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Technische Universität München
Fakultät für Architektur
Lehrstuhl für Tragwerksplanung
Modulare Schalenstrukturen
Formgenerierung und Konstruktionsweisen von gekrümmten, elementierten Flächenstrukturen
unter Reduzierung der Modulparameter
EXPOSÉ
Name, Vorname: Schling, Eike
Erstellung des Exposés: 20. November 2015
Fakultät: Architektur
Erstbetreuer: Prof. Dr.-Ing. Rainer Barthel
Zweitbetreuer: -
Inhalt 1. Kurztext .............................................................................................................................. 4
2. Thema des Dissertationsvorhabens .................................................................................... 5
3. Forschungsstand ................................................................................................................. 6
3.1 Geometrie ................................................................................................................... 6
3.2 Das Modul .................................................................................................................. 6
3 3 Modulare Tragstrukturen ............................................................................................ 7
3.4 Biegeaktive Tragwerke .............................................................................................. 8
3.5 Experimentelle Schalenstrukturen ............................................................................ 10
4. Fragestellung, Methode, Zielsetzung ............................................................................... 11
4.1 Fragestellung ............................................................................................................ 11
4.2 Methode .................................................................................................................... 12
4.3 Zielsetzung ............................................................................................................... 12
5. Eigene Vorarbeiten ........................................................................................................... 13
5.1 Studium .................................................................................................................... 13
5.2 Praxis ........................................................................................................................ 13
5.3 Lehre ......................................................................................................................... 14
5.4 Forschung ................................................................................................................. 14
6. Inhaltsbeschreibung des Projekts ..................................................................................... 15
6.1 Geometrie ................................................................................................................. 15
6.2 Konstruktion ............................................................................................................. 15
6.3 Biegeaktive Strukturen ............................................................................................. 15
6.4 Experimentelle Untersuchungen .............................................................................. 16
6.5 Evaluierung .............................................................................................................. 16
6.6 Diskussion ................................................................................................................ 16
7. Gliederungsvorschlag ....................................................................................................... 17
8. Arbeitsplan ....................................................................................................................... 18
9. Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 19
ANHANG
A Lebenslauf
B Portfolio
C Diplomzeugnis
D Nachweis Jahresbester
E Veröffentlichungen
F Bilder des Kurses “Experimental Structures”
1. Kurztext
Der Entwurf von Freiformflächen spielt eine prominente Rolle in der modernen Architektur.
Die Krümmung von Gebäudehüllen bietet nicht nur gestalterischen Spielraum, sie ermöglicht
auch eine räumliche Lastabtragung basierend auf dem Prinzip der Schalentragwerke.
Gleichzeitig stellen doppelt gekrümmte Flächen einen erhöhten Aufwand für Planung,
Herstellung und Konstruktion dar.
Die Art und Diskretisierung doppelt gekrümmter Strukturen hat eine entscheidende
Auswirkung auf die Ausführungskomplexität der Knotenpunkte, Trag- und Hüllelemente
sowie die Logistik. Die starke Vereinfachung und Wiederholung von Bauteilen steht aber im
Wiederspruch zur möglichen Formenvielfalt und Glattheit der Gesamtstruktur.
Diese Forschungsarbeit untersucht die Formgenerierung von modularen schalenähnlichen
Strukturen. Anstatt der individuellen Herstellung beliebiger Bauteile wird die höchst mögliche
Reduzierung der Modulparameter angestrebt.
Es wird angenommen, dass durch die Verwendung elastisch geformter Bauteile in
Verbindung mit einer formoptimierten Netztopologie eine erhebliche Verringerung der
variablen Parameter, sowie eine Vereinfachung von Herstellung und Montage möglich sind.
Welche Auswirkung hat dies auf das Erscheinungsbild und das Tragverhalten der Strukturen?
Es werden unterschiedliche geometrische Herangehensweisen verfolgt, um repetitive
antiklastische und synklastische Netze zu erzeugen. Diese werden digital modelliert und auf
ihre konstruktiven Potentiale untersucht. Neue softwarebasierte Methoden erlauben zudem
eine Simulation gebogener Bauteile in Echtzeit. Dadurch wird eine intuitive Gestaltung
ermöglicht. In einer experimentellen Phase werden modulare Strukturen entwickelt, um
unterschiedliche Konstruktionsweisen und deren Gestaltungsspielraum zu erforschen.
Ziel ist es, neue Möglichkeiten für eine Symbiose von Formgebung, Tragwirkung und
Herstellung aufzuzeigen. Es wird ein Katalog an geometrischen Vorgehensweisen und
neuartigen, experimentellen Konstruktionstechniken für den Entwurf von Schalenstrukturen
erarbeitet. Dieser soll die Herstellung und Konstruktion vereinfachen und gleichzeitig neue
Gestaltungsmöglichkeiten aufdecken.
2. Thema des Dissertationsvorhabens
"Schalen sind auf natürliche Weise schön und effizient, weil die fließende und doppelt
gekrümmte Form Lasten ohne Biegung, nur in der Fläche, also nur über Zug und Druckkräfte
fortleiten kann. Sie brauchen daher bedeutend weniger Material als biegebeanspruchte, ebene
Tragwerke, beispielsweise Träger oder Platten. Es besteht aber ein Gegensatz zwischen
günstigem Tragverhalten und schwieriger, da doppelt gekrümmter Herstellung. Die Lösung
dieses Gegensatzes ist eine wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Schalenbau."
(Schober 2015, S. 14)
Die rasante Entwicklung digitaler Planungswerkzeuge hat die Arbeitsweise von Architekten
verändert. Durch softwarebasierte Methoden können komplexe Formen digital modelliert,
strukturiert und in Bauteile zerlegt werden. Auf diese Weise lassen sich eine unbegrenzte
Anzahl an Formen verwirklichen.
Diese Forschungsarbeit beschäftigt sich mit der inversen Herangehensweise an dieses
Problem: Welche Module können wie verknüpft werden, um eine tragende, gekrümmte
Struktur zu schaffen? Das Modul hat in diesem Fall eine direkte Auswirkung auf die mögliche
Gesamtform und Stabilität.
Die Verwendung elastisch geformter Elemente birgt entscheidende geometrische Vorteile für
die Konstruktion. Im Zuge der Montage können die gebogenen Bauteile (z.B. durch Kopplung
untereinander) stabilisiert werden. Die folgenden Potentiale werden für Schalenstrukturen
evaluiert: Herstellung, Konstruktion, Tragverhalten, Kinematik und Ästhetik.
Die Arbeit soll eine Brücke schlagen, von der theoretischen Auseinandersetzung mit
Geometrie, Form-Findung und Tragverhalten, über die experimentelle Untersuchung
unterschiedlicher Konstruktionsweisen, bis hin zur Ausarbeitung von Anwendungsbeispielen
in Form von maßstabsgetreuen, funktionstüchtigen Prototypen und deren Evaluierung.
Ziel ist es, neue Möglichkeiten für eine Symbiose von Formgebung, Tragwirkung und
Herstellung aufzuzeigen.
3. Forschungsstand
3.1 Geometrie
Ausschlaggebend für diese Forschungsarbeit ist das Verständnis von Netzen (Meshes). Durch
die Manipulation der Netz-Valenzen können irreguläre Ecken erzeugt werden. Diese
Strategie, die bereits von Buckminister Fuller für seine geodätische Kuppel verwendet wurde,
ermöglicht es, sich einer vorgegebenen Gaußschen Krümmung anzunähern und dabei nahezu
gleiche Polygone beizubehalten. (Asperl et al. 2007)
In seiner Forschung zur Konstruktion gekrümmter Flächen mit identischen Dreiecken
beschreibt der Architekt Alain Lobel einen Katalog von möglichen Netzflächen. (Lobel 2005)
Die mathematische Berechnung und Optimierung der Lobel-Netze sowie eine „rauhe“
(konvex und konkav) Herangehensweise mit Voxel-Netzen wurde 2014 von Huard und
Eigensatz beschrieben. Eine wichtige Erkenntnis liegt darin, dass durch das Dulden von
Singularitäten, bzw. rauhen Oberflächen eine extreme Bauteilwiederholung möglich ist.
(Mathieu Huard et al. 2014)
Mit der zusätzlichen Berücksichtigung von Bauteiltoleranzen, Überlappung oder Biegung der
Elemente erweitert sich das gestalterische Spektrum baugleicher Module erheblich. Die
Forschung verharrt hier auf einem theoretisch, geometrischen Stand. Die Entwicklung von
entsprechenden Baukonstruktionen ist vorerst in experimentellen und künstlerischen
Anwendungen zu finden.
3.2 Das Modul
Der Begriff „Modul“ ist in der Architektur nicht immer eindeutig definiert. Vitruv führte in
seinem IV Buch den Begriff „modulus“ in einer Beschreibung des dorischen Rhythmus des
Parthenon ein. Er beschreibt damit die kleinste Einheit der Bauteile, die sich Maß-gebend auf
die Unterteilung des Gebäudes auswirkt. Mit der Industrialisierung wird das Modul im 19.
Jhdt. zu dem Produkt eines seriellen Produktionsprozesses. In den 1950er Jahren entwickelten
Konrad Wachsmann und Richard Buckminster Fuller Baukastensysteme aus baugleichen
Modul-Klassen zur Konstruktion von räumlichen Tragwerken (Ludwig 1998).
„In unserem digitalen Zeitalter, erlauben jedoch die aufkommenden CAD/CAM-Planungs und
Fertigungstechnologien eine differenziertere Auffassung des Moduls.“ (Agkathidis 2009) Es
entwickelt sich weg von der „identischen Einheit“ hin zu einem parametrisch, assoziativen
„Diagramm, welches die Topologie seiner Bestandteile beschreibt“. (Tessmann 2009)
3 3 Modulare Tragstrukturen
Modulare Tragstrukturen sind Systeme, die durch Aneinanderreihung baugleicher, oder
parametrisch-gleicher Module eine tragfähige Struktur schaffen. Die Tragstrukturen weisen so
eine Spannweite auf, die ein Vielfaches größer ist als die horizontale Ausdehnung des
Einzelmoduls. Ihr konstruktiver Vorteil liegt in der Verwendung relativ kleiner Bauteile für
die Realisierung großer Spannweiten. Die Ungerichtetheit modularer Systeme ermöglicht
einen frei gestaltbaren Entwurf. Ist das System ausreichend gekrümmt, gelagert und in der
Lage Zug-, Druck- und Schubspannung aufzunehmen, stellt sich die Tragwirkung einer
Schale ein, so dass Lasten vorwiegend momenten-frei abgetragen werden können.
In diesem Kontext ist die Entwicklung des Strukturleichtbaus durch Vladimir G. Suchov und
Johann W. Schwedler in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert zu erwähnen, welche das
räumliche Tragprinzip von Schalen begründeten1. (Kurrer 2013)
Zu den prominentesten historischen Beispielen modularer Tragwerke zählen die einfach
gekrümmten Lamellensysteme aus den 1920er Jahren. Hugo Junkers sowie Friedrich
Zollinger entwickelten und vermarkteten Bauweisen für modulare Tonnenschalen in Stahl
und Holz. In Deutschland entstanden zur gleichen Zeit einzelne Bauwerke von Bruno Taut,
Walther Bauersfeld (erste geodätische Kuppel), Otto Bartning und Walter Gropius, welche
lineare Elemente als modulares Bauteil für die Konstruktion kuppelförmiger Tragwerke
verwendeten.
Richard Buckminster Fuller entwickelte die geodätische Kuppel weiter, verbreitete ihr
Anwendungsspektrum und leistete durch die Entwicklung einer Vielzahl von
Konstruktionsweisen einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung modularer Tragwerke.
Konrad Wachsmann entwarf 1945 einen transportablen Flugzeughangar als sogenannte
„Mobilar Structure Building-System“ und widmete sich später in Los Angeles dessen
Weiterentwicklung. Ähnlich wie das Baukastensystem der Firma Mero zielte seine
komponenten-basierte Bauweise jedoch auf die Konstruktion von Raumfachwerken.
Heute erleben modulare, stabförmige Tragkonstruktionen eine regelrechte Renaissance in
Form von frei geformten Stabwerksschalen. Als Vertreter dieses Konstruktionstypus sind Jörg
Schlaich und Hans Schober zu nennen, welche sich in den Arbeiten vom Büro Schlaich
Bergermann und Partner und am Institut für Konstruktion und Entwurf der Universität
1 Gitterförmige Systeme werden im Folgenden von modularen Systemen differenziert: Wegen ihrer durchlaufenden Bauteile fällt eine Definition des Grundmoduls schwer. Dennoch bieten sie, als hoch repetitives System, ähnliche konstruktive Vorteile.
Stuttgart detailliert mit der Geometrie und Konstruktionsweise von Netzschalen
auseinandersetzen.
Ein prominentes Beispiel der modernen Stabwerksschale ist das Dach des British Museum in
London von Norman Foster (2000). Diese triangulierte Netzschale wurde aus ca. 8000
unterschiedlichen Stäben, Knotenpunkten und Glasscheiben hergestellt
"...die moderne Technik stellt den Gedanken der seriellen Architektur auf den Kopf: statt
Massenproduktion von Standardelementen für den Serienbau, Massenproduktion von
Sonderelementen für unverwechselbare Unikate." (Tornack 2012)
Wie lässt sich moderne Technologie und Materialforschung nutzen, um flächige, gekrümmte
Strukturen zu generieren, und gleichzeitig eine Verwendung maximal baugleicher Elemente
zu bewahren?
3.4 Biegeaktive Tragwerke
Gebogene Bauteile weisen vielversprechende Eigenschaften für die Konstruktion frei
geformter Strukturen auf. Ihre flexible Form ist in der Lage sich einer Krümmung oder
Verzerrung ohne Gelenke oder Längenänderung anzupassen. Durch die Biegung stab- oder
flächenförmiger Bauteile können anliegende Verbindungspunkte stark vereinfacht werden.
Neben ihrer geometrischen und Konstruktiven Vorteile müssen aber auch statische
Eigenschaften berücksichtigt werden. Die Biegespannung, welche in gebogenen Bauteilen
auftritt hat einen nicht konstanten Spannungsverlauf und nutzt dadurch das Material nicht
effizient aus. Biegespannungen können Vorteile bieten, indem sie Vorspannung oder
Steifigkeit generieren.
Die Form-Findung elastisch geformter Bauteile durch die Finite-Elemente Methode (z.B.
Sofistik) oder physik-basierte Simulationen (z.B. Kangaroo-Physics, Rhino) ist seit kurzem
für interessierte Anwender zugänglich. (Schleicher 2015) Die dadurch geschaffenen
Möglichkeiten fördern die Auseinandersetzung mit den Potentialen elastisch geformter
Bauteile. Dieser Strukturtypus wurde 2010 unter der Bezeichnung „Biegeaktive Tragwerke“
(„Bending-Active Structures“) in die Kategorisierung der Tragwerke von Heino Engel (1997)
eingegliedert:
"Eine Sonderform der schnittaktiven Tragwerke sind gekrümmte Tragwerke, deren Geometrie
und Systemsteifigkeit2 durch elastisches Verformen des Tragelements erzeugt werden. Das
Grundprinzip solcher biegeaktiver Tragwerke basiert auf der Formgebung durch Biegung."
(Knippers et al. 2010)
Herangehensweise: Biegeaktive Tragwerke werden von Julian Lienhard in drei
Herangehensweisen eingeteilt, die sich an dem Umfang ihrer geometrischen und numerischen
Analyse (und damit auch chronologisch) ausrichten. Lienhard unterscheidet hierbei den
„Behaviour-Based Approach“, welcher auf rein intuitiver Konstruktionsweise und
physikalischen Versuchen beruht; den „Geometry-Based-Approach“, welcher eine Analyse
der Zielgeometrie anhand Materialgrenzwerten berücksichtigt; und den „Integral Approach“,
welcher eine numerische Formfindung voraussetzt, die geometrisches und Material-Verhalten
vereint. (Lienhard, 2014)
Systemsteifigkeit: Lienhard beschreibt ein Paradoxon, welches allen biegeaktiven
Tragwerken zugrunde liegt: Die gebogenen Bauteile müssen vergleichsweise dünn und
elastisch sein, um hohe Verformungen (minimale Biegeradien) zu ermöglichen. Wie kann
dann auf zusätzliche Verformung und Instabilität durch externen Lasten reagiert werden? Eine
Antwort zu diesem Widerspruch wird in der Analyse der spannungsabhängigen3 Steifigkeit
begründet. Anhand von Eigenfrequenz-Analyse und Deformations-Diagrammen werden
unterschiedliche Tragsysteme mit und ohne Biegespannung verglichen. Demnach wirken sich
überwiegende Zugspannungen sowie manche Kombinationen aus Biegung, Torsion, und
ebene Verdrehung positiv auf die Systemsteifigkeit aus. Druckspannungen hingegen wirken
destabilisierend.
Potentiale: Biegeaktive Strukturen weisen große konstruktive Vorteile auf. Das
materialabhängige Verhältnis von Krümmung zu Profilgröße beschränkt jedoch maßgebend
ihren baubaren Maßstab. Vielversprechend zeigt sich die Kombination biegeaktiver Bauteile
mit mechanisch und pneumatisch vorgespannten Membranen als Hybride Tragsysteme. Ein
großes Potential wird auch in der elastisch-kinetischen Anwendung biegeaktiver Systeme für
Fassadensysteme gesehen. (Lienhard 2014)
2 Bei genauerer Betrachtung ist festzustellen, dass eine nutzungsspezifische Differenzierung zwischen den Kategorien „Geometrie“ und „Systemsteifigkeit“ notwendig. Hierauf wird im Verlauf der späteren Dissertation eingegangen. 3 neben geometrischer und topologischer Steifigkeit
3.5 Experimentelle Schalenstrukturen
Welche Potentiale gebogene Bauteile für repetitive Konstruktionen von Schalen bieten zeigt
sich anhand experimenteller Arbeiten:
Frei Otto untersuchte das Prinzip der elastisch geformten Gitterschale. Durch die Verdrehung
der Gitterpunkte, sowie die Verbiegung und Torsion der Gitterstäbe lässt sich eine Vielzahl an
Formen einstellen. Durch die nachträgliche Versteifung (beispielsweise mit Diagonalseilen)
wird die Form fixiert und ein Schalentragwerk erzeugt.
Richard Buckminister Fuller nutzte die Elastizität von Funierplatten um geodätische Kuppeln
zu bauen. Die rechteckigen Platten wurden abwechselnd zu Sechs- und Fünfecken
Verbunden, wodurch sich eine regelmäßige topologische Krümmung einstellte. 1959 meldet
Buckminister Fuller die Konstruktionsweise als Patent unter dem Namen „Self-Strutted
Geodesic Plydome“ an.
Erst kürzlich wurde diese Konstruktionsweise durch das katalanische Büro CODA
wiederaufgenommen. Enrique Soriano und Pep Tornabell entwickelten eine Methode, die
Biegung identischer Bauteile in unterschiedlichen synklastischen und antiklastischen
Konfigurationen zu simulieren.
Eine ähnliche geometrische Herangehensweise findet seit Jahrhunderten Verwendung in der
Korbflechterei. (Petit 1995) Durch die geringe Schubsteifigkeit von Flechtwerken ist hierbei
eine noch höhere Formenvielfalt möglich. Die Künstlerin Alison Grace Martin setzt diese
Technik ein, um großmaßstäbliche Strukturen aus baugleichen, gebogenen Bambushölzern zu
schaffen. (Martin 2013)
4. Fragestellung, Methode, Zielsetzung
4.1 Hypothese & Fragestellung
Die vorliegende Forschungsarbeit beschäftigt sich mit der Verwendung maximal baugleicher
Module zur Konstruktion von Freiformflächen. Durch die bewusste Wahl der Form sowie der
Netz-Topologie kann die Anzahl freier Parameter entscheidend verringert werden. In
Kombination mit der Verwendung elastisch geformter Elemente ergeben sich erhebliche
Vorteile für die Konstruktion. Es kann eine Vereinfachung der Herstellung (z.B. durch die
Verarbeitung ausschließlich ebener Bauteile) erreicht werden.
Folgende Fragestellungen ergeben sich aus dieser Hypothese:
Repetitive modulare Strukturen
- Welche Formen und Netz-Topologien bieten sich für Konstruktion doppelt
gekrümmter Freiflächen aus nahezu identischen Modulen an?
- Wie können die einzelnen Konstruktionselemente – Knoten, Stäbe, Paneele -
vereinfacht oder sogar baugleich werden?
- Welche und wieviele veränderliche Parameter müssen in einem Modul mindestens
berücksichtigt werden, um eine standfeste, gekrümmte Struktur zu konstruieren?
- Welche Auswirkung haben die Konstruktionshöhe, Herstellungs- und Fügetechniken
auf die Wahl und Anwendung der veränderlichen Parameter.
- Welche neuartigen Möglichkeiten bieten hoch repetitive, modulare Strukturen in
Hinblick auf Gestaltung und Tragstruktur?
Verwendung biegeaktiver Bauteile
- Kann durch die elastische Formänderung von Bauteile, ein individueller Zuschnitt bei
der Parkettierung gekrümmter Flächen vereinfacht oder vermieden werden?
- Welche Möglichkeiten bieten biegeaktive Konstruktionsweisen, um sich effektiv der
Krümmung einer vorgegebenen Gebäudehülle anzunähern?
- In welcher Konfiguration ermöglicht die Verwendung gebogener Bauteile eine
Erhöhung der Systemsteifigkeit? Kann diese Wirkungsweise auf eine Flächenstruktur
übertragen werden?
- Kann die Elastizität genutzt werden um wandelbare, flächige System ohne Gelenke zu
konstruieren?
4.2 Methode
Der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn dieser Arbeit wird durch die Kombination von
analytischer und kreativer, angewandter Forschung erreicht. Sie verläuft daher einerseits
linear, theoretisch, aber auch iterativ nach einem „Research by Design“ Prinzip.
Die Methode der Forschungsarbeit beruht auf drei Schwerpunkten:
- Recherche und Analyse der Teilbereiche
- Experimentelle Entwurfsreihe und Realisierung
- Evaluierung und Diskussion
Durch die Kombination von Recherche und Experiment wird ein vielseitiger und kreativer
Lösungsansatz verfolgt. Die konstruktive Realisierung ermöglicht eine Überprüfung der
Ergebnisse bei gleichzeitigem praktischem Erkenntnisgewinn. In der abschließenden
Evaluierung werden Erkenntnisse und Abhängigkeiten aufgedeckt
Nach Identifizierung und Eingrenzung des Forschungsproblems, Darstellung der Motivation
und Formulierung einer Hypothese, wird das Thema in Teilbereiche gegliedert, recherchiert
und analysiert. Diese Grundlage, welche den Stand der Forschung aufzeigt dient als
Ausgangspunkt für vielfältige experimentelle und geometrische Entwürfe. Die Ergebnisse
werden anschließend auf ihre Potentiale hinsichtlich der Hypothese evaluiert. Dieser Prozess
wird iterativ fortgeführt und dokumentiert. Einzelne Entwürfe werden weiterentwickelt und
konstruktiv realisiert. Nach Abschluss der Untersuchungen wird ein Überblick über die
gewonnen Erkenntnisse gegeben, wobei besonders auf Neuentwicklungen und übergeordnete
Abhängigkeiten eingegangen wird. Abschließend werden Perspektiven und Vorschläge für
zukünftige Forschungsarbeiten gegeben.
4.3 Zielsetzung
Ziel ist die konstruktive und geometrische Beschreibung und Evaluierung von Systemen,
welche eine repetitive Konstruktion zweifach gekrümmter Strukturen ermöglichen. Hierbei
können unterschiedliche Nutzungsszenarien, von Tragwerk bis Fassadensystemen beleuchtet
werden.
Die Potentiale biegeaktiver Bauteile werden dokumentiert und unterschiedlichen Typologien
zugeordnet. Speziell ihre Auswirkung auf das Spektrum der möglichen Formen und
Anwendungsszenarien soll verdeutlicht werden.
5. Eigene Vorarbeiten
5.1 Studium
Im Rahmen des Diplomstudiums der Architektur an der Technischen Universität München
sowie an der McGill Universität in Montreal, Canada, wurden grundlegende Erfahrungen im
konzeptionellen Entwurf, geometrischer Beschreibung und konstruktiver Entwicklung von
Trag- und Fassadenstrukturen gesammelt.
Speziell in der Diplomarbeit „Entwurf eines Stadions für Krakau unter Verwendung
parametrischer Designsoftware“ am Lehrstuhl für Tragwerksplanung wurde die Erstellung
parametrisch gesteuerter, digitaler 3D-Modelle vertieft. Die Anwendung von R-Stab zur
überschlägigen Berechnung der Stab-Statik, sowie der Arbeitsprozess von 3D-Modellierung,
Plangenerierung, Werkzeichnungen und Modellbau mithilfe computergesteuerter Werkzeuge
wurden erfolgreich durchschritten.
5.2 Praxis
Seit 2008 wurden im Rahmen der beruflichen Tätigkeit umfangreiche Erfahrungen
gesammelt, welche für die Bearbeitung des Themas von Nutzen sind:
- Architektonischer Entwurf und Präsentation von Fassaden und Tragwerken
- Parametrische Modellierung, Visualisierung und Datenverarbeitung
- Programmierung in C# und Nutzung unterschiedlicher Softwarepakete zur Analyse
und Optimierung von Strukturen
Die Tätigkeiten erstreckten sich über folgende Zeiträume und Tätigkeitsbereiche, bei denen
speziell auf dem Gebiet der Hüllkonstruktion und Geometrie Wissen und Fähigkeiten
gesammelt wurden:
- 2001 Praktikum bei Gerkan Marg und Partner, Berlin
- 2004-2005 Entwurfsplanung und Präsentation bei Haipo Architects, Shanghai
- 2007 3D-Modellierung und Visualisierung für Atelier Big City, Montreal
- 2008-2009 Wettbewerbsbearbeitung für Auer + Weber Architekten, München
- 2007-2009 Entwurfs und Genehmigungsplanung für Donath Bickel Architekten,
München
- 2009-2012 Head of Computation bei PLP Architecture, London
- 2012-2015 Projektleitung bis LP 5 bei Koch + Partner Architekten, München
5.3 Lehre
Im Zuge Lehrtätigkeit am Lehrstuhl für Tragwerksplanung der TUM wurden seit 2012
speziell auf dem Gebiet der Tragwerkskonzeption und Planung, der parametrischen
Modellentwicklung und Optimierung sowie der Koordination und Organisation von
Forschungsteams Erfahrungen gesammelt.
2012 wurde während der Leitung eines Workshop-„Cluster“ der Smart Geometry Conference
in London eine automatisierte Methode für die Analyse und Optimierung innerstädtischer
Gebäudeformen unter Verwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie für die Software
Generative Components in GC-Script entwickelt.
In dem Master-Projekt „Experimental Structures“ wurde 2014 und 2015 die experimentellen
Herstellung von Tragstrukturen gelehrt und erforscht. Dabei entstand eine Vielzahl
innovativer Entwicklungen und Herstellungtechniken räumlicher modularer Strukturen.
Durch die Verwirklichung zweier Projekte in Zusammenarbeit mit Sponsoren und der
Materialprüfanstalt der TUM, konnten weitreichende Erfahrungen im Umgang mit
biegeaktiven Strukturen gesammelt werden.
5.4 Forschung
Bereits während der Tätigkeit in den Architekturbüros wurde eine kontinuierliche
Erforschung der digitalen Methoden zur Modellierung und Analyse von Strukturen praxisnah
vorangetrieben. So wurden Methoden zur Relaxion von Netzen, Sonnenstands-Analyse und
Automatisierung und Datenverarbeitung entwickelt.
Am Lehrstuhl für Tragwerksplanung konzentriert sich die Forschung auf die Bereiche
„Biegeaktive Strukturen“ und „Geometrie von zweifach gekrümmten Flächen“. Bisher
entstanden folgende Veröffentlichungen:
Schling, Eike; Barthel, Rainer; Tutsch, Joram (2014); Entwurf und Umsetzung von
modularen Flächentragwerken; Bautechnik 12-2014, S. 859–868
Schling, Eike; Barthel, Rainer; Ihde, André; Tutsch, Joram; Huth, Sebastian (2015);
Bending-Activated Tensegrity; IASS 2015
6. Inhaltsbeschreibung des Projekts
Die Forschungsarbeit umfasst die folgenden Bereiche:
- Geometrische Recherche zweifach gekrümmter Flächen
- Analyse der Konstruktionsweisen modularer Tragwerke und Stabwerksschalen
- Experimentelle Entwicklung modularer Konstruktionsweisen inklusive der
Realisierung ausgewählter Entwürfe
- Evaluation und Diskussion der Techniken und Anwendungsszenarien.
6.1 Geometrie
Zu Beginn steht die Auseinandersetzung mit den geometrischen Möglichkeiten, um eine
effektive Strategie für die Entwicklung von repetitiven Strukturen festzulegen. Dabei werden
die Eigenschaften unterschiedlicher Flächentypen, wie z.B. Translations- und
Rotationsflächen, sowie abwickelbare Flächen evaluiert. Es werden Methoden zur
Generierung von repetitiven Netzen, wie z.B. Lobel- und Voxel-Netzen, und zur
Diskretisierung von Flächen beschrieben. Durch geometrische Untersuchung werden
Grundvoraussetzung für die Entwicklung entsprechender modulare Systeme gesammelt.
6.2 Konstruktion
Bei der Übertragung von geometrisch-theoretischer Überlegungen auf eine tragende Struktur
müssen zusätzliche geometrisch- konstruktive und statische Aspekte berücksichtigt werden.
Es werden bestehende Stabwerksschalen untersucht und ihre planerische Herangehensweise
dokumentiert und kategorisiert. Speziell die Auswirkungen der Geometrie, auf die
Konstruktion, sowie die Lösung der Knotenpunkte werden anhand der Referenzprojekte
beschrieben. Hieraus wird eine Vorgehensweise für die Konzeption modularer Tragstrukturen
entwickelt.
6.3 Biegeaktive Strukturen
Um elastisch geformte Bauteile sinnvoll einzusetzen, muss eine detaillierte
Auseinandersetzung mit Materialeigenschaften und Konstruktionsweisen stattfinden. Bei der
Beurteilung aktueller Forschungsergebnisse und Anwendungsszenarien werden besonders die
unterschiedlichen Potentiale (Herstellung, Konstruktion, Tragverhalten, Kinematik, Ästhetik)
begutachtet.
6.4 Experimentelle Untersuchungen
Der Experimentelle Forschungsteil ist abhängig von einer breiten, kreativen
Herangehensweise und ist daher eng mit der Lehre verbunden. Er wird durch entsprechende
Workshops und Projekte in Zusammenarbeit mit den Studenten vorangetrieben. Diese
Untersuchungen gliedern sich in drei Phasen:
Phase A: „Structural Research“ - Behaviour-Based Approach
In einer typologischen Recherche werden Referenzen gesammelt und anhand von
Modellreihen die geometrischen Eigenschaften der einzelner Strukturtypologien erarbeitet.
Phase B: „Experimental Structures“ - Geometry-Based-Approach
In einer kreativen Entwurfsphase werden individuelle Module entwickelt. Diese werden
parametrisch erfasst und definiert. Eine Definition von freien und konstanten Variablen ist
Grundlage für eine kontrollierte Weiterentwicklung zu modularen Systemen. Die hierdurch
entstandenen Strukturen werden auf ihre Potentiale evaluiert.
Phase C: „Realisation of Structures“ - Integral Approach
Der Abschluss der experimentellen Untersuchungen bildet die Ausarbeitung von
Anwendungsbeispielen in Form von maßstabsgetreuen, Prototypen. Dabei müssen alle
planerischen Aspekte berücksichtigt werden, wie Funktion und Bedienung,
Materialeigenschaften, Verbindungsmittel, Herstellung und Kosten.
Diese drei Untersuchungsfelder - Recherche, Entwurf und Anwendung - schaffen ein
vielfältiges Repertoire an Konstruktionsideen, auf welches im Verlauf der Forschung
zurückgegriffen wird.
6.5 Evaluierung
Es werden existierende und experimentell erarbeitet Entwürfe auf ihre Potentiale hinsichtlich
der Anwendung im Bauwesen evaluiert. Dabei wird Ästhetik und Funktionalität,
Konstruktion und Herstellung, sowie Statik und (wenn zutreffend) Kinetik begutachtet.
Besonders der Einfluss biegeaktiver Bauteile wird dabei berücksichtigt.
6.6 Diskussion
Auf Basis der analytischen Erkenntnisse, des kreativen Repertoires und dessen Evaluierung
werden Vorgehensweisen und Gestaltungsmöglichkeiten für die modulare Konstruktion von
flächigen, gekrümmten Tragstrukturen beschrieben. Es wird ein Überblick über die möglichen
Einsatzgebiete gebogener Bauteile gegeben.
7. Gliederungsvorschlag
1. EINLEITUNG
1.1 Thema und Motivation
1.2 Methode
1.3 Zielsetzung
2. ANALYTISCHE UNTERSUCHUNGEN
2.1 Geometrie
2.1.1 Stand der Forschung
2.1.2 Theoretische Vorgehensweisen
2.2 Modulare Schalentragwerke
2.2.1 Historische Entwicklung
2.2.2 Stand der Forschung
2.2.3 Konstruktive Vorgehensweisen
2.3 Biegeaktive Strukturen
2.3.1 Stand der Forschung
2.3.2 Kategorisierung und Materialien
2.3.3 Potentiale
3. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN
3.1 Typologien
3.2 Untersuchungen
3.2.1 Phase A: Recherche
3.2.2 Phase B: Entwurf
3.2.3 Phase C: Anwendung
3.3 Prototypen
4. EVALUIERUNG
4.1 Funktion & Ästhetik
4.2 Konstruktion & Herstellung
4.3 Statik & Kinetik
5. ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION
5.1 Konstruktions- und Gestaltungsmöglichkeiten repetitiver Strukturen
5.2 Anwendungsszenarien biegeaktiver Bauteile
5.3 Mögliche Weiterentwicklungen
6. ANHANG
9. Literaturverzeichnis
Agkathidis, Asterios (2009): Modulare Konstrukte. Analog wird digital. In: Asterios
Agkathidis (Hg.): Modulare Strukturen in Entwurf und Architektur. Deutsche Aufl.
Amsterdam: BISPublishers, S. 47–50.
Asperl, Andreas; Bentley, Daril; Hofer, Michael; Kilian, Axel; Pottmann, Helmut (2007):
Architectural Geometry. Exton, Pa: Bentley Institute Press.
Knippers, Jan; Cremers, Jan; Gabler, Markus; Lienhard, Julian (Hg.) (2010): Atlas
Kunststoffe + Membranen. Werkstoffe und Halbzeuge Formfindung und Konstruktion.
München: Inst. für Internat. Architektur-Dokumentation (Edition Detail).
Kurrer, Karl-Eugen (2013): Das Fachwerk erobert die dritte Dimension: 150 Jahre Schwedler-
Kuppel. Hg. v. Ernst & Sohn. Online verfügbar unter http://momentum-magazin.de/de/150-
jahre-schwedler-kuppel/, zuletzt aktualisiert am 31.01.2013, zuletzt geprüft am 16.10.2015.
Lienhard, Julian (2014): Bending-Active Structures. Form-finding strategies using elastic
deformation in static and kinetic systems and the structural potentials therein. Stuttgart: ITKE
(Forschungsberichte aus dem Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen,
Universität Stuttgart, 36).
Lobel, Alain (2005): Lobel Frames. Uniformity generating diversity. Online verfügbar unter
http://www.equilatere.net/, zuletzt aktualisiert am 20.11.2005, zuletzt geprüft am 16.10.2016.
Ludwig, Matthias (1998): Mobile Architektur. Geschichte und Entwicklung transportabler
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Martin, Alison Grace (2013): Mathematical Art Galleries. Alison Grace Martin. Online
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martin, zuletzt geprüft am 16.10.2015.
Mathieu Huard; Michael Eigensatz; Phillipe Bompas (2014): Planar Panelization with
Extreme Repetition. In: Advances in Architectural Geometry.
Petit, Jean-Pierre (1995): Das Topologikon. Braunschweig u.a.]: Vieweg (Les aventures
d'Anselme Lanturlu <dt.>).
Schleicher, Simon (2016): Form-Finding and Design Potentials of Bending-Active Plate
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