität zur mehrpolbasierten Modellbildung ermöglicht hinsicht-
lich der Erfassung potentieller Messgrößen im Kontext technischer Systeme weitere
wesentliche Vorteile:
• Auf Basis der Differenzierung ist es möglich, einen direkten Rückschluss auf die mess-
technischen Eigenschaften der aufgeführten Größen zu ziehen. Gemäß Abschnitt 2.2.3
werden innerhalb einer physikalischen Domäne die vier Systemvariablen in P-Variablen
bzw. Einpunktgrößen mit dem Index P sowie T-Variablen bzw. Zweipunktgrößen mit
dem Index T differenziert.
• Da der Energieaustausch zwischen den diskreten Netzwerkelementen innerhalb eines
gemäß der Mehrpoltheorie aufgebauten Modells immer durch die Fluss- und Potential-
größe einer Domäne beschreibbar ist, können Energieflüsse und damit auch die Wand-
lungen und Umformungen einer im System auftretenden Funktionsgröße modelliert
werden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des Transports von Energien bzw.
Signalen in einem technischen System relevant.
o Auf diese Weise ist es möglich, das System bspw. anhand von Flussgrößen
schrittweise entlang von Knoten zu strukturieren sowie sequenziell zu model-
lieren und zu betrachten.315 Die Bezeichnung „Knoten“ geht auf die Betrachtung
des elektrischen Stroms in elektrischen Netzwerken gemäß der Kirchhoffschen
Knotenregel316 (1. Kirchhoffsches Gesetz) zurück und lässt sich analog auf wei-
tere Flussgrößen übertragen.317 In der Mechanik bspw. entspricht dies einer
Bilanzierung von Kräften an einem freigeschnittenen Element. In Abbildung 5.6
sind die genannten Zusammenhänge exemplarisch visualisiert.
o Über die jeweiligen Potentialgrößen sind Relationen zwischen verschiedenen
diskret modellierten Ersatzelementen in einem System entlang von Maschen
abbildbar.318 In elektrischen Netzwerken (vgl. Abbildung 5.6) entspricht dies
bspw. der Betrachtung aller Teilspannungen im Umlauf einer Masche gemäß
der Kirchhoffschen Maschenregel319 (2. Kirchhoffsches Gesetz).
315 Siehe hierzu auch Vorwerk-Handing et al. (2018), S. 3 f. 316 Siehe bspw. Meschede (2015), S. 340. 317 Vgl. MacFarlane (1967), S. 61 und 109 f. 318 Vgl. MacFarlane (1967), S. 61 und 109 f. 319 Siehe bspw. Meschede (2015), S. 340.
81
R 1
R 3
R 2 R 4
C
L
U 1
U 3
U 2 U 4U 0
U C
U L
I 1 I 3
I 2
I 2
I 1 I 3
Knoten Masche
Elektrisches Netzwerk
F 1
F 2
Mechanisches Fachwerk
Knoten
F 1 F S2
F S1
Knotenpunktverfahren:
: Fx = 0
: Fy = 0
y
x
Kirchhoffsche
Maschenregel:
U i = 0
Bsp.: U 2 = U C + U 4 + U L
Kirchhoffsche
Knotenregel:
I i = 0
Bsp.: I 1 = I 2 + I 3
Abbildung 5.6: Knoten- und Maschenregel nach Kirchhoff im elektrischen Netzwerk (links)
sowie Knotenpunktverfahren am freigeschnittenen mechanischen Fachwerk (rechts)
Eingang / Ursache
Gebiet
Bilanzier-
ungsfähige
Größe
Abbildung der Zusammenhänge
Fluss-
größe IM
Potential-
größe Y
Exten-
sum Ex
Primär-
größe X
Intensive
Zusatndsgrößen
Extensive
Zustandsgrößen
Funktionsgrößen
Kraft
Geschwin-
digkeit
Verschie-
bung
Impuls
el.
Strom
Induktions-
fluss
el.
Ladung
el.
Spannung
Mechanik
Impuls
- transla
torisch
Ele
ktr
izität
und
Magnetismus
ele
ktr
ische L
adung
Induktions -
fluss Φ[Wb]
Spannung U
[V]
el.
Strom I
[A]
el.
Ladung Q
[C]
d
dt
ddt
Induk-
tivität
el. W
iderstan
d
Kapa-
zität
Verschie -
bung s
[m]
Geschwin-
digkeit v
[m/s]
Kraft F
[N]
Impuls p
[N·s]
ddt
d
dt
Ela
sti-
zität
Dämpfung
Masse
Ausgang / Wirkung
ist spaltenweise analog aufgebaut, d.h. an
der Hauptdiagonalen der Matrix gespiegelt
Abbildung 5.7: Ausschnitt der Gliederung im Gliederungsteil der Effektmatrix
am Beispiel des translatorischen Impulses p und der elektrischen Ladung Q
82
Im Rahmen der mehrpolbasierten Modellbildung wird der Zusammenhang zwischen den
jeweils vier Systemvariablen entweder über Gestaltparameter oder einen zeitlichen Zusam-
menhang hergestellt (vgl. Abschnitt 2.2.3 sowie ROTH320). Diese Gegebenheit wird durch das
Aufführen der entsprechenden Gestaltparameter sowie der Zeit t in der Effektmatrix berück-
sichtigt und somit die vierte Anforderung (vgl. Tabelle 5.1) an die Effektmatrix erfüllt. Da die
Gestaltparameter und die Zeit t gemäß der Ursache-Wirkung-Beziehung den Zusammenhang
zwischen den Systemvariablen bzw. Funktionsgrößen herstellen, können diese Größen nicht
als Ursache in einem physikalischen Effekt auftreten und werden deswegen im Eingangs-Glie-
derungsteil der Effektmatrix nicht aufgeführt. Da Gestaltparameter allerdings von Systemva-
riablen bzw. Funktionsgrößen beeinflusst werden und dieser Zusammenhang wiederum mit-
tels physikalischer Effekte beschreibbar ist, werden die Gestaltparameter sowie die Zeit t im
zeilenweisen Gliederungsteil der Effektmatrix als Wirkung aufgeführt (vgl. Abbildung 5.8).
Permitti-
vitätszahl
XX
spez.
Widerstand
Permeab-
ilitätszahl
X
Dichte
XX
innere
Reibung
Elastizi-
tätsmodul
X
el. Widerstand Induktivität Kapazität
Ausgang /
Wirkung
Analog zu Eingang / Ursache
spaltenweise aufgebaut , d.h. an der
Hauptdiagonalen der Matrix gespiegelt
Allgemeine
Zustands-
größen eines
technischen
Systems
funktions-
relevante
Gestalt-
parameter
Gestalt-
parameterElastizität Masseinnere Dämpfung
Zeit
Zeit
stoffliches
Merkmal
geometrisches
Merkmal
Zeit
Abbildung 5.8: Ausschnitt der vom Eingang abweichenden Gliederung des Ausgangs im
Gliederungsteil der Effektmatrix
320 Die beschriebene Tatsache stellt auch Roth (2000) auf Seite 113 sinngemäß unter Verwendung einer
geringfügig abweichenden Bezeichnung fest.
83
Vor dem Hintergrund einen Zusammenhang zwischen Funktionsgrößen verschiedener physi-
kalischer Teilgebiete aufzubauen und modellieren zu können, ist der beschriebene Aufbau des
Ausgangs im Gliederungsteil der Effektmatrix aus zwei Gründen von elementarer Bedeutung:
• Gestaltparameter stellen nicht nur den Zusammenhang zwischen den Systemvariablen
innerhalb eines Teilgebiets, sondern auch teilgebietsübergreifend her. Hierbei wird Ener-
gie zwischen den beteiligten Teilgebieten ausgetauscht. Ein Beispiel für die Herstellung
eines Zusammenhangs zwischen Systemvariablen verschiedener Teilgebiete, stellt das
Coulomb-Gesetz dar, welches die Basis der Elektrostatik bildet.321 Es beschreibt die Kraft
F zwischen zwei elektrischen Ladungen Q und Q‘, welche idealisiert als Punktladungen
betrachtet werden (vgl. Abbildung 5.9).
Abbildung 5.9: Coulomb-Gesetz –
Kraft F zwischen zwei elektrischen (Punkt-) Ladungen Q und Q‘
Folglich wird ein Zusammenhang zwischen der elektrischen Primärgröße der Ladung Q
(Ursache) und der Flussgröße Kraft F (Wirkung) aus dem Bereich der Mechanik
beschrieben. Hergestellt wird dieser Zusammenhang über den Gestaltparameter der
Länge l 322, die Influenzkonstante ε0 sowie die Kreiszahl π gemäß:
𝐹 =
𝑄 𝑄′
4 𝜋 휀0 𝑟2 . ( 5.1 )
Hierbei ist F die von den Ladungen Q und Q‘ ausgehende Kraft und 𝑟 der Abstand der
beiden als punktförmig angenommenen Ladungen Q und Q‘.
• Weiterhin können Gestaltparameter eines Teilgebiets von Systemvariablen bzw. Funk-
tionsgrößen eines anderen Teilgebiets beeinflusst werden. Hierbei findet zwischen den
beteiligten Teilgebieten näherungsweise kein Energieaustausch statt. Über die Beein-
flussung eines Gestaltparameters nehmen Systemvariablen bzw. Funktionsgrößen
eines Teilgebiets indirekt Einfluss auf ein anderes Teilgebiet. Diese Zusammenhänge
lassen sich messtechnisch nutzen, bspw. in Messwiderständen (vgl. Abbildung 5.10).
Im Anwendungsfall des Messwiderstands wird der Gestaltparameter des elektrischen
Widerstands R (Teilgebiet der Elektrizität) durch die Einwirkung einer thermischen
321 Vgl. Meschede (2015), S. 315 f. 322 Der Abstand r der beiden als punktförmig angenommenen Ladungen Q und Q‘ entspricht dem Gestalt-
parameter der Länge l.
84
Funktionsgröße in Form der Temperatur T (Teilgebiet der Thermodynamik) beein-
flusst. Eine indirekte Temperaturmessung wird über die Messung des Spannungsabfalls
an dem von einem konstanten Messstrom durchflossenen, temperaturabhängigen
elektrischen Widerstand R realisiert.
ϑ
V
Stromquelle Spannungsmessgerät
Platin-Messwiderstand
Pt100 ( R 0 °C = 100 Ω )
Temperatursensor Pt100
Pt-100 im Aufbau einer Vier-Leiter-Messung
Abbildung 5.10: Pt-100 Temperatursensor (im Aufbau einer Vier-Leiter-Messung) als Beispiel
für die Beeinflussung von Gestaltparametern einer physikalischen Domäne
durch Funktionsgrößen einer anderen physikalischen Domäne
Darüber hinaus wird durch diese systematische Berücksichtigung der Gestaltparameter eine
eindeutige Unterscheidung zwischen Systemvariablen bzw. Funktionsgrößen und Gestaltpa-
rametern vollzogen, die bspw. in der Zuordnungsmatrix nach KOLLER nicht vorhanden ist und
zu entsprechenden Uneindeutigkeiten führt (vgl. Abschnitt 3.2). Dieser Aspekt wird in der
dritten Anforderung (vgl. Tabelle 5.1) beschrieben.
Um dem vom Anwendenden gewählten Abstraktionsgrad in der Betrachtung der beschriebe-
nen Zusammenhänge gerecht zu werden, werden die übergeordneten Gestaltparameter weiter
in die unabhängigen stofflichen und geometrischen Merkmale differenziert (vgl. Abbildung
5.8). Der Anwendende sieht bspw. einen Zusammenhang zwischen der Kraft F und der Ver-
schiebung s, welcher über das Hooke’sche Gesetz beschrieben wird. Je nach Bedarf und Wissen
des Anwendenden wird dieser Zusammenhang auf verschiedenen Betrachtungsebenen herge-
stellt. Einerseits ist es möglich den Zusammenhang über die bspw. in Experimenten direkt
ermittelte Elastizität bzw. Federkonstante k der betrachteten Komponente herzustellen. Ande-
rerseits kann bspw. im eindimensionalen Fall der Zusammenhang über eine differenzierte
Betrachtung der Fläche A senkrecht zur wirkenden Kraft F und die Ausgangslänge l0 (geomet-
rische Merkmale) sowie dem Elastizitätsmodul E des Materials (stoffliches Merkmal) herge-
stellt werden (vgl. Abbildung 5.11).
85
Abbildung 5.11: Betrachtung des Hooke’schen Gesetzes als Beispiel für die Abhängigkeit des
Abstraktionsgrads in der Betrachtung der beschriebenen Zusammenhänge vom Anwendenden
Erweiterungen des grundlegenden Ansatzes zur Gliederung und zum Aufbau
Die Anwendung und der Vergleich einer Effektmatrix mit einem gemäß den Ausführungen
aufgebauten Gliederungsteil mit der Zuordnungsmatrix nach KOLLER zeigen, dass es sinnvoll
und notwendig ist über den streng systematischen Aufbau hinaus auch abgeleitete Größen mit
direkter messtechnischer Relevanz in den Gliederungsteil einzubeziehen (vgl. zweite Anforde-
rung in Tabelle 5.1). Hierfür werden zwei Ursachen festgestellt: Erstens können die zugrunde
gelegten Ansätze der Systemphysik und der mehrpolbasierten Modellierung manche Bereiche
der Physik, die sowohl physikalisch als auch insbesondere technisch aus der Anwendung
heraus sinnvoll und notwendig sind, nicht abbilden. Zweitens weisen physikalische Größen,
die aus den aufgeführten Zustandsgrößen abgeleitete sind, teilweise eine große praktische
Verbreitung auf. Beide Aspekte werden im Folgenden näher erläutert und darauf aufbauend
eine Erweiterung des Ansatzes zur Gliederung der Effektmatrix vorgestellt.
Zu den abgeleiteten Größen gehören bezogene Größen, die sich aus den bereits aufgeführten
Zustandsgrößen über
• einen Bezug auf einen Gestaltparameter (z. B. Masse m, Länge l, Fläche A oder Volu-
men V) oder
• eine Ableitung nach der Zeit t respektive eine Integration über die Zeit t ergeben.
Neben klassischen bezogenen Größen der Mechanik wie bspw. der Spannung б bzw. τ oder
der Dehnung ε, werden auf diese Weise bspw. auch elektrische und magnetische Feldgrößen
in den Ansatz aufgenommen. Exemplarisch sind die aus diesem Aspekt resultierenden Erwei-
terungen der grundlegenden Gliederung der Effektmatrix für die bilanzierungsfähige Größe
des translatorischen Impulses p und der elektrischen Ladung Q in Abbildung 5.12 in Rot her-
vorgehoben.
86
el.
Feldstärke
el.
Flussdichte
mech.
Spannung
Dehnungs-
geschwin-
digkeit
Dehnung
Beschleu-
nigung
Kraft
Geschwin-
digkeit
Verschie-
bung
Impuls
Induktions-
fluss
el.
Ladung
el.
Spannung
X
X
X
X
X
Eingang / Ursache
Gebiet
Bilanzier-
ungsfähige
Größe
Abge-
leitete
Größen
Abbildung der Zusammenhänge
Fluss-
größe IM
Potential-
größe Y
Exten-
sum Ex
Primär-
größe X
Intensive
Zustandsgrößen
Abgeleitete
Größen mit
messtech-
nischer
Relevanz
Extensive
Zustandsgrößen
Funktionsgrößen
Mechanik
Impuls
- t
ransla
torisch
spezifisch
,
flä
chenbezogen
Ele
ktr
izität
und M
agnetismus
Ele
ktr
isch
e L
adung
spezifisch
,
flä
chenbezogen
Verschie -
bung s
[m]
Geschwin-
digkeit v
[m/s]
Kraft F
[N]
Impuls p
[N·s]
ddt
d
dt
Beschleu-
nigung a
[m/s2]
ddt
Feder-
konsta
nte
Dämpfung
Masse
Masse
Induktions -
fluss Φ[Wb]
Spannung U
[V]
el.
Strom I
[A]
el.
Ladung Q
[C]
ddt
ddt
Induk-
tivität
el. Wider
stand
Kapa-
zität
el.
Strom
Ausgang / Wirkungist spaltenweise analog aufgebaut, d.h. an
der Hauptdiagonalen der Matrix gespiegelt
Abbildung 5.12: Ausschnitt der erweiterten Gliederung im Gliederungsteil der Effektmatrix
Da der Ansatz der Systemphysik323 und die mehrpolbasierte Modellierung auf Basis der bilan-
zierungsfähigen Größen der klassischen Physik gemäß Abbildung 5.5 nicht geeignet sind, um
magnetische Effekte zu erfassen und zu modellieren, wird eine Erweiterung des Ansatzes
323 Weitere Informationen zum didaktischen Ansatz der Systemphysik können bspw. Maurer (2015) ent-
nommen werden.
87
angestrebt. Der Grund für die beschriebene Beschränktheit liegt darin, dass die Existenz eines
magnetischen Monopols bzw. magnetischer Ladung als Pendant zur elektrischen Ladung Q
praktisch nicht nachgewiesen ist.324 Die Notwendigkeit einer Erweiterung bzw. einer Aus-
nahme ergibt sich aus der Tatsache, dass eine solche magnetische Ladung in der grundlegen-
den Systematik gemäß Abbildung 5.5 als Primärgröße herangezogen werden müsste, um die
drei weiteren Systemvariablen abzuleiten. Da magnetische Effekte aus technischer und insbe-
sondere auch messtechnischer Sicht von Bedeutung sind und diese entsprechend in der Effekt-
matrix zu berücksichtigen sind, werden die in Abbildung 5.13 dargestellten magnetischen Grö-
ßen und Zusammenhänge in den Gliederungsteil aufgenommen. Um eine möglichst einheitli-
che Darstellung zu erreichen, orientiert sich die Darstellung der Zusammenhänge in Abbildung
5.13 an der verwendeten Übersichtsdarstellung nach Unterabschnitt 2.2.3.325 Sie stellt aber,
wie beschrieben, eine bewusst definierte Ausnahme gegenüber dem grundlegenden Ansatz
ausgehend von einer Primärgröße gemäß Abbildung 5.5 dar.
mag.
Feldstärke
mag.
Flussdichte
mag. Fluss
el.
Fluss
-
mag.
Spannung
X
X
Ele
ktr
izität und M
agnetismus
Es e
xistiert in d
er k
lassisch
en P
hysik
keine b
ilanzierungsfä
hige G
röße.
spezifisch,
flä
chenbezogen
el.
Fluss ψ[C]
mag.
Spannung
Um [A]
mag.
Fluss Φ
[Wb]
-
d
dt
Reluktan
z /
mag
. Widerstan
d
Eingang / Ursache
Gebiet
Bilanzier-
ungsfähige
Größe
Abge-
leitete
Größen
Abbildung der Zusammenhänge
Fluss-
größe IM
Potential-
größe Y
Exten-
sum Ex
Primär-
größe X
Intensive
Zustandsgrößen
Abgeleitete
Größen mit
messtech-
nischer
Relevanz
Extensive
Zustandsgrößen
Funktionsgrößen
Ausgang / Wirkungist spaltenweise analog aufgebaut, d.h. an
der Hauptdiagonalen der Matrix gespiegelt
Abbildung 5.13: Berücksichtigung magnetischer Effekte über eine definierte Ausnahme
324 Vgl. Meschede (2015), S. 981. 325 Eine vergleichbare Darstellung zur Berücksichtigung magnetischer Effekte im Rahmen der mehrpolba-
sierten Modellbildung beschreibt auch Grabow (2018), S. 186. Eine physikalische Begründung liefert
Grabow (2018) darüber hinaus nicht.
88
Aspekte der Wellenlehre, d. h. sowohl materiegebundene als auch nicht materiegebundene
Wellen müssen im Gliederungsteil der Effektmatrix differenziert berücksichtigt werden.
Materiegebundenen Wellen wie bspw. Fluidschall werden im Teilgebiet der Mechanik und
nicht materiegebundenen Wellen wie bspw. Licht im Teilgebiet Elektrizität und Magnetismus
berücksichtigt.
• Materiegebundene Wellen als periodische Zustandsänderungen können je nach Aus-
breitungsmedium (Feststoff oder Fluid) als Körperschall durch Funktionsgrößen des
translatorischen Impulses oder als Fluidschall durch Funktionsgrößen der bilanzie-
rungsfähigen Größe des Volumens abgebildet werden.
Diese Differenzierung basiert auf der Tatsache, dass in Fluiden nur Longitudinalwellen
in Form von Druck- und Dichteschwankungen auftreten und sich ausbreiten. In den
allermeisten Fällen wird zur Quantifizierung des Fluidschalls eine dynamische Feld-
größe, der Schalldruck p, gemessen. Kinematische Größen, wie die Schallschnelle v,
werden hingegen nur selten erfasst.326
Feststoffe hingegen nehmen neben Normalspannungen auch Schubspannungen auf.
Daraus folgt, dass in Festkörpern sowohl Longitudinalwellen als auch Transversalwel-
len unabhängig voneinander auftreten und sich ausbreiten. Im Gegensatz zum Fluid-
schall werden zur Quantifizierung des Körperschalls überwiegend kinematische Grö-
ßen wie Ausschlag (d. h. die relative Verschiebung bzw. Dehnung ε), Schnelle
(Geschwindigkeit v) oder Beschleunigung a gemessen. Dynamische Größen wie Span-
nungen б und Kräfte F werden – wenn benötigt – indirekt aus den Ableitungen kine-
matischer Größen und entsprechender Materialparameter ermittelt.327
• Gekoppelte elektrische und magnetische Felder in Form nicht materiegebundener
elektromagnetischer Wellen, werden im Bereich Elektrizität und Magnetismus über die
Aufführung ihrer charakterisierenden Größen Wellenlänge λ 328 (vgl. Abbildung 5.14)
und Intensität I berücksichtigt.
Abbildung 5.14: Spektrum elektromagnetischer Strahlung329
Der Aufbau und die Gliederung der, gemäß dieses Unterabschnitts konzipierten, Effektmatrix
ist im Anhang C1 in Abbildung C.1 dargestellt.
326 Vgl. Möser und Kropp (2010), S. 521. 327 Vgl. Möser und Kropp (2010), S. 521 ff. 328 Die Wellenlänge λ kann wahlweise auch indirekt mittels der medienabhängigen Phasengeschwindigkeit
cmed über die Frequenz f ausgedrückt werden. Der Zusammenhang wird durch 𝜆 =𝑐𝑚𝑒𝑑
𝑓 hergestellt.
329 Darstellung von Frank et al. (2015) übernommen.
89
5.3.2 Inhalte der Effektmatrix
Da die Effektmatrix, im Verständnis nach KOLLER (vgl. Unterabschnitt 2.4.1), als Übersichtska-
talog fungiert, stellen der entwickelte Ansatz und der daraus folgende Aufbau der Effektmatrix
das elementare Ergebnis dieses Abschnitts dar. Im Hauptteil der Matrix wird in den aus dem
Gliederungsteil aufgespannten Kreuzungsfeldern zwischen Ursache und Wirkung, die Existenz
eines oder mehrerer physikalischer Effekte verzeichnet (vgl. Abbildung 5.15).
Ursache
Wirkung
...
... ...
...
j
iEffekt(e) n, n+1, ...
Zellenbezeichnung
EffektnummerierungZelle [ i / j ]
Ursache-
Wirkungs-
Betrachtung
Abbildung 5.15: Inhalt der Effektmatrix
In den Kreuzungsfeldern aufgeführte Effektnummern symbolisieren einerseits die Existenz
eines physikalischen Effekts, der den Zusammenhang zwischen der zeilenweise aufgeführten
Ursache und der spaltenweise verzeichneten resultierenden Wirkung beschreibt und dient
andererseits zusammen mit der Zellenbezeichnung als Schnittstelle zum in Abschnitt 5.4 dar-
gestellten Effektkatalog. Dementsprechend wird der prinzipiell darstellbare Inhalt des
Effektkatalogs durch die Gliederung der Effektmatrix vorbestimmt. Der in Abschnitt 5.3.1 dar-
gestellte Ansatz zur Gliederung und zum Aufbau der Effektmatrix ist physikalisch begründet
und im Rahmen der zugrunde gelegten physikalischen Gesetzmäßigkeiten allgemeingültig
und widerspruchsfrei (vgl. siebte und achte Anforderung aus Tabelle 5.1). Die Erweiterungen
besitzen aus physikalischer Sicht ebenfalls allgemeine Gültigkeit und sind sowohl untereinan-
der als auch im Kontext weiterer Effektsammlungen widerspruchsfrei. Ihre Auswahl und Zu-
ordnung geht hingegen auf eigene Erfahrungen sowie Erfahrungen und Ergebnisse anderer
Autoren zurück. Dementsprechend ist insbesondere für diese Bereiche des Gliederungs- und
Hauptteils der Effektmatrix die sechste Anforderung aus Tabelle 5.1 relevant. Es wird gefor-
dert, dass der Aufbau sowohl hinsichtlich der Gliederung als auch der aufgeführten Effekte
flexibel erweiterbar sein muss. Diese Anforderung wird insofern erfüllt, als die Effektmatrix
sowohl im Gliederungs- als auch im Hauptteil der verschiedenen physikalischen Bereiche bei
Bedarf zeilen- und spaltenweise durch abgeleitete Größen mit messtechnischer Relevanz
sowie zugehörigen Gestaltparametern und Effekten erweitert werden kann.
Die verzeichneten physikalischen Abhängigkeiten zwischen einer Ursache und der resultieren-
den Wirkung sind umfangreich erforscht und beschrieben, trotzdem kann eine absolut voll-
ständige Beschreibung aller potentiell auftretenden physikalischen Effekte nicht begründet
gewährleistet werden. Es wird entsprechend gemäß der neunten Anforderung aus Tabelle 5.1
eine möglichst vollständige Aufführung aller potentiell nutzbaren Effekte angestrebt. Die
Basis, um dieses Ziel zu erreichen, bilden die in der Zuordnungsmatrix nach KOLLER und der
90
Funktionsgrößenmatrix nach ROTH enthaltenen Effekte sowie allgemeine physikalische
Effektsammlungen bspw. nach VON ARDENNE ET AL.330 (vgl. Abschnitt 2.4.1).
5.3.3 Anwendbarkeit der Effektmatrix
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Konzipierung und Entwicklung einer Effektmatrix und
eines zugehörigen Effektkatalogs, um systematisch einen Zusammenhang zwischen einer sys-
temspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen unter Berücksichtigung des in-
dividuellen Systems lösungsneutral herzustellen. Aspekte der Anwendbarkeit spielen hinsicht-
lich der Antizipation einer späteren praktischen Nutzung eine wesentliche Rolle. Allgemein
wird gemäß der zehnten Anforderung (vgl. Tabelle 5.1) durch die abstrakte Betrachtung auf
Ebene physikalischer Effekte die Anwendbarkeit für einen möglichst großen Nutzerkreis und
entsprechend individuell verfolgte Ziele ermöglicht. Der Wunsch nach einem schnellen Zugriff
auf Informationen und eine möglichst bequeme Handhabung (vgl. Tabelle 5.1) wird auf die-
sem Entwicklungsniveau im Wesentlichen durch zwei Aspekte berücksichtigt.
• Die Verknüpfung von physikalischen Effektkatalogen und dem Ansatz der mehrpolba-
sierten Modellbildung ermöglicht eine Strukturierung des individuell betrachteten Sys-
tems und damit ein systematisches Vorgehen sowie einen gezielten Rückgriff auf allge-
meingültig beschriebene Informationen über potentiell nutzbare Zusammenhänge in
Effektkatalogen.
• Es wird eine Anwendung eines zweidimensionalen Übersichtskatalogs (Abschnitt 5.3)
und eines eindimensionalen Detailkatalogs (Abschnitt 5.4) mit strukturiert aufbauen-
dem Informationsgehalt in zwei Schritten ermöglicht, wobei jeweils konsequent hie-
rarchisch strukturierte Gliederungs- und Zugriffsmerkmale verwendet werden. Der
Informationsgehalt der jeweiligen Hauptteile der beiden Kataloge ist hinsichtlich eines
effizienten Zugriffs aufgeteilt und aufeinander abgestimmt.
Als Vorgriff auf Inhalte des Abschnitts 6.1 wird im Rahmen der Konzipierung der Effektmatrix
weiterhin berücksichtigt, dass die Effektmatrix die Identifikation von Unsicherheit strukturiert
unterstützen soll. Da existierende Effektmatrizen im ursprünglichen Sinn eingesetzt werden,
um für eine definierte Funktion einen realisierenden Effekt oder eine Effektkette zu finden,
wird gemäß der adressierten Phase im PE-Prozess (vgl. Abschnitt 2.1.4) eine Einbeziehung
von Unsicherheit, die aus einem bereits existierenden technischen System resultiert, nicht vor-
gesehen. Somit stellt dieser Aspekt eine grundlegende Erweiterung der bisher in der Literatur
dargestellten Verwendung von Effektmatrizen dar.
330 „Effekte der Physik und ihre Anwendungen“, von Ardenne et al. (2005).
91
5.4 Konzipierung und Entwicklung des Effektkatalogs – Effektsammlung
inklusive Verknüpfung notwendiger Eigenschaften
In Fortführung des in Abschnitt 5.3 eingeführten zweidimensionalen Übersichtskatalogs in
Form einer Effektmatrix wird in diesem Abschnitt die Konzeptionierung und Entwicklung
eines eindimensionalen Detailkatalogs dargestellt (vgl. auch (Unter-)Abschnitt 2.4.1 und 3.2).
Ziel dieses Effektkatalogs ist es, die zur Konzeptionierung messtechnisch nutzbarer Effektketten
relevanten Informationen über die in der Effektmatrix verzeichneten physikalischen Effekte bereit-
zustellen. Von Relevanz ist insbesondere eine Erfassung von bereits auf diesem Abstraktions-
niveau begründet anwendbaren Auswahlkriterien für bestimmte Effekte und die daraus resul-
tierende Möglichkeit zielgerichtet erfolgsversprechende Effektketten zu entwickeln.
Der Aufbau dieses Abschnitts orientiert sich an der Gliederung der in Abschnitt 5.2 in Tabelle
5.1 aufgeführten Anforderungen in die drei Abschnitte „Gliederung und Aufbau der Effektmat-
rix“, „Inhalte und Informationen der Effektmatrix“ sowie Aspekten hinsichtlich der „Anwendung
der Effektmatrix“. Da der Effektkatalog als Detailkatalog fungiert, liegt der Schwerpunkt auf
der begründeten Auswahl der relevanten Inhalte und Informationen des Katalogs.
5.4.1 Aufbau und Gliederung des Effektkatalogs
Der eindimensionale Effektkatalog führt die für den Anwendungszweck relevanten Informati-
onen und Verweise über die in der Effektmatrix verzeichneten physikalischen Zusammen-
hänge systematisch in einer Tabelle auf. Zu diesem Zweck besteht zwischen den beiden Kata-
logen eine Schnittstelle in Form einer durchgängigen und eindeutigen Bezeichnung der ent-
haltenen physikalischen Effekte. Diese ist anhand von (zusammengesetzten) Ordnungsziffern
oder über die wortwörtliche Bezeichnung der Ursache und resultierenden Wirkung bzw. des
physikalischen Effekts umgesetzt (vgl. Abbildung 5.16 und Abbildung 5.17).
1
2
...
A ...B
Ursache
Wirkung
Kraft F
...
Kraft F ...
Geschwindig-
keit v
Geschwindig-
keit v
1. Hebeleffekt
2. Keileffekt
...
Nr.
Nr.
Eff
ektm
atr
ixEff
ekt
kata
log
[1/A] 1. Hebeleffekt
[1/A] 2. Keileffekt
...
Abbildung 5.16: Zusammenhang zwischen Effektmatrix und Effektkatalog
sowie schematischer Aufbau des Effektkatalogs
92
Da die eingeführte Effektmatrix und der Effektkatalog ein Katalogsystem mit einer gemeinsa-
men Schnittstelle bilden, ist der Aufbau des Gliederungsteils des Effektkatalogs von der Ef-
fektmatrix (vgl. auch Anhang C1, Abbildung C.1 und Abbildung C.2) abhängig. Die Ordnungs-
ziffer setzt sich aus der Bezeichnung für die betreffende Zelle der Effektmatrix und einer fort-
laufenden Effektnummer zusammen. Die Zelle wird hierbei über ihre Zeilennummer und ihren
Spaltenbuchstaben beschrieben. Die fortlaufende Nummer wird eingesetzt, um mehrere Ef-
fekte innerhalb einer Zelle zu differenzieren und wiederkehrende Effekte (reversible Effekte)
durch dieselbe fortlaufende Nummer kenntlich zu machen. Um die Übersichtlichkeit und An-
wendbarkeit zu erhöhen, werden die bereits implizit in der Spalten- und Zeilenbezeichnung
enthaltenen Informationen über die Ursache x und die Wirkung y(x) zusätzlich aufgeführt. In
der Regel besitzen die in der Effektmatrix verzeichneten Zusammenhänge zwischen Ursache
x und Wirkung y(x) in Form eines physikalischen Effekts eine Bezeichnung. Diese Bezeichnung
ist insbesondere für die Kommunikation außerhalb des Katalogsystems z. B. zu Recherchezwe-
cken notwendig und wird aus diesem Grund ebenfalls aufgeführt. Der beschriebene Aufbau
des Gliederungsteils des Effektkatalogs ist in Abbildung 5.17 dargestellt.
Zeile in Effektmatrix
(Ursache)
Spalte in Effektmatrix
(Wirkung)Effektnummer
OrdnungsnummerUrsache
x
Wirkung
f(x)Effekt
Zeilennummer
(aus Effektmatrix)
Spaltenbuchstabe
(aus Effektmatrix)
fortlaufende
Effektnummer Kraft F Verschiebung s
elastische
Dehnung
Hauptt
eil
Zugriffs
teil
Abbildung 5.17: Aufbau des Gliederungsteils des Effektkatalogs
am Beispiel der elastischen Dehnung
Die vollständige Gliederung des, gemäß dieses Unterabschnitts konzipierten, Effektkatalogs
ist im Anhang C1 in Abbildung C.2 dargestellt.
5.4.2 Inhalte und Informationen des Effektkatalogs
Die Inhalte und Informationen des Effektkatalogs werden gemäß des in Abbildung 5.16 sche-
matisch dargestellten Aufbaus in Haupt- und Zugriffsteil untergliedert (vgl. Abschnitt 2.4.1).
Hauptteil des Effektkatalogs
Gemäß des in Abbildung 5.16 abgebildeten schematischen Aufbaus des Effektkatalogs werden
im Hauptteil des Katalogs die relevanten Informationen und Verweise zu den physikalischen
Effekten aufgeführt. Die Grundlage zur Auswahl der aufgeführten Informationen schafft der
Prinzipkatalog nach KOLLER (vgl. Abbildung A.2 im Anhang A1). Entsprechend werden, soweit
möglich, zu jedem Effekt eine Skizze, ein Anwendungsbeispiel sowie Verweise auf weiterfüh-
rende Literatur aufgeführt. Angenommene, den jeweiligen Effekt betreffende, Vereinfachun-
gen werden nicht wie im Katalogsystem nach KOLLER in einer separaten Eigenschaftstabelle
verzeichnet, sondern direkt in den Effektkatalog aufgenommen (vgl. Abbildung 5.18).
93
Skizze Gestalt-
para-
meter
stoff-
liches
Merkmal
geomet-
risches
Merkmal
Zeit
Liter-
aturAusprägung Beispielweiter
Funktions-
größe
getroffene
Verein-
fachungen
Zusammenhang über ...
s
F
l0 Elatizität
bzw.
.Feder-
konstante
Elasti-
zitäts-
modul
Fläche
-
ideal
elastisches
Verhalten-
DMS-
Kraft-
aufnehmer ...
Gliederungste
il
Zugriffs
teil
Kraft
F
Verschiebung s
linear
nicht -linear
Abbildung 5.18: Aufbau des Hauptteils des Effektkatalogs am Beispiel der elastischen Dehnung
Da die nach KOLLER bzw. ROTH angegebenen Gleichungen entweder allgemeingültig und abs-
trakt sind oder einen bestimmten Fall bzw. eine bestimmte Ausprägung des physikalischen
Effekts beschreiben und damit bereits bestimmte Annahmen beinhalten, wird gegenüber dem
ursprünglichen Aufbau nach KOLLER die Spalte „Ausprägung“ hinzugefügt. Diese beschreibt die
prinzipielle(n) Ausprägung(en) des Zusammenhangs zwischen Ursache und Wirkung qualita-
tiv bspw. in Stichpunkten oder einem Graph (vgl. Abbildung 5.18). Auf diese Weise wird es
dem Nutzer ermöglicht, den grundlegenden Zusammenhang bzw. mögliche Ausprägungen des
Zusammenhangs schnell und intuitiv zu erfassen (vgl. zehnte und elfte Anforderung aus
Tabelle 5.1).
Die wesentliche Erweiterung gegenüber den Inhalten der Hauptteile bestehender Effektkata-
loge liegt in der differenzierten Betrachtung der Größen, die den Zusammenhang zwischen
der Ursache und der Wirkung herstellen. Nach Abschnitt 5.1 und Unterabschnitt 5.3.1 wird
der Zusammenhang zwischen einer ursächlichen Funktionsgröße und einer resultierenden
Wirkung über Gestaltparameter und/oder einen zeitlichen Zusammenhang hergestellt.
Gestaltparameter setzten sich aus stofflichen und/oder geometrischen Eigenschaften der
betrachteten Komponente zusammen. Da diese Eigenschaften im Effektkatalog nicht in Form
einer Ausprägung quantifiziert sind, werden sie als Merkmale bezeichnet. Die Aufführung von
sowohl übergeordneten Gestaltparametern als auch stofflichen und geometrischen Merkmalen
ist konsistent zur Effektmatrix (vgl. Unterabschnitt 5.3.1) und wird über den vom Anwenden-
den gewählten Abstraktionsgrad in der Betrachtung des Zusammenhangs begründet. Darüber
hinaus können weitere Funktionsgrößen (passiv) an einem Ursache-Wirkung-Zusammenhang
beteiligt sein. Ein entsprechendes Beispiel stellt die Lorentzkraft331 dar:
�� = 𝑄 �� × �� . ( 5.2 )
Die Gleichung 5.2 beschreibt die Kraft ��, welche auf eine sich in einem magnetischen Feld
(magnetische Flussdichte ��) mit der Geschwindigkeit �� bewegende Ladung Q wirkt. Gemäß
dem beispielhaft dargestellten Zusammenhang, kann je nach Betrachtungsweise sowohl die
Geschwindigkeit �� als auch die magnetische Flussdichte �� als Ursache für die wirkende Lor-
entzkraft �� aufgefasst werden. Je nach Festlegung des betrachten Ursache-Wirkung-
Zusammenhangs in der Effektmatrix, wird die weitere an dem physikalischen Zusammenhang
beteiligte Funktionsgröße im Hauptteil des Effektkatalogs aufgeführt. Die dargestellten Erwei-
331 Vgl. Meschede (2015), S. 367.
94
terungen werden gemäß Abbildung 5.18 in der Rubrik „Zusammenhang über…“ zusammen-
gefasst.
Die vorgestellte inhaltliche Erweiterung des Effektkatalogs ist für den angestrebten Verwen-
dungszweck aus zwei Gründen sinnvoll bzw. notwendig:
• Durch die differenzierte Aufführung der Größen, die den Zusammenhang zwischen
Ursache und Wirkung herstellen wird offensichtlich welche Abhängigkeiten bestehen
und welche Größen bekannt sein müssen, um über den betrachteten Effekt einen mess-
technisch nutzbaren, eindeutigen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung her-
stellen zu können.
• Insbesondere funktionsrelevante Gestaltparameter sind bspw. auf dem Gebiet des
Condition Monitorings von Interesse, können aber gemäß Abschnitt 5.3.1 nicht als Ein-
gangsgrößen in der Effektmatrix verwendet werden. Gestaltparameter werden im
Gegensatz zu Funktionsgrößen nicht gewandelt oder umgeformt. Sie stellen den
Zusammenhang zwischen Funktionsgrößen her und nehmen somit Einfluss auf den
Zusammenhang zwischen Ursache und hervorgerufener Wirkung.
Über die Erfassung der Ursache und Wirkung eines physikalischen Effekts kann auf den
(veränderten) Zusammenhang und damit auf die (zeitliche) Änderung beteiligter
Gestaltparameter geschlossen werden. Von Interesse sind folglich alle physikalischen
Zusammenhänge in denen der gesuchte Gestaltparameter auftritt, da so potentiell
beeinflusste Zusammenhänge zwischen Funktionsgrößen identifiziert werden können.
Ausgehend von einem initialen Zusammenhang zwischen dem gesuchten Gestaltpara-
meter und einer Wirkung in Form einer Funktionsgröße kann das bereits beschriebene
Vorgehen zum Aufbau von Effektketten mittels der in Abschnitt 5.3 eingeführten
Effektmatrix angewendete werden.
Um mittels der Effektmatrix einen Zusammenhang zwischen einem zu erfassenden
Gestaltparameter und potentiellen Messgrößen herstellen zu können, ist folglich ein
Zwischenschritt notwendig. In diesem Zwischenschritt wird die vorgestellte Erweite-
rung des Effektkatalogs zur Gliederung des Katalogs genutzt. Eine Filterung des Effektka-
talogs nach dem gesuchten Gestaltparameter in der Rubrik „Zusammenhang über …“
führt auf Funktionsgrößen bzw. physikalische Effekte, die potentiell zur Bestimmung
des Gestaltparameters nutzbar sind. Diese können anschließend in der Effektmatrix als
Eingangsgrößen eingesetzt werden. Das prinzipielle Vorgehen ist in Abbildung 5.19
visualisiert.
Skizze Gestalt-
para-
meter
stoff-
liches
Merkmal
geomet-
risches
Merkmal
Zeit
Liter-
aturAusprägung Beispielweiter
Funktions-
größe
getroffene
Verein-
fachungen
Zusammenhang über ...
Gliederungste
il
Zugriffs
teil
Abbildung 5.19: Gliederung des Effektkatalogs über Gestaltparameter
bzw. stoffliche und geometrische Merkmale
95
Zugriffsteil des Effektkatalogs
Ziel des Zugriffsteils ist es, dem Anwendenden eine Vorauswahl der potentiell nutzbaren phy-
sikalischen Effekte zu ermöglichen (vgl. fünfte Anforderung aus Tabelle 5.1). Um einen
Abgleich zwischen Anforderungen und Randbedingungen der einzelnen Effekte und dem
individuell betrachteten technischen System zu ermöglichen, werden aus effektspezifischen
Anforderungen und Randbedingungen notwendige Eigenschaften des technischen Systems abge-
leitet und aufgeführt. Dieser Schritt wird über die in Abschnitt 2.1.2 beschriebene Feststellung
nach PAHL & BEITZ begründet, dass sich die notwendigen Voraussetzungen eines technischen Sys-
tems zur Realisierung eines physikalischen Effekts über die geometrischen, stofflichen und kine-
matischen Eigenschaften des technischen Systems beschreiben lassen. Um den angestrebten
Abgleich systematisch und automatisierbar durchführen zu können, werden allgemeingültige
Eigenschaften definiert, welche möglichst eine hierarchische Struktur aufweisen. Den Aus-
gangspunkt bildet die Differenzierung zwischen geometrischen, stofflichen und kinematischen
Eigenschaften eines technischen Systems.332
Geometrische Eigenschaften lassen sich allgemeingültig kategorisieren, nach PAHL & BEITZ bspw.
in die Merkmale Art, Form, Lage, Größe und Zahl sowie entsprechend zugehörigen Ausprägun-
gen.333 Da grundsätzliche physikalische Effekte allerdings nicht von einer definierten Geomet-
rie abhängen, wird festgestellt, dass anhand eines solchen allgemeingültigen Charakterisie-
rungsansatzes eine Festlegung von notwendigen geometrischen Eigenschaften für physikali-
sche Effekte nicht zielführend möglich ist. Da jedes materielle Objekt über geometrische
Eigenschaften verfügt, eine Beschreibung dieser aber nicht allgemeingültig in einen Zusam-
menhang mit den Anforderungen und Randbedingungen physikalischer Effekte gebracht
werden kann, werden im Folgenden die geometrischen Eigenschaften nicht weiter in den
Effektkatalog einbezogen. Vorliegende Informationen über geometrische Eigenschaften des
technischen Systems bieten davon unabhängig Potentiale, zusätzlich zu den in dieser Arbeit
eingeführten Ansätzen individuell eingesetzt zu werden. Insbesondere vor dem Hintergrund
der primären Funktionserfüllung durch funktionsrelevante Gestaltparameter sowie Bauraum-
beschränkungen sind die geometrischen Eigenschaften des Ausgangssystems zwingend indivi-
duell zu berücksichtigen.
Zur systematischen Vorauswahl potentiell nutzbarer physikalischer Effekte werden die stoffli-
chen und kinematischen Eigenschaften herangezogen. Stoffliche Eigenschaften können, auf die
jeweils betrachtete Komponente des technischen Systems bezogen, isoliert betrachtet werden.
Kinematische Eigenschaften hingegen benötigen immer einen zeitlichen und/oder räumliche
Bezug334 und können dementsprechend nur auf Systemebene betrachtet werden. Aus dieser
Tatsache folgt die Differenzierung der im Effektkatalog aufgeführten notwendigen Eigenschaf-
ten in komponentenabhängige und systemabhängige Eigenschaften (vgl. Abbildung 5.20).
332 Weiterführend wird darauf hingewiesen, dass sich ROTH ausführlich mit Zugriffs- und Gliederungsmerk-
malen für Kataloge auseinandersetzt und eine Sammlung entsprechender Merkmale in Roth (1982), S.
64 ff. präsentiert. 333 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 149. 334 Vgl. Baehr (1974), S. 51.
96
Komponentenabhängige Eigenschaften
[ geometrische Eigenschaften ]
Notwendige Eigenschaften eines technischen Systems
gemäß effektspezifischer Anforderungen und Randbedingungen
stoffliche Eigenschaften kinematische Eigenschaften
Systemabhängige Eigenschaften
Eigensch
aft
en
eines
tec
hnisch
en
Syste
ms n
ach
Pahl & B
eitz
1.) Allgemeine stoffliche Eigenschaften:
Merkmal:
Aggregatzustand
Ausprägungen:
fest
flüssig
gasförmig
2.) Anwendungsspezifische stoffliche
Merkmale:
Merkmal(e):
Effektkatalog -
Kategorie
Zusammenhang über
- Rubrik stoffliches
Merkmal
Ausprägungen:
Individuell prüfen ob
das jeweilige Merkmal
in einer nutzbaren
Ausprägung vorliegt
1.) Allgemeine kinematische Eigenschaften:
Merkmal:
Bewegungsart
Ausprägungen:
ruhend
translatorisch
rotatorisch
2.) Anwendungsspezifische
Randbedingungen:
Merkmal(e):
Effektkatalog -
Kategorie
Zusammenhang über
- Rubrik weitere
Funktionsgrößen
Ausprägungen:
Individuell prüfen ob die
entsprechende
Funktionsgröße in einer
nutzbaren Ausprägung
vorliegt
Ausprägungen:
gleichförmig
ungleichförmig
oszil lierend
Merkmal:
Bewegungsform
Zusammenhang über...
Gestalt-
parameter
weitere
Funktions-
größe
Zeit
geo-
metrisches
Merkmal
stoffliches
Merkmal
Zusammenhang über...
Gestalt-
parameter
weitere
Funktions-
größe
Zeit
geo-
metrisches
Merkmal
stoffliches
Merkmal
Abbildung 5.20: Gliederung notwendiger Eigenschaften des technischen Systems
resultierend aus effektspezifischen Anforderungen und Randbedingungen im Zugriffsteil
Als komponentenabhängige Eigenschaften werden in einem ersten Schritt allgemeine und in
einem zweiten Schritt anwendungsindividuelle stofflichen Eigenschaften der jeweiligen Kom-
ponente betrachtet. Zur allgemeingültigen Differenzierung wird der Aggregatzustand (fest,
flüssig, gasförmig) herangezogen (vgl. Abbildung 5.20). Aufbauend werden die im Hauptteil
in der Kategorie „Zusammenhang über…“ in der Rubrik „stoffliches Merkmal“ aufgeführten
Merkmale übernommen. Es ist anwendungsfallspezifisch zu prüfen, ob das entsprechende
stoffliche Merkmal in einer nutzbaren Ausprägung vorliegt.
Als systemabhängige Eigenschaften werden im ersten Schritt allgemeingültige kinematische
Merkmale der Komponente in Relation zum technischen System betrachtet. Hierzu werden
nach PAHL & BEITZ die Art und Form der Bewegung herangezogen.335 Mögliche Ausprägungen
der genannten Merkmale sind ruhend, translatorisch oder rotatorisch sowie gleichförmig,
ungleichförmig und oszillierend (vgl. Abbildung 5.20). Im zweiten Schritt werden die im Haupt-
teil in der Kategorie „Zusammenhang über…“ in der Rubrik „weitere Funktionsgrößen“ aufge-
335 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 149.
97
führten Funktionsgrößen betrachtet. Es ist anwendungsindividuell zu prüfen, ob die entspre-
chende Funktionsgröße im betrachten System in einer nutzbaren Ausprägung vorliegt.
Allgemein können darüber hinaus die im Effektkatalog in den Spalten „getroffene Annahmen“
und „Ausprägung des Effekts“ effektindividuell aufgeführten Informationen zur Vorauswahl der
potentiell nutzbaren physikalischen Effekte herangezogen werden.
Komponentenabhängige
(stoffliche) Eigenschaften
Notwendige Eigenschaften eines technischen SystemsGliederungste
ilSystemabhängige
(kinematische) Eigenschaften
Merkmal Ausprägung Merkmal Ausprägung
Hauptt
eil
Abbildung 5.21: Aufbau des Zugriffsteils des Effektkatalogs
Ziel des beschriebenen und in Abbildung 5.21 dargestellten Zugriffsteils ist es, die Möglichkeit
der Selektion bzw. Vorauswahl potentieller Effekte anhand eines Abgleichs zwischen notwen-
digen Eigenschaften der betrachteten Komponente bzw. des Systems aus Effektsicht und vor-
liegenden bzw. herstellbaren Eigenschaften zu schaffen. Hierbei wird explizit darauf hingewie-
sen, dass gegenwärtig bestehende Eigenschaften einer Komponente potentiell verändert wer-
den können, um bestimmte physikalische Effekt zu ermöglichen. Insbesondere stoffliche
Eigenschaften weisen dieses Potential auf, solange die funktionsrelevanten Eigenschaften
nicht negativ beeinflusst werden. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit eines Austauschs oder
einer lokalen Modifikation der betrachteten Komponente. Da kinematische Eigenschaften in
der Regel unmittelbar funktionsrelevant sind, bieten sie dieses Änderungspotential gewöhn-
lich nicht.
Eine Unverträglichkeit zwischen den Eigenschaften des technischen Systems und notwendigen
Eigenschaften aus der Perspektive eines potentiellen physikalischen Effekts führt zum Aus-
schluss des jeweiligen Effekts.
5.4.3 Anwendbarkeit des Effektkatalogs
Der Fokus des Abschnitts 5.4 liegt auf der Konzipierung und Entwicklung eines Effektkatalogs,
welcher gemeinsam mit der in Abschnitt 5.3 eingeführten Effektmatrix ein Katalogsystem bil-
det. In diesem Rahmen ist es das primäre Ziel des Effektkatalogs, die zur Konzeptionierung
messtechnisch nutzbarer Effektketten relevanten Informationen über die in der Effektmatrix
verzeichneten physikalischen Effekte im Hauptteil bereitzustellen. Weiterhin ist ein effizienter
Zugriff auf diese Informationen über den Zugriffsteil zu ermöglichen. Die Anwendbarkeit wird
hierbei durch eine Antizipation einer späteren praktischen Nutzung sowie einer potentiellen
(Teil-) Automatisierung des Vorgehens bspw. in einem Online-Tool einbezogen. Durch die zur
Effektmatrix konsistente Betrachtung der Zusammenhänge auf dem Abstraktionsniveau phy-
sikalischer Effekte, wird die Allgemeingültigkeit und Anwendbarkeit für einen möglichst gro-
ßen Nutzerkreis ermöglicht (vgl. zehnte Anforderung aus Tabelle 5.1). Dem Wunsch nach
einem schnellen bzw. effizienten Zugriff auf die aufgeführten Informationen gemäß der elften
Anforderung aus Tabelle 5.1 wird über die Einführung eines Zugriffsteils im Effektkatalog
begegnet.
98
5.5 Anwendung des Katalogsystems –
Erfassung der Dehnung von Zugträgern in einem Zahnriemen
Im folgenden Abschnitt wird das Katalogsystem beispielhaft eingesetzt, um Zusammenhänge
zwischen der Dehnung eines Zahnriemens bzw. dessen Zugträgern und potentiellen Messgrößen
zur Quantifizierung dieser Dehnung herzustellen.
5.5.1 Grundlagen zum Zahnriemen(-trieb)
Zur bewegungstreuen Übertragung von Antriebsmomenten werden Zahnriemen bzw. Zahn-
riemengetriebe als Zugmitteltriebe im industriellen Umfeld in verschiedensten Anwendungen
eingesetzt. Neben der Bewegungstreue, stellen die vergleichsweise geringe Masse/Trägheit
und Einsetzbarkeit in einem breiten Drehzahlbereich, die verhältnismäßig kostengünstige
Überbrückung größerer Wellenabstände sowie der schmierungsfreie und mit geringem War-
tungsaufwand verbundene Betrieb wesentliche Vorteile einer Kraftübertragung mittels eines
Zahnriementriebs dar.336
Im einfachsten Aufbau besteht ein Zahnriementrieb aus einer treibenden und einer getriebe-
nen Riemenscheibe sowie dem eigentlichen Zahnriemen. Um die notwendige Vorspannkraft
des Zahnriemens zu erzeugen, ist in diesem Fall eine Verschiebung des An- bzw. Abtriebs
notwendig. Da eine solche Verschiebung des An- bzw. Abtriebs in vielen technischen Anwen-
dungen nicht sinnvoll und/oder möglich ist, wird häufig ein separates Spannelement ohne An-
bzw. Abtriebsfunktion in Form einer Spannrolle eingesetzt (vgl. Abbildung 5.22).
Antriebsscheibe AbtriebsscheibeSpannrolleZahnriemen
Abbildung 5.22: Beispielhafter Aufbau eines Zahnriementriebs bestehend aus Antrieb, Abtrieb,
Spannrolle und dem eigentlichen Zahnriemen
Da die Zähne des Zahnriemens formschlüssig in die Riemenscheibe greifen, ist die Überein-
stimmung zwischen der Riementeilung und der Scheibenteilung (vgl. Abbildung 5.23) eine
wesentliche Voraussetzung für den korrekten Betrieb eines Zahnriementriebs. Im Betrieb tritt
durch die sich überlagernde Beanspruchung des Zahnriemens, infolge der notwendigen Vor-
spannkraft FV und der übertragenen Last, eine Dehnung des Zahnriemens auf. Da sich als
Konsequenz die Riementeilung gegenüber dem unbelasteten Zustand verändert, wird die Be-
lastbarkeit eines Zahnriemens im Betrieb im Wesentlichen über die Riemensteifigkeit limitiert.
336 Vgl. Kirchner (2020a), S. 554 sowie Perneder (2009), S. 3 f.
99
Teilung
Profil
Abtriebs-
scheibe
Antriebs-
scheibe
Abbildung 5.23: Aufbau eines Zahnriementriebs337
Der Aufbau eines Zahnriemens setzt sich aus einem Basiswerkstoff und darin eingebetteten
längsstabilen Zugträgern (vgl. Abbildung 5.24) zusammen. Der im Folgenden exemplarisch
betrachtete Zahnriemen enthält Stahlseile als Zugträger, welche in eine Matrix aus
Polyurethan (PU) eingebettet sind. Die Betriebskraft wird mittels der Zahnscheiben über die
PU-Matrix in den Riemen eingeleitet. Im Last- bzw. Leertrum wird die Kraft überwiegend
durch die Zugträger geleitet.
Zugträger
(Stahlseile)
Basiswerkstoff
(Polyurethan)
Abbildung 5.24: Exemplarischer Aufbau eines Zahnriemens338
Über die Betriebszeit hinweg tritt eine Reduktion der Steifigkeit des gesamten Zahnriemens
auf. Übersteigt die aus der Gesamtdehnung des Zahnriemens resultierende Teilungsdifferenz
zwischen Riemen- und Scheibenprofil das Lückenspiel, nehmen die Eingriffsbeanspruchungen
stark zu und es kann zum Aufsteigen und Überspringen des Riemens kommen. Um dies im
Betrieb zu verhindern, ist es von Interesse, unzulässig große Dehnungen eines Zahnriemens im
Betrieb zu erkennen und frühzeitig einen Austausch des Riemens oder ggf. eine Lastreduktion
vorzunehmen.
5.5.2 Ziel und Umfang der beispielhaften Betrachtung
Ziel des Beispiels ist es, gemäß der im Abschnitt 5.3 vorgestellten Effektmatrix und dem zuge-
hörigen Effektkatalog (vgl. Abschnitt 5.4) systematisch einen Zusammenhang zwischen der
Dehnung ε der Zugträger und potentiellen Messgrößen zur Erfassung und Quantifizierung dieser
337 Eigene Darstellung, nach Nagel (2008), S. 13. 338 Eigene Darstellung, nach Nagel (2008), S. 28.
100
Dehnung herzustellen. Hierzu ist neben dem entwickelten Katalogsystem die Entwicklung
eines prinzipiellen Vorgehens zur Anwendung des Katalogsystems notwendig. Der maximale
Betrachtungsumfang umfasst gemäß Abbildung 5.25 den Zahnriemen, die treibende und die
getriebene Riemenscheibe sowie eine Spannrolle (vgl. Abbildung 5.22).
treibende
Zahnscheibe
getriebene
Zahnscheibe
Zahnriemen
Systemgrenze
PU-Matrix
Zugträger
Spannrolle
Abbildung 5.25: Darstellung des maximalen Betrachtungsumfangs im Rahmen des Beispiels in
Form eines strukturalen Systemmodells
Allgemein muss die Detailtiefe der Betrachtung an die Anforderungen und Randbedingungen
der Entwicklungsaufgabe angepasst werden. Komponenten, die nicht beeinflusst werden kön-
nen, werden bspw. weniger detailliert dargestellt als beeinflussbare Komponenten. Da das
betrachtete Beispiel aus einem Kooperationsprojekt mit der Firma BRECO Antriebstechnik
Breher GmbH & Co. KG (kurz: BRECO) zur Entwicklung eines sensorintegrierenden Zahnrie-
mens stammt, wird der Zahnriemen in sich auch als beeinflussbare Komponente betrachtet.
Da die Zugträger und die umgebende PU-Matrix des Zahnriemens signifikant unterschiedliche
physikalische Eigenschaften aufweisen, wird in der folgenden Modellierung weiterhin zwi-
schen PU-Matrix und Zugträger differenziert (vgl. Abbildung 5.25). Dabei gilt es zu beachten,
dass die Zugträger im Inneren der PU-Matrix eingebettet sind. Aufgrund der geometrischen
Kopplung der Zugträger und der PU-Matrix treten diese im technischen System als ein Element
in Form des Zahnriemens auf.
5.5.3 Potentielle Messgrößen zur Erfassung der Dehnung von Zugträgern
Um einen nutzbaren Zusammenhang zwischen der Dehnung der Zugträger des Zahnriemens
und potentiellen Messgrößen herzustellen, ergeben sich zwei prinzipielle Freiheitsgrade:
• Zum einen können ausgehend von den Zugträgern die weiteren Komponenten inner-
halb des Betrachtungsumfangs gemäß Abbildung 5.25 als potentielle Messorte in
Betracht gezogen werden und
• zum anderen kann die Anzahl der in Betracht gezogenen Wandlungen innerhalb einer
betrachteten Komponente variiert werden.339
Abbildung 5.26 verdeutlicht die beiden Optionen ausgehend von den Zugträgern als initialem
Auftretensort der zu erfassenden Dehnung ε.
339 Vgl. Vorwerk-Handing et al. (2018), S. 6 ff.
101
Zahn-
riemen
Energieaustausch zwischen den Komponenten
des Systems über Fluss- und Potentialgrößen
Zugträger
Potentielle
Messgrößen
Ziel:
Quantifizierung der
Dehnung der Zugträger
Wandeln & Umformen
physikalischer Größen
treibende
Zahnscheibe
Einsatz (kommerziell) verfügbarer Sensorik / Messtechnik
(Erfassung der Messgröße(n) und Verarbeitung der Daten zu einer Information)
Dehnung
ε
...
...
getriebene
Zahnscheibe
Riemen-
körper
Spannrolle
Abbildung 5.26: Ansätze zur Ableitung potentieller Messgrößen am Beispiel des
Zahnriementriebs ausgehend von der Dehnung der Zugträger
Die Anzahl der einbezogenen Wandlungen wird über die Anzahl der Iterationen in der
Ursache-Wirkung-Betrachtung (vgl. Abbildung 5.27) in der Effektmatrix bestimmt. Ein allge-
meingültiges Vorgehen bzgl. der beiden aufgezeigten Freiheitsgrade lässt sich nicht begründet
festlegen. Je nach Anforderungen und Randbedingungen muss individuell ein zweckmäßiges
Vorgehen vom Anwendenden gewählt werden. Im Rahmen des Beispiels soll explizit die
Anwendung des Katalogsystems verdeutlicht werden. Die Zugträger, als initialer Auftretensort
der Dehnung ε, werden entsprechend als potentieller Messort betrachtet. Ausgehend von der zu
erfassenden Dehnung ε werden weiterhin initial zwei Wandlungen betrachtet.
Die zu erfassende Dehnung ε ist, gemäß des in Unterabschnitt 5.3.1 beschriebenen und in
Abbildung 5.12 dargestellten Aufbaus der Effektmatrix, im Teilgebiet der Mechanik unter der
bilanzierungsfähigen Größe des translatorischen Impulses p als eine aus der Verschiebung s
abgeleitete physikalische Größe aufgeführt. Ausgehend von der Betrachtung der zu erfassen-
den Größe als Eingangsgröße der entwickelten Effektmatrix (Ursache), ist es unmittelbar mög-
lich, zeilenweise potentielle Wirkungen zu identifizieren. Hierzu stehen die einzelnen Einträge
in der betrachteten Zeile jeweils im Kreuzungsfeld zur potentiellen Wirkung, dem Ausgang
der Effektmatrix (vgl. Abbildung 5.27). Im jeweiligen Kreuzungsfeld ist der bzw. sind die phy-
sikalische(n) Effekt(e) verzeichnet, die einen Zusammenhang zwischen der Dehnung ε und
möglichen (Aus-)Wirkungen, d. h. potentiellen Messgrößen herstellen.
102
Ursache
Wirkung
...
... ...
...
j
iEffekt(e) n, n+1, ...
Iteration der (initialen) Ursache-Wirkungs-Betrachtung
Erfasste Wirkungen werden im nächsten Iterationsschritt
als Ursachen erneut betrachtet
Zelle [ i / j ]
Abbildung 5.27: Vorgehen zur [Iteration einer (initialen)] Ursache-Wirkung-Betrachtung
Der eindimensionale Effektkatalog, gemäß Abschnitt 5.4, stellt aufbauend die zur Konzeptio-
nierung messtechnisch nutzbarer Effektketten relevanten Informationen über die verzeichne-
ten physikalischen Effekte bereit. Weiterhin wird, mittels des im Effektkatalog enthaltenen
Zugriffsteils, eine Selektion bzw. Vorauswahl potentieller Effekte ermöglicht. Diese basiert auf
einem Abgleich zwischen notwendigen Eigenschaften der betrachteten Komponente bzw. des
Systems aus Effektsicht und vorliegenden bzw. herstellbaren Eigenschaften der Komponente
bzw. des Systems (vgl. Unterabschnitt 5.4.2).
Die zu erfassende Dehnung ε kann sich gemäß Unterabschnitt 5.3.1 sowohl auf weitere Funk-
tionsgrößen, als auch auf Gestaltparameter auswirken:
• Im Fall einer auftretenden elastischen Dehnung εelastisch stellt bspw. das Hooke’sche
Gesetz einen Zusammenhang zu einer Kraft F her, d. h. zu einer weiteren Funktions-
größen.
Eine mögliche messtechnische Nutzung dieses Falls stellt die Erfassung der Abnahme
der Vorspannkraft FV im Zahnriemen in einem wegvorgespannten Aufbau (feste Spann-
rolle) dar. Messgeräte zur Bestimmung der Vorspannkraft FV im Zahnriemen sind in
verschiedensten Ausführungen kommerziell verfügbar.
• Die Dehnung ε ist definiert als Quotient aus der Längenänderung bzw. Verschiebung
s und der Ausgangslänge l0. Die sich einstellende Länge l = l0 + s stellt eine Änderung
der geometrischen Eigenschaft des Riemens (Gestaltparameter) dar.
In diesem Fall stellt die Messung der sich einstellenden resultierenden Länge l eine
Möglichkeit zur Bestimmung der Verschiebung s dar.340 Eine Anwendung dieses Falls
stellt die Verwendung von (Verschleiß-) Lehren dar.
Insbesondere für die Betrachtung der erfassten Auswirkungen als Ursachen im nächsten Itera-
tionsschritt, ist diese Differenzierung zu beachten. Funktionsgrößen können in diesem Zusam-
menhang gemäß Abbildung 5.27 unmittelbar wieder als Ursachen in der Effektmatrix betrach-
tet werden. Die identifizierten Gestaltparameter müssen zur erneuten Betrachtung gemäß
340 Es wird die Kenntnis über die Ausgangslänge l0 vorausgesetzt.
103
Unterabschnitt 5.4.2 in einem Zwischenschritt erst mit nutzbaren Funktionsgrößen bzw. phy-
sikalischer Effekte verknüpft werden, welche von der Änderung des Gestaltparameters beein-
flusst werden. Hierzu wird die in Unterabschnitt 5.4.2 vorgestellte Erweiterung des Effektka-
talogs zur Gliederung des Katalogs eingesetzt. Eine Filterung des Effektkatalogs nach dem
betreffenden Gestaltparameter in der Rubrik „Zusammenhang über …“ führt auf potentiell
nutzbare Funktionsgrößen bzw. physikalische Effekte (vgl. Abbildung 5.19). Diese können
anschließend in der Effektmatrix als Eingangsgrößen (Ursache) für eine erneute Betrachtung
eingesetzt werden.
Ein Ausschnitt der auf diese Weise identifizierten potentiellen Messgrößen zur Erfassung der
Dehnung von Zugträgern ist in Abbildung 5.28 dargestellt.
treibende
Zahnscheibe
Zahnriemen
Komponenten
des Systems Zu erfassende
Zustandsgröße
Potentielle Messgrößen
Dehnung
ε
Riemen-
körper
Zugträger
getriebenen
Zahnscheibe
Flussgröße
(Einpunktgröße )
Extensum
(Zweipunktgröße )
Geometrisches
Merkmal
Definition der
Dehnung
Definition der
Dehnung
Querkon -
traktion
Elastische
Dehnung
(Hooke 'sches
Gesetz )
...
Eigenfrequenz
fλ
Permeabilität
µ
...
Längskraft (im
Lasttrum) FL
Verschiebung
s
Länge
l
......
...
...
Zeit
Gestalt-
parameter
*Gestaltparameter ergeben sich aus geometrischen und stofflichen Merkmalen eines Objekts . Entsprechend wirkt
sich eine Beeinflussung eines geometrischen oder stofflichen Merkmals indirekt auf Gestaltparameter aus .
Saiten-
gleichung
Magnetoelas-
tischer Effekt
...
...
...
...
...
Querschnitts -
fläche A
el. Widerstand R
Reluktanz Rm
Induktivität L
...
Erste
Ite
ration d
es V
orgehens
Zw
eite W
andlu
ng
Legende :
*
Erste
Wandlu
ng
Abbildung 5.28: Ausschnitt der identifizierten potentiellen Messgrößen zur Erfassung der
Dehnung der Zugträger im betrachteten Zahnriemen341
341 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Vorwerk-Handing et al. (2019), S. 5.
Hinweis des Autors: Die exemplarisch aufgeführten Effekte und potentiellen Messgrößen gehen auf Asan
(2019) zurück. Eine vollständige Auflistung aller erfassten Effekte, sowohl vor als auch nach einer
Vorauswahl, kann Asan (2019) S. 45 ff. entnommen werden.
104
In dem in Unterabschnitt 5.5.2 genannten Kooperationsprojekt mit der Firma BRECO wird
eine Erfassung der Eigenfrequenz fλ ohne externe Anregung anhand der auftretenden Betriebs-
schwingungen angestrebt. Eine Übersicht über die genutzte Effektkette ist in Abbildung 5.29
gegeben.
Elastische Dehnung
FL ~ εSaitengleichung
fλ ~ FLLängskraft (im
Lasttrum ) FL
Einsatz (kommerziell)
verfügbarer Sensorik /
Messtechnik zur
Erfassung der
Eigenfrequenz fλ und
Verarbeitung der Daten
zu einer Information
potentielle
Messgröße
Zu erfassende
Zustandsgröße
Dehnung
ε Eigenfrequenz
fλ
Abbildung 5.29: Effektkette des Messkonzepts des „Intelligenten Zahnriemens“
Um die identifizierte Effektkette praktisch nutzbar zu machen, wurde ein Sensorknoten ent-
wickelt, der es ermöglicht, die auftretenden Beschleunigungen zu erfassen und drahtlos an
einen Empfänger zu senden.342 Auf Basis der Messdaten wird eine Information über die Trans-
versalschwingungen des Zahnriemens gewonnen und daraus die Eigenfrequenzen des Zahn-
riemens abgeleitet.343 Der Sensorknoten inkl. Bluetooth-Sender sowie ein Li-Polymer-Akku zur
Energieversorgung wurden wie in Abbildung 5.30 dargestellt in zwei benachbarte Zähne des
Zahnriemens integriert.344
Sensorknoten inkl.
Bluetooth-Sender
Li-Polymer-Akku
Zahnriemen
Abbildung 5.30: Intelligenter Zahnriemen345
Weitere erfasste, in Abbildung 5.28 ausschnittsweise aufgezeigte, potentielle Messgrößen, bie-
ten darüber hinaus Ansatzpunkte für die Entwicklung alternativer Lösungen. Übliche Messme-
thoden zur Bestimmung der Vorspannkraft von Zahnriemen nutzen gegenwärtig den Zusam-
menhang zwischen Vorspannkraft FV und Eigenfrequenz fλ eines schwingenden Trums.346 In
artverwandten Anwendungen wie z. B. Fördergurten werden bereits Sensorlösungen einge-
setzt, die auf magnetischen Eigenschaften des Fördergurts basieren.347
342 Vgl. Großkurth und Martin (2019), S. 2. 343 Vgl. Großkurth und Martin (2019), S. 3. 344 Vgl. Großkurth und Martin (2019), S. 3 f. 345 Eigene Darstellung, nach Vorwerk-Handing et al. (2020a), S. 10 bzw. Großkurth und Martin (2019), S. 4. 346 Vgl. Perneder (2009), S. 101 f. 347 Vgl. Continental AG (2017).
105
6 Unsicherheitsbetrachtung – Abschätzung der Funktionsfähigkeit
entwickelter Effektketten
Bestehende Katalogsysteme, bspw. nach KOLLER und ROTH, sind vor dem Hintergrund der
Funktionsrealisierung durch physikalische Effekte für die Entwicklungsphase von Lösungsprin-
zipien bzw. prinzipiellen Lösungskonzepten entwickelt worden (vgl. Unterabschnitt 2.1.4 und
2.4.1). Entsprechend finden Umgebungs- und Randbedingungen in Form einer Gestalt (Eigen-
schaften) und Störgrößen bisher keine Berücksichtigung. Da im Kontext der angestrebten Ver-
wendung des entwickelten Katalogsystems Informationen über das betrachtete (bestehende)
technische System vorliegen bzw. gewonnen werden können, ist es sinnvoll, diese Informati-
onen einzubeziehen. Umgesetzt wird dies, indem die Ein- und Auswirkungen von Umgebungs-
und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten und damit die prinzipielle Funktions-
fähigkeit entwickelter Konzepte frühzeitig geprüft werden. Dem allgemeinen Bestreben nach
Frontloading in der Produktentwicklung entsprechend, wird auf diese Weise eine Auswahl
ermöglicht, in der nicht erfolgsversprechende Effektketten bzw. Konzepte ggf. frühzeitig
begründet abgebrochen werden können.
Die Inhalte dieses Kapitels bauen auf den in Abschnitt 2.3 zusammengefassten Grundlagen zu
Unsicherheit aus Sicht der Produktentwicklung und Messtechnik auf. Es wird dargestellt, wie
durch eine Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von Umgebungs- und
Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels einer Unsicherheitsbetrachtung,
die prinzipielle Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten frühzeitig geprüft werden kann
(vgl. 1. Forschungsfrage – Abschnitt 4.3). Das Ziel gemäß Abschnitt 4.2 ist es, die prinzipielle
Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten zu prüfen und begründet nicht erfolgsverspre-
chende Effektketten frühzeitig abzubrechen. Hierzu wird in Abschnitt 6.1 dargestellt, welche
bestehenden Methoden zur Erfassung von Unsicherheit zur Identifikation der Ein- und Aus-
wirkungen von Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten einge-
setzt werden können (vgl. Forschungsfrage 2 a) – Abschnitt 4.3). Aufbauend wird in Abschnitt
6.2 die Berücksichtigung der identifizierten Unsicherheit in Form einer Beurteilung und
Ansätzen zur Beherrschung beschrieben (vgl. Forschungsfrage 2 b) und c) – Abschnitt 4.3). In
den einzelnen Abschnitten wird die in Unterabschnitt 5.5.3 beschriebene Effektkette im Mess-
konzept des „Intelligenten Zahnriemens“ (vgl. Abbildung 5.29) aufgegriffen und die jeweiligen
Inhalte exemplarisch an diesem Beispiel verdeutlicht.
6.1 Identifikation von Unsicherheit in Effektketten
Die in Unterabschnitt 2.4.4 beschriebene UMEA-Methodik nach ENGELHARDT befasst sich im
zweiten der fünf Schritte mit der Identifikation von Unsicherheit. Hierzu werden allgemein-
gültige Modelle und qualitative Methoden zur Identifikation von Unsicherheit beschrieben.348
Durch den unspezifischen Charakter der Methodik ist sie einerseits allgemeingültig und ent-
sprechend auf die in dieser Arbeit betrachtete Problemstellung anwendbar, andererseits aber
nicht in der Lage eine konkrete Unterstützung zu liefern.
348 Vgl. Engelhardt (2012), S. 55 ff.
106
Aus diesem Grund wird im Folgenden, bezugnehmend auf die UMEA sowie die enthaltenen
Modelle und Methoden, gezielt die Identifikation von Unsicherheiten im Kontext einer mess-
technisch nutzbaren Effektkette betrachtet, welche einen Zusammenhang zwischen einer sys-
temspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen herstellt. WELZBACHER analysiert
die in der UMEA aufgeführten deduktiven und induktiven Methoden zur Identifikation und
Berücksichtigung von Unsicherheiten im Hinblick auf ihren typischen Anwendungsbereich,
ihre Ziele, das angewendete Verfahren, die erforderlichen Informationen sowie spezifische
Vor- und Nachteile.349 Anschließend wird eine systematische Auswahl und Bewertung vor dem
Hintergrund der angestrebten Identifikation von Unsicherheiten im Rahmen der konzeptio-
nellen Integration von Messfunktionen in ein bestehendes technisches System durchgeführt.350
Entsprechend der ermittelten Rangfolge wird die Fault Tree Analysis (FTA) bzw. Fehlzustands-
baumanalyse zur Identifikation von Unsicherheit ausgewählt.351
Für die folgenden Inhalte wird unter Verweis auf den oben genannten Bewertungs- und Aus-
wahlprozess die Fehlzustandsbaumanalyse als Ansatz für eine deduktive Analyse zur Identifi-
kation von Unsicherheit gewählt. Anstelle eines Systemausfalls oder Fehlers, steht an der
Spitze des „Fehlzustandsbaums“ die zu identifizierende Unsicherheit. Dieser Ansatz wird in
Teilen mit der Manifestation von Unsicherheit im Systemmodell nach KREYE ET AL. (vgl. Unter-
abschnitt 2.3.1) verknüpft. Eine Einordnung der Manifestation von Unsicherheit nach KREYE
ET AL. in den Kontext der Sensorintegration in (bestehende) technische Systeme ist in
Abbildung 6.1 dargestellt.
beabsichtigte &
unbeabsichtigte Interaktion
Technisches System
Umwelt
Eingangsgrößen
des Modells der
Auswertung
- Messgrößen
- Gestaltparameter
Bestehendes (ursprüngliches)
technisches System
Sensorik
(technische Realisierung der Messfunktion)
Modell der
Auswertung
Eingangsgrößen des
technischen Systems
Ausgangsgrößen des
technischen Systems
Kontext
(-unsicherheit)
Daten-
unsicherheit
Modell-
unsicherheit
Ausgangsgröße
des Modells der
Auswertung
Information über
die zu bestimmende
Zustandsgröße
Phänomenologische Unsicherheit
Abbildung 6.1: Einordnung der Manifestation von Unsicherheit nach KREYE ET AL. in den Kontext
der Sensorintegration in (bestehende) technische Systeme
Umgesetzt wird die beschriebene Verknüpfung der modifizierten Fehlzustandsbaumanalyse
und der Manifestation von Unsicherheit im Systemmodell, indem in der ersten Ebene der FTA
die Differenzierung von Daten- und Modellunsicherheit und die Zusammenhänge zur Kontex-
tunsicherheit angewendet und übernommen werden (vgl. Abbildung 6.2).
349 Vgl. Welzbacher (2020), S. 33 ff. 350 Vgl. Welzbacher (2020), S. 43 ff. 351 Vgl. Vorwerk-Handing et al. (2020b), S. 2 sowie Welzbacher (2020), S. 45
107
statische oder dynamische
Beeinflussung
statische
Abweichung
indirekte
Überlagerung
direkte
Überlagerung
Umgebungs- und Randbedingungen
(Stör- und Nebengrößen)
Unsicherheit
Datenunsicherheit Modellunsicherheit
Kontextunsicherheit
... ... ...
Abbildung 6.2: Ansatz zur Identifikation von Unsicherheit auf Basis einer
Fehlzustandsbaumanalyse
Die darüber hinaus nach KREYE ET AL. manifestierte phänomenologische Unsicherheit
beschreibt die Unsicherheit, die aus unbekannten und daher nicht berücksichtigten Einflüssen
oder Ereignissen resultiert und ist per Definition nie vollständig beschreibbar (vgl. Unterab-
schnitt 2.3.1). Die im Entwicklungsprozess auftretende phänomenologische Unsicherheit
hängt u. a. vom gewählten Ansatz und dem Vorgehen ab und kann durch ein systematisches
Vorgehen reduziert werden. Folglich ist die Verwendung des in dieser Arbeit beschriebenen
systematischen Katalogsystems, im entsprechenden Kontext, als Ansatz zur Reduktion phäno-
menologische Unsicherheit zu sehen. Da phänomenologische Unsicherheit jedoch nicht allge-
mein identifiziert werden kann, wird sie an dieser Stelle nicht unmittelbar einbezogen.
6.1.1 Kontextunsicherheit
Kontextunsicherheit ergibt sich gemäß Unterabschnitt 2.3.1 aus den Umgebungs- und Rand-
bedingungen des betrachteten (technischen) Systems und lässt sich in endogene und exogene
Unsicherheit unterscheiden. Hinsichtlich der konzeptionellen Integration von Messfunktionen
steht der Nutzungskontext des Systems im Vordergrund. Insbesondere die physikalische
Umgebung der Messfunktion ist hierbei von Relevanz, da sie die Messfunktion durch Störun-
gen beeinflussen kann. Die physikalische Umgebung der Messfunktion besteht hierbei nicht
nur aus der Umgebung des bestehenden technischen Systems (exogene Kontextunsicherheit),
sondern auch aus dem technischen System selbst (endogene Kontextunsicherheit) (vgl.
Abbildung 6.1). Insbesondere müssen Nebengrößen berücksichtigt werden, die unbeabsichtigt
im Zusammenhang mit der Erfüllung der Hauptfunktion auftreten. Durch die Verursachung
von Daten- und/oder Modellunsicherheit kann sich die Kontextunsicherheit indirekt negativ
auf die Integration von Messfunktionen auswirken (vgl. Abbildung 6.2).
Zur Identifikation von Kontextunsicherheit in Form von Stör- und Nebengrößen, können
sowohl intuitive als auch systematische Ansätze gewählt werden. Um die phänomenologische
Unsicherheit möglichst gering zu halten, eignet sich insbesondere eine systematische Erfas-
sung von Stör- und Nebengrößen bspw. mithilfe der von MATHIAS entwickelten „Liste normier-
ter Störgrößenbezeichnungen“ 352.
352 Vgl. Mathias (2016), S. 51 ff.
108
Um die Kompatibilität zwischen der bestehenden „Liste normierter Störgrößenbezeichnungen“
nach MATHIAS und dem entwickelten Katalogsystem zu erhöhen, ist es sinnvoll, die aus der
aufgeführten Störgröße resultierenden physikalischen Einflussgrößen im Kontext des Ursache-
Wirkung-Zusammenhangs mit aufzuführen (vgl. Abbildung 6.3). Die physikalischen Einfluss-
größen sind hierbei physikalische Größen, die aus Störgröße resultieren und auf die Messfunk-
tion oder das technische System wirken. Ein entsprechender Ansatz einer Prüfliste zur Identi-
fikation von Kontextunsicherheit im Rahmen der konzeptionellen Integration von Messfunkti-
onen in bestehende Systeme wird im Beitrag „Consideration of uncertainty within the
conceptual integration of measurement functions into existing systems“ 353 vorgestellt. Die vorge-
stellte und in Abbildung 6.3 ausschnittsweise dargestellte Prüfliste basiert auf der von MATHIAS
entwickelten „Liste normierter Störgrößenbezeichnungen“. Die aufgeführten Störgrößen
werden den verschiedenen Teildisziplinen der Physik (Mechanik, Elektrizität, ...) zugeordnet.
Darüber hinaus werden zwei wesentliche Erweiterungen vorgeschlagen:
• Den Störgrößen werden jeweils physikalische Einflussgrößen, konsistent zu dem in
dieser Arbeit eingeführten Katalogsystem, zugeordnet. Diese Durchgängigkeit ist für
die weitere Berücksichtigung der identifizierten Unsicherheit in Abschnitt 6.2 sinnvoll.
• Weiterhin ist jeder potentiellen Störgröße ein Bearbeitungsfeld für das Auftreten und
die Quantifizierung/Beschreibung der zugehörigen physikalischen Einflussgrößen
zugeordnet. Auf diese Weise werden sowohl bereits bekannte Informationen über die
betreffende Störgröße schriftlich dokumentiert, als auch eine Nachvollziehbarkeit zu
einem späteren Zeitpunkt oder für Dritte sichergestellt.
Mechanik:
Bewegungsbasierte Phänomene:
Potentielle Störgröße
Beschleunigung entgegen
Bewegungsrichtung
Piktogramm AuftretenPhysikalische Einflussgröße(n) Quantifizierung/Beschreibung
Beschleunigung a
Beschleunigung in
Bewegungsrichtung Beschleunigung a
Beschleunigung: Newton´sche Gravitation
Beschleunigung a
Erhöhung der
Winkelgeschwindigkeit Winkelbeschleunigung ω
Verringerung der
Winkelgeschwindigkeit Winkelbeschleunigung ω
Gleiten zwischen Festkörpern
mit direktem Kontakt
Verschiebung s
Kraft F
Temperatur T
.
.
Inhalt gemäß der Liste normierter
Störgrößenbezeichnungen nach MATHIASErweiterung
Abbildung 6.3: Ausschnitt einer Prüfliste zur Identifikation von Kontextunsicherheit
nach VORWERK-HANDING ET AL.354
353 Vorwerk-Handing et al. (2020b); siehe auch Welzbacher (2020), S. XVIII ff. 354 Vgl. Vorwerk-Handing et al. (2020b), S. 3 (basierend auf der von Mathias (2016), S. XVI ff. entwickelten
Liste normierter Störgrößenbezeichnungen).
109
Intelligenter Zahnriemen
Für das Messkonzept des „Intelligenten Zahnriemens“ (vgl. Abbildung 5.29 und Abbildung
5.30) führt WELZBACHER die ausgefüllte Prüfliste, reduziert auf die potentiell auftretenden Stör-
größen, im Anhang seiner Arbeit auf.355 Die identifizierte Kontextunsicherheit wirkt sich
gemäß Abbildung 6.2 indirekt durch die Verursachung von Daten- und/oder Modellunsicher-
heit auf die Messfunktionen aus. Die relevanten Einflüsse werden dementsprechend jeweils
im Rahmen der Identifikation der Modell- und Datenunsicherheit in den Unterabschnitten
6.1.2 und 6.1.3 näher beschrieben.
6.1.2 Modellunsicherheit
Modellunsicherheit beruht auf Vereinfachungen, die im Zuge der Modellierung bewusst oder
unbewusst vorgenommen werden und zu einer unvollständigen oder unzureichenden Abbil-
dung der Realität führen (vgl. Unterabschnitt 2.3.1). Im Kontext der konzeptionellen Integra-
tion von Messfunktionen in ein bestehendes System, tritt die Unsicherheit des konzeptionellen
Modells der Auswertung in den Vordergrund. Es wird davon ausgegangen, dass die zur Reali-
sierung der Messfunktion verwendete Wirkungskette und die darin enthaltenen einzelnen
physikalischen Effekte bekannt sind. Diese physikalischen Effekte werden als beabsichtigte
Effekte definiert. Die Modellunsicherheit ergibt sich aus physikalischen Effekten, die parallel
zu diesen beabsichtigten Effekten auftreten und nicht im Modell berücksichtigt werden. Diese
unbeabsichtigten Effekte können die beabsichtigten Effekte überlagern. Je nach Art der Über-
lagerung wird zwischen direkter und indirekter Überlagerung differenziert (vgl. Abbildung
6.4).356
• Eine direkte Überlagerung der beabsichtigten Effektkette resultiert aus einer unbeab-
sichtigten Effektkette, die die gleiche Ein- und Ausgangsgröße wie die beabsichtigte
Effektkette aufweist.
• Eine indirekte Überlagerung der beabsichtigten Effektkette tritt auf, wenn die Ausgangs-
größe eines unbeabsichtigten Effekts oder einer unbeabsichtigten Effektkette der Ein-
oder Ausgangsgröße der beabsichtigten Effektkette entspricht. Diese unbeabsichtigten
Effekte haben Störgrößen aus der Umgebung oder eine Nebengröße des technischen
Systems als Eingangsgröße.
Aus Gründen der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit wird in den beiden genannten Punkten
durchgängig von physikalischen Effektketten gesprochen. Die getroffenen Aussagen gelten
gleichermaßen für einzelne physikalische Effekte und Teile einer Effektkette. Im Modell der
Auswertung werden nur die Eingangs- und Ausgangsgröße einer gesamten Effektkette explizit
genannt. Eine direkte und/oder indirekte Überlagerung kann auch physikalische Zwischen-
größen innerhalb der Effektkette betreffen.
355 Vgl. Welzbacher (2020), S. XXV f. 356 Vgl. Vorwerk-Handing et al. (2020b), S. 3 f.
110
Unbeabsichtigte Effekte
(Nicht im Modell der Auswertung
berücksichtigte physikalische Effekte)
Eingangsgrößen
des Modells der
Auswertung
Ausgangsgröße
des Modells der
AuswertungBeabsichtigte physikalische Effekte
(Im Modell der Auswertung
berücksichtigte physikalische Effekte)
Unbeabsichtigte Effekte
(Nicht im Modell der Auswertung
berücksichtigte physikalische Effekte)
Unbeabsichtigte Effekte
(Nicht im Modell der Auswertung
berücksichtigte physikalische Effekte)
Physikalische
Einflussgrößen der
auftretenden Stör-
oder Nebengrößen
Physikalische
Einflussgrößen der
auftretenden Stör-
oder Nebengrößen
direkte Überlagerung
indirekte Überlagerung
Effekt I ...Effekt II
Physikalische Zwischengrößen
Abbildung 6.4: Direkte und indirekte Überlagerung der beabsichtigten Effekte
durch unbeabsichtigte Effekte
Zur systematischen Identifikation unbeabsichtigter Effekte kann die in Abschnitt 5.3 beschrie-
bene Effektmatrix eingesetzt werden. Zur Identifikation einer direkten Überlagerung des beab-
sichtigten Effekts bzw. der beabsichtigten Effektkette werden die Ein- und Ausgangsgrößen
bzw. das entsprechende Kreuzungsfeld des beabsichtigten Effekts betrachtet. Unbeabsichtigte
Effekte, die einen beabsichtigten Effekt direkt überlagern könnten, müssen aufgrund derselben
Ein- und Ausgangsgrößen zwangsläufig ebenfalls in den betreffenden Feldern der Effektmatrix
verzeichnet sein. In Abbildung 6.5 ist das Vorgehen anhand der Eingangsgröße bzw. Ursache
i und der Ausgangsgröße bzw. Wirkung j dargestellt. Durch die Betrachtung des rot umrande-
ten Feldes wird offensichtlich, dass ein physikalischer Effekt n potentiell von allen weiteren in
derselben Zelle aufgeführten physikalischen Effekten n+1, … direkt überlagert werden kann.
Die reine Tatsache, dass neben dem angestrebten Effekt weitere Effekte den Zusammenhang
zwischen der betrachten Ursache und Wirkung herstellen können, lässt noch keine Aussage
über das tatsächliche Auftreten von Modellunsicherheit zu. Das tatsächliche Auftreten eines
Effekts kann erst über die im Effektkatalog aufgeführten notwendigen Eigenschaften des Sys-
tems sowie weitere systemspezifische Informationen geprüft werden (vgl. Unterabschnitt
5.4.2 – Zugriffsteil des Effektkatalogs).
Im Fall einer indirekten Überlagerung eines beabsichtigten Effekts besitzt der verursachende
unbeabsichtigte Effekt eine physikalische Einflussgröße, die aus einer Störgröße aus der
Umgebung oder einer Nebengröße des technischen Systems resultiert als Eingangsgröße. Die
auftretenden Stör- und Nebengrößen sowie deren physikalische Einflussgrößen werden
bereits als Kontextunsicherheit erfasst und wirken sich potentiell über die Modellunsicherheit
negativ auf die messtechnische Nutzung der beabsichtigten Effektkette aus. Ob auftretende
111
Stör- und Nebengrößen tatsächlich einen Einfluss haben können, kann über die Effektmatrix
geprüft werden. Hierzu werden die physikalischen Einflussgrößen der identifizierten Stör- und
Nebengrößen zeilenweise als Ursache betrachtet und die Schnittfelder zu den spaltenweise
markierten Ein- und Ausgangsgrößen des beabsichtigten Effekts betrachtet (vgl. Abbildung
6.6). Das tatsächliche Auftreten eines unbeabsichtigten Effekts ist, basierend auf den im
Effektkatalog aufgeführten notwendigen Eigenschaften des Systems sowie weitere systemspe-
zifische Informationen, zu prüfen. (vgl. Unterabschnitt 5.4.2 – Zugriffsteil des Effektkatalogs).
Ursache
Wirkung
...
... ...
...
j
iEffekt(e) n, n+1, ...
Zelle [ i / j ]
Abbildung 6.5: Ermittlung möglicher direkter Überlagerungen
eines beabsichtigten Effekts mithilfe der entwickelten Effektmatrix
Ursache
Wirkung
...
... ...
...
j
i
Stör- und
Nebengrößen
als Ursachen
betrachten
Spaltenweise Ein- und Ausgangsgrößen
des beabsichtigten Effekts markieren
k
Effekt(e) n, n+1, ...
Zelle [ i / j ]
Betrachtete Stör-
oder Nebengrößen
kann Einfluss auf
j haben
Betrachtete Stör-
oder Nebengrößen
kann keinen Einfluss
auf k haben
Effekt(e) keine
Zelle [ i / k ]
Abbildung 6.6: Ermittlung möglicher indirekter Überlagerungen eines beabsichtigten Effekts
ausgehend von identifizierten Stör- und Nebengrößen mittels Effektmatrix
112
Intelligenter Zahnriemen
Aus dem Messkonzept des Intelligenten Zahnriemens wird exemplarisch der physikalische
Effekt „Saite“ hinsichtlich der auftretenden Modellunsicherheit betrachtet (vgl. Abbildung
6.7).
Längskraft (im
Lasttrum) FL
Potentielle Messgröße (Einsatz (kommerziell) verfügbarer
Sensorik / Messtechnik zur Erfassung der Eigenfrequenz fλ und
Verarbeitung der Daten zu einer Information)
Zu erfassende
Zustandsgröße
Dehnung
ε
Eigenfrequenz
fλ
Exemplarischer Betrachtungsumfang des Beispiels
Saitengleichung
fλ ~ FL
Elastische Dehnung
FL ~ ε
Abbildung 6.7: Betrachtungsumfang der Effektkette des Beispiels Intelligenter Zahnriemen
– Physikalischer Effekt „Saite“
Eine direkte Überlagerung des Effekts „Saite“ durch einen anderen physikalischen Effekt mit
derselben Ein- und Ausgangsgröße wird über die Betrachtung der Effektmatrix gemäß
Abbildung 6.5 ausgeschlossen. Um mögliche indirekte Überlagerungen des beabsichtigten
Effekts zu erfassen, werden die Einflussgrößen der identifizierten Stör- und Nebengrößen (vgl.
Unterabschnitt 6.1.1) als Ursache betrachtet und gemäß Abbildung 6.6 Schnittfelder zu den
spaltenweise markierten Größen Kraft F (Längskraft im Lasttrum FL) und Frequenz f identifi-
ziert. Durch dieses Vorgehen werden zwei Quellen für Modellunsicherheit erfasst: Wärmedeh-
nung und Torsionsschwingungen (vgl. Tabelle 6.1).
Tabelle 6.1: Quellen für Modellunsicherheit im Messkonzept des Intelligenten Zahnriemens
am Beispiel des physikalischen Effekts „Saite“357
Art der
Überlagerung
Quelle
(Stör- &
Nebengrößen)
Effekt Eingangsgröße des
Effekts
Ausgangsgröße
des Effekts
Direkte
Überlagerung – – –
Indirekte
Überlagerung
Wärmezufuhr Wärmedehnung Wärmestrom �� Längskraft im
Lasttrum FL
Periodische
Kraft
Torsions-
schwingungen
Kraft F (Kontaktkräfte ≠
Längskraft im Lasttrum FL)
Frequenz f
6.1.3 Datenunsicherheit
Die systematische Identifikation der Datenunsicherheit setzt die Kenntnis der zugrundeliegen-
den Effektkette und Gesetzmäßigkeit(en) des Messkonzepts voraus. Um die Datenunsicherheit
in den einzelnen Effekten der betrachteten Effektkette zu bestimmen, werden die darin ent-
haltenen system- und komponentenspezifischen Eingangsgrößen identifiziert. Diese Eingangs-
größen werden hinsichtlich einer unsicheren Quantifizierung, ihrer zeitlichen Variabilität und
357 Vgl. Welzbacher (2020), S. 84 f.
113
ihrer Abhängigkeit von Einflussgrößen potentieller Stör- und Nebengrößen analysiert. Die auf-
tretenden potentiellen Stör- und Nebengrößen und die daraus resultierenden physikalischen
Einflussgrößen sind bereits im Rahmen der Identifikation der Kontextunsicherheit ermittelt
worden. Diese werden zur Identifikation der Datenunsicherheit bezüglich ihres Einflusses auf
die einzelnen Konstruktionsgrößen untersucht. Dieser Schritt kann teilweise durch die in der
Effektmatrix verzeichneten Zusammenhänge unterstützt werden, darüber hinaus ist die Erfah-
rung bzw. das Wissen des Anwendenden notwendig. Entsprechend können zielgerichtete
Recherchen und Untersuchungen notwendig sein, um Abhängigkeiten zwischen auftretenden
Einflussgrößen und Eingangsgrößen auszuschließen bzw. zu beschreiben.
Intelligenter Zahnriemen
Aus dem Messkonzept des Intelligenten Zahnriemens wird erneut der physikalische Effekt
„Saite“ (vgl. Abbildung 6.7) exemplarisch betrachtet, nun allerdings hinsichtlich der auftreten-
den Datenunsicherheit. Gemäß der zugrundeliegenden Saitengleichung
𝑓𝜆(𝐹𝐿) = 𝜆 √𝐹𝐿
4 𝑚′ 𝑙2 ( 6.1 )
gehen das Längengewicht m‘ und die frei schwingende Trumlänge l als Eingangsgrößen neben
der Ursache (Längskraft FL im Lasttrum) in die Gleichung zur Berechnung der Eigenfre-
quenz fλ358 ein. Beide Größen werden hinsichtlich einer unsicheren Quantifizierung und ihrer
Abhängigkeit von Einflussgrößen potentieller Stör- und Nebengrößen analysiert. Eine Betrach-
tung ihrer zeitlichen Variabilität entfällt in diesem Fall, da diese auf den Verschleiß des Rie-
mens zurückzuführen ist, welcher sich wiederum in der zu erfassenden Dehnung widerspie-
gelt. Das Ergebnis der Analyse ist in Tabelle 6.2 zusammengefasst.
Tabelle 6.2: Quellen für Datenunsicherheit im Messkonzept des Intelligenten Zahnriemens
am Beispiel des physikalischen Effekts „Saite“
Eingangsgröße
im Modell der Auswertung
(≠ Ursache)
Statische Abweichung von der
angenommenen
Quantifizierung359
Statische oder dynamische
Beeinflussung
(Stör- &Nebengrößen)
Längengewicht m‘ Spezifikation der Eigenschaften
(bspw. Messunsicherheit bei der
Bestimmung der Größe)
–
Frei schwingende
Trumlänge l
Spezifikation der Eigenschaften
(bspw. Messunsicherheit bei der
Bestimmung der Größe)
Wärmezufuhr und resultierende
Wärmedehnung
358 λ ≙ Ordnung der Eigenfrequenz. 359 Die auftretenden statischen Abweichungen zwischen den wahren Werten und der angenommenen
Quantifizierung des Längengewichts m‘ und der frei schwingenden Trumlänge l, führen zu einer kon-
stanten Abweichung der (erfassten) Eigenfrequenz von der erwarteten Eigenfrequenz. Da das Ziel der
Messung ein Rückschluss auf die Dehnung, also eine Differenz l – l0 und kein absoluter Wert, ist, haben
konstante Abweichungen hinsichtlich des angestrebten Ziels in diesem Fall keine unmittelbaren Auswir-
kungen. Allgemein kann solchen konstanten Abweichungen messtechnisch durch eine Kalibrierung
begegnet werden.
114
6.2 Berücksichtigung von Unsicherheit in Effektketten
Durch die Berücksichtigung der vorliegenden Unsicherheit wird im Rahmen dieser Arbeit das
Ziel verfolgt, die prinzipielle Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten abzuschätzen und
begründet nicht-erfolgsversprechende Effektketten frühzeitig abzubrechen. Hierbei muss
berücksichtigt werden, dass sich der Entwicklungsstand der betrachteten Effektketten bzw.
der potentiellen Lösungsalternativen auf einem konzeptionellen Entwicklungsniveau befindet
und deswegen die Möglichkeit besteht, der identifizierten Unsicherheit konzeptionell entge-
gen zu wirken und sie auf diese Weise zu beherrschen. Aus diesem Grund untergliedert sich
die Berücksichtigung der identifizierten Unsicherheit zum einen in die Beurteilung und zum
anderen in Ansätze zur Beherrschung der als kritisch beurteilten Unsicherheit.
6.2.1 Beurteilung der identifizierten Unsicherheit
Da Kontextunsicherheit nicht direkt, sondern nur mittelbar über Modell- und Datenunsicher-
heit auf die Effektkette bzw. das Messkonzept einwirkt, werden im Folgenden die Modell- und
Datenunsicherheit, nicht aber die ggf. ursächliche Kontextunsicherheit, beurteilt. Da hinsicht-
lich der Funktionsfähigkeit bzw. Nicht-Funktionsfähigkeit einer Effektkette bzw. eines Mess-
konzepts in der angestrebten Betrachtung die negativen Auswirkungen von Unsicherheit aus-
schlaggebend sind, werden diese als erstes Beurteilungskriterium herangezogen. Die Bedeu-
tung der Unsicherheit beschreibt das Ausmaß der Wirkung der Modell- und Datenunsicherheit
auf die betrachtete Effektkette bzw. das betrachtete Messkonzept. Die Beurteilung der Bedeu-
tung einer Unsicherheit setzt ein Mindestmaß an Informationen über die ausschlaggebende
Unsicherheit voraus. Dieser Aspekt wird durch die parallele Beurteilung der Schwere der
jeweils betrachteten Unsicherheit berücksichtigt. Sowohl die Bedeutung als auch die Schwere
können im Konzeptstadium vom Entwickelnden konzeptionell noch beeinflusst werden. Dieser
Umstand wird durch die Beurteilung der Beherrschbarkeit von Modell- und Datenunsicherheit
berücksichtigt.
Bedeutung der Unsicherheit
Die Beurteilung der Bedeutung der auftretenden Unsicherheit hinsichtlich einer messtechni-
schen Nutzbarkeit einer Effektkette bzw. eines Messkonzepts, geht auf die in einer Anforde-
rung zu definierende zulässige Messunsicherheit uzul(yZ) des Erwartungswerts yZ der zu
bestimmenden Zustandsgröße YZ zurück. Prinzipielles Ziel ist es, eine Aussage treffen zu
können, ob die zulässige Messunsicherheit uzul(yZ) unter dem Einfluss der auftretenden Daten-
und Modellunsicherheit eingehalten wird. Um diese Aussage treffen zu können, sind neben
der exakten Beschreibung der physikalischen Gesetzmäßigkeiten der gewünschten und unge-
wünschten Effekte in einem mathemaischen Modell die PDF der einzelnen, in das Modell der
Auswertung eingehenden und mit Unsicherheit behafteten, physikalischen Größen erforder-
lich (vgl. Unterabschnitt 2.3.2). D. h. neben dem Erwartungswert xMess,pot der potentiellen
Messgröße XMess,pot müssen bspw. auch die Erwartungswerte xG der Gestaltparameter XG
berücksichtigt werden. Insbesondere in der betrachteten konzeptionellen Entwicklungsphase
liegen diese Informationen für die potentiell nutzbaren Effektketten bzw. Messkonzepte nicht
vor. Aus diesem Grund wird, anstelle einer Betrachtung auf Basis der auftretenden Messunsi-
cherheit u(yZ), eine Auswahl in Form eines Ausschlusses nicht erfolgsversprechender Effekte
115
bzw. Effektketten auf Basis der geforderten Fehlergrenze G der zu bestimmenden
Zustandsgröße YZ vorgenommen. Das so erreichte konvergente Vorgehen entspricht dem kon-
servativen Grundgedanken, dass auf Basis der vorliegenden Informationen noch keine fun-
dierte Aussage über die tatsächliche Funktionsfähigkeit eines Messkonzepts gemacht werden
kann, nicht erfolgsversprechende Effektketten aber bereits begründet abgebrochen werden
können.
Es wird geprüft, ob eine Messung der betrachteten potentiellen Messgröße XMess,pot mit verfüg-
baren Sensoren unter dem Einfluss der auftretenden Daten- und Modellunsicherheit die
Anforderungen an die Messabweichung ei erfüllt und innerhalb der geforderten Fehlergrenze
G liegt. Hierzu wird:
• abgeschätzt, mit welcher zulässigen Messabweichung ei,zul ein Sensor die potentielle
Messgröße XMess,pot erfassen können müsste und ob verfügbare Sensoren dies im gefor-
derten Messbereich leisten können.
• geprüft, ob für den Fall der maximalen Messabweichung ei,max eines verfügbaren Sen-
sors in Kombination mit der auftretenden Daten- und Modellunsicherheit die gefor-
derte Fehlergrenze G überschritten wird.
Ansatz:
Für den allgemeinen Fall eines nichtlinearen Zusammenhangs zwischen der zu bestimmen-
den Zustandsgröße YZ (Ursache) und der potentiellen Messgröße XMess,pot (Wirkung) wird
als Ansatz zur Abschätzung beider Aspekte eine Taylorreihenentwicklung am entsprechen-
den Arbeitspunkt y0 angewendet. Für hinreichend kleine Abweichungen vom betrachteten
Arbeitspunkt y0 wird gemäß der gängigen Praxis bei der Abschätzung der Unsicherheitsfort-
pflanzung zwischen Ursache und Wirkung im Bereich der Messtechnik die Taylorreihenent-
wicklung nach dem ersten Glied abgebrochen.360 Die angewendete Approximation um einen
Arbeitspunkt y0 entspricht folglich einer Linearisierung und wird in Gleichung 6.2 beschrie-
ben.
ℎ𝑦0
(𝑦) = ℎ(𝑦0) + [ 𝜕ℎ
𝜕𝑦 |
𝑦0
(𝑦 − 𝑦0)] ( 6.2 )
Die Steigung der durch die Gleichung 6.2 beschriebenen Geraden gibt eine Auskunft über
die Sensitivität der Wandlung oder Umformung der Ursache y in die Wirkung x=h(y). Der
beschriebene Zusammenhang bezieht sich auf die physikalische Sichtweise einer aufgrund
einer Ursache (Eingangsgröße) resultierenden Wirkung (Ausgangsgröße). In Abbildung 6.8
ist sowohl diese Sichtweise, als auch die aus Sicht der Messtechnik gebräuchliche Form der
inversen Betrachtung in Form des Modells der Auswertung dargestellt.
360 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008), S. 18 f., Tränkler und Reindl (2015), S. 31 f. oder Puente León (2019),
S. 174 f.
116
Abbildung 6.8: Linearisierung des Zusammenhangs zwischen Ursache und Wirkung aus Sicht
des physikalischen Effekts (links) und aus Sicht des Modells der Auswertung (rechts)361
Die Sensitivität einer Ausgangsgröße gegenüber Eingangsgrößen wird im messtechnischen
Zusammenhang (vgl. Abbildung 6.8, rechts) als Sensitivitätskoeffizient ci bezeichnet.362
𝑐𝑖 =
𝜕𝑓
𝜕𝑋𝑖
|𝑋𝑖,0
= 𝜕𝑓
𝜕𝑥𝑖
|𝑥𝑖,0
( 6.3 )
Da sowohl die Eingangsgrößen als auch die Ausgangsgröße allgemein unsicherheitsbehaftet
sind und vom wahren Wert xiW bzw. yiW abweichen, sind für die folgende Betrachtung nicht
die Einzelwerte der Ein- und Ausgangsgrößen relevant, sondern die jeweilige Messabwei-
chung ei. Da die einzelnen Messabweichungen ei im Konzeptstadium noch nicht bekannt
sind, werden im Folgenden die zulässigen Messabweichung ei,zul in Form der Fehlergrenzen
Δxi und Δyi betrachtet.
𝑒𝑖,𝑧𝑢𝑙 → ∆𝑥𝑖 = |𝑥𝑖 − 𝑥𝑖𝑊| 𝑏𝑧𝑤. ∆𝑦𝑖 = |𝑦𝑖 − 𝑦𝑖0| ( 6.4 )
Der Zusammenhang zwischen den Fehlergrenzen Δxi und Δyi wird, analog zum Zusammen-
hang der Unsicherheitsbeiträge der Eingangsgrößen ui(x) und der Ausgangsgrößen ui(y)
nach GUM 363, über den Sensitivitätskoeffizienten ci abgeschätzt.
𝑢𝑖(𝑦) = |𝑐𝑖| ∙ 𝑢(𝑥𝑖) → ∆𝑦 ≈ |𝑐𝑖| ∙ ∆𝑥𝑖 𝑏𝑧𝑤. ∆𝑥 ≈ |𝑐𝑖
−1| ∙ ∆𝑦𝑖 ( 6.5 )
Durch Einsetzen von 6.3 in 6.5 folgt für die Fortpflanzung der Fehlergrenze Δy
∆𝑦 ≈ ∑ |
𝜕𝑓
𝜕𝑥𝑖|
𝑥𝑖,0𝑖
∆𝑥𝑖 . 364 ( 6.6 )
361 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Tränkler und Reindl (2015), S. 32. 362 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008), S. 19 , Tränkler und Reindl (2015), S. 32. 363 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008), S. 19. 364 Vgl. Puente León (2019), S. 175.
Eingangsgröße y ≙ Ursache
Ausgangsgröße x
≙ W
irkung
Physikalische Sichtweise
Ursache/Wirkung
y0
Eingangsgröße x ≙ Wirkung
Ausgangsgröße y
≙Ursach
e
x0
Messtechnische Sichtweise
Modell der Auswertung
y0x0
x=h(y) y=f(x)f(x)=h-1(y)
Bereich der
Eingangsgrößen
-verteilung
Bereich der
Ausgangsgrößen-
verteilung Linearisierung
um den
Arbeitspunkt y0
Bereich der
Eingangsgrößen
-verteilung
Bereich der
Ausgangsgrößen-
verteilung
Linearisierung
um den
Arbeitspunkt x0
117
Für die Betrachtung aus Sicht des physikalischen Zusammenhangs (vgl. Abbildung 6.8,
links) folgt mit h(y)=f -1(x) analog:
∆𝑥 ≈ ∑ (|
𝜕𝑓
𝜕𝑥𝑖|
𝑥𝑖,0
)
−1
𝑖
∆𝑦𝑖 = ∑ | 𝜕ℎ
𝜕𝑦𝑖|
𝑦𝑖,0
∆𝑦𝑖 .
𝑖
( 6.7 )
Die angestrebte Betrachtung der Fehlergrenzen erfordert die konservative Annahme, dass
die messtechnisch theoretisch ungünstigste Konstellation von Messabweichungen auftritt.
Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das Auftreten der messtechnisch theore-
tisch ungünstigsten Konstellation von Messabweichungen selten zu erwarten ist.365 Für die
hier angestrebte erste Beurteilung ist dieses Vorgehen zweckmäßig, ersetzt aber nicht die
genaue Betrachtung der tatsächlich auftretenden Unsicherheit zu einem späteren Entwick-
lungszeitpunkt.
Für den häufig auftretenden Fall einer multiplikativen Verknüpfung von Eingangsgrößen x
und Ausgangsgröße y im Modell der Auswertung
𝑦 = 𝑓(𝑥) = 𝑎1𝑥1
𝛼1 ∙ 𝑎2𝑥2𝛼2 ∙ … ∙ 𝑎𝑛𝑥𝑛
𝛼𝑛 ( 6.8 )
mit der partiellen Ableitung
𝜕𝑓
𝜕𝑥𝑖
= 𝑎1𝑥1𝛼1 ∙ … ∙ 𝛼𝑖𝑎𝑖𝑥𝑖
𝛼𝑖−1∙ … ∙ 𝑎𝑛𝑥𝑛
𝛼𝑛 = 𝑦 ∙𝛼𝑖
𝑥𝑖
( 6.9 )
folgt durch Einsetzten von 6.9 in 6.6
∆𝑦 ≈ |𝑦0| ∙ ∑ |𝛼𝑖
∆𝑥𝑖
𝑥𝑖,0|
𝑛
𝑖
. 366 ( 6.10 )
Für den betrachteten Fall der multiplikativen Verknüpfung von Eingangsgrößen x und Aus-
gangsgröße y im Modell der Auswertung ist es sinnvoll, anstelle der absoluten Fehlergren-
zen Δx und Δy die relativen Fehlergrenzen zu betrachten. Gemäß Gleichung 6.11 ergibt sich
die relative Fehlergrenze der Ausgangsgröße aus der Summe der mit dem entsprechenden
Gewichtungsfaktor αi gewichteten relativen Fehlergrenzen der Eingangsgrößen.
|∆𝑦
𝑦0| ≈ ∑ |𝛼𝑖
∆𝑥𝑖
𝑥𝑖,0|
𝑛
𝑖
( 6.11 )
365 Vgl. Hoffmann (2015), S. 550. 366 Vgl. Puente León (2019), S. 176.
118
1. Abschätzung, mit welcher zulässigen Messabweichung ei,zul ein Sensor die potentielle
Messgröße XMess,pot erfassen können müsste und ob verfügbare Sensoren dies im ent-
sprechenden Messbereich leisten können.
Um abzuschätzen mit welcher zulässigen Messabweichung d. h. innerhalb welcher Fehlergren-
zen ΔxMess ein Sensor die potentielle Messgröße XMess,pot erfassen können müsste, wird aus den
Anforderungen an die zu bestimmenden Zustandsgröße YZ die Fehlergrenze Δy herangezo-
gen.367 Weiterhin wird vorausgesetzt, dass ausgehend von der zu bestimmenden
Zustandsgröße YZ ein physikalischer Zusammenhang h(yZ) in Form einer Effektkette hin zur
potentiellen Messgröße XMess,pot vorliegt. Dieser kann bspw. mittels des in Kapitel 5 vorgestell-
ten Katalogsystems entwickelt worden sein.
𝑥𝑀𝑒𝑠𝑠,𝑝𝑜𝑡 = ℎ(𝑦𝑍) ( 6.12 )
Aus der zulässigen Messabweichung ΔyZ der zu bestimmenden Zustandsgröße YZ wird über
Gleichung 6.7 die absolute maximal zulässige Messabweichung ΔxMess eines potentiellen Sen-
sors abgeschätzt (vgl. Abbildung 6.9).
∆𝑥𝑀𝑒𝑠𝑠 ≈ |
𝜕ℎ
𝜕𝑦|
𝑦0
∆𝑦 ( 6.13 )
Für den Fall einer multiplikativen Verknüpfung von Eingangsgröße y und Ausgangsgröße x
gemäß
ℎ(𝑦𝑧) ~ 𝑎 𝑦𝛼 ( 6.14 )
folgt nach Gleichung 6.11 für die relative maximal zulässige Messabweichung
|∆𝑥𝑀𝑒𝑠𝑠
𝑥| ≈ |𝛼
∆𝑦
𝑦| . ( 6.15 )
Besteht zwischen der Ursache und Wirkung ein, über den gesamten angestrebten Messbereich
gesehen, nicht-linearer Zusammenhang (vgl. Abbildung 6.9), so ist der kritischste Arbeits-
punkt y0,krit für die Abschätzung heranzuziehen. Dieser lässt sich über die Erfassung des auf
den Messbereich bezogenen Minimums der Sensitivität von XMess gegenüber YZ ermitteln.
367 Sollten diese Informationen nicht vorliegen, ist in einem Schritt der Anforderungsermittlung zu klären,
welche maximale Messabweichung Δy hinsichtlich der geforderten Information über die Zustandsgröße
tolerabel ist.
119
Wirkung
≙ XMess
Physikalische Sichtweise
Ursache/Wirkung
ymin = y0,krit
xMess,pot=h(yZ)
ymax
ymin -
Δy
ymin +
Δy
ymax
- Δy
ymax
+ Δy
xmin + ΔxMess
xmin xmin - ΔxMess
xmin + Δx
xmax
xmin - Δx
Ursache
≙ YZ
Abbildung 6.9: Zusammenhang zwischen der Fehlergrenze Δy der zu bestimmenden
Zustandsgröße YZ und der maximal zulässigen Messabweichung bzw. Fehlergrenzen ΔxMess eines
Sensors zur Erfassung der potentiellen Messgröße XMess,pot
Auf Basis der Abschätzung der maximal zulässigen Messabweichung ΔxMess und dem Messbe-
reich von xmin bis xmax (vgl. Abbildung 6.9) wird geprüft, ob verfügbare Sensoren eingesetzt
werden können.
2. Prüfen, ob für den Fall der maximalen Messabweichung e i,max eines verfügbaren Sen-
sors in Kombination mit der auftretenden Daten- und Modellunsicherheit die gefor-
derte Fehlergrenze G überschritten wird.
In logischer Fortführung der Betrachtung potentieller Sensoren im beschriebenen Vorgehen
erfolgt eine Prüfung der Bedeutung der maximalen Messabweichung ei,max eines verfügbaren
potentiellen Sensors in Kombination mit der auftretenden Daten- und Modellunsicherheit hin-
sichtlich der geforderten Fehlergrenze G. Hierzu wird das Modell der Auswertung
𝑌𝑍 = 𝑓(𝑋1, 𝑋2, 𝑋3, … , 𝑋𝑁) 𝑏𝑧𝑤. 𝑦𝑍 = 𝑓(𝑥𝑀𝑒𝑠𝑠,𝑝𝑜𝑡 , … , 𝑥𝑛) ( 6.16 )
betrachtet. Weiterhin wird in der vorgenommenen Abschätzung davon ausgegangen, dass die
Größen xMess,pot, …, xn voneinander unabhängig sind bzw. als unabhängig angenommen
werden. Für die Fortpflanzung der unsicheren Größen xMess,pot, …, xn wird aufgrund des
betrachteten konzeptionellen Entwicklungsniveaus die Fortpflanzung der jeweiligen maxima-
len Abweichungen Δxi gemäß Gleichung 6.6 angewendet.
120
∆𝑦𝑢𝑛𝑠 ≈ ∑ |
𝜕𝑓
𝜕𝑥𝑖|
𝑥𝑖,0𝑖
∆𝑥𝑖 ( 6.6 )
Für den Fall einer zu berücksichtigen Korrelation zwischen den Größen xMess,pot, …, xn, ist die
Gleichung 6.6 um einen entsprechenden Korrelationsterm zu erweitern.368
Um die Bedeutung der identifizierten Unsicherheit zu beurteilen, wird das dimensionslose
Verhältnis 𝑈∆𝑦 aus der maximalen, aus der identifizierten Unsicherheit resultierenden, Abwei-
chung Δyuns gemäß Gleichung 6.6 und der maximal zulässige Messabweichung Δy gebildet
𝑈∆𝑦 =
∆𝑦𝑢𝑛𝑠
∆𝑦 . ( 6.17 )
Ist das Verhältnis 𝑈∆𝑦 ≤ 1, ist die identifizierte Unsicherheit in diesem Entwicklungsstadium
als akzeptabel einzuschätzen. Ist das Verhältnis 𝑈∆𝑦 > 1, ist die identifizierte Unsicherheit als
potentiell kritisch einzuschätzen und es sind Maßnahmen, gemäß den in Unterabschnitt 6.2.2
beschriebenen Ansätzen zur Beherrschung der identifizierten Unsicherheit, zu prüfen. Welche
der identifizierten unsicheren Einflussgrößen xi zu betrachten sind, hängt von individuellen
Randbedingungen ab. Eine generelle Strukturierung der Vorgehensweise ist durch eine Prio-
risierung der einzelnen unsicheren Einflussgrößen xi gemäß ihres Anteils an der resultierenden
Abweichung Δyuns möglich. Hierzu werden die betragsmäßig größten Summanden aus Glei-
chung 6.6 zuerst betrachtet.
Sollte eine erneute Beurteilung der identifizierten Unsicherheit, nach dem Ausschöpfen aller
sinnvoll anwendbaren Maßnahmen, weiterhin ein Verhältnis 𝑈∆𝑦 > 1 ergeben, kann das Kon-
zept gegenüber alternativen Konzepten begründet zurückgestellt oder verworfen werden. Dar-
über hinaus können die verbleibenden potentiellen Messgrößen bzw. die zugehörigen Mess-
konzepte aufsteigend vom kleinsten Verhältnis 𝑈∆𝑦 geordnet und damit für die weitere Ent-
wicklung priorisiert werden.
Intelligenter Zahnriemen
Um die Bedeutung der identifizierten Modell- und Datenunsicherheit gemäß des dargestellten
Ansatzes beurteilen zu können, werden konkrete Informationen über ein betrachtetes System
benötigt. In dem, dem Beispiel zugrundeliegenden Kooperationsprojekt mit der Firma BRECO
wurde nicht von einem konkreten (Antriebs-)System zur Entwicklung des Intelligenten Zahn-
riemens ausgegangen. Um das Vorgehen trotzdem zu verdeutlichen, werden im Folgenden
exemplarisch die in Tabelle 6.3 angegebenen Annahmen eines realistischen Anwendungsfalls
getroffen. Konsistent zu den beispielhaften Darstellungen zur Identifikation von Unsicherheit
in Effektketten, wird weiterhin exemplarisch der physikalische Effekt „Saite“ isoliert betrach-
tet. Dies bietet die Möglichkeit, Vergleiche zu konventionellen Messgeräten zur Bestimmung
der Vorspannkraft eines (Zahn-)Riementriebes zu ziehen.
368 Für weiterführende Informationen wird auf entsprechende Fachliteratur wie bspw. JCGM 100: 2008
(2008), S. 21 ff. und Tränkler und Reindl (2015), S. 32 f. verwiesen.
121
Tabelle 6.3: Annahmen zum beispielhaft betrachteten Zahnriemen
Parameter Variable Quantifizierung Erläuterung
Längskraft des
Zahnriemens FL 2375 N
Entspricht 50 % der maximalen Zugkraft Fzul des
Zahnriemens Brecoflex AT 10 mit E-/Stahl-Zug-
trägern und einer Breite von 32 mm der Firma
BRECO369
Zu erfassende Än-
derung der Längs-
kraft des Zahnrie-
mens
ΔFL 85 N
Abschätzung (der konkrete Zahlenwert ist für die
Verdeutlichung des Vorgehens von untergeordne-
ter Bedeutung)
Längengewicht
des Zahnriemens m‘ 0,180kg
m
Entnommen aus dem Produktkatalog der Firma
BRECO für den Zahnriemen Brecoflex AT 10
Standard mit einer Breite von 32 mm369
Frei schwingende
Trumlänge des
Zahnriemens l 1000 mm Beispielhaft definierter Wert
Ordnung der
Eigenfrequenz fλ λ 1 bis 6
Wie in den Ausführungen nach GROßKURTH &
MARTIN370 wird eine Erfassung der Eigenfrequen-
zen bis zur sechsten Ordnung angestrebt
1. Abschätzung mit welcher zulässigen Messabweichung ei,zul ein Sensor die potentielle Messgröße
XMess,pot erfassen können müsste und ob verfügbare Sensoren dies im entsprechenden Messbe-
reich leisten können.
Bezogen auf den betrachteten Zusammenhang zwischen der Längskraft FL und der Eigenfre-
quenz fλ des Zahnriemens, wird in diesem Schritt abgeschätzt, mit welcher zulässigen Mess-
abweichung Δfλ und in welchem Messbereich fλ,max ein potentieller Sensor die potentielle Mess-
größe der Eigenfrequenz fλ des Zahnriemens erfassen können müsste. Da zwischen Längskraft
FL und der Eigenfrequenz fλ des Zahnriemens ein nicht-linearer Zusammenhang besteht, ist
der kritischste Arbeitspunkt F0,krit für die Abschätzung heranzuziehen. Der physikalische
Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung wird über die Saitengleichung (vgl.
Gleichung 6.1) beschrieben.
Aus dem in Abbildung 6.10 dargestellten qualitativen Verlauf einer Wurzelfunktion wird
deutlich, dass ein auf den Messbereich bezogenes Minimum der Sensitivität von fλ gegenüber
FL für ein zu erfassendes Maximum der Längskraft FL,max vorliegt. Entsprechend wird die
maximal zu erfassende Längskraft FL = FL,max für die folgende Abschätzung als FL0,krit
herangezogen.
369 Vgl. BRECO Antriebstechnik Breher GmbH & Co. KG (2013), S. 25. 370 Vgl. Großkurth und Martin (2019), S. 5.
122
Eigenfrequenz fλ
Physikalische Sichtweise
Ursache/Wirkung
FL,max = FL0,krit
fλ(F)
FV,max
- ΔF
FV,max
+ ΔF
fλ,min + Δfλfλ,min fλ,min - Δfλ
Kraft FL
Abbildung 6.10: Erfassung des kritischsten Arbeitspunkts FL0,krit anhand der qualitativen
Betrachtung des Ursache-Wirkung-Zusammenhangs
Die folgende Abschätzung gilt für den Arbeitspunkt FL0,krit, mit einer gemäß Gleichung 6.1 und
den angenommenen Werten aus Tabelle 6.3 berechneten Eigenfrequenz von:
Gemäß Gleichung 6.13 wird auf Basis der Saitengleichung 6.1 die maximal zulässige Messab-
weichung Δfλ eines potentiellen Sensors abgeschätzt:
∆𝑓𝜆 ≈ |
𝜕𝑓𝜆(𝐹)
𝜕𝐹|
𝐹0,𝑘𝑟𝑖𝑡
∙ ∆𝐹𝐿 ( 6.19 )
∆𝑓𝜆 ≈ | 𝜆 ∙ √1
4 𝑚′ 𝑙2∙
1
2√𝐹0,𝑘𝑟𝑖𝑡
| ∙ ∆𝐹𝐿
= || 𝜆 ∙ √1
4 ∙ 0,180 𝑘𝑔𝑚 ∙ (1 𝑚)2
∙1
2 ∙ √2375 𝑁 || ∙ 85 𝑁 = 𝜆 ∙ 1,0 𝐻𝑧
( 6.20 )
In Abhängigkeit von der zu erfassenden Ordnung λ der Eigenfrequenz wird berechnet, dass
Frequenzen von
aufgelöst werden müssen.
𝑓𝜆(𝐹𝐿0,𝑘𝑟𝑖𝑡) = 𝜆 √𝐹𝐿0,𝑘𝑟𝑖𝑡
4 𝑚′ 𝑙2= 𝜆 ∙ √
2375 𝑁
4 ∙ 0,180 𝑘𝑔𝑚 ∙ (1 𝑚)2
= 𝜆 ∙ 57,4 𝐻𝑧 . ( 6.18 )
𝑓𝜆 = 𝜆 ∙ (57,4 ± 1,0) 𝐻𝑧 ( 6.21 )
123
Verfügbare Schwingungsaufnehmer zur Messung einer mechanischen Schwingung verwenden
als Eingangsgrößen, im Fall einer translatorischen Bewegung, die Auslenkung s, die Geschwin-
digkeit v oder die Beschleunigung a.371 Ausgehend von der aufzulösenden Frequenz (vgl. Glei-
chung 6.21) muss dementsprechend eine Aussage über die Abtastfrequenz fabtast und Mess-
dauer T der eigentlichen Eingangsgröße eines potentiellen Schwingungsaufnehmers getroffen
werden.
Zur Berechnung der Abtastfrequenz fabtast wird das Nyquist-Shannon-Abtasttheorem angewen-
det:
Wird bspw. wie bei GROßKURTH & MARTIN eine Erfassung der Eigenfrequenzen bis zur sechsten
Ordnung λ=6 angestrebt, ergibt sich eine Mindestabtastfrequenz von
Die notwendige Messdauer T wird anhand der Unschärferelation der Nachrichtentechnik ge-
mäß Gleichung 6.24 berechnet.373
𝑇 =
1
∆𝑓𝜆
=1
𝜆 ∙ 1,0 𝐻𝑧 ( 6.24 )
Zur Messung der sechsten Eigenfrequenz folgt aus Gleichung 6.24 eine notwendige Mess-
dauer T von:
𝑇 =
1
𝜆 ∙ 1,0 𝐻𝑧=
1
6 ∙ 1,0 𝐻𝑧= 0,17 𝑠 . ( 6.25 )
Typischerweise zur Frequenzanalyse schwingender mechanischer Komponenten eingesetzte
MEMS-Sensoren374, ermöglichen eine Abtastung bis in den kHz-Bereich.375 Dementsprechend
wird der technischen Realisierbarkeit des betrachteten Effekts durch die Mindestabtastfre-
quenz eines (kommerziell) verfügbaren Sensors nicht widersprochen. Die Mindestmessdauer
muss im Kontext der konkreten Ausführung der Messung bewertet werden.
2. Prüfen, ob für den Fall der maximalen Messabweichung ei,max eines verfügbaren Sensors in
Kombination mit der auftretenden Daten- und Modellunsicherheit die geforderten Fehler-
grenze G überschritten wird.
Um am Beispiel des physikalischen Effekts „Saite“ zu zeigen, wie die Auswirkungen auftreten-
der Datenunsicherheit abgeschätzt werden kann, wird exemplarisch die frei schwingende
Trumlänge l betrachtet. In Unterabschnitt 6.2.1 wird, in Bezug auf den physikalischen Effekt
371 Vgl. Kuttner (2015), S. 63 f. 372 Vgl. Kuttner (2015), S. 290. 373 Vgl. Kuttner (2015), S. 290. 374 Micro-Electro-Mechanical System (MEMS), vgl. bspw. Hering und Schönfelder (2018), S. 370. 375 Exemplarisch. wurde der MEMS-Sensor ADXL372 der Firma ANALOG DEVICES für die Abschätzung
herangezogen (vgl. Analog Devices (2020).
𝑓𝜆,𝑎𝑏𝑡𝑎𝑠𝑡 > 2 ∙ 𝑓𝜆 = 2 ∙ 𝜆 ∙ 57,4 𝐻𝑧 = 𝜆 ∙ 114,8 𝐻𝑧 . 372 ( 6.22 )
𝑓𝜆,𝑎𝑏𝑡𝑎𝑠𝑡 > 𝜆 ∙ 114,8 𝐻𝑧 = 6 ∙ 114,8 𝐻𝑧 = 688,8 𝐻𝑧 . ( 6.23 )
124
der „Saite“, die Änderung Δl der frei schwingenden Trumlänge l als eine Ursache für auftre-
tende Datenunsicherheit identifiziert. Die frei schwingende Trumlänge l wird von der Kon-
struktion des Zahnriementriebs durch den Wellenabstand und die Zahnscheiben bestimmt.
Eine nicht berücksichtigte Wärmezufuhr in die Konstruktion und die resultierende Tempera-
turerhöhung gegenüber dem zur Bestimmung der frei schwingenden Trumlänge l vorliegen-
den Zustand, führt gemäß des thermischen Ausdehnungskoeffizients α zu einer Vergrößerung
von l. Ergänzend zur Tabelle 6.3 werden entsprechende Informationen über das technische
System und die Umgebungsbedingungen zur Abschätzung benötigt. In Tabelle 6.4 werden die
benötigten Größen beispielhaft definiert bzw. abgeschätzt.
Tabelle 6.4: Ergänzende Annahmen zum technischen System
des beispielhaft betrachteten Zahnriemen
Parameter Variable Quantifizierung Erläuterung
Thermischer Ausdeh-
nungskoeffizient der
Umgebungskonstruktion
α 11,5 ∙ 10−6 1
K
Es wird eine Umgebungskonstruktion aus
Stahl mit einem entsprechenden thermi-
schen Ausdehnungskoeffizienten angenom-
men.
Temperaturänderung
der Umgebungskon-
struktion
ΔT 40 K Beispielhaft definierter Wert
Änderung der frei
schwingenden Trum-
länge (Datenunsicher-
heit)
Δl 0,46 mm
∆𝑙 = 𝑙0 ∙ 𝛼 ∙ ∆𝑇
= 1000 𝑚𝑚 ∙ 11,5 ∙ 10−6 1
K∙ 40 𝐾
= 0,46 𝑚𝑚
Zu erfassende Frequenz fλ 57,4 Hz Vgl. Gleichung 6.21 zur Erfassung der
ersten Eigenfrequenz
Gemäß Gleichung 6.6 wird auf Basis des Modells der Auswertung
die Auswirkungen der Datenunsicherheit bezogen auf die frei schwingenden Trumlänge Δl
abgeschätzt:
∆𝐹𝐿(𝑓𝜆)𝑢𝑛𝑠,∆𝑙 ≈ |
𝜕𝐹𝐿(𝑓𝜆)
𝜕𝑙|
𝑓𝜆
∆𝑙 ( 6.27 )
∆𝐹𝐿(𝑓𝜆)𝑢𝑛𝑠,∆𝑙 ≈8𝑚′ 𝑙
𝜆2𝑓𝜆
2 ∙ ∆𝑙 =8 ∙ 0,180
𝑘𝑔𝑚 ∙ 1 𝑚
12(57,4 𝐻𝑧)2 ∙ 0,46 ∙ 10−3 𝑚
= 2,2 𝑁
( 6.28 )
Um die Bedeutung zu beurteilen, wird das dimensionslose Verhältnis 𝑈∆𝐹𝑉 aus der maximalen,
aus der identifizierten Unsicherheit resultierenden, Abweichung ΔFL(fλ)uns,Δl und der zu erfas-
sende Änderung der Längskraft ΔFL des Zahnriemens gemäß Gleichung 6.17 gebildet:
𝐹𝐿(𝑓𝜆) = 𝑓𝜆
−1(𝐹𝐿) =4 𝑚′ 𝑙2
𝜆2∙ 𝑓𝜆
2 ( 6.26 )
125
𝑈∆𝐹𝐿
=∆𝐹𝐿(𝑓𝜆)𝑢𝑛𝑠,∆𝑙
∆𝐹𝐿
=2,2 𝑁
85 𝑁= 0,03. ( 6.29 )
Da das dimensionslose Verhältnis 𝑈∆𝐹𝑉≪ 1 ist, ist die auf die frei schwingende Trumlänge
bezogene Datenunsicherheit an sich in diesem Beispiel als vernachlässigbar einzuschätzen und
somit tolerierbar.376
Schwere der Unsicherheit
Der dargestellte Ansatz zur Beurteilung der Bedeutung von Unsicherheit hinsichtlich der Funk-
tionsfähigkeit einer Effektkette, setzt ein Mindestmaß an Informationen voraus. Ausgehend
von der zu bestimmenden Zustandsgröße YZ muss ein physikalischer Zusammenhang
h(yZ, x2, …, xn) in Form einer Effektkette hin zur potentiellen Messgröße XMess,pot bekannt sein.
Die Eingangsgrößen dieses physikalischen Zusammenhangs müssen weiterhin durch ihren
jeweiligen Erwartungswert yZ, x2, …, xn und zumindest eine abgeschätzte maximalen Messab-
weichung ei,max beschrieben werden können. Das Beurteilungskriterium der Schwere der Unsi-
cherheit berücksichtigt diesen Aspekt und zeigt auf, welche Informationen zur Beurteilung der
Bedeutung der identifizierten Unsicherheit fehlen und ggf. noch erarbeitet werden müssen.
Auf diese Weise wird weiterhin eine Entscheidung ohne entsprechende Wissensgrundlage
sichtbar gemacht und idealerweise vermieden.
Tabelle 6.5: Zustände und Erläuterungen hinsichtlich der Beurteilung der Schwere von
identifizierter Unsicherheit sowie daraus resultierende Folgen
Zustand Erläuterung Folgen
1.) Unsicherheit
≤ Ungewissheit
Es sind mindestens die Erwartungs-
werte der relevanten Mess- und Ein-
flussgrößen yZ, x2, …, xn sowie deren
abgeschätzte maximalen Messabwei-
chung ei,max bekannt.
Die Beurteilung der Bedeutung der
identifizierten Unsicherheit kann ge-
mäß des beschriebenen Ansatzes
durchgeführt werden.
2.) Unbeachtete Unsi-
cherheit
Es liegt mindestens eine Abschätzung
der Unsicherheit vor, welche bewusst
vernachlässigt wird.
Die Beurteilung der Bedeutung der
identifizierten Unsicherheit kann
nicht gemäß des beschriebenen An-
satzes durchgeführt werden. Durch
eine potentielle Beherrschung der
identifizierten, aber nicht beachteten
Unsicherheit, kann die Bedeutung der
unbeachteten Unsicherheit eliminiert
werden.
3.) Unwissen Das physikalische Modell sowie die
Einflussgrößen sind nicht hinrei-
chend bekannt.
Es mangelt an Informationen zur Be-
urteilung der Bedeutung der identifi-
zierten Unsicherheit sowie zur poten-
tiellen Beherrschung der identifizier-
ten Unsicherheit.
376 In einer realen Betrachtung sind entsprechend des beispielhaft dargestellten Vorgehens die Auswirkun-
gen aller identifizierten Unsicherheiten abzuschätzen und die gemäß Gleichung 6.6 resultierende
Gesamtunsicherheit zur Bildung von 𝑈∆𝐹𝑉 heranzuziehen.
126
Zur Beurteilung der Schwere der vorliegenden Unsicherheit wird das erweiterte Unsicherheits-
modell des SFB 805 gemäß Abbildung 2.22 in Unterabschnitt 2.3.1 herangezogen. Gemäß
dem vorherigen Absatz muss zur Beurteilung der Bedeutung der identifizierten Unsicherheit
mindestens Ungewissheit hinsichtlich der unsicheren Eingangsgrößen vorliegen. Die weiteren
Differenzierungen, bis hin zur theoretischen Determiniertheit, sind für die angestrebte Beur-
teilung folglich nicht relevant. Entsprechend werden zur Beurteilung der Schwere der identi-
fizierten Unsicherheit gemäß Tabelle 6.5 und Abbildung 6.11 drei Zustände unterschieden.
Determiniertheit
Wirkung bekannt
Aleatorische
Unsicherheit
Wirkung bekannt
Wirkung unbekanntvollständig
beschreibbar
vollständig
beschreibbar
nur teilweise
beschreibbar vernachlässigt
UnsicherheitDeterminiertheit
exakte Modelle,
vollständige
Information
Stochastische
Unsicherheit
determinierte
Variabilität
bekannte
Wahrscheinlich-
keitsdichte-
funktionen (WDF)
Epistemische
Unsicherheit
Ungewissheit
unsichere
Variabilität
geschätzte WDF
oder Zugehörig-
keitsfunktionen
(ZF)
Ungewissheit
unbekannte
Variabilität
unbekannte oder
teilweise unbe-
kannte WDF,
geschätzte ZF,
Intervalle
Unbeachtete
Unsicherheit
bekannte oder
geschätzte
Unsicherheit,
bewusst
vernachlässigt
Unwissen
Modell und
Parameter sind
nicht hinreichend
bekannt
1.) 2.) 3.)
Abbildung 6.11: Beurteilung der Schwere der identifizierten Unsicherheit gemäß Tabelle 6.5,
dargestellt im erweiterten Unsicherheitsmodell des SFB 805377
Beherrschbarkeit der Unsicherheit
Sowohl die Bedeutung als auch die Schwere der identifizierten Unsicherheit können im
betrachteten Konzeptstadium vom Entwickelnden noch konzeptionell beeinflusst werden. Aus
diesem Grund ist die reine Beurteilung dieser beiden Aspekte auf der Konzeptebene nur für
einen spezifischen Stand möglich und hinsichtlich des Endergebnisses nur bedingt aussage-
kräftig. Durch die Beurteilung der Beherrschbarkeit der identifizierten Unsicherheit wird
diesem Umstand begegnet und die Aussagekraft der Beurteilung von potentiellen Messgrößen
und den zugehörigen Messkonzepten gesteigert. Die Beherrschbarkeit berücksichtigt die Mög-
lichkeiten, eine identifizierte Unsicherheit zu beherrschen und lässt hierbei eine Berücksichti-
gung des dafür erforderlichen Aufwands zu. Ziel ist es, durch die Berücksichtigung der mögli-
chen Beherrschbarkeit einer identifizierten Unsicherheit einen technisch unbegründeten
Abbruch einer Effektkette zu verhindern. Resultierende Maßnahmen in Form von Änderungen
können durch das iterative Vorgehen in der Konzeptphase realisiert werden.
377 Ursprüngliche Darstellung vgl. Unterabschnitt 2.3.1, nach Lotz (2018), S. 37 – Basierend auf dem Unsi-
cherheitsmodell des SFB 805 von Hanselka und Platz (2010), S. 57 und Engelhardt (2012), S. 20.
127
Den Ansatz zur Beurteilung der Beherrschbarkeit von Unsicherheit liefert die Bewertung der
individuellen Anwendbarkeit von Robust Design-Strategien (vgl. Unterabschnitt 2.4.4 – insbe-
sondere Abbildung 2.35):
• Unsicherheit reduzieren/eliminieren,
• Einflüsse der Unsicherheit reduzieren/unterdrücken und
• Auswirkungen der Unsicherheit reduzieren/verhindern.
Der konkrete Bezug und die Bereitstellung von Ansätzen zur Beherrschung von Unsicherheit
im betrachteten Kontext ist Gegenstand des Unterabschnitts 6.2.2.
6.2.2 Ansätze zur Beherrschung der identifizierten Unsicherheit
Um die Beherrschbarkeit der identifizierten Unsicherheit begründet beurteilen zu können und
das Potential der betrachteten Messkonzepte bestmöglich auszuschöpfen, ist Wissen über
mögliche Ansätze zur Beherrschung von Unsicherheit notwendig. Die tatsächliche Beherr-
schung von Unsicherheit bezieht sich im betrachteten Kontext auf die Vermeidung negativer
Auswirkungen von Unsicherheit. Diese werden durch die Bedeutung der Unsicherheit in Un-
terschnitt 6.2.1 beurteilt. Entsprechend werden im Folgenden Ansätze betrachtet, die einge-
setzt werden können, um die Bedeutung der Unsicherheit zu reduzieren. Hierzu wird die zur
Identifikation von Unsicherheit verwendete Differenzierung von Kontext-, Modell- und Da-
tenunsicherheit in Abschnitt 6.1 als Ausgangspunkt aufgegriffen und mit Robust Design-
Strategien verknüpft. Die in Unterabschnitt 6.2.1 weiterhin beurteilte Schwere der Unsicherheit
ist relevant, wenn ein Mangel an Informationen bzw. Wissen vorliegt. Dementsprechend
werden exemplarisch Ansätze zum zielgerichteten Informationsgewinn bzw. Wissensaufbau
aufgeführt.
Bedeutung der Unsicherheit
Die Ansätze, um die identifizierte Unsicherheit durch eine Reduktion der Bedeutung zu
beherrschen, unterscheiden sich je nach Manifestation der Unsicherheit. Der in Abschnitt 6.1,
insbesondere in Abbildung 6.2, eingeführte Ansatz zur differenzierten Identifikation von
Unsicherheit stellt den Ausgangspunkt zur Reduktion der Bedeutung der identifizierten Unsi-
cherheit dar. Jedes aufgeführte Element im modifizierten Fehlzustandsbaum stellt einen mög-
lichen Ansatzpunkt dar.
Kontextunsicherheit, die gemäß Unterabschnitt 6.1.1 aus Stör- und Nebengrößen resultiert
und sich indirekt über eine Verursachung von Daten- und Modellunsicherheit negativ auf die
Funktionsfähigkeit der angestrebten Messfunktion auswirkt, lässt sich prinzipiell über alle drei
Robust Design-Strategien (vgl. Unterabschnitt 2.4.4 – insbesondere Abbildung 2.35) beherr-
schen:
• Stör- und Nebengrößen reduzieren/eliminieren,
• Einflüsse der Stör- und Nebengrößen reduzieren/unterdrücken und
• Auswirkungen der Stör- und Nebengrößen reduzieren/verhindern.378
378 Nähre Ausführungen hierzu können bspw. Mathias (2016), S. 104 ff. entnommen werden.
128
Modellunsicherheit, die sich gemäß Unterabschnitt 6.1.2 aus der Nicht-Berücksichtigung von
physikalischen Effekten in Form einer direkten oder indirekten Überlagerung des beabsichtig-
ten Effekts ergibt, lässt sich bzgl. ihrer Bedeutung durch eine Berücksichtigung der auftreten-
den Überlagerungen beherrschen. Hierzu kann das vorliegende Modell um die bisher nicht
berücksichtigten direkten und/oder indirekten Überlagerungen des beabsichtigten Effekts
erweitert werden.
Datenunsicherheit, die gemäß Unterabschnitt 2.3.1 die Eingangsgrößen eines Systems bzw.
dessen Modells betrifft, kann je nach vorliegender Ausprägung durch Ergreifen individueller
Gegenmaßnahmen reduziert werden:
• Datenunvollständigkeit – Vervollständigung der notwendigen Daten bspw. durch wei-
tere Messung,
• Datenungenauigkeit – Verbesserung der Datengenauigkeit bspw. durch die Nutzung
eines alternativen Messverfahrens oder im Fall von Gestaltparametern durch eine
zusätzliche Vermessung der relevanten Merkmale des Ausgangssystems. Der Einfluss
von (statischer) Datenungenauigkeit kann weiterhin durch eine Kalibration des Mess-
systems reduziert werden,
• Variation in den Eingangsdaten – Variation durch eindeutige Betrachtung definierter
Zustände unterbinden oder Variation im Modell der Auswertung berücksichtigen
(→ Modellunsicherheit).
Schwere der Unsicherheit
Um die Schwere der Modell- und Datenunsicherheit sowie ggf. der verursachenden Kontextun-
sicherheit zu reduzieren, müssen Informationen bzw. Wissen über die unsicheren Merkmale,
Einflüssen und/oder Beziehungen gewonnen werden. Im Rahmen der Entwicklung von Pro-
dukten wird diese Vorgehensweise der Detaillierung und Ausarbeitung allgemein als Konkre-
tisierung bezeichnet. Dementsprechend sind gängige Methoden zur Konkretisierung aus der
Produktentwicklung anwendbar, um die Schwere der Unsicherheit zu reduzieren. Beispiele
hierfür stellen
• gezielte Versuche bspw. mithilfe von Prototypen,
• Berechnungen oder Simulationen sowie
• Recherchen in der Literatur oder durch Diskussionen (Rückgriff auf bestehendes
Wissen)
dar.379
379 Siehe hierzu auch weiterführende Literatur aus der Produktentwicklungsmethodik bspw. Pahl und Beitz
(2007), S. 265 ff.
129
7 Initiale Evaluation der Ergebnisse
Die Evaluation eines Modells oder einer Methode zielt nach BLESSING & CHAKRABARTI darauf
ab, die Anwendbarkeit im Kontext einer betrachteten Situation sowie den Einfluss auf die
betrachte Situation wissenschaftlich zu untersuchen.380 Eine allgemeinere, zu dieser Auffas-
sung konsistente Definition, beschreibt SPIEL: „Evaluationsforschung untersucht wissenschafts-
gestützt unter Berücksichtigung geltender Standards die Effektivität (Ausmaß der Zielerreichung)
und Effizienz (Verhältnis von Aufwand und Nutzen) von Gegenständen.“381 Gegenstände können
dem zugrunde gelegten Verständnis nach u. a. allgemein Maßnahmen, Prozesse oder Metho-
den sein.382
Gemäß Kapitel 4 wird mit dieser Arbeit die Entwicklung eines Ansatzes zur Verbesserung bzw.
Unterstützung der Lösung eines wiederkehrenden Problems in einer verbreitet auftretenden
Situation (vgl. Kapitel 1) angestrebt: Die Auswahl und Festlegung von Messgrößen zur Erfas-
sung einer definierten Zustandsgröße in einem bestehenden technischen System. Dementspre-
chend stellt Evaluationsforschung nicht das primäre Ziel dieser Arbeit dar. Die finale Anwend-
barkeit und angenommenen positiven Auswirkungen, oder allgemein die Effektivität und
Effizienz des entwickelten Ansatzes, müssen an der Verbesserung der in der Motivation (vgl.
Kapitel 1) dargestellten Situation bzw. der Lösung des als wiederkehrend identifizierten Prob-
lems evaluiert werden. Entsprechend viele Aspekte und Einflussfaktoren müssen in diesem
Zusammenhang berücksichtigt werden. Im Kontext dieser Arbeit ist exemplarisch die tatsäch-
liche Umsetzung des entwickelten Ansatzes, bspw. analog in Tabellenform383 oder als rech-
nerbasierte Anwendung384, als ein wesentlicher Einflussfaktor für die Anwendbarkeit und
damit auch die tatsächliche Verbesserung der in der Motivation dargestellten Situation anzu-
sehen. Weiterhin ist im Fall einer rechnerbasierten Implementierung des Ansatzes, ein maß-
geblicher Einfluss der konkreten Umsetzung auf das Ergebnis der Evaluation zu erwarten.
Dementsprechend ist eine vollständige Evaluation der Ergebnisse dieser Arbeit, auf der Basis
des den Zielen dieser Arbeit entsprechenden Entwicklungsniveaus, nicht abschließend durch-
führbar.
Um die Ergebnisse dieser Arbeit vor dem Hintergrund der in Abschnitt 4.2 definierten Ziele
dennoch beurteilen zu können und erste Schlussfolgerungen über die Beziehung zwischen der
Motivation, den Zielen und den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit ziehen zu können, ist
eine initiale Evaluation385 notwendig. Initial deswegen, weil sich die durchgeführte Evaluation
in erster Linie an den Zielen und Hypothesen gemäß Abschnitt 4.2 orientiert und darüber
380 Vgl. Blessing und Chakrabarti (2009), S. 181 ff. 381 Spiel et al. (2010), S. 2, nach SPIEL (2003): „Wissenschaftliche Evaluation – eine Maßnahme der Quali-
tätssicherung“ (kein Zugriff auf Primärquelle). 382 Vgl. Spiel et al. (2010), S. 2. 383 Eine analoge Umsetzung des entwickelten Ansatzes wird aufgrund des Umfangs sowie der durchzufüh-
renden Iterationen als unvorteilhaft eingeschätzt und vom Autor nicht angestrebt bzw. empfohlen. 384 Der logische und systematische Aufbau des Ansatzes lässt eine rechnerbasierte Implementierung zu.
Entsprechend ist nach Ansicht des Autors eine solche Umsetzung bspw. in Form einer Web-Anwendung
perspektivisch anzustreben. 385 Die Verwendung und das Verständnis des Begriffs der initialen Evaluation geht auf die Ausführungen
von Blessing und Chakrabarti (2009), S. 195 und 208 f. zurück.
130
hinaus exemplarisch einen Ausblick auf eine Evaluation vor dem Hintergrund der in der
Motivation dargestellten Situation gibt. Es werden hierzu im Folgenden zwei Aspekte unter-
sucht:
• Erreichung der Zielsetzung (Verifikation)
Wurde die Zielsetzung vor dem Hintergrund der in Abschnitt 4.2 aufgeführten Hypo-
thesen erreicht?
➢ Logische Argumentation und Begründung auf Basis eines Abgleichs zwischen den
definierten Zielen und den erzielten Ergebnissen
• Zusammenhang zwischen Ergebnissen und Motivation (Validierung)
Haben die Ergebnisse einen positiven Einfluss auf die in der Motivation dargestellte
reale Situation und die identifizierte Problemstellung?
➢ Initialer Nachweis der Anwendbarkeit sowie Nützlichkeit bzw. Brauchbarkeit der
Ergebnisse386, anhand einer exemplarischen Anwendung der Ergebnisse in einem
Kooperationsprojekt zwischen der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH und pmd, zur
Entwicklung eines sensorintegrierenden Gleitlagers
7.1 Erreichung der Zielsetzung
Ausgehend von der in Abschnitt 4.2 definierten Zielsetzung und der zugrundeliegenden
Hypothesen, wird in diesem Abschnitt eine Beurteilung der Ergebnisse dieser Arbeit in Form
einer logischen Verifikation durchgeführt. Hierzu werden entsprechende Beurteilungskriterien
aus der Zielsetzung und den Hypothesen abgeleitet. Die beiden aufeinander aufbauenden Ziel-
setzungen aus Abschnitt 4.2 werden getrennt betrachtet. Da die Beantwortung der in Abschnitt
4.3 jeweils aufgestellten (Teil-)Forschungsfragen die Grundlage zur Erreichung der Zielset-
zung darstellt, wird deren Beantwortung implizit mit beurteilt.
Erste Zielsetzung – Herstellung eines Zusammenhangs zwischen einer system-
individuellen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen mittels Katalogsystem
➢ Wurden die in Abschnitt 5.2 definierten Anforderungen […] erfüllt?
Der Erfüllungsgrad der in Abschnitt 5.2 definierten Anforderungen ist in Tabelle 7.1 differen-
ziert für jede Anforderung, inklusive einer kurzen Begründung, dargestellt.
386 Nach Üreten et al. (2019) umfasst der Validierungsbegriff weiterhin die Akzeptanz einer Methode. Die
Akzeptanz der Ergebnisse kann aufgrund der exemplarischen Anwendung zum Zeitpunkt der Arbeit
(noch) nicht begründet beurteilt werden.
131
Tabelle 7.1: Beurteilung des Erfüllungsgrads der definierten Anforderungen durch den
entwickelten Ansatz eines Katalogsystems physikalischer Effekte
Glie-
de-
rung
Art der
Anforde-
rung
Nr.
Be-
zeich-
nung
Erläuterung und Beurteilung
des Erfüllungsgrads
Gli
ed
eru
ng u
nd
Au
fbau
FF 1.
Voll
stän
dig
keit
un
d A
uf-
bau
des
Gli
ed
eru
ngst
eil
s
Da der Aufbau und Inhalt entsprechend der klassischen Physik in Ver-
knüpfung mit den Grundlagen der mehrpolbasierten Modellbildung
aufgebaut ist und somit auf die allgemeingültige Energie-Bilanzierung
zurückzuführen ist, wird diese Anforderung als erfüllt bewertet. Dar-
über hinaus kann, unter Einbezug der zweiten Anforderung über den
Vergleich zu bestehenden physikalischen Katalogsystemen nach
KOLLER und ROTH, die Einschätzung bestätigt werden.
FF 2.
Zw
eck
mäß
igkeit
des
Gli
ed
eru
ngst
eil
s
Da sowohl aus der praktischen Erfahrung heraus als auch aus dem
Vergleich mit bestehenden physikalischen Katalogsystemen nach
KOLLER und ROTH entsprechende abgeleitete Größen im Gliede-
rungsteil aufgeführt werden, wird diese Anforderung als erfüllt be-
wertet. Sollte es sich im Rahmen der weiteren praktischen Anwen-
dung als vorteilhaft erweisen bestimmte abgeleitete Größen darüber
hinaus zu berücksichtigen, ist dies gemäß der sechsten Anforderung
möglich.
FF 3.
Ein
deu
tigkeit
Durch die systematische Berücksichtigung der Funktionsgrößen und
der funktionsrelevanten Gestaltparameter (vierten Anforderung)
wird eine eindeutige Unterscheidung zwischen Systemvariablen bzw.
Funktionsgrößen und Gestaltparametern vollzogen. Damit wird die-
ser Anforderung entsprochen.
FF 4.
Fu
nkti
on
sgrö
ßen
un
d
Gest
alt
para
mete
r
Nach dem Verständnis der mehrpolbasierten Modellbildung, werden
neben den Funktionsgrößen in Form der Primär-, Fluss- und Potenti-
algröße sowie des Extensums auch die, den Zusammenhang zwischen
den genannten Größen herstellenden, funktionsrelevanten Gestaltpa-
rametern und die Zeit, logisch abgeleitet und im entsprechenden Glie-
derungsteil aufgeführt. Folglich ist die Anforderung als erfüllt zu be-
urteilen.
FF 5.
Zu
gri
ffst
eil
Eff
ektk
ata
log
Um dem Anwendenden eine Vorauswahl der potentiell nutzbaren
physikalischen Effekte zu ermöglichen, werden aus effektspezifischen
Anforderungen und Randbedingungen notwendige Eigenschaften des
technischen Systems abgeleitet und im Zugriffsteil des Effektkatalogs
aufgeführt. Dieser Schritt wird über die Feststellung nach
PAHL & BEITZ begründet, dass sich die notwendigen Voraussetzungen
eines technischen Systems zur Realisierung eines physikalischen Ef-
fekts über die geometrischen, stofflichen und kinematischen Eigen-
schaften des technischen Systems beschreiben lassen. Entsprechend
wird der Effektkatalog dieser Anforderung gerecht.
Fortsetzung auf der nächsten Seite…
132
Glie-
de-
rung
Art der
Anfor-
derung
Nr.
Be-
zeich-
nung
Erläuterung und Beurteilung
des Erfüllungsgrads
Inh
alt
FF 6.
Erw
eit
erb
ark
eit
/
Aktu
ali
sierb
ark
eit
Aufgrund des bisher verfolgten Aufbaus der Effektmatrix und des zu-
gehörigen Effektkatalogs in Form einer zwei- bzw. eindimensionalen
Tabelle, sind sowohl die Gliederungsteile als auch die aufgeführten
Inhalte ggf. erweiterbar und aktualisierbar. Somit ist diese Anforde-
rung erfüllt.
FF 7.
Gü
ltig
keit
Da die Inhalte den Grundgesetzen der klassischen Physik genügen,
wird der Forderung nach Allgemeingültigkeit und Übertragbarkeit in
diesem Rahmen entsprochen.
FF 8.
Wid
er-
spru
chsf
reih
eit
Der Aufbau und die Inhalte der entwickelten Effektmatrix und dem
zugehörigen Effektkatalog genügen den Grundgesetzen der klassi-
schen Physik. Daher ist die Widerspruchsfreiheit in diesem Rahmen
gegeben.
ZF 9.
Voll
stän
dig
keit
der
au
fgefü
hrt
en
Eff
ekte
Die Basis der aufgeführten Effekte bilden die, in der Zuordnungs-
matrix nach KOLLER und der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH ent-
haltenen Effekte. Physikalische Effekte, die bisher nicht erfasst wur-
den sowie etwaig auftretende neue Erkenntnisse, können in der Ef-
fektmatrix zeilen- und spaltenweise ergänzt bzw. aktualisiert werden
(sechste Anforderung). Die Vollständigkeit der aufgeführten Effekte
hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit und ins-
besondere die „Vollständigkeit“ der Lösungssuche in einer späteren
Anwendung, das eigentliche logische Konzept ist hingegen davon un-
abhängig.
An
wen
dbark
eit
ZF 10.
An
wen
dbark
eit
Durch die abstrakte Betrachtung auf der Ebene physikalischer Effekte,
wird die Anwendbarkeit für einen möglichst großen Nutzerkreis und
entsprechend individuell verfolgte Ziele konzeptionell ermöglicht.
Einen maßgeblichen Einfluss auf die tatsächliche Anwendbarkeit hat
die perspektivische Umsetzung der Ergebnisse bspw. in einer rechner-
basierten Anwendung.
W 11.
Zu
gri
ff
Durch die Anwendung eines zweidimensionalen Übersichtskatalogs
und eines eindimensionalen Detailkatalogs mit strukturiert aufbauen-
dem Informationsgehalt, wird ein Vorgehen in zwei Schritten ermög-
licht. Wobei jeweils konsequent hierarchisch strukturierte Gliede-
rungs- und Zugriffsmerkmale verwendet werden. Der Informations-
gehalt der jeweiligen Hauptteile der beiden Kataloge ist hinsichtlich
eines effizienten Zugriffs aufgeteilt und aufeinander abgestimmt.
Hinsichtlich eines konkreten Zugriffs auf die enthaltenen Informatio-
nen, hat die perspektivische Umsetzung der Ergebnisse bspw. in einer
rechnerbasierten Anwendung, einen maßgeblichen Einfluss.
W 12.
Han
dh
abu
ng
Da die Handhabbarkeit der Inhalte von der perspektivischen Umset-
zung der Ergebnisse bspw. in einer rechnerbasierten Anwendung ab-
hängt, kann bzgl. dieses Wunsches (noch) keine Aussage getroffen
werden.
133
➢ Ist es möglich, mithilfe der entwickelten Effektmatrix und dem entwickelten Ef-
fektkatalog, Zusammenhänge zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße
und potentiellen Messgrößen zu identifizieren, die mit den bestehenden Katalog-
systemen nach KOLLER oder ROTH nicht identifiziert werden können?
Der Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Mess-
größen wird im Kontext dieser Arbeit als Ursache-Wirkung-Zusammenhang betrachtet und
mittels physikalischer Effekte hergestellt. Da physikalische Effekte allgemeingültig einen
Zusammenhang zwischen einer Ursache und einer Wirkung herstellen, kann gemäß Abschnitt
3.1 ein physikalischer Effektkatalog eingesetzt werden, um systematisch, ausgehend von der
Ursache, potentiell messbaren (Aus-)Wirkungen zu identifizieren. Die in Abschnitt 3.2 festge-
stellten Einschränkungen der bestehenden physikalischen Katalogsysteme nach KOLLER und
ROTH hinsichtlich der angestrebten Nutzung, wurden in Abschnitt 5.1 analysiert. Aufbauend
wurden in Abschnitt 5.2 Anforderungen an ein, dem angestrebten Verwendungszweck ent-
sprechend, geeignetes Katalogsystem abgeleitet. In Tabelle 7.1 wurde der Erfüllungsgrad
dieser Anforderungen beurteilt. Aufgrund der erfolgreichen Umsetzung der Anforderungen
kann begründet davon ausgegangen werden, dass die identifizierten konzeptionellen Ein-
schränkungen der betrachteten bestehenden Katalogsysteme im entwickelten Katalogsystem
behoben werden. Durch eine erneute Betrachtung der in den Abschnitten 3.2 und 5.1 darge-
stellten Beispiele, auf Basis des entwickelten Katalogsystems, kann diese Aussage an konkreten
Beispielen belegt werden.
Zusammenfassend wird festgestellt, dass das entwickelte Katalogsystem und die Anwendung
dessen als Methode prinzipiell in der Lage ist, systematisch einen Zusammenhang zwischen
einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen unter Einbezug des
individuell betrachteten Systems herzustellen und abzubilden.
Zweite Zielsetzung – Prüfung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit der entwickelten
Effektketten mittels einer Unsicherheitsbetrachtung
➢ Lässt sich, anhand der entwickelten Kriterien zur Beurteilung der systematisch
identifizierten Unsicherheit, gemäß der Hypothese die prinzipielle Funktionsfähig-
keit der entwickelten Effektketten begründet beurteilen?
Die Grundlage für die angestrebte Beurteilung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit der entwi-
ckelten Effektketten, mittels einer Unsicherheitsbetrachtung, stellt die (systematische) Identi-
fikation der im betrachteten Messkonzept individuell auftretenden Unsicherheit dar. Da im
Rahmen dieser Arbeit keine Unsicherheitsforschung angestrebt wird, wird hierzu die Klassifi-
zierung von Unsicherheit nach KREYE ET AL.387 aufgegriffen, mit Ansätzen zur Identifikation
von Unsicherheit nach ENGELHARDT388 und MATHIAS389 kombiniert und auf die betrachtete
Situation übertragen. Da die dargestellten Ergebnisse in diesem Bereich logisch auf bestehende
Vorgehensweisen und Methoden zurückgeführt werden, wird von einer Gültigkeit gemäß der
ursprünglichen Arbeiten ausgegangen.
387 Kreye et al. (2011). 388 Engelhardt (2012). 389 Mathias (2016).
134
Die Beurteilung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit der entwickelten Effektketten geht auf
eine Beurteilung der, aus der identifizierten Unsicherheit resultierenden Auswirkungen
zurück. Die Grundlage hierfür stellen die Betrachtung und der Vergleich von anforderungsge-
mäß zulässigen und maximal resultierenden Fehlergrenzen aus Sicht der Messtechnik dar.
Hierzu werden die beiden allgemein denkbaren Sichtweisen eingenommen. Zum einen
werden aus dem betrachteten System, der zu beurteilenden Effektkette sowie der zulässigen
Fehlergrenze Δy Anforderungen an einen Sensor abgeleitet und anschließend geprüft, ob ein
entsprechender Sensor verfügbar und einsetzbar ist. Zum anderen wird abgeschätzt, welche
Folgen der Einsatz eines bestimmten Sensors, inklusive der durch den Sensor eingebrachten
Unsicherheit, auf die resultierende Fehlergrenze Δyuns der zu bestimmenden Zustandsgröße YZ
hat. Auf diese Weise ist es möglich, die Bedeutung der identifizierten Unsicherheit, hinsichtlich
der messtechnischen Nutzung der entwickelten Effektkette, begründet zu beurteilen. Quanti-
fiziert wird die Bedeutung durch das dimensionslose Verhältnis 𝑈∆𝑦 aus der maximalen, aus
der identifizierten Unsicherheit resultierenden, Abweichung Δyuns und der maximal zulässige
Messabweichung Δy. Für 𝑈∆𝑦 ≤ 1 ist die identifizierte Unsicherheit in diesem Entwicklungssta-
dium als tolerabel einzuschätzen. Für 𝑈∆𝑦 > 1 hingegen ist die Unsicherheit als potentiell kri-
tisch anzusehen und das Konzept kann gegenüber alternativen Konzepten begründet zurück-
gestellt bzw. verworfen werden.
Die Beurteilung der Bedeutung der identifizierten Unsicherheit setzt ein Mindestmaß an
Informationen über die ausschlaggebende Unsicherheit voraus. Dieser Aspekt wird durch die
parallele Beurteilung der Schwere der jeweils betrachteten Unsicherheit berücksichtigt. Die
Beurteilung und vorgenommene Differenzierung geht auf Ergebnisse des SFB 805 in Form des
erweiterten Unsicherheitsmodells390 zurück. Durch die differenzierte Beurteilung der Schwere
der Unsicherheit wird deutlich, welche Informationen vorhanden bzw. verfügbar sind und
welche noch zu erarbeiten sind, um die Bedeutung begründet abschätzen zu können.
Da sich die betrachteten Effektketten bzw. potentiellen Lösungen auf einem konzeptionellen
Entwicklungsniveau befinden, können sowohl die Bedeutung als auch die Schwere der identi-
fizierten Unsicherheit vom Entwickelnden noch konzeptionell beeinflusst werden. Folglich ist
die reine Beurteilung dieser beiden Aspekte auf der Konzeptebene nur für einen spezifischen
Stand möglich und hinsichtlich des Endergebnisses nur eingeschränkt aussagekräftig. Das
Potential, die identifizierte Unsicherheit ggf. konzeptionell zu beherrschen, muss im Rahmen
einer begründeten Beurteilung entsprechend mitberücksichtigt werden. Durch die Beurteilung
der Beherrschbarkeit der identifizierten Unsicherheit wird diesem Umstand entsprochen. Um
das Potential einer prinzipiellen Lösung hinsichtlich der Beherrschbarkeit der identifizierten
Unsicherheit beurteilen zu können, ist Wissen über die prinzipiellen Ansätze zur Beherrschung
der Unsicherheit notwendig. Die entsprechend entwickelten Ansätze gehen auf das Prinzip des
Robust Designs zurück und werden im Rahmen dieser Arbeit mit der Klassifizierung nach
KREYE ET AL.391 verknüpft. Da dieses Vorgehen logisch auf bestehende und etablierte Ansätze
zurückzuführen ist, wird von dessen Gültigkeit ausgegangen.
390 Vgl. Lotz (2018) S. 37. 391 Kreye et al. (2011).
135
Zusammenfassend wird festgestellt, dass ausgehend von einer Beurteilung der Bedeutung der
identifizierten Unsicherheit anhand der resultierenden Fehlergrenze, dem Sicherstellen eines
Mindestmaßes an Information, mittels der Beurteilung der Schwere der Unsicherheit, sowie
dem Einbeziehen des Potentials einer prinzipiellen Lösung, die prinzipielle Funktionsfähigkeit
eines entwickelten Messkonzepts begründet abgeschätzt werden kann.
7.2 Anwendung des entwickelten Ansatzes im Rahmen der Entwicklung
eines sensorintegrierenden Gleitlagers
Die übergeordneten (positiven) Auswirkungen der Ergebnisse dieser Arbeit, sind anhand der
Verbesserung der in der Motivation dargestellten Situation zu beurteilen. Im Rahmen dieser
Arbeit wird ein initialer Nachweis der Anwendbarkeit sowie Nützlichkeit bzw. Brauchbarkeit
der Ergebnisse anhand einer exemplarischen Anwendung der Ergebnisse, in einem Kooperati-
onsprojekt zwischen der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH und dem Fachgebiet pmd zur Ent-
wicklung eines sensorintegrierenden Gleitlagers, erbracht. Die inhaltliche Bearbeitung des
Kooperationsprojekts erfolgte von Seiten des pmds durch Herrn Harder, M. Sc. (wissenschaft-
licher Mitarbeiter aus dem Arbeitsbereich Smart Bearings) und dem Maschinenbaustudenten
Herrn Groß, B. Sc. Auf diese Weise wurde eine direkte Selbstevaluation und potentielle Ein-
flussnahme des Autors vermieden.
7.2.1 Grundlagen und Randbedingungen
Das Ziel des Kooperationsprojekts zwischen der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH und dem
Fachgebiet pmd ist die Entwicklung eines Messkonzeptes zur Erfassung des Verschleißes von
selbstschmierenden Gleitlagerbuchsen. Im Sinne sensorischer Maschinenelemente ist die
Erfassung des Verschleißes in-situ, d. h. im Maschinenelement, umzusetzen. Konkreter Ent-
wicklungsgegenstand ist die, aus einem faserverstärkten Kunststoffverbundwerkstoff beste-
hende, selbstschmierende Gleitlagerbuchse Deva.tex 552.
Die betrachtet Gleitlagerbuchse Deva.tex 552 ist zweischichtig aus einer Tragschicht und einer
Gleitschicht aufgebaut (vgl. Abbildung 7.1). In der Herstellung wird zunächst die Gleitschicht
und anschließend die Tragschicht des Lagers auf einen Wickeldorn aufgewickelt (vgl. auch
Abbildung 7.5). Die Gleitlagerbuchse besteht aus durchgehend gewickelten und in Epoxidharz
eingebetteten Fasern. Als Festschmierstoff ist in den Fasern der Gleitschicht Polytetrafluo-
rethylen (PTFE) und im Epoxidharz Graphit enthalten. Die aus glasfaserverstärktem Epoxid-
harz bestehende Tragschicht der Gleitlagebuchse wird im Anschluss an die Wicklung der Gleit-
schicht auf diese aufgewickelt. Anschließend werden die sich auf dem Wickeldorn befindende
Gleit- und Tragschicht für 30 bis 45 Minuten bei 90 °C angeliert und abschließend, je nach
Durchmesser, bei 180 °C für zwei bis drei Stunden ausgehärtet. Nach dem Aushärten wird der
Wickeldorn gezogen, die Oberfläche geschliffen und das entstandene Rohr entsprechend der
angestrebten Lagerbreite abgelängt. Die so entstandenen Gleitlagerbuchsen werden abschlie-
ßend mit einer Montagefase versehen und, im Fall eines Präzisionslagers, an der Gleitfläche
zusätzlich spanend bearbeitet.
136
Tragschicht Gleitschicht
Abbildung 7.1: Gleitlagerbuchse deva.tex 552
Die Montage der Gleitlagerbuchsen in die vorgesehenen Lageraufnahmen erfolgt mittels Ein-
pressen über einen Einpressdorn bzw. ab einem Innendurchmesser von 150 mm optional
durch Einsetzten der mit flüssigem Stickstoff unterkühlten Gleitlagerbuchsen. Referenzanwen-
dungen sind nach Angabe des Herstellers u. a. Wasserturbinen, Windkraftanlagen, Land-, Bau-
und Erdbewegungsmaschinen sowie Schienenfahrzeuge.392
Aufgrund des Wirkprinzips der betrachteten Gleitlagerbuchse, tritt im Betrieb Festkörperrei-
bung zwischen der Gleitschicht der Lagerbuchse und der Welle auf. Der in der Gleitschicht
enthaltene Schmierstoff wird durch einen kalkulierten Verschleiß der Gleitschicht freigesetzt.
Dementsprechend ist ein Verschleiß der Gleitschicht prinzipbedingt notwendig. Die auftreten-
den tribologischen Effekte bestimmen hierbei einerseits den mechanischen Widerstand gegen-
über einer Relativbewegung zwischen Gleitlagerbuchse und Welle sowie andererseits den
resultierenden Verschleiß aufgrund der auftretenden Reibung. Der im Normalfall primär an
der Gleitlagerbuche auftretende, kalkulierte Verschleiß wird als der fortschreitende Material-
verlust aus der Oberfläche der Gleitlagerbuchse, in Folge der tribologischen Beanspruchung
durch die auftretende Festkörperreibung, definiert.393 Kennzeichnen lässt sich der auftretende
Verschleiß über Verschleißmessgrößen, welche die verschleißbedingte Veränderung der
Gestalt oder Masse eines Körpers beschreiben.394 Je nach Dimension des Verschleißes werden
Verschleißlängen Wl, Verschleißflächen WA oder Verschleißvolumen WV unterschieden. Das
Verschleißvolumen ist über die Dichte des verschleißenden Körpers mit der alternativ verwen-
den Verschleißmasse WM gekoppelt.395 Die im Kontaktbereich eines tribologischen Systems
ablaufenden physikalischen und chemischen Wechselwirkungen, die für den makroskopischen
Verschleiß ursächlich sind, werden als Verschleißmechanismen bezeichnet. Differenziert
werden diese in Oberflächenzerrüttung, Abrasion, Adhäsion und tribochemische Reaktio-
nen.396 Da das zu entwickelnde Messkonzept anforderungsgemäß den gleichmäßig und
kontinuierlich auftretenden makroskopischen Verschleiß (vgl. Abbildung 7.2 a) erfassen soll,
392 Die Referenzanwendungen wurden der Homepage des Herstellers (http://deva.de/de/lieferprogramm-
/lieferprogramm-/deva-tex) am 31.08.2020 entnommen. 393 Vgl. Czichos und Habig (2015), S. 127. 394 Vgl. Czichos und Habig (2015), S. 127 f. 395 Vgl. Czichos und Habig (2015), S. 127 ff. 396 Vgl. Czichos und Habig (2015), S. 132.
Weitere (detaillierte) Informationen zu den einzelnen Verschleißmechanismen können der Fachliteratur
auf dem Gebiet der Tribologie, bspw. Czichos und Habig (2015), S. 133 ff., entnommen werden.
137
ist eine weitere Differenzierung der Verschleißmechanismen für die Konzeptentwickung nicht
unmittelbar relevant. Überwiegend abrasiver Verschleiß durch Fremdkörpereintrag in das
Lager und daraus resultierende Riefenbildung (vgl. Abbildung 7.2 b), Adhäsionseffekte auf-
grund von Lager- oder Wellenpartikeln im Spalt zwischen Welle und Lager, ein Brechen der
gesamten Gleitlagerbuchse durch eine Überlastung oder eine Delamination der Gleitschicht
aufgrund zu hoher Adhäsionskräfte oder Betriebstemperaturen können, nach Angaben der
Firma Federal-Mogul DEVA GmbH, unter den genannten Bedingungen auftreten, sollen aber
bewusst nicht Gegenstand der Betrachtung sein.
verschlissener Bereich
a) b)
Abbildung 7.2: Verschleiß einer Gleitlagerbuchse Deva.tex 552397
a) Kalkulierter Verschleiß aufgrund tribologischer Beanspruchung durch Festkörperreibung
b) Abrasiver Verschleiß durch Fremdkörpereintrag in das Gleitlager
Die Grundlage zur Identifikation potentieller Messgrößen und zur anschließenden Entwick-
lung von Messkonzepten, stellt die Festlegung der zu erfassenden Größe, des Betrachtungs-
umfangs in Form der Systemgrenze sowie eine Anforderungsermittlung dar. Gemäß der ein-
geführten Verschleißmessgrößen wird die radiale Abnahme der Gleitschicht bzw. die verblei-
bende Dicke d der Gleitschicht, nach Absprache mit der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH,
als zu erfassende Größe festgelegt. Der Betrachtungsumfang beschränkt sich auf die Gleitla-
gerbuchse Deva.tex 552 sowie die unmittelbaren Schnittstellen zum umgebenen System in
Form einer Welle und dem Lagersitz im Gehäuse. Wesentliche Anforderungen an das zu ent-
wickelnde Messkonzept zur Erfassung des Verschleißes der Gleitlagerbuchse sind:
• Die Sensorik ist in die Gleitlagebuchse zu integrieren
o Bauraumneutralität gegenüber konventioneller Gleitlagerbuchse, um Aus-
tauschbarkeit zu gewährleisten und Anpassungen am Lagersitz bzw. Gehäuse
vermeiden zu können
o Integration der zusätzlichen Fertigungsschritte in den bestehenden Fertigungs-
prozess, um möglichst geringen zusätzlicher Fertigungs-/Montageaufwand zu
397 Eigene Darstellung, nach Groß (2020), S. 11; Die Bilder wurde mit freundlicher Genehmigung von der
Firma Federal-Mogul DEVA GmbH zur Verfügung gestellt.
138
erreichen (Sensorik muss Aushärtetemperatur von 180°C zwei bis drei Stunden
ertragen können)
• Berührungslose Messung, um mechanischen Verschleiß an der Messeinrichtung auszu-
schließen
• Betriebssicherheit für Anwendende
• Möglichst geringe Mehrkosten im Vergleich zur bestehenden Gleitlagerbuchse
Konkrete Anforderungen hinsichtlich der zulässigen Messabweichung bzw. Genauigkeit der
Verschleißmessung werden im Rahmen der Konzeptentwicklung unternehmensseitig nicht als
Anforderungen definiert. Aus diesem Grund wird angenommen, dass ein Verschleiß im
Bereich von bis zu 1 mm, was der Dicke d der nicht verschlissenen Gleitschicht entspricht,
erfasst werden soll. Weiterhin wird die zu erreichende Genauigkeit mit Δd=0,1 mm, d. h. 10
% des Messbereichsendwerts, abgeschätzt.
7.2.2 Identifikation potentieller Messgrößen und Entwicklung von
Messkonzepten zur Erfassung des Verschleißes einer selbstschmierenden
Gleitlagerbuchse
Die Identifikation potentieller Messgrößen geht von der eigentlich zu erfassenden, verschleiß-
bedingt verbleibenden, Dicke d der Gleitschicht aus. Da das Ableiten weiterer potentieller
Messgrößen keinen Selbstzweck darstellt, ist vorab zu prüfen, ob die zu erfassende Dicke d
mit verfügbarer Sensorik anforderungsgemäß erfasst werden kann. Hierzu wird eine allge-
meine Sammlung bestehender Abstandsensoren von HERING & SCHÖNFELDER398 genutzt.
Es wird festgestellt, dass induktive und kapazitive Abstandssensoren bzgl. ihres üblichen Mess-
bereichs und ihrer Genauigkeit prinzipiell zur angestrebten Verschleißerfassung infrage
kommen. Insbesondere aufgrund ihres Bauraums und des vom jeweiligen Sensorhersteller
empfohlen Einsatzgebiets, konnten aber keine kommerziell verfügbaren induktiven oder
kapazitiven Abstandssensoren ermittelt werden, die allen anwendungsspezifischen Anforde-
rungen gerecht geworden wären.399
Aus diesem Grund wird eine Identifikation alternativer potentieller Messgrößen mithilfe des ent-
wickelten Ansatzes, d. h. auf Basis von physikalischen Effektkatalogen, durchgeführt. Die Grund-
lage stellen dabei die Katalogsysteme nach ROTH400 und KOLLER401 dar. Das Ableiten potentiel-
ler Messgrößen wird gemäß des in Unterabschnitt 5.5.3 beschrieben Vorgehens umgesetzt.
Die zu erfassende Dicke d wird hierzu als Gestaltparameter in Form einer Länge l betrachtet.
Es werden gemäß Unterabschnitt 5.4.2 systemspezifische physikalische Effekte gesucht, in
deren Gesetzmäßigkeit der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung über den Gestalt-
parameter der Länge l hergestellt wird. Das prinzipielle Vorgehen sowie ein Überblick über
die Anzahl an identifizierten physikalischen Effekten werden in Abbildung 7.3 visualisiert.
398 Siehe Hering und Schönfelder (2018), S. 127 ff. 399 Vgl. Groß (2020), S. 15. 400 Vgl. Roth (2000), S 114 ff. 401 Vgl. Koller (1998), S. 548 ff.
139
Ausgangspunkt:
Zu erfassende Dicke d der Gleitschicht der Lagerbuchse
Identifikation geeigneter Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge
YZ = f(Xmess,pot, l , ) mittels physikalischer Effektkataloge
Gestaltparameter der
Länge l
Prüfung der Systemverträglichkeit:
Abgleich der effektspezifischen Anforderungen und Randbedingungen mit den vorliegenden Eigenschaften
des betrachteten Systems unter Einbezug potentiell denkbarer Modifikationen der Systemeigenschaften
Identifikation von 34
potentiell geeigneten physikalischen Effekten
Ergebnis:
4 relevante physikalische Effekte identifiziert,
die prinzipiell zur Bestimmung der verschleißbedingt verbleibenden Dicke d
der Gleitschicht nutzbar sind
Abbildung 7.3: Vorgehen zur Identifikation sowie Überblick über die Anzahl an identifizierten
physikalischen Effekten, die prinzipiell zur Bestimmung der Dicke d der Gleitschicht nutzbar sind
GROß identifiziert unter Anwendung des entwickelten Ansatzes in Summe 34 allgemeine physi-
kalische Effekte, in denen der Ursache-Wirkung-Zusammenhang vom Gestaltparameter der
Länge l abhängig ist. Die erfassten physikalischen Effekte untersucht GROß anschließend auf
ihre Verträglichkeit mit dem betrachteten System.402 Das konvergente Vorgehen ausgehend
von den 34 erfassten allgemeingültigen physikalischen Effekten, hin zu systemspezifisch rele-
vanten Effekten, geht in Teilen auf einen Arbeitsstand des, in Unterabschnitt 5.4.2 beschrie-
benen, Zugriffsteils des Effektkatalogs zurück. Der Zugriffsteil des Effektkatalogs gemäß des
Unterabschnitts 5.4.2 basiert auf allgemeingültig formulierten notwendigen Eigenschaften
eines technischen Systems und zielt auf einen Abgleich dieser mit den effektspezifischen
Anforderungen und Randbedingungen ab. Dieses Vorgehen wendet GROß prinzipiell ebenfalls
an und bezieht darüber hinaus weitere systemspezifische Eigenschaften und Randbedingun-
gen in den Abgleich mit ein. Durch dieses Vorgehen werden insgesamt vier systemspezifische
relevante physikalische Effekte identifiziert, die prinzipiell zur Bestimmung der verschleißbe-
dingt verbleibenden Dicke d der Gleitschicht nutzbar sind. Einen Überblick über die identifi-
zierten Effekte, eine kurze Erläuterung zum angedachten Messprinzip sowie eine jeweilige
Skizze sind in Tabelle 7.2 zusammengefasst.
402 Vgl. Groß (2020), S. 19 ff.
140
Tabelle 7.2: Überblick über die vier identifizierten Effekte, die prinzipiell zur Bestimmung der
verschleißbedingt verbleibenden Dicke d der Gleitschicht nutzbar sind
Physik.
Effekt Erläuterung Skizze403
Hall-
Effekt Wenn die Welle im Gleitlager als elektrischer Leiter
angenommen und von einem Strom durchflossen
wird, bildet sich um die Welle herum ein ringförmiges,
mit zunehmendem Abstand zu Welle abnehmendes
Magnetfeld. Ein in die Tragschicht der Lagerbuchse in-
tegrierter Hall-Sensor kann die magnetische Feld-
stärke des entstehenden Magnetfeldes messen. Mit zu-
nehmendem Verschleiß nähern sich Welle und Hall-
Sensor an. Infolgedessen nimmt die, durch den Hall-
Sensor messbare, magnetische Feldstärke zu.
Elektrische
Kapazität Während der Fertigung des Gleitlagers ist es möglich,
auf die gewickelte Gleitschicht eine Metallfolie aufzu-
legen und diese im Anschluss mit der Tragschicht der
Lagerbuchse zu überwickeln. Die eingelegte Metallfo-
lie kann zusammen mit einer metallischen, elektrisch
leitfähigen Welle als Zylinderkondensator betrachtet
werden. Die Gleitschicht stellt das Dielektrikum des
angenommenen Kondensators dar. Wenn sich die
Welle mit zunehmendem Verschleiß in die Gleit-
schicht der Lagerbuchse eingräbt, nimmt die Dicke des
Dielektrikums ab und infolgedessen die Kapazität des
modellierten Kondensators zu.
Ohm’sches
Gesetz Im konventionellen Zustand besitzt die Gleitschicht
der Gleitlagerbuchse Deva.tex 552 einen mittleren
elektrischen Widerstand von R = 5,56· 1011 Ω. Durch
eine Verringerung dieses Widerstands bzw. die Erhö-
hung der Leitfähigkeit, ist es prinzipiell möglich, die
Lagerbuchse als elektrischen Leiter zu betrachten. Der
elektrische Widerstand eines Leiters ist abhängig von
seiner Länge. Auf diesen Fall übertragen, ist der elekt-
rische Widerstand prinzipiell von der Dicke d der
Gleitschicht abhängig. Durch eine verschleißbedingte
Abnahme der Dicke d der Gleitschicht nimmt deren
elektrischer Widerstand prinzipiell ab.
Um die benötigte Leitfähigkeit der Lagerbuchse her-
stellen zu können, liegen zwei prinzipielle Ansätze
vor: Zum einen eine Beimischung von Graphenpulver
zum Epoxidharz vor der Wicklung der Gleitschicht
oder zum anderen ein Einlegen eines elektrischen Lei-
ters während des Wickelprozesses der Gleitschicht.
403 Darstellungen von Groß (2020), S. 31 ff. übernommen.
141
Physik.
Effekt Erläuterung Skizze403
Normal-
/Schub-
span-
nungen
Durch den fortschreitenden Materialverlust an der
Oberfläche der Gleitlagerbuchse gräbt sich die Welle
in die Gleitschicht der Lagerbuchse ein. In Folge des-
sen wächst der Kontaktwinkel zwischen Welle und La-
gerbuchse. Durch die resultierende Vergrößerung der
Kontaktfläche zwischen Welle und Lagerbuchse än-
dern sich die mechanischen Spannungszustände in-
nerhalb der Lagerbuchse. Die Messung von mechani-
schen Spannungen kann z. B. über den Zusammen-
hang zur Dehnung mittels DMS realisiert werden.
Aufbauend auf der Identifikation potentiell nutzbarer physikalischer Effekte und ersten Ansät-
zen zu möglichen Messprinzipien, werden in einem Konkretisierungsschritt Messkonzepte
erarbeitet. Zu diesem Zweck kommen je nach Bedarf überschlägige Berechnungen, erste FE-
Simulationen und Analogiebetrachtungen zum Einsatz.404 Ziel ist es, eine Grundlage für den
Vergleich und eine begründete Bewertung der Messkonzepte zu schaffen. Die Bewertungskri-
terien werden aus den definierten Anforderungen (vgl. Unterabschnitt 7.2.1) abgeleitet und
mittels eines Paarvergleichs wird deren individuelle Gewichtung bestimmt.405 Die drei mit der
höchsten Punktzahl bewerteten Konzepte sind in Tabelle 7.3, ihrer gewichteten Bewertungs-
punktzahl nach, aufgeführt.406
Tabelle 7.3: Übersicht über die drei am besten bewerteten Messkonzepte
gemäß der gewichteten Punktbewertung nach GROß407
Messkonzept Rang
Modellierung der Gleitlagerbuchse als Kondensator (Effekt der elektrischen Kapazität) 1.
Leitfähige Drähte in die die Gleitschicht einwickeln (Ohm’schen Gesetzes) 2.
Erfassung der Normal-/Schubspannungsänderungen über den Zusammenhang zur
Dehnung mittels eingewickelter DMS 3.
Die Modellierung der Gleitlagerbuchse als Kondensator, durch das Einwickeln einer Metallfo-
lie zwischen der Gleit- und Tragschicht der Lagerbuchse, ist am besten bewertet. Um das
Potential dieses Messkonzepts in einem Funktionstest nachweisen zu können, wird ein ent-
sprechender Demonstrator aufgebaut. Der schematische Aufbau des Demonstrators ist in
Abbildung 7.4 dargestellt.
404 Vgl. Groß (2020), S. 28 ff. 405 Vgl. Groß (2020), S. 50 ff. 406 Eine detaillierte und vollständige Beschreibung der durchgeführten Bewertung stellt Groß (2020), S. 50
ff. zur Verfügung. 407 Vgl. Groß (2020), S. 52 ff.
142
Abbildung 7.4: Schematische Aufbau des Demonstrators zum Messkonzept
„Modellierung der Gleitlagerbuchse als Kondensator“ 408
Abbildung 7.5 zeigt die Fertigung von drei Demonstrator-Gleitlagerbuchsen. Zu sehen ist die
auf den Wickeldorn aufgewickelte Gleitschicht sowie die darauf applizierten Kupfer-Konden-
satorfolien und entsprechenden Kontaktierungen. Im Anschluss wird die Tragschicht aufgewi-
ckelt.
Abbildung 7.5: Fertigung von drei Demonstrator-Gleitlagerbuchsen gemäß des schematischen
Aufbaus aus Abbildung 7.4 – Applizierte Kupfer-Kondensatorfolien auf der Gleitschicht409
Nach dem Aushärten wird die Oberfläche geschliffen und das entstandene Rohr entsprechend
abgelängt. An den Stellen, an denen die Kupferfolie nach außen zum Rand der Lagerbuchsen
verläuft, wird die Tragschicht des Lagers punktuell abgetragen und eine elektrische Kontak-
tierung mittels Kabel angebracht. Eine Aufnahme eines entsprechend gefertigten Demonstra-
tors ist in Abbildung 7.6 dargestellt.
408 Darstellung von Groß (2020), S. 58 übernommen. 409 Das Bild wurde mit freundlicher Genehmigung von der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH zur Verfügung
gestellt (vgl. auch Groß (2020), S. 58).
143
Abbildung 7.6: Gefertigte Demonstrator-Gleitlagerbuchsen gemäß des schematischen
Aufbaus aus Abbildung 7.4410
Erste von GROß durchgeführte Versuche zum Funktionsnachweis einer künstlich, mittels
Abdrehens, verschlissenen Demonstrator-Gleitlagerbuchse, zeigen eine Veränderung der
Kapazität mit zunehmendem Verschleiß. Abweichungen zwischen der prognostizierten Ände-
rung der Kapazität mit dem Verschleiß und der gemessenen Änderung der Kapazität an der
schrittweise abgedrehten Gleitlagerbuchse, sind noch genauer zu untersuchen.411 Es wurde
bereits festgestellt, dass eine Differenzierung der Umlaufbedingungen hinsichtlich einer vor-
liegenden Punkt- oder Umfangslast am Gehäuse bzw. der Gleitlagerbuchse notwendig ist. Die
initial prognostizierte Änderung der Kapazität mit dem Verschleiß der Gleitschicht, basierte
auf der Annahme einer Punktlast an der Gleitlagerbuchse. Dies entspricht bspw. einer klassi-
schen Anwendung der Gleitlagerbuchse in einem ruhenden Gehäuse mit einer rotierenden
Welle. Der im Versuch künstlich, durch ein schrittweises Abdrehen der Gleitschicht, erzeugte
Verschleiß hingegen, entspricht einer Verschleißform, die durch eine Umfangslast am Gehäuse
bzw. der Gleitlagerbuchse hervorgerufen wird.
7.2.3 Initiale Beurteilung der Anwendbarkeit sowie Nützlichkeit /
Brauchbarkeit des entwickelten Katalogsystems anhand des
Kooperationsprojekts
Der im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Ansatz, den Zusammenhang zwischen einer system-
spezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen zur Erfassung dieser mittels eines
physikalischen Katalogsystems herzustellen, wurde im Kooperationsprojekt zwischen der
Firma Federal-Mogul DEVA GmbH und pmd, zur Konzeptentwicklung eines verschleißerfas-
senden sensorischen Gleitlagers, erstmalig unabhängig vom Entwickler des Ansatzes und
Autor dieser Arbeit angewendet. Auf diese Weise wurde eine direkte Selbstevaluation und
potentielle Einflussnahme des Autors vermieden.
410 Darstellung von Groß (2020) S. 58 übernommen. 411 Weiterführende Informationen zum Messaufbau und Messverfahren, der Abschätzung der zu erwarten-
den Messwerte, der darauf aufbauend durchgeführten Messung und den Schlussfolgerungen, sind Groß
(2020), S. 59 ff. zu entnehmen.
144
Aufgrund des Entwicklungsstadiums des Katalogsystems, wurden zur initialen Validierung des
Ansatzes die etablierten Kataloge nach ROTH und KOLLER eingesetzt. Da diese Kataloge inhalt-
lich die Grundlage für ein Katalogsystem gemäß Kapitel 5 darstellen und im Hinblick auf die
geometrische Größe der Länge l unter Beachtung der Bedingungen gemäß Kapitel 3.1 prinzi-
piell zur Identifikation von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen einsetzbar sind, kann das
erzielte Ergebnis als Indikator für die Anwendung eines nach Kapitel 5 aufgebauten Katalog-
systems herangezogen werden.
Die Anwendung des Ansatzes und das Ergebnis betreffend, reflektiert GROß im Projektbericht
zusammenfassend, „dass sich die Vorgehensweise […] durch die Verwendung des Sensorkataloges
im ersten Schritt und der anschließenden Lösungsfindung mittels Effektkatalogen als sehr effektiv
erwiesen hat. Mit Hilfe der Effektkataloge konnten fünf412 […] Messkonzepte inklusive des am
Ende gefertigten Demonstrators entwickelt werden. Mit dem Demonstrator wurde ein funktions-
fähiges Messkonzept für selbstschmierende Gleitlagerbuchsen ausgearbeitet, welches in seiner wei-
teren Entwicklung optimiert werden kann“.413 Weiterhin werden die erzielten Ergebnisse unter-
nehmensseitig von Herrn Kropp (Senior Engineering Manager der Federal-Mogul DEVA
GmbH) positiv bewertet: „In dem Gemeinschaftsprojekt „Entwicklung eines Messkonzeptes für
selbstschmierende Gleitlagerbuchsen“ mit [dem Fachgebiet pmd, Anm. des Autors] der TU
Darmstadt konnten wir beweisen, dass Faserverbundgleitlager mit einem angepassten Material-
aufbau in der Tat in der Lage sind, über ein kapazitives Messprinzip den momentanen Verschleiß
zu messen. Bei bestimmten Voraussetzungen ist dieses Gleitlagerkonzept in der Lage ohne zusätz-
liche externe Sensorköpfe den Verschleiß im Lager zu ermitteln. Für eine serielle Nutzung muss die
Herstellung der Lager geprüft werden und die Art und Weise der Kalibrierung als auch die Ent-
wicklung der nötigen Peripheriegeräte“.414
In einem nachfolgenden Interview415 mit Herrn GROß, wurde die positive Einschätzung bzgl.
der prinzipiellen Funktionsfähigkeit des Ansatzes sowie der Nützlichkeit bzw. Brauchbarkeit
im Rahmen der dargestellten Anwendung bestätigt. Die ersatzweise Verwendung der beiden
Katalogsysteme nach ROTH und KOLLER wurde insbesondere im Rahmen der Einarbeitung in
den Ansatz als „kompliziert“ beschrieben. Durch ein Nachvollziehen der zugrundeliegenden
Logik des entwickelten Ansatzes, wurde das Verständnis für den Ansatz und das Vorgehen
geschaffen. Weiterhin wurden die in Abschnitt 3.2 festgestellten Einschränkungen der beste-
henden Kataloge nach KOLLER und ROTH hinsichtlich des angestrebten Verwendungszwecks
bestätigt.
412 Anmerkung des Autors: In Tabelle 7.2 werden zwei prinzipielle Ansätze vorgestellt, um die benötigte
Leitfähigkeit der Gleitschicht herzustellen. Beide Ansätze werden in dieser Aussage als eigenes Messkon-
zept gewertet. 413 Groß (2020), S. 72. 414 Schriftliche Stellungnahme vom 08.10.2020 von Herrn Kropp als Senior Engineering Manager der
Federal-Mogul DEVA GmbH zu den Ergebnissen des Kooperationsprojekts. 415 Nachbesprechung des Kooperationsprojektes vor dem Hintergrund der initialen Evaluation des verwen-
deten methodischen Ansatzes zwischen Herrn Groß und Herrn Vorwerk-Handing am 16.04.2020.
145
8 Darstellung und Einordnung der Ergebnisse
Im abschließenden Kapitel dieser Arbeit werden die zentralen Ergebnisse und die daraus
abgeleiteten Erkenntnisse in einem Fazit zusammengefasst und kritisch diskutiert. Im
Anschluss daran wird ein Ausblick hinsichtlich künftiger Forschungsthemen und einer per-
spektivischen Weiterführung der Ergebnisse dieser Arbeit gegeben.
8.1 Fazit
Die Verfügbarkeit zuverlässiger und aussagekräftiger Informationen über technische Systeme
stellt eine wesentliche Grundlage für die gegenwärtig rasch voranschreitende Digitalisierung
technischer Systeme, bspw. im Kontext der Zielvision „Industrie 4.0“, dar. Ein signifikanter
Anteil der momentan eingesetzten technischen Systeme wurde nicht vor diesem Hintergrund
entwickelt. Entsprechend erfüllen diese bestehenden technischen Systeme Anforderungen hin-
sichtlich der Bereitstellung benötigter Zustandsgrößen nicht zufriedenstellend. Die nachträg-
liche Integration von Messfunktionen in bestehende technische Systeme, durch einen Aus-
tausch einzelner Komponenten bzw. eine lokale Weiterentwicklung des bestehenden Systems,
stellt einen vielversprechenden Ansatz dar, um die notwendigen Zustandsgrößen zu erfassen
und daraus zuverlässige und aussagekräftige Informationen über das technische System zu
gewinnen.
In der Literatur wird im Zusammenhang mit Vorgehensmodellen zur Integration von Mess-
funktionen in (bestehende) technische Systeme auf die Bedeutung einer Vermeidung von Vor-
fixierungen bei der Lösungssuche, durch eine lösungsneutrale Diskussion verschiedener
potentieller Messgrößen, hingewiesen. Methodische Ansätze, die einen Zusammenhang zwi-
schen einer zu erfassenden Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen, insbesondere unter
Berücksichtigung des bestehenden technischen Systems, herstellen, konnten in der Literatur
bisher hingegen nicht identifiziert werden.
Ein klassischer Ansatz der Produktentwicklungsmethodik stellt die Verwendung von physika-
lischen Katalogsystemen dar. Diese unterstützen den Prozess, ausgehend von einer zu reali-
sierenden Funktion hin zu einem realisierenden Wirkprinzip. Physikalische Katalogsysteme
ermöglichen hierbei die Verknüpfung einer angestrebten Wirkung mit potentiell einsetzbaren
Ursachen über bekannte physikalische Zusammenhänge. Der Grundgedanke den Zusammen-
hang zwischen physikalischen Größen allgemeingültig unter Verwendung physikalischer
Effektsammlungen herzustellen, wird in dieser Arbeit aufgegriffen und in umgekehrter Betrach-
tungsweise zur Identifikation potentieller Messgrößen (Wirkungen), ausgehend von einer zu
bestimmenden Zustandsgröße (Ursache), eingesetzt.
Darauf aufbauend werden zwei Ziele verfolgt, um die Auswahl und Festlegung von (einer)
Messgröße(n) zur Erfassung einer definierten Zustandsgröße in einem bestehenden techni-
schen System zu unterstützen:
(1) Methodische Herstellung eines Zusammenhangs zwischen einer systemspezifischen
Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen, unter Berücksichtigung des individuellen Sys-
tems, durch eine Modellierung auf der Ebene physikalischer Effekte mithilfe einer Effekt-
matrix und eines zugehörigen Effektkatalogs.
146
(2) Methodische Prüfung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten und
frühzeitiger Abbruch von Effektketten, die begründet nicht erfolgsversprechend sind.
Umsetzung anhand der Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von
Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels einer Unsi-
cherheitsbetrachtung.
Zur Erreichung der genannten Ziele wurden die in Abschnitt 4.3 aufgeführten Forschungsfra-
gen dieser Arbeit beantwortet:
(1) Wie kann der Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und
potentiellen Messgrößen, unter Berücksichtigung des individuellen Systems, lösungsneutral
durch eine Modellierung mittels physikalischer Effekte, basierend auf einer Effektmatrix
und einem Effektkatalog, hergestellt werden?
a) Warum sind bestehende Effektmatrizen und -kataloge nicht in der Lage, alle nutzba-
ren Zusammenhänge abzubilden?
Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine Literaturrecherche hinsichtlich physikalischer
Effektkataloge durchgeführt. Hierbei wurde festgestellt, dass die Katalogsysteme nach KOLLER
und ROTH als etablierte Stellvertreter physikalischer Effektkataloge anzusehen sind. Entspre-
chend wurden die Katalogsysteme nach KOLLER und ROTH hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer
Inhalte analysiert sowie vor dem Hintergrund der angestrebten Zielsetzung in Kooperations-
projekten mit Unternehmen und ausgewählten Beispielen eingesetzt.
Die betrachteten Effektkataloge wurden entwickelt, um Wirkprinzipien für zu realisierende
Funktionen zu finden. D. h. ursprünglicher Zweck der Kataloge war es, einen Zusammenhang
zwischen einer angestrebten Wirkung und potentiell zu diesem Zweck einsetzbaren Ursachen
herzustellen. Als Folge ergeben sich zwei wesentliche Einschränkungen hinsichtlich der ange-
strebten Identifikation von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen:
• Bestehende Kataloge gehen überwiegend von einer zu realisierenden Wirkung aus.
Aufgrund der Irreversibilität mancher physikalischer Effekte, ist eine rein inverse
Betrachtungsweise der bestehenden Kataloge nicht zulässig.
• Eine Berücksichtigung von Gestaltinformationen ist dem ursprünglichen Anwendungs-
zweck der Effektkataloge nach nicht vorgesehen. In Bezug auf die angestrebte Betrach-
tung bestehender Systeme wird festgestellt, dass der Einbezug der Gestalt des beste-
henden technischen Systems entsprechend nicht ausreichend unterstützt wird.
Da sich die Katalogsysteme nach KOLLER und ROTH im konkreten Aufbau und Inhalt unter-
scheiden, wurden über die beiden genannten allgemeinen Aspekte hinaus in Abschnitt 5.1
katalogspezifisch detailliertere Einschränkungen herausgearbeitet.
Durch den Vergleich der Katalogsysteme nach KOLLER und ROTH, insbesondere auch im Rah-
men der praktischen Anwendung im angestrebten Zusammenhang, sowie durch eine Abstrak-
tion der identifizierten Einschränkungen, wurden Anforderungen an ein Katalogsystem in
Abschnitt 5.2 definiert.
147
b) Wie sind eine Effektmatrix und ein zugehöriger Effektkatalog gemäß der definierten
Anforderungen aufzubauen?
Um ein den Anforderungen entsprechendes Katalogsystem aufzubauen, wurde der Grundge-
danke der etablierten Katalogsysteme physikalischer Effekte nach KOLLER und ROTH aufgegrif-
fen und mit den Grundlagen der mehrpolbasierten Modellbildung verknüpft. Es wurde hierbei
gemäß des angestrebten Verwendungszwecks konsequent eine Ursache-Wirkung-Sichtweise
angewendet. Hieraus resultiert ein physikalisch und logisch begründeter Aufbau des entwi-
ckelten Katalogsystems, welcher vor dem Hintergrund der zugrunde gelegten Modellbildung
vollständig ist. In der praktischen Anwendung hat sich gezeigt, dass ein streng logischer Auf-
bau des Katalogsystems gemäß der Theorie der mehrpolbasierten Modellbildung Schwächen
aufweist. Bspw. können in der mehrpolbasierten Modellbildung magnetische Effekte, auf-
grund des physikalisch nicht existenten magnetischen Monopols, nicht unmittelbar abgebildet
werden. Darüber hinaus werden weitere praktisch verbreitete Größen nicht unmittelbar auf-
geführt, sondern müssten über physikalisches Grundlagenwissen auf die verzeichneten Grö-
ßen zurückgeführt werden. Aus diesem Grund wurde das in einem ersten Schritt streng logisch
aufgebaute Katalogsystem, entsprechend des gestellten pragmatischen Anspruchs, in einem
zweiten Schritt erweitert. Effekte, die im Effektkatalog nach KOLLER aufgeführt, bisher aber
nicht berücksichtigt werden konnten sowie erfahrungs- und anwendungsbasierte abgeleitete
physikalische Größen, wurden im Katalogsystem systematisch ergänzt.
Weiterhin wurde eine konsequente Differenzierung zwischen Funktionsgrößen und funktions-
relevanten Gestaltparametern eingeführt und umgesetzt. Der Einbezug und insbesondere die
Gliederung von Gestaltparametern zur Berücksichtigung des bestehenden Systems wurden
systematisch auf Basis einer erweiterten Betrachtung der mehrpolbasierten Modellbildung ent-
wickelt.
Um das divergente Vorgehen im Rahmen der Ableitung potentieller Messgrößen mittels eines
physikalischen Katalogsystems in einem der praktischen Anwendung entsprechend angemes-
senen Umfang zu halten, wurde ein konvergenter Schritt in das Vorgehen integriert. Dieser
sieht den Einbezug der Eigenschaften des bestehenden technischen Systems über einen
Zugriffsteil im Effektkatalog vor.
(2) Wie kann, durch eine Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von
Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels einer Unsi-
cherheitsbetrachtung, die prinzipielle Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten frühzei-
tig geprüft und abgesichert werden?
a) Welche systematischen Ansätze zur Erfassung von Unsicherheit sind zur Identifikation
der Ein- und Auswirkungen von Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickel-
ten Effektketten einsetzbar?
Um die Ein- und Auswirkungen von Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten
Effektketten erfassen zu können, wurden Ergebnisse des SFB 805 „Beherrschung von Unsi-
cherheit in lasttragenden Systemen des Maschinenbaus“ in Form der von ENGELHARDT entwi-
ckelten UMEA-Methodik aufgegriffen und mit der Manifestation von Unsicherheit im System-
modell nach KREYE ET AL. sowie Grundlagen zur Messunsicherheit nach der GUM verknüpft.
148
b) Welche Kriterien können zur Beurteilung der identifizierten Unsicherheit im betrach-
teten Kontext angewendet werden?
Die Beurteilung der identifizierten Unsicherheit basiert auf einer Betrachtung ihrer potentiel-
len negativen Auswirkungen in Form einer Abschätzung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit
einer Effektkette bzw. eines Messkonzepts. Hierzu wurde als Bewertungskriterium die Bedeu-
tung der Unsicherheit festgelegt, welche das Ausmaß der Wirkung der Modell- und Datenun-
sicherheit auf die betrachtete Effektkette bzw. das betrachtete Messkonzept charakterisiert.
Um die Bedeutung der identifizierten Unsicherheit zu beurteilen, wurde das dimensionslose
Verhältnis U∆y aus der maximalen, aus der identifizierten Unsicherheit resultierenden, Abwei-
chung Δyuns und der maximal zulässige Messabweichung Δy gebildet. Da die Beurteilung der
Bedeutung einer Unsicherheit ein Mindestmaß an Informationen über die ausschlaggebende
Unsicherheit voraussetzt, wurde eine parallele Beurteilung der Schwere der jeweils betrachte-
ten Unsicherheit, auf Basis des erweiterten Unsicherheitsmodells des SFB 805, ermöglicht.
Sowohl die Bedeutung als auch die Schwere der identifizierten Unsicherheit können im Kon-
zeptstadium noch beeinflusst werden. Dieser Umstand wurde durch das Beurteilungskriterium
der Beherrschbarkeit von Modell- und Datenunsicherheit berücksichtigt.
Die Beurteilung der Bedeutung der identifizierten Unsicherheit lässt sich über das Verhältnis
U∆y eindeutig in einen kritischen und einen unkritischen Bereich unterteilen. Ebenso lässt sich
die Schwere der Unsicherheit anhand der beschriebenen Zustände klar einordnen. Die Berück-
sichtigung der Beherrschbarkeit der identifizierten Unsicherheit hingegen, ist anwendungsin-
dividuell und stellt eine Abschätzung von Potentialen dar. Aus diesem Grund ist eine allge-
meingültige trennscharfe Untergliederung nicht möglich, gleichzeitig aber dem beschriebenen
Ziel entsprechend auch nicht notwendig.
c) Welche Ansätze zur Beherrschung der identifizierten Unsicherheit können im betrach-
teten Kontext aus dem Robust Design abgeleitet werden?
Die Beherrschung von Unsicherheit bezieht sich im betrachteten Kontext auf die Vermeidung
negativer Auswirkungen von Unsicherheit. Entsprechend wurden Ansätze zur Reduktion der
Bedeutung und der Schwere von Unsicherheit aus den allgemeinen Robust Design Strategien
– Unsicherheit reduzieren/eliminieren, Einflüsse der Unsicherheit reduzieren/unterdrücken
und Auswirkungen der Unsicherheit reduzieren/verhindern – abgeleitet. Die eingeführte Dif-
ferenzierung von Unsicherheit in Kontext-, Modell- und Datenunsicherheit wurde hierbei auf-
gegriffen.
Die Beantwortung der definierten Forschungsfragen sowie die Erreichung der entsprechenden
Ziele dieser Arbeit wurden in einer logischen, in Teilen am Beispiel eines sensorintegrierenden
Zahnriemens geführten, Verifikation gezeigt. Die übergeordneten (positiven) Auswirkungen
der Ergebnisse dieser Arbeit hinsichtlich einer methodischen Unterstützung im Zuge der Aus-
wahl und Festlegung von Messgrößen zur Erfassung einer definierten Zustandsgröße in einem
bestehenden technischen System, müssen an der Verbesserung der in der Motivation darge-
stellten Situation gemessen werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine initiale Validierung
der Anwendbarkeit sowie Nützlichkeit/Brauchbarkeit der Ergebnisse durchgeführt. Diese
erfolgte anhand einer exemplarischen Anwendung der Ergebnisse in einem Kooperationspro-
149
jekt zwischen der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH und dem Fachgebiet pmd zur Entwick-
lung eines sensorintegrierenden Gleitlagers. Durch die initiale Anwendung des entwickelten
Ansatzes und unter Einbezug der erzielten Ergebnisse sowie den Einschätzungen des Anwen-
ders und des Projektpartners, lässt sich die Funktionsfähigkeit des Ansatzes nachweisen. Die
prinzipielle Anwendbarkeit wurde ebenfalls bestätigt. Bestehende Einschränkungen der
Anwendbarkeit werden einerseits auf die Verwendung der nur eingeschränkt nutzbaren Kata-
logsysteme nach KOLLER und ROTH sowie die Gegebenheit zurückgeführt, dass der formal und
informationsmäßig sehr umfangreiche Ansatz bisher nur manuell angewendet werden kann.
Ein erster positiver Rückschluss auf die Nützlichkeit/Brauchbarkeit des Ansatzes lässt sich
einerseits aus den Aussagen von Herrn Groß (Anwender) sowie andererseits aus den erzielten
erfolgversprechenden Ergebnissen im Rahmen der Entwicklung der sensorischen Gleitlager-
buchse ableiten.
Resümierend lässt sich feststellen, dass die Ergebnisse dieser Arbeit eine Grundlage bilden,
um die in einem technischen System auftretenden Wandlungen und Umformungen einer zu
erfassenden Zustandsgröße systematisch in die Identifikation potentieller Messgrößen zur
Erfassung dieser Größe einzubeziehen. Eine auf diese Weise identifizierte Effektkette, zwi-
schen der zu erfassenden Zustandsgröße und einer potentiellen Messgröße, kann aufbauend
mittels der eingeführten Unsicherheitsbetrachtung auf ihre prinzipielle messtechnische Funk-
tionsfähigkeit geprüft werden.
8.2 Ausblick
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, sowie die daraus abgeleiteten Erkenntnisse, zeigen
das Potential von physikalischen Effektkatalogen hinsichtlich der Identifikation von potentiel-
len Messgrößen zur Erfassung einer systemspezifischen Zustandsgröße in bestehenden tech-
nischen Systemen auf. Weiterhin schaffen die Ergebnisse eine konkrete Grundlage, um dieses
Potential nutzbar zu machen. Der logische und systematische Aufbau des entwickelten Ansat-
zes lässt perspektivisch eine rechnerbasierte Implementierung des Ansatzes sowie eines zuge-
hörigen Vorgehens zu (Konzept eines möglichen Programmablaufplans, siehe Abbildung D.1
im Anhang D1). Durch eine rechnerbasierte Umsetzung des entwickelten Ansatzes, könnte die
Anwendbarkeit der Ergebnisse dieser Arbeit signifikant gesteigert werden. Ausgehend von
einer Ermittlung der Anforderungen an eine nutzerzentrierte programmtechnische Umsetzung
des entwickelten Katalogsystems, wird vorgeschlagen, das entwickelte Katalogsystem sowie
ein entsprechendes Vorgehen zur Anwendung, bspw. in Form einer Web-Anwendung als
interaktive Datenbank, umzusetzen. Im Anschluss an eine solche Implementierung des Ansat-
zes, ist eine Validierung anzustreben.
Unsicherheit, u. a. resultierend aus dem Einfluss von Stör- und Nebengrößen, wird im Rahmen
dieser Arbeit primär als Auswahlkriterium für einen konvergenten Schritt genutzt. Es wird
angestrebt, nicht erfolgsversprechende Effektketten bzw. Konzepte frühzeitig begründet abzu-
brechen oder zurückzustellen. Perspektivisch sieht der Autor das Potential, die Identifikation
von Unsicherheit in mechatronischen Systemen, insbesondere hinsichtlich messtechnischer
Funktionen, weiter zu erforschen. Hierzu bieten sich zwei prinzipielle Ansatzpunkte: Einer-
seits ausgehend von physikalischen Größen, die auf das mechatronische System einwirken
150
(vgl. Unterabschnitt 6.1.1; bspw. in Form einer Störgrößencheckliste) und andererseits aus-
gehend von physikalischen Größen, die potentiell beeinflusst werden könnten (vgl. Unterab-
schnitt 6.1.2; Einsatz von physikalischen Effektkatalogen zur gezielten Identifikation von
Unsicherheit bzw. Störgrößen). Ersteres geht hierbei von einer potentiellen Ursache aus und
zeigt mögliche Wirkungen auf. Letzteres geht umgekehrt von einer möglichen Wirkung aus
und zielt auf einen Abgleich mit potentiell vorliegenden Ursachen ab. Darauf aufbauend ist
weitere Forschung hinsichtlich einer qualitativen Abschätzung der Auswirkungen von Unsi-
cherheit allgemein bzw. Störgrößen im Speziellen auf Basis physikalischer Effektkataloge
denkbar. Auf diese Weise besteht das Potential, eine frühzeitige qualitative physikalische
Modellierung der auftretenden Zusammenhänge zu erreichen, welche insbesondere auch vor
dem Hintergrund maschinellen Lernens an Bedeutung gewinnt.
XVI
Anhang A – Grundlagen und Stand der Forschung
A1 – Effektkataloge – Informationsspeicher physikalischer Effekte
Abbildung A.1: Ausschnitt der Zuordnungsmatrix nach KOLLER416
416 Koller und Kastrup (1998), S. 548.
XVII
Abbildung A.2: Ausschnitt des Prinzipkatalogs nach KOLLER417
417 Koller und Kastrup (1998), S. 556
XVIII
Abbildung A.3: Funktionsgrößenmatrix nach ROTH418
418 Roth (2000), S. 115.
XIX
Abbildung A.4: Ausschnitt der „Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammenhänge“
nach ROTH419
419 Roth (2000), S. 118.
XX
Abbildung A.5: “Function Query” in der “Effects Database” der Oxford Creativity Ltd.420
Abbildung A.6: “Parameter Query” in der “Effects Database” der Oxford Creativity Ltd.421
420 Oxford Creativity Ltd. (2020). 421 Oxford Creativity Ltd. (2020).
XXI
Abbildung A.7: Ergebnisse der Effektabfrage „Parameter Query“ unter Verwendung
der Funktion „Measure“ hinsichtlich des Parameters „Force“
in der „Effects Database“ der Oxford Creativity Ltd.422
422 Oxford Creativity Ltd. (2020).
XXII
A2 – Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische
Systeme – Festlegung der Messgröße
Tabelle A.1: Ergebnisse der durchgeführten Literaturrecherche hinsichtlich Ansätzen zur
methodischen Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme
Ziel423 Ansatz Ursprung Relevanz424 Quelle425
Sensorauswahl
für Bestandsan-
lagen
Beschreibung eines
Vorgehensmodells
(siehe Abbildung 2.7)
sowie einer Übersicht
potentieller Anforde-
rungen an Sensoren
Entwicklung einer
Methodik zur Sen-
sor-Auswahl
Die Inhalte dieser Arbeit
können in das Vorge-
hensmodell eingeordnet
werden – siehe hierzu
Unterabschnitt 2.4.3
Löpelt et al.
(2019)
Unterstützung
des Anwenden-
den bei der An-
forderungsdefi-
nition, Entwick-
lung und Umset-
zung wirtschaft-
licher Sensorsys-
teme im Kontext
von Industrie
4.0
Unterstützung des
Anwendenden durch
Leitfragen und Werk-
zeugkästen
Leitfaden Sensorik
für Industrie 4.0
des VDMA in Zu-
sammenarbeit mit
dem Institut für
Produktionstech-
nik des Karlsruher
Institut für Tech-
nologie
Die Inhalte dieser Arbeit
können in die Leitfragen
eingeordnet werden,
weiterhin wird der Be-
darf einer lösungsneut-
ralen Diskussion potenti-
eller Messgrößen formu-
liert – siehe hierzu Un-
terabschnitt 2.4.3
Fleischer et
al. (2018)
Verschiedene
Teilaspekte von
„Industrie 4.0“
(u. a. die In-
tegration von
Messfunktionen)
auf bestehende
Maschinen und
Prozesse anwen-
den
Definition des Be-
griffs des „Smart Ret-
rofitting“ als Oberbe-
griff für derartige Be-
strebungen
Effiziente Weiter-
entwicklung eines
bestehenden Ma-
schineparks hin-
sichtlich der An-
forderungen und
Randbedingungen
von Industrie 4.0
Der Grundgedanke des
Retrofitting wird be-
schrieben. Da der vorge-
stellte Begriff des „Smart
Retrofitting“ bisher nicht
über die Grenzen der
Publikationen der Auto-
ren hinaus fest etabliert
und verbreitet ist, ist die
allgemeine Relevanz ge-
ring.
Guerreiro
et al.
(2018)
Fortsetzung von Tabelle A.1 auf der nächsten Seite…
423 Es werden nur auf den Inhalt dieser Arbeit bezogene Ziele beschrieben. Diese können im jeweiligen
Gesamtkontext ein Teilziel darstellen. 424 Auf die Inhalte der vorliegenden Arbeit bezogen. 425 Wenn der jeweilige Ansatz in verschiedenen Quellen des Autors/der Autoren beschrieben wird, wird an
dieser Stelle stellvertretend eine repräsentative Quelle angegeben.
XXIII
Ziel426 Ansatz Ursprung Relevanz427 Quelle428
Auswahl der zu
messenden Para-
meter und der
dazu eingesetz-
ten Messtechnik
im Rahmen der
Zustandsüber-
wachung
Ablaufplan zur Zustands-
überwachung, insbesondere
Empfehlung einer FMEA
zur Identifikation von zu er-
wartenden Schäden, Symp-
tomen und potentiellen
Messparametern (Auffüh-
rung beispielhafter Fehler
und Parameter zur Zustand-
süberwachung)
DIN ISO 17359
„Zustandsüber-
wachung und -
diagnostik von
Maschinen – All-
gemeine Anlei-
tungen“
Parallelen in der
Auswahl von zu
messenden Parame-
tern – Abgrenzung
über die Differen-
zierung zwischen
Zustandsgröße und
Messgröße
DIN ISO
17359
(2018)
Methodik für ein
Retrofitting von
CNC-Maschinen
im Kontext von
Industrie 4.0, u.
a. in Form eines
Monitoring-Sys-
tems
Entwicklung eines Ansatzes
auf Basis des Axiomatic De-
signs
Effiziente Wei-
terentwicklung
bestehender
CNC-Maschinen
hinsichtlich der
Anforderungen
und Randbedin-
gungen von In-
dustrie 4.0
Gering, da alterna-
tiver Ansatz des
Axiomatic Designs
und kein Fokus auf
der Festlegung ei-
ner Messgröße und
der Auswahl ent-
sprechender Senso-
rik
Lins et al.
(2017)
Identifikation
und Auswahl
von zu überwa-
chenden Para-
metern im Rah-
men der vorbeu-
genden Instand-
haltung
Erfahrungsbasierte Identifi-
kation und Auswahl der zu
überwachenden Parameter;
beispielhafte Übersicht über
häufig genutzte und zweck-
mäßige physikalische Grö-
ßen
Vorbeugenden
Instandhaltung
(allgemein)
Aussage, dass (bis-
her) kein entspre-
chender methodi-
scher Ansatz be-
steht
Gouriveau
et al.
(2016)
Auswahl von
Messgrößen und
die quantitative
Bewertung von
kommerziellen
Sensorsystemen
für die Produkt-
validierung
Vorgehendmodell in Form
eines Ablaufdiagramms so-
wie Aufbau eines Messprin-
zipbaums zur Darstellung
der mathematischen Zu-
sammenhänge, darauf auf-
bauend Lösungsgenerierung
und Priorisierung anhand
des Messprinzipbaums
Entwicklung von
Sensorsystemen
für die Produkt-
validierung (in
diesem Fall von
Power-Tools)
Es bestehen Paralle-
len in den verfolg-
ten Zielen, der ver-
folgte Ansatz lässt
sich aber klar ab-
grenzen – siehe
hierzu Unterab-
schnitt 2.4.3
Matthiesen
et al.
(2016)
bzw.
Anding
(2016)
Fortsetzung von Tabelle A.1 auf der nächsten Seite…
426 Es werden nur auf den Inhalt dieser Arbeit bezogene Ziele beschrieben. Diese können im jeweiligen
Gesamtkontext ein Teilziel darstellen. 427 Auf die Inhalte der vorliegenden Arbeit bezogen. 428 Wenn der jeweilige Ansatz in verschiedenen Quellen des Autors/der Autoren beschrieben wird, wird an
dieser Stelle stellvertretend eine repräsentative Quelle angegeben.
XXIV
Ziel429 Ansatz Ursprung Relevanz430 Quelle431
Handlungsanwei-
sungen um System-
und Messgrößen
festzulegen und
mittels Sensorik
und Modellbil-
dungsmethoden in
eine Prüfumgebung
zu überführten
Differenzierung von
Fluss- und Potential-
größen und darauf
aufbauend Anwen-
dung bestehender
Modelle (bspw. FEM-
Modell) und Metho-
den (bspw. experi-
mentelle Untersu-
chungen)
Prüf- und Validie-
rungsumgebung
zur Komponenten-
untersuchung
handgehaltener
Geräte in der Pro-
duktentwicklung
(hier anhand des
Beispiels eines
Winkelschleifers)
Es bestehen Paralle-
len in den verfolgten
Zielen und der Diffe-
renzierung von Fluss-
und Potentialgrößen,
der verfolgte Ansatz
lässt sich aber klar
abgrenzen – siehe
hierzu Unterabschnitt
2.4.3
Matthiesen
et al.
(2014)
Systematik zur Aus-
wahl von Sensoren
Entwicklung eines
Vorgehensmodells
zur systematischen
Sensorplanung und -
auswahl
Sensorplanung
und -regelung für
Industrieroboter
Die Inhalte dieser Ar-
beit können in das
Vorgehensmodell ein-
geordnet werden –
siehe hierzu Unterab-
schnitt 2.4.3
Zeller
(1996)
Rechnerunterstüt-
zung bei der Senso-
rauswahl
Beschreibung einer
Arbeitsweise eines
rechnergestützten
Auswahlsystems für
Sensoren
Steigerung der
Flexibilität auto-
matisierter Monta-
gesysteme durch
Sensorintegration
und erweiterte
Steuerungskon-
zepte
Geringe Relevanz, da
von einer bekannten
Messgröße ausgegan-
gen wird und der
Schwerpunkt auf
dem Auswahlsystem
eines nutzbaren Sen-
sors liegt. Allgemein
wird ein Rückgriff
auf Datenbanken
über Sensoren und
deren Klassifizierung
beschrieben.
Classe
(1988)
Fortsetzung von Tabelle A.1 auf der nächsten Seite…
429 Es werden nur auf den Inhalt dieser Arbeit bezogene Ziele beschrieben. Diese können im jeweiligen
Gesamtkontext ein Teilziel darstellen. 430 Auf die Inhalte der vorliegenden Arbeit bezogen. 431 Wenn der jeweilige Ansatz in verschiedenen Quellen des Autors/der Autoren beschrieben wird, wird an
dieser Stelle stellvertretend eine repräsentative Quelle angegeben.
XXV
Ziel432 Ansatz Ursprung Relevanz433 Quelle434
Vorgehen zur
Auswahl von
Sensoren für au-
tomatische Mon-
tagesysteme
Entwicklung ei-
nes Vorgehens-
modells zur Be-
stimmung geeig-
neter Sensoren
Überwachung
automatischer
Montagesys-
teme
Geringe Relevanz, da im Rah-
men der Erfassung von Überwa-
chungsparametern keine Diffe-
renzierung hin zu potentiellen
Messgrößen vorgenommen wird
Mok (1986)
Ermittlung eines
geeigneten
Wirkprinzips für
einzusetzende
Sensoren zur
Überwachung
flexibler Hand-
habungsgeräte
in der Montage
Ermittlung eines
geeigneten
Wirkprinzips für
einzusetzende
Sensoren
Auswahl der
richtigen Sen-
soren für die
Überwachung
flexibler Hand-
habungsgeräte
in der Montage
Geringe Relevanz, da im Rah-
men der Betrachtung des Wirk-
prinzips lediglich zwischen „be-
rührend“ und „berührungslos“
unterschieden wird und das Ver-
ständnis eines Wirkprinzips vom
in Unterabschnitt 2.1.2 einge-
führten Verständnis abweicht
Eversheim
und
Hausmann
(1985)
432 Es werden nur auf den Inhalt dieser Arbeit bezogene Ziele beschrieben. Diese können im jeweiligen
Gesamtkontext ein Teilziel darstellen. 433 Auf die Inhalte der vorliegenden Arbeit bezogen. 434 Wenn der jeweilige Ansatz in verschiedenen Quellen des Autors/der Autoren beschrieben wird, wird an
dieser Stelle stellvertretend eine repräsentative Quelle angegeben.
XXVI
Tabelle A.2: Ergebnisse der durchgeführten Literaturrecherche hinsichtlich exemplarischer
Projekte zur Integration von Messfunktionen in ausgewählte technische Systeme
Ziel435 Ansatz Ursprung Relevanz436 Quelle437
Prozessüberwa-
chung durch
Sensorintegra-
tion in eine Pro-
duktionsanlage
für Präzisions-
stahlrohre
Kein spezifischer An-
satz beschrieben
Modernisierung
von Bestandsan-
lagen
Keine spezifischen An-
sätze beschrieben, all-
gemein wird aber die
Relevanz und der Be-
darf aufgezeigt
Gräler und
Anell (2018)
Nachrüstung ei-
ner bestehenden
Produktionsan-
lage für Winkel-
rohre mit Senso-
rik
Kein spezifischer An-
satz beschrieben, An-
wendung von allgemei-
nen entwicklungsme-
thodischen Ansätzen
auf Ebene des Entwick-
lungsprozesses (V-Mo-
dell) und der angewen-
deten Methoden (u. a.
FMEA)
Modernisierung
von Bestandsan-
lagen
Entwicklungsmetho-
disch gesehen gering,
da keine spezifischen
Ansätze beschrieben
werden; allgemein
wird aber die Relevanz
und der Bedarf aufge-
zeigt
Harting
(2017)
Finden der opti-
malen Sensor-
/DMS-Position
auf einem me-
chanisch bean-
spruchten Bau-
teil (Z-Schlitten
eines Bearbei-
tungszentrums)
Berechnung der lokal
auftretenden Dehnun-
gen mittels eines Algo-
rithmus (FE-Simula-
tion)
Entwicklung ei-
nes sensorinteg-
rierenden Z-
Schlittens eines
Bearbeitungs-
zentrums
Gering, da aufbauend
auf einer gewählten
Messgröße ein Opti-
mierungsproblem ge-
löst wird
Denkena et
al. (2013)
bzw.
Litwinski
(2011)
Messung von ge-
forderten Be-
triebsgrößen un-
ter definierten
Anforderungen
Kein explizit methodi-
scher Ansatz bei der
Erfassung potentieller
Messgrößen, es wer-
den verschiedene As-
pekte als Begründung
für Entscheidungen an-
geführt (u.a. Kosten)
Entwicklung ei-
nes störungstole-
ranten Sensor-
systems zur Zu-
standsüberwa-
chung rotordy-
namischer Pum-
pen
Gering, da kein metho-
discher Ansatz bei der
Erfassung potentieller
Messgrößen angewen-
det wird
Werner
(2011)
… … … … …
435 Es werden nur auf den Inhalt dieser Arbeit bezogene Ziele beschrieben. Diese können im jeweiligen
Gesamtkontext ein Teilziel darstellen. 436 Auf die Inhalte der vorliegenden Arbeit bezogen. 437 Wenn der jeweilige Ansatz in verschiedenen Quellen des Autors/der Autoren beschrieben wird, wird an
dieser Stelle stellvertretend eine repräsentative Quelle angegeben.
XXVII
Anhang B – Zielsetzung und Forschungsdesign
B1 – Zielsetzung
Tabelle B.1: Kriterien und Bewertungsoptionen zur Beurteilung der Ergebnisse
hinsichtlich der ersten (Teil-) Zielsetzung
(1) Kriterien Bewertungsoptionen
Dir
ekte
Erg
ebn
isse
–
Au
f d
ie Z
iels
etz
un
g u
nd
Hypoth
ese
bezo
gen
:
Wurden die in Abschnitt
5.2 definierten Anforderun-
gen […] erfüllt?
Je Anforderung kann dies anhand der in Abschnitten 5.3 be-
schriebenen Effektmatrix und dem in Abschnitt 5.4 beschriebe-
nen Effektkatalog mit ja/nein/bedingt beantwortet werden. Die
Unterscheidung ja/nein ist binär, im Fall einer bedingten Erfül-
lung kann diese abgestuft, je nach Erfüllungsgrad, bewertet
werden.
Ist es möglich, mithilfe der
entwickelten Effektmatrix
und dem entwickelten Ef-
fektkatalog, Zusammen-
hänge zwischen systemspe-
zifischen Zustandsgröße
und potentiellen Messgrö-
ßen über Effektketten auf-
zubauen und abzubilden,
die bisher nicht aufgebaut
bzw. abgebildet werden
konnten?
Dies kann in einem ersten Schritt auf Basis einer logischen Ar-
gumentation an den beschriebenen Beispielen im Vergleich mit
bestehenden Effektmatrizen und -katalogen mit ja/nein beant-
wortet werden. Die Bewertung der Allgemeingültigkeit kann
weiterhin auf Basis der logischen Argumentation erfolgen.
Überg
eord
nete
n A
usw
irku
ngen
der
Erg
ebn
isse
– A
uf
die
Sit
uati
on
bezo
gen
:
Anwendbarkeit Die übergeordneten (positiven) Auswirkungen der Ergebnisse
werden an der Verbesserung der in der Motivation dargestell-
ten Situation gemessen. Entsprechend viele potentielle
Einflussfaktoren sind bei der Bewertung zu berücksichtigen. Im
Rahmen dieser Arbeit wird eine initiale Beurteilung der
übergeordneten Auswirkungen anhand der Anwendung in
einem industriellen Kooperationsprojekt durchgeführt. Nützlichkeit/Brauchbarkeit
der Ergebnisse
XXVIII
Tabelle B.2: Kriterien und Bewertungsoptionen zur Beurteilung der Ergebnisse
hinsichtlich der zweiten (Teil-) Zielsetzung
(2) Kriterien Bewertungsoptionen
Dir
ekte
Erg
ebn
isse
–
Au
f d
ie Z
iels
etz
un
g u
nd
Hypoth
ese
bezo
gen
:
Lässt sich, anhand der ent-
wickelten Kriterien, gemäß
der Hypothese eine begrün-
dete Aussage über die prin-
zipielle Funktionsfähigkeit
der entwickelten Effektket-
ten treffen?
Dies kann auf Basis einer logischen Argumentation an einem
beschriebenen Beispiel mit ja/nein/bedingt beantwortet wer-
den. Die Unterscheidung ja/nein ist binär, im Fall einer beding-
ten Erfüllung kann diese abgestuft, je nach logischen Ein-
schränkungen, bewertete werden.
Werden Ansätzen zur Be-
herrschung der identifizier-
ten Unsicherheit im be-
trachteten Kontext bereit-
gestellt?
Dies kann mit ja/nein beantwortet werden.
Lässt sich durch die Kennt-
nis dieser Ansätze die Be-
herrschbarkeit der identifi-
zierten Unsicherheit bewer-
ten?
Dies kann auf Basis einer logischen Argumentation an einem
beschriebenen Beispiel mit ja/nein/bedingt beantwortet wer-
den.
Überg
eord
nete
n A
usw
irku
ngen
der
Erg
ebn
isse
– A
uf
die
Sit
uati
on
bezo
gen
:
Anwendbarkeit Die übergeordneten (positiven) Auswirkungen der Ergebnisse
werden an der Verbesserung der in der Motivation dargestell-
ten Situation gemessen. Entsprechend viele potentielle
Einflussfaktoren sind bei der Bewertung zu berücksichtigen. Im
Rahmen dieser Arbeit wird eine initiale Beurteilung der
übergeordneten Auswirkungen anhand der Anwendung in
einem industriellen Kooperationsprojekt durchgeführt. Nützlichkeit/Brauchbarkeit
der Ergebnisse
XXIX
Anhang C – Effektkataloge – Systematisches Verknüpfen einer
systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen
C1 – Aufbau und Gliederung der Effektmatrix und des zugehörigen
Effektkatalogs
Die Grundlagen des konzipierten Katalogsystems in Form der Gliederung und der Zugriffsop-
tionen wurden im 5. Kapitel begründet geschaffen. Der daraus resultierende logische Aufbau
des Katalogsystems ist auf der nächsten Seite in Abbildung C.1 und Abbildung C.2 dargestellt.
Die in den jeweiligen Hauptteilen aufzuführenden Informationen, sind in einem ersten Schritt
aus den Katalogsystemen nach KOLLER und ROTH zu übernehmen und sollen in einem zweiten
Schritt gezielt ergänzt werden (bspw. auf Basis der Sammlung physikalischer Effekte nach
ARDENNE ET AL.). Die einzupflegenden Informationen liegen in den genannten Quellen vor und
sind, gemäß des Ausblicks dieser Arbeit, in die angestrebte Datenbank einer rechnerbasierten
Anwendung einzupflegen.
Zeit Zeit Zeit Zeit
Flussgröße(I M) Kra� X Moment Massenstrom Volumenstrom elektrischer Strom magne�scher
FlussEntropiestrom X Stoffmengen-
stromPoten�algröße (Y )
Geschwindigkeit X Winkelge-schwindigkeit
Gravita�ons-feldstärke
Druck elektrische Spannung
X magne�sche Spannung
X Temperatur chemisches Poten�al
Extensum(Ex )
Verschiebung X Drehwinkel - Druckimpuls Induk�onsfluss elektrischer Fluss - -
Primärgröße (X ) Impuls Drehimpuls schwere Masse Volumen elektrische Ladung
X - X Entropie X Stoffmenge
Beschleunigung SpannungDehnungs-geschwindigkeit Dehnung
Winkelbe-schleunigung
Volumenbe-schleunigung
elektrische Feldstärke
elektrische Flussdichte
magne�sche Feldstärke
magne�sche Flussdichte Wellenlänge Intensität Wärmestrom Wärmemenge
Gestaltparameter bezogene Fläche Querkontrak�on Abstand der Massen
Ausbreitungs-geschwindigkeit
Fähigkeit zur el. Polarisierung
Magne�sierbarkeit von Materie
Emissivität Wärme-lei�ähigkeit
stoffliches Merkmal
Material-dämpfung
E-Modul Dichte Querkon-trak�onszahl
Material-dämpfung
Schubmodul Dichte Dichte dynamische Viskosität
Dichte Kompressions-modul
x spezifischer Widerstand
Permeabilitäts-zahl
Permi�vitätszahl el. Suszep�bilität Permeabilitäts-zahl
magn. Suszep-�bilität
Permi�vitätszahl Permeabilitäts-zahl
Emissionsgrad spez. Wärme- kapazität
Dichte Wärme-lei�ähigkeit
geometrische Merkmale
x x x x x x x x x x x x x x x x x
Zeit Frequenz Zeit Kreisfrequenz Zeit Zeit Frequenz Zeit Frequenz Zeit Zeit Frequenz Zeit Zeit
Abgeleitete Gebiete
Flussgröße(I M)
Poten�algröße (Y )
Extensum(Ex )
Primärgröße (X )
Kra�
Geschwindigkeit
Verschiebung
Impuls
Beschleunigung
X Spannung
XDehnungs-geschwindigkeit
X Dehnung
Moment
Winkelge-schwindigkeit
Drehwinkel
Drehimpuls
Winkelbe-schleunigung
Massenstrom
Gravita�ons-feldstärke
-
schwere Masse
Volumenstrom
Druck
Druckimpuls
Volumen
Volumen-beschleunigung
elektrischer Strom
elektrische Spannung
Induk�onsfluss
elektrische Ladung
Xelektrische Feldstärke
Xelektrische Flussdichte
magne�scher Fluss
magne�sche Spannung
elektrischer Fluss
-
X magne�sche Feldstärke
Xmagne�sche Flussdichte
Wellenlänge
Intensität
Entropiestrom
Temperatur
-
Entropie
X Wärmestrom
X Wärmemenge
Stoffmengen-strom
chemisches Poten�al
-
Stoffmenge
Funk�onsrelevante Gestaltparameter(--> Komponentenebene)
Funk�onsrelevante Gestaltparameter(--> Komponentenebene)
Ausgang--> Wirkung
Gebiet
Bilanzierungsfähige Größe
Abgeleitete Gebiete
Allgemeine Zustandsgrößen eines technischen Systems
Funk�onsgrößen,nach Roth / Simonek(--> System-ebene)
Intensive Zustandsgröße
Extensive Zustandsgröße
Abgeleitete Größen mit messtechnischer Relevanz
Funk�onsrelevanteGestaltparameter
Zeit
Reluktanzelektrischer Widerstand Induk�vität KapazitätHydraulischer Widerstand Masse elasitsche Kompression
Funk�onsrelevante Gestaltparameter Elektromagne�sche Wellen Zeit spezifisch; flächenbezogen Funk�onsrelevante GestaltparameterFunk�onsrelevante Gestaltparameter
(--> Komponentenebene) Zeitspezifisch,
flächenbezogenFunk�onsrelevante Gestaltparameter
(--> Komponentenebene) Zeit spezifisch; flächenbezogen
-En
trop
ieel
ektr
ische
Ladu
ng-
physikalische Chemie
Impuls - translatorisch Drehimpuls - rotatorisch "Schwere" Masse Volumen elektrische Ladung - - Entropie Stoffmenge
spezifisch, flächenbezogen Zeit Zeit
Funk�onsrelevante Gestaltparameter(--> Komponentenebene)
Mechanik Elektrizität und Magne�smus Thermodynamik
Impu
ls - t
rans
lato
risch
hcsirotator - slupmiherD
spez
ifisc
h, fl
äche
nbez
ogen
Abgeleitete Größen mit
messtechnischer Relevanz
Funk�onsgrößen,nach Roth / Simonek (--> Systemebene)
eimehC ehcsilakisyhp
Stoff
men
ge
Mec
hani
k
"Sch
wer
e" M
asse
Volu
men
kimanydo
mrehTsu
msitengaM dnu tätizirtkelE
Effektmatrix
Eingang--> Ursache
Extensive ZustandsgrößeIntensive Zustandsgröße
Gebiet
Bilanzier-ungsfähige
Größe
Abbildung der Zusammenhänge
Funk�onsrelevante Gestaltparameter
Phasengeschwindigkeit Wärmekapazität
spez
ifisc
h;
fläch
enbe
zoge
n
innere Dämpfung Elas�zität Masse innere Dämpfung Drehfedersteifigkeit Massenträgheitsmoment Masse
spez
ifisc
h,
fläch
enbe
zoge
nsp
ezifi
sch;
flä
chen
bezo
gen
Elek
trom
ag-
ne�s
che
Wel
len
Ex
qT
Y
iT
X
qP
IX
iP
ddt
ddt
ExIX
L:=YIX
R :=XY
C:=ExX
M:=
P = iP · iT
Tempe-ratur T
[ K]
EntropieS
[ J/ K]
Entropie -strom dS[ J/( K·s)] d
dt
el. Fluss ψ [ C]
mag. Spannung U m
[ A]
mag.
Fluss Φ [ Wb]
ddt
Induk -tions�uss Φ
[ Wb]
Spannung U[ V]
el. Ladung Q[ C]
el. Strom I[ A]
ddt
ddt
tätivitkudnI Kapa
zitä
t
Gravitations -
feldstärke g ( r) [ m/ s2]
Schwere Masse m S
[ kg]
Massenstromqm
[ kg/ s] ddt
Druck -impuls p D
[ Pa·s]
Druckp
[ Pa]
VolumenV
[ m3]
Volumen -strom V[ m3/ s]
ddt
ddt
Mas
se
Elas
tisch
e Ko
mpr
essib
ilität
Volumen -beschleuni-
gung V[ m3/ s]
Masse
ddt
˙˙ ˙
chemisches Potential µ
[ -]
Sto�mengen
[ mol]
Sto�mengen-strom I n
[ mol/ s] ddt
Verschiebungs
[ m]
Geschwindig -keit v[ m/ s]
Impuls p[ N·s]
Kraft F[ N]
ddt
ddt
Beschleuni -gung a[ m/ s2]
ddt
etnatsnokredeF
Mas
se
Masse
Drehwinkelφ
[ rad]
Winkelge -schwindigkeit
ω [ rad/ s]
DrehimpulsL
[ Nm·s]
Moment M[ Nm]
ddt
ddt
Winkelbe -schleunigung
α [ rad/ s2]
ddt
etnatsnokredeF
Mas
sent
räg
-he
itsm
omen
t
Massenträg -heitsmoment
Merkmal Ausprägung Merkmal Ausprägung
Gleichung
EffektkatalogNotwendige Eigenschaften (Komponente & System)
Spalte--> Wirkung
Ursachex
Wirkungf(x)
Effekt
Ordnungsziffer
Effekt-nummer
Zeile--> Ursache
Ausprägung(en)System
Skizze Gestalt-parameter
stoffliches Merkmal
kinematische EigenschaftenBeispiel Literaturgeometrische
Merkmalestoffliche Eigenschaft
KomponenteGetroffene Vereinfach-
ungenZeit
Zusammenhang über …
weitere Funktions-
größe
XXX
Abbildung C.1: Au�bau und Gliederung der Effektmatrix
Abbildung C.2: Au�bau und Gliederung des zugehörigen Effektkatalogs
XXXI
Anhang D – Darstellung und Einordnung der Ergebnisse
D1 – Ausblick
Fortsetzung auf der nächsten Seite...
XXXII
Abbildung D.1: Ausblick auf eine rechnerbasierte Implementierung des entwickelten Ansatzes
sowie eines zugehörigen Vorgehens in Form eines Programmablaufplans
XXXIII
Glossar
DATEN
Daten sind objektive Fakten, die ohne Zusammenhang und weitere Hintergründe nicht deut-
bar und als „Rohmaterial“ zu verstehen sind.438
EFFEKTKATALOG (→ Konstruktionskatalog)
Konstruktionskataloge bzw. Objektkataloge, die Informationen über physikalische Effekte
beinhalten, werden als (physikalische) Effektkataloge bezeichnet. Effektkataloge werden je
nach Anzahl der an der Gliederung des Effektkatalogs beteiligten physikalischen Größen wei-
terhin in ein-, zwei- oder dreidimensionalen Katalogen unterschieden.
Im Rahmen dieser Arbeit wird die Bezeichnung „Effektkatalog“ synonym zur Bezeichnung
eines eindimensionalen Effektkatalogs verwendet. Ein zweidimensionaler Effektkatalog wird
synonym als Effektmatrix bezeichnet.
EFFEKTMATRIX (→ Effektkatalog)
Ein zweidimensionaler Effektkatalog wird synonym als Effektmatrix bezeichnet.
EIGENSCHAFT (→ Merkmal)
Eine Eigenschaft ist alles, „was durch Beobachtungen, Messergebnisse, allgemein akzeptierte Aus-
sagen usw. von einem Gegenstand festgestellt werden kann“ 439. Sie entspricht allgemein einem
Charakteristikum des Beobachtungsobjekts (bspw. von einem (technischen) System, von
einem Element eines technischen Systems oder vom Operanden eines Prozesses) und setzt
sich formal aus einem Merkmal (z. B. Wanddicke) und einer Ausprägung (z. B. 5 mm) zusam-
men.440
FUNKTION (→ Verhalten)
Als Funktion eines technischen Systems wird die „lösungsneutrale Beschreibung als Operation
des gewollten Zusammenhangs zwischen Ein- und Ausgangsgrößen“ 441 bezeichnet.442
FUNKTIONSGRÖßE (→ Funktion)
Funktionsgrößen (nach ROTH) sind physikalische Größen, die die Funktion eines technischen
Systems charakterisieren.443 Sie sind im Funktionsablauf veränderlich und können vom Ent-
wickelnden nicht unmittelbar festgelegt werden.444
FUNKTIONSRELEVANTE GESTALTPARAMETER (→ Gestaltparameter)
Als funktionsrelevante Gestaltparameter werden Gestaltparameter bezeichnet, die „entweder
einen direkten Zusammenhang mit einer Funktion besitzen oder aber Gestalteigenschaften beein-
flussen, die für die Funktionserfüllung relevant sind“ 445.
438 VDI 5610 (2009), S. 4. 439 Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 38, vgl. auch VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 5. 440 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 432. 441 Birkhofer und Kloberdanz (2014), S. 53. 442 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 44, 783; Lindemann (2009), S. 331 sowie VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6. 443 Vgl. Roth (2000), S. 117. 444 Vgl. Simonek (1973), S. 12. 445 Matthiesen (2020), S. 7.
XXXIV
GESTALT (→ Gestaltparameter)
Die Gestalt eines materiellen Objekts ist die Gesamtheit der Gestaltparameter, die das
materielle Objekt beschreiben und zu seiner Herstellung notwendig sind.446
GESTALTPARAMETER
Der (Ober-) Begriff Gestaltparameter fasst geometrisch und stofflich beschreibbare Merkmale
bzw. Eigenschaften eines materiellen Objekts zusammen.447
INFORMATION (→ Daten)
Informationen sind strukturierte Daten mit Relevanz und Zweck, die in einen Kontext gebracht,
kategorisiert, kalkuliert und korrigiert werden können.448
KONSTRUKTIONSKATALOG
Unter dem Oberbegriff des Konstruktionskatalogs werden Informations- bzw. Wissensspeicher
zusammengefasst, die hinsichtlich ihrer Inhalte, ihrer Zugriffsmöglichkeiten und ihres Aufbaus
auf das methodische Entwickeln von technischen Systemen zugeschnitten sind. Insbesondere
werden sie durch eine jeweils weitgehende Vollständigkeit, eine klare Systematik und Gliede-
rung sowie der Existenz von Zugriffsmerkmalen charakterisiert. Konstruktionskataloge wer-
den weiterhin in drei wesentliche Arten unterschieden: Objektkataloge, Operationskataloge und
Lösungskataloge.449
MERKMAL (→ Eigenschaft)
Ein Merkmal bezeichnet einen beschreibenden Parameter eines (technischen) Systems. Die
Kombination aus einem Merkmal (z. B. Wanddicke) und einer zugehörigen Ausprägung (z. B.
5 mm) beschreibt eine Eigenschaft des Beobachtungsobjekts (bspw. Gegenstand, Produkt oder
Prozess).450
MESSGRÖßE (→ Sensor)
In der vorliegenden Arbeit wird die Messgröße als die Eingangsgröße eines (kommerziell) ver-
fügbaren Sensors definiert.451
Gemäß der DIN 1319-1 (1995) ist eine Messgröße eine „physikalische Größe, der die Messung
gilt“ 452. Formal wird in der Messtechnik weiterhin zwischen einer Größe, deren Quantifizie-
rung das eigentliche Ziel einer Messung darstellt und der/den tatsächlich gemessenen
Größe/n unterschieden (direkte/indirekte Messung).453 Obwohl diese Differenzierung viel-
fach beschrieben wird, existiert keine einheitlich anerkannte Bezeichnung der beiden Größen.
446 Vgl. Matthiesen (2020), S. 2 und 7 sowie Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 908. 447 Vgl. Matthiesen (2020), S. 2 und 7. 448 VDI 5610 (2009), S. 4. 449 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4 sowie Koller und Kastrup (1998), S. 29 f. 450 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 443, vgl. auch VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 7.
Anmerkung: Die VDI-Richtlinie 2221 von 2019 ist hinsichtlich der dargestellten Bedeutung und des Ver-
hältnisses der Bezeichnungen Eigenschaft und Merkmal uneinheitlich. Auf Seite fünf wird abweichend
das Verständnis eines Merkmals als eine Eigenschaft die besonders herausgehoben werden soll von
Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 38 übernommen. Dieses Verständnis wird an dieser Stelle nicht
übernommen. 451 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S. 6 f. 452 DIN 1319-1 (1995), S. 2. 453 Vgl. DIN 1319-1 (1995), S. 2.
XXXV
Die Abgrenzung zwischen beiden Größen ist darüber hinaus vom Standpunkt der Betrachtung
abhängig (Bsp. DMS-basierter Kraftsensor: Der Anwendende sieht bspw. die Kraft F als Mess-
größe – Der Hersteller sieht bspw. die Dehnung s als Messgröße).
Die Größe deren Quantifizierung das eigentliche Ziel einer Messung darstellt wird im Rahmen
dieser Arbeit allgemein als „zu erfassende (Zustands-) Größe“ bezeichnet.
METHODE
Als Methode wird das planmäßige und regelbasierte Vorgehen in Form einer Abfolge von
Tätigkeiten zum Erreichen eines definierten Ziels (z. B. Lösung eines technischen Problems)
bezeichnet.454
MODELL
Ein Modell ist ein „gegenüber einem Objekt (Original) vereinfachtes, abstrahiertes, gedankliches,
programmtechnisches, immaterielles oder stoffliches Gebilde, das Analogien zu diesem Objekt auf-
weist“ 455. Weiterhin sind Modelle allgemein zweckorientiert, trennen das für die jeweilige
Situation Wesentliche von Unwesentlichem und aus ihrem Verhalten lassen sich Rückschlüsse
auf das Original ziehen.456 STACHOWIAK weist Modellen drei charakterisierende Merkmale zu:
das Abbildungsmerkmal, das Verkürzungsmerkmal und das pragmatische Merkmal.457
PHYSIKALISCHER EFFEKT
Eine physikalische Erscheinung bzw. ein physikalisches Geschehen wird als physikalischer
Effekt und die quantitativ ausformulierte Beziehung zwischen beteiligten physikalischen Grö-
ßen als physikalisches Gesetz bezeichnet wird.458
PROZESS (→ Zustand)
Ein (technischer) Prozess beschreibt eine zweckdienliche Zustandsänderung (Transformation)
eines Objekts (Operanden), von einem Anfangszustand hin zu einem gewünschten (End-)
Zustand, in einem (definierten) Zeitintervall.459
ROBUSTHEIT
Robustheit wird als die Unempfindlichkeit eines Produkts (u. a. hinsichtlich seiner Funktions-
erfüllung) gegenüber potentiell auftretenden Störeinflüssen bzw. allgemein gegenüber Unsi-
cherheit definiert.
ROBUST DESIGN (→ Robustheit)
Der Begriff des Robust Design fasst allgemein Ansätze zur Entwicklung robuster Produkte
zusammen, ist in der Literatur aber nicht strikt definiert.
454 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911; Lindemann (2009), S. 333 sowie VDI 2221 (2019),
Blatt 1, S. 7. 455 Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911; vgl. auch VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6 sowie Lindemann
(2009), S. 333. 456 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911 sowie VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6. 457 Vgl. Stachowiak (1973), S. 131-133. 458 Vgl. Kirchner (2020b), S. 119; Roth (2000), S. 2 sowie Ponn und Lindemann (2011), S. 447. 459 Vgl. Hubka (1984), S. 17 sowie Heidemann (2001), S. 71.
XXXVI
SENSOR (→ Messgröße)
Als Sensor wird die erste in sich geschlossene Komponente, die an ihrem Eingang die Mess-
größe aufnimmt und an ihrem Ausgang ein konditioniertes Messsignal liefert, bezeichnet.460
SYSTEM
Ein System setzt sich aus einer endlichen Menge von Elementen, ihren Eigenschaften und der
Verknüpfung dieser Elemente mittels Relationen zusammen.461 Es ist gegenüber der Umge-
bung durch eine Systemgrenze abgegrenzt, wobei Interaktionen zwischen dem System und
der Umgebung stattfinden und mittels Ein- und Ausgangsgrößen (Inputs und Outputs)
beschrieben werden.462
SYSTEMVARIABLEN
Innerhalb einer physikalischen Domäne lassen sich gemäß der mehrpolbasierten Modellbil-
dung vier Systemvariablen (Primärgröße, Potentialgröße, Flussgröße, Extensum) bilden,
anhand derer der Energieaustausch zwischen konzentrierten Netzwerkelementen sowie die
Speicherung von Energie innerhalb eines Netzwerkelements beschrieben werden kann.
TECHNISCHES SYSTEM (→ System)
Ein technisches System ist ein künstlich erzeugtes geometrisch-stoffliches Gebilde, das entwi-
ckelt wird, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Liegt der Fokus der Betrachtung vor-
nehmlich auf dem geometrisch-stofflichen Gebilde und weniger auf dem Prozess wird es auch
als technisches Produkt bezeichnet.463
UNSICHERHEIT
Unsicherheit ist ein Zustand „der sich aus dem gänzlichen oder teilweisen Fehlen von Informatio-
nen, Verständnis oder Wissen über ein Ereignis, seine Auswirkung oder seine Wahrscheinlichkeit
ergibt“ 464.
VERHALTEN (→ Funktion)
Der reale Zusammenhang zwischen den Ein- und Ausgangsgrößen eines realisierten techni-
schen Systems in Form eines technischen Produkts wird als Verhalten bezeichnet.465
WISSEN (→ Information)
Wissen entsteht durch vernetzte Information. Es ermöglicht es, Vergleiche anzustellen, Ver-
knüpfungen herzustellen und Entscheidungen zu treffen.466
460 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S.4. 461 Vgl. Hubka (1984), S.11 ff. 462 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 28. 463 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 35. 464 ISO Guide 73: 2009 (2009), S. 2. 465 Vgl. Birkhofer und Kloberdanz (2014), S. 55. 466 VDI 5610 (2009), S. 4.
XXXVII
ZUSTAND (→ Eigenschaft)
Der Zustand eines Beobachtungsobjekts (bspw. von einem (technischen) System, von einem
Element eines technischen Systems oder vom Operanden eines Prozesses) wird durch die
Summe seiner momentanen Eigenschaften bestimmt und ist definiert als das quantitative Maß
dieser Eigenschaften.467
ZUSTANDSGRÖßE (→ Zustand)
Dem klassischen Verständnis der Regelungstechnik nach, sind Zustandsgrößen physikalsiche
Größen die den Zustand eines (technischen) Systems charakterisieren. Ändert sich der
Zustand eines Systems, ändern sich zwangsläufig bestimmte Zustandsgrößen.468
Dieses Verständnis wird übernommen und auf den Begriff des Zustands bezogen erweitert.
Demnach werden im Rahmen dieser Arbeit physikalsiche Größen die den Zustand eines
Beobachtungsobjekts (bspw. von einem (technischen) System, von einem Element eines
technischen Systems oder vom Operanden eines Prozesses) charakterisieren als
Zustandsgrößen bezeichnet.
467 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 515 und 926 ff sowie MacFarlane (1967), S. 13. 468 Vgl. Lunze (2016), S. 79; Löser et al. (2018), S. 24.
XXXVIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1: Aufbau der Arbeit .......................................................................................... 3
Abbildung 2.1: Modell eines (technischen) Systems .............................................................. 4
Abbildung 2.2: Zusammenhang zwischen technischem System und technischem Prozess ...... 5
Abbildung 2.3: Funktionales, strukturales und hierarchisches Konzept zur
Modellierung von Systemen .......................................................................................... 6
Abbildung 2.4: Realisierung einer allgemeinen Funktion in einem technischen System
auf Basis eines physikalischen Effekts ......................................................................... 10
Abbildung 2.5: Allgemeines Modell der Produktentwicklung ............................................... 14
Abbildung 2.6: Das V-Modell als Makrozyklus ..................................................................... 16
Abbildung 2.7: Modell einer methodischen Vorgehensweise zur Sensorauswahl ................. 17
Abbildung 2.8: Produktmodellpyramide nach Ehrlenspiel ................................................... 18
Abbildung 2.9: Grundstruktur eines Regelkreises – a) Blockschaltbild
und b) Signalflussgraph .............................................................................................. 20
Abbildung 2.10: Modellierung des Einmassenschwingers als System
und als Freikörperbild ................................................................................................. 21
Abbildung 2.11: Darstellung der Differenzialgleichung des Einmassenschwingers
als Blockschaltbild ...................................................................................................... 22
Abbildung 2.12: Zustandsraumdarstellung des Einmassenschwingers im Blockschaltbild .... 22
Abbildung 2.13: Grundstruktur eines mechatronischen Systems .......................................... 23
Abbildung 2.14: Modellhierarchie für den Systementwurf mechatronischer Systeme .......... 24
Abbildung 2.15: Paradigmen zur Multidomänenmodellierung mechatronischer Systeme
auf Basis von konzentrierten Netzwerkelementen in Form von Mehrpolen ................. 25
Abbildung 2.16: Übersicht konzentrierter Netzwerkelemente .............................................. 26
Abbildung 2.17: Übersicht über die Systemvariablen sowie deren Verknüpfung mittels
konstituierender Gesetze in allgemeiner Form sowie jeweils an einem Beispiel
aus der Mechanik und aus der Elektrotechnik ............................................................. 29
Abbildung 2.18: Allgemeine Struktur der Messtechnik a) Messkette
und b) Abgrenzung des Sensor-Begriffs ....................................................................... 30
Abbildung 2.19: Entwicklung eines Modells der Auswertung basierend auf einem
Ursache-Wirkung-Zusammenhang .............................................................................. 31
Abbildung 2.20: Manifestation von Unsicherheit im Systemmodell nach KREYE ET AL. .......... 33
Abbildung 2.21: Einordnung von Daten- und Modellunsicherheit in den
PE-Prozess nach Eifler ................................................................................................. 34
Abbildung 2.22: Erweitertes Unsicherheitsmodell des SFB 805 ........................................... 35
Abbildung 2.23: P-Modell nach TAGUCHI ............................................................................... 36
Abbildung 2.24: Zusammenhang Störung/Unsicherheit und Verhalten am Beispiel
eines Lagerbocks ......................................................................................................... 37
Abbildung 2.25:Vorgehen zur Messunsicherheitsbestimmung nach dem
Standard-GUM-Verfahren ........................................................................................... 39
Abbildung 2.26: Allgemeiner Aufbau physikalischer Effektkataloge mit ein-, zwei oder
dreidimensionalem Gliederungsteil ............................................................................. 41
Abbildung 2.27: Katalogsystem physikalischer Effekte nach KOLLER & KASTRUP .................... 43
XXXIX
Abbildung 2.28: Aufbau der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH sowie der zugehörigen
Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammenhänge .......................................... 44
Abbildung 2.29: Auswahlmöglichkeiten im Rahmen der „Transform Query“ in der
„Effects Database“ der Oxford Creativity Ltd. ............................................................... 46
Abbildung 2.30: Struktur des Luenbergerbeobachters inkl. Erläuterung .............................. 47
Abbildung 2.31: Aufschlüsselung der mathematischen Gleichungen eines
Wirkzusammenhangs in einem Messprinzipbaum nach MATTHIESEN et. al ................... 51
Abbildung 2.32: Uncertainty Mode and Effects Analysis (UMEA) nach ENGELHARDT ................ 53
Abbildung 2.33: Lösung des Zielkonflikt zwischen Minimierung der Schwankung und
Minimierung der Abweichung des Mittelwerts vom Soll-Wert
– Parameter Design nach TAGUCHI ................................................................................ 54
Abbildung 2.34: Ausnutzung von nichtlinearen und linearen Zusammenhängen
zwischen Stör- und Steuergrößen – Parameter Design nach TAGUCHI ........................... 54
Abbildung 2.35: Robust Design-Strategien des SFB 805 am Beispiel eines Lagerbocks ........ 55
Abbildung 3.1: Differenzierung der Länge als Funktionsgröße und Gestaltparameter .......... 59
Abbildung 3.2: Ausschnitt der Zuordnungsmatrix nach KOLLER ............................................ 59
Abbildung 3.3: Ausschnitt der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH
– Funktionsgrößen des translatorischen Impulses aus der Domäne der Mechanik ...... 61
Abbildung 4.1: Forschungsbedarf resultierend aus den Grundlagen und dem
Stand der Forschung ................................................................................................... 63
Abbildung 4.2: Zusammenhang zwischen der Theorie technischer Systeme und
der Theorie der Konstruktionsprozesse ....................................................................... 65
Abbildung 4.3: Problemlösezyklus als Mikrozyklus .............................................................. 68
Abbildung 5.1: Uneindeutigkeit bei der Einordnung eines Volumenstroms 𝑉 in die
Zuordnungsmatrix nach KOLLER .................................................................................. 70
Abbildung 5.2: Darstellung des wirkungsorientierten Aufbaus des Prinzipkatalogs
nach KOLLER ................................................................................................................ 73
Abbildung 5.3: Ausschnitt der Eigenschaftstabelle für mechanische Effekte sowie
elektrische und magnetische Effekte nach KOLLER & KASTRUP ...................................... 74
Abbildung 5.4: Schematischer Aufbau der Effektmatrix ....................................................... 77
Abbildung 5.5: Übersicht über den grundlegenden Ansatz zur Gliederung und
zum Aufbau des Gliederungsteils der Effektmatrix ...................................................... 79
Abbildung 5.6: Knoten- und Maschenregel nach Kirchhoff im elektrischen
Netzwerk (links) sowie Knotenpunktverfahren am freigeschnittenen
mechanischen Fachwerk (rechts) ................................................................................ 81
Abbildung 5.7: Ausschnitt der Gliederung im Gliederungsteil der Effektmatrix
am Beispiel des translatorischen Impulses p und der elektrischen Ladung Q ............... 81
Abbildung 5.8: Ausschnitt der vom Eingang abweichenden Gliederung des Ausgangs
im Gliederungsteil der Effektmatrix ............................................................................ 82
Abbildung 5.9: Coulomb-Gesetz – Kraft F zwischen zwei elektrischen (Punkt-)
Ladungen Q und Q‘ ..................................................................................................... 83
Abbildung 5.10: Pt-100 Temperatursensor (im Aufbau einer Vier-Leiter-Messung) als
Beispiel für die Beeinflussung von Gestaltparametern einer physikalischen
Domäne durch Funktionsgrößen einer anderen physikalischen Domäne ..................... 84
XL
Abbildung 5.11: Betrachtung des Hooke’schen Gesetzes als Beispiel für die Abhängigkeit
des Abstraktionsgrads in der Betrachtung der beschriebenen Zusammenhänge
vom Anwendenden ..................................................................................................... 85
Abbildung 5.12: Ausschnitt der erweiterten Gliederung im Gliederungsteil
der Effektmatrix .......................................................................................................... 86
Abbildung 5.13: Berücksichtigung magnetischer Effekte über eine definierte Ausnahme ..... 87
Abbildung 5.14: Spektrum elektromagnetischer Strahlung .................................................. 88
Abbildung 5.15: Inhalt der Effektmatrix .............................................................................. 89
Abbildung 5.16: Zusammenhang zwischen Effektmatrix und Effektkatalog sowie
schematischer Aufbau des Effektkatalogs .................................................................... 91
Abbildung 5.17: Aufbau des Gliederungsteils des Effektkatalogs am Beispiel der
elastischen Dehnung ................................................................................................... 92
Abbildung 5.18: Aufbau des Hauptteils des Effektkatalogs am Beispiel der
elastischen Dehnung ................................................................................................... 93
Abbildung 5.19: Gliederung des Effektkatalogs über Gestaltparameter bzw. stoffliche
und geometrische Merkmale ....................................................................................... 94
Abbildung 5.20: Gliederung notwendiger Eigenschaften des technischen Systems
resultierend aus effektspezifischen Anforderungen und Randbedingungen im
Zugriffsteil .................................................................................................................. 96
Abbildung 5.21: Aufbau des Zugriffsteils des Effektkatalogs ................................................ 97
Abbildung 5.22: Beispielhafter Aufbau eines Zahnriementriebs bestehend aus Antrieb,
Abtrieb, Spannrolle und dem eigentlichen Zahnriemen .............................................. 98
Abbildung 5.23: Aufbau eines Zahnriementriebs ................................................................. 99
Abbildung 5.24: Exemplarischer Aufbau eines Zahnriemens ................................................ 99
Abbildung 5.25: Darstellung des maximalen Betrachtungsumfangs im Rahmen des
Beispiels in Form eines strukturalen Systemmodells ................................................. 100
Abbildung 5.26: Ansätze zur Ableitung potentieller Messgrößen am Beispiel des
Zahnriementriebs ausgehend von der Dehnung der Zugträger .................................. 101
Abbildung 5.27: Vorgehen zur [Iteration einer (initialen)]
Ursache-Wirkung-Betrachtung .................................................................................. 102
Abbildung 5.28: Ausschnitt der identifizierten potentiellen Messgrößen zur Erfassung
der Dehnung der Zugträger im betrachteten Zahnriemen ......................................... 103
Abbildung 5.29: Effektkette des Messkonzepts des „Intelligenten Zahnriemens“ ................. 104
Abbildung 5.30: Intelligenter Zahnriemen ......................................................................... 104
Abbildung 6.1: Einordnung der Manifestation von Unsicherheit nach KREYE ET AL. in
den Kontext der Sensorintegration in (bestehende) technische Systeme ................... 106
Abbildung 6.2: Ansatz zur Identifikation von Unsicherheit auf Basis einer
Fehlzustandsbaumanalyse ........................................................................................ 107
Abbildung 6.3: Ausschnitt einer Prüfliste zur Identifikation von Kontextunsicherheit
nach VORWERK-HANDING ET AL. .................................................................................... 108
Abbildung 6.4: Direkte und indirekte Überlagerung der beabsichtigten Effekte durch
unbeabsichtigten Effekte ........................................................................................... 110
Abbildung 6.5: Ermittlung möglicher direkter Überlagerungen eines beabsichtigten
Effekts mithilfe der entwickelten Effektmatrix .......................................................... 111
XLI
Abbildung 6.6: Ermittlung möglicher indirekter Überlagerungen eines beabsichtigten
Effekts ausgehend von identifizierten Stör- und Nebengrößen mittels Effektmatrix .. 111
Abbildung 6.7: Betrachtungsumfang der Effektkette des Beispiels Intelligenter
Zahnriemen – Physikalischer Effekt „Saite“ ................................................................ 112
Abbildung 6.8: Linearisierung des Zusammenhangs zwischen Ursache und Wirkung
aus Sicht des physikalischen Effekts (links) und aus Sicht des Modells der
Auswertung (rechts) ................................................................................................. 116
Abbildung 6.9: Zusammenhang zwischen der Fehlergrenze Δy der zu bestimmenden
Zustandsgröße YZ und der maximal zulässigen Messabweichung bzw.
Fehlergrenzen ΔxMess eines Sensors zur Erfassung der potentiellen
Messgröße XMess,pot .................................................................................................... 119
Abbildung 6.10: Erfassung des kritischsten Arbeitspunkts FL0,krit anhand der
qualitativen Betrachtung des Ursache-Wirkung-Zusammenhangs ............................. 122
Abbildung 6.11: Beurteilung der Schwere der identifizierten Unsicherheit gemäß
Tabelle 6.5, dargestellt im erweiterten Unsicherheitsmodell des SFB 805 ................ 126
Abbildung 7.1: Gleitlagerbuchse deva.tex 552 .................................................................... 136
Abbildung 7.2: Verschleiß einer Gleitlagerbuchse Deva.tex 552 a) Kalkulierter Verschleiß
aufgrund tribologischer Beanspruchung durch Festkörperreibung b) Abrasiver
Verschleiß durch Fremdkörpereintrag in das Gleitlager ............................................ 137
Abbildung 7.3: Vorgehen zur Identifikation sowie Überblick über die Anzahl an
identifizierten physikalischen Effekten, die prinzipiell zur Bestimmung der
Dicke d der Gleitschicht nutzbar sind ........................................................................ 139
Abbildung 7.4: Schematische Aufbau des Demonstrators zum Messkonzept
„Modellierung der Gleitlagerbuchse als Kondensator“ .................................................. 142
Abbildung 7.5: Fertigung von drei Demonstrator-Gleitlagerbuchsen gemäß des
schematischen Aufbaus aus Abbildung 7.4 – Applizierte Kupfer-Kondensatorfolien
auf der Gleitschicht ................................................................................................... 142
Abbildung 7.6: Gefertigte Demonstrator-Gleitlagerbuchsen gemäß des schematischen
Aufbaus aus Abbildung 7.4 ....................................................................................... 143
XLII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1: Übersicht über die allgemeinen Funktionen nach ROTH ...................................... 9
Tabelle 2.2: Zusammenfassung der Systemvariablen im Rahmen der
Mehrpolbasierten Modellbildung................................................................................... 28
Tabelle 2.3: Übersicht über die konstitutiven Gesetze zur Verknüpfung
der Systemvariablen ................................................................................................... 28
Tabelle 4.1: Forschungsvorgehen zur ersten (Haupt-) Forschungsfrage ............................... 66
Tabelle 4.2: Forschungsvorgehen zur zweiten (Haupt-) Forschungsfrage ............................ 67
Tabelle 5.1: Anforderungen an Effektmatrix und -katalog ................................................... 76
Tabelle 6.1: Quellen für Modellunsicherheit im Messkonzept des
Intelligenten Zahnriemens am Beispiel des physikalischen Effekts „Saite“ ................... 112
Tabelle 6.2: Quellen für Datenunsicherheit im Messkonzept des
Intelligenten Zahnriemens am Beispiel des physikalischen Effekts „Saite“ ................... 113
Tabelle 6.3: Annahmen zum beispielhaft betrachteten Zahnriemen ................................... 121
Tabelle 6.4: Ergänzende Annahmen zum technischen System des beispielhaft
betrachteten Zahnriemen .......................................................................................... 124
Tabelle 6.5: Zustände und Erläuterungen hinsichtlich der Beurteilung der Schwere
von identifizierter Unsicherheit sowie daraus resultierende Folgen ........................... 125
Tabelle 7.1: Beurteilung des Erfüllungsgrads der definierten Anforderungen durch
den entwickelten Ansatz eines Katalogsystems physikalischer Effekte ....................... 131
Tabelle 7.2: Überblick über die vier identifizierten Effekte, die prinzipiell zur
Bestimmung der verschleißbedingt verbleibenden Dicke d der Gleitschicht
nutzbar sind.............................................................................................................. 140
Tabelle 7.3: Übersicht über die drei am besten bewerteten Messkonzepte gemäß der
gewichteten Punktbewertung nach GROß .................................................................. 141
XLIII
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LI
Eigene Veröffentlichungen
2018
VORWERK-HANDING, G.; MARTIN, G. UND KIRCHNER, E. (2018): Integration of Measurement
Functions in Existing Systems – Retrofitting as Basis for Digitalization. In Ekströmer, P., Schütte,
S. und Ölvander, J. (Hrsg.): Proceedings of NordDesign 2018. Linköping, Schweden, S. 1-12.
MARTIN, G.; VOGEL, S.; SCHIRRA, T.; VORWERK-HANDING, G. UND KIRCHNER, E. (2018): Methodical
Evaluation of Sensor Positions for Condition Monitoring of Gears. In Ekströmer, P., Schütte, S.
und Ölvander, J. (Hrsg.): Proceedings of NordDesign 2018. Linköping, Schweden, S. 1-12.
2019
VORWERK-HANDING, G.; VOGEL, S. UND KIRCHNER, E. (2019): Integration von Messfunktionen in
bestehende technische Systeme unter Berücksichtigung der Baustruktur. In Bertram, T., Corves, B.,
Gräßler, I. und Janschek, K. (Hrsg.): VDI-Fachtagung Mechatronik. Paderborn, S. 219-224.
VOGEL, S.; VORWERK-HANDING, G. UND KIRCHNER, E. (2019): Analysemodell für die Priorisierung
von Weiterentwicklungsoptionen zur Sensorintegration. In Krause, D.; Paetzold, K. und Wartzack,
S. (Hrsg.): Proceedings of the 30th Symposium Design for X. Hamburg, S. 303-314.
2020
VORWERK-HANDING, G.; SCHORK, S.; GWOSCH, T.; KIRCHNER, E. UND MATTHIESEN, S. (2020):
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Ingenieurwesen, 84. Aufl., S. 21-32.
VORWERK-HANDING, G.; WELZBACHER, P. UND KIRCHNER, E. (2020): Consideration of Uncertainty
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SCHORK, S.; VORWERK-HANDING, G.; VOGEL, S. UND KIRCHNER, E. (2020): Mechatronic Machine
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LII
Betreute studentische Arbeiten
2018
WELCHES, R. (2018): Entwicklung eines mikroinvasiven Messsystems zur Erfassung von Radkräften
in einem Formula Student Fahrzeug. Master-Thesis, TU Darmstadt, Institut für
Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd).
DIETER, D. D.; HAßLER, D.; KÖBSCHALL, K.; POSS, B. UND SCHOLL, P. (2018): Konzeptentwicklung
zur Erfassung von Lastkollektiven in einer Sattelkupplung. Advanced Design Project (ADP), TU
Darmstadt, Institut für Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd).
MÜLLER, M. H. (2018): Konzeptentwicklung für sensorintegrierende Marknägel zur Überwachung der
Knochenheilung. Studienarbeit, TU Darmstadt, Institut für Produktentwicklung und
Maschinenelemente (pmd).
2019
ASAN, V. (2019): Systematisches Ableiten von Messgrößen ausgehend von individuellen Zielgrößen in
bestehenden technischen Systemen. Bachelor-Thesis, TU Darmstadt, Institut für
Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd).
2020
WELZBACHER, P. (2020): Entwicklung eines Ansatzes zur Berücksichtigung von Unsicherheit im
Rahmen der konzeptionellen Integration von Messfunktionen in bestehende Systeme. Master-Thesis, TU Darmstadt, Institut für Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd).
Weitere studentische Arbeiten mit direkter Relevanz
(nicht direkt vom Autor betreut)
2018
ERZ, C.; DOMMEL, J. J.; KIANPOOR, S.; REGEV, Y. UND RAUSCHENBACH, Y. (2018): Entwicklung von
Messkonzepten für die Zustandsüberwachung von Zahnriemen. Advanced Design Project (ADP),
TU Darmstadt, Institut für Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd) & Institut für
Integrierte Elektronische Systeme (IES).
2020
GROß, H. J. (2020): Entwicklung eines Messkonzeptes für selbstschmierende Gleitlagerbuchsen. Bachelor-Thesis, TU Darmstadt, Institut für Produktentwicklung und Maschinenelemente
(pmd).
LIII
Lebenslauf
Persönliche Daten
Name: Gunnar Thomas Vorwerk-Handing
Geburtsort: Gütersloh
Ausbildung und beruflicher Werdegang
02/2021 Promotionsprüfung zum Doktoringenieur an der Technischen
Universität Darmstadt, Fachbereich Maschinenbau
03/2017 – 02/2021 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität
Darmstadt am Fachgebiet für Produktentwicklung und
Maschinenelemente (pmd)
01/2016 – 03/2016 Forschungspraktikum als Projektstudent bei SINTEF Energy Research
(Trondheim, Norwegen)
07/2015 – 12/2015 Auslandsstudium an der Norwegian University of Science and
Technology (Trondheim, Norwegen)
04/2014 – 11/2016 Masterstudium, Studiengang Mechanical and Process Engineering
an der Technischen Universität Darmstadt, Abschluss M. Sc.
10/2013 – 03/2014 Studentisches Fachpraktikum bei CLAAS Selbstfahrende
Erntemaschinen GmbH (Harsewinkel)
10/2010 – 09/2013 Bachelorstudium, Studiengang Mechanical and Process Engineering
an der Technischen Universität Darmstadt, Abschluss B. Sc.
06/2010 Abitur, Gymnasium Marienschule, Lippstadt