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Aus der Klink für Orthopädie
am St. Josef-Hospital Bochum
- Universitätsklinik -
der Ruhr – Universität Bochum
Direktor: Prof. Dr. med. Jürgen Krämer
___________________________________
Ergebnis
der Einmalbehandlung mit
der elektrohydraulischen
Extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie
bei Epicondylitis humeri radialis
Inaugural – Dissertation zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer
Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr – Universität Bochum
vorgelegt von
Ulf Hanxleden
aus Duisburg
2003
2
Dekan : Prof. Dr. med. G. Muhr
Referent : Prof. Dr. med. R. Schleberger
Koreferent : Prof. Dr. med. R. Smektala
Tag der Mündlichen Prüfung: 27.01.2004
3
Seite
Widmung
Einleitung
5
6
1. Die Epicondylitis 8
1.1. Anatomie des Ellenbogengelenkes 8
1.2. Apophysäre- und diaphysäre
Sehnenansätze
11
1.3. Sehnenaufbau und Fixation am Knochen 12
1.4. Pathogenese einer Insertionstendopathie 13
1.5. Ätiologie 14
1.6. Klinik 15
1.7. Differentialdiagnose der Epicondylitis 16
1.8. Therapie der Epicondylitis 17
1.8.1. Konservative Therapie 17
1.8.2. Operative Therapie 21
2. Die Extrakorporale Stoßwelle 23
2.1. Geschichte der Entwicklung der extrakorporalen Stoßwelle
23
2.2. Physik der Stoßwelle 25
2.2.1. Ortungssysteme 28
2.2.2. Weiterleitung im Gewebe 30
2.2.3. Mechanische Effekte der Stoßwelle 31
2.3. Biologische Wirkungen und Kontraindikationen 32
2.3.1. Stoßwellenwirkung auf Nierengewebe 33
2.3.2. Stoßwellenwirkung auf Knochengewebe 33
2.3.3. Stoßwellenwirkung auf Lungengewebe 35
2.3.4. Stoßwellenwirkung auf Leber und Gallenblase 35
2.3.5. Stoßwellenwirkung auf Muskel- und Sehnengewebe 36
4
2.3.6. Stoßwellenwirkung auf Zellen und Tumorgewebe 37
2.3.7. Stoßwellenwirkung auf Reizleitungssyteme 38
3. Erläuterung der Aufgabenstellung 41
4. Die Patienten 42
4.1. Erfassung der Patienten 42
4.2. Vorbehandlungen 43
4.3. Der Lithotripter Dornier MFL 5000 45
4.4. Ablauf der Behandlung 48
4.5. Nachbehandlung 50
5. Methodik der Befragung 50
5.1. Fragen und Score 50
5.2.
5.3.
6.
6.1.
6.2.
6.3.
7.
8.
9.
10.
11.
Score nach Roles und Maudsley
Allgemeine Erläuterungen
Ergebnisse
Veränderungen der Allgemeinsymptomatik bei
Ellenbogenbeschwerden
Auswertung der für die Epicondylitis spezifischen
Fragen („Kernfragen“)
Roles und Maudsley
Diskussion
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Danksagung
Lebenslauf
54
55
56
56
57
59
60
66
69
80
81
6
Einleitung
Eine häufige Erkrankung des Ellenbogens ist die Insertionstendopathie, auch als
Enthesiopathie oder Sehnenansatztendinose bezeichnet.
Besonders häufig sind die Ansatzstellen an den Epicondylen betroffen und somit
im klinischen Alltag von großer Bedeutung.
Es existieren zwei Formen der Insertionstendopathien: Die laterale wird als
Epicondylitis humeri radialis, die mediale als Epicondylitis humeri ulnaris
bezeichnet, wobei die radiale Epicondylitis mehr als zehn mal häufiger vorkommt
(Nigst (1982) [90]; Demmer und Rettig 1982 [28]).
Bereits 1873 wurde durch Runge [113] die Symptomatik der Epicondylitis humeri
radialis beschrieben. Damals sprach man von einem „Schreibkrampf“.
Aufgrund von sportartspezifischen Bewegungen und den damit verbundenen
Belastungen im Ellenbogengelenk nannte man die Epicondylitis humeri radialis
später Tennisellenbogen und die Epicondylitis humeri ulnaris Golfer- oder
Werferellenbogen.
Jedoch üben nur sehr wenige Patienten mit der Symptomatik eines Tennis- oder
Golferellenbogens diese Sportarten tatsächlich auch aus (Tschantz und Meine
1993 [131]).
Abb. 1: Druckschmerzpunkt bei Tennisellenbogen (Farbantlanten der Medizin, Frank H. Netter [87])
7
Typischerweise beschreiben Patienten einen lokalisierten Schmerz, der nach
übermäßigen oder auch nur nach ungewohnten Belastungen auftritt.
Des Weiteren ist auch ein starker Druckschmerz im Insertionsgebiet der Muskeln
und eine zunehmende Schmerzintensität typisch für Epicondylopathien.
Insgesamt gibt es ca. 40 unterschiedliche konservative und operative
Therapieverfahren.
So ist z.B. zu beobachten, daß viele Patienten nach Vermeiden der ursächlichen
Bewegung (Arbeiten mit der „Maus“, PC-Tastaturen, Mountainbike fahren
(falscher Lenker), Tennis spielen, Golf spielen etc.) innerhalb eines Jahres
beschwerdefrei sind.
Erst nach nicht zufriedenstellendem konservativen Therapieergebnis ist der
Operation als ultima ratio der Vorzug zugeben (Rompe et al. (1997)) [108].
In den letzten Jahren hat sich der konservativen Therapie ein neuer Weg geöffnet:
Die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT).
Bei der ESWT wird außerhalb des menschlichen Körpers eine akustische
Stoßwelle erzeugt, die auf den im Körper zu behandelnden Bereich fokussiert
wird.
Die freigesetzte Energie entlädt sich an den Grenzflächen zweier Gewebe mit
unterschiedlicher Dichte (niedrige akustische Impedanz – hohe akustische
Impedanz).
Je größer dieser Unterschied zwischen den Geweben ist, desto höher ist die
Energie, die an der Grenzfläche freigesetzt wird (z.B. Weichteil – Knochen).
Die vorliegende Arbeit soll die therapeutische Wirksamkeit der ESWT bei
Epicondylitis humeri radialis aufzeigen.
8
1) Die Epicondylitis
1.1) Anatomie des Ellenbogengelenkes (Articulatio cubiti)
und des Unterarms
Das distale Humerusende und die proximalen Enden des Radius und der Ulna
bilden das Ellenbogengelenk.
Dieses ist ein Drehscharniergelenk, welches sich aus drei einzelnen Gelenken
zusammensetzt (Humeroulnar-, Humeroradial - und proximales Radioulnar-
gelenk).
Alle drei Gelenke verfügen über eine gemeinsame Kapsel.
Drei Bänder stabilisieren die Gelenke zusätzlich.
Abb. 2: Knochen der Articulatio cubiti
(Sobotta : Atlas der Anatomie des Menschen [126] )
Epicondylus medialis
Epicondylus lateralis
Radius
Ulna
9
Am Epicondylus lateralis haben eine Reihe von Unterarmmuskeln ihren
Ursprung: der M. ext. digitorum, M. ext. digiti minimi, M. ext. carpi
radialis brevis, M. ext. carpi radialis longus und M. supinator.
Diese Muskeln strecken im Handgelenk und den Fingergelenken der 2.-5. Finger,
abduzieren ulnawärts, spreizen die Finger 2., 4. u. 5. und supinieren im
Ellenbogen [117].
M. ext. digitorum M. ext. digiti minimi
M. ext. carpi ulnaris
M. ext. carpi radialis brevis
M. ext. carpi radialis longus
Abb. 3 : Muskeln mit Ursprung am
Epicondylus humeri lateralis
(aus Duale Reihe Orthopädie) [89]
10
Muskeln, die am Epicondylus medialis entspringen, sind der M. pronator teres
(Caput humerale), M. flexor carpi radialis, M. palmaris longus, M. flexor carpi
ulnaris (Caput humerale) und M. flexor digitorum superficialis (Caput humero-
ulnare).
Die Muskeln der medialen Gruppe beugen im Ellenbogen (M. pronator teres –
Caput humerale), beugen in den Handgelenken, abduzieren radialwärts, beugen in
den Grund- und Mittelgelenken des 2.-5. Fingers und spannen die
Palmaraponeurose [117].
Die Muskelgruppen haben unterschiedliche Innervationen.
Die Flexoren werden vom N. medianus und vom N. ulnaris innerviert, die
Extensoren vom N. radialis.
Das laterale Epikondylengebiet wird ausschließlich durch Fasern des N. radialis
innerviert.
Für die Versorgung des lateralen und dorsalen Schmerzfeldes bis zum Capitulum
radii kommen 3 Nervenäste in Betracht, die sich vom Hauptstamm des N. radialis
im Oberarmbereich ableiten:
2
3
41
1. M. flexor digitorum superficialis, Caput humero-ulnare
2. M. pronator teres, Caput humerale
3. Epicondylus medialis 4. M. flexor carpi radialis
M. palmaris longus M. flexor carpi ulnaris, Caput humerale
Abb. 4 : Muskeln mit Ursprung am Epicondylus medialis
(aus Sobotta : Atlas der Anatomie des Menschen [126] )
11
Der sensible N. cutaneus antebrachii posterior (dorsalis) zieht zur Haut und
Unterarmstreckseite über den Epicondylus lateralis im Bereich dessen Spitze und
zu den Ursprüngen der radialen Extensoren.
Die Rr. musculares n. radii innervieren den M. triceps brachii, M. anconaeus,
M. articularis cubiti, M. brachioradialis und M. extensor carpi radialis longus
motorisch.
Der Ramus collateralis n. radialis verläuft mit den Vasa collateralia zur
Außenseite der Regio supracondylaris.
Der darunter liegende Bereich dorsal wird von dem R. muscularis anconaei
versorgt.
Einzelne sensible Fasern entspringen den Muskelästen der Extensoren und
versorgen das Periost der Gelenkregion.
Es existieren auch sensible Fasern, welche zum Lig. anulare hin ziehen. Das Areal
des medialen Epicondylus wird von sensiblen Fasern des N. ulnaris versorgt.
Der N. cutaneus antebrachii med. teilt sich oberhalb des Ellenbogengelenkes in
einen R. anterior und einen R. ulnaris auf. Der R. ulnaris folgt dem Verlauf der
ulnaren Muskulatur [117].
1.2. Apophysäre- und diaphysäre Sehnenansätze
Apophysen sind knöcherne Vorsprünge, welche epiphysennah gelegen sind und
zumeist als Ansatzflächen für Bänder und Muskeln in Form von Sehnen dienen.
Die Epicondylen sind nur ein Beispiel für diese anatomische Struktur.
Weitere Apophysen stellen der Trochanter major und minor und die Processi
spinosi der Wirbelkörper dar.
Als Diaphyse wird der Schaft langer Knochen (Röhrenknochen) bezeichnet.
In diesem Abschnitt ist der Knochen besonders hart durch eine starke Ausbildung
der kortikalen Schicht.
Diaphysen bilden ebenso wie die Apophysen Ansatzorte für Sehnen der Muskeln.
12
Der Unterschied der Sehnenansätze zeigt sich im Fehlen des periostalen Über-
zuges im Bereich der Apophysen, und die Sehnen weisen an der Stelle des Über-
gangs in den Knochen knorpelige Einlagerungen auf.
An diesen Stellen kommt es zu Verkalkungen mit folgendem Elastizitätsverlust,
wodurch diese Struktur unflexibel und so für Verletzungen/Reizungen
empfänglich wird (Münch 1993 [86]).
1.3. Sehnen – Aufbau und Fixation am Knochen
Sehnen bestehen überwiegend aus parallel gebündelten kollagenen Fasern. Diese
Fasern sind leicht wellig in den Bündeln angeordnet.
Bei einer Kontraktion des zugehörigen Muskels strecken sich die Fasern in
Zugrichtung, so daß ein leicht federnder Effekt entsteht.
Nervenfasern verlaufen im Peritendineum (Sehnenhülle) als Spannungs-
rezeptoren.
„Pinselförmige“ Ausziehungen der Sehnen strahlen in den Knochen ein und
bilden somit die feste Verbindung der Sehnen zum Gelenk. Es besteht außerdem
noch eine Verbindung über kollagene Fasern zum Periost, wodurch die Zugkräfte
auf eine größere Fläche verteilt werden (Junqueira et al. (1986) [70]). Im Falle der
Strecksehenansätze am Epicondylus humeri lateralis erfolgt die Fixierung nach
Übergang in eine gemeinsame Aponeurose nicht über ein Periost am Knochen,
sondern über einen Knochen-Sehnen Übergang mit Einlagerung von
Knorpelgewebe, welches direkt am Knochen Verkalkungen aufweist
(Münch (1993) [86]).
13
1.4. Pathogenese einer Insertionstendinose
Eine Insertionstendinose ist die mögliche Antwort der Sehne bzw. des
Sehnenansatzes, der Gelenkkapsel oder der Knochenhaut auf einen äußeren, sich
wiederholenden Reiz. Es werden zwei unterschiedliche Ursachen diskutiert.
Zum einen spielen biologisch-degenerative und zum anderen mechanisch-
traumatische Faktoren eine Rolle (Ernst 1992 [36]; Foley 1993 [40];
Rompe et al. 1997 [108]; Mohr (1992/93) [84,85]). Die lokale Überbelastung
kann durch Analyse der ursächlichen Bewegung erklärt werden, z.B. bei der
Analyse des Sportgerätes:
1. verlängerter Hebelarm durch den Tennis- oder Golfschläger
2. fehlende Belastungsdämpfung durch die verwendete Sportausrüstung
3. Spiel- und Wurftechnik aus dem Handgelenk
4. Belastung ohne entsprechende Aufwärmung (Münch (1993) [86])
Akute mechanische Einwirkungen durch abnorme Zug- oder Druckbelastung
führen je nach o.g. Disposition früher oder später zu Gewebsveränderungen.
Straffes Bindegewebe wie Sehnen und Gelenkkapseln reißen bei starker akuter
oder chronischer Belastung ein. Es kommt zur Aufquellung der Kollagenfibrillen
und anschließender Fetteinlagerung.
Die Stärke der Belastung bestimmt das Ausmaß der Schädigung. Chronische
mechanische Einwirkungen mit zwischenzeitlichen Erholungsphasen können
meta- bzw. hyperplastische Anpassungsvorgänge in den unterschiedlichen
Geweben auslösen (Eder et al. (1990) [29]).
Infolge der Gewebsschädigung kommt es zu histologischen Veränderungen im
Sinne einer chronischen Entzündung mit geringer Bildung von Granulations-
gewebe.
Bei Abheilung einer chronischen Entzündung wird dieses Gewebe zellärmer und
faserreicher. Gefäße bilden sich zurück, so daß der Bereich des Granulations-
gewebes durch kollagene Fasern ersetzt wird. Das nun entstandene Gewebe ent-
spricht einer Narbe. Narbengewebe hat die Neigung zur fortschreitenden
Schrumpfung, wodurch das Gewebe funktionell minderwertig wird.
14
Diese Effekte im Gewebe können durch Gabe von Kortison (lokal oder
systemisch) oder durch Röntgenstrahlen gehemmt werden, was im Rahmen der
konservativen Therapie der Epicondylitis angewendet werden kann.
1.5. Ätiologie
Die Inzidenz der Epicondylitis lateralis beträgt ca. 1- 9 % der Bevölkerung
(Verhaar (1994) [134]). Die Epicondylitis humeri radialis kommt etwa 3- bis 4-
mal häufiger vor als die Epicondylitis humeri ulnaris (Demmer und Rettig (1982)
[28]); O´Dwyer und Howie (1995) [92]).
Der linke Arm ist nur in 25 – 30 % der Fälle betroffen; die Erklärung dafür
in der überwiegenden Anzahl von Rechtshändern liegen und der Tatsache, daß ein
Großteil der täglichen Arbeiten mit der/dem rechten Hand / Arm ausgeführt
wird.
Aufgrund der typischen Belastungen bei Sportarten wie Tennis und Golf /
Speerwerfen u. ä. sind die Bezeichnungen Tennisellenbogen und Golfer- /
Werferellenbogen entstanden. In über 70 % der Fälle kommen jedoch die
Epicondylitis humeri radialis und Epicondylitis humeri ulnaris bei nicht sportlich
aktiven Menschen vor (Tschantz und Meine 1993 [131] ).
Als sicher gilt, daß die Häufigkeit (Prävalenz) der Erkrankung an Epicondylitis
mit höherem Lebensalter (vierte Lebensdekade und höher) zunimmt.
Dabei ist anzumerken, daß das häufig auftretende Schmerzsyndrom nur in etwa
jedem zweiten Fall ärztlich behandelt wird, wobei der Anteil an orthopädisch,
fachärztlich betreuten Patienten unter 10% liegt (Verhaar (1994) [134]).
Es können „normale“ Alterungsprozesse von älteren abgelaufenen traumatischen
Prozessen in der Ellenbogenregion nicht unterschieden werden.
Im Eigentlichen ist die Erkrankung als eine Summe von mehreren Ursachen
anzusehen.
15
Bei dem Tennisellenbogen können vier Typen unterschieden werden
(nach Winkel [140]):
Typ I Ursprung des M. extensor carpi radialis longus (1 %)
Typ II Ursprung des M. extensor carpi radialis brevis (90 %)
Typ III Sehne des M. extensor carpi radialis brevis (1 %)
Typ IV musculotendinöser Übergang des M. extensor carpi
radialis brevis (8 %)
1.6. Klinik
Typische Schmerzpunkte (Leitsymptome), die vom Patienten angegeben werden,
liegen im Bereich des Ursprungs der Finger- und Handstreckmuskulatur am
Epicondylus humeri lateralis.
Weiterhin sind umschriebene Schmerzen bei passiver Dehnung der inserierenden
Extensoren und Anspannungsschmerzen charakteristisch (Foley (1993) [40]).
In der Anamnese wird für gewöhnlich eine allmähliche Intensitätszunahme der
Schmerzen nach länger durchgeführten, häufig monotonen Belastungen
angegeben.
Bei der Untersuchung fällt der entsprechende Epicondylus durch starke Druck-
und Berührungsempfindlichkeit auf, die sich auf den gesamten Bereich bis in den
Gelenkspalt des humeroulnaren Gelenkes und das Handgelenk ausbreiten kann.
Pathologische Laborparameter finden sich typischerweise nicht.
Für gewöhnlich sind angefertigte Röntgenaufnahmen des Ellenbogens unauffällig.
Hohmann (1933) [69] beschreibt bei der Analyse von Röntgenaufnahmen eine als
Periostitis interpretierte saumartige Verdickung oder Rauhigkeiten, die auf das
sich wiederholende Trauma zurückgeführt wurden.
Eine erste Differenzierung zwischen der lateralen und medialen Form kann durch
Druckschmerz- u. Widerstandstests (Thomson-, Chair- und Mittelfingerstrecktest)
(Coenen (1986) [15])ermittelt werden.
Streckung des gebeugten Ellenbogens bei gleichzeitiger Palmarflexion, löst einen
ausgeprägten Schmerz im lateralen Bereich des Ellenbogens aus.
16
Die gleiche Bewegung, nur bei Dorsalextension der Hand, löst Schmerzen im
Bereich des medialen Epicondylus aus. Bei beiden Tests ist die Beweglichkeit im
Ellenbogengelenk für gewöhnlich nicht eingeschränkt.
Passive Drehbewegungen des Unterarmes lösen ebenfalls Schmerzen aus.
Durch Reizung des N. radialis kann es zu Dysästhesien in dessen Verlauf kommen
(Irritationsyndrom nach Roles und Maudsley 1972 [105]; Supinatorenlogen-
syndrom beschrieben sind von Capener 1966 [10]).
Bei Dysästhesien, die dem N. ulnaris zugeordnet werden, kommen das Sulcus
ulnaris Syndrom und eine Verletzung des N. cutaneus antebrachii ulnaris in
Betracht.
Letzterer entspringt direkt aus dem Plexus und nicht erst im Verlauf des Nerves
im Bereich des Ellenbogens.
1.7. Differentialdiagnosen einer Epicondylitis
Bei Symptomen einer Epicondylitis sollten neben den o. g. Widerstands- und
Bewegungstests Erkrankungen der Armnerven (N. radialis, N. ulnaris,
N. medianus, N. brachialis, N. musculocutaneus) und deren Verlauf vom Nacken
bis zur Hand ausgeschlossen werden. Die jeweiligen Schmerzareale /
Dysfunktionen der Nerven können Hinweise auf den Ort der Beeinträchtigung
geben.
Z. B. beschrieben Wachsmuth und A. Wilhelm 1967 eine sogenannte Styloiditis
radii (Wachsmuth und Wilhelm (1967) [135]), die bei Epicondylitis humeri
lateralis vorkommen kann, bei der der N. interosseus posterior (Endast des R.
profundus n. radialis) beeinträchtigt ist. Zusammengefasst wurden die
Erscheinungen unter dem Begriff „Irritationssyndrom des N. radialis“
(Wilhelm (1970) [136]).
Röntgenaufnahmen des Ellenbogengelenkes werden angefertigt, um eine
knöcherne Erkrankung des Gelenkes mit Beeinflussung des Periosts
auszuschließen.
17
Eine weitere Eingrenzung der Lokalisation eines Schmerzfeldes kann durch
gezielte Blockaden mit Lokalanästhetika erfolgen. (s. Abbildung 5).
1.8. Therapie der Epicondylitis
1.8.1. Konservative Therapie
Grundlegende Therapie ist eine längere Ruhigstellung des Gelenks und
Vermeidung der die Beschwerden verursachenden Belastung. Diese Ruhigstellung
kann mittels Zinkleimverband oder durch Anlegen eines Oberarmgipses erfolgen.
Besteht die Ursache der Erkrankung in einer sportlichen Betätigung, muss die
Technik und das verwendete Sportmaterial überprüft werden.
Abb. 5 : Schmerzfeld einer typischen Epicondylitis humeri radialis. Mit Lokal- anästhetika werden Schmerzareale und deren zugehörige Nerven blockiert. [137]
1. Ausschaltung des N. cut. antebrachii dorsalis und des R. coll. n. radialis, 2. N. radialis ; 3. Capitulum radii; 4. Epicondylus humeri radialis 5. Überlappungsbereich der beiden angrenzenden Schmerzfelder 6. R. muscularis anconaei
1 2
3 4
5
6
18
Infiltrationen mit Lokalanästhetika mit und ohne Zusatz von Kortikosteroiden
bringen häufig Linderung der Beschwerden, meistens jedoch nicht für lange Zeit
(Solveborn (1995) [127]).
Weiterhin kommt physikalische Therapie zum Einsatz wie z.B. Ultraschall,
Iontophorese, Kälte- /Wärmeanwendungen, Querfriktionen (nach Cyriax) der
Sehnenansätze und Tragen von Friktionsbandagen (Gorschewsky et al. (1993)
[50]). Unter Beachtung der möglichen Kontraindikationen kann eine Behandlung
mit NSAR (Voltaren®) in Tablettenform durchgeführt werden.
Hilfsmittel wie Bandagen (z.B. Epitrain®) und den Sehnenansatz komprimierende
Spangen (Bracing, sog. Epispange) können insbesondere dann angewendet
werden, wenn die Ursache eine berufsbedingte Belastung darstellt und Pausen
schlecht einzuhalten sind.
Alle konservativen Maßnahmen (s. Tabelle) sind sehr unterschiedlich in ihrer
Wirkung bei der Behandlung der Krankheit, und die Auswahl des geeigneten
Therapieverfahrens ist sehr abhängig von der Erfahrung des Anwenders.
Wie im Kapitel „Pathogenese einer Insertionstendopathie“ erwähnt, besteht die
Möglichkeit der Beeinflussung der lokalen Entzündung und deren Folgen durch
Kortisoninjektionen (Day et al. (1978) [19]) und Röntgenbestrahlungen.
Ziel der konservativen Behandlungsmethoden ist die Verringerung der
Reizzustände, was jedoch durch das Fehlen eines gut durchbluteten Periosts an
den Apophysen erschwert wird.
Sollte sich unter diesem Therapieregime keine wesentliche Besserung des
Zustandes erzielen lassen, muss über operative Maßnahmen diskutiert werden.
physikalische Maßnahmen:
Kryotherapie (Eisauflage, Eisstift, Eisspray)
Elektrostimulation (nieder- u. mittelfrequent)
Ultraschallbehandlung
TENS
Magnetfeldtherapie
Bestrahlung
Laser
Tab. 1: konservative Therapiemaßnahmen
19
manuelle Therapie:
Friktionsbehandlung nach Cyriax
Akupunktur
Akupressur
Massage
Immobilisation und Verbände:
Gipsschiene
Zinkleimverband
Orthesen (z.B. Epitrain )
Epikodylitis-Spange
Medikamente:
NSAR (nicht steroidale Anti-Rheumatika, z.B. Voltaren) lokal oder systemisch
Infiltrationsbehandlung (Lokalanästhetika, Glukokortikoide)
Iontophorese
Im Folgenden sind in Tabelle 2 Ergebnisse kontrollierter Studien über kon-
servative Therapien aufgezeigt. Insbesondere in den Studien, bei denen
Placebobehandlungen einer mit Wirkstoff gegenüber gestellt wurden, lässt sich
zeigen, daß es keine einheitliche Besserung der Beschwerden gab.
20
Autor FalIzahl Behandlung Ergebnis ________________________________________________________________________________________ Binder et al. 1985 76 US vs. PL US besser
(p<0,01)
Halle et al. 1986 48 US+PH vs. Kein Unterschied TENS vs. CS Besserung in
allen Gruppen
Lundeberg et al. 1988 99 US vs. PL US=PL US vs. Ruhe US besser als Ruhe
Stratford et al. 1989 40 US+CS vs. US+PL+F vs. US+PL Kein Unterschied Besserung in allen Gruppen
________________________________________________________________________________________ Famaey et al. 1982 97 Diclo-I vs. PL-I Diclofenac-lontophorese
besser (p<0,01)
Vecchini und Grossi 1984 24 Diclo-I vs. PL-I Diclofenac-lontophorese besser als PL-lontophorese (p<0,001)
Grossi et al. 1986 73 PL vs. PL-I vs.Pirprofen-I Besserung in allen Gruppen Pirprofen-I besser (p<0,001)
________________________________________________________________________________________ Rosenthal 1984 50 Flurbiprofen vs. Piroxicam Kein Unterschied
Besserung in beiden Gruppen
Saartok und Eriksson 1986 21 Naproxen vs. Cl Kein Unterschied Keine Besserung
Adelaar et al. 1987 18 Diflunisal vs. Naproxen Kein Unterschied Keine Besserung
Akermark et al. 1995 60 Glykosaminoglykan vs. PL Glykosaminoglykan besser (p<0,001)
_______________________________________________________________________________ Clarke und Woodland 1975 50 Methylprednisolon vs. Hydrocortison Kein Unterschied
Besserung in beiden Gruppen
Day et al. 1978 95 CI vs. Xylocain vs. NaCI Steroid besser (p<0,001) Xylocain = NaCI
Brattberg 1983 60 Akupunktur vs. Cl Akupunktur besser (p<0,005) Keine Besserung durch Cl
Solveborn et al. 1995 109 CI+Lidocain vs. CI+Bupivacain Kein Unterschied Nur kurzfristige Besserung
Verhaar et al. 1995 106 Cl vs. F Kein Unterschied Besserung in beiden Gruppen
________________________________________________________________________________________ Percy und Carson 1981 80 Dimethylsulphoxid 40% vs. PL Kein Unterschied
Besserung in beiden Gruppen
Devereaux et al. 1985 30 Elektromagnetisches Feld vs. PL Kein Unterschied Besserung in beiden Gruppen
Burton 1988 33 Manipulation vs. Kein Unterschied Manipulation + Spange vs. Besserung in allen Gruppen Manipulation + NSAR-Salbe
Tabelle 2: Ergebnisse kontrollierter Studien (konservative Therapie) Rompe 1997 [108] Aufteilung nach Ultraschall, Iontophorese, NSAR-Gabe, Kortikosteroid-Injektionen, und andere Behandlungsformen (Cl: Cortisonsalbe; Diclo-I: Diclofenac- Iontophorese; F: Friktion; I: Iontophorese; NSAR: Nicht-steroidale Antiphlogistika; PH: Phonophorese;PL: Placebo; TENS: Transkutane Elektrische Nervenstimulation; US: Ultraschall
21
1.8.2. Operative Therapie
Für eine Operation und die damit verbundenen möglichen Komplikationen muss
eine strenge Indikation gestellt werden. D. h.: Die privaten und beruflichen
Umstände des Patienten und die Intensität der Schmerzen müssen betrachtet
werden und ein Versagen aller in Frage kommenden konservativen Maßnahmen
muss zu verzeichnen ist.
Die meisten Techniken zur operativen Therapie der Epicondylitis sind für den
Tennisellenbogen beschrieben. Sie stammen aus der Zeit um den Anfang des
20. Jahrhunderts. Die einzelnen Operationsverfahren sind in Tab. 4 aufgelistet.
Die chirurgischen Therapieverfahren können teilweise je nach Ursachen der
Beschwerden kombiniert werden: Z.B. Erweiterung der Hohmann-Op nach
Wilhelm, bei der nicht nur die Tenotomie der Sehnenplatte der jeweiligen
Muskelgruppe ( Epicondylus humeri lateralis oder medialis) durchgeführt wird
(Hohmann OP), sondern die OP auf eine komplette Denervierung des jeweiligen
Epicondylus ausgeweitet wird (Kaplan 1959 [71]; Wilhelm und Gieseler 1962
[139]). Des Weiteren existieren auch arthroskopische Operationstechniken (Grifka
et. al. 1995 [53]).
Abb. 6: OP-Situs bei Operation nach Hohmann (aus Weichteilrheumatismus und Überlastungsschaden ; Diagnostik und Therapie; M. Engelhardt [35] )
Sehnenplatte der radial inserierenden Muskeln
22
Tendoperiostostose Entspannung des Muskelzuges durch Einkerbung des Extensorenursprungs
(Hohmann 1933) Entspannung des Muskelzugs durch distale VerlängerungspIastik der ECRB- Sehne (Garden 1961)
Tendoperiostose + Entspannung des Muskeizugs durch Ringbandveränderung proximale Einkerbung und partielle
Exzision des Ringbands (Bosworth 1965)
Granulations- und Exzision des Granulations- und Narben- Narbengewebe sub- gewebes (Goldie 1964; Conrad und oder intratendinos Hooper 1973; Nirschl und Pettrone
1979)
Entrapment Dekompression des Radialistunnels des N. radialis (Roles und Maudsley 1972)
Radialisirritations- Denervierung des Epikondylus (Kaplan syndrom 1959; Wilhelm und Gieseler 1962)
Boyd und 28 Bosworth-Op 79 McLeod 1973
Roles und 38 Dekompression 91 Maudsley 1972 Radialis-Tunnel
Nirschl und 88 Exzision des 85 Pettrone 1979 ERCB-Ursprungs
Meine und 62 Denervierung 94 Eicher 1981 nach Wilhelm
Goldberg 34 Dekompression 91 et al. 1985 Radialis-Tunnel
Waldis 1989 63 Hohmann-OP 80
Wittenberg 34 Wilhelm-OP 85 et al. 1992 27 Wilhelm+Bosworth-OP 56
Verhaar 57 Einkerbung 89 et al. 1993
Atroshi 37 Dekompression 68 et al. 1995 Radialis-Tunnel
Hypothese der Operationsverfahren Pathogenese
Tab. 4: Ergebnisse verschiedener Operationsverfahren (ERCB: M. extensor carpi radialis brevis; OP: Operation) (Rompe 1997 [108])
Autor Patienten Op-Verfahren Gute/sehr gute Ergeb- nisse (%)
Tab.3: Übersicht der Operationsmethoden. (nach Meine und Eicher (1981) [81]
23
2. Die extrakorporale Stoßwelle (ESW)
2.1. Geschichte der Entwicklung der ESW
Erstmalig wurde bereits während des zweiten Weltkrieges die Wirkungsweise von
Stoßwellen (damals noch nicht so bezeichnet) beschrieben, nachdem man
beobachtet hatte, dass das Lungengewebe bei Schiffbrüchigen nachdem sie der
Kraft einer Wasserbombe ausgesetzt waren, zerrissen war.
Äußere Verletzungszeichen gab es nicht.
Erste Apparaturen und Versuche mit der Stoßwelle auf nicht medizinischem
Bereich wurden 1950 beschrieben (Jutkin 1950, Physiker UdSSR)
Eine in vitro Zerstörung eines Gallensteines wird erstmalig 1951 durch Berlincke
berichtet. Die Apparatur funktionierte nach dem elektrohydraulischen Prinzip.
Es folgten weitere Versuche mit dieser Technik, zunächst weiterhin in vitro;
später folgten Versuche mit tierischem Gewebe durch deutsche Forschergruppen
(Forssmann et al. (1977) [42]).
1975 gelang es erstmalig mittels eines elektrohydraulischen Systems, einen nach
Cholezystektomie im Ductus choledochus verbliebenen Gallenstein zu zerstören
(Burhenne, 1975).
Die weiteren medizinischen Anwendungsgebiete der ESW entwickelten sich in
dem Bereich der Urologie, wo sie zur Zertrümmerung und Desintegration von
Nierenbecken- und Harnsteinen verwendet wurde. Chaussy et al. [12,14]
berichten 1980 über diese Art des Einsatzes der Stoßwelle (Klinikum München-
Großhadern).
In der weiteren Entwicklung der Apparate konnte diese Form der Therapie immer
mehr die wesentlich risikoreichere Form der offen-chirurgischen Steinentfernung
verdrängen.
Weitere Einsatzmöglichkeiten der ESWL wurden erprobt. Versuche über den
Stoßwelleneinfluß auf die Wund- und Frakturheilung bei Tieren wurden 1986-87
durch Haupt et al. (1990) [62, 64] und andere Forschergruppen (Haist, Graff,
Ekkernkamp [57,58,51,33,34]) veröffentlicht.
24
Des Weiteren versuchten Karpman et al. 1987 [73], bei Revisionen von
zementierten Hüft Totalendoprothesen die ESWL zum Lösen von Zementanteilen
aus dem Schaftbereich des Femurs anzuwenden. Parallel zu den Laborversuchen
wurden die Geräte zügig durch die Firmen Dornier und Siemens weiterentwickelt.
1988 kam der erste Lithotripter mit integrierter Röntgen- und Ultraschallortung
auf den Markt (Lithostar plus, Fa. Siemens).
Zu Beginn der neunziger Jahre wurden die Einsatzmöglichkeiten in der Therapie
weiterer Erkrankungen erprobt, vor allem in der Behandlung knochennaher
Weichteilschmerzen (Enthesiopathien) (Dahmen et al. (1992/93) [17,18], Loew
und Jurgowski (1993) [77]) und Pseudarthrosen (Schleberger et al. (1992) [119]).
Es kamen sowohl die nieder- als auch die hochenergetische ESWT zur
Anwendung.
Heute wird die ESW außerdem noch zur Behandlung von Gallen- und
Pankreassteinen sowie zur Zerkleinerung von Speichelsteinen benutzt
(Riedlinger (1988) [101]).
Die Nebenwirkungen halten sich bei den heute üblichen Geräten in engen
Grenzen.
(s. Kapitel Biologische Wirkung und Kontraindikationen)
Typische Einsatzgebiete dieser Therapie in der Orthopädie sind heutzutage
sämtliche Formen der Insertionstendopathien (Enthesiopathien) (Epicondylitis
humeri lateralis und medialis, plantarer Fersensporn, Tractus-Scheuer-Syndrom),
bei Tendopathien ( z.B. Periarthrosis humeroscapularis calcificans), Pseud-
arthrosen nach Frakturen und bei aseptischen Knochennekrosen.
Während niedrige Energieflussdichten (s. Kapitel: Physik der Stoßwelle) eher zur
Schmerztherapie eingesetzt werden, so werden mittel- und hochenergetische
Energieflussdichten zur Zerstörung bzw. Desintegration von Kalkdepots oder zur
Osteoinduktion eingesetzt (Heller und Niethard (1998) [67]).
25
Die Arbeitsgruppe um Haist [59,60] in Mainz postulierte 1994 folgende
Arbeitshypothese zum Wirkungsmechanismus der Stoßwelle:
1. Die Stoßwelle zerstört Teile oder die ganze Zellmembran.
Kein Generatorpotential ist im Nozizeptor aufbaubar.
2. Die Stoßwelle veranlasst den Nozizeptor zur Aussendung einer hohen Frequenz
von Nervenimpulsen. Dadurch kommt es zu einer Überlastung der afferenten
Fasern. Die Weiterleitung wird entsprechend dem „gate control“
(Melzack und Wall (1965) [82]) verhindert.
3. Durch die Stoßwelle verändert sich das chemische Milieu in der Zellumgebung.
Schmerzhemmender Substanzen werden vermehrt produziert
2.2. Physik der Stoßwelle
Stoßwellen sind, physikalisch gesehen, Schallwellen, die sehr energiereich sind
[2,16,49,98]. Charakteristisch für diese Sonderform einer Schallwelle ist ein
Druckpuls von 1-3 µsec. Dauer und einem Spitzendruck von 35-120Mpa
(Delius (1995) [24], Folberth et al. (1995) [39]).
In Lithotriptoren (Stoßwellengeneratoren) werden energiereiche (Schall-)wellen
auf unterschiedliche Arten erzeugt.
1. Elektrohydraulische Prinzip (Funkenentladung):
In einem Wasserbad wird an einer „Zündkerze“ Hochspannung angelegt, was zu
einer heftigen Funkenentladung führt. Das umgebende Wasser wird verdampft
und in Form einer Druckwelle weitergeleitet. In einem ellipsoidförmigen
akustischen Spiegel, auch Schalltopf genannt, wird die Welle reflektiert und in
einem Brennpunkt (Fokus) gebündelt.
26
2. Piezo-elektrisches Prinzip:
Bei dem Piezo-elekronischen System wird an (Quarz-)Kristallelement eine
Wechselspannung angelegt. Die Kristalle verformen sich in sehr kurzer Zeit und
erzeugen dadurch Stoßwellen, was wie bei dem elektrohydraulischen Prinzip in
einem Wasserbad erfolgt (Forssmann et al. (1977) [42]). Anschließend wird die
Stoßwelle über eine akustische Linse fokussiert.
3. Elektromagnetisches Prinzip: (Eisenmenger, 1959 [31])
Bei dem elektrohydraulischen Prinzip wird eine Metallmembran durch Erzeugung
eines Magnetfeldes unter Spannung gebracht. Dieses erzeugt wiederum im
Wasserbad (Forssmann (1977) [42]) eine Stoßwelle, die durch ein wässriges
Medium weitergeleitet und fokussiert wird.
Das heutzutage am häufigsten verwendete Verfahren zur Stoßwellenerzeugung ist
das elektromagnetische Verfahren.
Abb. 7 : Einführung : Bauarten von Lithotriptoren Schräbler, 1996 [122]
Die Energiemenge, die im Fokus der Stoßwellen gemessen wird, bestimmt die
Wirksamkeit der Stoßwellentherapie. Die Energieflussdichte eines Systems
wird als Energiemenge pro Fläche angegeben (J/m2).
Funkenentladung (Müller, 1987)
Piezoelektrisch (Kurtze, 1958)
Elektromagnetisch (Eisenmenger, 1959)
27
Die Energieflussdichte wird durch die Arbeitsgruppe der Universität Mainz in
drei Bereiche aufgeteilt (Rompe 1997 [108]):
Niederenergetisch: 0,08mJ/mm2
Mittelenergetisch: 0,28 mJ/mm2
Hochenergetisch: 0,60 mJ/mm2
Loew und Rompe (1998) [78] unterscheiden zwischen niederenergetischer
(< 0,1mJ/mm2) und hochenergetischer Energieflussdichte (0,2-0,4 mJ/mm2).
Bei der Entstehung einer primären Druckwelle in einem wässrigen Medium zeigt
sich ein charakteristischer, schlagartiger Druckanstieg in einem zeitlichen Rahmen
weniger Nanosekunden ( 10-9 Sekunden), mit einem Druckmaximum bis
100 MPa und einer Dauer von 1-3 msec.. Direkt nach dem steilen Druckanstieg
kommt es zu einem gleichmäßigen Druckabfall.
Im Anschluß an die Rückbildung der Druckkurve kommt es zu einem negativen
Druck im Wasser, d.h. das Wasser wird unter Zug gebracht (Zugwelle)
(Preminger (1991) [98]).
Abb. 8: Druckverlauf einer Stoßwelle [108]
28
Da die Stoßwelle eine Schallwelle ist, ist sie den Gesetzen der Akustik
unterworfen, d.h.: Entscheidend für die Energiefreisetzung ist der
Dichteunterschied zwischen den verschiedenen Gewebearten. Ebenfalls ist die
Stoßwelle an das Vorhandensein von Materie (Gas, Flüssigkeit, Festkörper)
gebunden. In einem Vakuum kann keine Welle entstehen bzw. weitergeleitet
werden.
So kann man zwischen flüssigen/weichen Geweben (Blut, Wasser, Muskel und
Fett) und festen Geweben (Knochen, Gallen- und Nierensteinen, Kalk) in der
Medizin unterscheiden.
Das Medium Wasser (Schallleitungsgeschwindigkeit1437 m/s) ist für die
Ausbreitung von Schallwellen besser geeignet als z.B. Luft (330m/s). Aus
diesem Grund wird die Stoßwelle in einem wässrigen Medium erzeugt
(Wasservorlaufstrecke) und fortgeleitet. Die erzeugte Stoßwelle muß, um auf eine
bestimmte Fläche begrenzt werden zu können, fokussiert werden; das geschieht
mit Hilfe einer akustischen Linse. Außerhalb des Gerätes wird sie mittels eines
Reflektors (akustische Linse) gebündelt und auf den zu behandelnden
Gewebsabschnitt fokussiert. An der Grenze zweier unterschiedlich dichter
Gewebsstrukturen (z.B. Knochen – Muskel-Gewebe) wird durch die Änderung
der Ausbreitungsgeschwindigkeit die Energie der Stoßwelle freigesetzt.
2.2.1. Ortungssysteme
Um eine unkontrollierte Platzierung der Stoßwellen in den Körper zu vermeiden,
bedarf es der genauen Ortung des zu behandelnden Areals.
Es stehen zwei verschiedene Systeme zu Verfügung: zum einen die Möglichkeit
der Ultraschallortung, zum anderen die Röntgenortung. Dabei wird der
Fokusbereich auf einem Ultraschall- oder Röntgenmonitor dargestellt.
Beide Systeme können auch miteinander kombiniert werden („Dual Imaging“).
Welche Ortung gewählt wird, wird durch den Therapeuten festgelegt.
29
Die Ultraschallortung kommt bei der Nieren- und Gallensteinlithotripsie zum
Einsatz. In der Schmerztherapie von Epikondylopathien und Ansatztendinosen
sowie der Behandlung der Tendinosis calcarea wird ein Röntgenortungssystem
eingesetzt. Bei o.g. Therapien ist zudem die Mitarbeit des Patienten sehr wichtig,
da der Stoßwellenfokus manuell nach Angaben des Patienten auf den Punkt des
maximalen Schmerzes eingerichtet werden kann. Welche Ortung gewählt wird,
wird durch den Therapeuten festgelegt.
Durch die Hersteller von Lithotriptoren werden unterschiedliche Verfahren der
Ultraschallortung angeboten: „Offline-„ und „Inline-„ Ortung.
Bei der Inline-Ortung, bei der die Gewebsstruktur direkt durch den Therapiekopf
hindurch erfolgt, ist das Stoßwellensystem mit dem Bildsystem mechanisch
gekoppelt. Durch Bewegung des Systems oder des Patienten wird der Fokus in die
richtige anatomische Lage gebracht (Rompe 1997 [108]).
Um die dritte Ebene zu erfassen, werden bei der Ultraschallortung Sektorscanner
eingesetzt. Bei Röntgenortung kann die zweite Ebene über einen isozentrisch
angeordneten C-Bogen dargestellt werden.
Abb. 9: Sonocur Plus (Fa. Siemens) Ultraschallortungssystem
30
2.2.2. Weiterleitung im Gewebe
In Abhängigkeit der Dichte des Gewebes verringert sich die Energie der
Stoßwelle unterschiedlich schnell. Sie entlädt sich an den Grenzflächen zweier
Gewebe mit unterschiedlicher Dichte (niedrige akustische Impedanz,- hohe
akustische Impedanz). Die Stoßwelle wird an den Grenzflächen gebrochen und
reflektiert, wobei Energie abgegeben wird. Beim Übergang in Gewebsabschnitte
ähnlicher Dichte wird relativ wenig Energie freigesetzt.
Ist der Unterschied der Dichte groß (( Fett (v= 1476 m/s) vs. Kortikalis (v=4100
m/s)), ist die freigesetzte Energiemenge sehr groß (direkte Wirkung der
Stoßwelle). Bei Transfer mit hohen Impedanzsprüngen an Grenzflächen mit
unterschiedlichen Dichten können so hohe Kräfte auftreten, dass die
Gitterbindungskräfte überwunden werden und die Struktur aufreißt (Rompe et al.
(1997) [108]).
Trifft die Stoßwelle während des Gewebstransfers auf einen Bereich mit
abnehmender Dichte (luftgefüllter Raum), wird der Schall reflektiert.
Aus diesem Grund muß beim Aufbau der Apparatur darauf geachtet werden, dass
keine Luft zwischen dem Therapiekopf und der Eintrittsstelle durch die Haut liegt.
Um dieses zu erreichen, wird ein gallertartiges Kissen (Koppelbalg) mit einer
Dichte, ähnlich der der Haut, aufgelegt.
Tab. 5 : Verhalten des Schalls in verschiedenen Geweben [13]
Material Dichte
(kg / m3)
Schallgeschwindig-keit ( m / s )
Akustische Impedanz ( kg / m2 s )
Luft 1,2 330 416
Wasser 1000 1437 1,44 x 106
subcut. Fett 970 1480 1,44 x 106
Muskulatur 1060 1570 1,66 x 106
Knochen a: Kortikalis b: Spongiös
1700 1000
3600 1450
6,12 x 106
1,45 x 106 Knochenzement (PMMA)
1180
1590
1,88 x 106
31
Wie man aus Tab. 2 ersehen kann, sind die physikalischen Unterschiede
zwischen Wasser, subcutanem Fett und Muskulatur nicht gravierend, weswegen
man diese Werte bezüglich einer Energieabschwächung gleich setzen kann.
2.2.3. Mechanische Effekte der Stoßwelle
Wie bereits erwähnt, wird an den Übergängen von Geweben mit unterschiedlicher
Dichte der Schallwelle Energie entzogen. Es handelt sich hauptsächlich um
kinetische, weniger um thermische Energie. Diese Energie vermag sogar
besonders wenig elastische Strukturen (z.B. Kalk) direkt zu zerstören oder zu
verformen.
Dieses ist die direkte Wirkung der Stoßwelle.
Die indirekte Wirkung der Stoßwelle wird durch ihre Zugwelle erzeugt.
Zugwellenanteile verursachen örtlichen Unterdruck. Durch diese massive
Herabsetzung des Druckes werden die Verbindungen der Wassermoleküle im
Gewebe aufgerissen, und es entstehen Wasserdampfblasen, diesen Vorgang nennt
man Kavitation [2,21,98,102, 115]. Solange die Zugwelle einwirkt, expandieren
die entstehenden Dampfblasen. Kavitationsblasen sind stabil, solange der Druck
im Inneren gleich dem Aussendruck in der Flüssigkeit ist.
Trifft eine Stoßwelle auf eine Kavitationsblase, so bewirkt der erhöhte
Aussendruck ein Schrumpfen der Blase bei gleichzeitiger Aufnahme der
Schallenergie. Sind diese Kräfte stark genug, erfolgt ein symmetrischer Blasen-
kollaps und erzeugt dabei selbst Stoßwellen.
Liegt die Kavitationsblase an der Grenzfläche zu einem Gewebe an, so ist die
Symmetrie dieser Implosion gestört. Es entsteht kein kugelsymmetrischer Kollaps
der Blase, sondern die umgebende Flüssigkeit füllt die zusammenfallende Blase
als Strahl (Jet), der in Richtung der Schallausbreitung zeigt.
32
Ein solcher Microjet trifft mit einer Geschwindigkeit von bis zu 800 m/sec. auf
die Grenzfläche auf und besitzt durch seine hohe kinetische Energie in sehr großes
zerstörerisches Potential (Phillip et al. (1993) [97]; Coleman et al. (1987) [16],
Ohl et al. (1997) [93]), Eisenmenger (2001) [32]), welches bei der
Zertrümmerung von Nierensteinen einen wesentlichen Beitrag leistet aber auch zu
unerwünschten Gewebläsionen [27,98] führt.
Bei einem Blasenzerfall können durch die Zerlegung eines Wassermoleküls freie
Radikale (Hydroxylradikal (°OH-)) entstehen, was jedoch bisher nur in vitro
nachgewiesen werden konnte (Suhr et al. (1991) [129], Edmonds et al. (1983)
[30])
2.3. Biologische Wirkungen und Kontraindikationen
Stoßwellen müssen auf dem Weg zu ihrem Zielort unterschiedliche
Gewebsschichten passieren und können dadurch nicht nur im beabsichtigten
Therapieareal, sondern auch in der Umgebung zu Schäden führen.
Die häufigste Nebenwirkung in allen Geweben ist die Schädigung der
Gefäßwände, besonders an Kapillaren und Venen, was zu Blutungen und
Thrombenbildung führt.
Abb. 10: Photo eines flüssigen Jets, entstanden durch eine kollabierende Kavitationsblase.
33
Aus klinischen und experimentellen Studien ergeben sich Hinweise auf diverse
Komplikationen, die bei der Anwendung der ESWT in verschiedenen Geweben
auftreten können (Haake et al. (2002)[56].
2.3.1. Stoßwellenwirkung auf Nierengewebe
Mit den Auswirkungen von Stoßwellen auf das Nierengewebe in Zusammenhang
mit Nierensteinzertrümmerung haben sich zahlreiche Arbeitsgruppen beschäftigt
(Newmann et al. (1987) [88]).
Auf dem Weg der Stoßwelle von der Hautoberfläche bis zum Auftreffen auf das
Nierengewebe sind lediglich kleinere Bereiche mit petechialen Blutungen
beschrieben. Im Bereich der Nierenkapsel wurden bereits größere Schädigungen
beobachtet, dort kam es zu einzelnen interfibrös gelegenen Einblutungen und
Ödembildung. Weiter in der Tiefe, im Bereich des Parenchyms kam es zur
Bildung umschriebener Hämatome und auch disseminierter Blutungen im
Tubulussystem mit Auftreten von Hämaturien
(Ackaert et al. (1989): [1], Karlsen et al. (1991) [72]).
Einschränkungen der Nierenfunktion wurde jedoch nicht beschrieben.
2.3.2. Stoßwellenwirkung auf Knochengewebe
Bei Anwendung der Stoßwellenlithotripsie zur Therapie von Harnleitersteinen im
Bereich des kleinen Beckens wurde das umliegende Knochengewebe ebenfalls der
Wirkung der Stoßwellen ausgesetzt. Im Weiteren wurde das Knochengewebe
untersucht, wobei man Blutungen im Bereich des Periosts und auch einzelne
Auslösungen von Knochenmarksanteilen mit Ausschwemmung in die Blutbahn
vorfand (Graff et al. (1988) [52]).
34
Nach Abheilung dieser subperiostalen Läsionen reagierte das Gewebe mit einer
Verbreiterung der Kompakta (Sukul et al. (1992) [130]).
Diese Beobachtung führte zu weiteren Versuchen zum Einsatz der Stoßwelle bei
verzögerter Knochenheilung und Pseudarthrosen ( Bürger et al. (1993) [8];
Schleberger et al. (1992) [118]; Valchanou et al. (1991) [132]). Ekkernkamp
(1992) [34]) und Haupt (1992,1995) [63,65] berichten über eine Beschleunigung
der Frakturheilung mit Erhöhung der Bruchstabilität. Eine andere Arbeitsgruppe
berichtet hingegen über verzögerte Knochenneubildungen
(Seemann et al. (1992) [123]).
In den 90er Jahre wurden weitere Studien zur Behandlung von verzögerter
Knochenheilung und Pseudarthrosen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten eine
erfolgreiche Behandlung bei über 70% der Patienten (Schleberger u. Senge (1992)
[119]; Schleberger (1995) [120]; Haist (1995) [58]).
Der genaue Wirkungsmechanismus der Stoßwelle bei der Behandlung von
knöchernen Defekten ist nicht geklärt. Es wird eine Induktion der Osteogenese
durch Mikrofissuren mit Schädigung der Fibroblasten und konsekutiver
Transformation in Osteoblasten diskutiert (Valchanou und Michailov [133]).
Parallel dazu wurden versucht, bei Revisionen von zementierten Hüft Totalendo-
prothesen die ESWL zum Lösen von Zementanteilen aus dem Schaftbereich des
Femurs anzuwenden (Karpman et al. 1987 [73]).
Dabei zeigte sich jedoch keine Wirkung auf den Knochenzement (Braun et al.
(1992) [5]).
Bei Anwendungen der Stoßwelle im Bereich der Epiphysenfugen des juvenilen
Skeletts zeigte sich, dass sich die Wachstumzonen verfrüht verschlossen und
daraus resultierten Wachstumsstörungen der betreffenden Knochen mit
Extremitätenverkürzungen (Yeaman et al. (1989) [143]).
Dem widersprechen neuere Arbeiten (Lüssenhop et al. (1997) [79].
35
2.3.3. Stoßwellenwirkung auf Lungengewebe
In Experimenten mit Mäusen kam es bei Kontakt der Stoßwelle mit
Lungengewebe zu massiven Hämorrhagien des Lungengewebes
(Chaussy 1982 [12], Dear et al. (1987) [20]). Diese bei Mäusen beobachtete
Schädigung wurde bereits bei einem Schalldruck von 2Mpa beobachtet (Hartmann
et al. [61]).
Bei Hunden konnte eine Schädigung erst bei einem Druck von ca. 4Mpa
festgestellt werden (Delius et al. 1987 [25]). Dies geschah bei der
Stoßwellenapplikation auf die Gallenblasen bei Hunden, wobei auch Teile der
Lunge im Fokus lagen. Überwiegend traten die Blutungen in den Unterlappen auf;
dort wurden Rupturen der Alveolarsepten festgestellt.
Die Schädigung erklärte sich durch die Energiefreisetzung an der Grenze des
Gewebes zu luftgefüllten Alveolen (Lingeman et al. 1988 [76]). Lungen von
Foeten zeigten auch bei sehr hohen Schalldrücken keine Schädigung (Hartmann et
al. 1990 [61]).
Weiterhin wird auch das mögl. Auftreten eines Pneumothoraxes diskutiert.
2.3.4. Stoßwellenwirkung auf Leber und Gallenblase
Bei der Zertrümmerung von Gallensteinen mit ESWL kommt es dadurch dass die
Stoßwelle zunächst das Lebergewebe und die Gallenblase durchdringen muss, zu
umschriebenen Parenchymschäden. Im Bereich des Eintrittspunktes der Stoßwelle
in das Lebergewebe wurden 2-3cm große Zentimeter Flecken mit blutgefüllten
Blasen und Zerreißungen an der Leberkapsel beobachtet (Delius et al. (1990 u.
1994) [22,23,26], Forer et al. 1992) [41]). Umschriebene Schädigungen der
Gallenblase, z.B. Ablösung der Innenschicht der Gallenblase, wurden ebenfalls
beobachtet.
36
2.3.5. Stoßwellenwirkung auf Muskel- und Sehnengewebe
Graff (1989) [51] beschrieb in einer Untersuchung an 24 Kaninchen die Wirkung
der ESWT am Weichteilgewebe. Bei diesen Untersuchungen stand die Entwickl-
ung von intra- und perimuskulären Hämatomen im Vordergrund; des Weiteren
imponierte histomorphologisch eine metaplastische Knorpelneubildung in der
Muskulatur.
Zur Behandlung von knochennahen Weichteilschmerzen wurden durch Dahmen
et al. (1992) [17] Stoßwellen, mit niedriger Energieflussdichte genutzt. In allen
Fällen kam es zu einer Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit und zu einer
Schmerzreduktion. Radiologisch wurden keine Veränderungen der behandelten
Kalkstrukturen berichtet.
In tierexperimentellen Studien durch Rompe et al (1997) [108,111] sollten die
histologischen Veränderungen des Sehnengewebes bei Exposition mit ver-
schiedenen Stoßwellenenergien ( 0.08mJ/mm2; 0,28mJ/mm2; und 0,60mJ/mm2)
ermittelt werden. Dabei wurden 42 Kaninchen (⇒ 84 Achillessehnen) in drei
Gruppen mit Stoßwellen behandelt. Bei den Nachuntersuchungen der Gruppen
nach Exposition mit niedriger- und mittlerer Energiedichte zeigten sich sono-
grafisch Zunahmen der Sehnendurchmesser in bis zu 40 bzw. 58%, die sich im
Verlauf von 28 Tagen vollständig zurückbildeten. Bei der Gruppe, die mit hoher
Energiedichte behandelt wurde, zeigte sich in Einzelfällen eine Zunahme der
Echogenität. Ebenfalls kam es zu einer Verdickung des Sehnengewebes, die wie
auch in den o.g. Gruppen nach 28 Tagen sonografisch nicht mehr nachweisbar
war. Nach histologischer Aufbereitung aller Sehnenpräparate stellte man fest,
dass es nur bei Gruppe mit hochenergetischer Exposition zu partiellen Sehnen-
gewebsnekrosen gekommen war. Reparative Vorgänge zeigten sich im
Peritendineum durch ein vermehrtes Vorkommen von Fibroblasten.
Pfister et al beschrieben (1987) [96] in sonografischen Untersuchungen eine
umschriebene Zunahme der Echogenität. Weitere Experimente an den
Sehnengewebe an Schweinehinterläufen wurden im Jahre 2002 durch Perlick et
al. (2002)[95] veröffentlicht.
37
2.3.6. Stoßwellenwirkung auf Zellen und Tumorgewebe
In Vitro: Zellsuspensionen, auf die Stoßwellen appliziert wurden, zerstörten die
Zellen in Abhängigkeit von der Impulszahl und deren Energie zu 5 – 95%; ein
weiterer Teil von 10-30% der übrig gebliebenen Zellen war noch mikroskopisch
nachweisbar, jedoch waren diese Zellen tot (Gambihler et al. (1994) [44]). Lagen
die Zellen in einer sphärischen Form vor, so wurde von Bräuner et al. (1989) [6]
beschrieben, daß lediglich die äußeren Zellreihen zerstört wurden. Wurden die
Zellen in Gelatine eingebettet, wurde überhaupt kein Zelluntergang registriert
(Brümmer et al. (1989) [7]). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch hier
die Kavitation den Stoßwelleneffekt hervorruft (Gambihler et al. (1994) [44]).
Hohe Temperaturen von bis zu 5000 Kelvin treten punktuell beim Kollaps von
Kavitationsblasen auf (Flint et al. (1991) [38]; Henglein et al. (1988) [68]; Makino
et al. (1982) [80]).
Dadurch werden freie Radikale aus der Sonolyse von Wasser gebildet, die
zusammen mit den mechanischen Kräften der Stoßwelle die Permeabilität der
Zellmembranen erhöhen. In weiteren Versuchen wurde versucht, Zytostatika mit
der Stoßwelle zu koppeln. Ein Nachweis gelang für Cisplatin. Wenn Cisplatin im
Medium vorhanden war, wurde eine 7-fache Verstärkung erreicht
(Gambihler et al. (1992) [45]).
Die Konzentration im Medium musste dabei sehr hoch sein.
In Vivo: Bei subkutan implantierten Tumoren in Kleintieren hemmen Stoßwellen
das Tumorwachstum bei mehrmaliger Applikation (Osterhof et al. (1990) [94]),
wobei die Wirkung bei langsam wachsenden Tumoren stärker ist.
Bei den in vivo Versuchen kam es nicht zur Zelllyse, sondern es treten histo-
logisch gesichert Blutungen in und um den Tumor und eine Schädigung der
Gefäßwände auf (Russo et al. (1987) [114]). Des Weiteren liegt ein wesentlicher
Effekt bei der Tumorreduktion in der Reduzierung der mikro-vaskulären
Perfusion auf unmessbare Werte für Stunden (Gamarra et al. (1993) [43]).
38
Zytostatika können in vivo nicht die gleiche Wirkung zeigen wie in den in vitro
Versuchen, da es problematisch ist eine ausreichende Konzentration des
Wirkstoffes im Tumorgewebe zu erreichen (Randazzo et al. (1988) [99]).
2.3.7. Stoßwellenwirkung auf Reizleitungssysteme
Wirkung auf das Nervensystem: Die exakte Wirkung der Stoßwellen auf das
Nervengewebe ist bisher nicht geklärt. In Tierexperimenten wurde nachgewiesen,
daß Nerven durch den Kavitationseffekt angeregt werden können. Dabei wurde in
einem in vitro-Versuch gezeigt, daß in Trägermedien nach Unterdrückung der
Kavitation keine Aktionspotentiale in Nervenzellen ausgelöst werden.
(Schelling et al. (1994) [116]).
Der schmerzmindernde Effekt der niederenergetischen Stoßwellenbehandlung ist
(Rompe et al. (1995) [107]; Haake u. Thon (2002) [55]) beschrieben.
Diese Erfahrungen der in der Schmerzreduktion werden durch die Theorie der
Gegenirritation und Hyperstimulation von Melzack (1973) [83] bestätigt.
1. Ein mäßiger bis starker Reiz kann zuvor bestehende Schmerzen lindern.
2. Dieser Reiz muß direkt am Schmerzpunkt ausgeübt werden.
3. Der kurze Reizzustand (Sekunden bis 30 Minuten) kann chronische
Schmerzen lang anhaltend vermindern.
Durch Überlastung der Nozizeptoren durch die Einwirkung der Stoßwelle auf den
schmerzhaften Gewebsbereich und der diesem Areal angeschlossenen afferenten
Fasern kommt es zu einer Reizüberflutung. Durch diesen Vorgang wird die
Weiterleitung von weiteren nachfolgenden Schmerzreizen gehemmt
(„gate control-Theorie“ Melzack und Wall (1965) [82]).
Diese besagt, daß wenn Schmerzsignale das Nervensystem erreichen, es zu einer
Erregung von Neuronen kommt, die eine Art „Schmerz-Neuronen-Pool (SNP)“
darstellen.
39
Ist der Erregungsgrad hoch genug öffnet sich ein Tor („Gate open“) und das
Schmerzsignal kann in weitere Areale des zentralen Nervensystems geleitet
werden. Es kommen jedoch auch weitere Neurone in unmittelbarer Nähe zum
SNP vor, die dessen Aktivität unterdrücken können; das Tor bleibt geschlossen
(„Gate closed“). Diese Neurone werden durch nicht schmerzhaften Hautkontakt
oder Druck stimuliert.
Des Weiteren wird beschrieben, daß das Tor durch Aktivierung von Hirnzellen,
die einen absteigenden Impuls zur Schmerzblockierung vermitteln, geschlossen
bleiben kann.
Chronische Schmerzen, wie bei einer Epicondylitis humeri radialis, können durch
eine Sensibilisierung von Nozizeptoren erklärt werde, bei der chemische
Mediatoren in dem entzündlichen Areal freigesetzt werden. Bei der lokalen
Anwendung der niederenergetischen Stoßwelle bei (Insertions-) Tendopathien
sind die Nozizeptoren im Applikationsbereich das Ziel, dadurch wird die
chemisch vermittelte Schmerzentstehung eingeschränkt (Haake u. Thon (2002)
[55]).
Bei der Einmalbehandlung der Epicondylitis mit der hochenergetischen Stoßwelle
kann jedoch die „Gate control Theorie“ nicht angewendet werden.
Kardiale Arrhythmien unter ESWL wurden vielfach beschrieben, ohne dass der
Pathomechanismus eindeutig beschrieben werden konnte. Die Abgabe von
Stoßwellen erfolgte dementsprechend bisher synchronisiert mit dem Patienten-
EKG durch R-Zacken-Triggerung. Auch Geräte der neueren Generation, die mit
einer besseren Fokussierung und geringeren Energien arbeiten (3. und 4.
Generation), bei denen aus Zeitersparnisgründen eine externe Festfrequenz-
triggerung möglich ist, können potentiell maligne Arrhythmien direkt induzieren.
Die Patienten-EKG getriggerte ESWL erscheint sicherer und sollte bei Risiko-
patienten bevorzugt werden, da ein Einfallen der Stoßwelle in die vulnerable
Phase des kardialen Erregungsablauf nicht auszuschließen ist (Burmeister et al.
(1998) [9]).
Besonderes Augenmerk muß auf Patienten mit Herzschrittmachern gelegt werden.
Wegen der starken elektromagnetischen Pulse kann es zu gravierenden Fehl-
funktionen des Schrittmachers kommen.
40
Kontraindikationen:
1. Veränderungen der Gerinnungsfaktoren unter der Therapie (Umekawa) sind
beschrieben. Somit sollte bei Patienten mit einer bekannten Hämophilie und
Patienten, die mit Marcumar oder mit ASS als Dauertherapie eingestellt sind, evtl.
auf die Therapie verzichtet werden.
2. Schwangerschaft: Effekte auf den Fötus sind bis jetzt nicht beschrieben, jedoch
denkbar.
3. KHK: Bei bekannter KHK ist ein EKG-Monitoring bei der Applikation obligat,
z.B. wegen der o.g. Blutdruckeffekte.
4. Weichteilinfektionen, bakterielle Streuung.
5. Anwendung an intraartikulären Strukturen : Wegen der möglichen
Knorpelschädigung sollte auf diese Form verzichtet werden.
6. Pathologische Frakturen : mögliche Zerreißung von Tumorblutgefäßen und
somit Streuung von Tumorzellen.
7. Rheumatoide Arthritis: kann zu akuten Schüben der Krankheit führen.
8. Knochennekrosen, Osteomyelitis
In ihrer Arbeit von 1998 berichten R. Sistermann und B.-D. Katthagen (1998)
[125] über die klinischen Erfahrungen und Beobachtungen bei der Verwendung
der ESWT bei 276 Patienten mit Tendinitis calcarea, Epicondylitis und
Fersenspornen. Insgesamt wurden 542 Therapien durchgeführt. Bei über 200
Anwendungen der ESWT kam es zu kleinen Hämatomen.
Des Weiteren kam es in Einzelfällen zu deutlichen Blutdrucksteigerungen auf
über 200 mmHg systolisch, jedoch waren diese Effekte nur vorübergehend.
Bei einer Patientin, bei der bereits ein art. Hypertonus bekannt war, kam es zu
einer hypertonen Krise (RR syst. >240 mm Hg) mit Synkope.
4 Patienten zeigten eine Hyperventilationstetanie.
41
3. Erläuterung der Aufgabenstellung
Es soll der Behandlungserfolg bei Patienten bewertet werden, die mit einer
hochenergetischen extrakorporalen Stoßwellentherapie bei dem Krankheitsbild
einer Epicondylitis humeri radialis in der orthopädischen Klinik der
Ruhr–Universität Bochum (Leitung: Prof. Dr. J. Krämer) am St. Josef Hospital,
Bochum, durch Herrn Prof. Dr. R. Schleberger behandelt wurden.
Erfasst wurden Patienten aus dem Behandlungszeitraum von 1994 bis 1996.
Den Patienten wurden Fragebögen zugesendet, die vom Autor in Zusammenarbeit
mit der orthopädischen Klinik des St. Josef Hospitals, Bochum entwickelt
wurden.
42
4. Die Patienten
4.1. Erfassung der Patienten
Im Zeitraum von 1994 bis 1996 wurden insgesamt 65 Patienten mit der ESWL bei
Ellenbogengelenksbeschwerden im Sinne einer Epicondylitis behandelt.
Bei diesen Patienten war eine Epicondylitis humeri radialis, ulnaris oder eine
Kombination festgestellt worden.
Alle diese Patienten wurden angeschrieben, jedoch werden im Folgenden nur die
Daten der Patienten bewertet, die an einer „reinen“ Epicondylitis humeri radialis
erkrankt waren. Insgesamt konnten 56 Patienten per Post oder telefonisch
erreicht und befragt werden ( 86 %).
Von den 56 Patienten wurden 44 aufgrund einer Epicondylitis humeri radialis in
Bochum behandelt.
Dieses Gesamtkollektiv setzte sich aus 20 Frauen (45,5%) und 24 Männern
(54,5%) bei einem Altersdurchschnitt von 50,1 Lebensjahren zusammen.
Abb. 11: Geschlechterverteilung
Patienten mit Epicondylitis humeri radialis
weiblich45,5%
männlich54,5%
weiblichmännlich
43
Durchschnittlich lag die Beschwerdedauer bis zur ESWL-Behandlung bei ca.36
Monaten. Die Maximalangabe betrug dabei 180 Monate, minimal 2 Monate.
Im Vergleich war deutlich zu sehen, dass überwiegend der rechte Arm betroffen
ist (s. S. 15. Kap. 1. 5).
4.2. Vorbehandlungen: Alle Patienten waren zum Zeitpunkt der Therapie mit der Stoßwelle bereits mit
anerkannten Verfahren konservativ und teilweise auch schon ein- oder mehrmals
operativ vorbehandelt worden. Die verschiedenen Formen der Therapie
wurden als Mono- oder als Kombinationstherapie nacheinander angewendet.
Die verschiedenen Therapien sind in Abbildung 11 dargestellt.
41 Patienten erhielten einmalig oder mehrmals lokale Infiltrationsbehandlungen, 8
Patienten wurde eine Oberarmgipsschiene angepasst, um über eine Ruhigstellung
des Armes eine Schmerzreduktion zu erreichen.
8 Patienten trugen zeitweise eine Epitrainbandage/ Epispange, 17 erhielten
Krankengymnastik und 6 Patienten nahmen regelmäßig nicht-steroidale
Antiphlogistika (NSAR). Akupunkturbehandlung erfolgte bei 2 Patienten und
Laser- oder Röntgenreizstrahlungstherapien wurden bei jeweils einem Patienten
durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Therapie mit der ESWL waren 14 Patienten
operativ vorbehandelt.
Abb. 12: Häufigkeit der betroffenen Armseite
Seitenverteilung
77,20%
20,50%
2,30%
rechts links beidseits
44
Die Patienten wurden vor der Behandlung eingehend untersucht, und die
eindeutige Diagnose Epicondylitis humeri radialis wurde gestellt. (s. Tabelle 3)
Des Weiteren, wie oben bereits erwähnt, wurden nur Patienten behandelt, bei
denen keine ausreichende Beschwerdebesserung durch konservative Verfahren
erreicht werden konnte oder bei denen auch die operativen Therapien frustran
verliefen.
Von der Stoßwellentherapie ausgeschlossen wurden Patienten, bei denen ein
anderes Nervenkompressionssyndrom am betroffenen Arm bekannt war,
Marcumarpatienten (oder Pat. mit anderen Gerinnungsstörungen), Pat. mit
Hautdefekten im zu behandelnden Areal und bei bekannter Schwangerschaft.
Abb. 13: Häufigkeitsverteilung der verschiedenen Vorbehandlungen in Prozent.n = 44
Vorbehandlungen
OP (Hohmann u.a)
Gipsimmobilisation
KG (Massage-Kälte-Wärme)
Epispange u. Brace
Akkupunktur
Laser
NSAR
Röntgenbestrahlung
Injektionen (Lokalanästhetikum/
Kortison)
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
45
1. Schmerzen:
Lokalisation Schmerzausstrahlung Belastungsabhängigkeit
2. Funktionseinschränkungen:
Handkraft Armkraft Unterarmdrehbewegung
3. frühere Erkrankungen:
vorausgegangene Behandlungen (konservativ oder operativ) Unfälle Gelenkerkrankungen periphere Nervenerkrankungen
Allgemeinerkrankungen:
Sozialanamnese: Beruf
4.3. Der Lithotripter Dornier MFL 5000
Die Behandlungen erfolgten in der urologischen Abteilung der Universitätsklinik
Marienhospital II, in Herne (Direktor Prof. Dr. Th. Senge).
Verwendet wurde dort ein stationärer Lithotripter der Firma Dornier (Mod.: MFL
5000). Es handelt sich um ein Gerät der zweiten Generation, d.h., dass das zu
behandelnde Köperteil nicht mehr in einem Wasserbad gelagert werden muß,
sondern dass der Kontakt über eine Kunststoffmembran und ein spezielles Gel-
gefülltes Kissen erfolgt.
Dieses Gerät erzeugt die Energiewellen nach dem elektrohydraulischen Prinzip.
Zwischen zwei Elektroden wird eine Spannung angelegt. Wenn es zu einer
Knallfunkenentladung kommt, entsteht in dem umgebenden Medium ein hoher
Druck, der als Kompressionswelle in die Umgebung abgestrahlt wird.
Tab. 6: Anamnese
46
Ein Reflektor, der alle Schallwellen aus dem Brennpunkt 1 (Entstehungsort der
Schallwelle) aufnimmt, leitet / reflektiert die akustische Welle auf einen zweiten
Brennpunkt, der außerhalb des Gerätes liegt und auch therapeutischer Fokus
genannt wird (s. Abb. 14)
X
F2 = therapeutischer Fokus
Akustische Linse
Metallmembran
F1
Elektroden
Abb. 15 : Schematische Darstellung eines Therapiekopfes mit Koppelkissen
flüssiges Medium
Abb. 14 : Abbildung einer Knallfunkenelektrode
47
Mittels der variablen Einstellungen der Reflektoren, kann die Stoßwelle genau auf
einen bestimmten Punkt im Körper des Patienten fokussiert werden. Z. B. auf
einen Epicondylus oder ein Kalkdepot in der Schulter.
Eine genaue Einstellung des zweiten Brennpunktes kann über verschiedene
Zusatzgeräte erfolgen.
C-Bögen und Ultraschallgeräte können bei Nieren- und Gallensteinen, Kalkdepots
in der Schulter oder anderen knöcherne Strukturunregelmäßigkeiten zur genauen
Ortung eingesetzt werden.
Die Technik der Einmalbehandlung sieht die Applikation der Stoßwelle auf den
gesamten Ansatzbereich der brachioradialen Muskulatur vor und benötigt dazu die
Röntgenortung.
Dornier MFL 5000
Stoßwellenerzeugung Elektrohydraulisch
Ortungssystem Röntgen, 2 Ebenen
Energiestufen 14 – 30 KV, regulierbar in 1 KV – Stufen
Frequenz Max. 100 Entladungen / min, EKG bzw. Atemtriggerung möglich, zwischen 14 und 18 KV ist eine Doppelpulsauslösung möglich
Fokuswinkel 67 °
Fokusgröße 42 x 7 mm
Fokusvolumen 1100 mm3
Fokusenergie 8 mJ
Fokusdruck 42 MPa ( 420 bar)
Max. Eindringtiefe 130 mm
Effektive Desintegrationsenergie
14 mJ
Effektive Desintegration 3,5 mm3 / Entladung
Tab. 7 : Technische Beschreibung des verwendeten Lithotripters
48
4.4. Ablauf der Behandlung
Vor Beginn der Behandlung wurden den Patienten eingehend die Vor - und
Nachteile des Therapieverfahrens erläutert, und Fragen der Patienten wurden
beantwortet. Des Weiteren wurde den Patienten erklärt, daß trotz der
lokalen Betäubung keine vollständige Schmerzausschaltung möglich ist.
Die ist jedoch auch zu einem geringen Anteil erwünscht, um eine genaue
Fokussierung der Schallwellen auch auf das Punktum maximum des Schmerzes
zu erreichen.
Abschließend wurden die Patienten auf eventuelle Nebenwirkungen der
Lokalanästhesie hingewiesen, und daß sie nach der Behandlung zunächst nicht am
Straßenverkehr teilnehmen dürften.
Die Patienten wurden auf die betroffene Seite gelagert; der zu behandelnde Arm
wurde in eine möglichst bequeme Position gebracht. Nach Desinfektion des
Areals um den Epicondylus herum wurde das Gebiet mit 5 – 10 ml einer
0,5 %igen Scandicain- Lösung (Mepivacain: Wirkungseintritt bei Leitungs- oder
Infiltrationsanästhesie 2-4 Minuten, Wirkungsdauer: ca. 2-4 Stunden.),
infiltriert.
Dabei wurde ein subkutanes Depot gesetzt, welches einerseits das weitere
Injizieren erleichtert und andererseits eine bessere Ankoppelung des
Stoßwellengenerators ermöglicht.
49
Die Energie wurde nun zügig gesteigert bis auf einen Maximalwert von 18 kV.
Bei der Anwendung wurde der Arm des Patienten vom durchführenden Arzt
gehalten. Im Falle, daß ein Patient während der Behandlung zu starke Be-
schwerden äußerte, wurde die Behandlung für kurze Zeit unterbrochen.
Nachdem die gesamte Menge von 800 Stoßwellen (+/-100) abgegeben worden
war, war die Behandlung beendet. Abschließend wurde dem Patienten das weitere
Verhalten für die nächsten Tage eingehend erklärt.
Abb. 16: Beispiel für die Lagerung des Armes zur Therapie der Epicondylitis humeri radialis aus Giebel 1999 [48]
50
4.5. Nachbehandlung
Eine spezielle Nachbehandlung des behandelten Armes ist nicht nötig.
Schmerzauslösende Belastungen sollen für 8 Wochen unterbleiben.
5. Methodik der Befragung
Die Daten wurden retrospektiv erhoben. Dabei wurden identische Fragen zur
Beschwerdesymptomatik und Schmerzintensität in jeweils einem Fragebogen
„Vor der Behandlung“ und in einem „Nach der Behandlung“ an die Patienten
gesendet.
Außerdem wurde den Patienten noch ein weiterer Bogen zur Standarderfassung
der Beschwerden (Score nach Roles und Maudsley) übergeben. Die Patienten
wurden gebeten, die ausgefüllten Fragebögen in das St. Josef-Hospital z. Hd. des
Autors zurück zu schicken.
5.1. Fragen und Score
Die beiden Hauptfragebögen bestanden aus insgesamt 14 Fragen, von denen 6 den
eigentlichen Epicondylitis-Score („Kernfragen“) bildeten. Die übrigen Fragen
dienten zur Erfassung der allgemeinen Beschwerdesymptomatik, wie sie auch bei
ähnlichen Krankheitsbildern als Begleiterscheinung auftreten können (s.o.).
Alle Fragen konnten mittels einer visuellen Analogskala (Werte von 0 bis10)
beantwortet werden.
Ein Musterbeispiel zur Beantwortung dieses Fragetyps lag dem Anschreiben bei.
51
Alle Fragen beziehen sich auf den aktuellen Zustand Ihres Ellenbogengelenkes. Falls nach Aktivitäten gefragt wird, die Sie schon länger nicht mehr ausgeführt haben, beantworten Sie die Fragen bitte so, wie Sie die momentane Belastbarkeit Ihres Ellenbogengelenkes einschätzen. Vorab benötigen Sie noch einige Informationen zum Ausfüllen des Fragebogens. Zu jeder gestellten Frage existiert eine Kästchenreihe. Diese Kästchenreihe befindet sich zwischen zwei Extremzuständen. Bitte markieren Sie das Kästchen, welches den Zustand Ihres Ellenbogengelenkes am Besten beschreibt. Beispiel: Wurden Sie von dem Krankenhauspersonal freundlich empfangen? Alle Mitarbeiter waren Ich wurde abweisend und freundlich zu mir unfreundlich behandelt In dem Fall, daß Sie sehr freundlich empfangen wurden, würden Sie folgende Markierung vornehmen: In dem Fall, daß Sie durchweg unfreundlich behandelt wurden, könnten Sie folgendermaßen markieren:
Abb.17: Fragenbeispiel
52
Vor / Nach der Behandlung : Name................................... Vorname................................. Geburtsdatum.................................. Bitte markieren Sie das Kästchen, welches den Zustand Ihres Ellenbogengelenkes zwischen den beiden Extremzuständen am Besten beschreibt. 1. Schmerzt Ihr Ellenbogen ? nur bei immer Belastung 2. Können Sie den Ellenbogen ohne einen schweren Gegenstand in der Hand beugen und drehen?
problemlos mit großen Schwierigkeiten
3. Können Sie einen schweren Gegenstand (z.B. einen Einkaufskorb) vom Boden hochheben? problemlos nur mit Schmerzen 4. Können Sie die Stelle, an der Ihr Ellenbogenknochen schmerzt, genau angeben?
ja es schmerzen größere Bereich
5. Können Sie Gegenstände sicher festhalten? problemlos nein, hin und wieder
fällt mir etwas aus der Hand 6. Können Sie bei gestrecktem Arm Kaffe aus einer vollen Kanne eingießen? ja geht gar nicht 7. Können Sie den gebeugten Ellenbogen mit einem Gewicht in der Hand drehen? problemlos mit Schmerzen
53
8. Haben Sie schon einmal eine Schwellung im Bereich des Ellenbogens festgestellt? noch nie häufig 9. Wachen Sie nachts wegen Schmerzen im Ellenbogen auf? nie häufig 10. Bereitet Ihnen das Auswringen eines nassen Lappens Schmerzen ? nein ja, sehr 11. Kommt es vor, daß wenn Sie den Ellenbogen bewegen wollen, diese Bewegung nicht
ausgeführt werden kann? nein kommt häufig vor 12. Haben Sie einen vom Ellenbogen ausstrahlenden Schmerz ? nein bis in die Finger 13. Haben Sie auf Grund der Ellenbogenbeschwerden Einschränkungen beim Tennis, Tischtennis, Golf o.ä. ? keine pausiere
betreibe diese Sportart nicht 14. Haben Sie auf Grund der Ellenbogenbeschwerden Einschränkungen in Ihrer beruflichen
Tätigkeit ? keine kann meinen Beruf
zur Zeit nicht ausüben
Abb. 18: Fragebogen „Vor“ u. „Nach“ der Behandlung
54
5.2. Score nach Roles und Maudsley (1972) [105]
Bewertungskriterien der Therapieergebnisse : (Bitte Ihre eigene Einschätzung) Sehr gut : - kein Schmerz - volle Beweglichkeit
- volle Aktivität
Gut : - gelegentlicher
Schmerz - volle Beweglichkeit - volle Aktivität Befriedigend : - Restbeschwerden nach Belastung - leichter Druck- oder Fernschmerz
- subjektiv besser als vor der Therapie
Schlecht : - Beschwerden unverändert
Abb. 19: Subjektive Einschätzung der Beschwerden
55
5.3. Allgemeine Erläuterungen
Mit den 14 Fragen, die den Patienten gestellt wurden, konnten sowohl die
allgemeinen Einschränkungen des alltäglichen Lebens als auch spezielle, für eine
Epicondylitis typischen Beschwerden erfaßt werden (Schmerzen im Ellenbogen,
sportliche u. berufliche Einschränkungen, allgemeines Funktionsdefizit) .
Bewertet wurden ausschließlich die subjektiven Angaben der Patienten mittels der
Fragebögen.
Bei sehr ausgeprägter Schmerz- u. Beschwerdesymptomatik konnten maximal 140
Punkte erreicht werden. Die Höhe der Gesamtpunktzahl und der damit verbunden-
en Einteilung im Score wurde nicht zur Überprüfung der Indikation der ESWL-
Anwendung herangezogen, sondern ausschließlich zur Beurteilung des Therapie-
erfolges nach erfolgter Behandlung mit der Stoßwelle erarbeitet.
Die Gesamtpunktzahl vor der Therapie wurde der Punktzahl nach erfolgter
Therapie gegenübergestellt. Diese Bewertung beinhaltete die Antworten aller
14 der gestellten Fragen, d.h. es wurden auch für die Epicondylitis humeri radialis
unspezifische Fragen mit einbezogen.
Um eine genauere Aussage zum Erfolg einer Therapie bei Epicondylitis humeri
radialis machen zu können, wurde eine zweite Bewertung anhand der oben
genannten „Kernfragen“ vorgenommen.
Der dabei maximal erreichbare Wert beträgt 60.
Im Folgenden werden immer die Ergebnisse der Auswertung aller 14 Fragen
denen für die Epicondylitis spezifischen Fragen ( sog. „Kernfragen“) gegenüber
gestellt.
Zur Ergänzung der Statistik wurden zusätzlich Informationen, wie Altersdurch-
schnitt, Geschlechterverteilung, vorangegangene (meist erfolgloser) Therapien
(KG, Operationen) und Beschwerdedauer der Patienten erhoben und verarbeitet.
56
6. Ergebnisse
Da es bei der Ermittlung der Ergebnisse nicht um die Aussage über den
Behandlungserfolg eines einzelnen Patienten, sondern um eine grundsätzliche
Aussage über die Erfolge dieser Behandlungsform ging, wurden hauptsächlich
Mittelwerte der einzelnen Datenreihen erstellt, wobei zusätzlich auch der
Maximal- und Minimalwert angegeben wurde.
6.1. Veränderungen der Allgemeinsymptomatik
bei Ellenbogenbeschwerden
Durchschnittlich wurde vor der Behandlung mit der ESWL ein Punktwert von
85,75 ± 4,05 erreicht.
Nach erfolgter Behandlung betrug der mittlere Punktwert noch 26,96 ± 4,30.
Das entspricht einer signifikanten Befundbesserung um einen Punktwert von
58,80, also um durchschnittlich 68,57 % ;
(t-Test, P = <0,001 [124])
S. Abb. 20
Beschwerdebesserung in %
0
20
40
60
80
100
120
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43
Patient Abb. 20: Veränderungen der Allgemeinsymptomatik bei Ellenbogenbeschwerden
57
Nach oben genanntem Schema ergibt sich eine Verteilung wie folgt:
n = 44
0 – 10 % = 7
11 – 39 % = 4
40 – 69 % = 7
70 – 89 % = 10
90 – 100 % = 16
Bei Einteilung der 44 Patienten nach der prozentualen Punktwertbesserung
zeigt sich, daß 37 im Bereich einer deutlichen Besserung ihrer Beschwerden
liegen.
Somit ergibt sich ein Behandlungserfolg von 84,1%.
Der höchste Punktwert vor der Behandlung lag bei 136 von 140 möglichen.
Nach der Behandlung war der geringste Wert 0 von 140.
(Anmerkung: Die Patientin mit dem Wert 136 gab laut Fragebogenauswertung
nach Abschluß der Therapie den Wert 0 an)
6.2. Auswertung der für die Epicondylitis spezifischen
Fragen („Kernfragen“)
Die Auswertung der „Kernfragen“ (Frage 3,5,6,10,13,14) ergab im Mittel einen
Wert von 38,30 Punkten von 60 möglichen.
Nach der Behandlung lag der mittlere Punktwert bei 12,36.
Das entspricht einer Befundbesserung um durchschnittlich 67,72 %.
Aufgrund der fehlenden Normalverteilung der Daten
(Normalverteilungstest fehlgeschlagen: P= 0,025 [124]) wurden die Daten mittels
Mann-Whitney Rang-Summen Test auf Signifikanzen untersucht.
58
Dabei ergaben sich bei einem Signifikanzniveau von P = <0,001 bezüglich der
Mediane beider Gruppen signifikante Unterschiede.
(MedianVor der Behandlung : 38,00; MedianNach der Behandlung : 10,00)
S. Abb. 21
0
20
40
60
80
100
120
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43
Nach oben genanntem Schema ergibt sich eine Verteilung wie folgt:
n = 44
0 – 10 % = 7
11 – 39 % = 2
40 – 69 % = 11
70 – 89 % = 7
90 – 100 % = 17
Befundbesserung in %
Patient Abb. 21: Auswertung der für die Epicondylitis spezifischen Fragen („Kernfragen“)
59
Bei Einteilung der 44 Patienten nach der o.g. prozentualen Punktwertbesserung
zeigt sich, daß ebenfalls 37 im Bereich einer deutlichen Besserung ihrer
Beschwerden liegen.
Somit ergibt sich nochmals ein Behandlungserfolg von 84,1%.
6.3. Roles und Maudsley
Bei der Frage nach der subjektiven Einschätzung zum Erfolg
der Behandlung kam es zu folgendem Ergebnis:
n = 44
sehr gut = 11
gut = 16
befriedigend = 10
schlecht = 7
Hier wird ein Behandlungserfolg bei der Selbsteinschätzung der Patienten für den
Notenbereich von „sehr gut“ bis „befriedigend“ angenommen. So sind
37 Patienten mit der Funktion ihres betroffenen Armes zufrieden,
das entspricht 84,1 %.
Abb. 22: Auswertung nach Roles und Maudsley
11
16
10
7
sehr gut gut befriedigend schlecht
60
7. Diskussion:
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Extrakorporale Stoßwellentherapie in
der Medizin, insbesondere in der Urologie und Orthopädie, etabliert und stellt
heute eine effektive konservative Behandlungsmöglichkeit dar [67].
1980 kam ein von der Firma Dornier entwickeltes Gerät zum ersten Mal zum
Einsatz bei Patienten mit Urolithiasis [12,14]. Seitdem wurde neben der raschen
Weiterentwicklung der Lithotriptoren auch intensiv die Erforschung der Wirkung
der Stoßwelle und deren weiterer Einsatzmöglichkeiten vorangetrieben.
Neben der Urologie hat die ESWT auch in anderen Fachdisziplinen eine weite
Verbreitung erfahren. Weitere Behandlungen z.B. bei der Therapie von Stein-
erkrankungen der Gallenblase und der Speicheldrüsen [13,101] sowie
Erkrankungen der Haltungs- und Bewegungsorgane konnten mit dieser „nicht
invasiven“ Methode behandelt werden. Diese sind die Therapie bei verzögerter
Knochenbruchheilung und Pseudarthrosen (In Tierversuchen zeigte sich, daß die
Stoßwellenbehandlung zu schneller Kallusbildung am Knochen führen kann;
spätere Studien über die Behandlung von Patienten bestätigten dieses.)
[87,33,34,51,57,51,62,64,119,130,133], knochennahe Weichteilschmerzen,
Enthesiopathien (Epicondylitis, radial und ulnar) [17,59,107,109,112] und
Tendopathien (Tendinosis calcarea) [18,77].
Die Vorstellung bei der Anwendung der hochenergetischen ESWT der
Tendinosis calcarea der Schulter bestand darin, analog zur urologischen Therapie,
mögliche Kalkkonkremente im Bereich der Rotatorenmanschette zu zerstören.
Nach nunmehr über zwanzig Jahren klinischen Einsatzes der ESWT und
intensiver Forschung ist der exakte Wirkungsmechanismus sowie das genaue
Ausmaß des Schädigungspotentials in verschiedenen Geweben bei der
Anwendung der Stoßwellen noch immer nicht genau bekannt. Insbesondere der
Wirkungseffekt bei Anwendung im knochennahen Weichteilbereich ist nicht
letztlich geklärt.
61
Hinsichtlich der Energiedosen, die Anwendung finden, divergieren die Theorien
über ihre Wirkung. Während niedrige Energieflussdichten eher zur Schmerz-
therapie eingesetzt werden [17], werden mittel- und hochenergetische Energie-
flussdichten zur Zerstörung bzw. Desintegration von Kalkdepots oder zur
Osteoinduktion eingesetzt [65,119].
Zum Einsatz kommen heutzutage drei unterschiedliche Generatorsysteme zur
Stoßwellenwerzeugung: elektrohydraulisches, piezoelektronisches- und
elektromagnetisches System. Die Energieflussdichten werden in drei Bereiche
aufgeteilt, nieder-, mittel- und hochenergetisch [101].
Eine Hypothese besagt, daß die Stoßwelle einen Teil oder sogar die ganze
Zellmembran zerstört, wodurch der Nozizeptor kein Generatorpotential und somit
kein Schmerzsignal mehr aufbauen kann. Des Weiteren kann der Nozizeptor
durch die Stoßwelle zur Aussendung einer hohen Impulsfrequenz veranlasst
werden, wodurch es zu einer Überlastung der sensiblen Nervenleitung kommt
(gate-control Mechanismus [82]). Außerdem soll die Produktion schmerz-
hemmender körpereigener Substanzen induziert werden [60, 55].
Diese Hypothese ist jedoch lediglich für die Therapie mit der niederenergetischen
Stoßwelle belegt. Bei der Therapie mit der hochenergetischen Stoßwelle werden
bereits nach nur einmaliger Anwendung Gewebsneubildungen im behandelten
Areal beschrieben.
Unter Beachtung einiger Kontraindikationen, ist die heutige Anwendung der
ESWL nahezu risikolos, lediglich bei der hochenergetischen ESWT werden
petechiale Blutungen, Hautrötungen und gelegentlich Hämatome beschrieben
[108,56]. Einige der Beschränkungen für eine Therapie mit der ESWL sind,
Schwangerschaft, Hypertonus, pathologische Frakturen, Gerinnungsstörungen
u.a..
Die retrospektiv erhobenen Daten, die in dieser Studie aufgezeigt werden, dienen
dazu, die durchaus positiven Erfahrungen der Vergangenheit in der Therapie mit
der ESWL zu untermauern und die Auswahl des geeigneten Verfahrens
(Anwendung mit nieder-, mittel- oder hochenergetischer Energiedichte) zur Be-
handlung der Epicondylitis humeri radialis zu beeinflussen.
62
Im Zeitraum von 1994 –1996 wurden in Bochum insgesamt 65 Patienten mit der
hochenergetischen ESWL behandelt. Bei diesen Patienten wurde zuvor eine
Epicondylitis humeri radialis, ulnaris oder an beiden Lokalisationen am selben
Arm diagnostiziert.
An alle Patienten wurden insgesamt drei Fragebögen (1. vor u. 2. nach der
Behandlung, 3. Selbsteinschätzung des Therapieergebnisses) gesendet.
Da das Ziel der Studie darin besteht, das Therapieergebnis für die Behandlung mit
der hochenergetischen ESWL bei Patienten, die ausschließlich das Beschwerde-
bild einer Epicondylitis humeri lateralis zeigten, wiederzugeben, konnten die
Ergebnisse bei insgesamt 44 Patienten ausgewertet werden.
Der Altersdurchschnitt lag bei 50,1 Lebensjahren, bei einer Geschlechterver-
teilung von 45,5% Frauen zu 54,5% Männern.
Die Angaben der Patienten zum Zeitpunkt der ersten Symptome bis zur
Stoßwellenbehandlung sind sehr variabel und ergeben einen Mittelwert von
ca. 36 Monaten bei einem Maximalwert von 180 und Minimalwert von
2 Monaten. Alle Patienten waren zuvor unterschiedlich ein- oder mehrmals
konservativ oder/und operativ vorbehandelt worden, was bei keinem Patienten zu
einer dauerhaften Besserung geführt hatte.
Zu 77,2 % war der re. Arm betroffen, zu 2,3 % gaben die Patienten bds.
Beschwerden an.
Die Patienten wurden im ambulanten Rahmen in der Abteilung für Urologie der
Universitätsklinik Marienhospital, Herne, behandelt, nachdem ein Vorgespräch in
der orthopädischen Klinik im St. Josef-Hospital, Bochum erfolgt war. Dort wurde
die genaue Anamnese erhoben, das exakte Beschwerdebild erfaßt und die
Indikation zur ESWL gestellt.
Verwendet wurde ein Lithotripter der Fa. Dornier (MFL 5000), ein Gerät der 2.
Generation, das Stoßwellen nach dem elektrohydraulischen Verfahren erzeugt.
Die Behandlung erfolgte in Lokalanästhesie. Bei der Behandlung wurden nach
Einstellen des Stoßwellenfokus auf den Epikondylus humeri lateralis
800 (±100) Stoßwellen appliziert. Die empfohlene Nachbehandlung bestand in der
Schonung, ausführlichen lokalen Kühlung des Armes am Tag der Behandlung und
Vermeiden von Maximalbelastungen für 8 Wochen.
63
Die erhobenen Daten wurden unter drei Gesichtspunkten ausgewertet:
1. Zuerst wurde die Allgemeinsymptomatik der Patienten vor und nach der
Behandlung betrachtet.
2. Die Daten wurden auf die für die Epicondylitis humeri radialis relevanten
Angaben (Kernfragen (Frage 3,5,6,10,13,14)) eingeschränkt.
3. Zusätzlich wurde eine Auswertung nach dem Score von Roles &
Maudsley [105] vorgenommen.
Die ermittelten Punktzahlen aus den Fragebögen, wurden die Werte vor der
Behandlung, denen nach der Behandlung gegenübergestellt und in Prozentzahlen
ausgedrückt. Die prozentuale Beschwerdebesserung wurde in fünf Bereiche
eingeteilt (0-10% , 11-39%, 40-69% , 70- 89% , 90-100%).
So zeigt sich ein Behandlungserfolg von 84,1% bei der Erfassung der allgemeinen
Ellenbogengelenksbeschwerden. Das gleiche Ergebnis zeigt sich bei den für die
Epicondylitis humeri radialis spezifischen (Kernfragen) Beschwerden.
Ein Therapieversagen lässt sich bei den Patienten ermitteln, bei denen sich keine
oder nur eine sehr geringe Verbesserung des Punktwertes von weniger als 11%
ergab. Die Patientenzahl ist somit für die allgemeinen und spezifischen
Beschwerden 7 ( 15.9%).
Bei der Befragung der Patienten nach ihrer eigenen Einschätzungen des
Behandlungsergebnisses anhand des Scores von „Roles & Maudsley“ zeigt sich
ebenfalls ein Behandlungserfolg von 84,1 %. 7 Patienten ( 15,9%) sind mit dem
Behandlungsergebnis unzufrieden.
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, daß bei dem Krankheitsbild der Epicondylitis
humeri radialis die Einmalbehandlung mit der hochenergetischen extrakorporalen
Stoßwellentherapie eine reale Alternative zur operativen Therapie darstellt.
64
Beim Vergleichen der hier aufgeführten Ergebnissen mit denen anderer Studien
zeigen sich geringe Abweichungen nach oben.
Krischek et al (1997) [74] behandelten Patienten dreimalig mit 500 Impulsen einer
niedrig energetischen Stoßwelle. Bei 50% der Patienten seien „gute“ und
„sehr gute“ Ergebnisse gefunden worden.
Rompe et al (1996) [109] behandelten 75 Patienten jeweils dreimalig mit 1000
Impulsen einer niedrig energetischen Stoßwelle. Nach 24 Wochen gaben
54 Patienten (72%) das Ergebnis als sehr gut und gut an.
Der in der Metaanalyse von Heller und Niethard (1998) [67] aufgeführte
Überblick über die erfassten Studien der Jahre 1995 bis 1998 zeigt fast
ausschließlich Ergebnisse der Behandlung mit der niedrig energetischen
Stoßwellenlithotripsie. Aus den Studien lässt sich bzgl. der verwendeten
Energiedichten und Pulszahlen sowie der Therapieanzahlen keine Einheitlichkeit
ableiten. Bei der Betrachtung der Ergebnisse der Einmalbehandlung mit der
hochenergetischen elektrohydraulischen Stoßwellenlithotripsie zeigt sich eine
vergleichbare Erfolgsquote.
Die Vorteile der hochenergetischen Stoßwellenbehandlung, nur einmalig
durchgeführt, gegenüber einer operativen Therapie sind im Folgenden genannt:
1. ambulantes Therapieverfahren
2. kurzer Nachbehandlungszeitraum, was die Anzahl der Krankheitstage
gering hält, was wiederum volkswirtschaftlich einen großen Kostenvorteil
darstellt
3. geringer Personalaufwand, da keine Allgemeinanästhesie benötigt wird
und nur eine Helferperson zur Bedienung des Lithotripters benötigt wird
4. geringe Rate von Nebeneffekten. Patienten beschreiben lediglich
Hautrötungen und lokal begrenzte Schmerzen über einen Zeitraum von
1 – 2 Tagen. Bewegungseinschränkungen des Ellenbogengelenkes nach
der Behandlung wurden nicht angegeben. Während der Behandlung
empfanden die Patienten trotz Lokalanästhesie am Epicondylus Schmerzen
in unterschiedlichem Ausmaß.
65
5. Bei hoher Frequentierung der Stoßwelleneinheit ergibt sich für die
Krankenkassen eine Kostenreduktion, da keine Kosten für einen
stationären Aufenthalt, OP-Vorbereitungen und Narkose entstehen.
Insbesondere bei der Einmalbehandlung mit der hochenergetischen ESWT
Mit der ESWL steht der Medizin und den Patienten, die teilweise bereits einen
erheblichen Leidensweg hinter sich haben, ein effektives, risikoarmes
Therapieverfahren zur Verfügung. Bei dem überwiegenden Anteil des
Patientengutes können die Beschwerden geheilt oder zumindest wesentlich
gebessert werden und auf eine weitere operative Therapie kann verzichtet werden.
Es muß in jedem Fall dazu erwähnt werden, daß neben den rein therapeutischen
Aspekten auch eine weitere Umstellung im beruflichen und privaten Bereich der
Patienten stattfinden muß: z.B. Umstellung der Schlagtechnik, Veränderungen der
Armhaltung beim Arbeiten mit einer „Maus“ etc..
Zusammenfassen läßt sich sagen, daß es aufgrund der Uneinheitlichkeit der
Stoßwellenanwendung zur Therapie der Epicondylitis (Therapieanzahl (Einfach-
u. Mehrfachbehandlung), Anzahl der applizierten Stöße, unterschiedliche
Generatorsysteme, Erfahrung des Anwenders/Untersuchers u.v.m.) einer
intensiven weiteren Erforschung bedarf, um die verschiedenen Therapieformen
korrekt miteinander vergleichen zu können und somit eine Therapieoptimierung
erreichen zu können.
66
8. Zusammenfassung
Heute stellt die ESWL eine sehr effektive, nahezu risikofreie, nicht-invasive
Therapie der Epicondylitis humeri radialis und anderen orthopädischen
Erkrankungen dar, was in den letzten Jahren zu einer großen Verbreitung dieser
Behandlungsform geführt hat.
In der Medizin wurde zu Beginn der achtziger Jahre die Stoßwellenbehandlung in
der Urologie zur Therapie der Nephrolithiasis etabliert. Heutzutage ist die ESWL
das Mittel der Wahl bei der Behandlung von Nierensteinleiden.
Auf Grund dieser positiven Entwicklung erfolgte die weitere Erforschung der
Wirkung der Stoßwelle auf verschiedene Gewebe und es entwickelten sich neue
Einsatzgebiete in der Medizin. Die ESWL kann mit Erfolg in den medizinischen
Fachbereichen der Urologie (Nierensteine), HNO (Speichelsteinerkrankungen),
Allgemeinchirurgie (Gallensteinleiden), Unfallchirurgie und Orthopädie
(Pseudarthrosen, knochennahe Weichteilschmerzen, Enthesiopathien und
Tendopathien) angewendet werden.
Des Weiteren wird intensiv experimentell in der Tumortherapie geforscht.
Stoßwellen werden durch drei verschiedene physikalische Verfahren erzeugt
(Elektromagnetisch, Piezoelektrisch, Elektrohydraulisch). Dabei werden unter
Wasser Stoßwellen erzeugt, für die einen raschen Druckanstieg und hohe
Amplitude charakteristisch ist. Die Stoßwellen werden gebündelt und nach
Ankoppelung an den zu behandelnden Körper in diesen abgegeben. In den
Körpern können durch die direkte und indirekte Wirkung der Stoßwelle
Strukturänderungen bis hin zu Zerstörungen einzelner Abschnitte erreicht werden.
Unter Beachtung einiger Kontraindikationen und Beschränkungen beim Einsatz
der Stoßwelle, insbesondere der hochenergetischen Form, stellt diese Therapie
z.B. bei der Behandlung der Epicondylitis humeri radialis ein für den Patienten
schonendes Verfahren dar.
67
In dieser Arbeit wurden die Therapieergebnisse der Behandlung der Epicondylitis
humeri radialis bei 44 Patienten retrospektiv ermittelt. Die Patienten waren zuvor
über einen längeren Zeitraum erfolglos konservativ und/oder operativ
vorbehandelt worden. Die Ergebnisse wurden über Fragebögen, die den Patienten
zugeschickt wurden, ermittelt. Es wurden sowohl die allgemeinen Beschwerden
des betroffenen Armes als auch die für eine laterale Epicondylitis typischen
Symptome ausgewertet. Zusätzlich wurde der Therapieerfolg nach eigener
Einschätzung der Patienten erfaßt. Die Ergebnisse zeigen eine vergleichbare
Erfolgsquote wie die in den letzten Jahren veröffentlichten Studien über die
Behandlung mit niederenergetischen Stoßwellen.
Bisher existiert noch kein Konsens bezüglich einer standardisierten Behandlung,
vor allem welche Energieflussdichte und Impulszahl bei bestimmten
Erkrankungen angewendet werden sollte. Während die niederenergetische Form
zur Schmerztherapie bei knochennahen Weichteilschmerzen eingesetzt wird,
wird zur Therapie von Fersenspornen, „Kalkschultern“ und Nierensteinen die
hochenergetische Energieflussdichte angewendet.
Die Vorteile bei der Anwendung der ESWL gegenüber den operativen
Vorgehensweisen sind Vermeidung der üblichen Operations- und Narkoserisiken
und Wundschmerzen. Des Weiteren kann durch die ESWL die Anzahl der
Krankheitstage durch Entfallen einer langen Nachbehandlung wesentlich verkürzt
werden, was volkswirtschaftlich einen großen Kostenvorteil darstellt.
Da das Stoßwellenverfahren noch sehr kostenintensiv ist, die Krankenkassen nicht
jede Behandlung bezahlen bzw. die Kosten nur teilweise erstattet werden, und
bezüglich der Anwendungsform (Hoch-, Mittel- oder niederenergetische ESWL)
noch keine einheitlichen Ergebnisse vorliegen, kann die Stoßwellentherapie die
vielfältigen konservativen und auch chirurgischen Therapieformen noch nicht
vollständig ersetzen. Durch die Entwicklung kleinerer, kompakter Lithotriptoren
kann eine weitere Verbreitung dieser Therapie erfolgen. Jedoch bedarf es weiterer
intensiver Studien und der Entwicklung eines Therapie- und Qualitätsstandards,
insbesondere für die Anwendungsmodalitäten der Stoßwelle.
68
Sollte sich in Zukunft eine Therapieform durchsetzen, können eventuell
chirurgische Verfahren und weitestgehend andere nicht-invasive / konservative
Verfahren abgelöst werden.
69
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80
Danksagung
Bedanken möchte ich mich bei meinem Doktorvater
Herrn Prof. Dr. Roland Schleberger, der mir
geduldig mit Rat zur Seite stand und mir sehr bei der
Entwicklung der Fragebögen geholfen hat.
Des Weiteren möchte ich meinen Eltern,
Frau Heide Hanxleden und Herrn Dr. Ingo Hanxleden,
danken, die mir mein Studium ermöglichten und mich
dabei großzügig unterstützt haben.
Ferner danke ich meiner Ehefrau Siglinde
und meinen Freunden für die konstruktive Kritik
und Korrektur meiner Dissertation.
81
Curriculum vitae Person:
Name: Hanxleden, Ulf
Geb.: 28.04.1969, in Duisburg
Fam.-Stand: verheiratet
Adresse: Tattenbachstrasse 3, 86179 Augsburg
: +49 (0)821 5892623
Studium:
Medizinische Universität zu Lübeck 1989 – 1993
Ruhr Universität Bochum 1993 – 1997
Medizinische Ausbildung:
AiP:
III. orthopädische Klinik, Rheumatologie, 01. – 12.1998 der Hessing Kliniken Augsburg, Prof. Dr. G. Köhler
Klinik f. Allgemein- u. Viszeralchirurgie 01. – 06.1999 im Klinikum Augsburg, Herr Prof. Dr. J. Witte
Assistenzarzt:
chirurgische Abteilung, Krankenhaus Friedberg i. Bayern Herrn Dr. K. Nadler 07.99 – 09.2000
chirurgische Abteilung, Virngrundklinik Ellwangen Herr Prof. Dr. B. Ultsch 10.00 – 04.2001
chirurgische Abteilung, Donau-Ries Klinik Donauwörth Herr Dr. V. Seeger seit 06.2001
Zusätzliche Ausbildung:
Fachkunde Rettungsdienst 1999 Fachkunde Strahlenschutz 2000 AO-Kurs, Bochum, Fa. Synthes 2002 Kursus f. Laparoskopische Chirurgie, Fa. Aesculap 2003 DRG-Fortbildungen seit 2001 Ringarzt Polizeisportverein Augsburg, Abt.: Boxen Fortbildungen: Orthopädie, Allgemeinchirurgie, Traumatologie, Sportmedizin