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Fachsprachen Languages for Special Purposes HSK 14.2

Fachsprachen Languages for Special Purposes HSK 14 1999... · des sciences de communication ... Bd. 14 Handbooks of linguistics and communication ... terminologie des tissus en ancien

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FachsprachenLanguages for Special Purposes

HSK 14.2

Handbücher zurSprach- und Kommunikations-wissenschaftHandbooks of Linguisticsand Communication Science

Manuels de linguistique etdes sciences de communication

Mitbegründet vonGerold Ungeheuer

Herausgegeben von / Edited by / Edites parHugo StegerHerbert Ernst Wiegand

Band 14.2

Walter de Gruyter · Berlin · New York1999

FachsprachenLanguagesfor Special PurposesEin internationales Handbuch zur Fachsprachenforschungund TerminologiewissenschaftAn International Handbook of Special-Languageand Terminology Research

Herausgegeben von / Edited byLothar Hoffmann · Hartwig KalverkämperHerbert Ernst Wiegand

In Verbindung mit / Together withChristian Galinski · Werner Hüllen

2. Halbband / Volume 2

Walter de Gruyter · Berlin · New York1999

�� Gedruckt auf säurefreiem Papier, das dieUS-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data

Fachsprachen : ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschungund Terminologiewissenschaft / herausgegeben von Lothar Hoffmann,Hartwig Kalverkämper, Herbert Ernst Wiegand ; in Verbindung mitChristian Galinski, Werner Hüllen � Languages for special purposes :an international handbook for special languages and terminology re-search / edited by Lothar Hoffmann, Hartwig Kalverkämper, HerbertErnst Wiegand ; together with Christian Galinski, Werner Hüllen.

p. cm. � (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissen-schaft ; Bd. 14 � Handbooks of linguistics and communicationscience)

Includes bibliographical references and index.ISBN 3-11-011101-2 (alk. paper)1. Sublanguage�Handbooks, manuals, etc. 2. Terms and

phrases�Handbooks, manuals, etc. I. Hoffmann, Lothar. II. Kal-verkämper, Hartwig. III. Wiegand, Herberg Ernst. IV. Series:Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft ; Bd. 14.P120.S9F338 1997418�dc21 97-43881

CIP

Die Deutsche Bibliothek � CIP-Einheitsaufnahme

Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft /mitbegr. von Gerold Ungeheuer. Hrsg. von Hugo Steger ;Herbert Ernst Wiegand. � Berlin ; New York : de Gruyter

Früher hrsg. von Gerold Ungeheuer und Herbert Ernst WiegandTeilw. mit Parallelt.: Handbooks of linguistics and communicationscienceTeilw. mit Nebent.: HSK

Bd. 14 FachsprachenHalbbd. 2. � (1999)

Fachsprachen : ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschungund Terminologiewissenschaft � Languages for special purposes / hrsg.von Lothar Hoffmann … � Berlin ; New York : de Gruyter.

(Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft ; Bd. 14)

Halbbd. 2. � (1999)ISBN 3-11-015884-1

� Copyright 1998 by Walter de Gruyter GmbH & Co., D-10785 Berlin.Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb derengen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dasgilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung undVerarbeitung in elektronischen Systemen.Printed in GermanySatz und Druck: Arthur Collignon GmbH, BerlinBuchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin

2520 XXVIII. Ausschnitte aus der Entwicklung innerhalb des Französischen

suat. Troisieme supplement (1960�1980). 2 vol.Paris 1986/1991.

von Wartburg 1970 � Walther von Wartburg: Ein-führung in Problematik und Methodik der Sprach-wissenschaft. 3e ed. Tübingen 1970.

Woledge/Clive 1964 � Brian Woledge/Harry P.Clive: Repertoire des plus anciens textes en prosefrancais depuis 842 jusqu’aux premieres annees duXIIIe siecle. Genf 1964.

Wolf 1979 � Heinz Jürgen Wolf: FranzösischeSprachgeschichte. Heidelberg 1979.

264. Charakteristika der französischen Urkundensprache

1. Begriffsbestimmung2. Wissenschaftsgeschichte und

Forschungspraxis3. Zur sprachlichen Charakteristik der

französischen Urkundensprachen4. Forschungsdesiderata. Ausblick5. Literatur (in Auswahl)

1. Begriffsbestimmung

In der Romanistik wird unter Urkundenspra-che im engeren Sinn die (nichtlateinische, i. e.„vulgäre“) Sprache von spätmittelalterlichenRechtsdokumenten besonderer Art (Urkunde,franz. charte), in einem weiteren Sinn jedochdie Sprache aller nichtliterarischen Sprach-denkmäler verstanden. Seit den Arbeiten deswallonischen Philologen L. Remacle (1948)ist der Terminus Skripta für die Bezeichnunglateinischer und vulgärer Schriftsysteme(bzw. -sprachen) des Spätmittelalters vor de-ren weitgehender Unifikation (in der Roma-nia: meist im 15./16. Jh.) üblich; analog da-zu: Skriptaforschung, franz. scriptologie. Fürdas (Nord)Französische (Sprachtyp: Langued’Oıl) liegt der diachrone Rahmen der Skrip-taforschung zwischen dem Aufkommen derersten nichtlateinischen Dokumente (nachderzeitigem Stand: 1204, Douai, Depart. duNord) und der Ordonnance von Villers-Cot-terets (1539), in der vom franz. KönigFranz I. die exklusive Verwendung des „lan-gage maternel francais“ (de facto anstelle desLateinischen, aber auch letzter Reste des Ok-zitanischen und anderer Regionalskriptae)vorgeschrieben wurde. Nach 1539 gilt aussprachhistorischer Perspektive der Sprachtypdes Neufranzösischen als weitgehend stabili-siert.

Wüest 1969 � Jakob Wüest: Die Leis Willelme.Untersuchungen zum ältesten Gesetzbuch in fran-zösischer Sprache. Bern 1969.

Wüest 1978 � Jakob Wüest: Remarques sur lelangage juridique au Moyen Age. In: Travaux delinguistique et de litterature 16. 1978, 557�566.

Zangger 1945 � Kurt Zangger: Contribution a laterminologie des tissus en ancien francais. Bern1945.

Arnulf Stefenelli, Passau

Eine Behandlung der Problematik des in nichtlite-rarischen Dokumenten zwischen etwa 1200 und1539 verwendeten Französischen aus der explizitenPerspektive der Fachsprachenforschung steht trotzder breitgestreuten Relevanz der Skriptaforschung(Blickwinkel von: Paläographie, Diplomatik, Phi-lologie, Linguistik, Rechtsgeschichte, Jurisprudenz,Geschichte) noch zur Gänze aus. Allerdings hatsich neuerdings das lexikologische Interesse im Be-reich der franz. Skriptaforschung deutlich verdich-tet, wobei die Semantik und Pragmatik des solcher-art behandelten Vokabulars in die Richtung vonFachsprachenforschung weisen (cf. Drüppel 1984).Gegenüber der germanistischen Skriptaforschungliegt allerdings noch immer ein deutlicher Rück-stand vor, der in dieser Form seit rund einem Jahr-hundert andauert.

2. Wissenschaftsgeschichte undForschungspraxis

Die Heranziehung nichtliterarischer Quellenim allgemeinen und exklusiv diplomatisch re-levanter Texte wie Urkunden (etc.) im beson-deren bei der Erhellung der Geschichte desFranzösischen hat eine lange Tradition undmanifestiert sich erstmals im letzten Vierteldes 19. Jh.s. Die ersten dazu in größeremUmfang durchgeführten Forschungen gehenauf den Hallenser Romanisten Hermann Su-chier zurück, der bereits in der ersten Auflagevon „Gröbers Grundriß“ darüber extensivberichtet hat (Suchier 1888). In derselbenEdition von „Gröbers Grundriß“ befindetsich auch ein Beitrag über die fachmännischeBehandlung von diplomatisch relevantenTexten durch Philologen (Schum 1888). AmEnde des 19. Jh.s stehen dem Galloromani-sten für den Bereich der Langue d’Oıl bereitszahlreiche Urkundeneditionen (freilich sehr

2521264. Charakteristika der französischen Urkundensprache

unterschiedlichen Werts) zur Verfügung, dieseit etwa 1850 immer häufiger geworden sind.Die Bedeutung von Urkunden und sonstigennichtliterarischen Texten auch bei der univer-sitären Vermittlung von franz. Sprachge-schichte wird ab 1909 eindrücklich durch dendritten Band („Materialien zur Einführung indas Studium der altfranz. Mundarten“) der„Grammatik des Altfranzösischen“ von E.Schwan und D. Behrens unterstrichen. Dabeitritt die frühe Dominanz des diatopischen In-teresses der Skriptaforschung hervor: sie giltals Teil der Dialektologie im weitesten Sinn.Dies beruht u. a. auch auf der Tatsache, daßman bereits früh diesbezüglich die Vorteilenichtliterarischer gegenüber literarischen Do-kumenten erkannt hat. Diese liegen in derendeutlich engerer Bindung an die Koordinatenvon Zeit (meist Erst- oder Zweitschriften,keine Mehrfachabschriften über größere Zeit-räume hinweg; Vermerkung eines präzisenDatums für die Erstredaktion im Text) undRaum (meist deutlich erkennbare pragmati-sche Anbindung an eine Ortschaft oder eineklar erkennbare Region). Allerdings hat manlange Zeit die diversen Urkundenskriptae alsdirekte Emanationen (und damit authentischeReflexe) des örtlichen mittelalterlichen Dia-lektes angesehen. Diese (romantisch indu-zierte) Auffassung wurde erst im Zuge dervon Suchier angeregten Forschung korrigiertund durch differenziertere Auffassungen er-setzt (cf. Wacker 1916; Monfrin 1968; 1974).Weitere Marksteine der Skriptaforschung lie-gen vor in den Arbeiten von C. Th. Gossenzur Pikardie (1942; dazu auch die „Gram-maire de l’ancien picard“ von 1970; 2. Aufl.1976), von L. Remacle zur Wallonie (1948),von R. Rohr zur Touraine (1963) und vonmir selber zur Normandie (1970�1995). ZumGesamtraum der Langue d’Oıl unterrichtendie skriptologische Summe von C. Th. Gos-sen (1967) und der Skriptaatlas von A. Dees(1980). Ich verweise ferner auf die beidenskriptologischen Tagungsbände von 1961und 1967 (Straka 1963; 1972).

Typisch skriptologische Fragestellungensind: Überlieferungslage und quellenmäßigeZuverlässigkeit der verwendeten Texte (mitz. T. auch diplomatisch relevanten Diskussio-nen), Problem von Original (Erstschrift) undKopie (Zweitschrift); Frage der Relation vonGraphem und Phonem (Gossen 1968); danndie systematische Erarbeitung von histori-schen Laut- und Formenlehren (oft mit Ver-weisen auf die derzeitige Dialektsituation an-hand von ALF oder Regionalsprachatlan-

ten). Anmerkungen zur Syntax sind eher kur-sorisch, elaborierter dagegen die Analysendes vorgefundenen Wortschatzes (oft auchmit Spezialglossaren). Die genuin textlingui-stische Pragmatik der Urkunden und Doku-mente wurde bisher kaum beachtet, mit Aus-nahme der sehr ins Auge fallenden Problema-tik der Synonyme (Diekamp 1972) und derfallweisen Mehrsprachigkeit (Latein�Franzö-sisch�Deutsch etc.) der Texte (cf. Drevin1912; Lüdi 1985). Eine besondere Herausfor-derung hat immer die oft chaotisch anmu-tende Graphienvielfalt (Polymorphie) darge-stellt, in der nur durch quantitative Behand-lung verwertbare Ordnungsstrukturen ermit-telt werden können (cf. 3.4.).

In der Regel wurde für Lautlehre undMorphologie das Profil der jeweiligen hoch-und spätmittelalterlichen Sprachlandschafterstellt, oft anhand von Listen ausgewählterSprachmerkmale, die ihrerseits auf der be-reits vorliegenden Forschungstradition (hi-stor. Grammatik, Regionalmonographien,etc.) beruhten. Meist ist das Ziel der skripto-logischen Analyse die Herausarbeitung derdiachronen Entwicklung bestimmter (graphi-scher) Sprachmerkmale, da so die allenthal-ben in Frankreich (und auch anderswo) be-obachtbare progressive Epuration (d. h. Fran-zösisierung) der betreffenden Regionalskriptadeutlich wird. Diese Epuration verläuft �analog zum raum-zeitlich deutlich abgestuf-ten Auftreten des Mittelfranzösischen in denUrkunden � unterschiedlich schnell: im Zen-trum und im Westen erfolgt sie früher, späterim Osten (Lothringen, Champagne), Süd-osten (frankoprov. Gebiete) und Norden (Pi-kardie, Wallonie). Dabei ist der starke Ein-fluß historischer Gegebenheiten (Zugehörig-keit zum Königreich Frankreich oder nochzum Römisch-deutschen Reich) unüberseh-bar. Vor der Phase der definitiven Epurationkann mancherorts (v. a. im Norden und imOsten) auch eine Phase der progressiven Kon-stitution (d. h. einer deutlichen Verdichtungregionaler Schreibmerkmale) beobachtetwerden. Es ist klar, daß der vielschichtigeProzeß der Skriptakonstitution und -epura-tion nur durch eine möglichst genaue und di-versifizierte Beachtung vieler diamesischerDimensionen (Diachronie � Diatopie � Dia-textie � […]) hinlänglich genau beschriebenwerden kann. Eine konsequente Beachtungder drei eben erwähnten Dimensionen liegtderzeit nur in Goebl (1970�1995) vor; diebislang umfänglichste diatopische Analyse(bei gleichzeitiger Fixierung des diachronen

2522 XXVIII. Ausschnitte aus der Entwicklung innerhalb des Französischen

Rahmens auf das 13. Jh.) stammt von Dees(1980). Dees hat überdies die anhand nicht-literarischer Quellen erstellte diatopischeAnalyse später anhand literarischer Quellenwiederholt (1987) und konnte so die großeÄhnlichkeit, ja praktische Identität der bei-den Skripta-Formen aufzeigen.

Die Galloromanistik verfügt weder in quellen-editorischer noch in lexikographischer Hinsichtüber Hilfsmittel, die dem „Corpus der altdeutschenOriginalurkunden bis zum Jahr 1300“ von F. Wil-helm oder dem dazu erstellten „Wörterbuch dermittelhochdeutschen Urkundensprache“ von B.Kirschstein et al. vergleichbar wären. Die lexikolo-gische Arbeit an nichtliterarischen Texten muß da-her anhand der allgemeinen alt- und mittelfranzö-sischen Lexikographie durchgeführt werden undsich auf Standardwerke wie Godefroy, Tobler/Lommatzsch, DEAF und FEW stützen. Anhandgenauer lexikologischer Analysen von Urkunden-materialien ist es, wie Drüppel (1984) und vor ihmBaldinger mehrfach (1990, 251�303) gezeigt ha-ben, sehr oft möglich, die in FEW und sogarDEAF vermerkten Erstbelege deutlich zu unterbie-ten und Neu- bzw. Erstbelege in größerer Zahl bei-zubringen. Für die in der galloromanistischenSkriptologie übliche Forschungspraxis ist der kon-tinuierliche Dialog zwischen genuinen Diplomati-kern (meist aus dem Umfeld der Ecole des Chartesin Paris) und Philologen kennzeichnend: cf. dazuCarolus-Barre (1964) und Monfrin (1968; 1974).Dieser Kooperation sind die Urkundeneditionenim Rahmen der Reihe „Documents linguistiques dela France“ (Paris, CNRS) zu verdanken, die in dreiSerien erscheinen: serie francaise (1974�1994: 3Bände), serie francoprovencale (1974�1994: 2Bände) und Belgique romane (1984�1994: 2Bände). Diese drei diplomatisch und philologischvorzüglich betreuten Serien könnten im Laufe derZeit ein Äquivalent zum „Corpus Wilhelm“ derGermanisten darstellen.

3. Zur sprachlichen Charakteristik derfranzösischen Urkundensprachen

Hinsichtlich der als Quellen zugrundeliegen-den Textsorten unterscheide ich hier mitDrüppel zwischen Urkunden und Dokumen-ten. „Die Urkunde ist ein zur Festhaltungvon Vorgängen rechtlicher Natur unter Be-achtung bestimmter Formalien und in dervom Urheber des Rechtsgeschäftes beabsich-tigten Form ausgefertigtes Schriftstück öf-fentlichen Glaubens“ (Drüppel 1984, 15). �„Bei Dokumenten handelt es sich um nicht-urkundliches Schriftgut: Sie dienen demZweck der Festhaltung von Rechtszuständen[…], tragen kein Beglaubigungszeichen undverfügen über keinerlei öffentliche Beweis-

kraft […]. In diese Gruppe der Dokumentegehören: Konzepte, Register, Kopialbücher(cartulaires), Briefe, Urbare (rentiers), Steu-er- und Zinslisten (censiers), Rechnungen,etc.“ (Drüppel 1984, 17). Auf die in der Di-plomatik üblichen, viel weiter gehenden Dif-ferenzierungen wird hier explizit verzichtet:cf. Giry (1894); Bouard (1929/1948), Tessier(1966), Bautier (1977): omnes passim.

3.1. Chronologie des Aufkommens desFranzösischen als Urkundensprache

Die Ablösung des Mittellateinischen durchdas (Mittel)Französische als Sprache der Ur-kunden (und Dokumente) ist ein progressivverlaufender Vorgang, der grosso modo mitdem Beginn des 13. Jh.s einsetzt. Vorhertauchten bereits vulgäre Elemente als Namenjeder Art oder sogar als isolierte Appellativain den ansonsten lateinischen Texten auf (cf.Drevin 1912). Auch Mischtexte (d. h. mit je-weils anderssprachigen Satzteilen oder gan-zen Sätzen) kommen vor und sind sogar biszum Beginn der Neuzeit vereinzelt dokumen-tiert (Lüdi 1985). Hier eine Aufstellung derjeweils ersten französischen Urkunden nachProvinzen (wobei aber noch keine kontinuier-liche Tradition begründet wird): Flandern,Pikardie: 1204 f; Lothringen: 1212 f; Südwe-sten: 1219/20; Champagne: 1230 f; Franche-Comte: 1233 f; Burgund: 1242 f; Normandie:1246 f; Ile-de-France: 1248 f; cf. Drüppel1984, 6�7; Winkelmann 1991, 8�9; aberauch Giry 1894, 464�476 oder Gossen 1967passim).

Die progressive Ersetzung des Lateini-schen durch das Französische ist eine Konse-quenz des allgemeinen Modernisierungs-schubs an der Wende zwischen dem 12. unddem 13. Jh. und kann vom europaweiten Er-starken des Bürgertums und der Städte nichtgetrennt werden. Auffällig ist die Vorrreiter-rolle des Nordostraums des franz. Sprachge-biets (Pikardie, Flandern, Wallonie, Lothrin-gen), der eine analoge Funktion des mittel-und niederrheinischen Raums auf dem ger-manischen Sprachgebiet entspricht. Offenbarhat hier eine soziolinguistische Innovationsprachraumübergreifend auf Grund ähnlichersozialer, kultureller und politischer Prämissenstattgefunden. Die von dieser mittelschicht-spezifischen Innovation weniger betroffenenInstanzen (Klerus, hoher Adel, König) hin-ken dementsprechend nach: die ersten franz.Königsurkunden datieren von 1254 und 1259(unter Ludwig IX., 1226�1270), bleiben je-doch noch längere Zeit Unikate.

2523264. Charakteristika der französischen Urkundensprache

3.2. Textlinguistische und pragmatischeAspekte

Die Träger der in den Urkunden und Doku-menten niedergelegten Schriftaktivitätenstellten eine abgeschlossene Berufskaste dar,für die naturgemäß klare Traditionen undNormen galten. Im hier vorrangig interessie-renden Zeitraum (ca. 1200�1539) waren dieskirchliche oder dem Laienstand angehörigeSchreiber sowie � parallel zum Fortschreitender Zentralisierung der königlichen Verwal-tung Frankreichs � in immer größerem Um-fang königliche Beamte (tabellions, baillis, vi-comtes etc.). Die von diesen erstellten Textemußten juristischen Notwendigkeiten undNormen genügen und waren daher eo ipsoFachtexte und als solche von der Alltags-sprache abgehoben. Vor allem die Urkunden(im Sinne von Drüppel 1984, 15) hatten einestreng festgelegte innere Gliederung, wobeidie (jüngeren) französischen Urkunden sicheng an die (älteren) lateinischen Vorlagen an-lehnten. Dazu einige Beispiele, getrennt nachden Urkundenteilen Protokoll, Text undEschatokoll:

PROTOKOLL: (1) Universis præsentes litteras in-specturis, officialis decani Baiocensis, salutem inDomino. (Bayeux, 15. 12. 1285); (2) A touz cels quiverront ces presentes lettres, le ballif de Caen, saluzen nostre Seignor. (Caen, 13. 11. 1285);TEXT: (3) Noveritis quod, in nostra praesencia per-sonaliter constituta, Matildis, relicta Guillelmi dictiLespec, defuncti, juravit spontanea coram nobis (…).(Bayeux, 15. 6. 1286); (4) Sachiez que Guillame Ha-renc, de la paroisse de la Feriere Harenc, establi pardevant moi, recogneut que il a vendu (…). (Bayeux,10. 4. 1285);ESCHATOKOLL: (5) In cujus rei testimonium si-gillum curiae nostrae, ad petitionem dictae Matildis,praesentibus duximus apponendum. Datum et actumanno Domini millesimo ducentesimo octogesimosexto, die sabbati post Trinitatem. (Bayeux, 15. 6.1286); (6) Et en tesmoig de cen, ceste letre est sceleedeu seel de la visconte de Baiex, a la requeste deudit chevalier, sauve la dreiture le Rey. Cen fut fet enl’an de grace mil ijc quatre vinz et noef, le jeusdidevant Pasques. (Bayeux, 30. 3. 1289).Quelle: Bourrienne 1902/03: (1) 283�284; (2) 293�294; (3) 230�231; (4) 309�310; (5) 230�231; (6)338.

Die formale Prägung der Gestalt des vul-gären Textes durch mittellateinische Vorlagenbegegnet bereits bei den Straßburger Eidenvon 842. Dort liegen beispielsweise in derForm eines Substrates unter der Formel „proDeo amor et pro christian poblo et nostrocommun saluament“ gut belegte lateinischeWendungen wie „pro Dei amore“ und „ad

communem nostram et fidelium nostrorumsaluationem et honorem“ etc. (Ewald 1964,36�37). Die formelhafte Struktur der Ur-kunden beschränkt natürlich deren sprachli-chen Reichtum. Während phonetische Merk-male darin gut vertreten sind, sind morpholo-gische, syntaktische und lexikalische Struktu-ren nur sehr selektiv präsent. Der im Proto-koll (bzw. in der Salutation) seit der 2. Hälftedes 13. Jh.s immer häufiger verwendete Hin-weis auch auf diejenigen, die die betreffendeUrkunde durch Verlesung „hören“ können(A tous ceux qui ces presentes lettres verrontet orront …), soll allerdings nicht dazu verlei-ten, den Urkundenschreibern irgendwelchekonkretere „transkriptorische“ Absichten zuunterstellen. Die Verlesung von Urkundenvor den meist analphabetischen Kontrakt-partnern war Bestandteil der gegen Ende des13. Jh.s durchgeführten Administrationsre-form des franz. Königs. Dabei wird die Verle-sung in wohl sehr freier Umsetzung des Ge-schriebenen in Gesprochenes stattgefundenhaben. Wie bei Fachsprachen üblich, ist auchbei der franz. Urkundensprache eine weitge-hende Normierung nach Terminologie, Text-gestalt und Textpragmatik vorhanden.

3.3. Sprachliche AspekteDazu einleitend einige illustrative Beispiele:die in 3.2. zitierte Salutatio des Protokolls (Atous ceux qui ces presentes lettres verront etorront …) wird je nach Region graphisch sehrunterschiedlich aktualisiert. Den betreffen-den Regionalgraphien liegen meist klar er-kennbare dialektale Lautstände zugrunde,die dialektologisch und lauthistorisch näherdiskutiert werden können: (1) PIKARDIE(Pas-de-Calais) 1279: A tous chaus ki chespresentes letres verront et orront …, (2) LÜT-TICH (Wallonie) 1279: A tos ceas ki ces pre-sens lettres veront et oront … (3) INDRE(Berry) 1287: A toz cos qui cestes lestres ver-ront et orront …; (4) CHARENTE (Angou-leme) 1270: A toz ceals qui hycetes letres vey-ront ne orront … Quelle: Schwan/Behrens1909, III; 1) 8; 2) 23; 3) 77; 4) 81.

Das diachron und diatopisch ausgerichteteStudium solcher Variationen und die Beob-achtung von deren schrittweisem Verschwin-den zugunsten der franzischen (d. h. ausder Ile-de-France stammenden) Leitvariantenmacht nun die eigentliche Substanz derSkriptaforschung aus. Die Mehrzahl der vor-liegenden Studien beschäftigt sich vorwie-gend mit Lautlehre und Morphologie (mo-dellhaft dazu: Gossen 1942). Syntax und Le-

2524 XXVIII. Ausschnitte aus der Entwicklung innerhalb des Französischen

2525264. Charakteristika der französischen Urkundensprache

xikon hinken demgegenüber nach. BesondereAkzentsetzungen liegen vor in Dees 1971(Pronominalmorphologie), Baldinger 1962und 1971 (Lexikon, v. a. anhand der zahlrei-chen nordfranz. Coutumes), Ewald 1968 (Ex-haustion eines großen Kartulars), Morlet1969 (lexikalisches Inventar der mittelalterli-chen Champagne) und Wüest 1969 (anglo-normandische Gesetzessprache). Besondersinteressant ist die Beachtung der formelhaf-ten Synonymenhäufungen in der Urkunden-sprache, deren Frequenz seit dem Ende des13. Jh.s immer mehr zunimmt (Diekamp1972): z. B.: Wortfeld „Streit“: empres mainzplaiz et mainz contenz; Wortfeld „Einkünfte“:recevra les rendes e les eissues; Wortfeld „um… willen“: por raison ne por ochison. SolcheMehrgliedrigkeiten sind des öfteren auch inder modernen juristischen Fachsprache beob-achtet worden (Oksaar 1988, 94).

3.4. Exemplarische Vorstellung zweierMerkmale der normandischen Skripta:lat. ECCE � ILLOS > chels etc.(versus cels etc.), lat. ECCE � ISTOS,� ISTU, A > ches, chest, cheste etc.(versus ces, cest, ceste etc.) (s. dazu dieAbb. 264.1 und 264.2)

Die zwei folgenden Beispiele dienen der Veran-schaulichung der diatopischen und diachronischenRelevanz von Urkundensprache. Dabei wird dasallmähliche Verschwinden von regionalen Gra-phien (auf ch anstelle von zentralfranz. c) in denauf lat. ECCE � ILLOS (> chels etc.) und ECCE� ISTOS, ISTU, A (> ches, chest, cheste etc.) ba-sierenden Demonstrativpronomina dargestellt.Quellen: erstschriftliche Urkunden aller Art derspätmittelalterlichen Normandie: 896 Texte mitinsgesamt 416 838 Wörtern; Gesamtzeitraum:1246�1551; gestaffelte Teilzeiträume: 1246�1300,1301�1350, 1351�1450, 1451�1551; dazu einepanchrone Perspektive: 1246�1551. DiatopischeGliederung: grob: in acht Diözesen; fein: in 20„Schreibzentren“ (zu deren Namen siehe die Le-

Abb. 264.1: Verteilung der regionalen Graphien auf ch (z. B. in chels, cheux etc. < lat. ECCE � ILLOS) inErstschriften (ORG).

Legende (Scripta) Legende (ALF)

y Verteilung dialektaler Formen auf [s] (anhand vonunterdurchschnittliche Graphien-frequenz 17 ALF-Karten)

z überdurchschnittliche Graphienfrequenz 1 1�6 s-BelegePunkt besonders auffällige Graphienfrequenz 2 7�13 s-Belege

(inferenzstatistisch ermittelt: cf. Goebl 3 14�21 s-Belege1979, 363 f).

Liste der 17 ausgewerteten ALF-Karten: GoeblQuellen: 896 erstschriftliche Urkunden der Nor-1976, 260.mandie (cf. Goebl 1979, 394).

genden der Abb. 264.1 und 264.2). Kartierungs-prinzip: diachron und diatopisch differenzierte Vi-sualisierung der urkundlichen Belege auf ch ge-trennt nach der Häufigkeit (Dichte) ihres Auftre-tens: (a) einfaches Vorkommen, (b) überdurch-schnittliches Vorkommen, (c) auffällig häufigesVorkommen (dunkles Punktraster mit zusätzli-chem schwarzem Kreis) (zu technischen Details cf.Goebl 1979, 360 f). Wichtig ist der optische Ver-gleich der räumlichen Verteilung der Skriptabelegemit jenen der modernen Dialektformen nach ALF(Demonstrativpronomina mit anlautendem [s],welche Lautung als „generierendes Substrat“ fürdie Graphien auf *ch+ angesehen wird) anhandvon 17 einschlägigen Karten des ALF (cf. Goebl1976, 260). Sowohl bei den Skripta- wie bei denALF-Karten handelt es sich um in Choroplethen-technik ausgeführte Dichtekarten mit einer quanti-tativen Bildaussage.

Kommentar zu den Abb. 264.1 und 264.2:Die absoluten Beleghäufigkeiten nehmen mitder Zeit rasch ab (Abb. 264.1: 33-7-1-8; Abb.264.2: 62-34-1-0). Die überwiegende Mehr-zahl der in den 896 analysierten Texten aufden lateinischen Etyma ECCE � ILLOS undECCE � ISTOS beruhenden Formen mit ini-tialem ch (chels, ches etc.) stammt aus der ste-reotypen Notifikationsformel „A tous ceuxqui ces presentes lettres verront et orront …“.Das Graphem *ch+ beruht sicher auf derEinwirkung des Phonems [s]. Zufolge ALFliegen die Schwerpunkte der s-Verteilung ei-nerseits im Westen und andererseits vor allemim Osten der Normandie (ausstrahlend in diePikardie) mit einem deutlichen Einbruch inder Mitte. Die Verteilung der Skriptaformenzeigt über alle Prüfzeiträume eine analogediatopische Schichtung. Man kann daraus(und aus sehr vielen anderen ähnlich aussage-kräftigen Analysen: cf. Goebl 1975�1995)schließen, daß das mittelalterliche Schreibge-schehen in der Normandie einem Kräftepa-rallelogramm vergleichbar war: es existiertenzwei orthogonal zueinander wirkende Kräfte:

2526 XXVIII. Ausschnitte aus der Entwicklung innerhalb des Französischen

2527264. Charakteristika der französischen Urkundensprache

die regionale Dialektizität (phonetisch mit [s]und graphisch mit *ch+), deren Kraft zwi-schen 1246 und 1551 progressiv abnahm, unddie überregionale Dialektizität (phonetischmit [s] und graphisch mit *c+), deren Poten-tial kontinuierlich zunahm. Die Resultie-rende entspricht den tatsächlich in den nor-mandischen Urkunden aufgefundenen Gra-phien auf ch. Dabei sind zwei Fakten erstaun-lich: (1) Der diatopisch klar strukturierte(d. h. „geordnete“) „Rückzug“ der ch-Gra-phien und (2) die doch relativ lange Präsenzregionaler Graphien in einer fachsprachlichund damit überregional hochnormierten For-mel. Bei derartigen Untersuchungen verdich-tet sich auch die Vermutung, daß die quanti-tative Schichtung fachsprachlich-dialektalerMerkmale im Hochmittelalter jener vonheute sehr ähnlich war. Analoge Erfahrungenwurden auch von der Germanistik gemacht.Das Beispiel der Abb. 264.1 und 264.2 zeigtdie phonetisch-graph(et)ische Relevanz derfranzösischen Urkundensprache; morphologi-sche und lexikalisch relevante Analysen ste-hen ebenso in größerer Zahl zur Verfügung.Eine deutliche Karenz besteht dagegen beider Syntax.

4. Forschungsdesiderata. Ausblick

Wünschenswert wären weitere Forschungenauf den folgenden Gebieten: diasystematischeMonographien zu einer oder zwei altfranzösi-schen Regionen mit dem Ziel, die von Dees(1980) gebotenen Perspektiven diatopisch zuverfeinern und diachronisch zu ergänzen;Fortsetzung der von Drüppel (1984) begon-nenen lexikologischen Erschließung unter ver-stärkter Berücksichtigung fachsprachlicherAspekte; vergleichende Studien mittellateini-scher, mittelfranzösischer und mittelhoch-deutscher bzw. -niederländischer Urkunden

Abb. 264.2: Verteilung der regionalen Graphien auf ch (z. B. in ches, chest, cheste < lat. ECCE � ISTOSund ECCE � ISTU, A) in Erstschriften (ORG).

Legende (Scripta) Legende (ALF)

y Verteilung dialektaler Formen auf [s] (anhand vonunterdurchschnittliche Graphien-frequenz 17 ALF-Karten)

z überdurchschnittliche Graphienfrequenz 1 1�6 s-BelegePunkt besonders auffällige Graphienfrequenz 2 7�13 s-Belege

(inferenzstatistisch ermittelt: cf. Goebl 3 14�21 s-Belege1979, 363 f).

Liste der 17 ausgewerteten ALF-Karten: GoeblQuellen: 896 erstschriftliche Urkunden der Nor-1976, 260.mandie (cf. Goebl 1979, 394).

und Dokumente zur Erhellung der unzweifel-haft vorhandenen Querbezüge zwischen die-sen vier Sprachebenen. In methodischer Hin-sicht ist die uneingeschränkte Fortführungdes überlieferten pluridisziplinären Ansat-zes (Diplomatik, Philologie, Linguistik, Ge-schichte, Kooperation mit Germanisten, Mit-tellateinern etc.) wünschenswert, wobei auchquantitative Methoden ihren angemessenenPlatz haben müssen.

5. Literatur (in Auswahl)

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Baldinger 1962 � Kurt Baldinger: L’importance dela langue des documents pour l’histoire du vocabu-laire galloroman. In: Revue de linguistique romane26. 1962, 309�330 [auch in: Straka 1963, 41�62].

Baldinger 1971 � Kurt Baldinger: Die Coutumesund ihre Bedeutung für die Geschichte des franzö-sischen Wortschatzes. In: Zeitschrift für romani-sche Philologie 67. 1971, 3�48.

Baldinger 1990 � Kurt Baldinger: Die Faszinationder Sprachwissenschaft. Ausgewählte Aufsätzezum 70. Geburtstag. Hrsg. v. Georges Straka undMax Pfister. Tübingen 1990.

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Bourrienne 1902/03 � V. Bourrienne: Antiquus car-tularius ecclesiae Baiocensis (Livre Noir). 2 vol.Rouen 1902�1903.

Carolus-Barre 1964 � Louis Carolus-Barre: Lesplus anciennes chartes en langue francaise. Proble-mes generaux et recueil des pieces originales con-

2528 XXVIII. Ausschnitte aus der Entwicklung innerhalb des Französischen

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DEAF � Dictionnaire etymologique de l’ancienfrancais. Hrsg. v. Kurt Baldinger. Quebec. Tübin-gen. Paris 1974 f.

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Dees 1980 � Anthonij Dees: Atlas des formes etconstructions des chartes francaises du 13e siecle.Tübingen 1980.

Dees 1987 � Anthonij Dees: Atlas des formes lin-guistiques des textes litteraires de l’ancien francais.Tübingen 1987.

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Goebl 1970 � Hans Goebl: Die normandische Ur-kundensprache. Ein Beitrag zur Kenntnis der nord-französischen Urkundensprachen des Mittelalters.Wien 1970.

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Goebl 1976 � Hans Goebl: Deux aspects de lascripta normande. In: Actes du XIIIe Congres In-ternational de Linguistique et Philologie Romanes(Quebec 1971). Vol. II. Quebec 1976, 243�264.

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Lüdi 1985 � Georges Lüdi: Mehrsprachige Redein Freiburger Ratsmanualen des 15. Jahrhunderts.In: Vox romanica 44. 1985, 163�188.

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Rohr 1963 � Rupprecht Rohr: Das Schicksal derbetonten lateinischen Vokale in der Provincia Lug-dunensis Tertia, der späteren KirchenprovinzTours. Berlin 1963.

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2529265. Fachwissenszuwachs und Bezeichnungsnot in der Renaissance

Schwan/Behrens 1909 � Eduard Schwan/DietrichBehrens: Grammatik des Altfranzösischen. III.Teil: Materialien zur Einführung in das Studiumder altfranzösischen Mundarten. Leipzig 1909[3. Aufl. 1921].

Straka 1963 � Les anciens textes romans non litte-raires. Leur apport a la connaissance de la langueau moyen age. Colloque de Strasbourg, 30/1�4/2/1961. Hrsg. v. Georges Straka. Paris 1963.

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Suchier 1888 � Hermann Suchier: Die französischeund provenzalische Sprache und ihre Mundarten.In: Grundriß der romanischen Philologie. Hrsg. v.Gustav Gröber. Vol. I. Straßburg 1888, 561�668.

Tessier 1966 � Georges Tessier: La diplomatique.Paris 1966 [3. Aufl.].

265. Fachwissenszuwachs und Bezeichnungsnot in der Renaissance:gelehrtes Latein und Volkssprache Französisch in fachlicherKommunikation

1. Einleitung2. Problemstellung3. Fachwissenszuwachs in der Renaissance4. Das Verhältnis Latein/Französisch in seiner

linguistischen Dimension5. Literatur (in Auswahl)

1. Einleitung

Seit dem Ende des weströmischen Reiches biszum Beginn der Neuzeit war bekanntlich La-tein die vorherrschende Schriftsprache in fastallen Ländern West-, Süd- und Mitteleuro-pas. Die jeweiligen Volkssprachen fanden,von einigen frühen, meist fragmentarischenBelegen abgesehen, erst nach der Jahrtau-sendwende allmählich schriftsprachliche Ver-wendung. Zwischen dem 13. und dem 15. Jh.wurden sie zunehmend in der Literatur be-nutzt, ihr Gebrauch in Fachtexten setzte sichjedoch erst im Laufe des 16. Jh. durch.

Die Zahl der romanistischen Untersuchungenälterer Fachtexte ist gering. Dies hat mehrere Ursa-chen: Zum einen erlauben die gängigen Definitio-nen des Begriffes Fachsprache es nur schwer, dieheterogene, im Entstehen begriffene fachsprach-liche Textproduktion dieser Epoche angemessen zuklassifizieren; zum anderen herrscht ein Mangel ankritischen Editionen der erhaltenen Texte, die einen

Tobler/Lommatzsch � Altfranzösisches Wörter-buch. Hrsg. v. Adolf Tobler und Erhard Lom-matzsch. Berlin. Wiesbaden 1925 f.

Wacker 1916 � Gertrud Wacker: Über das Ver-hältnis von Dialekt und Schriftsprache im Altfran-zösischen. Halle 1916.

Wilhelm 1932�1986 � Corpus der altdeutschenOriginalurkunden bis zum Jahre 1300. Hrsg. v.Friedrich Wilhelm/Richard Newald/Helmut deBoer/Dieter Haacke und Bettina Kirschstein. 6 vol.Lahr 1932�1986.

Winkelmann 1991 � Otto Winkelmann: Zur Ablö-sung des Lateins durch das Französische als Ur-kundensprache. Regensburg 1991 (EichstätterHochschulreden 80).

Wüest 1969 � Jakob Wüest: Die Leis Willelme.Untersuchungen zum ältesten Gesetzbuch in fran-zösischer Sprache. Bern 1969.

Hans Goebl, Salzburg

breit gefächerten Bereich geistlichen und vor allemweltlichen Wissens umfassen (vgl. Pöckl 1990, 272).Schließlich ist zu bedenken, daß zahlreiche Werkedes ausgehenden Mittelalters und der frühen Neu-zeit verloren gegangen sind.

Im folgenden soll zunächst eine Reihe von Fak-toren herausgearbeitet werden, die für den Wis-senszuwachs während der Renaissance sowie fürden Übergang vom Latein zum Französischen infachlicher Kommunikation verantwortlich zu ma-chen sind. Danach soll anhand ausgewählter Fach-texte das Verhältnis Latein vs. Französisch in seinersprachlichen Dimension betrachtet werden: Beson-dere Aufmerksamkeit wird dabei der lexikalischenEbene gewidmet, wobei die Benennung von aufFranzösisch noch nicht versprachlichten Begriffenim Vordergrund steht. Dabei ist jedoch grundsätz-lich zu bedenken, daß das heutige Fachsprachen-konzept nicht ohne weiteres auf die Untersuchungder schriftlichen Fachkommunikation des 16. Jh.übertragen werden kann, denn die Verwendungund der Inhalt von Begriffen wie schöne Literatur-oder Fachtext sind einem sozialgeschichtlichen Ein-fluß unterworfen, der unbedingt berücksichtigtwerden muß. Typische textuelle Merkmale einerFachsprache können im 16. Jh. der Erläuterungvon Phänomenen dienen, denen die moderne Ge-sellschaft das Attribut der Fachlichkeit nicht zuge-stehen würde; umgekehrt können Texte dieser Epo-che typische Fachlichkeitsbereiche behandeln unddennoch keine der uns bekannten fachsprachlichenCharakteristika enthalten.