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ERSTE STAATSPRÜFUNG FÜR DAS LEHRAMT AN GRUNDUND HAUPTSCHULEN Wissenschaftliche HausarbeitThema: Demokratiekompetenz. Möglichkeiten und Grenzen politischen Lernens in der Grundschule. Prüfungsfach: Politikwissenschaften Vergabe des Themas: 17.07.2007 Vorgelegt von: Klein, Johannes MatrikelNummer: 1395562 1. Prüfer: Prof. Dr. HansWerner Kuhn 2. Prüfer: Dr. Gabriele Metzler

ERSTE STAATSPRÜFUNG FÜR DAS LEHRAMT AN GRUND UND ... · ERSTE STAATSPRÜFUNG FÜR DAS LEHRAMT AN GRUND‐ UND HAUPTSCHULEN ‐Wissenschaftliche Hausarbeit‐ Thema: Demokratiekompetenz

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ERSTE  STAATSPRÜFUNG  FÜR DAS  LEHRAMT AN GRUND‐ UND HAUPTSCHULEN 

 

‐Wissenschaftliche Hausarbeit‐ 

 

Thema:         Demokratiekompetenz.  

Möglichkeiten und Grenzen politischen Lernens in der Grundschule. 

 

Prüfungsfach:      Politikwissenschaften 

 

Vergabe des Themas:  17.07.2007 

 

Vorgelegt von:      Klein, Johannes 

            Matrikel‐Nummer: 1395562 

 

1. Prüfer:         Prof. Dr. Hans‐Werner Kuhn 

2. Prüfer:         Dr. Gabriele Metzler 

 2 0BInhalt 

Inhalt  

1.  Vorwort ........................................................................................................................... 4 

 

2.  Begriffsannäherung und Legitimation ........................................................................... 6 

2.1.  Der mehrdimensionierte Demokratiebegriff ............................................................................. 6 

2.2.  Notwendigkeit von Demokratie‐Lernen in der Grundschule ................................................... 10 

2.3.  Anforderungen an Demokratiekompetenz in der Grundschule ............................................... 12 

2.4.  Konzeptionen, Vorschläge & Diskussionen .............................................................................. 16 

2.4.1.    Ansatz der Gruppe „Sozialwissenschaften“ ................................................................... 19 

2.4.2.    Konzept der GPJE (Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend‐ und    Erwachsenenbildung) .................................................................................................................. 20 

2.4.3.   Konzept des Demokratie‐Lernens (Gerhard Himmelmann) ........................................... 23 

2.4.4.   Ansatz im baden‐württembergischen Bildungsplan für die Grundschule ...................... 24 

 

3.  Unterrichtskonzept – „Taschengeld – für alle Eltern Pflicht?“ ................................... 26 

3.1.  Politische Strukturierung .......................................................................................................... 29 

3.2.  Didaktische Strukturierung ....................................................................................................... 31 

3.3.  Methodische Strukturierung .................................................................................................... 34 

3.4.  Das Demokratiekompetenz‐Modell der GPJE – Begründung zur Auswahl .............................. 35 

 

 

 

 

 

 

 

 

 3 0BInhalt 

4.  Auswertung der Unterrichtsreihe ................................................................................ 37 

4.1. Transkription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  (DVD: Kapitel 2) .............................................. 38 

4.1.1. Interpretation und Beobachtung ...................................................................................... 47 

4.1.2. Konsequenz für das Modell der GPJE ............................................................................... 50 

4.2. Transkription ‐ Szene 2 „Vorbesprechung des Interviews“  (DVD: Kapitel 3) ........................... 51 

4.2.1. Interpretation und Beobachtung ...................................................................................... 53 

4.2.2. Konsequenz für das Modell der GPJE ............................................................................... 54 

4.3. Transkription ‐ Szene 3 „Nachbesprechung des Interviews“ (DVD: Kapitel 4) .......................... 55 

4.3.1. Interpretation und Beobachtung ...................................................................................... 59 

4.3.2. Konsequenz für das Modell der GPJE ............................................................................... 60 

4.4. Fazit ........................................................................................................................................... 61 

 

5.  Ausblick ......................................................................................................................... 62 

 

6.  Literatur‐ und Quellangabe .......................................................................................... 64 

 

7.  Anhang .......................................................................................................................... 67 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 4 1BVorwort 

1. Vorwort Ich  frage mich  immer wieder, ob wir genügend dafür  tun, dass  junge Menschen die demokratische  Lebensform  lernen  können,  damit  sie  Gelegenheit  haben,  eigene Erfahrungen zu machen.1 

JOHANNES RAU hat 2000 in seiner Rede auf dem Jahresforum des Vereins "Gegen Vergessen ‐ Für Demokratie e.V."  in Berlin bereits das kritisch hinterfragt, was heute  (noch  immer)  in der Gesellschaft defizitär  ist: die politische Bildung an Schulen. Dabei kann entsprechendes Demokratie‐Lernen  schon  im  Kindergarten  und  in  der Grundschule  einsetzen.  Empirische Befunde belegen, dass auch schon Kinder dieser Altersgruppe kooperativ handeln und mit Politik mehr oder weniger unbewusst konfrontiert sind2; und zwar tagtäglich. Natürlich darf politische  Bildung  dabei  nicht  einseitig  geschehen.  GROHE3  hat  dafür  bereits  eine entscheidende Dimensionierung vorgenommen und unterteilt den Politikbegriff funktional in polity, policy und politics. HIMMELMANN4 praktiziert ähnliches mit dem Demokratie‐Begriff und  unterscheidet  zwischen  einer  Demokratie  als  Lebens‐,  Gesellschafts‐  und Herrschaftsform.  RAU  spricht  hier  gezielt  die  Demokratie  als  Lebensform  an,  die  laut HIMMELMANN  vor  allem  an  Grundschulen  schwerpunktmäßig  angelegt  sein  sollte. HIMMELMANN fordert diesen fachdidaktischen Schwerpunkt ein, der aber nicht isoliert vom Begriffskomplex der Demokratie Einzug in den Unterricht finden soll. Demokratie muss also immer unter Einbezug aller drei Formen gelehrt werden und die Gewichtung der jeweiligen Demokratie‐Form  auf  die  entsprechenden  Schulstufen  erfolgen.  Politische  Bildung  in  der Grundschule  ist  in  jedem Fall möglich und notwendig. DAGMAR RICHTER  liefert vielfältige didaktisch‐methodische Ansätze und Zugänge zur politischen Bildung  im Primarbereich und zementiert die „poltische Bildung von Anfang an“5. Daraus ergeben sich eine Reihe offene Fragen: wie  ist politische Bildung weiterhin als nur durch ein  komplexes Demokratie‐ und Politikverständnis legitimierbar? Oder auch anders gefragt: wo bestehen Möglichkeiten und Grenzen  politischer  Bildung  in  der  Grundschule?  Inwiefern  wird  Demokratiekompetenz empirisch  nachweisbar  bei  Grundschülerinnen  und  ‐schülern  ausgebildet,  wenn  der Unterricht nach Prinzipien der aktuellen politikdidaktischen Diskussion durchgeführt wird? Genau dieser Herausforderung möchte sich diese wissenschaftliche Hausarbeit stellen, und überprüfen, wie erfolgreich politikdidaktische (Kompetenz‐)Modelle in der schulischen Praxis eingesetzt werden können, und wo evtl. Defizite bestehen.  

                                                            1 Siehe Rau, Johannes: „Die Zukunft unserer Demokratie“  http://www.bundespraesident.de (15.08.2007) 2 Sturzbrecher, Dietmar; Langner, Winfried; Waltz, Christine: Wieviel Autonomie besitzen Kinder? Ein Vergleich der Perspektiven von Kindern und ihren Erziehungspersonen. In: Kuhn, Hans‐Peter; Uhlendorff, Harald; Krappmann, Lothar (Hrsg.): Sozialisation zur Mitbürgerlichkeit. Opladen 2000: Leske & Budrich. S. 197‐217 3 Rohe, Karl: Politik. Begriffe und Wirklichkeiten. Stuttgart, 2.Aufl.; 1994: Kohlhammer Verlag. S.61 4 Himmelmann, Gerhard: Demokratie Lernen als Lebens‐, Gesellschafts‐ und Herrschaftsform. Ein Lehr‐ und Studienbuch. Schwalbach/Ts. 2001: Wochenschau Verlag. S.37 5 Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie‐Lernen in der Grundschule. Bonn 2007: Bundeszentrale für politische Bildung. 

 5 1BVorwort 

Zunächst soll geklärt werden, was Demokratiekompetenz ausmacht, und welche speziellen Anforderungen  an  die  Grundschule  bzw.  an  die  zukünftigen  Grundschullehrerinnen  und Grundschullehrer  geknüpft  sind.  Im weiteren  Schritt werde  ich  analytisch  verfahren  und zunächst  einige  Modelle  beleuchten,  die  auf  konzeptioneller  Basis  eine Demokratiekompetenz  ausbilden  sollen.  HIMMELMANN,  die  GPJE,  die  Gruppe „Sozialwissenschaften“  und  das  baden‐württembergische  Kultusministerium  stellen  dabei das Angebot von Demokratiekompetenz‐Modellen.  In einem  zweiten  schulpraktischen Teil möchte  ich  eine  Unterrichtskonzeption  vorstellen,  die  direkt  an  einer  Grundschule Anwendung gefunden hat, und  sich auf das Modell der GPJE  in begründeter Weise  stützt. Die  Auswertung  dieses  Unterrichtsversuchs  soll  dann  Aufschluss  über  die  Frage  geben, inwiefern die Grundschülerinnen und Grundschüler (Demokratie‐)Kompetenzen ausgeformt haben.  Das  entsprechende  Modell  soll  dabei  den  Referenzrahmen  der  Auswertung darstellen, und für das Aufzeigen von Grenzen und Möglichkeiten poltischer Bildung  in der Grundschule  herangezogen  werden.  Im  Ausblick  wird  versucht,  den  weiteren Forschungsbedarf  der  Politikdidaktik  im  Primarbereich  anhand  des  zu  Grunde  liegenden GPJE‐Modells zu bestimmen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 6 2BBegriffsannäherung und Legitimation 

2. Begriffsannäherung und Legitimation  

2.1. Der mehrdimensionierte Demokratiebegriff  

Zunächst  gilt  es  grundlegende  Überlegungen  zum  Begriff  der  Demokratie,  und  unmittelbar zusammenhängend, dem Begriff der Politik anzustrengen. Wie bereits  im Vorwort ersichtlich wurde ist  der  Demokratiebegriff  ein  komplexes  Gefüge;  ebenso  der  der  Politik.  Die  Definition  von Demokratie  ist  ohne  weiteres  nicht  zu  meistern.  Im  Gegenteil:  versucht  man  über  Lexika, Handbücher oder sonstige Quellen einen Eindruck darüber zu gewinnen, was Demokratie ist, so stößt man auf eine unüberschaubare Menge von Definitionen, Ansätzen und Theorien6. Der Konsens über ein theoretisches Verständnis von Demokratie existiert nicht, ebenso eine einheitliche Lehrmeinung. Das schafft nicht nur Orientierungsprobleme  innerhalb der Fachwissenschaft und der Fachdidaktik, sondern  auch  explizit  bei  Lehrerinnen  und  Lehrern,  die  die  Demokratie  im  Unterricht  vermitteln sollen. Dementsprechend  entblättert  sich das  Spektrum des Verständnisses über Demokratie  sehr weitläufig: 

‐„repräsentative“ Demokratie 

‐„parlamentarische“ Demokratie  

‐„direkte“ Demokratie 

‐ als „Herrschaftsform“ 

‐ als „Kultur“ 

‐ als „Lebensform“7 

Gerade  aus  der  Komplexität, der Wandlungsfähigkeit  und der Bedeutungsvielfalt des Demokratie‐Begriffs  ergibt  sich  für  die  Schule  eine  besondere  Herausforderung:  „Sie  muss  die  Komplexität reduzieren und eigene Akzente […]  in der Schule setzen“.8 Die Aufgabe der Schule  ist also nicht die der Fachwissenschaft, die  sich viel  intensiver mit dem Demokratiebegriff bzw. Demokratietheorien beschäftigt.  Sie  darf  und  soll  aber  die  Fachwissenschaft  als  Erfahrungs‐Katalog  bzw.  als  Fundus nutzen,  um  für  die  Schule  fruchtbare  und  bereits  erarbeitete  Ideen  und  Theorien  ggf.  erneut aufzugreifen.  Zusätzlich  ist  der  Begriff  der  Demokratie  nicht  nur  sehr  verschränkt  und  schwer greifbar,  sondern  auch  den  Prozessen  der  Zivilisation  und  der  Gesellschaft  unterworfen.9  Die Konsequenz  daraus  ergibt  sich  in  einem  stetig  aktualisierten Demokratie‐Verständnis,  so  dass  die Demokratie und „der Prozess der Zivilisation […] fast tagtäglich im Prozess von Bildung und Erziehung mit den Kindern und Jugendlichen neu nachvollzogen bzw. in Erinnerung gebracht werden muss.“10 

                                                            6 Himmelmann, Gerhard: Demokratie Lernen als Lebens‐, Gesellschafts‐ und Herrschaftsform. Ein Lehr‐ und Studienbuch. Schwalbach/Ts. 2001: Wochenschau Verlag. S.33 7Vgl. Ebd. S.34 8 Ebd. S.35 9 Vgl. Ebd. S. 36 10 Ebd. S.36 

 7 3BDer mehrdimensionierte Demokratiebegriff 

Um  diesen  Forderungen  gerecht  zu  werden  muss  der  Demokratiebegriff  für  die  Schule  neu durchdacht  und  konzipiert  werden,  und  es  muss  erarbeitet  werden,  welcher  Ansatz  für  eine schulische  Praxis  adäquat  ist.  HIMMELMANN  möchte  dabei  „einen  fachwissenschaftlichen  und zugleich  fachdidaktischen  Beitrag“  zur  Erarbeitung  eines  Konzepts  von  „Demokratie‐Lehren“  und „Demokratie‐Lernen“ innerhalb von politischer Bildung leisten. Er definiert die Demokratie wie folgt: 

1. Demokratie als Lebensform 

2. Demokratie als Gesellschaftsform und 

3. Demokratie als Herrschaftsform11 

Es zeichnet sich also ein Wandel von Demokratie ab, der den zivilgesellschaftlichen Prozessen mehr Aufmerksamkeit  zukommen  lässt,  so  „dass  Demokratie  nicht  nur  […]  als  ein  Verhältnis  der Menschen/Bürger zum Staat“ sondern auch „als Verhältnis der politisch‐gesellschaftlichen Kräfte und der  Menschen/Bürger  untereinander“  verstanden  werden  kann.12  Der  Begriffskomplex  nach HIMMELMANN  ermöglicht, dass  sich Demokratie nicht  in  einem  verengten  fachwissenschaftlichen Theorie‐Raum absondert, sondern dass die dadurch gewonnene „historische Tiefe“, die „gehaltvolle empirische  Fundierung“  und  „hinreichende  Komplexität“  „Demokratie‐Lehren“  und  „Demokratie‐Lernen“ im Sinne von „Demokratie‐Erleben“ auch an (Grund‐)Schulen umsetzbar wird. JOHN DEWEY lieferte bereits zum Ansatz der Demokratie als Lebensform entsprechende Anregungen und Ideen: 

Beide  Elemente  unseres  Kriteriums  verweisen  uns  auf  die Demokratie. Das  erste  bedeutet […][,dass]  das  wechselseitige  Interesse  als  Faktor  in  der  Regierung  sozialer  Beziehungen anerkannt wird. Das  zweite bedeutet  [...] dauernde Umgestaltung des  sozialen Verhaltens, seine beständige Neuanpassung an […] neuen Sachlagen.13 

DEWEY kristallisiert hier die Wandlungsfähigkeit einer demokratischen Gesellschaft; er untermauert den Ansatz HIMMELSMANNS, dass die Demokratie immer wieder neu vergegenwärtigt werden muss. Die  Demokratie  ist  schließlich  mehr  als  nur  „„Belehrung“,  sondern  […]  die  Ermöglichung  der Sammlung von konkreten „Erfahrungen“ mit Demokratie in der vielfältigsten Form“14. 

 

 

                                                            11 Himmelmann, Gerhard: Demokratie Lernen als Lebens‐, Gesellschafts‐ und Herrschaftsform. Ein Lehr‐ und Studienbuch. Schwalbach/Ts. 2001: Wochenschau Verlag. S.37 12 Vgl. S.37 13 Dewey, John: Demokratie und Erziehung. Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik (1916). Aus dem Amerikanischen von Erich Hylla. Herausgegeben von Jürgen Oelkers. Mit einer Auswahlbibliographie. Weinheim und Basel 2004.S.120 

14 Himmelmann, Gerhard: Demokratie‐Lernen als Lebens‐, Gesellschafts‐ und Herrschaftsform. In: Breit, Gotthard; Schiele Siegfried (Hrsg.): Demokratie‐Lernen – als Aufgabe der politischen Bildung. Schwalbach/Ts. 2002: Wochenschau Verlag. S.29 

 8 3BDer mehrdimensionierte Demokratiebegriff 

DEWEY betrachtet die Demokratie ebenfalls nicht nur als „Regierungsform“, sondern als „eine Form des  Zusammenlebens,  der  gemeinsamen  und miteinander  geteilten  Erfahrung.“15  Demokratie  als Lebensform  kann  also  hinsichtlich  des  Erziehungsauftrags maßgebend  dazu  beitragen,  „dass  die Demokratie in ihrer Ganzheit wirklich gelebt und dauerhaft stabil bleiben kann.“16  

Demokratie  ist  in  jedem  Fall  kein  einfach  gefasster Begriff,  sondern  ist,  als Voraussetzung  für  ein ganzheitliches Verständnis,  als mehrdimensionaler  Begriff  zu  erfassen. Ähnlich  verhält  es  sich mit dem Begriff der Politik. Da bei der Ausbildung  von Demokratiekompetenz  auch das Politische mit einfließt,  ist  es  notwendig  den  ebenfalls  komplexen  Begriff  der  Politik  nachvollziehen  zu  können. KARL  ROHE  hat  hier  entscheidend  zur  Begriffsdifferenzierung  beigetragen.  Er  knüpft  in  gewisser Weise  an  die  gesellschafts‐politische  Verortung  von  Demokratie,  in  Form  eines  horizontalen Verständnisses von Politik, an:  

Das Politische  ist uns also gleichsam  in vierfacher Gestalt begegnet: als politisches Handeln, als  politische  Institution,  politisch‐ideelles  Handeln  und  politische  Idee  sowie  als  politisch gesetzte und aufrechterhaltene Rechtsordnung einer Gesellschaft.  […]  Interpendenz besteht nicht  nur  zwischen  den  politischen  Teilantworten,  sondern  auch  zwischen  Politischem  und Gesellschaftlichem17 

Politik ist also nicht nur ein durch Institutionen repräsentierte Begriff, wie es im alltäglichen Verständnis  oftmals  verankert  ist,  sondern  entfaltet  sich  in mehrere Dimensionen.  ROHE stellt sich der Frage, wie „sich am besten eine vernünftige Vorstellung von der komplexen Wirklichkeit  des  Politischen  gewinnen“18  lässt,  und  kommt  zu  einer  Dreiteilung  des Politikbegriffs: 

1. policy 

2. politics 

3. polity 

Mit  policy  meint  ROHE  die  „inhaltliche  Dimension“  der  Politik,  wie  beispielsweise Wahlprogramme,  Wahlversprechen  und  Regierungsprogramme.  Es  geht  also  darum inwiefern die Interessen der Gesellschaft in der Politik repräsentiert werden, und „was dabei für wen herauskommt“.19 

                                                            15 Dewey, John: Demokratie und Erziehung. Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik (1916). Aus dem Amerikanischen von Erich Hylla. Herausgegeben von Jürgen Oelkers. Mit einer Auswahlbibliographie. Weinheim und Basel 2004.S.121 16 Himmelmann, Gerhard: Demokratie‐Lernen als Lebens‐, Gesellschafts‐ und Herrschaftsform. In: Breit, Gotthard; Schiele Siegfried (Hrsg.): Demokratie‐Lernen – als Aufgabe der politischen Bildung. Schwalbach/Ts. 2002: Wochenschau Verlag. S.29 17 Rohe, Karl: Politik. Begriffe und Wirklichkeiten. 2.Aufl.; Stuttgart, 1994: Kohlhammer Verlag. S.60 18 Ebd. S.61 

19 Ebd. S.62 

 9 3BDer mehrdimensionierte Demokratiebegriff 

 Policy setzt wiederum voraus, dass die politischen Akteure die Fähigkeit besitzen Interessen zu  formulieren  und  entsprechende  Prozesse  in  Gang  zu  setzen,  „um  die  Sammlung  und Besorgung von noch fehlernder Zustimmung und Einwilligung zu Handlungsprogrammen“20 zu realisieren. ROHE spricht  in diesem Fall auch von einer „Regierungskunst“ und definiert damit  politics.21  Ohne  Gesetze,  Rechtsordnungen  und  entsprechenden  gesellschaftlichen „grundlegenden  Organisationsformen  und  Organisationsnormen“22  können  politische Akteure ihre politischen Ziele nicht angemessen vollführen. Politisches Handeln geschieht in einem „Handlungsrahmen“, den ROHE als polity definiert. „Mit „polity“  ist darum stets der Begriff einer Abgrenzung  verbunden“.23 Ähnlich wie der dreigliedrige Begriffskomplex der Demokratie  von  HIMMELMANN  ist  auch  der  Begriffskomplex  der  Politik  innerlich miteinander  verschränkt  und  nicht  jede  einzelne  Dimension  dieses  Komplexes  isoliert  zu betrachten. Es  lassen  sich bei policy und politics unterscheidbare Dimensionen politischen Handelns  erkennen,  jedoch  muss  das  aber  nicht  bedeuten,  „daß  sie  in  der  konkreten politischen Wirklichkeit sachlich und zeitlich sauber voneinander getrennt existieren.“24 

Wenn politische Bildung, mit dem Ergebnis einer ausgeprägten Demokratiekompetenz, an Schulen Einzug  finden  soll, und damit auch Demokratie‐ und Politik‐Lernen verbunden  ist, müssen die beiden Begriffskomplexe  „Demokratie“ und  „Politik“  in  ihrer vollen Entfaltung gleichfalls  von  Lehrerinnen und  Lehrern als  auch  von  Schülerinnen und  Schülern erfahren und  erfasst  werden.  Vor  allem  die  frühe  politische  Bildung  an  Kindergärten  und Grundschulen kann davon profitieren, wenn Demokratie‐Lernen bzw. ‐Lehren nicht einseitig geschieht und  gesellschafts‐politische Bezugspunkte  zur  Lebenswelt der Kinder hergestellt werden: 

Auf die politische Bildung heißt dies, dass  sie nicht nur etatistisch‐institutionell und nicht  nur  problemorientiert  auf  die  „hohe“  Politik  ausgerichtet  sein,  sondern  auch gesellschaftliches Lernen“ (Joachim Detjen in diesem Band) umfassen sollte, damit die Kinder  und  Jugendlichen  erkennen  lernen,  in  welcher  Gesellschaft  sie  aufwachsen bzw. in welche Gesellschaft sie hineinwachsen.25 

                                                            20 Rohe, Karl: Politik. Begriffe und Wirklichkeiten. 2.Aufl.; Stuttgart, 1994: Kohlhammer Verlag. S.62‐63 21 Vgl. Ebd. S.62 22 Ebd. S.65 

23 Ebd. S.66 

24 Vgl. Ebd. S.64 

25 Himmelmann, Gerhard: Demokratie‐Lernen als Lebens‐, Gesellschafts‐ und Herrschaftsform. In: Breit, Gotthard; Schiele Siegfried (Hrsg.): Demokratie‐Lernen – als Aufgabe der politischen Bildung. Schwalbach/Ts. 2002: Wochenschau Verlag. S.27 

 

 10 4BNotwendigkeit von Demokratie‐Lernen in der Grundschule 

2.2. Notwendigkeit  von  Demokratie­Lernen  in  der Grundschule 

 

Erst  in  den  letzten  Jahren  ist  politische  Bildung  in  der  Grundschule wieder  Thema konzeptioneller fachdidaktischer Überlegungen geworden26 

Wie das Zitat von MASSING schon deutlich macht,  ist politische Bildung  in der Grundschule wieder ein aktuelles Thema, das bereits  schon Anfang der 1970er  Jahre  seinen Höhenflug hatte.  Die  bildungspolitische  Situation  der  damaligen  Zeit  fokussierten  „Mündigkeit, Selbstbestimmung und  Emanzipation  als  Zielperspektiven der politischen Bildung  auch  für die Grundschule“27. Leider hatte dieser Höhenflug ein rasches Ende gefunden und scheiterte u.a.  am  Ende  der  bildungspolitischen  Reformära,  sowie  dem  Fokussieren  von Politikunterricht  an  weiterführenden  Schulen.28  Warum  ist  „die  politische  Bildung  von Anfang  an“  erneut  ins  Blickfeld  fachdidaktischer  Diskussionen  gerückt?  Und  daraus resultierend: Welche Notwendigkeit besteht für ein Demokratie‐Lernen in der Grundschule? VON  HENTIG  formuliert  bereits  im  Vorwort  zum  baden‐württembergischen  Bildungsplan „ein Bewusstsein von „politischer“ Bildung, die die öffentliche Schule dem Staatswesen und den  jungen Bürgerinnen und Bürgern  schuldet“29. HIMMELMANN  fordert ein Demokratie‐Lernen  im Primarbereich, wobei er vor allem eine Notwendigkeit darin sieht, dass „auf der Eingangsstufe  der  Schule  mit  dem  „Kleinen“,  aber  dem  dennoch  so  „Wichtigen“,  der Einübung  von  Demokratie  als  Lebensform“  begonnen  wird30.  Für  das  Ausformen  einer entsprechend fundierten Demokratiekompetenz in den weiterführenden Schulstufen ist dies eine  entscheidende  Komponente.  Allerdings  heißt  es  dann  nicht,  dass  Schülerinnen  und Schüler  die  „Demokratie  als  sozial‐kooperative,  d.h.  Verantwortungseinübende  sowie  auf Gewaltverzicht und Toleranz beruhende Lebensform“ nur  in der Grundschule  lernen sollen, sondern dieses Verständnis von Demokratie später  immer wieder neu aufgefrischt werden muss.  

                                                            26 Massing, Peter: Politische Bildung in der Grundschule. Überblick, Kritik, Perspektiven. In: Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie‐Lernen in der Grundschule. Bonn 2007: Bundeszentrale für politische Bildung. S.19 

27 Ebd.  

28 Vgl. Ebd. 

29 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden‐Württemberg: Bildungsplan für die Grundschule. Villingen‐Schwenningen 2004: Neckar‐Verlag. S.9 (Vorwort von Prof. Dr. Hartmut von Hentig) 

30 Himmelmann, Gerhard: Demokratie‐Lernen als Lebens‐, Gesellschafts‐ und Herrschaftsform. In: Breit, Gotthard; Schiele Siegfried (Hrsg.): Demokratie‐Lernen – als Aufgabe der politischen Bildung. Schwalbach/Ts. 2002: Wochenschau Verlag. S.32 

 11 4BNotwendigkeit von Demokratie‐Lernen in der Grundschule 

PROTE31  unterstützt  HIMMELMANNs  Ansatz  einer  frühen  politischen  Bildung  und  dem Einsatz von Demokratie‐Lernen als  Lebensform  im Primarbereich. Sie  zeigt anhand einiger Fallbeispiele  sehr  deutlich,  dass  die  Schülerinnen  und  Schüler  in  der  Grundschule Vorstellungen  und  Konzeptionen  über  demokratische  Elemente,  wie  etwa  Gleichheit besitzen; vorausgesetzt sie sind direkt davon betroffen.  

PROTE geht noch einen Schritt weiter und sieht ein Gefahrenpotential in „undemokratischen Einstellungen  und  Verhaltensweisen“32,  mit  denen  Grundschüler  bereits  konfrontiert werden. Diese  bleiben  jedoch meist  unbewusst  und  unreflektiert  haften  und  sind  für  die Grundschülerinnen  und  ‐schüler  daher  ein  oftmals  akzeptierter  Teil  ihres  Handlungs‐, Entscheidungs‐, und Verhaltensrepertoires. HAFNER33 hat in einer stichprobenartigen Studie zu Interessen, Einstellungen und Wissen von Kindern über Politik empirisch verdichtet, dass „Kinder  des  vierten  und  siebten  Schuljahres  […]  bereits  mit  Politischem  konfrontiert“34 werden. Die Wege der Konfrontation sind dabei vielfältiger Natur, wobei Massenmedien, das Elternhaus  und  schließlich  die  Schule  eine  entscheidende  Rolle  spielen.  Auch  was  den Primarbereich  anbelangt  stimmt  HAFNER  mit  der Meinung  der  hier  genannten  Autoren überein, und setzt sich für die ernsthafte Auseinandersetzung mit politischer Bildung  in der Grundschule ein: 

Auch bezüglich der Grundschule sollte man nicht weiterhin davon ausgehen, dass ihre Unterrichtsinhalte  allenfalls  vorpolitischer  Art  sein  können.  Denn  damit  bleibt  die Tatsache  ignoriert,  dass  manifeste  politische  Sozialisation  und  damit  der  Erwerb politischen Wissens und politischer Einstellungen schon längst begonnen haben.35 

Demokratie‐Lernen kann hier ansetzen, um den Schülerinnen und Schülern die notwendige Unterstützung  zu  liefern mit  der  politischen  Umwelt  adäquat  umzugehen,  um  die  darin enthaltenen undemokratische Elemente zu enttarnen, und daraus deduktiv „demokratische Problemlösungen“36 erarbeiten zu können.  

                                                           

Hieraus  ergibt  sich  für mich  nicht  nur  die Möglichkeit  des Demokratie‐Lernens mit Grundschulkindern, sondern deren Notwendigkeit37 

 31 Prote, Ingrid: Für eine veränderte Grundschule : Identitätsförderung ‐ soziales Lernen ‐ politisches Lernen. Schwalbach/Ts. 2000: Wochenschau Verlag. S.159‐162 

32 Ebd. S.161 

33 Hafner, Verena: Politik aus Kindersicht. Eine Studie über Interesse, Wissen und Einstellungen von Kindern. Stuttgart 2006: ibidem‐Verlag. 

34 Ebd. S.139 

35 Ebd. S.141 

36 Ebd. 

37 Ebd. 

 12 5BAnforderungen an Demokratiekompetenz in der Grundschule 

2.3. Anforderungen  an  Demokratiekompetenz  in  der Grundschule 

 

Wenn  wir  uns  der  Frage  annähern  möchten  inwiefern  Grundschülerinnen  und  –schüler Politik  und  Demokratie  lernen  können,  muss  zunächst  aufgearbeitet  werden,  welche Kompetenzen  bei  Grundschülerinnen  und  –schülern  ausgeformt  werden  sollen,  und  vor allem welche Anforderungen an Demokratiekompetenz in der Grundschule bestehen. In der Forschung  ist man dabei noch nicht übereingekommen welche Kompetenzen konkret und sinnvoll  für  die  Politikdidaktik  sind.38  WEINERT39  erfasst  dabei  den  modernen Kompetenzbegriff  als  ein  Begriff  der  das  Wissen,  Können,  Verstehen,  Handeln  und  die Motivation  beinhaltet. Hierbei  ergibt  sich die  Schwierigkeit, dass politische Kompetenzen, wie etwa das Wählen, oftmals mit sozialen vermengt werden.40 Die Kognitionspsychologie ist  aber  zum  Schluss  gekommen,  dass  zunächst  domänenspezifisches  Wissen  aufgebaut werden muss, bevor fächerübergreifendes Wissen rezipiert werden kann.41 Das Vermengen von politischen und sozialen Kompetenzen kann demgegenüber  im Weg stehen. Damit die Schülerinnen und Schüler domänenspezifisches Wissen zunächst als Basis aufbauen können, muss  im Vorfeld geklärt werden, was politische Bildung ausmacht und was nicht. Oftmals erfolgt  eine  Vermischung  von  Sozialem  und  Politischem  und  im  weitersten  Sinne Gesellschaftlichem, obwohl beispielsweise „das Gesellschaftslernen etwas ganz anderes  ist als das  soziale  Lernen“42. Die Vermischung  von  sozialem und politischem  Lernen  führt  zu fehlerhaften  Verständnissen  über  Politik;  die  Schülerinnen  und  Schüler  entwickeln „misconceptions“.43  Die  Zuordnung,  was  nun  politisches  Lernen  ist  und  was  nicht,  wird hierdurch  für  den  Lerner  schwer  nachvollziehbar.  Die  Didaktik  fordert  daher  eine  strikte Trennung  beider  Bereiche,  um Orientierungssicherheiten  für  den  Lerner  gewährleisten  zu können.  

 

                                                            38Vgl. Richter, Dagmar: Welche politischen Kompetenzen sollen Grundschülerinnen und –schüler erwerben? In: Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie‐Lernen in der Grundschule. Bonn 2007: Bundeszentrale für politische Bildung. S.36. 39 Weinert, Franz E.: Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: ders. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim/Basel 2001, S.27. 

40 Ebd.  41 Vgl. Ebd. S.37 42 Detjen, Joachim: Die gesellschaftliche Infrastruktur der Demokratie kennen und sich gesellschaftlich beteiligen – Gesellschaftslernen im Rahmen des Demokratie‐Lernens. In: Breit, Gotthard; Schiele Siegfried (Hrsg.): Demokratie‐Lernen – als Aufgabe der politischen Bildung. Schwalbach/Ts. 2002: Wochenschau Verlag. S.72 43 Vgl. Richter, Dagmar: Welche politischen Kompetenzen sollen Grundschülerinnen und –schüler erwerben? In: Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie‐Lernen in der Grundschule. Bonn 2007: Bundeszentrale für politische Bildung. S.37 

 13 5BAnforderungen an Demokratiekompetenz in der Grundschule 

Ein  gewisser  Zusammenhang  zwischen  sozialen  und  politischen  Lernen  besteht  dennoch, denn soziales Lernen kann  für Demokratie‐Lernen eine „tragfähige Basis“44 sein. Trotzdem ist noch relativ unklar inwiefern soziales Lernen als Vorläufer für politisches Lernen fungiert bzw.  fungieren kann. Schließlich  ist darauf  zu achten, dass  soziales  Lernen und politisches Lernen nicht gänzlich miteinander gleichgesetzt werden, denn die Voraussetzungen,  in der sich  eine  politische  Sozialisation  vollzieht,  sind  andere: während  soziales  Lernen  in  einer gesellschaftlich  „umfassenden  Einheit“  agiert,  geschieht  politische  Sozialisation  und  somit politisches  Lernen  in  Ausschnitten  der  Gesellschaft:  „Familie,  Schule,  Beruf,  Freizeit  und eben  auch  Politik.“45  Mit  dieser  Differenzierung  formuliert  sich  auch  eine  weitere Anforderung  an  Demokratiekompetenz;  auch  für  die  Grundschule:  „Da  also  Politik  ein „eigener  Handlungsbereich“  geworden  ist,  hat  politische  Bildung  das  Ziel,  die Heranwachsenden  über  dessen  Strukturen,  Funktionen  usw.  aufzuklären“46.  Politische Bildung ist mehr als nur das „Erlernen und Verstehen der Funktions‐ und Entscheidungslogik von „Poltik““47 HIMMELMANN48 wertet den Begriff der „politischen Bildung“ im Sinne einer Demokratieerziehung  und  im  Auftrag  einer  Begriffsannäherung  an  Demokratiekompetenz aus,  und  fordert  eine  stärkere  zivilgesellschaftliche  Verankerung  dessen.  Er  stellt  einen mangelhaften  Sprachgebrauch  im  Begriff  „politische  Bildung“  fest,  der  sich  international nicht  mit  Begriffen  wie  „civic  education“  (USA),  „citizenship  education“  (Europäische Kommission/England) bzw. „education for democratic citizenship“ (Europarat) messen kann. International wird der Begriff „politische Bildung“ als „far academic and abstract“ kritisiert, was  ein  problembehaftetes  Verständnis  auf  beiden  Seiten  nach  sich  zieht.  Es  geht  dabei nicht  darum  international  anschlussfähig  zu  bleiben,  sondern  die  damit  verbundenen Inhaltsauffassungen,  Assoziationen  und Mentalitäten  kritisch  zu  prüfen.49  Nun  stellt  sich daraus die Frage, wie die Auffassung von Politik bzw. politischer Bildung bei Kindern einer Grundschule  verläuft.  Welche  kognitiven  Potentiale  und  Strukturen  besitzen Grundschülerinnen und Grundschüler, wenn es um das Unterrichten von politischer Bildung bzw. das Ausbilden einer Demokratiekompetenz in der Grundschule geht? 

                                                            44 Prote, Ingrid: Für eine veränderte Grundschule : Identitätsförderung ‐ soziales Lernen ‐ politisches Lernen. Schwalbach/Ts. 2000: Wochenschau Verlag. S.159 

45 Krappmann, Lothar: Politische Sozialisation in Kindheit und Jugend durch Partizipation an alltäglichen Entscheidungen – ein Forschungskonzept. In:  Kuhn, Hans‐Peter; Uhlendorff, Harald; Krappmann, Lothar (Hrsg.). Sozialisation zur Mitbürgerlichkeit. Opladen 2000: Leske & Budrich. S.77 

46 Hans‐Werner Kuhn: Demokratie leben. Soziales Lernen im Politikunterricht. In: Breit, Gotthard; Schiele Siegfried (Hrsg.): Demokratie‐Lernen – als Aufgabe der politischen Bildung. Schwalbach/Ts. 2002: Wochenschau Verlag. S.56 

47 Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag. S.128 

48 Ebd. S.128‐130 

49 Vgl. Ebd. S.129 

 14 5BAnforderungen an Demokratiekompetenz in der Grundschule 

Inhaltliches  Fachwissen  strukturiert  sich  zunächst  in  einem  Netzwerk  von  „modellhaften Konzepten“;  ähnlich  verhält  es  sich bei Grundschülerinnen und Grundschülern, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie Netzwerke von Konzepten aufbauen50. Daraus kann man schließen,  dass  die  in  Domänen  angelegten  Wissensbestände  durch  Konzepte  der Adressaten  (und  damit  auch  die  der  Grundschülerinnen  und  Grundschüler)  verknüpfbar sind.51  Die  Lebenswelt  der  Kinder  bietet  demnach  eine  Möglichkeit  einen  Zugang  zum Politischen  bzw.  Demokratischen  zu  schaffen.  Allerdings  sollte  der  analogiebildende Lernprozess  zwischen  Lebenswelt  und  Politikwelt  nicht  unreflektiert  geschehen,  da  es ansonsten zu einer „Parallelisierungsfalle“52 kommen kann, die „ „demokratisches“ Handeln in  der  Lebenswelt  Schule“  fast  gleichberechtigt  neben  „demokratischem  Handeln  in  der Politik“ sieht53. RICHTER54 stellt die hierdurch resultierende Frage: „Wie kann es politischem Lernen  in  der  Grundschule  gelingen,  Schüler/innen  zu  befähigen,  die  Differenz  beider Bereiche zu kennen, auseinander zu halten und die jeweiligen Gegenstände in integrierender Perspektive  zu  betrachten?“  Hier  muss  grundlegende  Wissensvermittlung  (z.B.  pol. Institutionen  und  Organisationen)  über  Politik  betrieben  werden,  damit  diese Differenzierung  in  einem weiteren  Schritt  für Grundschülerinnen  und  –schüler  überhaupt möglich  wird.  Trotzdem  bleibt  die  Frage  nach  konzeptionellen  Wissensbeständen  von Grundschülerinnen  und  Grundschülern  weitgehend  unbeantwortet.  GÖTZMANN55  zeigt indessen anhand mehrerer Studien  zum Wissen über Politik von Grundschülerinnen und  ‐schülern,  dass  diese  „bereits  über Wissen  und  Konzepte  zu  verschiedenen Bereichen  von Politik“56 verfügen und durchaus in der Lage sind „politische Sachverhalte in einem gewissen Umfang wahrzunehmen und zu verstehen“57. 

                                                            50 Vgl. Wellmann, Henry M.; Gelman, Susan A.: Cognitive development: Foundational theories of core domains. In: Annual Review of Psychology  43/1992, S.337‐75 

51 Vgl. Richter, Dagmar: Welche politischen Kompetenzen sollen Grundschülerinnen und –schüler erwerben? In: Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie‐Lernen in der Grundschule. Bonn 2007: Bundeszentrale für politische Bildung. S.37 52 Vgl. Massing Peter: Politische Bildung in der Grundschule – Überblick, Kritik, Perspektiven. In: Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie‐Lernen in der Grundschule. Bonn 2007: Bundeszentrale für politische Bildung. S.29 53 Ebd. 

54 Richter, Dagmar: Probleme der Vermittlung von wissenschaftlichen und lebensweltlichen Erkenntnisweisen. In: Claußen, Bernhard; Gagel, Walter; Neumann, Franz (Hrsg.): Herausforderungen – Antworten. Politische Bildung in den neunziger Jahren. Opladen 1991: Leske & Budrich. S.251‐263 

55 Götzmann, Anke: Naive Theorien zur Politik – Lernpsychologische Forschungen zum Wissen von Grundschülerinnen und –schülern. In: Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie‐Lernen in der Grundschule. Bonn 2007: Bundeszentrale für politische Bildung. S.37 56 Ebd. S.87 

57 Ebd. 

 15 5BAnforderungen an Demokratiekompetenz in der Grundschule 

Die bei Grundschülerinnen und –schülern ausgeprägten Konzepte über Politik sind natürlich nicht  in dem Maße elaboriert wie bei Erwachsenen, und das Erklären der politischen Welt führt  öfter,  wie  RICHTER  bereits  warnt,  zu  „Misskonzepten“58.  Diese  wirken  aber  nicht grundsätzlich  destruktiv  dem  politischen  Lernprozess  entgegen,  „weisen  bereits  logische Denkstrukturen auf“ und können „zu einem elaborierten politischen Konzept“59 der Lerner führen.  

Fassen wir also nochmal zusammen, welche Anforderungen für eine Demokratiekompetenz an Grundschulen bestehen: 

• Abgrenzung zwischen sozialen und poltischen Lernen 

• Vergleichen und Optimieren des Begriffs „politische Bildung“ 

• Zivilgesellschaftliche Verankerung 

• Komplexer Demokratie‐ und Politikbegriff 

• Reflektierter Brückenschlag zwischen Lebenswelt der Lerner und der Politik 

• Einbezug vorhandener Wissens‐ und Konzeptionsbestände über Politik 

Dieser Anforderungsrahmen  ist  sicherlich  noch  nicht  umfassend,  strukturiert  und  konkret genug  für  ein  in  der  Grundschule  didaktisch‐methodisch  ausgereiftes  Unterrichtskonzept politischer Bildung. Es stellt sich für die Ausformung einer Demokratiekompetenz zusätzlich die  Anforderung  „empirisch  überprüfbar  […]  in  Leistungstests  gemessen“60  werden  zu können.  Erst  dadurch  können  qualitative  Aussagen  über  eine  angemessene Demokratiekompetenz  gemacht werden.  Kompetenzen müssen  also  auch  nachvollziehbar genug  sein,  um  überprüft  werden  zu  können.  Bildungsstandars  sollen  eine  exakte Bestimmung  vorformulierter  Kompetenzen  liefern;  leider  nicht  für  eine  im  Sachunterricht der  Grundschule  angesiedelte  politische  Bildung,  sondern  nur  in  Hauptfächern  wie Mathematik und Deutsch61:  

Es gibt für die politische Bildung in der Grundschule weder Kompetenzstrukturmodelle noch geklärte Kompetenzdimensionen oder –niveaus.62 

                                                            58 Götzmann, Anke: Naive Theorien zur Politik – Lernpsychologische Forschungen zum Wissen von Grundschülerinnen und –schülern. In: Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie‐Lernen in der Grundschule. Bonn 2007: Bundeszentrale für politische Bildung. S.87 

59 Ebd. 

60 Richter, Dagmar: Welche politischen Kompetenzen sollen Grundschülerinnen und –schüler erwerben? In: Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie‐Lernen in der Grundschule. Bonn 2007: Bundeszentrale für politische Bildung. S.37 61 Vgl. Ebd. S.38 62 Ebd. S.38 

 16 6BKonzeptionen, Vorschläge & Diskussionen 

2.4. Konzeptionen, Vorschläge & Diskussionen  

Wie aus dem vorherigen Kapitel hervorgegangen  ist, sind die Diskussion und die Bestimmung über ein einheitliches Demokratiekompetenz‐Modell noch nicht  abgeschlossen. Trotzdem  gibt  es einige Vorschläge  seitens  der  Forschung,  wie  ein  Modell  aussehen  könnte.  Dieses  Kapitel  soll entsprechende Modelle  der  GPJE,  des  baden‐württembergischen  Kultusministeriums,  der  Gruppe „Sozialwissenschaften“  und  von  GERHARD  HIMMELMANN  darstellen  und  die  fachdidaktische Diskussion und Kritik über die dargestellten Modelle erläutern. 

Zunächst  gilt  es  grundlegende  fachwissenschaftliche  Annäherungen  an  ein  Konzept  von Demokratiekompetenz  zu  referieren,  um  den  aktuellen  Diskussionsstand  der  Fachdidaktik aufzuzeigen. Das zentrale Ziel der „politischen“ Mündigkeit, der „politischen“ Urteilsfähigkeit und der „politischen“  Selbstbestimmung  fundiert  auf  der  Annahme,  dass  eine  „demokratiekompetente Bürgerschaftlichkeit“ nicht existiert63: 

Empirische Untersuchungen weisen  sowohl  bei  den  Jugendlichen wie  bei  den  Erwachsenen auf erhebliche Wissenslücken und Fehlverständnisse hin64 

Der  Bürger  bzw.  Schüler  wird  in  diesem  Fall  zunächst  eher  als  undemokratisches  Individuum dargestellt und die „Demokratie ergibt sich nicht als naturwüchsig“65. Auf Basis dieser Erkenntnisse müssen  die  Kompetenzdefizite  bewältigt  und  konkrete  erstrebenswerte  Kompetenzen  definiert werden.  Aus  dem  mehrdimensionierten  Begriffsverständnis  von  Demokratie,  nicht  nur  als „Systembegriff“  (Regierungsform),  entspringt  eine  Ansammlung  breitgefächerte „Bürgerkompetenzen“. Eine Auswahl davon definiert sich wie folgt: 

• Toleranz (Anerkennung des Gegners) 

• Empathie, Solidarität 

• Denk‐ und Urteilsfähigkeit (Sachkompetenz) 

• Konfliktfähigkeit  

• Usw.66 

                                                            63 Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag. S.130 

64 Ebd. S.130 

65 Habermas, Jürgen: Was macht eine Lebensform rational? In: Habermas, Jürgen: Erläuterungen zur Diskursethik. Frankfurt/M., 2. Aufl. 1992, S.31‐48 66 Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag. S.131‐132 

 

 17 6BKonzeptionen, Vorschläge & Diskussionen 

Desweiteren  gibt  es  eine  Vielzahl  solcher  „Tableaus“,  die  zur  Bestimmung  einer Demokratiekompetenz herangezogen werden. Praktikabel sind diese aber bei weitem nicht, denn es fehlt eine „Systematisierung“ und Strukturierung: 

Die  vorangestellten  Tableaus  zu  den  fachwissenschaftlich  erörterten Bürgerkompetenzen  zeigen,  wie  „uferlos“  die  Begriffe  „mündiger  Bürger“  und „politische  Mündigkeit“  werden  können,  wenn  man  versucht,  sie  konkreter auszudifferenzieren.67 

Wie  sind Kompetenzen  aber  generell definiert bzw.  systematisiert? Die KLIEME‐Expertise68 hat  im Rahmen der  Pisa‐Ergebnisse  einen dreigliedrig definierten  Kompetenzbegriff  ausgemacht, der den Lerner auf mehreren Lernebenen69 ansprechen soll: 

Die Lernebenen der: 

• Kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten 

• Motivationalen und sozialen Bereitschaften und der  

• Nutzanwendung (Handlungskompetenz) 

Diese Dreiteilung hat sich bereits 1995  in der  fachdidaktische Diskussion um eine Bestimmung von Kompetenzbereichen  in  der  politischen  Bildung  vorgezeichnet.  So  stützte  sich  ein  Entwurf  des „Darmstädter Appell“70, der eine Gruppe von Fachdidaktikern und Fachwissenschaftlern umschließt, auf diese: 

• Wissen  über  das  Gesellschafts‐  und  dabei  insbesondere  das  politische  System  und  seine Institutionen, über den Ablauf politischer Prozesse und die dabei geltenden Regeln und über die Alltagswirklichkeit von Politik mit ihren Spannungen zu den Verfassungsnormen; 

• Einstellungen  wie  die  Bereitschaft,  Meinungsvielfalt  und  Meinungskonkurrenz  in  einer pluralistischen Gesellschaft auszuhalten, sich an der Austragung von Konflikten zu beteiligen und Kompromisse zu ertragen; 

• Fähigkeiten  wie  die  Handlungs‐  und  Gestaltungskompetenz  zur  Nutzung  von Partizipationschancen sowie Entscheidungs‐ und Problemlösungsfähigkeit 

 

                                                            67 Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag. S.132 

68 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandars. Bonn 2003: BMBF. 

69 Vgl. Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag. S.125 

70 Darmstädter Appell: Aufruf zur Reform der „Politischen Bildung“ in der Schule. In: Politische Bildung, Jg.28/1995, Heft 4, S.139‐143. 

 18  

Die  Aufteilung  in  Wissen,  Einstellungen  und  Fähigkeiten  weist  in  jedem  Fall  Parallelitäten  zum grundlegenden  Kompetenzbegriff  der  KLIEME‐Expertise  auf.  Wichtig  dabei  ist,  dass  nicht  nur „kognitive Merkmale“ im Vordergrund stehen, sondern auch „motivationale und handlungsbezogene Merkmale“ zum Kompetenzbegriff dazugehören.71 Es besteht Zweifel daran, ob dies wirklich befolgt wird, denn  „vor allem die kognitiv ausgerichteten und eher überprüfbaren  Standards“ können die „sozialen  und  kommunikativen  Fähigkeiten  sowie  die  praktisch‐instrumentellen  Fertigkeiten“ verdrängen. Diese Zweifel bestehen auch bei soft‐skills der „Demokratiekompetenz“.72 Im Folgenden sind  Konzepte  dargestellt,  die  versuchen  den  Anforderungen  des  Kompetenzbegriffs  gerecht  zu werden  und  gleichzeitig  anwendungstauglich  für  die  politische  Bildung  an  Schulen  zu  sein.  Im Rahmen  dieser  wissenschaftlichen  Hausarbeit  soll  weiterhin  überprüft  werden,  inwiefern  die Konzepte Bezüge zur Grundschule herstellen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                            71 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandars. Bonn 2003: BMBF. S.72 

72 Vgl. Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag. S.127 

 19 7BAnsatz der Gruppe „Sozialwissenschaften“ 

2.4.1.  Ansatz der Gruppe „Sozialwissenschaften“  

Diese  Expertise  soll  ein  Kerncurriculum  für  Politikunterricht  darstellen, wobei  der  Fokus  bewusst nicht  nur  auf  die  „Politik  als  Kern“73  gelegt  werden  soll.  Die  Autoren  wenden  in  diesem Zusammenhang  auch  den  Begriff  „Demokratie‐Lernen“  an.  Das  Modell  versucht Demokratiekompetenz durch fünf untergliederte „Demokratie‐Kompetenzen“74 zu umranden: 

• Perspektivenübernahme (Rollenübernahme) 

• Konfliktfähigkeit 

• Sozialwissenschaftliches Denken, 

• politisch‐moralische Urteilsfähigkeit und 

• Partizipation 

 

Diese  Kompetenzen  sind  jedoch  nicht  voneinander  isoliert  sondern  miteinander  vernetzt  zu betrachten.  Trotzdem  stehen  sie  durch  ihr  „allgemeines  Selbstverständnis  und  der Forschungstradition  des  Faches“  abseits  der  Grundschule;  sie  sind  lediglich  für  die  gymnasiale Oberstufe konzipiert. Die genauere Kompatibilität der Kompetenzen mit den  jeweiligen Schulstufen wird generell nicht untersucht. Zusätzlich vermisst man bei diesem Modell eine gewisse Struktur und die „Dreiteilung des Lernens“75, so dass die Kompetenzen „besonders aus  internationaler Sicht  […] eher „gegriffen““76 erscheinen. 

 

 

 

 

 

                                                            73 Vgl. Massing, Peter; Weißeno, Georg (Hrsg.): Politik als Kern der politischen Bildung. Wege zur Überwindung unpolitischen Unterrichts. Opladen 1996: Leske & Budrich. 

74 Vgl. Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag. S.133‐135 

75 Vgl. Ebd. S.135 

76 Ebd. S.135 

 

 20 8BKonzept der GPJE (Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend‐ und 

Erwachsenenb g) 

2.4.2. Konzept der GPJE (Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend‐ und Erwachsenenbildung) 

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Die  GPJE77  sieht  in  ihrem  Entwurf  den  primären  Bildungsauftrag  der  „Entwicklung  politischer Mündigkeit“ und der Befähigung für „eine erfolgreiche Partizipation“ vor.78 Insbesondere fordert er eine  „fächerübergreifende  Kooperation“,  wodurch  die  politischen  Inhalte  der  Fächer  gebündelt, systematisiert,  stimuliert  und weitergeführt werden  sollen. Die  konzeptionelle  Basis  des  Entwurfs fußt auf einem „umfassenden Politikbegriff, der sich auf die Regelung von grundlegenden Fragen und Problemen  des  gesamtgesellschaftlichen  Zusammenlebens  bezieht.“79  Er  umfasst  zusätzlich  zum Politikbegriff im engeren Sinne wirtschaftliche, gesellschaftliche und rechtliche Fragen und Probleme. Die  Themen  sind  nicht  voneinander  getrennt,  sondern  können  genutzt  werden,  um Wechselwirkungen  und  Zusammenhänge  aufzuzeigen.  Desweiteren  spricht  sich  die  GPJE  für  eine „einheitliche  Fachbezeichnung“  aus;  in  der  Grundschule  für  „Sachunterricht“  und  in  der Sekundarstufe I und II für „Politische Bildung“. Die konkreten Kompetenzbereiche werden aufbauend darauf,  dass  „Politikunterricht  […]  nicht  an  einem  Nullpunkt,  sondern  auf  bereits  vorhandene Einstellungen und Deutungen sowie vorhandenes Wissen bei Schülerinnen und Schülern“ beginnt, in ein grafisch dargestelltes „konzeptuelles Deutungswissen“ eingebettet: 

 

Abbildung 1 aus Sander In: Redaktion politische Bildung & kursiv –Journal für politische Bildung S.47 

 77 GPJE: Anforderungen an Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen. Ein Entwurf. 2.Auflage, Schwalbach/Ts., 2004: Wochenschau Verlag. 

78 Ebd. S.9 

79 Ebd. S.10 

 21 8BKonzept der GPJE (Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend‐ und 

Erwachsenenbildung) 

Die Aufteilung der Kompetenzbereiche  in  „politische Urteilsfähigkeit, politische Handlungsfähigkeit und methodische Fähigkeiten“ stellen untereinander Bezüge her, und müssen daher auch  in „ihren wechselseitigen Zusammenhängen gesehen werden.“80  Im Gegensatz zum Entwurf der Gruppe der Sozialwissenschaften  liefert  der  Entwurf  der  GPJE,  basierend  auf  den  drei  bestimmten Kompetenzbereichen,  ausformulierte  Bildungsstandards  für  die  Grundschule  am  Ende  der  Klasse vier81: 

 

Politische Urteilsfähigkeit: 

Die Schülerinnen und Schüler können 

• An  Beispielen  Aufgaben  ausgewählter  öffentlicher  Institutionen  auf  verschiedenen politischen Ebenen erklären; 

• Die Bedeutung von Regeln und Gesetzen für das Zusammenleben erklären; 

• Usw. 

 

Politische Handlungsfähigkeit 

Die Schülerinnen und Schüler können 

• Eigene  Urteile  zu  fachlichen  Fragen  formulieren  und  begründen  sowie  andere  Positionen tolerieren 

• Mit  (kulturellen,  sozialen,  politische,  geschlechtsspezifischen  usw.)  Differenzen  umgehen, eine eigne Sichtweise entwickeln und Kompromisse schließen; 

• Usw. 

 

Methodische Fähigkeiten 

Die Schülerinnen und Schüler können 

• Eine soziale Situation gezielt beobachten und über die Beobachtung berichten 

• Eine fachrelevante soziale Situation spielerisch simulieren 

• Usw. 

                                                            80 Vgl. GPJE: Anforderungen an Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen. Ein Entwurf. 2.Aufl.; Schwalbach/Ts., 2004: Wochenschau Verlag. S.13 

81 Vgl. Ebd. S.19‐20 

 22 8BKonzept der GPJE (Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend‐ und 

Erwachsenenbildung) 

Bei kritischer Betrachtung des Ansatzes wird deutlich, dass die „empirischen und normativen Bezüge“ nicht  deutlich  genug  sind. Der Ansatz wirkt  zudem  recht  provisorisch  und  in  ähnlicher Weise wie beim  Entwurf  der  Gruppe  „Sozialwissenschaften“  fehlt  die  Begründung  für  die  Auslegung  der Kompetenzbereiche.  Schließlich  fehlen  Vergleiche  mit  internationalen  Ansätzen,  so  dass  der Anschluss an die „Debatte etwa um „Civic Education“, „Education  for Democracy“ oder „Education for Democratic Citizenship““ nicht gesucht wird. 82 

Insgesamt sollten sowohl das Gutachten der Gruppe Sozialwissenschaften und der Vorschlag der GPJE als domänenspezifische  Formulierungen  von Kompetenzen und Bildungsstandards kritisch  geprüft  und  mit  anderen,  vor  allem  fächerübergreifenden,  schulkulturellen  und internationalen  Entwürfen  verglichen  werden,  um  bei  der  Formulierung  von Demokratiekompetenz Berücksichtigung zu finden.83 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                            82 Vgl. Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag. S.138‐139 

83 Ebd. S.139 

 23 9BKonzept des Demokratie‐Lernens (Gerhard Himmelmann) 

2.4.3. Konzept des Demokratie­Lernens (Gerhard Himmelmann)  

Das Bemühen HIMMELMANNs84  zielt auf eine  „Schwerpunktverlagerung  in der politischen Bildung von  Politik‐Lernen  hin  zum  Demokratie‐Lernen“  ab.  Das  Mauerwerk  des  Konzepts  bildet  der Demokratie‐Begriffskomplex  unter  Federführung  des Autors  (hier  in  der Arbeit  erläutert)  und  ein „fachliches Kernkonzept“  in der KLIEME‐Expertise85. Die Ausformulierung und Systematisierung der Bildungsstandards  erfolg  anhand  dreier  Lernebenen,  die  jeweils  durch  „acht  Eckpunkte“  flankiert werden. Sie sind im Folgenden mit jeweils einem „Eckpunkt“ exemplarisch dargestellt: 

• Affektiv‐moralische Einstellungen („commitments“, „attitudes“, „dispositions“) 

o Anerkennung  der  Prinzipien  der Universalität,  Interpendenz  und Unteilbarkeit  der Grundrechte und Gesundfreiheiten 

• Allgemeine kognitive Fähigkeiten („knowledge“, „understanding“) 

o Erkennen  (wiedergeben und beschreiben) eines  Sachverhalts, einer Aussage, eines Problems, einer Situation, eines Konflikts (Sachkenntnis) 

• Praktisch‐instrumentelle Fertigkeiten („skills“, „strategies“) 

o Meinungen  und  Argumente  anderer  erfassen  und  ernst  nehmen,  andere Meinungsträger  als  Person  anerkennen,  sich  in  die  Lage  anderer  versetzen,  Kritik ertragen, zuhören (Dialog, Empathie) 

 

HIMMELMANN  stuft  die  „Förderung  von  Einstellungen,  Bereitschaften  und  Haltungen  zu demokratischen Prinzipien“, also die affektiv‐moralische  Lernebene, als besonders wichtig ein und ordnet diese an erster Stelle vor den restlichen Lernebenen ein. Selbstkritisch spricht der Autor von „vielen Überschneidungen  zu  den  […]  bisher  erörterten  Kompetenzmodellen“  und  vom  Bedürfnis „weiterer Bearbeitung und Diskussion“. Auf der anderen Seite sieht HIMMELMANN in seinem Ansatz für eine „demokratie‐kompetente Bürgerschaftlichkeit […] den Anspruch, weiter und tiefer zu greifen als die Modelle der Gruppe Sozialwissenschaften oder der GPJE“.86 

 

                                                            84 Vgl. Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag. S.139‐142 

85 Siehe unter : Bundesministerium für Bildung und Forschung: Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandars. Bonn 2003: BMBF. 

86 Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag. S.142 

 

 24 10BAnsatz im baden‐württembergischen Bildungsplan für die Grundschule 

2.4.4. Ansatz  im  baden­württembergischen  Bildungsplan  für  die Grundschule 

 

Der  baden‐württembergische  Bildungsplan  liefert  ebenfalls  konzeptionelle  Grundlagen  für  eine politische  Bildung.  VON  HENTIG87  schreibt  bereits  im  Vorwort  von  „Mitspracherechte[n]“, „Mitsprachepflicht“ und  „Redefähigkeit  […]  im Zeitalter von Mitsprache und Demokratie“. Auf der Grundlage  der  KLIEME‐Expertise  gliedert  er  die  zu  erreichenden  Lernziele  in  Einstellungen, Fähigkeiten  und  Kenntnisse.  Im  weiteren  Verlauf  formuliert  VON  HENTIG  Leitfragen88,  die  zur Konkretisierung der  vorformulierten  eher weittragenden Kompetenzbereiche beitragen  sollen.  Für den Bereich „Demokratie lernen“ sind dies folgende: 

• Welche Formen der Mitsprache und Mitgestaltung gibt es auf der Ebene der Klasse und der Schule? 

• Wie  fördern  wir  die  Übernahme  von  Verantwortung  und  die  Sprachfähigkeit  so,  dass Schülerinnen  und  Schüler  der  Ordnung  der  gemeinsamen  Angelegenheiten  mitwirken können und wollen? 

• Welche Unterstützung erhält die Schülermitverantwortung? 

• Welche Anschauung geben wir von der politischen Demokratie „draußen“? 

 

Für  das  Land  Baden‐Württemberg  übernimmt  der  Fächerverbund Mensch,  Natur  und  Kultur  die Bereiche „In Gemeinschaft  leben“ und „Demokratie  leben“ und dadurch auch die Ausbildung einer entsprechenden  Demokratiekompetenz.  Auch  hier  werden  die  Kompetenzen  nicht  streng  von einander abgekoppelt,  sondern  „können  […] auch durch  Inhalte anderer Kompetenzfelder erreicht werden.“89 Die Kompetenzfelder reißen Demokratie‐Lernen  jedoch nur ansatzweise an. So heißt es beispielsweise  im Kompetenzfeld für die vierte Klasse der Grundschule „Ich – Du – Wir: Zusammen leben, miteinander gestalten, voneinander lernen“90: 

 

 

 

 

 

                                                            87 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden‐Württemberg: Bildungsplan für die Grundschule. Villingen‐Schwenningen 2004: Neckar‐Verlag. S.7‐19 

88 Ebd. S.18 

89 Ebd. S.97 

90 Ebd. S.104 

 25 10BAnsatz im baden‐württembergischen Bildungsplan für die Grundschule 

Die Schülerinnen und Schüler können: 

• Bewusst Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei  ihren Mitmenschen wahrnehmen und die Merkmale des Gegenübers mitteilen 

• Einander  zuhören,  Erfahrungen  und  Meinungen  anderer  abwägen  sowie  ihre  eigene Meinung begründen 

                                                           

• Gegenüber  anderen  Menschen  in  ihrer  Verschiedenartigkeit  Verständnis  und  Toleranz entwickeln 

 

Aufgrund  von  fehlenden  wissenschaftlichen  Referenzmaterials  zum  baden‐württembergischen Bildungsplan,  sind  die  folgenden  Aussagen wissenschaftlich  nicht  evident.  Sie  dienen  lediglich  als erster  Ansatz  für  weiterführende  Diskussionen  und  stützen  sich  vorwiegend  auf  Aussagen  von HIMMELMANN91 zu vorhergehenden Kompetenzmodellen: 

Auch  hier  sucht man  eine  Begründung  für  die  hier  ausgewählten  Kompetenzen.  Die  Abgrenzung gegenüber  zu  anderen  „unpolitischen“  Kompetenzen  ist  hier  nicht  gegeben.  Die  einzelnen  für politische Bildung relevanten Kompetenzen sind hier in ein sehr breit gefächertes nicht trennscharfes Kompetenz‐Konglomerat  eingebunden,  was  zwar  im  Sinne  eines  fächerübergreifenden  Ansatzes grundsätzlich zu befürworten ist,  aber   Demokratie‐Lernen gleichzeitig als unbewusstes, schwebend wirksames Lernziel erscheinen lässt. Die Vermittlung domänenspezifischen Wissens um „Demokratie ‐Lernen“  ist  durch  die  ungenügende Dominanz  und  Exponiertheit  innerhalb  dieses Ansatzes  nicht gewährleistet. Der  Trennung  zwischen  politischer Bildung  und  sozialen  Lernen  kann dieser Ansatz daher auch nicht gerecht werden.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 91 Vgl. Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag. S.139‐142 

 26 11BUnterrichtskonzept – „Taschengeld – für alle Eltern Pflicht?“ 

3. Unterrichtskonzept  –  „Taschengeld  –  für  alle Eltern Pflicht?“ 

 

Das  folgende  Unterrichtskonzept  soll  als  Analyseinstrument  dienen,  um  eines  der  dargestellten Demokratiekompetenz‐Modelle hinsichtlich Grenzen und Möglichkeiten politischen  Lernens  in  der Grundschule  zu  überprüfen.  Zunächst  werden  die  dazu  nötigen  Planungsschritte  des Unterrichtskonzepts in Anlehnung an VOLKER und LANGE92 veranschaulicht. Anschließend folgt eine konkrete  Erarbeitung  der  didaktisch‐methodischen  Verlaufsstruktur.  Schließlich  wird  das entsprechende Kompetenz‐Modell ausgewählt und die Auswahl mit Blick auf das bereits vorgestellte Unterrichtskonzept begründet.  

Das Unterrichtskonzept  für  eine  Grundschule  kann  natürlich  nicht  ohne  eine  exakte  Planung  der einzelnen methodischen Schritte geschehen. Es gilt genaue Überlegungen darüber anzustrengen, um beispielsweise den Kenntnisstand der Schüler, das Thema und die damit zu erwartenden Reaktionen der Schüler abzuwägen.  LANGNER93  stellt ein Planungs‐ und Analysemodell  (siehe Abb. 2)  für den politischen Unterricht  vor,  in  dem  sich  politische,  didaktische  und methodische  Strukturelemente entfalten. Die  politische Dimension wird  im Vorfeld  vor  der  eigentlichen  didaktisch‐methodischen Unterrichtsplanung  gesehen und  zugleich wird  auf  die  „wechselseitig[e] Verflechtung“94  innerhalb der Strukturelemente hingewiesen. Daraus ergibt sich dann die idealtypische Vorgehensweise, in der zunächst  das  Politische  im Unterricht  ausgearbeitet wird,  und  darauf  basierend,  die  didaktischen Überlegungen und die konkreten methodischen Schritte ausformuliert werden.   

                                                            92 Vgl. Reinhardt, Volker; Lange, Dirk (Hrsg.): Planung Politischer Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Baltmannsweiler 2007: Schneider Verlag Hohengehren. 

93 Langner, Frank: Planungs‐ und Analysemodell für den politischen Unterricht . In: Reinhardt, Volker; Lange, Dirk (Hrsg.): Planung Politischer Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Baltmannsweiler 2007: Schneider Verlag Hohengehren. S.12‐22 

94 Ebd. S.12 

 27 11BUnterrichtskonzept – „Taschengeld – für alle Eltern Pflicht?“ 

 

Abbildung 2 aus Langner In: Reinhardt u.a. S.13

Die  folgende Unterrichtskonzeption  liegt dem Planungs‐ und Analysemodell  zu Grunde. Die exakte Ausformulierung der politischen und didaktischen  Strukturelemente würde den Rahmen bezüglich einer grundschulgemäßen politischen Bildung sprengen und überschneiden sich mit vorhergehenden Kapiteln  (s.  „Begriffsannäherung  und  Legitimation“).  Ich  möchte  mich  daher  primär  auf  die methodische  Strukturierung  fixieren.  Die methodische  Struktur  geht  davon  aus,  dass  der  in  der didaktischen  Struktur  erfasste  Unterrichtsinhalt  vom  Lerner  erarbeitet  und  das  Erarbeiten „unterrichtlich inszeniert“ wird. 95 Unter Erarbeitung versteht Langner „Handlungsmuster“, die einen produktiven Umgang mit dem Unterrichtsinhalt verfolgen. Sie sind im Folgenden aufgelistet: 

• Strukturierung 

• Zuordnen 

• Vergleichen 

• Anwenden 

• Ergänzen 

• Entwickeln 

• Schwerpunkte bilden96 

                                                            95 Vgl. Langner, Frank: Planungs‐ und Analysemodell für den politischen Unterricht . In: Reinhardt, Volker; Lange, Dirk (Hrsg.): Planung Politischer Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Baltmannsweiler 2007: Schneider Verlag Hohengehren. S.17 

96 Vgl. Ebd. S.18‐19 

 28 11BUnterrichtskonzept – „Taschengeld – für alle Eltern Pflicht?“ 

Der  Handlungsrahmen  für  die  Erarbeitung  sind  „die  Entscheidungsfelder  der  Inszenierung“97,  die festlegen  wie  die  Erarbeitung  inszeniert  wird.  Die  Inszenierung  umfasst  folgende  Punkte: Dramaturgie, Kommunikation, Interaktion, Verlauf und Raum.98 

Keineswegs  müssen  dabei  alle  genannten  Punkte  zur  methodischen  Strukturierung  akribisch durchgenommen  werden,  sondern  das  Konzept  soll  lediglich  ein  möglicher  Wegweiser  zu  einer modernen  Unterrichtsinszenierung  politischer  Bildung  darstellen.  Unmittelbar  und  zur „abschließenden Prüfung einer Unterrichtsplanung“ sind potentielle „Lernfallen“  ins Bewusstsein zu rufen, die dazu führen können, dass politisches Lernen unzureichend oder gar nicht stattfinden kann. Exemplarisch  und  mit  Schwerpunktsetzung  auf  die  Grundschule  möchte  ich  folgende  Lernfallen hervorheben: Die Wissensfalle, die Meinungsfalle und die Programmfalle. Die Wissensfalle tritt dann ein, wenn  zu  viele  Einzelinformationen  den  eigentlichen  Lerngegenstand,  nämlich  das  Politische, verdrängen.  Die  Meinungsfalle  meint  die  Reduktion  des  Unterrichts  auf  unproduktiven Meinungsaustausch  und  die  Programmfalle macht  schließlich  auf  eine mögliche  Engführung  des Unterrichts  aufmerksam,  die  „zu wenig  Raum  und  Zeit  für  die moralischen,  ästhetisch‐kreativen, hermeneutischen und diskursiven Dimensionen Poltischer Bildung lässt“.99 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                            97 Vgl. Langner, Frank: Planungs‐ und Analysemodell für den politischen Unterricht . In: Reinhardt, Volker; Lange, Dirk (Hrsg.): Planung Politischer Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Baltmannsweiler 2007: Schneider Verlag Hohengehren. S.19 

98 Vgl. Ebd. S.20 

99 Ebd. S.21 

 

 29 12BPolitische Strukturierung 

3.1. Politische Strukturierung  

Das Themenfeld „Taschengeld – Für alle Eltern Pflicht?“ beinhaltet vielfältige politische Themen: von Partizipation bis hin zur medienkritischer Diskussion. Die Erarbeitung der politischen Strukturierung erfolgt  entlang des  komplexen Politikbegriffs: der  „Unterrichtsinhalt  lässt  sich daraufhin befragen, welche  Aspekte  politischer  Form  (polity),  politischen  Inhalts  (policy)  und  politischer  Prozesse (politics)  er  repräsentiert.“  Da  es  hier  aber  nicht  nur  um  politischer  Bildung  im  Sinne  von „Politikunterricht“,  sondern  um  „Demokratie‐Lernen“  geht,  und  die  Auswertung  des Unterrichtsversuchs auf Basis eines Demokratiekompetenz‐Modells geschehen soll, möchte ich  auch Bezug  zum  dreigliedrigen  Demokratiebegriff  und  dessen  Stufenmodell  in  Anlehnung  an HIMMELMANN nehmen. HIMMELMANN  liefert hier einen Ansatz, der  für  jede Schulstufe wirksam werden kann. Die Grafik (s. Abb. 3) zeigt, dass der dreigeteilte Demokratie‐Begriff einen spezifischen Schwerpunkt für jede Schulstufe determiniert: 

 

 

Abbildung 3 aus Himmelmann In: Breit u.a. S.35 

 

Der Schwerpunkt für eine politische Bildung in der Grundschule liegt offensichtlich in der Demokratie als  Lebensform  mit  der  Zielsetzung  soziale,  moralische  und  personale  Voraussetzungen  für  das spätere Demokratie‐Lernen  bzw.  für  den  späteren  Politikunterricht  zu  erlangen.  Partizipation  und Diskussion rund ums Thema „Taschengeld – Für alle Eltern Pflicht?“ bieten hier Anknüpfungspunkte für  den  gesamt‐gesellschaftlichen  Demokratiebegriff  sowie  für  den  Politikbegriff  als  Prozess. 

 30 12BPolitische Strukturierung 

Partizipation kann zum einen zeigen, welche moralisch‐affektiven Voraussetzungen notwendig sind, um überhaupt Stellung beziehen und seine Meinung veräußern zu können, um erfolgreich an einer Wahl  teilzunehmen.  Desweiteren  zeigen  diese  Methoden  über  welche  „Regierungskünste“100 Politiker  verfügen  müssen,  um  beispielsweise  eine  konsensfähige  Meinung  innerhalb  einer meinungsdivergierenden Diskussion  auszuhandeln. Der Politikbegriff  greift hier  auf der  Ebene  von politics;  der  Ebene  von  politischen  Prozessen.  Taschengeld  tangiert  zudem  die  Lebenswelt  der Schülerinnen und Schüler einer vierten Grundschulklasse, wodurch das Nachvollziehen und Erleben von Demokratie bzw. Politik intensiviert wird. Das Thema „Taschengeld – Für alle Eltern Pflicht?“ wird durch  ein  Interview mit  Finanzminister  Peer  Steinbrück  unterfüttert,  das  im  Rahmen  der  Kinder‐Nachrichten  „Logo!“  im  ZDF101  geführt  worden  ist.  Der  kritische  Umgang  mit  Medien  kann  als tragfähiges Instrument für politische Bildung auch in der Grundschule fungieren: „Medien gelten als Agenturen  der  politischen  Sozialisation,  erste  politische  Orientierungen  werden  erworben“102. Finanzminister  Steinbrück  impliziert  in  erster  Linie  unter  dem  Aspekt  von  polity  Wissen  über politische Ordnungsrahmen und Hierarchien. Demokratie findet diesbezüglich unter dem Aspekt der Herrschaftsform  an  Gewichtung.  Desweiteren  lassen  sich  im  Interview  Begriffe  wie  Parlament, Bundestag und die Bundesregierung  identifizieren, die  sich ebenfalls auf der Ebene  von Politik als polity zuordnen  lassen. Es sind aber nicht nur politische Elemente vertreten, die sich ausschließlich auf  das  prototypische  Verständnis  von  Politik  als  das  Handeln  und  Entscheiden  durch  Politiker beziehen.  Das  Thema  „Taschengeld“  selbst  eröffnet  „in  einem  erweiterten  Staatsverständnis  […] diejenigen  alltäglichen  Handlungsformen  […],  die  (…)  am  Prozess  der  Herstellung  allgemeiner Verbindlichkeit  beteiligt  sind“.103  Die Grundschülerinnen  und  Grundschüler  erfahren  im  Interview entsprechende Anreize für Diskussionen: Finanzminister Steinbrück berichtet aus eigener Erfahrung als Erziehungsberechtigter davon, dass seine Kinder früher Taschengeld bekommen hätten, wenn sie dafür  auch  eine  Gegenleistung  erbracht  hätten.  Taschengeld  kann  trotz  seines  eher  alltäglichen Charakters  als  ein  demokratischer  bzw.  politischer  Aushandlungsprozess  in  einer  eher undemokratischen  Lebensform  (Familie)  verstanden  werden.  Dabei  entfaltet  das  Thema „Taschengeld“ nicht nur politische Inhalte, sondern wirft auch unter ökonomischen, rechtlichen und soziologischen Gesichtspunkte Fragen auf, die bereits im Interview angesprochen werden: Kann man ein Taschengeld  verpflichtend  für alle Eltern einführen? Können Politiker darüber entscheiden, ob Taschengeld an Kinder zu entrichten ist? Wie viel Taschengeld müssen die Eltern zahlen? Was ist mit den Eltern, denen es nicht so gut geht, und die evtl. gar kein Taschengeld bezahlen können? 

 

                                                            100 Vgl. Rohe, Karl: Politik. Begriffe und Wirklichkeiten. 2.Aufl.; Stuttgart, 1994: Kohlhammer Verlag. 

101 Für mehr Informationen ZDF: Kindernachrichten „logo!“http://www.tivi.de/fernsehen/logo/start/index.html (12.09.2007) 

102 Kuhn, Hans‐Werner: Medien – politische Medienkompetenzen fördern. In: Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie‐Lernen in der Grundschule. Bonn 2007: Bundeszentrale für politische Bildung. S.294 

103 Lange, Dirk: Alltagsorientierte politische Bildung. Vom politikfernen Alltag zur Alltagspolitik. In: Kursiv – Journal für politische Bildung 1/2004, S.36‐43 

 31 13BDidaktische Strukturierung 

3.2. Didaktische Strukturierung 

                                                           

 

Die  zugrunde  liegende  politische  Strukturierung  dient  nun  zur  Basis  für  die  weitere Unterrichtsplanung.  In  der  didaktischen  Strukturierung  geht  es  in  erster  Linie  darum,  „das  aus politikdidaktischem  Blickwinkel  unterrichtlich Wünschenswerte  und Mögliche  festzulegen“104  und entsprechende  Ziele  für  den  durchzuführenden  Unterricht  zu  formulieren.  Ein  entsprechender Katalog  an  Kompetenzen  muss  abgeprüft  werden,  entlang  diesem  auch  später  eine  qualitative Aussage  über  den  Unterricht  getroffen  werden  kann.  Für  diesen  Zweck  sind  bereits  im  Kapitel „Konzeptionen,  Vorschläge  und  Diskussionen“  mögliche  Modelle  dargestellt  worden,  die  eine Demokratiekompetenz  umschreiben  sollen.  Mit  Hinblick  auf  die  Grundschule  und  der  zentralen Fragestellung, inwiefern die Konzeption einer Demokratiekompetenz dort umsetzbar ist, möchte ich für  diesen  Unterrichtsversuch  das  Kompetenzmodell  der  GPJE105  sowohl  als  Grundlage  für  die videographische  Auswertung  im  Anschluss  dieses  Kapitels  als  auch  für  die  Ausarbeitung  der didaktischen Struktur des Unterrichtskonzepts heranziehen. Die Begründung für diese Auswahl wird im  folgenden  Abschnitt  detailliert  ausgeführt.  Das  Kompetenz‐Modell  der  GJPE  sieht  drei Kompetenzbereiche,  die  unter  der  Leitvorstellung  eines mündigen  Bürgers106  angestrebt  werden sollen: politische Urteilsfähigkeit, politische Handlungsfähigkeit und methodische Fähigkeiten. Daraus ergeben  sich  für  das  Thema  „Taschengeld  –  für  alle  Eltern  Pflicht?“,  bezüglich  der Urteilsbildung, Handlungsfähigkeit  und  methodischen  Fähigkeiten,  verschiedene  Anknüpfungspunkte,  die  ich anhand von mehreren Fragen hervorheben möchte: 

• Welche  politischen  Informationen  finden  sich  überhaupt  im  gezeigten  Interview? (methodische Fähigkeiten) 

• Welche  Stellung  nimmt  der  Finanzminister  zum  Thema  „Taschengeld?“  (methodische Fähigkeiten u. politische Urteilsfähigkeit) 

• Was hältst du von der Meinung des Finanzministers zum Thema „Taschengeld?“  (politische Urteilsfähigkeit) 

• Welche Argumente  fallen dir  für und gegen ein verpflichtendes Taschengeld  für alle Eltern ein? (politische Urteilsfähigkeit u. politische Handlungsfähigkeit) 

• Wenn  du  zur  Wahl  gehen  könntest,  würdest  du  für  oder  gegen  ein  verpflichtendes Taschengeld stimmen? Begründe deine Entscheidung! (politische Handlungsfähigkeit) 

 

 

 104 Langner, Frank: Planungs‐ und Analysemodell für den politischen Unterricht . In: Reinhardt, Volker; Lange, Dirk (Hrsg.): Planung Politischer Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Baltmannsweiler 2007: Schneider Verlag Hohengehren. S.14 

105 Zur genauen Erläuterung des GPJE‐Konzepts siehe Kapitel „ Konzeptionen, Vorschläge und Diskussionen“ 

106 Vgl. Ebd. S.15 

 32 13BDidaktische Strukturierung 

Die Fragen  sind ebenso wie die Kompetenzbereiche des GPJE‐Modells, auf dem  sie beruhen, nicht voneinander  getrennt  zu  betrachten,  sondern  interagieren miteinander,  überschneiden  sich  und setzen  zusammenhängende  Fragen  voraus.  Beispielsweise  kann  noch  keine  Meinung  über  die Stellung des  Finanzministers  zum Thema  „Taschengeld –  Für alle Eltern Pflicht?“ gebildet werden, wenn  die  Haltung  des  Finanzministers  vorher  nicht  identifiziert  wurde.  Für  eine  vierte Grundschulklasse,  an  der  dieser  Unterricht  durchgeführt  wird,  müssen  entsprechende Niveauangleichungen berücksichtigt werden. Das Thema „Taschengeld – Für alle Eltern Pflicht?“ stellt in  jedem Fall Bezüge zur Lebenswelt der Kinder dar; es kann davon ausgegangen werden, dass die meisten  Eltern  in  Deutschland  ihren  Kindern  Taschengeld  zahlen.  Problematisch  sind  politische Informationen,  die  hauptsächlich  auf  die  Regierungsform  in  Deutschland  abzielen  und domänenspezifisches Wissen über Politik darstellen. Begriffe wie Bundeshaushalt, Bundesregierung, Parlament  und  Sozialpolitik  müssen  erwartungsgemäß  im  Vorfeld  oder  während  der Nachbesprechung  des  gezeigten  Interviews  geklärt  und  im  besten  Fall  visualisiert  werden.  Ein unreflektierter  Umgang  könnte  falsche  Konzeptionen  über  das  aufgenommene  „Politische“ hinterlassen.  Im Zuge einer Ergebnissicherung sollten diese Begriffe daher  in  jedem Fall Erwähnung finden.  Für  die  Reflexion  des  Interviews  besteht  die  Gefahr,  dass  die  Gespräche  sehr  gestreut verlaufen und auf deskriptiver Ebene verharren. Um dies zu vermeiden wird ein Aufgabenblatt mit Fragen  ausgeteilt,  das  die  Sichtung  des  Interviews  auf  Themenrelevantes  fokussiert,  und  die Nachbesprechung des Interviews sinnvoll unterstützt. Für den weiteren „didaktischen Zuschnitts des Lerninhalts“107  wird  der  Lerngegenstand  entlang  vier  Prinzipien108  strukturiert: Adressatenorientierung,  exemplarisches  Lernen,  Problemorientierung  und  Kontroversität.  Das Thema  „Taschengeld  –  Für  alle  Eltern  Pflicht?“  entspricht  der  Lebenswelt  der  Lerner,  und  die Erfahrungen und Meinungen hierzu werden  in einer Diskussion eingeholt  (Adressatenorientierung). Taschengeld  ist ein Thema, das  im Rahmen einer Familie demokratisch ausgehandelt werden kann, obwohl die dort vorherrschenden Strukturen tendenziell undemokratisch sind. Dennoch kann damit exemplarisch  veranschaulicht  werden,  welche Möglichkeiten  vorhanden  sind  um  Interessen  und Meinungen  zu  veräußern,  und  welche  Schwierigkeiten  sich  ergeben,  wenn  es  darum  gehen  soll konsensfähige Lösungen anzustreben (exemplarisches Lernen). Diese Aushandlungsprozesse sind mit denen aus der „realen“ Politik vergleichbar; beispielsweise wenn es um die Diskussion über ein neues Gesetz  geht, das  im Bundestag  verabschiedet werden  soll. Der Zusatz  „Für  alle Eltern Pflicht?“  ist provokativ  und  zeigt  zudem  den  „Problemgehalt  des  Politischen“109,  denn  ein  solches „Taschengeldgesetz“  fällt  nicht  in  den  Zuständigkeitsbereich  der  Politiker,  obwohl  es höchstwahrscheinlich  den  Interessen  einiger  Jugendlichen  und  Kinder  entsprechen  würde (Problemorientierung).  Außerdem  kollidiert  dieses  Gesetz  mit  den  Entscheidungs‐  und Handlungsfreiheiten der Eltern als Erziehungsberechtigte, die dadurch beschnitten werden würden.  

 

                                                            107 Langner, Frank: Planungs‐ und Analysemodell für den politischen Unterricht . In: Reinhardt, Volker; Lange, Dirk (Hrsg.): Planung Politischer Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Baltmannsweiler 2007: Schneider Verlag Hohengehren. S.16 

108 Vgl. Ebd. S.16 

109 Ebd.  

 33 13BDidaktische Strukturierung 

Zur  zusätzlichen  Erleichterung  stehen  drei  politikdidaktische  Figuren110  zur  Auswahl,  die  die Einhaltung  der  bereits  erwähnten  Prinzipien  untermauern  soll:  Der  Fall,  die  Situation  und  das Problem.  Im  hier  beleuchteten  Unterrichtskonzept  soll  vorwiegend  auf  die  politikdidaktischen Figuren  „Fall  und  Problem“  zugegriffen  werden.  Ein  Taschengeldgesetz  ist  aus  Sicht  der  Kinder wünschenswert, aber nicht umsetzbar. Dies soll anhand eines Falls für die Schülerinnen und Schüler nachvollziehbar werden. Durch den Fall werden einseitige Perspektiven der Schülerinnen und Schüler ausgeweitet  und  provoziert: warum  kann  es  so  etwas wie  ein  „Taschengeldgesetz“  nicht  geben? Dabei kann erwartet werden, dass manche Schülerinnen und Schüler schon sehr gut nachvollziehen können, warum  es  solch  ein  Gesetz  nicht  geben  kann.  Hier  soll  vor  allem  Antwort  zum Warum gegeben werden – wenn dies überhaupt möglich ist. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                            110 Vgl. Langner, Frank: Planungs‐ und Analysemodell für den politischen Unterricht . In: Reinhardt, Volker; Lange, Dirk (Hrsg.): Planung Politischer Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Baltmannsweiler 2007: Schneider Verlag Hohengehren. S.17 

 34 14BMethodische Strukturierung 

3.3. Methodische Strukturierung  

Im Folgenden soll die genaue Verlaufsstruktur des Unterrichts dargestellt werden, der auf Grundlage von  Erarbeitung  und  Inszenierung111  strukturiert  werden  soll.  Zunächst  versammeln  sich  die Grundschülerinnen und –schüler im Klassenzimmer, um von der Lehrperson begrüßt zu werden. Die Kinder werden danach in den Stuhlkreis gebeten. Um evtl. Aufregungen seitens der Schülerinnen und Schüler  zu  drosseln,  werden  Regeln  aufgestellt,  die  dafür  sorgen,  dass  die  Kamera  nicht  zum Stolperstein  für den Unterricht wird. Die Regeln werden  laut vorgelesen und bleiben während des gesamten  Unterrichts  gut  sichtbar  an  der  Tafel  haften.  Anschließend  wird  die  Überschrift „Taschengeld“  in den Stuhlkreis eingeworfen. Die Überschrift  soll  Impuls  für den Erfahrungstausch und  erste  Annäherung  an  das  Thema  „Taschengeld“  sein.  Nachdem  herausgearbeitet  wurde,  ob Taschengeld  nicht  Pflicht  für  alle  Eltern  sein müsse, wird die Überschrift um den  Zusatz  „Für  alle Eltern  Pflicht?“  ergänzt.  Es  wird  erneut  Raum  für  Diskussion  über  diese  provokante  Ergänzung gegeben. Das nachfolgende  Interview soll dazu Stellung beziehen. Für die konstruktive Verwertung des  Interviews wird ein Aufgabenblatt112 mit Fragen zum  Interview herangezogen. Dieses wird vor der  Sichtung  via  Tageslichtprojektor  besprochen,  um  den  Kindern  klar  zu  machen,  wie  das Aufgabenblatt  funktioniert.  Nun  werden  die  Schülerinnen  und  Schüler  dazu  aufgefordert  sich  in Zweiergruppen  zu  organisieren,  um  schließlich  in  den Medienraum  zu  gehen.  Dort  angekommen sollen die Schülerinnen und Schüler einen Kinositz einnehmen, damit sie das zu zeigende  Interview gut  aufnehmen  können.  Damit  die  Kinder  das  nachfolgende  Interview  im  Gesamtzusammenhang verstehen  zu  können, wird  im Vorfeld der Begriff  „Finanzminister“  erklärt. Anschließend wird das Interview angeschaut. Nach der Sichtung begeben sich die Schülerinnen und Schüler wieder  in das Klassenzimmer.  Dort  wird  das  Aufgabenblatt  ausgeteilt,  das  sie  nun  auf  Basis  des  gesichteten Interviews beantworten können. Dies dient  zur Fokussierung politischer abstrakter Phänomene  im Interview und gleichzeitig zur anschließenden Reflexion dessen. Das Aufgabenblatt wird gemeinsam besprochen und parallel dazu abstrakte politische Begriffe geklärt. Die Kinder werden  im direkten Anschluss an die Pause in drei Vierer‐Gruppen eingeteilt. Die Lehrperson stellt den Arbeitsauftrag113 für die Schüler am Tageslichtprojektor vor: sie sollen sich für die kommende Entscheidung über ein „Taschengeldgesetz“ der Kinderpartei „DPK“ Argumente überlegen, die dafür und dagegen sprechen. Jede  Gruppe  bekommt  jeweils  ein  rotes  und  grünes  Plakat.  Auf  dem  grünen  Plakat  werden Argumente  für und auf dem  roten Plakat Argumente gegen das  „Taschengeldgesetz“ geschrieben. Die  farbliche  Kodierung  macht  die  Unterscheidung  zwischen  Argumenten  dafür  bzw.  dagegen zugänglicher.  Im Anschluss daran präsentieren die Gruppen  ihre Plakate und hängen diese  an die Tafel. Abschließend  bedankt  sich  die  Lehrperson  bei  den  Schülerinnen  und  Schülern  und  entlässt diese aus dem Unterricht. Der  im Anhang befindliche Verlaufsplan114 stellt die Mikrostruktur115 des Unterrichts dar. 

                                                            111 Zur genauen Erläuterung  s. Langner, Frank: Planungs‐ und Analysemodell für den politischen Unterricht . In: Reinhardt, Volker; Lange, Dirk (Hrsg.): Planung Politischer Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Baltmannsweiler 2007: Schneider Verlag Hohengehren. S.14‐19 

112 Siehe Anhang  

113 Siehe Anhang 

114 Siehe Anhang  

 35 15BDas Demokratiekompetenz‐Modell der GPJE – Begründung zur Auswahl 

3.4. Das  Demokratiekompetenz­Modell  der  GPJE  – Begründung zur Auswahl  

 

Dieser Abschnitt soll Antwort auf die Frage geben, wieso für das bisher erläuterte Unterrichtskonzept gerade  das  Kompetenzmodell  der  GPJE  die  entsprechende  Ausgangsbasis  für  eine  spätere Auswertung sein soll. Das Modell der GPJE ist zunächst nicht nur für eine Schulart ausgelegt, sondern schulartübergreifend. Folglich kann das Modell als Messinstrument für die politische Bildung  in der Grundschule  eingesetzt  werden.  Gemäß  der  Anforderung  der  KLIEME‐Expertise  sollen Kompetenzmodelle  fachspezifisch konstituiert werden. Das Modell der GPJE beinhaltet „inhaltliche Zielvorstellungen [,die] in der Politikdidaktik im Kern unumstritten sind“.116 Das Modell sieht sich mit Blick auf die fachspezifischen Inhalte fundierter als beispielsweise Entwürfe von DAGMAR RICHTER117 und  PETER  HENKENBORG118,  die  tendenziell  zu  sehr  auf  normativen  Aspekten  innerhalb  ihrer Kompetenzmodelle verharren. Die im Modell der GPJE genannte Urteilskompetenz erhält von einem Großteil  der  Politikdidaktiker  Zuspruch  und  wird  als  „zentrales  Ziel  des  Politikunterrichts“119 deklariert. Die Methodenkompetenz  trägt einen großen Teil dazu bei, dass der Umgang mit neuen Medien geschult und mit sozialwissenschaftlichen Methoden verknüpft wird.120 Der hier dargelegte Unterrichtsentwurf  hat  den  Anspruch  mit  Medien  selbständig  und  zweckorientiert  umzugehen. Wenn  es beispielsweise heißt bestimmte  Informationen  innerhalb  eines  Interviews  zu  entnehmen und  hierdurch  seinen  Standpunkt  neu  auszudifferenzieren,  dann  kann  das  Dimensionsfeld „Methodenkompetenz“  (und  „Urteilsfähigkeit“)  als  wertvolles  Analyse‐  und  Messinstrument  für diesen  Unterricht  fungieren.  Zum  anderen  zielt  der  Entwurf  der  GPJE  auf  einen  weitgehend abgeschlossenen  Kompetenzgewinn  bis  zur  Sekundarstufe  I  ab;  das wertet  den  (Bildungs‐)Auftrag politischer Bildung in der Primarstufe auf. Die Grundschule wird also insgesamt als ernsthafte Station für die (frühe) politische Bildung eingestuft.  

                                                                                                                                                                                          115 Vgl. Langner, Frank: Planungs‐ und Analysemodell für den politischen Unterricht . In: Reinhardt, Volker; Lange, Dirk (Hrsg.): Planung Politischer Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Baltmannsweiler 2007: Schneider Verlag Hohengehren. S.18 

116Sander, Wolfgang: Die Bildungsstandards vor dem Hintergrund der politikdidaktischen Diskussion. In: Redaktion Politische Bildung & kursiv – Journal für politische Bildung (Hrsg.): Bildungsstandards – Evaluation in der politischen Bildung. Für Schule, Jugend‐ und Erwachsenenbildung. Schwalbach/Ts. 2005: Wochenschau Verlag. S.48 

117 Richter, Dagmar: Sachunterricht – Ziele und Inhalte. Ein Lehr‐ und Studienbuch zur Didaktik. Hohengehren: 2002: Schneider Verlag.  

118 Henkenborg, Perter: Politische Bildung als Kultur der Anerkennung: Skizzen zu einer kritischen Politikdidaktik. In: kursiv – Journal für politische Bildung, 2/2002 

119 Siehe Umfrage mit führenden Wissenschaftlern in Pohl, Kerstin: Positionen der politischen Bildung Bd.1 . Ein Interviewbuch zur Politikdidaktik. Schwalbach/Ts. 2004: Wochenschau Verlag. 

120 Vgl. Sander, Wolfgang: Die Bildungsstandards vor dem Hintergrund der politikdidaktischen Diskussion. In: Redaktion Politische Bildung & kursiv – Journal für politische Bildung (Hrsg.): Bildungsstandards – Evaluation in der politischen Bildung. Für Schule, Jugend‐ und Erwachsenenbildung. Schwalbach/Ts. 2005: Wochenschau Verlag. S.49 

 36 15BDas Demokratiekompetenz‐Modell der GPJE – Begründung zur Auswahl 

Als  Konsequenz  für  den  GPJE‐Entwurf  wird  deshalb  bewusst  darauf  verwiesen,  dass  politische Bildung keine „Spezialfähigkeiten“, sondern die „Teilnahme am öffentlichen Leben“ anstrebt.121 Das Thema „Taschengeld – Für alle Eltern Pflicht?“ fällt genau in dieses Verständnis. Andererseits wirken engdefinierte  Standards  einer  Beliebigkeit  des  Bildungsauftrags  entgegen  und  minimieren  die Anhäufung von „totem Wissen“.122 Dabei berücksichtigt das Modell der GPJE das  (Vor‐)Wissen der Schülerinnen und Schüler auf besondere Art und Weise, denn die gesamten Kompetenzen werden in Verknüpfung  mit  „konzeptuellem  Deutungswissen“  betrachtet.  Die  Einbettung  in  konzeptuelles Deutungswissen meint hier nicht die reine Vermittlung von deklarativem Lerninhalten, sondern auch das Verständnis und die Deutung über Politik:  

Politische  Bildung  will  vielmehr  die  Ebene  der  Deutungen  erreichen,  mit  denen  die Schülerinnen und Schüler politische Phänomene wahrnehmen, selektieren, interpretieren und bewerten123  

Das  zentrale  Thema  des  Unterrichtsentwurfs  lässt  sich  multiperspektivisch  beleuchten  und  die Schülerinnen und Schüler sind gefordert das Phänomen „Geld“  induktiv anhand von „Taschengeld“ unter politischen Gesichtspunkten  zu deuten. Dadurch wird  es notwendig  an bereits  ausgeformte Verständnisse  der  Zielgruppe  anzuknüpfen,  und  den  Unterricht  entlang  dieser  auszurichten.  Das Modell  der  GPJE  macht  diese  Anforderung  durch  das  Hinzuziehen  des  konzeptuellen Deutungswissens explizit Die Verschränkung der Kompetenzen mit konzeptuellem Deutungswissen ist gerade im alltagsbezogenen (Demokratie‐)Lernen der Grundschule eine schwierige, aber wichtige Komponente  für  adressatenorientiertes  politisches  Lernen.  Schließlich  bleibt  zu  sagen,  dass  das Kompetenzmodell der GPJE ein konsensfähiges, und im Bezug auf eine frühe politische Bildung in der Grundschule, zukunftsfähiges Modell ist: der Entwurf ist keine „Einheitsdidaktik“, die für Lehrerinnen und  Lehrer  oder Wissenschaftler  als  Anlass  für  die  Ausarbeitung  eines  eigenständigen  Konzepts gelten  soll.  „Sie  [die  Bildungsstandards]  lassen  zahlreiche  Streitfragen  in  der  Politikdidaktik  offen, unternehmen aber bei anderen Kontroversen  […] den Versuch, konsensfähige Lösungsperspektiven zu  entwickeln.“124  Rein  aus  diesem  Grunde  kann  angenommen  werden,  dass  sich  keine schulartspezifische  Absonderung  anbahnt,  sondern  dass  die  Standards  im  Zuge  eines  „common sense“ des Faches125 weiterentwickelt werden. 

                                                            121 Vgl. Sander, Wolfgang: Die Bildungsstandards vor dem Hintergrund der politikdidaktischen Diskussion. In: Redaktion Politische Bildung & kursiv – Journal für politische Bildung (Hrsg.): Bildungsstandards – Evaluation in der politischen Bildung. Für Schule, Jugend‐ und Erwachsenenbildung. Schwalbach/Ts. 2005: Wochenschau Verlag. S.49 

122 Vgl. Massing, Peter: Die bildungspolitische und pädagogische Debatte. In: Redaktion Politische Bildung & kursiv – Journal für politische Bildung (Hrsg.): Bildungsstandards – Evaluation in der politischen Bildung. Für Schule, Jugend‐ und Erwachsenenbildung. Schwalbach/Ts. 2005: Wochenschau Verlag. S.21 

123 Sander, Wolfgang: Die Bildungsstandards vor dem Hintergrund der politikdidaktischen Diskussion. In: Redaktion Politische Bildung & kursiv – Journal für politische Bildung (Hrsg.): Bildungsstandards – Evaluation in der politischen Bildung. Für Schule, Jugend‐ und Erwachsenenbildung. Schwalbach/Ts. 2005: Wochenschau Verlag. S.50 

124 Ebd. S.40 

125 Vgl. Ebd. 

 37 16BAuswertung der Unterrichtsreihe 

4. Auswertung der Unterrichtsreihe 

                                                           

 

Dieses  Kapitel  dient  zur  Auswertung  des  durchgeführten  Unterrichtsversuchs  in  einer  vierten Grundschulklasse  und  zur  Erarbeitung  der  Konsequenzen  für  das  Kompetenzmodell  der GPJE. Die Auswertung geschieht auf der Grundlage der videographierten Unterrichtsstunden (DVD im Anhang) und  Transkriptionen wesentlicher  Inhalte  dieser  Stunde.  Für  diesen  Zweck  habe  ich mich  für  die Datenerhebungsmethodik einer Arbeitsgruppe der Pädagogischen Hochschule Freiburg entschieden. QUASUS126, das Internetportal zur Einführung in Methoden der qualitativen Sozial‐, Unterrichts‐ und Schulforschung, beschäftigt  sich explizit mit der  sozialwissenschaftlichen Unterrichtspraxis und der politischen Bildung. Aufgrund dieser sozialwissenschaftlichen Spezifikation  ist QUASUS  für den hier durchgeführten  Unterricht  ein  geeignetes  Instrumentarium.  Es  kann  entsprechend  qualifizierte Auswertungs‐  und  Erhebungsmethoden  für  den  in  dieser wissenschaftlichen Hausarbeit  zentralen Untersuchungsgegenstand  liefern.  Zudem  bündelt  QUASUS  relevante  Informationen  zum  Thema Videographie;  die  hier  primär  angewendete  Datenerhebungsmethode.  Für  die  Transkription  der videographierten  Inhalte  fungieren  die  in  QUASUS  formulierten  Transkriptionsregeln127  als Ordnungsrahmen. Dort wird  zwischen wörtlicher und  kommentierter  Transkription unterschieden; jedoch  immer unter Vorbehalt zu entscheiden, welche Elemente dieser beiden Transkriptionsarten sinnvoll  für die  jeweilige Situation sind.  In diesem Fall wähle  ich eine Mischung aus kommentierter und wörtlicher Transkription. Zum einen ist das Ziel der Transkription nicht die genaue Untersuchung von Sprachphänomenen, zum anderen können Denkpausen oder verbalisierte Denkprozesse Einsicht in  Lernschwierigkeiten  der  Schülerinnen  und  Schüler  geben.  Denkpausen  in  Form  von  „ähms“ werden  daher  in  die  Transkription  übernommen. Die  Transformation  von Dialekt  in Hochdeutsch wurde  nicht  durchgeführt,  um  die  Verfremdung  der  transkribierten  Unterrichtsgespräche herabzusetzen. Die Trankskripte sollen für eine kritische Reflexion genügend Distanz bewahren und gleichzeitig  keine  unrealistischen  Eindrücke  über  die  Schulpraxis  vermitteln. Mit  der  Setzung  ins Hochdeutsche werden viele sprachliche, kognitive Ausdrucksschwierigkeiten nicht transparent genug und  „die authentische Wiedergabe mündlicher Äußerungen  im Rahmen  institutioneller Aktivitäten als Ausdruck real existierender sozialer und Statusrollen“128 wäre gefährdet. Den raschen Überblick über transkribierte Inhalte liefern „Postskripts“, die an jeder Szene angehängt wurden, und Eckdaten der jeweiligen Transkription beinhalten. Die Auswertung beinhaltet drei transkribierte Szenen, die in zwei Schritten analysiert und ausgewertet werden  sollen:  zunächst werden auf deskriptiver Ebene didaktisch‐methodische Kompetenzen, die  im GPJE Modell vorformuliert  sind, erfasst,  interpretiert und  anhand  konkreter  Gesprächspassagen  belegt.  Im  zweiten  Schritt  werden  mögliche Konsequenzen  für  das  GPJE‐Modell  gedeutet,  die  für  die  Bestimmung  des  Forschungsbedarfs  im abschließenden Kapitel entsprechende Impulse geben sollen.  

 126 Vgl. Internetportal zur Einführung in Methoden der qualitativen Sozial‐, Unterrichts‐ und Schulforschung: http://www.ph‐freiburg.de/quasus.html (27.09.2007) 

127  Siehe ebd.: http://www.ph‐freiburg.de/quasus/einstiegstexte‐in‐methoden‐der‐qualitativen‐sozial‐unterrichts‐und‐schulforschung/datenauswertung/transkriptionsregeln.html (27.09.2007) 

128 Dittmar, Norbert: Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben für Studenten, Forscher und Laien. 2. Aufl.; Wiesbaden 2004: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S.15 

 38 17BTranskription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  (DVD: Kapitel 2) 

4.1. Transkription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  (DVD: Kapitel 2) 

 

Lehrer:    Wie is des denn, habt ihr euch. (..) Ähm findet ihr euer Taschengeld denn gerecht. (..) Also (..) Findet ihr es gerecht, so wie es ist? Jim. 

Jim:     Ich find es gerecht. 

Lehrer:    Kannst du (..) auch noch begründen? (..) Warum findest dus gerecht? 

Jim:     (…) 

Lehrer:    Dann komm mar nachhert nomal auf dich zurück, ja? Vielleicht fällts dir nochmal später ein. Thomas? 

Thomas:   Also ich finds fast gerecht. Also ähm (..) Eigentlich hab (1SEK UNV.) Also eigentlich wollt ich das so: in der ersten Klasse fünfzig Cent pro Woche. Ja? In der zweiten Klasse (..) ähm (..) jetzt  ein Euro. In der dritten Klasse ein Euro fünfzig und in der vierten Klasse zwei Euro (3SEK UNV.) und ähm ja, und jetzt hab ich halt immer noch ein Euro fünfzig, aber hoffentlich wird sich des noch ändern. 

Lehrer:    Mhm. Ok. Also du sagst schonmal. 

Thomas:   Fast gerecht. 

Lehrer:  Fast gerecht. Du würdest auch schonmal. Ähm (..) Also wenn ich des jetzt richtig verstanden hab bei dir Thomas. Du würdst auch schonnoch en bisschen mehr dann später haben. 

Thomas:   Ja. (1SEK UNV.) 

Lehrer:    Mhm. Ok. Wie is des bei dir? (..)  

Ulrike:     Ähm. 

Lehrer:    Ulrike. 

Ulrike:    Also ähm in der ersten Klasse krieg ich zwei (..) ein Euro. In der zweiten krieg ich zwei Euro. In der dritten krieg ich ähm vier Euro. Und in der ähm (..) in der vierten krieg ich sechs Euro.  

Lehrer:    Mhm. 

Ulrike:    Und des gibt halt immer zwei Euro mehr. 

Lehrer:    Und is des ok für dich? 

Ulrike:     Ja. 

 39 17BTranskription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  (DVD: Kapitel 2) 

Lehrer:    Ok du findst gerecht. Jemand dabei der sacht, also ich hab mich bei meim Taschengeld schon ganz schön gestritten, mit meinen Eltern. (..) War hat des schon mal miterlebt? (..) Nora? 

Nora:   Ähm Einmal hat haben hab ich (..) an dem Tag kein Taschengeld gekriegt. Und da hab ich    immer so nen kleines Spardose, die stell ich dann immer ins Wohnzimmer und der Papa soll mir immer dann ein Euro reinwerfen. Am am Sonntag krieg ich auch nämlich immer ein Euro. Ähm. Einmal hat der Papa des drei Wochen lang vergessen und dann hab ich gesagt: „Papa du hast drei Wochen lang kein ein Euro reingeschmissen, hat der gesagt, doch ich habs reingeschmissen, aber (1SEK UNV.)“ nein ich kanns ja nich sehen, was der Papa reinschmeißt. Ja? Und dann hat der gesagt, ab jetzt an leg ich dann des ein Euro vor die (Spardose). 

Lehrer:    Mhm. Ok. Also ihr habt euch auf was geeinigt wies ähm weiterhin ablaufen soll, so dass dus auch mitbekommst. Ok? Thomas wie du woll, du hast bei dir war auch mal was? Hast du grad vorhin (dich auch gemeldet?). Wer hat denn noch, ähm Sarah? Bitte lass das. (..) Wer hat denn noch von Euch ähm mit euren Eltern über Taschengeld gestritten? (..) Keiner? (..) Gar nicht. Ok. Ähm. (..) Was sagen denn eure Eltern denn dazu? Also. (..) Habt ihr euch schonmal drüber unterhalten über Taschengeld mit euren Eltern? (..) Zum Beispiel, wenns darum geht, ja was soll ich denn damit machen? Oder ähm (..) zu was brauch ich das überhaupt oder wie auch immer? Habt ihr euch schonmal drüber unterhalten, was eure Eltern dazu sagen? Sarah? 

Sarah:    Die Charlotte sagt immer, dass sie ein Pferd haben will. Und dann sagt die Mama: „Dafür kannst du dir doch mal ähm was anderes schönes kaufen.“ Und sie sagt immer, dass sie sich ein Pferd kaufen will und so. 

Lehrer:    Mhm. Ok. Noch jemand (..) der auch so ne Erfahrung gemacht hat. Ne andere. (..) Thomas? 

Thomas:   Ähm (2SEK UNV.) da war auf halt jeden Fall so en tolles Autöchen. Und das wollt ich unbedingt haben. Ja?  

Lehrer:    Mhm. 

Thomas:   Und dann (..) hat die Mama gesagt, gut das kriegst du auch. War eigentlich schon so, jetzt musst du noch ein bisschen sparen, aber das kriegt du auch von deim Taschengeld. Aber dafür sparst du dann mal bis Weihnachten. Dann hast du achtzig Euro gespart und dann schenkt mir mein Opa mir noch zwanzig, und dann hab ich, und dann hab ich hundert, und dann mach damit ein Konto auf. 

Lehrer:  Ok. (..) Was denkt ihr denn dazu, ähm müssen Eltern Taschengeld bezahlen? (…) Beate. 

Beate:     Nein müssen sie nicht. 

Lehrer:    Und warum nicht? (…) Thomas? 

 40 17BTranskription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  (DVD: Kapitel 2) 

Thomas:   Weil die kein Geld haben. (..) Zum Beispiel? Wenn sies nicht bezahlen können in so armen Ländern, wie in Afrika. 

Lehrern:   Des istn ganz wichtiger Punkt, ja? Also zum Beispiel in Afrika. Wie sollen die Eltern denn da Taschengeld bezahlen können, wenn sie selbst kein Geld haben oder ganz wenig, so dass es nur fürs Essen reicht? Aber jetzt bleibn wir mal in Deutschland. Also (..) müssen Eltern in Deutschland, und in Deutschland is es ja (..) sind die Menschen ja reicher als in Afrika. Müssen Eltern in Deutschland denn Taschengeld bezahlen? (..) Die Ulrike. 

Ulrike:    Ähm (..) ne sie müssen nich sie könnens uns geben.  

Lehrer:    Ok. Also es is nicht. Es ist ne freiwillige Sache. (..) Ja soll denn nich jedes Kind Taschengeld bekommen? (..) Soll des nicht jedes Kind bekommen? (…) Was denkst du drüber Verena? 

Verena:   Mhm. (…) 

Lehrer:    Ok. Thomas nochmal. 

Thomas:  Ähm. Also. Eigentlich schon, sonst lachen die (1SEK UNV.), weil die meisten Kinder kriegen ja Taschengeld und dann lachen die anderen dich aus. Klar is schon gemein. Aber ähm manche Eltern wollen des halt nicht. (..) Mein die (..) ähm es gibt so Eltern, die des nich machen. 

Lehrern:   Ok, du hast gesagt, manche Eltern wollen des nich. Ähm. Könnt ihr euch vorstellen, warum Eltern des nich wollen? Also nehmn mar mal an es gibt Eltern, die zahlen kein Geld den Kindern. Welche Gründe könnten die denn haben? Warum könnten die denn sagen, ne ich zahl euch kein Taschengeld.(..) Nora? 

Nora:    Zum Beispiel ähm wenn man arbeitslos ist, dann hat man nicht so viel Geld (..) und des Geld braucht man halt selber zum Klamotten kaufen und sowas. (..) 

Lehrer:    Ok, also Arbeitslosigkeit. Was könnte noch dahinter stecken? (..) Ich bin mir sicher, dass euch noch was dazu einfällt. Denkt mal nach. Versetzt euch mal in die Lage euer Eltern. (..) Warum könnten die sagen, ne ich zahl euch, (..) (MIT NACHDRUCK) ich zahl euch kein Taschengeld. Jim. 

Jim:     Weil du zu mir frech warsch. 

Lehrer:   Mhm. Also, wenn ihr euch nicht gut versteht mit euren Eltern. Ja wieso machen ses also (..) warum zahlen sie dann kein Taschengeld weil du frech warst? (…) Wenn ich jetzt zu dir frech bin, und dann etzt hinterher sag, ich will da jetzt Geld dafür. Ich will trotzdem mein Geld. Was würdest du dazu sagen? (..) Sarah? 

Sarah:    Ich würd sagen, ähm hol dir des Geld doch von jemand anderen, der dich (dafür gut findet.) 

 

 41 17BTranskription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  (DVD: Kapitel 2) 

Lehrer:    Ok. Also des is auf jeden Fall nich also, man möchte den irgendwie auch bestrafen, dafür dass er frech war, (..) und als Eltern muss man, ähm überlegt man sich ja, dass, dass man auch irgendwie die Kinder dafür bestraft, wenn se frech sind. Mann will ja keine freche Kinder haben. Das wisst ihr ja. Habt ihr bestimmt schon oft genug von euern Eltern gehört. (..) Es melden sich immer dieselben. Ich bin mir sicher, ihr alle anderen könnt da auch noch was zu sagen. (..) Antonia, wie siehts bei dir aus? (..) 

Antonia:  Mhm. (..) 

Lehrer:    Was du denkst du sagten eure, wenn du, was könnten die Eltern denn denken, wenn sie sagen ich geb dir kein Taschengeld? Oder was für ein Grund könnte dahinterstecken? (..) 

Antonia:   Dass die einen, dass die einen bestrafen, weil der hat, weil der frech zu den Eltern war. 

Lehrer:    Bestrafen des hatten wir schon auch. Ok. Jetzt mal, geh mar mal auf die andre Seite. Ähm. Was denkt ihr, was, was denkt ihr, geht in so nem Kopf von nem Kind vor, wenn ähm es kein Taschengeld bekommt, und alle andern bekommen Taschengeld? Außer es selbst nicht? (..) Sarah jetzt? 

Sarah:     Meine Eltern mögen mich nicht und geben mir deswegen nichts. 

Lehrer:    Mhm. Und was. Wie findest du des selbst? Also. (..) Was denkst du darüber? Findest du des so ok? 

Sarah:     In manchen Fall haben die Eltern einfach kein Geld dafür, des zu bezahlen, irgendwie. 

Lehrer:    Ok. Was könnt denn noch so im Kopf vorgehen. Also natürlich kann das Kind auch Verständnis haben und sagen: ok meine Eltern haben kein Geld. Was könnte aber auch sein, dass, was könnte des Kind auch denken? (..) Thomas? 

Thomas:  Dass die Eltern des Kind zu dumm halten. Dass die denken, ähm ich ähm, du kannst doch noch nicht mit Geld umgehen und ähm aber es, aber es dem Kind nicht sagen wollen, weil (es sonst beleidigt ist.) 

Lehrer:    Mhm. Also die halten des Kind einfach, es ähm, es gibt ja nur für Süßigkeiten des Geld aus. Du kannst des Geld nicht sparen. Du kannst damit nicht umgehen, und ich möchte ja, dass du damit umgehen kannst, deswegen geb ich dir kein Geld. Nora? 

Nora:    Zum Beispiel die Eltern haben doch ähm bestimmt Erfahrung gemacht, wenn en Kind Taschengeld hat, dann wills sichs unbedingt des kaufen, aber des nützt nichts, weil des nur son Stück Pappe is, und damit kann man nix anfangn, und deswegen kann man auch Geld sparen, für Schulsachen zum Beispiel kaufen (..) Viele Eltern geben auch kein Taschengeld, weil sie wissen, dass die Kinder da was nich Gescheites kaufen. (..) 

Lehrer:  Ok. (LEGT WORTKARTE „FÜR ALLE ELTERN PFLICHT?“ IN DIE MITTE DES STUHLKREISES) (..) Verena? 

 42 17BTranskription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  (DVD: Kapitel 2) 

Verena:   Da steht für alle Eltern Pflicht. (..) 

Lehrer:    Thomas? 

Thomas:   Ähm Taschengeld für alle Eltern Pflicht, ob die des alle machen müssen (1SEK UNV.) Und da würd ich nein sagen. 

Lehrer:    Du würdest nein sagen? 

Thomas:   Ja. 

Lehrer:    Was sagen die andern? (..) Jim, du wolltest? 

Jim:     Ähm (..) sie müss, sie müssen nich. (..) 

Lehrer:    Ok, sie müssen nich. Du sagst auch nein. Was noch ganz toll wär, wenn ihr immer sagt nein oder ja, dass ihr euch nochmal überlegt en Grund, warum denn eigentlich? Warum ja und warum nein. Des wär echt toll! (..) Die Ulrike. 

Ulrike:   Ähm sie müssen nicht weil, des is ja kein Pflicht. Die können freiwillig (..) und es gibt ja gar kein Recht dafür.(..) Niemand kann über sie bestimmen, weil sie ja die Eltern sind. 

Lehrer:    Ok. Also mim Recht meinst du auch es gibt kein Gesetz? 

Ulrike:    Ja. 

Lehrer:    Für sowas. Noch jemand? Agata was denkst du. 

Agata:    Ne. Nein. Weil, ich wollt eigentlich auch sagen, was die Ulrike gesagt hat. Weil des des steht ja nirgends, das des man machen müssen. Des sagt ja niemand. 

Lehrer:    Noch jemand ein der anderer Meinung is? (..) Beziehungsweise ich frag mal anders: (..) wenn jemand ja sagt, welches, welche Gründe könnte er dafür nennen? (..) Thomas? 

Thomas:   Also erstens müssen ses nich weil, weils ja kein Gesetz. Aber zweitens find ich ähm sollten ses eigentlich, dass des Kind lernt mit Geld umzugehen.  

Lehrer:    Aha. Also en ganz wichtiger Punkt. Die Kinder sollen lernen mit Geld umzugehen und eigentlich, wenn man es richtig macht, könnte des nützlich sein. Des könnte ein Grund, ein Argument dafür sein, warum man des verpflichtend für alle Eltern machen könnte. (..) Gut, des is echt en guter Punkt, schreibe ich mir auch auf. Ähm. (SCHREIBT AUF) Noch ein Grund dafür?! Sarah. 

Sarah:    Wenn des Kind frech ist, wieso sollten die Eltern es dann belohnen, dann würden die, würden die Kinder doch alle, ähm so ich bin frech und jetzt hab ich ne Belohnung gekriegt, dann bin ich jetzt weiter frech. 

 

 43 17BTranskription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  (DVD: Kapitel 2) 

Lehrer:   Des is auch en interessanter Gedanke, ja. (..) Also, des wär auch eher au nochn Grund, ähm nein zu sagen. Also, ich möchte das Gesetz nicht oder ich möchte nicht, dass die ähm Eltern zahlen müssen. Ja? Des wär auch en Grund dagegen. (..) Hat jemand nochn Grund dafür, des wär echt gut. (..) Versucht euch mal ein Kind vorzustellen, des einfach wahnsinnig gern ähm Süßigkeiten isst. Zum Beispiel. Und des kanns nie kaufen, weil es em die Eltern immer verbieten und es möchte es einfach gerne machen. Was könnte des Kind sagen zu dieser, zu diesem Gesetz oder zu dem (..), ja müssen denn alle Eltern Taschengeld bezahlen. Was könnte des Kind dazu sagen? Stellt euch mal es vor! (..) Beate. 

Beate:    Des Kind findet es dann gemein, das des das nix kaufen darf. 

Lehrer:    Und was könntes dann dazu sagen für alle, Taschengeld für alle Eltern Pflicht? (..) Was denkst du, was würde es dazu sagen? Wenn man fragen würd, was denkst du denn darüber nach Taschengeld für alle Eltern Pflicht? Findes, würdest du ja, würde es ja oder nein sagen? 

Beate:     Würde auch nein sagen.  

Lehrer:    Wieso? 

Beate:   Ja des steht halt des steht halt nirgends, und man darf, die Kinder dürfen die Eltern nich dazu zwingen. 

Lehrer:    Die Kinder dürfen die Eltern nich dazu zwingen. Is auch en wichtiger Punkt, ja? Thomas? 

Thomas:   Sie dür, sie sie dürfen schonmal, dagegen spricht auch wieder kein Gesetz, aber sie können nich. (..) Und es steht auch nirgendswo, und es gibt auch kein Gesetz, dass alle Eltern Taschengeld geben müssen. 

Lehrer:   Das is richtig, ja. (..) Und trotzdem nochmal, was könnte des Kind sagen? Mit den Süßigkeiten. Es will unbedingt diese Süßigkeiten kaufen. Es fehlt ihm das Geld. Was würdes denn dazu sagen, nehm mar an des Taschengeldgesetz (..) würde, würde zur Debatte, also es wird diskutiert. Man würde überlegen, ja kann man des jetzt machen oder nich. Was würde des Kind sagen, wenn man es befragen würde. Stellt euch, versetzt euch mal in die Lage des Kindes. Nora. 

Nora:    Wenn der unbedingt diese Süßigkeiten haben will, dann ded er sagen, ja die Eltern müssen ähm Taschengeld bezahlen. 

Lehrer:    Mhm. Und wa. 

Nora:     Weil er des ja unbedingt will. 

 

 

 

 44 17BTranskription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  (DVD: Kapitel 2) 

Lehrer:    Weil er des will. Also er möchte das Geld haben, weil er damit ähm sein Wunsch erfüllen kann Süßigkeiten zu essen. Also wir haben zum einen die El ähm auf der anderen Seite nein. Also man darf, die Kinder dürfen die Eltern nich dazu zwingen. Wenn man arbeitslos ist kann man Taschengeld nicht zahlen, und wenn ähm ja also man kann ja nich einfach so für andere mitbestimmen. Das sind schonmal drei Gründe dagegen. Drei Argumente gegen das Gesetz. Des Gesetz dafür wär zum Beispiel, ja also (..) dann kann ich ja mit dem Geld machen, was ich will. Ich könnte Süßigkeiten, ich könnte endlich diese Süßigkeiten oder immer schon kaufen, was ich schon lange gewünscht hab, zum Beispiel en Ponny. Des is natürlich jetzt übertrieben, des is sehr teuer, aber man könnte natürlich verstehen und zu dem Kind sagen, ja ok, wenn des dein Wunsch is, dann is des dein Grund zu sagen, ok ich sage ja. (..) Sarah? 

Sarah:    Wenn des Kind aber dann dauernd Geld hätte und sich davon dauernd Süßigkeiten kaufen würde, dann würd ich auch die Eltern verstehen, wenn sie sagen, ich geb dir kein Taschengeld, weil du sons schlechte Zähne kriegst.  

Lehrer:    Ok, also Gesundheit, wenn man wenn, wenn die Eltern könnten natürlich auch wieder dagegen sagen, ja du hast dann schlechte Zähne. Des isn guter interessanter Punkt Sarah, ja? Thomas? 

Thomas:   Die Eltern könnten ja auch so nur so viel Taschengeld geben, dass es, dass es für, dass es pro Woche bloß für einundzwanzig für eine Gummibärchen, also für einundzwanzig Sachen. 

Lehrer:    Mhm. 

Thomas:   Er braucht ja nur. 

Sarah:     Einundzwanzig Sachen.(SKEPTISCH) 

Thomas:   Ja, einundzwanzig Sachen! 

Lehrer:    Ok, also ihr habt. Ein. Also du hast vorgeschlagen, man müsst halt enfach irgendwie überlegen, wie kann mans machen, dass man ähm für die Eltern recht macht und für die Schüler, also ähm für die Kinder recht macht. Thomas, ja? 

Thomas:   Oder die Eltern könnten ja mal Sachen von den Süßigkeiten geben, ja? Und dann würden se sagen, so, das hast du jetzt alles und mehr kriegst du nicht in der Woche. Als dann geben se dem schon viel, und das is jetz dein ganzer Gehalt für die ganze Woche. Und wenn es dann halt am ersten Tag alles auffuttert, dann hats halt die letzte Woche, die ganze Woche nich, na? (..) 

Lehrer:    Also man könnte sichs überlegen wie mans macht, dass des Kind trotzdem dazu kommt. Aber, trotzdem wenn du ihm nur Süßigkeiten gibst, dann kanns nicht aussuchen, was es kaufen möchte. Was könnte des Kind, das Kind, was könnte dann des Kind sagen? Sarah? 

Sarah:     Schmeckt mir nich. (MURMELT) 

 45 17BTranskription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  (DVD: Kapitel 2) 

Lehrer:   Bitte? 

Sarah:     Des schmeckt mir nich.  

Lehrer:    Zum Beispiel! Also es könnte sagen es schmeckt mir nich, und ich möchte das Geld weil ich mit dem Geld kann ich dann entscheiden was ich mach; dann kann ich des entscheiden und nicht ihr. Wenn ähm ich des Geld nich bekomme, des is auch wieder en weiterer Grund. Wenn ich kein Taschengeld bekomme, kann ich nicht frei entscheiden, was ich möchte. (..) Thomas. 

Thomas:   Se könnten aber auch sagen, hier ich geb dir jetzt des Taschengeld, aber du darfst dir nur ne bestimmte Anzahl Süßigkeiten kaufen halt. Pro Woche. 

Lehrer:   Mhm. 

Thomas:   Und den Rest kannst du für was anderes verwenden. 

Lehrer:   Ok. Also man muss dann schon überlegen, wie mans genau machen kann, so dass es für beide ok is. Also dass der, dass des Kind sacht: ok ja, also so könnte ich mir des vorstellen und die Eltern sagen: ja ähm so klappt des. Also wenn man beide Seiten sozusagen berücksichtigt, die Kinder und die Eltern, und versucht ähm irgend ne gemeinsame Lösung zu finden, dann ähm könnte des klappen. Die Sarah noch, und dann mach mar was anderes.  

Sarah:    Wenn man dem Kind dann einfach Geld mitgeben würde, und es sagen würde, ja du darfs jetzt so und soviel kaufen. Würde sich des Kind auch daran halten? Des glaub ich nicht. Des würde einfach, wenns Rückgeld geben würde dafür auch nochmal was kaufen. 

Lehrer:    Mhm. Aha also es is schwer des zu kontrollieren. Wie würd man des machen, ja? Muss man sich auch noch Gedanken dazu machen ähm, wie man des kontrolliert.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 46 17BTranskription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  (DVD: Kapitel 2) 

 

Postskript zu Szene 1 „Gruppendiskussion“ 

Anzahl der GesprächspartnerInnen  4 Jungen, 7 Mädchen 

Ort  Grundschule Eschbach‐Stegen 

Interviewtag u. –zeitraum 21.09.2007 / 9.15 Uhr – 9.30 Uhr 

Audioaufnahme   Ja 

Länge des Gesprächs  Ca. 15 Min. 

Inhalte der Gespräche vor und nach dem Einschalten des Aufnahmegeräts 

Begrüßung / Erfahrungsaustausch über Taschengeld 

Interviewort  Klassenzimmer 

Nonverbale Reaktionen  Nach untern schauen, Stuhl umklammern, Stirn runzeln 

Prägnante Charakterzüge  ‐ 

Störungen des Gesprächs  ‐ 

Anwesenheit Dritter  Klassenlehrer, Kameramann 

Gesprächsverlauf  1) Erfahrungsaustauch über Taschengeld  

2) Diskussion über Taschengeld als Pflicht für Eltern 

3) Abwägen u. Sammeln von Argumenten 

4) Lösungsvorschläge diskutieren u. Problemhaftigkeit thematisieren   

Sonstiges  ‐ 

 47 18BInterpretation und Beobachtung 

 

4.1.1.  Interpretation und Beobachtung  

Die Gruppendiskussion über „Taschengeld – Pflicht für alle Eltern?“ verlief intensiv und beanspruchte einen Großteil der Doppelstunde. Dieser gegebene zeitliche Freiraum wurde von den Schülerinnen und Schülern auch genutzt und verwertet. Die erste Annäherung an das Thema belief sich auf reinen Erfahrungsaustausch, der durch die eingeworfene Wortkarte „Taschengeld“ eingeleitet wurde. Dabei tauchten  Fragen  auf, wie  viel  Taschengeld  denn  jeder  bekomme, was  er  dafür  tun müsse  und  in welchen  zeitlichen  Abständen  das  Taschengeld  gezahlt  werde.  Der  erste  Anstoß  in  Richtung politischer Bildung und Demokratie‐Lernen wurde mit der Frage gegeben, ob die Schülerinnen und Schüler  es  für  gerecht  empfinden,  wie  sie  das  Taschengeld  bekommen  und  welchen  Betrag  sie bezahlt bekommen. Dabei ist es jedem Schüler und jeder Schülerinnen möglich gewesen Stellung zu dieser Frage zu nehmen; allerdings traten Schwierigkeiten bei der Begründung  ihrer Positionen auf. Jim kann auf die Frage „Warum findest dus gerecht?“ beispielsweise keine Antwort geben (S.1). Die Dimension der politischen Handlungsfähigkeit listet für Schülerinnen und Schüler die Kompetenz auf „eigene  Urteile  zu  fachlichen  Fragen  formulieren  und  begründen  sowie  andere  Positionen tolerieren“129  zu  können.  Diese  Kompetenz  ist  hier  nur  partiell  erfüllt.  Mit  der  Zuspitzung  der Erlebnisse auf Konflikte mit den Eltern aufgrund von Taschengeld, regt die Lehrperson das Gespür für unterschiedliche Machtverhältnisse  innerhalb der  Familien bei den  Schülerinnen und  Schülern  an, und macht diese bewusster. Nora berichtet von  ihrem Erlebnis mit der Spardose und  ihrem Vater, der vergessen hat ihr das wöchentliche Taschengeld zu bezahlen (S.2). Da sie nicht sehen konnte wie ihr Vater das Geld in die Spardose hineinwirft beschwerte sie sich bei ihm, worauf dieser ihr von nun an  das  Geld  vor  das  Sparschwein  legte.  Durch  das  Verbalisieren  ihres  Interesses  wurden  die Machtstrukturen transparenter und für beide Seiten, Eltern und Kind, bewusster. Ein demokratischer Aushandlungsprozess setzt eine gewisse Grundlage an  Interessenstransparenz voraus; gerade wenn es sich um eher undemokratische Felder, wie die der Familie handelt. Sarahs und Thomas Erlebnisse spiegeln  diese  undemokratischen  Strukturen  wieder:  Charlotte  (vermutlich  Sarahs  Schwester) bekommt ihr gewünschtes Pferd nicht von ihrer Mutter und wird stattdessen dazu angehalten „was anderes  schönes  [zu]  kaufen“  (S.  2).  Thomas  erzählt  von  seinem  Wunsch‐Modellauto,  das  er bekommt, wenn er den Rat seiner Mutter befolgt zu sparen bis er genügend Geld dafür hat. Beide Erfahrungsberichte  implizieren Verhaltensmuster, die pädagogisch  inszeniert  sind, um vom Zögling übernommen  zu  werden.  Es  gehen  keine  Diskussionen  über  verschiedene  Lösungsmöglichkeiten hervor,  sondern die Eltern  setzen  sich über diesen demokratischen Prozess hinweg oder umgehen ihn.  Der  provokative  Charakter  der  Diskussion  wird  mit  der  Frage  initiiert,  „ob  Eltern  denn Taschengeld  bezahlen müssen?“.  Hier  lässt  sich  eine  einheitliche Meinung  der  Schülerinnen  und Schüler beobachten: alle verstehen, dass Eltern kein Taschengeld bezahlen müssen. Die Begründung dieser  Positionierung  fällt  den  Schülerinnen  und  Schülern  im  Gegensatz  zur  Frage  nach  einem „gerechten“ Taschengeld leichter.  

                                                            129 GPJE: Anforderungen an Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen. Ein Entwurf. 2.Aufl.; Schwalbach/Ts., 2004: Wochenschau Verlag. S.19 

 

 48 18BInterpretation und Beobachtung 

Thomas führt als Argument an, dass es manche Eltern wie beispielsweise in Afrika gibt, die kein oder nicht genug Geld für Taschengeld besitzen. (S.3) Nora spricht die Arbeitslosigkeit an und begründet damit  ihre  Meinung.  (S.3)  Politische  Handlungsfähigkeit  ergänzt  sich  hier  mit  politischer Urteilsfähigkeit:  „die  Schülerinnen  und  Schüler  können  den  Zusammenhang  zwischen  der Lebenssituation von Menschen und unterschiedlichen Sichtweisen […] verstehen.“130 Arbeitslosigkeit ist demnach ein Begriff, der für Kinder präsent ist und dessen Auswirkungen mit der Verknüpfung an das  Thema  „Taschengeld  –  Pflicht  für  alle  Eltern?“  nachvollziehbar werden. Multiperspektivisches Denkvermögen scheint sich abzuzeichnen. Die Lehrperson lenkt aufgrund dieser Lernchance weiter in diese Richtung und erhöht die Intensität empathischer Fragen: „Könnt ihr euch vorstellen, warum die Eltern nich wollen?“, „Versetzt euch mal in die Lage euer Eltern. (..) Warum könnten die sagen, ne ich zahl  euch  […]  kein  Taschengeld.“  (S.3) Die Adressaten  sind  in der  Lage die  Perspektive  der  Eltern nachzuempfinden und mit Nachhilfe der  Lehrperson  zu begründen;  Jim gibt dazu den  Impuls, den Antonia  weiterführt:  „Weil  du  zu mir  frech  warsch.“  (Jim,  S.3),  „Dass  die  einen,  dass  die  einen bestrafen, weil der hat, weil der frech zu den Eltern war.“ (Antonia, S.4) Thomas knüpft eigenständig daran an und geht noch einen Schritt weiter als Antonia: „Dass die Eltern des Kind zu dumm halten. Dass die denken, ähm  ich ähm, du kannst doch noch nicht mit Geld umgehen.“ (S.4) Hier  lässt sich die Kompetenz ableiten, dass die Schülerinnen und Schüler ihre eigene Position „als Konsument[en] wahrnehmen“ können.131 Sie sind also nicht nur in der Lage eine isolierte Perspektive einzunehmen, sondern  können  mehrere  Perspektiven  einnehmen;  das  untermauert  und  bestätigt  das  anfangs angenommene multiperspektivische Denkvermögen  der  Schülerinnen  und  Schüler. Noras Aussage verleiht Thomas Aussage Nachdruck, denn sie misst Eltern die Fähigkeit bei, genau zu wissen, „dass die Kinder da was nich Gescheites kaufen.“ (S.4) Die nächste Phase der Diskussion fixiert den anfangs nur  verbalisierten  provokativen  Zusatz  „Pflicht  für  alle  Eltern?“  schriftlich  in  Form  einer weiteren Wortkarte,  die mitten  in  den  Stuhlkreis  gelegt wird. Dieser weitere  stumme  Impuls  verstärkt  das Verlangen der Schülerinnen und Schüler Stellung zu dieser Frage zu nehmen: „Und da würd ich nein sagen.“ (Thomas, S.5), „Ähm (…) sie müss, sie müssen nich.“ (Jim, S.5). Die Lehrperson fordert erneut eine Begründung dieser veräußerten Meinungen ein, denn zur politischen Handlungsfähigkeit gehört nicht nur die Formulierung von Urteilen, sondern auch deren Begründung.132 Ulrike gibt mit  ihrem Beitrag bzw.  ihrer Antwort darauf der Diskussion eine neue Richtung: „Ähm sie müssen nicht weil, des is kein Pflicht. Die können freiwillig (…) und es gibt ja gar kein Recht dafür. (..) Niemand kann über sie bestimmen, weil sie  ja die Eltern sind.“  (S.5) Die Diskussion weitet sich an diesem Punkt weiter aus. Sie ergänzt sich um einen partizipativen Aspekt, nämlich den der Entscheidungsfreiheit und der Problematik,  wenn  Freiheiten  durch  Machtausübung  unterdrückt  werden.  Die  Schülerinnen  und Schüler abstrahieren hier ein gewisses Regelverständnis; sie können „die Bedeutung von Regeln und Gesetzen für das Zusammenleben [zumindest] beurteilen.“133 Desweiteren impliziert sich durch diese Passage ein Gerechtigkeitsbewusstsein, das die Freiheit eines Individuums respektiert.  

                                                            130 GPJE: Anforderungen an Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen. Ein Entwurf. 2.Aufl.; Schwalbach/Ts., 2004: Wochenschau Verlag. S.19 

131 Vgl. Ebd. 

132 Vgl. Ebd. 

133 Vgl. Ebd. 

 49 18BInterpretation und Beobachtung 

Dieses von Ulrike formulierte Argument können alle Mitschülerinnen und Mitschüler nachvollziehen: die Klasse ist sich einig, dass Eltern nicht dazu gezwungen werden können Taschengeld zu bezahlen. Um die Sinne der Schülerinnen und Schüler für Pluralismus zu schärfen, der ein wichtiger Bestandteil demokratischer Urteilsbildung darstellt, fokussiert die Lehrperson das Gespräch auf evtl. Gründe, die für „Taschengeld – Pflicht für alle Eltern?“ sprechen könnten: „wenn jemand ja sagt, welches, welche Gründe könnte er dafür nennen?“ (S.5) Thomas reagiert daraufhin mit einer differenzierter Aussage, denn er deutet an, dass ein eindeutiges Urteil bei dieser Fachfrage nicht unbedingt vollkommen klar ist: „Also erstens müssen ses nich weil, weils  ja kein Gesetz. Aber zweitens find  ich ähm sollten ses eigentlich, dass des Kind  lernt mit Geld umzugehen.“ Hier werden die Argumente beider Parteien sozusagen gegenübergestellt und relativiert. Eine genauere Abwägung der vorhandenen Argumente drängt sich auf; die Urteils‐ bzw. Handlungsfähigkeit tritt für den Lerner als komplexes Konstrukt  in Erscheinung. Das Heraustreten aus dem Perspektivrahmen wird notwendig und ein Blick von „oben“, eine  Meta‐Ebene  muss  eingenommen  werden.  Da  bisher  sehr  viele  Argumente  gegen  das verpflichtende  Taschengeld  genannt wurden,  konzentriert  die  Lehrperson  das Gespräch weiterhin auf  Pro‐Argumente.  Der  Urteilsprozess  soll  nicht  vereinfacht  und  einseitig  vermittelt  werden, sondern  als diffiziler Aushandlungsprozess  erfasst werden.  Zu diesem  Zweck nutzt die  Lehrperson einen konkreten Fall: ein Kind wünscht sich unbedingt Süßigkeiten, die von den Eltern aber verboten werden.  (S.6)  Dieser  Fall  transferiert  auf  der  einen  Seite  das  Verständnis,  das  Eltern  nun  einmal hierarchisch  ihren  Kindern  übergeordnet  sind,  und  auf  der  anderen  Seite,  dass  das  Kind  auch  zu seinem Recht kommen sollte. Die Zusammenführung dieser beiden Verständnisse mündet  in einen Kompromiss,  in  einen  konsensorientierten  Problemlöseprozess,  den  die  Schülerinnen  und  Schüler sukzessive  während  der  Gesprächsrunde  erarbeiten.  Zunächst  werden  einzelne  Meinungen ausgetauscht: „Weil er des  ja unbedingt will.“ (Nora, S.6), „Wenn des Kind aber dann dauernd Geld hätte und sich davon dauernd Süßigkeiten kaufen würde, dann würd  ich auch die Eltern verstehen, wenn  sie  sagen,  ich  geb  dir  kein  Taschengeld, weil  du  sons  schlechte  Zähne  kriegst.“  (Sarah,  S.7) Schließlich  liefert  Thomas  einen  ersten  konsensfähigen  Ansatz;  die  Eltern  beschränken  das Taschengeld in dem Maße, dass das Kind damit nur eine bestimmte Menge Süßigkeiten kaufen kann. (S.7)  Es werden  beide  Parteien  berücksichtigt  und  auf  der  Grundlage  der  bisherigen Meinungen Entscheidungen  gefällt.  An  dieser  Stelle  manifestiert  sich  die  politische  Handlungsfähigkeit  am deutlichsten, denn  es wird  gelernt mit  „Differenzen  […] um[zu]gehen,  eine  eigene  Sichtweise  [zu] entwickeln und Kompromisse  [zu]  schließen.“134 Der erste Ansatz  von  Thomas bleibt  jedoch nicht unreflektiert  und  unkommentiert.  Sarah  äußert  sich  skeptisch  zum  Vorschlag  das  Limit  an Süßigkeiten auf 21 zu beschränken. Die Lehrperson potenziert diesen Kritikpunkt mit der fehlenden Entscheidungsfreiheit  des  Kindes.  Der  Ansatz muss  neu  geprüft,  verändert  und  ggf.  Alternativen vorgeschlagen  werden;  die  Komplexität  des  demokratischen  Entscheidungsprozesses  wird hervorgehoben und dadurch transparenter. Diese Erfahrung kann die entsprechende Ausgangsbasis sein, um damit verknüpfte Kompetenzen  im Katalog der Bildungsstandards der GPJE,  insbesondere die  der  politischen  Handlungsfähigkeit,  in  ihrer  Entwicklung  zu  unterstützen:  demokratische Entscheidungen  des  Klassenrates  werden  als  komplex  empfunden  und  können  als  solche  auch nachvollzogen und verstanden werden. 135  

                                                            134 GPJE: Anforderungen an Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen. Ein Entwurf. 2. Aufl.; Schwalbach/Ts., 2004: Wochenschau Verlag. S.19 

135 Vgl. Ebd. S.20 

 50 19BKonsequenz für das Modell der GPJE 

Die Diskussion endet schließlich mit einem Problem: wie kann kontrolliert werden, dass sich das Kind auch  wirklich  an  die  Vereinbarung  hält?  (S.8)  Sarah  veranschaulicht  dieses  Problem  anhand  der Möglichkeit, dass das Kind mit Hilfe des Rückgelds weitere  (verbotene) Dinge kaufen könnte.  (S.8) Die Problematik bleibt; sie untermauert den insgesamt komplexen Charakter der Gruppendiskussion und hinterlässt einen dementsprechend kritischen Blick auf das Themenfeld „Taschengeld – Für alle Eltern Pflicht?“.  

 

4.1.2.  Konsequenz für das Modell der GPJE  

Aus  den  bisherigen Beobachtungen  und  formulierten  Interpretationen  der  ersten  Szene  lässt  sich bereits eine entscheidende Konsequenz für das Modell der GPJE ableiten. Zunächst veranschaulicht die  Gruppendiskussion  der  durchgeführten  Doppelstunde,  dass  didaktisch‐methodische Kompetenzen  für  eine  politische  Bildung  in  der  Grundschule  prinzipiell  ablesbar  sind  und  diese teilweise  auch  zur  Leistungsbewertung  bzw.  als  Maßstab  für  Demokratie‐Lernen  herangezogen werden können. Genau hier liegt die Schwierigkeit: das Modell der GPJE erfasst griffige, überprüfbare Kompetenzen  und  lässt  eher  divergierende  und  schwer  eingrenzbare  Kompetenzen  aus;  unter anderem  aufgrund  der  engen  Verwandtschaft  mit  sozialen  Lernen.  So  geschieht  es  hier  in  der Gruppendiskussion,  dass  das  angesprochene  Gerechtigkeitsbewusstsein,  das  eng  mit  Empathie einhergeht,  nicht  deutlich  genug  im  Katalog  der  GPJE  verankert  ist. Man  spricht mehrmals  von erklären, verstehen, respektieren und urteilen aber nicht von der allgemeinen Fähigkeit, sich  in die Lage  anderer  versetzen  zu  können.  Die  Diskussion  hat  gezeigt,  dass  empathisches  Vorgehen notwendig wird, wenn man erreichen möchte, dass die Schülerinnen und Schüler Entscheidungen, Handlungen  und  Sichtweisen  nachvollziehen,  verstehen,  erklären  und  beurteilen  sollen.  Die  enge Beziehung  empathischer  Fähigkeiten  mit  politischem  Lernen  kann  natürlich  genauso  mehr  für Verwirrung  als  für  Klarheit  sorgen.  Dennoch  sollte  Empathie  im  Kompetenzmodell  eingebunden werden, da sie für politische Kompetenzen und Demokratie‐Lernen insgesamt elementar, wenn nicht gar  Voraussetzung  ist;  beispielsweise  als  Rahmen,  als  „Teppich“  für  das  gesamte Modell,  um  die Eignung des Kompetenz‐Modells als Messinstrument weiterhin zu gewährleisten. Für die Zielgruppe, nämlich die  der Grundschullehrerinnen und  –lehrer, muss  ersichtlich  sein, dass  soziales  Lernen  in Wechselwirkung  mit  politischer  Bildung  steht  und  Empathie  eine  Grundlage  für  pluralistisches Denkvermögen,  für  politische  Urteils‐  und  Handlungsfähigkeit,  für  Demokratie‐Lernen  überhaupt darstellt. Das Modell  lässt sich unter dem Aspekt empathische Fähigkeiten erfassen zu können nur eingeschränkt  für  die  politische  Bildung  in  einer  Grundschule  einsetzen,  obwohl  solche,  wie  die Gruppendiskussion  beweist,  durchaus  beobachtbar  sind  und  zur  Erreichung  bzw.  Entwicklung  der formulierten Standards beisteuern. 

 

 

 

 

 

 51 20BTranskription ‐ Szene 2 „Vorbesprechung des Interviews“  (DVD: Kapitel 3) 

4.2. Transkription ­ Szene 2 „Vorbesprechung des Interviews“  (DVD: Kapitel 3) 

 

Lehrer:    Noch eine Frage vorweg. Ähm. Finanzminister was is des denn überhaupt? Nora. 

Nora:     Stellt der Geld her? 

Lehrer:    Des macht die Presse. Des macht bei uns die Presse, die Geldpresse. (..) Zunächst mal, was is denn en Minister? (..) Des weiß niemand von euch? Sarah? 

Sarah:     Des muss mit dem Wort „mister“ zusammenhängen.  Lehrer:    Mister. (MURMELT) 

Sarah:     Wie im Englischen. 

Lehrer:    Aha. Mit „mister“ im Englischen. Des is ne interessante Idee! Kann ich dir nich sagen, ob des wirklich stimmt. Des weiß ich selber gar nicht. Aber so ein Minister, der gehört zur Regierung. Des ist ein Mann, der für ein Bereich zuständig ist. Da gibt’s zum Beispiel für die Familie. Dann gibt’s für ähm. Ähm wie ähm es gibt en Außenminister, der is dann zuständig, zum Beispiel dass wir uns mit England gut verstehen. Also zwischen den Beziehungen, zwischen den Staaten, und dann gibt’s noch den Finanzminister und was könnte jetzt der Finanzminister für, für welchen Bereich könnte der denn zuständig sein? 

Nora:     Taschengeld. 

Lehrer:    Aha. Unter anderem ja also, es steckt des Wort Geld drin. 

Ulrike:    Politik? 

Lehrer:    Politik is er verantwortlich, ja. 

Nora:     Ähm. Bank? 

Lehrer:    Wie könnten wir des zusammenfassen? 

Ulrike:    Geld. 

Lehrer:    (SCHAUT ULRIKE AN) Die Regel haben wir jetzt leider nich hier. Aber sons wär des en Regelbruch. (..) Nora? 

Nora:    Der stellt zum Beispiel Geld für die Bank. Oder der zählt des Geld und macht des dann in die Bank und gibt des dann dem Chef von der Bank, was er dann für Geld (er dann auch hat). 

Lehrer:    Also, Nora hat des nochmal veranschaulicht. Es geht ums Geld, ja? 

 

 52 20BTranskription ‐ Szene 2 „Vorbesprechung des Interviews“  (DVD: Kapitel 3) 

 

 

Postskript zu Szene 2 „Vorbesprechung des Interviews“ 

Anzahl der GesprächspartnerInnen  4 Jungen, 7 Mädchen 

Ort  Grundschule Eschbach‐Stegen 

Interviewtag u. –zeitraum 21.09.2007 / 9.40 Uhr – 9.50 Uhr 

Audioaufnahme   Ja 

Länge des Gesprächs  Ca. 5 Min. 

Inhalte der Gespräche vor und nach dem Einschalten des Aufnahmegeräts 

Diskussion über Taschengeld / Vorbesprechung des zu zeigenden Interviews 

Interviewort  Medienraum 

Nonverbale Reaktionen  Nachdenklich die Augen verdrehen 

Prägnante Charakterzüge  ‐ 

Störungen des Gesprächs  Ein Beitrag ohne Anmeldung 

Anwesenheit Dritter  Kameramann 

Gesprächsverlauf  5) Vorlesen der Fragen des Aufgabenblatts 

6) Klärung des Begriffs Finanzminister 

7) Erläutern von Funktion und Definition eines Ministers 

8) Zusammenfassung: „Was ist ein Finanzminister?“   

Sonstiges  Ortswechsel in den Medienraum 

 53 21BInterpretation und Beobachtung 

4.2.1. Interpretation und Beobachtung   

Um  das  nachfolgende  Interview  für  die  Schülerinnen  und  Schüler  verständlich  zu machen, wurde vorab  eine  Begriffsannäherung  an  „Finanzminister“  unternommen.  Gleichzeitig  diente  dieses Gespräch  zur  Überprüfung  von  Vorwissen  bzw.  „konzeptuellen  Deutungswissens“136  über  Politik. Dabei zeigte sich, dass bei den Kinder bereits Konzepte und Vorstellung ausgeformt sind: „Der stellt zum Beispiel Geld für die Bank. Oder der zählt das Geld und macht des dann in die Bank und gibt des dann dem Chef von der Bank, was er dann für Geld (er dann auch hat).“ (Nora) Der Kern der Funktion eines Finanzministers wurde hier von Nora konzeptuell veranschaulicht, auch wenn diese Definition keiner  fachwissenschaftlichen Definition Stand halten kann. Diese Konzepte  veräußern  sich  jedoch nur  durch  entsprechende  Impulse,  die  in  diesem  Beispiel  durch  die  Lehrperson  vorgenommen wurden. Die Lehrperson gibt eine Struktur vor, die von den Adressaten ergänzt wird: „[…] Des ist ein Mann, der für ein Bereich zuständig  ist. Da gibt’s zum Beispiel für die Familie. […] was könnte  jetzt der Finanzminister  für,  für welchen Bereich könnte der denn  zuständig  sein?“  Interessant  ist dann auch  die  direkte  Antwort  darauf,  die  eine  Verknüpfung  zum  Unterrichtsthema  „Taschengeld“ herstellt.  Aber  auch  schon  vor  der  Setzung  des  Impulses  lässt  sich  eine  Konzeption  des  Begriffs „Finanzminister“  entdecken:  Nora  reduziert  den  Begriff  auf  dessen  Funktion;  sie  hat  den instrumentalen  Charakter  dieses  Amtes  in  ihrem  individuellen  Konzept  verankert  bzw.  aus  ihrem Vorwissen abgerufen. Durch die Funktion kann der Begriff deduktiv relativ rasch geklärt werden, wie sich  dann  im  weiteren  Verlauf  des  Gesprächs  zeigt.  Das  Wort  selbst  erleichtert  das  Abrufen vorhandener Konzeptionen; „Finanz“ in Finanzminister ist assoziativ mit Geld verknüpft. Hingegen ist das  Wort  „Minister“  aus  diesem  Begriffskomplex  bei  den  Schülerinnen  und  Schülern  nicht  mit (richtigem)  Vorwissen  verknüpft,  denn  bei  der  Frage, was  denn  eigentlich  ein Minister  sei, wird vermutet, dass das Wort aus dem Englischen von „mister“ kommt. (Sarah) Der Grund dafür könnte der hohe Abstraktionsgrad dieses fachspezifischen Fachterminus sein, der angeblich noch nicht vorab vermittelt wurde. Bemerkenswert ist der etymologische Erklärungsansatz, der ein Ausweichen in ein anderes  Fach,  in das  Fach Englisch,  impliziert; der Wissensfundus  ist offenbar nicht mehr  im  Fach „Sachunterricht“  aufzufinden.  Dies  unterstützt  die  Annahme,  dass  dieses  Wissen  mit  hoher Wahrscheinlichkeit  noch  nie  bzw. mit  ungenügender  Redundanz  vermittelt  worden  ist.  Es  ist  zu keiner Etablierung im Wissensnetz der Adressaten gekommen.  

 

 

 

 

 

 

                                                            136 Vgl. GPJE: Anforderungen an Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen. Ein Entwurf. 2.Aufl.; Schwalbach/Ts., 2004: Wochenschau Verlag. S.14 

 

 54 22BKonsequenz für das Modell der GPJE 

4.2.2. Konsequenz für das Modell der GPJE  

Die Szene verdeutlicht, welche Relevanz konzeptuelles Deutungswissen für politische Bildung  in der Grundschule  hat.  Die  vorgebildeten  Konzepte  über  „Finanzminister“  können  zur  Klärung  dieses Fachterminus gewinnbringend eingesetzt werden. Konzeptuelles Deutungswissen hat den Anspruch „nicht  in erster Linie Kenntnisse über Einzelaspekte des politischen“,  sondern „den Sinngehalt und die innere Logik von Institutionen, Ordnungsmodellen und Denkweisen der Sozialwissenschaften“ zu sein.137 Die  Frage  ist,  ob  solche  kognitiven  Leistungen  bereits  von  einer  vierten Grundschulklasse erwartet  werden  können.  Das  transkribierte  Gespräch  liefert  lediglich  für  das  Vorwissen,  für Konzepte und Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler über Politik Belege, allerdings keine  für die Deutung dieses Wissens.  Für eine  lehrtypische  Frage nach dem  „was“ muss erwartungsgemäß damit  gerechnet werden, dass die Adressaten entsprechend deklarativ  antworten. Trotzdem  kann aus  den  gegebenen  Antworten  abgeleitet  werden,  dass  den  Schülerinnen  und  Schülern  die Begriffsannäherung an „Finanzminister“ bereits auf deskriptiver Ebene schwer fällt. Für die Deutung dieses  Wissens  fehlt  das  notwendige  Vorwissen;  dieses  muss  offensichtlich  abrufbar  sein,  um anschließend selbst entsprechend gedeutet werden zu können.  Im Modell werden unterschiedliche Strukturen des Wissens jedoch nicht transparent; stattdessen verschmelzen beide „Wissens‐Stufen“ und  können  folglich  in  ihrer  gegenseitigen Abhängigkeit  nicht mehr wahrgenommen werden. Mit Blick  auf  die  Unterrichtsplanung  kann  dies  für  die  Lehrperson  didaktische‐methodische Schwierigkeiten  erzeugen:  welches  Wissen  wird  benötigt,  damit  die  Deutung  des  eigentlichen Wissens möglich wird? Besteht die Gefahr, dass die Schülerinnen und Schüler überfordert sind, wenn Wissensvermittlung  und  –Deutung  parallel  geschehen?  Für  diese  Herausforderung  ist  das Modell noch  nicht  ausreichend  komplex;  die  Anknüpfung  an  Konzeptionen  der  Schülerinnen  und  Schüler eröffnet  jedoch potentielle Lernwege, vor allem wenn es um politische Bildung  in der Grundschule gehen soll, in der die Schülerinnen und Schüler relativ wenig fachbezogenes (Vor‐)Wissen über Politik besitzen. Konzeptionen sind in jedem Fall vorhanden und unterstützen das effektive Ausformen von Demokratiekompetenz. 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                            137 GPJE: Anforderungen an Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen. Ein Entwurf. 2.Aufl.; Schwalbach/Ts., 2004: Wochenschau Verlag. S.14 

 55 23BTranskription ‐ Szene 3 „Nachbesprechung des Interviews“ (DVD: Kapitel 4) 

4.3. Transkription ­ Szene 3 „Nachbesprechung des Interviews“ (DVD: Kapitel 4) 

 

Lehrer:    Und jetzt machn wir des Aufgabenblatt. Ähm, wir fangen an mit der Aufgabe eins. Wer liest die nochmal kurz vor? (..) (SCHALTET TAGESLICHTPROJEKTOR EIN UND LEGT FOLIE AUF) Kleinen Moment ich muss hier noch en bissl verschiebn und machen. 

Nora:     S kann man nich gut sehen. 

Lehrer:   Kann man nich so gut lesen, na? S‘echt schwer hier.  

Ulrike:    Wir hamms doch aufm Blatt! 

Lehrer:    Ihr habts aufm Blatt ja?! Ähm (..) 

Ulrike:    Die Nora! 

Lehrer:    Wer liests vor? Die erste Aufgabe! Agata. Und laut für alle! 

Agata:     Welche politischen Begriffe werden im Interview genannt? 

Lehrer:    Ok (..) geh mar mal die Reihe durch. Beziehungsweise wer hat ne Lösung dafür. (..) Des habt ihr ja. Jim. Was hast du angekreuzt?  

Jim:     Parlament. 

Lehrer:    Parlament hast du angekreuzt!? 

Jim:     Jo. (LEISE) 

Lehrer:    Wer hat des alles auch? (ALLE STRECKEN) Jawohl, is richtig! Parlament is richtig! Des wurde im Interview genannt. Ähm (..) Des nächste? Nora? 

Nora:     Ähm. Medien. 

Lehrer:    Medien wurde genannt. Des hab ich schon angekreuzt und des is auch richtig, ja? Ähm jetz nochmal, was sin überhaupt Medien? (..) Was könnten Medien sein? Ne Vermutung hat auch niemand? Also Medien sind so Sachen wie. Thomas? Nich nochmal bitte! 

Thomas:   Hm? 

Lehrer:    Die Grimasse, die du gerade gemacht hast. (SCHAUT IHN AN) 

Thomas:   Mhm. 

Lehrer:    Ok? (..) 

Thomas:   Mhm! (NÖRRISCH) 

 

 56 23BTranskription ‐ Szene 3 „Nachbesprechung des Interviews“ (DVD: Kapitel 4) 

Lehrer:    Ok. Also Medien sind zum Beispiel so Sachen wie des Interview, des Internet, kennt ihr auch. Zeitungen. Auch das hier is schon en Medium (ZEIGT AUF FOLIE). Also das hier sind auch schon Medien, diese Blätter, die ihr da habt. Also alles, was irgend ne Information (..) transportiert kann man dazu sagen oder vermittelt, sind Medien. Ähm was is s’Parlament? Was könnte des sein? (..) Des is jetzt sehr schwer! Also wenn ihr des nicht wisst, des is nich schlimm, aber wenn ihr Vermutung habt, dürft gern was dazu sagen. (..) Ähm Sarah? 

Sarah:     Ne Regierung. 

Lehrer:    Mhm. Regierung is nomal was anderes, aber es geht in die richtige Richtung. Ich hab hier son tolles Kinderlexikon, ähm von der Bundeszentrale für politische Bildung, ähm da sind ganz viele Begriffe erklärt, und zwar so erklärt, das des auch ähm jüngere Kinder auch ihr verstehen könnt. Ähm. Ich les einfach mal zu vor, was im Parlament steht und des könnt ihr ja dann, ähm. Ja genau ich les einfach mal vor! Parlament. Das Wort Parlament kommt aus dem Französischen Wort „parler“. Ihr habt doch Französisch oder? (ALLE STIMMEN ZU) Auf Deutsch Sprechen und bedeutet Volksvertretung. Im Parlament sitzen die Abgeordneten, Volksvertreter in Klammer, im Parlament werden neue Gesetze diskutiert und beschlossen. Deshalb wird die, wird das Parlament Legislative, Gewaltenteilung, gesetzgebende Versammlung genannt. Das kommt vom Lateinischen legislatio. Das bedeutet Gesetzgebung. Die Volksvertretung kontrolliert die Regierung, wenn zum Beispiel die Regierung vorschlägt Soldaten in ein Kriegsgebiet zu schicken, oder die Steuern zu erhöhen. Ja? In Deutschland gibt es Parlamente in den Gemeinden, in den Städten, in den Bundesländern und eines für das ganze Land. Das ist der deutsche Bundestag. Des hatten wir ja schon am Mittwoch (..) Ok? Ähm wer kanns nochmal in seinen eigenen Worten formulieren, was es jetzt, was des Parlament is? Des wär echt super, wenn des jemand hinkriegt. Is jetzt ein bisschen viel Information auf die Schnelle. Christoph? Wills dus mal probieren? (..) Probiers einfach mal in deinen eigenen Worten.  

Christoph:   Des kommt ausm Französischen.  

Lehrer:    Mhm des Wort, ja.  

Christoph:   (…) 

Lehrer:    Und, was wirdn dadurch gemacht? Nora? 

Nora:    Also aus dem. Des. Des Wort kommt aus dem Französischen und wird „parler“ genannt. Und ähm (..) des hat irgendwas mit Bundeskanzler oder sowas zu tun. 

Lehrer:    Mhm. Bundeskanzler is nochmal was anderes. Ja, Ulrike? 

Ulrike:    Ähm des wird ähm Bundestag ähm, ähm diskutiert oder so.  

 

 

 57 23BTranskription ‐ Szene 3 „Nachbesprechung des Interviews“ (DVD: Kapitel 4) 

Lehrer:  Aha, ok. Also der Bundestag, des is schonmal des richtige Stichwort. Das, es gibt Parlamente auf, in, auf Gemeinde, des sin dann die Gemeinderäte, dann gibt es die im Land, des sin dann die Landtage und dann gibt es noch, des hatn wir am Mittwoch schon besprochen, für de ganze, die ganzen Länder sin ja in einem Bund zusammengefasst. Der Thomas hat ja damals gesagt, die sind verbündet. Und dort werden dann im Bundestag diskutiert und Entscheidungen gefällt. Ähm des ganze kann man zusammenfassen als Volksvertretung. Also wichtig, Parlament ist Volksvertretung, ja? Des is des wichtige, was er euch da merken solltet, wenn jetzt jemand mal fragt, was des jetzt genau is. Ok etz mach mar aber weiter. Ähm wir haben Medien, Parlament; da waren auch noch andere. Jupp. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 58 23BTranskription ‐ Szene 3 „Nachbesprechung des Interviews“ (DVD: Kapitel 4) 

 

Postskript zu Szene 3 „Nachbesprechung des Interviews“ 

Anzahl der GesprächspartnerInnen  4 Jungen, 7 Mädchen 

Ort  Grundschule Eschbach‐Stegen 

Interviewtag u. –zeitraum 21.09.2007 / 9.50 Uhr – 10.00 Uhr 

Audioaufnahme   Ja 

Länge des Gesprächs  Ca. 6 Min. 

Inhalte der Gespräche vor und nach dem Einschalten des Aufnahmegeräts 

Sichtung des Interviews  mit Finanzminister Peer Steinbrück / Nachbesprechung des Interviews 

Interviewort  Klassenzimmer 

Nonverbale Reaktionen  Stirn runzeln, am Mund herumspielen 

Prägnante Charakterzüge  ‐ 

Störungen des Gesprächs  Grimasse während eines Gesprächs 

Anwesenheit Dritter  Klassenlehrer, Kameramann 

Gesprächsverlauf  9) Vorlesen der Fragen auf dem Aufgabenblatt 

10) Besprechung der erarbeiteten Ergebnisse 

11) Erarbeitung abstrakter politischer Begriffe auf dem Aufgabenblatt 

12) Erklärung der politischen Begriffe    

Sonstiges  ‐ 

 59 24BInterpretation und Beobachtung 

4.3.1.  Interpretation und Beobachtung  

Die Nachbesprechung des  Interviews war ein Versuch für mehrere politische  Informationen, die  im Interview  genannt  wurden,  Erklärungsansatze  im  gemeinsamen  Lehrer‐Schüler‐Gespräch  zu erarbeiten.  Für  die  Erklärung  des  Begriffs  „Parlament“  liefert  ein  Politiklexikon  für  Kinder138  eine grundschulgerechte  Definition.  Zuvor  versucht  die  Lehrperson  evtl.  Vorwissen  bzw.  Konzeptionen über diesen Begriff abzurufen. Es melden  sich nur weinige  Schülerinnen und  Schüler; die Antwort „Ne  Regierung“  (Sarah,  S.2)  enthält  „Politisches“  und  spiegelt  ansatzweise  die  Funktion  eines Parlaments  wieder,  aber  es  fehlen  die  Spezifikation  und  die  Abgrenzung  zu  anderen  politischen Begriffen  bzw.  Institutionen.  Die  Lehrperson  entschließt  sich  für  das  Vorlesen  der  Definition  von „Parlament“  im Politiklexikon  für Kinder.  (S.2) Zur Kontrolle werden die Schülerinnen und Schülern anschließend angehalten das vermittelte Wissen zusammenzufassen. Dabei ergeben sich Antworten, die nur  fragmenthaft den  Inhalt wiedergeben:  „Des kommt ausm Französischen.“  (Christoph, S.2); „Also dem. Des. Des Wort kommt aus dem Französischen und wird „parler“ genannt. Und ähm  (..) des hat irgendwas mit Bundeskanzler oder sowas zu tun.“ (Nora, S.2); „Ähm des wird ähm Bundestag ähm, ähm diskutiert oder so.“ (Ulrike, S.2) Die Begründung dieser Schülerreaktionen liegt teilweise in der  relativ  großen  Textmenge,  die  rezepiert  werden  musste;  für  die  meisten  Schülerinnen  und Schüler  eine  kognitive Herausforderung.  Eine  andere Vermutung  kann  sein, dass die  Schülerinnen und  Schüler  Schwierigkeiten hatten entsprechende politische  Informationen, die  für die Definition von  „Parlament“  prägnant  sind,  aus  konkurrierenden  und  weniger  relevanten  Informationen herauszufiltern. Für die erfolgreiche Verwertung dieses Textmaterials wäre Vorwissen nötig gewesen um  logische Verknüpfungen, beispielsweise  zwischen Parlament und Volksvertretung herzustellen; die Rezeption des Texts  ist folglich eine Deutung dessen. Nur Ulrike kann ein unmittelbares Beispiel für Parlament aus dem Text entnehmen, das sie sinnvoll durch dessen Funktion veranschaulicht: der deutsche Bundestag. (Ulrike, S.2) Die Frage ist, ob Ulrike diese Antwort ohne die Vorbesprechung der Doppelstunde, die zwei Tage vor dem eigentlichen Unterricht statt gefunden hatte und  in der   u.a. auch Vorwissen der  Schülerinnen und  Schüler über Politik  abgefragt und  vermittelt wurde,  geben hätte können. Mit Blick auf den Kompetenzbereich „Methodische Fähigkeiten“, kann an dieser Stelle nur  bedingt  davon  gesprochen  werden,  dass  die  Schülerinnen  und  Schüler  „Bücher  […]  für Informationen zu Themen des Unterrichts nutzen“:139 die Lehrkraft hat die größten Gesprächsanteile, in  der  sie  wesentliche  Informationen  im  Text  zusammenfasst  und  für  eine  grundschul‐adäquate Definition zuschneidet: sie reduziert, wiederholt und veranschaulicht mit konkreten Beispielen. (S.3)  

 

 

                                                            138 Schneider, Gerd; Toyka‐Seid, Christiane: Das junge Politik‐Lexikon. 2. Aufl.; Bonn / Frankfurt am Mein 2006: Bundeszentrale für politische Bildung / Campus Verlag.  

139 GPJE: Anforderungen an Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen. Ein Entwurf. 2.Aufl.; Schwalbach/Ts., 2004: Wochenschau Verlag. S.20 

 

 60 25BKonsequenz für das Modell der GPJE 

4.3.2.  Konsequenz für das Modell der GPJE  

Grundsätzlich unterstützen die Beobachtungen und deren  Interpretation aus der dritten Szene die Annahme,  dass  politisches Vorwissen  zunächst  etabliert werden muss,  um  anschließend  gedeutet werden zu können.  In der zweiten Szene konnten Belege  für diese Annahme  innerhalb der beiden Kompetenzbereiche  „politische  Urteilsfähigkeit“  und  „politische  Handlungsfähigkeit“  gefunden werden. Nun weitet sich diese Annahme auf „methodische Fähigkeiten“ aus; dies spricht wiederum dafür,  dass  konzeptuelles  Deutungswissen  prinzipiell  alle  Kompetenzbereiche  umspannt.  Die Untergliederung  in  „Vorwissen“  und  „Deutungswissen“  und  die Abhängigkeit  dieser Wissensarten untereinander sollten im Modell der GPJE zusätzlich grafisch modelliert werden. Inhaltlich macht der Entwurf der GPJE auf diese Abstufung nur tendenziell aufmerksam: 

Neues Wissen muss deshalb in eine Beziehung zu den Vorverständnissen gesetzt werden, die Schülerinnen und Schüler von den Gegenständen des Faches bereits mitbringen, und geeignet sein, dieses Vorverständnisse qualitativ zu verbesser.140 

Daraus  kann  man  schließen,  dass  Wissen  nicht  nur  eine  Beziehung  mit  den  Vorverständnissen, sondern  auch mit Vorwissen  in  Form  von  politischem Vorwissen  eingehen muss, wenn  es  darum gehen  soll,  dass  nicht  nur  deklaratives,  sondern  weitergeführtes  gedeutetes  politisches  Wissen Einzug in den Unterricht finden soll. Dieser Ansatz muss auch deshalb grafisch und somit zentral für alle Schulstufen veräußert werden, da sich dieses Prinzip  innerhalb der Schulstufen nicht verändert, und das Wissen insgesamt lediglich abstrakter wird.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                            140 GPJE: Anforderungen an Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen. Ein Entwurf. 2.Auflage; Schwalbach/Ts., 2004: Wochenschau Verlag. S.14 

 

 61 26BFazit 

4.4. Fazit  

Für eine qualitative Aussage zum aktuellen Entwurf der GPJE  ist das erbrachte Material sicher nicht repräsentativ genug. Vor allem  ist eine Doppelstunde für die Komplexität dieses Themas zeitlich zu eng  bemessen,  wenn  alle  Kompetenzbereiche  des  GPJE‐Entwurfs  berührt  und  evaluiert  werden sollen.  Dies wird  an mehreren  Stellen  deutlich:  für  die  Doppelstunde wurden  (zu)  viele  Themen angesprochen (Taschengeld, Parlament, Medien usw.), was mit einer sehr vielfältigen zeitintensiven Methodik  einherging  (Diskussion,  Interview, Gruppenarbeit, Präsentation).  Trotzdem  lässt  sich mit dem  videographierten  Unterrichtsversuch  ein  erster  Evaluationsansatz  formulieren.  Das Kompetenzmodell der GPJE ist in jedem Fall ein geeignetes Instrument für die Planung, Durchführung und  Beurteilung  von  politischer  Bildung  in  der  Grundschule.  Die  Dimensionierung  in  drei übersichtliche und fassbare Kompetenzbereiche ist schlüssig und trägt zur Strukturierung der schwer fassbaren  „Demokratiekompetenz“  bei;  vor  allem  wenn  „fachfremde“  Grundschullehrer  und Grundschullehrerinnen  davon  betroffen  sind.  Die  Umklammerung  dieser  Bereiche  durch konzeptuelles  Wissen  veranschaulicht  die  Relevanz  von  Vorkenntnissen,  Vorverständnissen, Konzeptionen  und  bereits  etablierten  Vorstellungen  über  Politik.  Man  vermisst  formulierte empathische Demokratiekompetenzen und generell die Nähe zum eng verwandten sozialen Lernen. Zusätzlich  verschwimmen  Vorwissen  und  Deutungswissen  unter  dem  Deckel  des  „konzeptuellen Deutungswissens“ und die Beziehungen dieser beiden Wissensarten untereinander können anhand der Grafik  nicht  nachvollzogen werden. Damit  das Modell  seine  unterrichtstaugliche  Reife  erhält, sollten diese Bereiche mit Blick auf die Lehrerausbildung überarbeitet und erneut diskutiert werden. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 62 27BAusblick 

5.  Ausblick  

Die Diskussion  über  politische  Bildung  und  deren Umsetzung  in Grundschulen  ist  bestimmt  noch nicht abgeschlossen. Es gibt genug  Indizien, die  für die  frühe politische Bildung sprechen und auch genügend politikdidaktische Konzeptionen. Trotzdem  ist die Ausbildung von Demokratiekompetenz nicht  ohne Weiteres  umsetzbar,  denn  vor  allem  in  der  Grundschule  sind  die  Lehrkräfte mit  der Komplexität  und  Tragweite  dieses  „Fachs“  überfordert.  Der  Anspruch  der  Fachwissenschaften  ist zudem eine komplexere Wahrnehmung von Politik und Demokratie; bisher wurde nicht ausreichend von Demokratie‐Lernen gesprochen und Demokratie häufig mit dem „Politikunterricht“ unter einen Teppich  gekehrt.  Damit  wurde  politische  Bildung  vor  allem  für  die  Sekundarstufen  ausgerichtet. HIMMELMANN sprengt das bisherige Verständnis von Demokratie und macht klar, dass Demokratie‐Lernen nicht nur Institutionskunde ist; Demokratielernen kann unter dem Aspekt der „Demokratie als Lebensform“  auch  an Grundschulen umgesetzt werden. ROHE  knüpft  in  ähnlicher Weise mit dem Politikbegriff  an, und  spricht  sich  gegen ein einseitiges Verständnis  von Politik  als Regierungsform aus.  Doch  diese  Erkenntnisse  sind  keineswegs  Produkte moderner  fachdidaktischer  Diskussionen, denn  deren Wurzeln  reichen  bis  zu  DEWEY  zurück.  Ansätze  für  eine  lebensnähere  vielschichtige politische  Bildung  waren  also  bereits mehrere  Jahrzehnte  vorhanden,  aber  kaum  berücksichtigt. Politische  Bildung  verweilt  an Grundschulen  als  randständiges  zu  global  gefasstes  Lernziel  in  den Fächerverbünden. Schließlich ergibt sich aus diesem komplexen Begriffsverständnis für Lehrkräfte die Herausforderung  beim  Unterrichten  zu  berücksichtigen,  welche  Dimensionen  des  Demokratie‐Lernens  bzw.  der  politischen  Bildung  für  ihre  Adressaten  zutreffen  und  wie  diese  didaktisch‐methodisch  zu  verwerten  sind.  Inwiefern  ist  es  einem  Grundschullehrer  oder  einer Grundschullehrerin möglich diese Herausforderung zu meistern? Der Entwurf der GPJE möchte sich diesem Problem  stellen,  indem er messbare und  vor  allem  realisierbare Bildungsstandards  für die politische  Bildung  am  Ende  der  vierten  Klasse  formuliert.  Entlang  dieses  Entwurfs  soll  für Grundschullehrer  und  Grundschullehrerinnen  eine  Planung,  Umsetzung  und  Auswertung  von politischer Bildung besser gelingen und die Unsicherheit vor dem schwer fassbaren Bildungsauftrag, Schülerinnen und Schüler zu einem mündigen Staatsbürger zu   erziehen,   genommen werden. Der Entwurf  definiert  Demokratiekompetenz  durch  ein  von  drei  Kompetenzbereichen  umrandetes Modell: politische Urteilsfähigkeit, politische Handlungsfähigkeit und methodische Fähigkeiten. Die Einbettung  in  konzeptuelles  Deutungswissen  expliziert  die  Notwendigkeit  an  bereits  vorhandene Konzeptionen  der  Schülerinnen  und  Schüler  anzuknüpfen  und Wissen  in  einem  weiteren  Schritt deutbar  zu  machen.  Doch  der  Entwurf  scheint  noch  Lücken  aufzuweisen,  die  unter  Umständen zusätzliche  didaktische  Herausforderungen  für  die  Lehrkraft  erzeugen  können.  Zunächst  ist  es schwierig  das  Zusammenspiel  zwischen  sozialen  Lernen  und Demokratie‐Lernen  nachzuvollziehen; die  Folge  davon  ist  eine  nicht  trennscharfe Wahrnehmung  von  Demokratie‐Lernen  und  sozialen Lernen, obwohl dies von fachdidaktischer Seite eingefordert wird. Es fehlen Bezüge zu Kompetenzen des  sozialen  Lernens,  die  sich  im  hier  durchgeführten  Praxisbeispiel  vermehrt  durch  Empathie offenbarten. Einerseits müssen also die Unterscheidung zwischen sozialen Lernen und Demokratie‐Lernen und  andererseits die  Interpendenz  zwischen diesen beiden  „Fächern“  transparent werden. Ein weiterer Missstand des GPJE‐Modells  ist die unzureichende  Strukturierung des  „konzeptuellen Wissens“.  Es  wird  im  Entwurf  erwähnt,  dass  bereits  vorhandene  Konzeptionen  über  Politik berücksichtigt werden müssen, um die Entwicklung der angestrebten Kompetenzen zu unterstützen.  

 63 27BAusblick 

Allerdings  fehlen  Bezüge  zwischen  Vorwissen  und  Deutungswissen,  die  im  Unterrichtsbeispiel deutlich wurden:  für  die Deutung  von  politischen  bzw.  domänenspezfischen Wissens muss  dieses zunächst  als  Vorwissen  vermittelt  und  konstituiert  sein.  Die  Unterteilung  und  Abhängigkeit  von Vorwissen  und  Deutungswissen  wird  im  Entwurf  weder  graphisch  noch  inhaltlich  ausreichend deutlich.  Diese  beschriebenen  Defizite  basieren  auf  keiner  repräsentativen  Studie,  aber  die videographierte Unterrichtsstunde  liefert einen realistischen Einblick darüber,  inwiefern das Modell der  GPJE  im  Einzelfall  an  einer  Grundschule  umgesetzt  werden  kann,  und  welche Optimierungsmaßnahmen  für  dieses  Modell  in  Erwägung  gezogen  werden  sollten.  Mit  aller Nachdrücklichkeit  sollte  jedenfalls  die  frühe  politische  Bildung  an  Grundschulen  und  Vorschulen weiterhin  erforscht  und  vorangetrieben  werden.  Ich möchte  wiederum mit  einem  Zitat  unseres jetzigen  Staatsoberhauptes  HORST  KÖHLER  schließen,  der  die  aktuelle  Notwendigkeit  einer politischen Bildung insgesamt skizziert: 

[…]  Unsere  freiheitliche  Gesellschaft  lebt  davon,  dass  mündige  Bürgerinnen  und  Bürger Verantwortung  für  sich  und  für  das  Gemeinwohl  übernehmen.  Eine  Diktatur  kann  sich ungebildete Menschen leisten ‐ nein: sie wünscht sich die sogar.141 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                            141 Köhler, Horst: Bildungsrede (Berliner Rede) vom 22.09.2006 http://www.archiv‐der‐zukunft.de/blog/?p=98 (10.10.2007) 

 64 28BLiteratur‐ und Quellangabe 

6.  Literatur­ und Quellangabe  

Breit, Gotthard; Schiele Siegfried (Hrsg.): Demokratie‐Lernen – als Aufgabe der politischen Bildung. Schwalbach/Ts. 2002: Wochenschau Verlag.  

Bundesministerium für Bildung und Forschung: Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandars. Bonn 2003: BMBF. 

Claußen, Bernhard; Gagel, Walter; Neumann, Franz (Hrsg.): Herausforderungen – Antworten. Politische Bildung in den neunziger Jahren. Opladen 1991: Leske & Budrich. 

Darmstädter Appell: Aufruf zur Reform der „Politischen Bildung“ in der Schule. In: Politische Bildung, Jg.28/1995, Heft 4. 

Dewey, John: Demokratie und Erziehung. Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik (1916). Aus dem Amerikanischen von Erich Hylla. Herausgegeben von Jürgen Oelkers. Mit einer Auswahlbibliographie. Weinheim und Basel 2004: Beltz Verlag. 

Dittmar, Norbert: Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben für Studenten, Forscher und Laien. 2. Aufl.; Wiesbaden 2004: VS Verlag für Sozialwissenschaften.  

GPJE: Anforderungen an Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen. Ein Entwurf. 2.Aufl.; Schwalbach/Ts., 2004: Wochenschau Verlag. 

Habermas, Jürgen: Erläuterungen zur Diskursethik. 2. Aufl.; Frankfurt/M., 1992: Suhrkamp. 

Hafner, Verena: Politik aus Kindersicht. Eine Studie über Interesse, Wissen und Einstellungen von Kindern. Stuttgart 2006: ibidem‐Verlag. 

Henkenborg, Perter: Politische Bildung als Kultur der Anerkennung: Skizzen zu einer kritischen Politikdidaktik. In: kursiv – Journal für politische Bildung, 2/2002. 

Himmelmann, Gerhard: Demokratie Lernen als Lebens‐, Gesellschafts‐ und Herrschaftsform. Ein Lehr‐ und Studienbuch. Schwalbach/Ts. 2001: Wochenschau Verlag.  

Himmelmann, Gerhard: Leitbild Demokratieerziehung : Vorläufer, Begleitstudien und internationale Ansätze zum Demokratie‐Lernen. Schwalbach/Ts. 2006: Wochenschau Verlag 

Internetportal zur Einführung in Methoden der qualitativen Sozial‐, Unterrichts‐ und Schulforschung: http://www.ph‐freiburg.de/quasus.html (27.09.2007) 

Köhler, Horst: Bildungsrede (Berliner Rede) vom 22.09.2006 http://www.archiv‐der‐zukunft.de/blog/?p=98 (10.10.2007) 

 65 28BLiteratur‐ und Quellangabe 

Kuhn, Hans‐Peter; Uhlendorff, Harald; Krappmann, Lothar (Hrsg.): Sozialisation zur Mitbürgerlichkeit. Opladen 2000: Leske & Budrich.  

Lange, Dirk: Alltagsorientierte politische Bildung. Vom politikfernen Alltag zur Alltagspolitik. In: Kursiv – Journal für politische Bildung 1/2004. 

Massing, Peter; Roy, Klaus‐Bernhard (Hrsg.): Politik. Politische Bildung. Demokratie. Schwalbach/Ts. 2005: Wochenschau Verlag. 

Massing, Peter; Weißeno, Georg (Hrsg.): Politik als Kern der politischen Bildung. Wege zur Überwindung unpolitischen Unterrichts. Opladen 1996: Leske & Budrich. 

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden‐Württemberg: Bildungsplan für die Grundschule. Villingen‐Schwenningen 2004: Neckar‐Verlag.  

Pohl, Kerstin: Positionen der politischen Bildung Bd.1 . Ein Interviewbuch zur Politikdidaktik. Schwalbach/Ts. 2004: Wochenschau Verlag. 

Prote, Ingrid: Für eine veränderte Grundschule : Identitätsförderung ‐ soziales Lernen ‐ politisches Lernen. Schwalbach/Ts. 2000: Wochenschau Verlag. 

Rau, Johannes: „Die Zukunft unserer Demokratie“  http://www.bundespraesident.de (15.08.2007) 

Redaktion Politische Bildung & kursiv – Journal für politische Bildung (Hrsg.): Bildungsstandards – Evaluation in der politischen Bildung. Für Schule, Jugend‐ und Erwachsenenbildung. Schwalbach/Ts. 2005: Wochenschau Verlag. 

Reinhardt, Volker; Lange, Dirk (Hrsg.): Planung Politischer Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Baltmannsweiler 2007: Schneider Verlag Hohengehren. 

Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie‐Lernen in der Grundschule. Bonn 2007: Bundeszentrale für politische Bildung. 

Richter, Dagmar: Sachunterricht – Ziele und Inhalte. Ein Lehr‐ und Studienbuch zur Didaktik. Hohengehren: 2002: Schneider Verlag.  

Rohe, Karl: Politik. Begriffe und Wirklichkeiten. 2. Aufl.; Stuttgart, 1994: Kohlhammer Verlag.  

Schneider, Gerd; Toyka‐Seid, Christiane: Das junge Politik‐Lexikon. 2. Aufl.; Bonn / Frankfurt am Main 2006: Bundeszentrale für politische Bildung / Campus Verlag.  

Schneider, Ilona Katharina: Politische Bildung in der Grundschule. Hohengehren 2007: Schneider Verlag. 

Uhl, Katrin; Ulrich, Susanne; Wenzel, Florian M. (Hrsg.): Evaluation politischer Bildung. Ist Wirkung messbar? Gütersloh 2004: Bertelsmann Stiftung Verlag. 

 66 28BLiteratur‐ und Quellangabe 

Weinert, Franz E.: Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: ders. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim/Basel 2001: Beltz Verlag. 

Wellmann, Henry M.; Gelman, Susan A.: Cognitive development: Foundational theories of core domains. In: Annual Review of Psychology 43/1992. 

ZDF: Kindernachrichten „logo!“ http://www.tivi.de/fernsehen/logo/start/index.html (12.09.2007) 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 67 29BAnhang 

7. Anhang  

„ Ich versichere, dass ich die Arbeit selbstständig und nur mit den 

angegebenen Quellen und Hilfsmitteln angefertigt und dass ich alle 

Stellen der Arbeit, die aus anderen Werken dem Wortlaut oder dem 

Sinne nach entnommen sind, kenntlich gemacht habe.“ 

 

„Im Falle der Aufbewahrung meiner Arbeit im Staatsarchiv erkläre 

ich mein Einverständnis, dass die Arbeit Benutzern zugänglich 

gemacht wird.“ 

 

 

Freiburg, den 10.10.2007 

 

………………………………………………….. 

(Johannes Klein) 

 

 

 

 

 

 

 68 29BAnhang 

 

 

DVD „Poltische Bildung in der Grundschule“  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 69 29BAnhang 

Transkription – Szene 1 „Gruppendiskussion“  

(DVD: Kapitel 2) 

Lehrer:    Wie is des denn, habt ihr euch. (..) Ähm findet ihr euer Taschengeld denn gerecht. (..) Also (..) Findet ihr es gerecht, so wie es ist? Jim. 

Jim:     Ich find es gerecht. 

Lehrer:    Kannst du (..) auch noch begründen? (..) Warum findest dus gerecht? 

Jim:     (…) 

Lehrer:    Dann komm mar nachhert nomal auf dich zurück, ja? Vielleicht fällts dir nochmal später ein. Thomas? 

Thomas:   Also ich finds fast gerecht. Also ähm (..) Eigentlich hab (1SEK UNV.) Also eigentlich wollt ich das so: in der ersten Klasse fünfzig Cent pro Woche. Ja? In der zweiten Klasse (..) ähm (..) jetzt  ein Euro. In der dritten Klasse ein Euro fünfzig und in der vierten Klasse zwei Euro (3SEK UNV.) und ähm ja, und jetzt hab ich halt immer noch ein Euro fünfzig, aber hoffentlich wird sich des noch ändern. 

Lehrer:    Mhm. Ok. Also du sagst schonmal. 

Thomas:   Fast gerecht. 

Lehrer:  Fast gerecht. Du würdest auch schonmal. Ähm (..) Also wenn ich des jetzt richtig verstanden hab bei dir Thomas. Du würdst auch schonnoch en bisschen mehr dann später haben. 

Thomas:   Ja. (1SEK UNV.) 

Lehrer:    Mhm. Ok. Wie is des bei dir? (..)  

Ulrike:     Ähm. 

Lehrer:    Ulrike. 

Ulrike:    Also ähm in der ersten Klasse krieg ich zwei (..) ein Euro. In der zweiten krieg ich zwei Euro. In der dritten krieg ich ähm vier Euro. Und in der ähm (..) in der vierten krieg ich sechs Euro.  

Lehrer:    Mhm. 

Ulrike:    Und des gibt halt immer zwei Euro mehr. 

Lehrer:    Und is des ok für dich? 

Ulrike:     Ja. 

 70 29BAnhang 

Lehrer:    Ok du findst gerecht. Jemand dabei der sacht, also ich hab mich bei meim Taschengeld schon ganz schön gestritten, mit meinen Eltern. (..) War hat des schon mal miterlebt? (..) Nora? 

Nora:   Ähm Einmal hat haben hab ich (..) an dem Tag kein Taschengeld gekriegt. Und da hab ich    immer so nen kleines Spardose, die stell ich dann immer ins Wohnzimmer und der Papa soll mir immer dann ein Euro reinwerfen. Am am Sonntag krieg ich auch nämlich immer ein Euro. Ähm. Einmal hat der Papa des drei Wochen lang vergessen und dann hab ich gesagt: „Papa du hast drei Wochen lang kein ein Euro reingeschmissen, hat der gesagt, doch ich habs reingeschmissen, aber (1SEK UNV.)“ nein ich kanns ja nich sehen, was der Papa reinschmeißt. Ja? Und dann hat der gesagt, ab jetzt an leg ich dann des ein Euro vor die (Spardose). 

Lehrer:    Mhm. Ok. Also ihr habt euch auf was geeinigt wies ähm weiterhin ablaufen soll, so dass dus auch mitbekommst. Ok? Thomas wie du woll, du hast bei dir war auch mal was? Hast du grad vorhin (dich auch gemeldet?). Wer hat denn noch, ähm Sarah? Bitte lass das. (..) Wer hat denn noch von Euch ähm mit euren Eltern über Taschengeld gestritten? (..) Keiner? (..) Gar nicht. Ok. Ähm. (..) Was sagen denn eure Eltern denn dazu? Also. (..) Habt ihr euch schonmal drüber unterhalten über Taschengeld mit euren Eltern? (..) Zum Beispiel, wenns darum geht, ja was soll ich denn damit machen? Oder ähm (..) zu was brauch ich das überhaupt oder wie auch immer? Habt ihr euch schonmal drüber unterhalten, was eure Eltern dazu sagen? Sarah? 

Sarah:    Die Charlotte sagt immer, dass sie ein Pferd haben will. Und dann sagt die Mama: „Dafür kannst du dir doch mal ähm was anderes schönes kaufen.“ Und sie sagt immer, dass sie sich ein Pferd kaufen will und so. 

Lehrer:    Mhm. Ok. Noch jemand (..) der auch so ne Erfahrung gemacht hat. Ne andere. (..) Thomas? 

Thomas:   Ähm (2SEK UNV.) da war auf halt jeden Fall so en tolles Autöchen. Und das wollt ich unbedingt haben. Ja?  

Lehrer:    Mhm. 

Thomas:   Und dann (..) hat die Mama gesagt, gut das kriegst du auch. War eigentlich schon so, jetzt musst du noch ein bisschen sparen, aber das kriegt du auch von deim Taschengeld. Aber dafür sparst du dann mal bis Weihnachten. Dann hast du achtzig Euro gespart und dann schenkt mir mein Opa mir noch zwanzig, und dann hab ich, und dann hab ich hundert, und dann mach damit ein Konto auf. 

Lehrer:  Ok. (..) Was denkt ihr denn dazu, ähm müssen Eltern Taschengeld bezahlen? (…) Beate. 

Beate:     Nein müssen sie nicht. 

Lehrer:    Und warum nicht? (…) Thomas? 

 71 29BAnhang 

Thomas:   Weil die kein Geld haben. (..) Zum Beispiel? Wenn sies nicht bezahlen können in so armen Ländern, wie in Afrika. 

Lehrern:   Des istn ganz wichtiger Punkt, ja? Also zum Beispiel in Afrika. Wie sollen die Eltern denn da Taschengeld bezahlen können, wenn sie selbst kein Geld haben oder ganz wenig, so dass es nur fürs Essen reicht? Aber jetzt bleibn wir mal in Deutschland. Also (..) müssen Eltern in Deutschland, und in Deutschland is es ja (..) sind die Menschen ja reicher als in Afrika. Müssen Eltern in Deutschland denn Taschengeld bezahlen? (..) Die Ulrike. 

Ulrike:    Ähm (..) ne sie müssen nich sie könnens uns geben.  

Lehrer:    Ok. Also es is nicht. Es ist ne freiwillige Sache. (..) Ja soll denn nich jedes Kind Taschengeld bekommen? (..) Soll des nicht jedes Kind bekommen? (…) Was denkst du drüber Verena? 

Verena:   Mhm. (…) 

Lehrer:    Ok. Thomas nochmal. 

Thomas:  Ähm. Also. Eigentlich schon, sonst lachen die (1SEK UNV.), weil die meisten Kinder kriegen ja Taschengeld und dann lachen die anderen dich aus. Klar is schon gemein. Aber ähm manche Eltern wollen des halt nicht. (..) Mein die (..) ähm es gibt so Eltern, die des nich machen. 

Lehrern:   Ok, du hast gesagt, manche Eltern wollen des nich. Ähm. Könnt ihr euch vorstellen, warum Eltern des nich wollen? Also nehmn mar mal an es gibt Eltern, die zahlen kein Geld den Kindern. Welche Gründe könnten die denn haben? Warum könnten die denn sagen, ne ich zahl euch kein Taschengeld.(..) Nora? 

Nora:    Zum Beispiel ähm wenn man arbeitslos ist, dann hat man nicht so viel Geld (..) und des Geld braucht man halt selber zum Klamotten kaufen und sowas. (..) 

Lehrer:    Ok, also Arbeitslosigkeit. Was könnte noch dahinter stecken? (..) Ich bin mir sicher, dass euch noch was dazu einfällt. Denkt mal nach. Versetzt euch mal in die Lage euer Eltern. (..) Warum könnten die sagen, ne ich zahl euch, (..) (MIT NACHDRUCK) ich zahl euch kein Taschengeld. Jim. 

Jim:     Weil du zu mir frech warsch. 

Lehrer:   Mhm. Also, wenn ihr euch nicht gut versteht mit euren Eltern. Ja wieso machen ses also (..) warum zahlen sie dann kein Taschengeld weil du frech warst? (…) Wenn ich jetzt zu dir frech bin, und dann etzt hinterher sag, ich will da jetzt Geld dafür. Ich will trotzdem mein Geld. Was würdest du dazu sagen? (..) Sarah? 

Sarah:    Ich würd sagen, ähm hol dir des Geld doch von jemand anderen, der sich (der sich für dafür gut findet.) 

 

 72 29BAnhang 

Lehrer:    Ok. Also des is auf jeden Fall nich also, man möchte den irgendwie auch bestrafen, dafür dass er frech war, (..) und als Eltern muss man, ähm überlegt man sich ja, dass, dass man auch irgendwie die Kinder dafür bestraft, wenn se frech sind. Mann will ja keine freche Kinder haben. Das wisst ihr ja. Habt ihr bestimmt schon oft genug von euern Eltern gehört. (..) Es melden sich immer dieselben. Ich bin mir sicher, ihr alle anderen könnt da auch noch was zu sagen. (..) Antonia, wie siehts bei dir aus? (..) 

Antonia:  Mhm. (..) 

Lehrer:    Was du denkst du sagten eure, wenn du, was könnten die Eltern denn denken, wenn sie sagen ich geb dir kein Taschengeld? Oder was für ein Grund könnte dahinterstecken? (..) 

Antonia:   Dass die einen, dass die einen bestrafen, weil der hat, weil der frech zu den Eltern war. 

Lehrer:    Bestrafen des hatten wir schon auch. Ok. Jetzt mal, geh mar mal auf die andre Seite. Ähm. Was denkt ihr, was, was denkt ihr, geht in so nem Kopf von nem Kind vor, wenn ähm es kein Taschengeld bekommt, und alle andern bekommen Taschengeld? Außer es selbst nicht? (..) Sarah jetzt? 

Sarah:     Meine Eltern mögen mich nicht und geben mir deswegen nichts. 

Lehrer:    Mhm. Und was. Wie findest du des selbst? Also. (..) Was denkst du darüber? Findest du des so ok? 

Sarah:     In manchen Fall haben die Eltern einfach kein Geld dafür, des zu bezahlen, irgendwie. 

Lehrer:    Ok. Was könnt denn noch so im Kopf vorgehen. Also natürlich kann das Kind auch Verständnis haben und sagen: ok meine Eltern haben kein Geld. Was könnte aber auch sein, dass, was könnte des Kind auch denken? (..) Thomas? 

Thomas:  Dass die Eltern des Kind zu dumm halten. Dass die denken, ähm ich ähm, du kannst doch noch nicht mit Geld umgehen und ähm aber es, aber es dem Kind nicht sagen wollen, weil (es sonst beleidigt ist.) 

Lehrer:    Mhm. Also die halten des Kind einfach, es ähm, es gibt ja nur für Süßigkeiten des Geld aus. Du kannst des Geld nicht sparen. Du kannst damit nicht umgehen, und ich möchte ja, dass du damit umgehen kannst, deswegen geb ich dir kein Geld. Nora? 

Nora:    Zum Beispiel die Eltern haben doch ähm bestimmt Erfahrung gemacht, wenn en Kind Taschengeld hat, dann wills sichs unbedingt des kaufen, aber des nützt nichts, weil des nur son Stück Pappe is, und damit kann man nix anfangn, und deswegen kann man auch Geld sparen, für Schulsachen zum Beispiel kaufen (..) Viele Eltern geben auch kein Taschengeld, weil sie wissen, dass die Kinder da was nich Gescheites kaufen. (..) 

Lehrer:  Ok. (LEGT WORTKARTE „ ‐ FÜR ALLE ELTERN PFLICHT?“ IN DIE MITTE DES STUHLKREISES) (..) Verena? 

 73 29BAnhang 

Verena:   Da steht für alle Eltern Pflicht. (..) 

Lehrer:    Thomas? 

Thomas:   Ähm Taschengeld für alle Eltern Pflicht, ob die des alle machen müssen (1SEK UNV.) Und da würd ich nein sagen. 

Lehrer:    Du würdest nein sagen? 

Thomas:   Ja. 

Lehrer:    Was sagen die andern? (..) Jim, du wolltest? 

Jim:     Ähm (..) sie müss, sie müssen nich. (..) 

Lehrer:    Ok, sie müssen nich. Du sagst auch nein. Was noch ganz toll wär, wenn ihr immer sagt nein oder ja, dass ihr euch nochmal überlegt en Grund, warum denn eigentlich? Warum ja und warum nein. Des wär echt toll! (..) Die Ulrike. 

Ulrike:   Ähm sie müssen nicht weil, des is ja kein Pflicht. Die können freiwillig (..) und es gibt ja gar kein Recht dafür.(..) Niemand kann über sie bestimmen, weil sie ja die Eltern sind. 

Lehrer:    Ok. Also mim Recht meinst du auch es gibt kein Gesetz? 

Ulrike:    Ja. 

Lehrer:    Für sowas. Noch jemand? Agata was denkst du. 

Agata:    Ne. Nein. Weil, ich wollt eigentlich auch sagen, was die Ulrike gesagt hat. Weil des des steht ja nirgends, das des man machen müssen. Des sagt ja niemand. 

Lehrer:    Noch jemand ein der anderer Meinung is? (..) Beziehungsweise ich frag mal anders: (..) wenn jemand ja sagt, welches, welche Gründe könnte er dafür nennen? (..) Thomas? 

Thomas:   Also erstens müssen ses nich weil, weils ja kein Gesetz. Aber zweitens find ich ähm sollten ses eigentlich, dass des Kind lernt mit Geld umzugehen.  

Lehrer:    Aha. Also en ganz wichtiger Punkt. Die Kinder sollen lernen mit Geld umzugehen und eigentlich, wenn man es richtig macht, könnte des nützlich sein. Des könnte ein Grund, ein Argument dafür sein, warum man des verpflichtend für alle Eltern machen könnte. (..) Gut, des is echt en guter Punkt, schreibe ich mir auch auf. Ähm. (SCHREIBT AUF) Noch ein Grund dafür?! Sarah. 

Sarah:    Wenn des Kind frech ist, wieso sollten die Eltern es dann belohnen, dann würden die, würden die Kinder doch alle, ähm so ich bin frech und jetzt hab ich ne Belohnung gekriegt, dann bin ich jetzt weiter frech. 

 

 74 29BAnhang 

Lehrer:   Des is auch en interessanter Gedanke, ja. (..) Also, des wär auch eher au nochn Grund, ähm nein zu sagen. Also, ich möchte das Gesetz nicht oder ich möchte nicht, dass die ähm Eltern zahlen müssen. Ja? Des wär auch en Grund dagegen. (..) Hat jemand nochn Grund dafür, des wär echt gut. (..) Versucht euch mal ein Kind vorzustellen, des einfach wahnsinnig gern ähm Süßigkeiten isst. Zum Beispiel. Und des kanns nie kaufen, weil es em die Eltern immer verbieten und es möchte es einfach gerne machen. Was könnte des Kind sagen zu dieser, zu diesem Gesetz oder zu dem (..), ja müssen denn alle Eltern Taschengeld bezahlen. Was könnte des Kind dazu sagen? Stellt euch mal es vor! (..) Beate. 

Beate:    Des Kind findet es dann gemein, das des das nix kaufen darf. 

Lehrer:    Und was könntes dann dazu sagen für alle, Taschengeld für alle Eltern Pflicht? (..) Was denkst du, was würde es dazu sagen? Wenn man fragen würd, was denkst du denn darüber nach Taschengeld für alle Eltern Pflicht? Findes, würdest du ja, würde es ja oder nein sagen? 

Beate:     Würde auch nein sagen.  

Lehrer:    Wieso? 

Beate:   Ja des steht halt des steht halt nirgends, und man darf, die Kinder dürfen die Eltern nich dazu zwingen. 

Lehrer:    Die Kinder dürfen die Eltern nich dazu zwingen. Is auch en wichtiger Punkt, ja? Thomas? 

Thomas:   Sie dür, sie sie dürfen schonmal, dagegen spricht auch wieder kein Gesetz, aber sie können nich. (..) Und es steht auch nirgendswo, und es gibt auch kein Gesetz, dass alle Eltern Taschengeld geben müssen. 

Lehrer:   Das is richtig, ja. (..) Und trotzdem nochmal, was könnte des Kind sagen? Mit den Süßigkeiten. Es will unbedingt diese Süßigkeiten kaufen. Es fehlt ihm das Geld. Was würdes denn dazu sagen, nehm mar an des Taschengeldgesetz (..) würde, würde zur Debatte, also es wird diskutiert. Man würde überlegen, ja kann man des jetzt machen oder nich. Was würde des Kind sagen, wenn man es befragen würde. Stellt euch, versetzt euch mal in die Lage des Kindes. Nora. 

Nora:    Wenn der unbedingt diese Süßigkeiten haben will, dann ded er sagen, ja die Eltern müssen ähm Taschengeld bezahlen. 

Lehrer:    Mhm. Und wa. 

Nora:     Weil er des ja unbedingt will. 

 

 

 

 75 29BAnhang 

Lehrer:    Weil er des will. Also er möchte das Geld haben, weil er damit ähm sein Wunsch erfüllen kann Süßigkeiten zu essen. Also wir haben zum einen die El ähm auf der anderen Seite nein. Also man darf, die Kinder dürfen die Eltern nich dazu zwingen. Wenn man arbeitslos ist kann man Taschengeld nicht zahlen, und wenn ähm ja also man kann ja nich einfach so für andere mitbestimmen. Das sind schonmal drei Gründe dagegen. Drei Argumente gegen das Gesetz. Des Gesetz dafür wär zum Beispiel, ja also (..) dann kann ich ja mit dem Geld machen, was ich will. Ich könnte Süßigkeiten, ich könnte endlich diese Süßigkeiten oder immer schon kaufen, was ich schon lange gewünscht hab, zum Beispiel en Ponny. Des is natürlich jetzt übertrieben, des is sehr teuer, aber man könnte natürlich verstehen und zu dem Kind sagen, ja ok, wenn des dein Wunsch is, dann is des dein Grund zu sagen, ok ich sage ja. (..) Sarah? 

Sarah:    Wenn des Kind aber dann dauernd Geld hätte und sich davon dauernd Süßigkeiten kaufen würde, dann würd ich auch die Eltern verstehen, wenn sie sagen, ich geb dir kein Taschengeld, weil du sons schlechte Zähne kriegst.  

Lehrer:    Ok, also Gesundheit, wenn man wenn, wenn die Eltern könnten natürlich auch wieder dagegen sagen, ja du hast dann schlechte Zähne. Des isn guter interessanter Punkt Sarah, ja? Thomas? 

Thomas:   Die Eltern könnten ja auch so nur so viel Taschengeld geben, dass es, dass es für, dass es pro Woche bloß für einundzwanzig für eine Gummibärchen, also für einundzwanzig Sachen. 

Lehrer:    Mhm. 

Thomas:   Er braucht ja nur. 

Sarah:     Einundzwanzig Sachen.(SKEPTISCH) 

Thomas:   Ja, einundzwanzig Sachen! 

Lehrer:    Ok, also ihr habt. Ein. Also du hast vorgeschlagen, man müsst halt enfach irgendwie überlegen, wie kann mans machen, dass man ähm für die Eltern recht macht und für die Schüler, also ähm für die Kinder recht macht. Thomas, ja? 

Thomas:   Oder die Eltern könnten ja mal Sachen von den Süßigkeiten geben, ja? Und dann würden se sagen, so, das hast du jetzt alles und mehr kriegst du nicht in der Woche. Als dann geben se dem schon viel, und das is jetz dein ganzer Gehalt für die ganze Woche. Und wenn es dann halt am ersten Tag alles auffuttert, dann hats halt die letzte Woche, die ganze Woche nich, na? (..) 

Lehrer:    Also man könnte sichs überlegen wie mans macht, dass des Kind trotzdem dazu kommt. Aber, trotzdem wenn du ihm nur Süßigkeiten gibst, dann kanns nicht aussuchen, was es kaufen möchte. Was könnte des Kind, das Kind, was könnte dann des Kind sagen? Sarah? 

Sarah:     Schmeckt mir nich. (MURMELT) 

 76 29BAnhang 

Lehrer:   Bitte? 

Sarah:     Des schmeckt mir nich.  

Lehrer:    Zum Beispiel! Also es könnte sagen es schmeckt mir nich, und ich möchte das Geld weil ich mit dem Geld kann ich dann entscheiden was ich mach; dann kann ich des entscheiden und nicht ihr. Wenn ähm ich des Geld nich bekomme, des is auch wieder en weiterer Grund. Wenn ich kein Taschengeld bekomme, kann ich nicht frei entscheiden, was ich möchte. (..) Thomas. 

Thomas:   Se könnten aber auch sagen, hier ich geb dir jetzt des Taschengeld, aber du darfst dir nur ne bestimmte Anzahl Süßigkeiten kaufen halt. Pro Woche. 

Lehrer:   Mhm. 

Thomas:   Und den Rest kannst du für was anderes verwenden. 

Lehrer:   Ok. Also man muss dann schon überlegen, wie mans genau machen kann, so dass es für beide ok is. Also dass der, dass des Kind sacht: ok ja, also so könnte ich mir des vorstellen und die Eltern sagen: ja ähm so klappt des. Also wenn man beide Seiten sozusagen berücksichtigt, die Kinder und die Eltern, und versucht ähm irgend ne gemeinsame Lösung zu finden, dann ähm könnte des klappen. Die Sarah noch, und dann mach mar was anderes.  

Sarah:    Wenn man dem Kind dann einfach Geld mitgeben würde, und es sagen würde, ja du darfs jetzt so und soviel kaufen. Würde sich des Kind auch daran halten? Des glaub ich nicht. Des würde einfach, wenns Rückgeld geben würde dafür auch nochmal was kaufen. 

Lehrer:    Mhm. Aha also es is schwer des zu kontrollieren. Wie würd man des machen, ja? Muss man sich auch noch Gedanken dazu machen ähm, wie man des kontrolliert.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 77 29BAnhang 

 

Postskript zu Szene 1 „Gruppendiskussion“ 

Anzahl der GesprächspartnerInnen  4 Jungen, 7 Mädchen 

Ort  Grundschule Eschbach‐Stegen 

Interviewtag u. –zeitraum 21.09.2007 / 9.15 Uhr – 9.30 Uhr 

Audioaufnahme   Ja 

Länge des Gesprächs  Ca. 15 Min. 

Inhalte der Gespräche vor und nach dem Einschalten des Aufnahmegeräts 

Begrüßung / Erfahrungsaustausch über Taschengeld 

Interviewort  Klassenzimmer 

Nonverbale Reaktionen  Nach untern schauen, Stuhl umklammern, Stirn runzeln 

Prägnante Charakterzüge  ‐ 

Störungen des Gesprächs  ‐ 

Anwesenheit Dritter  Klassenlehrer, Kameramann 

Gesprächsverlauf  13) Erfahrungsaustauch über Taschengeld  

14) Diskussion über Taschengeld als Pflicht für Eltern 

15) Abwägen u. Sammeln von Argumenten 

16) Lösungsvorschläge diskutieren u. Problemhaftigkeit thematisieren   

Sonstiges  ‐ 

 

 78 29BAnhang 

Transkription Szene 2 – „Vorbesprechung des Interviews“ 

(DVD: Kapitel 3) 

Lehrer:    Noch eine Frage vorweg. Ähm. Finanzminister was is des denn überhaupt? Nora. 

Nora:     Stellt der Geld her? 

Lehrer:    Des macht die Presse. Des macht bei uns die Presse, die Geldpresse. (..) Zunächst mal, was is denn en Minister? (..) Des weiß niemand von euch? Sarah? 

Sarah:     Des muss mit dem Wort „mister“ zusammenhängen.  Lehrer:    Mister. (MURMELT) 

Sarah:     Wie im Englischen. 

Lehrer:    Aha. Mit „mister“ im Englischen. Des is ne interessante Idee! Kann ich dir nich sagen, ob des wirklich stimmt. Des weiß ich selber gar nicht. Aber so ein Minister, der gehört zur Regierung. Des ist ein Mann, der für ein Bereich zuständig ist. Da gibt’s zum Beispiel für die Familie. Dann gibt’s für ähm. Ähm wie ähm es gibt en Außenminister, der is dann zuständig, zum Beispiel dass wir uns mit England gut verstehen. Also zwischen den Beziehungen, zwischen den Staaten, und dann gibt’s noch den Finanzminister und was könnte jetzt der Finanzminister für, für welchen Bereich könnte der denn zuständig sein? 

Nora:     Taschengeld. 

Lehrer:    Aha. Unter anderem ja also, es steckt des Wort Geld drin. 

Ulrike:    Politik? 

Lehrer:    Politik is er verantwortlich, ja. 

Nora:     Ähm. Bank? 

Lehrer:    Wie könnten wir des zusammenfassen? 

Ulrike:    Geld. 

Lehrer:    (SCHAUT ULRIKE AN) Die Regel haben wir jetzt leider nich hier. Aber sons wär des en Regelbruch. (..) Nora? 

Nora:    Der stellt zum Beispiel Geld für die Bank. Oder der zählt des Geld und macht des dann in die Bank und gibt des dann dem Chef von der Bank, was er dann für Geld (er dann auch hat). 

Lehrer:    Also, Nora hat des nochmal veranschaulicht. Es geht ums Geld, ja? 

 

 79 29BAnhang 

 

 

Postskript zu Szene 2 „Vorbesprechung des Interviews“ 

Anzahl der GesprächspartnerInnen  4 Jungen, 7 Mädchen 

Ort  Grundschule Eschbach‐Stegen 

Interviewtag u. –zeitraum 21.09.2007 / 9.40 Uhr – 9.50 Uhr 

Audioaufnahme   Ja 

Länge des Gesprächs  Ca. 5 Min. 

Inhalte der Gespräche vor und nach dem Einschalten des Aufnahmegeräts 

Diskussion über Taschengeld / Vorbesprechung des zu zeigenden Interviews 

Interviewort  Medienraum 

Nonverbale Reaktionen  Nachdenklich die Augen verdrehen 

Prägnante Charakterzüge  ‐ 

Störungen des Gesprächs  Ein Beitrag ohne Anmeldung 

Anwesenheit Dritter  Kameramann 

Gesprächsverlauf  17) Vorlesen der Fragen des Aufgabenblatts 

18) Klärung des Begriffs Finanzminister 

19) Erläutern von Funktion und Definition eines Ministers 

20) Zusammenfassung: „Was ist ein Finanzminister?“  

Sonstiges  Ortswechsel in den Medienraum 

 

 80 29BAnhang 

Transkription ‐ Szene 3 „Nachbesprechung des Interviews“  

(DVD: Kapitel 4) 

Lehrer:    Und jetzt machn wir des Aufgabenblatt. Ähm, wir fangen an mit der Aufgabe eins. Wer liest die nochmal kurz vor? (..) (SCHALTET TAGESLICHTPROJEKTOR EIN UND LEGT FOLIE AUF) Kleinen Moment ich muss hier noch en bissl verschiebn und machen. 

Nora:     S kann man nich gut sehen. 

Lehrer:   Kann man nich so gut lesen, na? S‘echt schwer hier.  

Ulrike:    Wir hamms doch aufm Blatt! 

Lehrer:    Ihr habts aufm Blatt ja?! Ähm (..) 

Ulrike:    Die Nora! 

Lehrer:    Wer liests vor? Die erste Aufgabe! Agata. Und laut für alle! 

Agata:     Welche politischen Begriffe werden im Interview genannt? 

Lehrer:    Ok (..) geh mar mal die Reihe durch. Beziehungsweise wer hat ne Lösung dafür. (..) Des habt ihr ja. Jim. Was hast du angekreuzt?  

Jim:     Parlament. 

Lehrer:    Parlament hast du angekreuzt!? 

Jim:     Jo. (LEISE) 

Lehrer:    Wer hat des alles auch? (ALLE STRECKEN) Jawohl, is richtig! Parlament is richtig! Des wurde im Interview genannt. Ähm (..) Des nächste? Nora? 

Nora:     Ähm. Medien. 

Lehrer:    Medien wurde genannt. Des hab ich schon angekreuzt und des is auch richtig, ja? Ähm jetz nochmal, was sin überhaupt Medien? (..) Was könnten Medien sein? Ne Vermutung hat auch niemand? Also Medien sind so Sachen wie. Thomas? Nich nochmal bitte! 

Thomas:   Hm? 

Lehrer:    Die Grimasse, die du gerade gemacht hast. (SCHAUT IHN AN) 

Thomas:   Mhm. 

Lehrer:    Ok? (..) 

Thomas:   Mhm! (NÖRRISCH) 

 

 81 29BAnhang 

Lehrer:    Ok. Also Medien sind zum Beispiel so Sachen wie des Interview, des Internet, kennt ihr auch. Zeitungen. Auch das hier is schon en Medium (ZEIGT AUF FOLIE). Also das hier sind auch schon Medien, diese Blätter, die ihr da habt. Also alles, was irgend ne Information (..) transportiert kann man dazu sagen oder vermittelt, sind Medien. Ähm was is s’Parlament? Was könnte des sein? (..) Des is jetzt sehr schwer! Also wenn ihr des nicht wisst, des is nich schlimm, aber wenn ihr Vermutung habt, dürft gern was dazu sagen. (..) Ähm Sarah? 

Sarah:     Ne Regierung. 

Lehrer:    Mhm. Regierung is nomal was anderes, aber es geht in die richtige Richtung. Ich hab hier son tolles Kinderlexikon, ähm von der Bundeszentrale für politische Bildung, ähm da sind ganz viele Begriffe erklärt, und zwar so erklärt, das des auch ähm jüngere Kinder auch ihr verstehen könnt. Ähm. Ich les einfach mal zu vor, was im Parlament steht und des könnt ihr ja dann, ähm. Ja genau ich les einfach mal vor! Parlament. Das Wort Parlament kommt aus dem Französischen Wort „parler“. Ihr habt doch Französisch oder? (ALLE STIMMEN ZU) Auf Deutsch Sprechen und bedeutet Volksvertretung. Im Parlament sitzen die Abgeordneten, Volksvertreter in Klammer, im Parlament werden neue Gesetze diskutiert und beschlossen. Deshalb wird die, wird das Parlament Legislative, Gewaltenteilung, gesetzgebende Versammlung genannt. Das kommt vom Lateinischen legislatio. Das bedeutet Gesetzgebung. Die Volksvertretung kontrolliert die Regierung, wenn zum Beispiel die Regierung vorschlägt Soldaten in ein Kriegsgebiet zu schicken, oder die Steuern zu erhöhen. Ja? In Deutschland gibt es Parlamente in den Gemeinden, in den Städten, in den Bundesländern und eines für das ganze Land. Das ist der deutsche Bundestag. Des hatten wir ja schon am Mittwoch (..) Ok? Ähm wer kanns nochmal in seinen eigenen Worten formulieren, was es jetzt, was des Parlament is? Des wär echt super, wenn des jemand hinkriegt. Is jetzt ein bisschen viel Information auf die Schnelle. Christoph? Wills dus mal probieren? (..) Probiers einfach mal in deinen eigenen Worten.  

Christoph:   Des kommt ausm Französischen.  

Lehrer:    Mhm des Wort, ja.  

Christoph:   (…) 

Lehrer:    Und, was wirdn dadurch gemacht? Nora? 

Nora:    Also aus dem. Des. Des Wort kommt aus dem Französischen und wird „parler“ genannt. Und ähm (..) des hat irgendwas mit Bundeskanzler oder sowas zu tun. 

Lehrer:    Mhm. Bundeskanzler is nochmal was anderes. Ja, Ulrike? 

Ulrike:    Ähm des wird ähm Bundestag ähm, ähm diskutiert oder so.  

 

 

 82 29BAnhang 

Lehrer:  Aha, ok. Also der Bundestag, des is schonmal des richtige Stichwort. Das, es gibt Parlamente auf, in, auf Gemeinde, des sin dann die Gemeinderäte, dann gibt es die im Land, des sin dann die Landtage und dann gibt es noch, des hatn wir am Mittwoch schon besprochen, für de ganze, die ganzen Länder sin ja in einem Bund zusammengefasst. Der Thomas hat ja damals gesagt, die sind verbündet. Und dort werden dann im Bundestag diskutiert und Entscheidungen gefällt. Ähm des ganze kann man zusammenfassen als Volksvertretung. Also wichtig, Parlament ist Volksvertretung, ja? Des is des wichtige, was er euch da merken solltet, wenn jetzt jemand mal fragt, was des jetzt genau is. Ok etz mach mar aber weiter. Ähm wir haben Medien, Parlament; da waren auch noch andere. Jupp. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 83 29BAnhang 

 

Postskript zu Szene 3 „Nachbesprechung des Interviews“ 

Anzahl der GesprächspartnerInnen  4 Jungen, 7 Mädchen 

Ort  Grundschule Eschbach‐Stegen 

Interviewtag u. –zeitraum 21.09.2007 / 9.50 Uhr – 10.00 Uhr 

Audioaufnahme   Ja 

Länge des Gesprächs  Ca. 6 Min. 

Inhalte der Gespräche vor und nach dem Einschalten des Aufnahmegeräts 

Sichtung des Interviews  mit Finanzminister Peer Steinbrück / Nachbesprechung des Interviews 

Interviewort  Klassenzimmer 

Nonverbale Reaktionen  Stirn runzeln, am Mund herumspielen 

Prägnante Charakterzüge  ‐ 

Störungen des Gesprächs  Grimasse während eines Gesprächs 

Anwesenheit Dritter  Klassenlehrer, Kameramann 

Gesprächsverlauf  21) Vorlesen der Fragen auf dem Aufgabenblatt 

22) Besprechung der erarbeiteten Ergebnisse 

23) Erarbeitung abstrakter politischer Begriffe auf dem Aufgabenblatt 

24) Erklärung der politischen Begriffe    

Sonstiges  ‐ 

 84 29BAnhang 

Didaktisch­Methodische Verlaufsstruktur  

Zeit  Phase  Methodische Schritte 

Erarbeitungsform  Inszenierung

8.50 Uhr  Einstiegsphase  Lehrperson begrüßt die Schülerinnen und Schüler. Es werden der Ablauf des Unterrichts und die Regeln für die Kamera erläutert und besprochen. 

‐  Am Platz, dann im Sitzkreis. Vom Lehrer geleitetes Schüler‐Lehrer‐Gespräch. Medien: Regelplakat an der Tafel.  

9.00 Uhr  Einstiegsphase  Lehrperson wirft Überschrift „Taschengeld“ in den Stuhlkreis. Die Schülerinnen und Schüler tauschen ihre Erfahrungen und Meinungen darüber aus. Anschließend wird die Überschrift mit dem Zusatz „Pflicht für alle Eltern?“ ergänzt. Erneut wird diskutiert. 

Ergänzen, Anwenden, Entwickeln 

Sitzkreis. Offene Diskussion, die teilweise von der Lehrperson gelenkt wird.  Medien:  Überschrift. 

9.30 Uhr  Einstiegsphase  Schülerinnen und Schüler werden gebeten sich in Zweier‐Reihen aufzustellen, um anschließend in den Medienraum zu gehen.  

‐  Zweier‐Reihen Gruppierung.  

9.35 Uhr  Eröffnungsphase  Die Schülerinnen und Schüler bilden einen Kinositz. Die Fragen des Aufgabenblatts werden besprochen. Der Begriff „Finanzminister“ wird geklärt. Es folgt die Sichtung des Interviews.       

Ergänzen, Zuordnen, Vergleichen 

Kinositz im Medienraum. Medien: TV‐Gerät, Aufgabenblatt mit Fragen zum Interview. 

 85 29BAnhang 

9.45 Uhr  Erarbeitungsphase  Die Schülerinnen und Schüler begeben sich in den Klassenraum zurück.     

‐  Am Platz. Im Klassenzimmer.   

9.50 Uhr  Erarbeitungsphase  Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Aufgabenblatt zum Interview. Es folgt eine Nachbesprechung des Interviews und die Besprechung der Ergebnisse. 

Ergänzen, Zuordnen, Vergleichen 

Am Platz. LSG. Stillarbeit. Medien: OHP, Folie, Aufgabenblatt. 

10.00 Uhr   PAUSE  ‐  ‐  ‐ 10.15 Uhr  Erarbeitungsphase  In einer stillen 

Gruppenarbeit, sammeln die Schülerinnen und Schüler Argumente für und gegen das Taschengeldgesetz. 

Entwickeln, Anwenden  Am Platz in Gruppen. Stillarbeit. Medien: OHP, Folie, Plakate für Argumente. 

10.30 Uhr  Festigung  Die Gruppen präsentieren ihre Argumente an der Tafel und erläutern diese bei Bedarf.  

Anwenden, Strukturieren 

Vor der Tafel, in Gruppen. Präsentation. Medien: Plakate, Tafel. 

10.40 Uhr   Abschluss  Lehrperson bedankt u. verabschiedet sich. 

‐  Am Platz. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 86 29BAnhang 

Das „Taschengeldgesetz“ Die DPK  (Demokratische Partei  für Kinder) möchte  im Bundestag das neue Taschengeldgesetz einführen.  

Das  Gesetz  soll  die  Eltern  dazu  verpflichten,  ihren Kindern mindestens zehn Euro Taschengeld pro Monat zu  bezahlen.  Der  Bundestag  möchte,  dass  du Argumente  (Gründe)  sammelst, die  für und gegen das Taschengeldgesetz sprechen.  

 

Arbeitsanweisungen: 

1) Schreibt eure Namen  (nur Vorname) auf das grüne und das rote Plakat!  

2) Überlegt  euch  Argumente  (Gründe)  für  und  gegen  das Taschengeldgesetz!  

3) Schreibt  Argumente  (Gründe),  die  für  das Taschengeldgesetz sprechen auf dem grünen Plakat auf!   

4) Schreibt  Argumente  (Gründe),  die  gegen  das Taschengeldgesetz sprechen auf dem roten Plakat auf!  

5) Präsentiert eure Argumente vor der Klasse.  

 87 29BAnhang 

Fragen zum Interview mit Peer Steinbrück (Finanzminister)  

1) Welche „politischen“ Begriffe werden im Interview genannt? o Medien         o Gemeinde o Polizei o Sozialpolitik o Bundesregierung o Parlament o Präsident o Bundesrechnungshof 

 

2) Wie viel Geld hat ganz Deutschland? o 2.500 Milliarden Euro o 1000 Euro o 260 Milliarden Euro 

 

3) Warum braucht der Finanzminister keinen „Schatzturm“? o Weil wir kein Geld haben, um einen Turm zu bauen. o Weil das Geld nicht reinpassen würde. o Weil Deutschland mehr Geld ausgibt, als einnimmt. Es gibt kein Geld, 

das man „parken“ könnte!  

4) Welche Meinung hat der Finanzminister Peer Steinbrück zum Thema „Taschengeld“?