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Ausgabe 01 • 2016 I Jg. 41 I EUR 5,00 OCG Journal Ausgabe 01 2016: Fairness und Gerechtigkeit | Wirtschaftsethik in der digitalen Welt P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien I 02Z031460M Fairness und Gerechtigkeit Wirtschaftsethik in der digitalen Welt

Fairness und Gerechtigkeit Wirtschaftsethik in der digitalen ......Wirtschafts- und Medienethik in der digitalen Welt 1. WIRTSCHAFTSETHIK UND MEDIENETHIK IN ZEITEN DER DIGITALISIERUNG

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  • Ausgabe 01 • 2016 I Jg. 41 I EUR 5,00O

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    Fairness und Gerechtigkeit

    Wirtschaftsethik in der digitalen

    Welt

  • 16 & 17 APRIL2016

    http://makerfairevienna.com/

  • „The Social Responsibility of Business is to increase its Profits!“ titelte Milton Friedman einen Artikel im New York Times Magazine im September 1970. Der Titel klingt bewusst pro-vokativ, aber der – relativ lange – Artikel lässt keinen Zweifel daran, was einer der einfluss-reichsten Wirtschaftswissenschaftler des 20. Jahrhunderts von der Idee einer sozialen Ver-antwortung von Unternehmen hält: überhaupt nichts. Stattdessen setzt er jegliche Überle-gungen zu dem Thema mit Sozialismus („Soci-alism“) gleich – ein Wort, das in den Vereini-gten Staaten als Synonym für Kommunismus und Planwirtschaft galt und bis heute in kon-servativen Medien geradewegs als Schimpf-wort gebraucht wird. Ohne Zweifel argumen-tiert er brillant und erzeugt in einer Zeit, in der die UdSSR, der Warschauer Pakt und der Kom-munismus noch als primäre Feindbilder in den Köpfen aller Bürgerinnen und Bürger west-licher Nationen verankert waren, eine latente Angst, alle Unternehmen könnten unter der Knechtschaft eines sozialistischen Systems jeg-liche Effizienz und Wettbewerbsvorteile auf-grund kruder und undefinierbarer „sozialer Anliegen“ verlieren.

    Wie wir rückblickend feststellen können, wa-ren die Sorgen von Milton Friedman unbe-gründet. Wir leben heute in einer Welt, in der im vorherrschenden Turbo-Kapitalismus (oder wirtschaftswissenschaftlicher formuliert „Ul-tra-Liberalismus“) scheinbar die 10 Gebote zumindest für die globalen Unternehmens-führerInnen der Großkonzerne auf ein Gebot zusammengedampft scheinen („Du sollst die Profite der Shareholder maximieren“) und die Diskussion einer „Moralphilosophie“ für die Wirtschaft eher als anachronistische akade-mische Dehnungsübung denn als realistische Einflussoption für Unternehmen wahrgenom-men werden kann.

    Doch die Zeiten ändern sich. Auch wenn die CSR (Corporate Social Responsibility) Aktivi-täten vieler Konzerne noch augenscheinlich stärker von den jeweiligen Marketingabtei-lungen geprägt sind und weniger als das Ergebnis einer inhärenten, glaubwürdigen Verhaltensänderung der Großunternehmen wahrgenommen werden, gibt es starke und überzeugende Stimmen, die (teilweise seit Jahrzehnten) zu einem Umdenken aufrufen und nun immer stärker Gehör finden. Dabei ist Hans Küng aus meiner Sicht besonders her-

    vorzuheben. Küng, eigentlich ein Theologe und eher für seine theologischen Veröffentli-chungen bekannt, hat maßgeblich das Mani-fest „Globales Wirtschaftsethos“ geprägt, das von der Stiftung Weltethos herausgegeben wurde, die er gegründet hat. Die wenigen Sei-ten lesen sich ernüchternd angesichts der Tat-sache, dass praktisch keine einzige der in dem Manifest formulierten Forderungen derzeit glo-bal auch nur annähernd umgesetzt sind. Wer allerdings Küngs scharfsinnige und wohldurch-dachte Hintergrundüberlegungen dazu liest (z. B. in seinem Buch „Anständig wirtschaften. Warum Ökonomie Moral braucht“), wird ins-besondere auch im Hinblick auf die jüngeren weltpolitischen Entwicklungen feststellen, dass seine Forderungen geradezu zwingend not-wendig umgesetzt werden müss(t)en; Forde-rungen eines Wissenschaftlers, der vom dama-ligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, die Möglichkeit erhielt, 2001 vor der UN-Vollversammlung in New York sei-ne ethischen Überlegungen in Bezug auf die Globalisierung darzulegen. (Damals stand ein neues Paradigma internationaler Beziehungen auf der Grundlage globaler ethischer Standards im Vordergrund.)

    Ethik erlebt also – sicherlich als Zeichen der Zeit und hoffentlich nicht zu spät – eine Renais-sance. Wir als OCG, die „die umfassende und interdisziplinäre Förderung der Informatik und der Kommunikationstechnologie unter Be-rücksichtigung ihrer Wechselwirkungen mit Mensch und Gesellschaft“ als Vereinszweck definiert und damit auch ethische Fragestel-lungen als Kern ihrer Existenzberechtigung definiert hat, wollen in dieser Ausgabe des Journals einen kleinen Beitrag dazu leisten, die Begrifflichkeiten einzuordnen und einige relevante Punkte der Wirtschafts- und Medie-nethik anzureißen, um damit hoffentlich wei-terführende, fruchtbare Diskussionen und Bei-träge zu diesem äußerst relevanten, wenn auch sehr komplexen, Themenfeld zu initiieren. Und mit „OCG cares“ leisten wir hoffentlich auch unseren eigenen bescheidenen Beitrag als Si-gnal, dass Profitmaximierung nicht das singu-läre Ende der Fahnenstange des Wirtschaftens sein kann.

    Ihr

    Markus Klemen, Präsident OCG

    Editorial

  • 4 OCG Journal | 01 2016

    Inhalt

    Themenschwerpunkt: Fairness und Gerechtigkeit | Wirtschaftsethik in der digitalen Welt

    6 Wirtschafts- und Medienethik in der digitalen Welt Zur Ökonomisierung unserer mediatisierten Gesellschaft

    8 Unternehmensverantwortung gegenüber der Informations- gesellschaft Erkenntnisse aus Informations- und Wirtschaftsethik

    11 Langfristig sinnvoll: Digitale Nachhaltigkeit für die vierte industrielle Revolution Lösungsansätze für die Heraus-forderungen der Digitalisierung

    13 Professional Ethics in a Digital World Role of CEPIS

    IKT in der Ausbildung

    15 Licht im dunklen Kontinent – Mobiles Lernen in Ghana Digitale Technologien verändern die Bildungslandschaft in Afrika

    19 Vernetzungstreffen Educational Robotics in Österreich Begeisterung für MINT Fächer durch aktuelle Themen und innovative Tools

    20 Bildungsreform, Informatik und digitale Medien Bildungspolitik und digitale Medien

    22 Maker Faire Vienna – das Festival für Technologie, Innovation und Kreativität Personal Fabrication – die nächste industrielle Revolution?

    23 Mögen die Sensoren mit Euch sein! Mit dem Raspberry Pi in den Weltraum

    26 Was ist Informatik eigentlich genau? Auf der Suche nach einer informatischen Gesamtbildung

    [ 8

  • 501 2016 | OCG Journal

    Gesellschaftliche Kohäsion

    27 Web/e-Accessibility – nur Verpflichtung oder auch Chance? Richtlinien für Barrierefreiheit – Zeit zur Umsetzung

    30 OCG cares – Menschen kümmern sich um Menschen Initiative zur Förderung der Integration von Flüchtlingen

    31 Universitäten in den Zeiten der Flüchtlingskrise Menschenrechte und Toleranz als gesellschaftspolitischer Auftrag

    Plattform OCG

    38 Neue Mitglieder und ihre Meinungen zur OCG SAS Institute Software GmbH

    ECDL Foundation prämiert Initiative der Vorarlberger BerufsschullehrerInnen Projekt zu Computerkompe-tenzen wurde gewürdigt

    39 OCG Veranstaltungen OCG Schriftenreihe Impressum

    Wettbewerbe und Preise

    34 Biber der Informatik Challenge 2015 Informatikkonzepte spielerisch lernen

    Digitale Zivilgesellschaft

    32 Die „Digital Roadmap“ der Österreichischen Bundesregierung Positive Auswirkungen und Chancen der Digitalisierung

    [ 22 [ 27

    [ 23

  • 6 OCG Journal | 01 2016

    Zur Ökonomisierung unserer mediatisierten Gesellschaft

    von Michael Litschka

    Wirtschafts- und Medienethik in der digitalen Welt

    1. WIRTSCHAFTSETHIK UND MEDIENETHIK IN ZEITEN DER DIGITALISIERUNGDer Wandel der Technologie- und Medien-landschaft ist evident: Neue Möglichkeiten, aber auch Gefahren der Digitalisierung, Konvergenz, erhöhter Geschwindigkeits-druck und Finanzierungsprobleme des Journalismus sind nur einige Warnzeichen für Medienunternehmen, Journalismus, aber auch die Informationstechnologie insgesamt. Fortschritte bei IT-Infrastruk-turen, Rechenleistung, generell die Ten-denz, Güter zu digitalisieren, ermöglichen teilweise erst das, was wir heute in vielen Branchen beobachten, nämlich eine Kom-merzialisierung von allen Gütern (auch von Daten), intransparente Geschäftsmo-delle, die nicht zuletzt auf Überwachung von Kundenverhalten und Auswertung so genannter „Big Data“ beruhen so-wie eine zu befürchtende Ungleichheit in der Medien- und IT-Nutzung („Digital Divide“), bedingt durch unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten (v.a. im weltwei-ten Vergleich) und auch Einkommensver-teilungen. Manche Theoretiker (wie der deutsche Kommunikationswissenschaftler Friedrich Krotz) sehen diese Phänomene sogar noch umfassender und bezeichnen einen totalen sozialen und medialen Wan-del als „Mediatisierung“: Wir leben in, mit und durch mediale Kommunikation und die eine solche erst ermöglichende Tech-nologie und passen unser Verhalten an diese langfristige Tendenz an. (Man neh-me nur das kleine Beispiel der Smartphone Kommunikation und wie diese unser Le-ben verändert.)

    Die Aufgabe, die negativen Auswirkungen

    der hier kurz umrissenen Problemfelder zu analysieren und Lösungsmöglichkei-ten vorzuschlagen, hat u.a. die Ethik als philosophische Teildisziplin, hier v.a. die Wirtschaftsethik und die Medienethik als anwendungsorientierte („praktische“) Ethiken. Beide wenden generelle Prinzi-pien der allgemeinen Ethik auf bereichs- und problemspezifische Felder an und versuchen, abstrakte Normen und Be-gründungsstrategien auf konkrete und praktische Moralfragen umzulegen. Die Medienethik hat dabei die Produktion, Dis-tribution und den Konsum medialer Pro-dukte, die Rolle der Massenmedien und der medialen Kommunikation sowie Prob-leme der Medientechnologie im Fokus; die Wirtschaftsethik versucht eine Reintegrati-on der Disziplinen Wirtschaftswissenschaf-ten und Ethik zu erreichen und unsere Vernunftkonzeption zu erweitern: Stra-tegisches, ökonomisches und effizienz-orientiertes Denken soll gemeinsam mit dialogischem, ethischem und kommuni-kativem Denken möglich sein. Wir tun das übrigens empirisch betrachtet auch, wie viele Studien der sogenannten „Ver-haltensökonomie“ zeigen. Oft sind un-sere Entscheidungsgrundlagen gar nicht die Gewinnmaximierung und der Nutzen an sich, sondern altruistische Motive, das Commitment zu gewissen Regeln und Normen oder einfach die Sinnstiftung, die die Möglichkeit demokratischer Partizipa-tion mit sich bringen kann. Die Aufgaben beider Ethiken sind demnach die Definiti-on von Normen und Regeln, die Lieferung von Begründungen, die Entwicklung von Analysetools, um ethische Dilemma-Situa-tionen aufzulösen, und die Beratung rele-vanter Player auf den Märkten.

    2. ÖKONOMISIERUNG UND KOMMERZIALISIERUNG ALS GRUNDPROBLEME DER DIGI-TALEN WELTWarum ist gerade heute eine Verbindung von Wirtschafts- und Medienethik sinn-voll? Ich möchte hier ein weit gefasstes Verständnis von Medienethik vorausset-zen, das auch Kommunikationsethik (also die Ethik interpersonaler Kommunikation) und Technologieethik (also die Ethik der IT, der Technikfolgenabschätzung und der Technologieentwicklung generell) be-inhaltet. Zumindest eine aktuelle Proble-matik legt dann eine Verbindung dieser beiden Bereichsethiken nahe. Diese kann mit den Begriffen Ökonomisierung und Kommerzialisierung bezeichnet werden und ist für viele Probleme in der digitalen Welt verantwortlich. Wir können ersteres als Durchdringung aller Lebenswelten mit ökonomischen Konzepten (Gewinnmaxi-mierung, Shareholder-Value-Orientierung, Zwang zur kurzfristigen Berichtslegung...) verstehen, letzteres als Versuch der Mone-tarisierung früher geldunabhängiger Kon-zepte (etwa die geldwerte Nutzung von persönlichen Daten, wie bei Facebook üb-lich). Viele Studien zeigen, dass wirtschaft-liche Sachzwänge nicht geringer, sondern größer geworden sind. So z.B. eine Unter-suchung im Rahmen eines EU Rahmenpro-grammprojektes (www.mediaact.eu): Im Jahr 2012 wurden 1762 Journalisten und Journalistinnen befragt, was denn Qualität am nachhaltigsten beeinflusse; eine Frage war:

    „Which context factors influence journali-stic quality?”

  • 701 2016 | OCG Journal

    Themenschwerpunkt: Fairness und Gerechtigkeit | Wirtschaftsethik in der digitalen Welt

    Man sieht auf den ersten Blick (Abb. 1), dass, neben kultur- und mediensys-temspezifischen Differenzen des Einflusses der Politik, der wirtschaftliche Druck als dominantes Problem gesehen wird. Die (wirtschaftliche) Globalisierung und die Refinanzierungskrise werden also auch in den Einstellungen von professionellen Content Produzierenden deutlich.

    Selbstverständlich führen die angespro-chenen Tendenzen der Ökonomisierung und Kommerzialisierung auch zu vielen weiteren ethischen Fragestellungen, die für Verantwortliche innerhalb der digitali-sierten Medien- und IT-Wirtschaft beson-dere Herausforderungen darstellen; ich möchte diese hier kurz umreißen:

    Für viele Stakeholder (u.a. auch KundIn-nen) sind die von Unternehmen in diesen Branchen verwendeten Geschäftsmodelle intransparent, die zugrundeliegenden Un-ternehmensstrategien nicht nachvollzieh-bar. Dies kann zu einem Vertrauensverlust führen, der in unserer auf Vertrauen auf-bauenden Wirtschaftsweise nicht wün-schenswert ist. Die Fragen, die große IT- und Medienkonzerne (Google, Facebook, Apple, Microsoft, u.v.a.m.) nicht zuletzt durch die Überwachung von Kundenver-halten und die nun mögliche Auswertung der „Big Data“ aufwerfen, sind vor allem auch ethische. Auch die nach wie vor be-stehende Ungleichheit in der Medien- und IT-Nutzung („Digital Divide“), die sich v.a. im weltweiten Vergleich unterschiedlicher Zugangsmöglichkeiten zeigt, ist ein Prob-lem, das durch die nun geplante Richtlinie zur Netzneutralität der EU nicht geringer

    wurde. Nicht zuletzt sorgen ungleiche Einkommensverteilungen und Kapitalkon-zentration, gerade durch die erwähnten Medien- und IT-Konzerne, für fragwür-dige Geschäftsaktivitäten. Dies hat die Medienökonomie und Medienethik aller-dings schon lange vorhergesagt: Eine zu-nehmende oligopolistische Konzentration kann die Meinungsvielfalt negativ beein-flussen (im Falle der Medienwirtschaft) und produkt- und preispolitische Nachteile für die Nachfrager bedingen (im Falle der IT-Unternehmen).

    3. WIRTSCHAFTSETHISCHE LÖSUNGSVORSCHLÄGEWas schlagen Wirtschafts- und Medien-ethik nun vor, um diesen Problemen entgegenzutreten? Wir haben hierfür prinzipiell drei Ebenen zur Verfügung, an denen man ansetzen kann. Auf der Systemebene sollen Anreiz- und Regel-systeme so wirken, dass Unternehmen als zentrale Organisationseinheiten der modernen Wirtschaft zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung angereizt werden. Hier kommen rechtliche, steuerliche, po-litische und diskursive Elemente ins Spiel. Viele wirtschaftsethische Ansätze, z.B. die Gerechtigkeitstheorie von John Rawls, ge-ben Hinweise auf Gestaltungsoptionen für soziale und politische Systeme hinsichtlich Gleichheit und Gerechtigkeit und sollten daher im politische Diskurs eine Rolle spie-len. Dass dies nicht illusorisch ist, zeigt das Beispiel des Amartya Sen, der mit seinem Befähigungsansatz (Capability Approach) sogar Einzug in Berechnungssysteme der UNO gefunden hat (Human Development Index).

    Auf der individuellen Ebene müssen Verantwortliche (PolitikerInnen, Mana-gerInnen, JournalistInnen, Unterneh-merInnen...) die Möglichkeit erhalten, ihr Verhalten ethisch zu reflektieren, ohne dafür als Sozialutopisten abgestempelt zu werden, was v.a. durch Aus- und Weiter-bildungsmaßnahmen erfolgen sollte. Die Curricula moderner Wirtschafts- und Me-dienausbildungen beinhalten immer öfter auch Ethik-Lehrveranstaltungen, jedoch gibt es nach wie vor zahlreiche prominen-te Ausbildungen, bei denen das nicht gilt. Überhaupt ist Ethik im Wissenschaftssek-tor zumindest organisatorisch unterreprä-sentiert, was die kaum vorhandenen Pro-fessuren und Institute (für Medienethik, Wirtschaftsethik, Technikethik) zeigen. Das an der Öst. Akademie der Wissen-schaften gerade neu gegründete IMEC (Interdisciplinary Media Ethics Center) soll diese Lücke füllen.

    Auf der organisatorischen Ebene der Un-ternehmung geht es darum, Unterneh-mensethik in den Unternehmen wirksam werden zu lassen, etwa durch selbstregu-lierende Maßnahmen wie Branchenverein-barungen oder konkrete Orte, wo Ethik Platz finden kann, etwa mittels Ethik-Ko-dizes oder Ethik-Beauftragter. Zwar gibt es Branchen mit relativ strengen (Selbst-)Re-gulierungen (wie in der Pharmabranche), doch viele Wirtschaftssektoren verlassen sich auf den Markt, um auch ethische Fragen zu lösen, was in vielerlei Hinsicht problematisch ist.

    Es bleibt also genügend Platz für weitere Diskurse über Ethik in der digitalisierten (und ökonomisierten) Welt.

    FH-Prof. Priv.-Doz. Dr. Michael Litschka ist Professor und Studien-gangsleiter an der FH St. Pölten sowie 2.

    Sprecher des neuen IMEC (Interdiscipli-nary Media Ethics Center) an der Österr. Akademie der Wissenschaften. Seine Forschung beschäftigt sich mit Wirtschaftsethik, Medienethik und Medienökonomie und ist in zahlrei-chen Publikationen erschienen.

  • 8 OCG Journal | 01 2016

    Erkenntnisse aus Informations- und Wirtschaftsethik

    von Oliver Bendel

    Unternehmens-verantwortung gegenüber der Informations- gesellschaft

    „Corporate Social Responsibility (CSR)“ kann mit „unternehmerischer Gesellschaftsverantwortung“, „unternehmerischer Sozialverantwortung“ oder einfach „Unternehmensverantwortung“ übersetzt werden. Es handelt sich um einen zentralen Begriff der Wirtschaftsethik, genauer gesagt der Unterneh-mensethik [1]. CSR ist eher ein Leitgedanke als ein Managementkonzept. Corporate Governance, um einen weiteren wichtigen Begriff in diesem Zusam-menhang zu nennen, dient als Ordnungsrahmen eines Unternehmens. Es wird Wert gelegt auf eine

  • 901 2016 | OCG Journal

    verantwortliche, kompetente und trans-parente Leitung und Steuerung. Internet- und IT-Firmen müssen, in Übereinstim-mung mit der Corporate Governance, Gesellschaftsverantwortung wahrnehmen mit Blick auf die Produktion von Gerä-ten, den Betrieb von Serverfarmen und Rechenzentren, die Datenverarbeitung, -sammlung und -verwertung sowie das Verhalten der potenziellen und aktuellen Kunden.

    CSR kann demnach terminologisch in der Wirtschaftsethik angesiedelt werden. Die-se hat die Moral der Wirtschaft zum Ge-genstand. Dabei ist der Mensch im Blick, der produziert, handelt, führt und ausführt (verschiedene Formen der Individualethik) sowie konsumiert (Konsumentenethik), und das Unternehmen, das Verantwor-tung gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Umwelt trägt (Unternehmensethik als Hauptgebiet der Institutionenethik) [2]. Ferner interessieren die moralischen Impli-kationen von Wirtschaftsprozessen und -systemen sowie von Globalisierung und Monopolisierung (Ordnungsethik). Wenn einem als Unternehmen die Wirtschafts-ethik etwas zu sagen hat und die Corpo-rate Social Responsibility nicht fremd ist, liegt auch das Compliance-Management

    nicht weit. Compliance ist die Selbstver-pflichtung, bestimmte Gesetze, Vorschrif-ten, Leit- und Richtlinien sowie moralische Kodizes und ethische Standards einzuhal-ten. Natürlich gibt es auch Organisationen, die Compliance-Management lediglich zur Schadensbegrenzung einführen.

    Heutzutage ist die Wirtschaftsethik, ins-besondere als Unternehmens- und Kon-sumentenethik, eng mit der Informati-onsethik verbunden [2]. Diese hat die Moral (in) der Informationsgesellschaft zum Gegenstand. Sie untersucht, wie wir uns, Informations- und Kommunikations-technologien (IKT) und digitale Medien anbietend und nutzend, in moralischer Hinsicht verhalten bzw. verhalten sollen. Man kann ihr Computer- und Netzethik und einen Teil der Medienethik, sozusagen die Neue-Medien-Ethik, zuordnen. In ihrer unmittelbaren Nähe ist die Technik ethik. Jede Bereichsethik muss sich mit der Infor-mationsethik verständigen, neben Wirt-schaftsethik und Technikethik etwa auch die Medizinethik oder die Militärethik. Das Ethik-Ei zeigt, ausgehend von der Informa-tionsethik, die Abhängigkeiten und Bezie-hungen auf und enthält Beispiele in den Schnittmengen (s. Abb. 1).

    BEGRIFFE DER WIRTSCHAFTS- UND DER INFORMATIONS-ETHIKEs ist ratsam, bei der Diskussion von Un-ternehmensverantwortung nicht nur Be-griffe der Wirtschafts-, sondern auch der Informationsethik anzuwenden, z.B. „in-formationelle Autonomie“, „digitaler Gra-ben“, „Informationsgerechtigkeit“ und „informationelle Notwehr“ [2]. Informa-tionelle Autonomie ist die Möglichkeit, selbstständig auf Informationen zuzugrei-fen, über die Verbreitung von eigenen Äußerungen und Abbildungen selbst zu bestimmen sowie die Daten zur eigenen Person einzusehen und gegebenenfalls anzupassen. Lassen einem Internet- und IT-Unternehmen diese Autonomie? In wel-cher Weise gebrauchen sie die Daten der Benutzer? Erstellen sie Profile? Für wen? Der digitale Graben verläuft zwischen den schwach und stark vernetzten und com-puterisierten Ländern sowie innerhalb der Informationsgesellschaft und trennt diejenigen, die Zugang zum Internet und zu Onlinediensten haben, von denjeni-gen, die ihn nicht haben oder wollen. In der Tendenz widerspricht der digitale Gra-ben dem Gerechtigkeitsprinzip. Für Rainer Kuhlen, den bekannten Informationswis-senschaftler und -ethiker, ist Gerechtigkeit ein zentrales soziales Prinzip der Ethik im Allgemeinen und der Informationsethik im Besonderen [4]. Die Informationsge-rechtigkeit bezieht sich auf den Zugang zur Information und zu IKT. Tragen die In-ternet- und IT-Konzerne zur Verbreiterung oder zur Verengung oder gar Schließung des Grabens bei? Verhelfen sie der Gesell-schaft zu mehr oder weniger Informati-onsgerechtigkeit?

    Als Konsument, Kunde und Bürger wünscht man sich, dass Betriebe verant-wortungsbewusst analysieren, konzipieren und produzieren sowie verantwortungs-voll Geräte und Programme vertreiben bzw. Dienste anbieten [2]. Die Internet- und IT-Wirtschaft beschert vielen von uns Vergnügen und Wohlstand. Wir lieben ihre Gadgets und ihre Plattformen. Wir lieben auch die Möglichkeit, an jedem Ort der Welt informiert und integriert zu sein. Wenn wir uns im Alltag und bei der Arbeit ausgeliefert und -genutzt fühlen, schlägt die Stunde der informationellen

    Themenschwerpunkt: Fairness und Gerechtigkeit | Wirtschaftsethik in der digitalen Welt

    Abb. 1: Ethik-Ei nach [3]

  • 10 OCG Journal | 01 2016

    Oliver Bendel lehrt und forscht als Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule für Wirtschaft der

    Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, mit den Schwerpunkten Wissensmanagement, Social Media, Wirtschaftsethik, Informationsethik und Maschinenethik. Er hat hunderte Fachartikel, einige Fachbuchbeiträge und mehrere Fach- und Sachbücher veröffentlicht, zudem Romane und Gedichtbände. Zuletzt ist „300 Keywords Informationsethik: Grund-wissen aus Computer-, Netz- und Neue-Medien-Ethik sowie Maschinen-ethik“ im Verlag Springer Gabler herausgekommen. Bendel betreibt die Blogs www.informationsethik.net und www.maschinenethik.net sowie die Websites www.oliverbendel.net, www.swissbooks.net und www.handyroman.net.

    Quellen:1. Bendel, Oliver. 300 Keywords Informationsethik: Grundwissen aus Computer-, Netz- und Neue-Medien-Ethik sowie Maschinenethik. Springer Gabler, Wiesbaden 2016.2. Bendel, Oliver. Unternehmensverantwortung im Informationszeitalter. In: Netzwoche, 17 (2015). S. 47.3. Bendel, Oliver. Die Medizinethik in der Informationsgesellschaft: Überlegungen zur Stellung der Informationsethik. In: Informatik-Spek-trum, 6 (2013) 36. S. 530 – 535.4. Kuhlen, Rainer. Informationsethik: Umgang mit Wissen und Informationen in elektronischen Räumen. UVK, Konstanz 2004.5. Noll, Bernd. Wirtschafts- und Unternehmensethik in der Marktwirtschaft. 2. Aufl. Kohlhammer, Stuttgart 2013.

    Notwehr. Diese entspringt dem digitalen Ungehorsam oder stellt eine eigenständi-ge Handlung im Affekt dar und dient der Wahrung der informationellen Autonomie und der digitalen Identität. Beispielswei-se reißt man Personen, die einem entge-genkommen, die Datenbrille vom Kopf, weil man aufgenommen werden könn-te, man stoppt Google-Autos, von deren Street-View-Kamera man erfasst worden ist, und fordert zur Datenlöschung auf, oder man ist als Fake in solchen sozialen Netzwerken unterwegs, die persönliche und private Daten missbrauchen. Ob bei Schäden und Verstößen mildernde Um-stände oder gar Ansprüche auf Straffrei-heit geltend zu machen sind, ist im Einzel-fall zu entscheiden.

    Als Unternehmen, das verantwortungs-bewusst oder zumindest sich bewusst ist, dass sein Verhalten von den Konsumen-ten und Kunden (und Ordnungshütern) aufmerksam wahrgenommen wird, kann man Compliance-Management betreiben. Dieses soll dabei helfen, die richtigen Re-geln zu identifizieren bzw. zu etablieren und die Regeltreue systematisch zu för-dern. Die Gesamtheit der Maßnahmen, Methoden, Modelle und Technologien bezeichnet man als Compliance-Manage-ment-System. Die Moral ist bei Compli-ance, wie angedeutet, oft nicht Zweck, sondern Mittel zum Zweck: Man will das Unternehmen bzw. die Einrichtung vor negativen Folgen schützen. Wer es ernst meint bzw. es sich leisten kann, bevorzugt den Integrity-Ansatz. Dieser soll nach Noll „nicht so sehr Fehlverhalten vermeiden, sondern moralisch verantwortungsvol-

    les Verhalten stützen“ [5]. Internet- und IT-Unternehmen sind erfahren beim Erhe-ben und Auswerten von Daten bzw. helfen anderen Firmen dabei. Ob Compliance- oder Integrity-Ansatz – Datenschutz und -sicherheit sind relevante Anliegen, wenn man im Moralischen und Wirtschaftlichen reüssieren und Interessenten und Kunden überzeugen und gewinnen will.

    CSR IM INFORMATIONSZEIT-ALTERDie Frage, was Corporate Social Respon-sibility ist, muss im Informationszeitalter und gegenüber der Informationsgesell-schaft neu beantwortet werden. Die Wirt-schaftsethik hat sich, wie gezeigt, mit der Informationsethik zusammenzuschließen. Philosophie, Betriebswirtschaftslehre und Informatik widmen sich verstärkt dem Zusammenhang zwischen Ethik und IT. In Deutschland hat man entsprechende Institute und Lehrstühle eingerichtet, und auch in der Schweiz engagiert man sich, an der Hochschule für Technik und Wirt-schaft in Chur und an der Hochschule für Wirtschaft FHNW in Olten und Brugg-Win-disch mit dem Fach Informationsethik. In Österreich haben die Kritischen Bibliothe-karinnen und Bibliothekare im Jahre 2015 eine Tagung zum Thema veranstaltet. Man darf hoffen, dass viele Hochschulen und Organisationen den Beispielen folgen und viele Unternehmen die Erkenntnisse und Ergebnisse berücksichtigen.

  • 1101 2016 | OCG Journal

    Lösungsansätze für die Herausforderungen der Digitalisierung

    von Matthias Stürmer

    Langfristig sinnvoll: Digitale Nachhaltigkeit für die vierte industrielle RevolutionEnde des 18. Jhs. veränderte die Dampfma-schine den Transportsektor, die Produktion und viele andere Bereiche der Wirtschaft grundlegend. Aufgrund der Erfindung der Spinnmaschinen konnte die Garnproduk-tion um ein Vielfaches erhöht werden, mit Wasser und Dampf konnten Webmaschi-nen betrieben werden, der Wohlstand der Bevölkerung wuchs. Gleichzeitig verloren viele Menschen ihre Jobs als SpinnerIn, WeberIn oder Färber In, es gab Proteste und Aufstände. Nach dieser ersten indus-triellen Revolution folgte mit der Elektrifi-zierung Ende des 19. Jhs. die zweite Re-volution. Wieder gewann die Gesellschaft als Ganzes an Wohlstand, aber viele Men-schen verloren ihr Einkommen. Die dritte industrielle Revolution folgte Ende des 20. Jhs. mit den Informationstechnologien. Und nur wenig später befinden wir uns bereits an der Schwelle zur vierten indus-triellen Revolution, der Vernetzung physi-scher und digitaler Systeme.

    VERÄNDERUNGEN DURCH DIE VIERTE INDUSTRIE- REVOLUTIONAuch dieses Mal gibt es zahlreiche Her-ausforderungen, wie sie jede bisherige industrielle Revolution mit sich brachte. So hart es für die Betroffenen tönen mag, viele der heutigen Jobs werden aufgrund fortschreitender Digitalisierung und Ver-netzung in den nächsten Jahrzehnten weitgehend überflüssig. KassiererIn, Taxi-fahrerIn, BuchhalterIn und kaufmännische Angestellte sind nur einige Beispiele von Berufen, die mittelfristig durch intelligente Software und Roboter-ähnliche Systeme

    abgelöst werden. Technologie-ExpertIn-nen und Software-EntwicklerInnen sind logischerweise wichtige Berufsbilder der Zukunft. Aber auch Arbeitsplätze, wo der zwischenmenschliche Kontakt zentral ist, sind weitgehend sicher.

    Mobile Technologien, intelligente Systeme oder 3-D Printing verändern dabei nicht nur vereinzelte Sektoren, sämtliche Bran-chen wandeln sich. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, lassen sich solche strukturel-len Veränderungen der Wirtschaft letztlich nicht aufhalten. Die Frage ist somit nicht ob, sondern wie wir mit der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung umgehen. Wollen wir ständig neue Produkte und Services der mächtigen Technologie-Her-steller wie Apple, Google oder Microsoft konsumieren? Oder informieren wir uns über die technischen und rechtlichen Hin-tergründe dieser Firmen-Innovationen, überlegen und entscheiden kritisch und leisten damit einen Beitrag zur nachhalti-gen Entwicklung der Digitalisierung?

    HERAUSFORDERUNGEN DER DIGITALISIERUNG UND VERNETZUNGDie letztere Option ist zwar der anstrengen-dere, jedoch sinnvollere Weg. Aber woran liegt es, dass die Nachhaltigkeit heutiger Technologien gefährdet ist? Nachfolgend vier mögliche Antworten auf diese Frage.

    1. Attraktive Innovationen von Tech-nologie-Herstellern: Das neue Apple iPhone, der clevere Google-Service oder das performante Microsoft Surface Tab-

    let sind attraktive und sicher praktische Innovationen von Großkonzernen, die aber zumindest teilweise eine zweifelhafte Nachfrage auslösen. Je attraktiver ein neu-es Gadget kurzfristig ist, umso weniger wird über dessen Nachhaltigkeit nachge-dacht. Und das ist natürlich auch ein Ziel der Technologie-Firmen, denn tatsächlich geben sie für Marketing und Sales sehr viel Geld aus – gemäß Geschäftsberichten von Microsoft, Adobe oder Apple teilweise gar doppelt soviel wie für Forschung und die Entwicklung neuer Produkte.

    2. Verschlossenes Wissen: Informati-onen und entsprechende Technologien sind heute oftmals nur organisationsintern verfügbar. Bei Unternehmen mag das Sinn machen, stellen Daten doch meistens ei-nen wesentlichen Wettbewerbsvorteil dar. Bei Behörden und öffentlichen Stellen ist es hingegen widersinnig, wenn nicht-per-sonenbezogene und nicht- sicherheitsrele-vante Daten, die mit Steuern oder Gebüh-ren finanziert wurden, der Öffentlichkeit verschlossen bleiben. Das gilt auch für Software, die von anderen Behördenstel-len ebenfalls verwendet werden könnte, wodurch der gesellschaftliche Nutzen er-höht würde.

    3. Abhängigkeiten von Technologien und Firmen: Wie erwähnt, hat die Digi-talisierung mit der dritten industriellen Revolution begonnen. Das führt dazu, dass wir heute nicht mehr auf der grünen Wiese neue Systeme einführen und Daten verarbeiten können, sondern stets mit be-reits vorhandenen Software-Plattformen

    Themenschwerpunkt: Fairness und Gerechtigkeit | Wirtschaftsethik in der digitalen Welt

  • 12 OCG Journal | 01 2016

    und Datenbeständen arbeiten müssen. So stellt sich das Problem der Abhängigkeit von Herstellern und deren Technologien. Durch die Netzwerk-Effekte bereits eta-blierter Software-Produkte arbeiten die meisten Leute heute beispielsweise mit Word-Dokumenten, die wiederum nur von Microsoft Office einwandfrei verar-beitet werden können. Oder Schnittstellen von Fachanwendungen zu umgebenden Systemen bilden weitere Abhängigkeiten von Software-Herstellern, was dazu führt, dass die NutzerInnen dem ausgeliefert sind, was die Anbieter an Neuem auf den Markt bringen – oder eben auch nicht.

    4. Collective Action Problem: Oftmals bestünde ein erhebliches gesellschaftli-ches Bedürfnis, dass beispielsweise Open Source Programme Daten, die mit propri-etärer Software erzeugt wurden, korrekt verarbeiten können. So ist es für viele An-wenderInnen ein Bedürfnis, dass LibreOf-fice, eine Alternative zu Microsoft Office, alle Word-Dateien korrekt öffnen und speichern kann. Da aber hinter LibreOffice kein milliardenschwerer Konzern steht, sondern eine heterogene Open Source Community, fehlen dort die für grosse oder mühsame Verbesserungen erforder-lichen Koordination- und Finanzierungs-möglichkeiten, wie sie einer Grossfirma zur Verfügung stehen.

    LÖSUNGSANSÄTZE FÜR MEHR DIGITALE NACHHALTIGKEITDennoch gibt es Lösungsansätze, mit de-nen die oben beschriebenen Probleme an-gegangen werden können.

    1. Mehr Digital-Kompetenz: Grundlage für die Adressierung mehrerer Herausfor-derungen ist die Programmier-Bildung, die zu mehr Kompetenz und Handlungsfrei-heit im Umgang mit Software-Code führt. Mehr Verständnis und Hintergrundwissen über die Technologien sowie die Fähigkeit, eigene Lösungen zu entwickeln, erlaubt den NutzerInnen, weniger abhängig von Firmenprodukten zu sein. Heute ist es glücklicherweise auch einfacher denn je, sich selber eine Programmiersprache bei-zubringen und basierend auf vielen vor-handenen Programmier-Bibliotheken wie beispielsweise D3.js visuell ansprechende Anwendungen zu entwickeln. So lassen

    sich Programmierkenntnisse einsetzen für die Erstellung neuer Anwendungen oder auch die Weiterentwicklung bestehender Applikationen. Zahlreiche Initiativen wie Hours of Code, CoderDojo, Scratch und weitere Plattformen ermöglichen den ra-schen Einstieg. In Österreich vernetzt zu-dem die Coding4you Plattform der OCG die verschiedenen Initiativen optimal.

    2. Freigabe von Daten als Open Data: Die Publikation von Datensätzen als so-genannte Open Data ermöglicht neue Erkenntnisse, die letztlich zu einem hö-heren Nutzen für die Gesellschaft führen. Wichtig dabei sind die verschiedenen „Open-Kriterien“, unter anderem die un-eingeschränkte Datennutzung durch eine freie Lizenz, die Maschinenlesbarkeit und das offene Format der Daten. Ausgenom-men sind personenbezogene und sicher-heitsrelevante Daten, um nicht den Daten-schutz und die öffentliche Sicherheit zu gefährden. Auch hier gibt es bereits heute zahlreiche Organisationen und Plattfor-men wie die Open Knowledge Bewegung und die zahlreichen nationalen und inter-nationalen Open Data Portale.

    3. Mehr offene Standards und Open Source Software: Die Idee freier Software ist eigentlich – in Informatiker-Jahren ge-zählt – uralt. Bereits 1984 hat Richard M. Stallman die Grundzüge frei zugänglicher Software mittels offenem Quellcode und der entsprechenden GNU General Public License entwickelt. Solche Software lässt sich beliebig einsetzen, weiterverbreiten und verändern. Um deren Nutzung zu fördern, sollten Behörden aktiv in den Wechsel von proprietären Anwendungen zu offenen Systemen investieren, so wie es beispielsweise in der Stadt München um-gesetzt wurde. Konkret stellt AlternativeTo ein Verzeichnis verschiedener Open Sour-ce Programm-Alternativen dar und auch die Opensource-DVD enthält zahlreiche praktische Programme. Und wer professi-onellen Support braucht, kann im OSS Di-rectory auf www.ossdirectory.com lokale Dienstleister für bestimmte Open Source Lösungen auffinden und sich über bereits realisierte Kundenprojekte informieren.

    4. Crowdfunding und andere Finan-ce-Plattformen: Und last but not least

    lässt sich heute besser denn je das Col-lective Action Problem überwinden. Breit gestreute Interessen können mittels Crowdfunding Kampagnen gebündelt und Lösungen ermöglicht werden. Viele Crowdfunding Plattformen wie 100 Days, Startnext oder wemakeit zeigen auf, wie erfolgreiche Kampagnen konzipiert und umgesetzt werden können. Speziell für die Weiterentwicklung von Open Source Lösungen gibt es Bountysource zur Er-gänzung fehlender Funktionalitäten. Und wenn grössere Beträge benötigt werden, kommt es immer öfters vor, dass mehrere Behörden oder andere Organisationen ge-meinsam zu sogenanntem institutionellem Crowdfunding greifen. So haben zum Bei-spiel die Schweizerische Landestopografie und weitere Behörden rund 500.000 Fran-ken zusammengelegt, um mittels Open-Layers-Weiterentwicklung das Kartenma-terial in 3D darzustellen.

    Mit diesen Antworten hat der vorliegende Beitrag aufgezeigt, dass es konstruktive Lösungsansätze bezüglich der Heraus-forderungen der Digitalisierung und Ver-netzung gibt und schon heute zahlreiche Initiativen die digitale Nachhaltigkeit der vierten Revolution fördern. Abschließend soll die folgende These zu weiteren Dis-kussionen anregen: Je offener und par-tizipativer Informationen (Daten und Software) geschaffen, weiterentwickelt und erhalten werden, desto nachhalti-ger ist das Wissen unserer Gesellschaft allen zugänglich.

    Matthias Stürmer ist Leiter der Forschungs-stelle Digitale Nachhal-tigkeit und Oberassis-tent am Institut für

    Wirtschaftsinformatik der Universität Bern. Zuvor arbeitete er bis 2013 als Manager bei EY (Ernst & Young) sowie als Projektleiter bei Liip AG. Bis 2009 doktorierte er an der ETH Zürich am Lehrstuhl für Strategisches Manage-ment und Innovation. Matthias Stürmer ist außerdem Geschäftsleiter der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit, Vorstandsmitglied der Vereine /ch/open und Opendata.ch sowie Stadtrat von Bern.

  • 1301 2016 | OCG Journal

    Themenschwerpunkt: Fairness und Gerechtigkeit | Wirtschaftsethik in der digitalen Welt

    Role of CEPIS

    von Declan Brady

    Professional Ethics in a Digital WorldThe genie is truly out of the bottle. When I first graduated, IT was something that sat in the corner of the room, flashing the occasional light accompanied by a soft background hum. Now it’s on the streets, in people’s pockets, - very much in the consumer domain; and of course we have “the cloud” – doing who knows what.

    And that, of course, spawns a wide range of different questions that we, as IT pro-fessionals, should be considering. Modern life is full of conundrums that we often feel unprepared to address. Who would have thought, only a few years ago, that we would have to worry about “unliking” people on Facebook? Who would have thought, only a few years ago, that we would have to start worrying about “di-gital property” after death? Should we be concerned at the slow but steady deper-sonalisation of the state (see Mc Dermott, 2015)? There is so much going on, and all this rapid change is outpacing the capacity of governments, and of regulators, etc. to actually deal with it from a legal perspecti-ve – let alone IT practitioners, or members of the public.

    Don Gotterbarn (speaking at the CEPIS Ethics Micro-Conference in The Hague last April) says that “being a professional requires professionalism.” What separa-tes the professional from the practitioner is the duty to consider the impact of their work on others; application of professional judgement demands that we consider the context into which an IT system is being put. Competent creation is not enough.

    Why are some professions regulated and not others? Apart from historical context,

    what generally distinguishes these profes-sions from others is the potential for the practitioner, in the course of their practice, to cause harm, either directly (e.g. through action), or indirectly (e.g. through failure to act); medicine is a prime example.

    Michael McFarland, SJ at Santa Clara Uni-versity (McFarland, 2012), refers to the “human cost of computer errors” (for which we can read, really, system errors, process errors, and so on): Incorrect data (e.g. in credit histories), incorrect or in-appropriate processing etc. – people de-nied credit, forced to change plans, denied appropriate medical care, deprived of their liberty, through errors in IT systems, or in the use of IT systems.

    This is why CEPIS is talking about Profes-sional Ethics. Ethics has, in fact, been a consideration among IT practitioners for a long time, certainly from a human per-spective (in which considerations of ethical behaviour applies to everyone), and more lately, as our IT-driven technological revo-lution drives us ever faster into areas that our natural ethical thinking has not really left us properly equipped to consider.

    What, if anything, is special about IT ethics?

    • IT‘s fundamental ubiquity?• The potential for IT issues to impact on a

    massive (global) scale?• IT‘s propensity for leading to outcomes

    that were not foreseen – let alone un-derstood?

    • The ease with which “amateurs” can practice IT?

    • The degree to which more and more things are becoming automated/cont-

    rolled/moderated by software (e.g. the “internet of things”)?

    • The ever increasing tendency for what was once in hardware to become soft-ware?

    EQUIPPING FOR IT PROFESS-IONAL ETHICSCEPIS, through its IT Professionalism Task Force, is spearheading a drive for enhan-ced professionalisation within IT. Together with IVI, the European Commission, and other partners, CEPIS has helped create an IT Professionalism Framework (see cepis.org/media/Brochure_Fostering_ICT_Pro-fession_Europe1.pdf). This framework de-fines four pillars or blocks fundamental to Professionalism in IT:

    • A Body of Knowledge• Education and Training (including CPD)• Competencies (hard and soft skills)• Professional Ethics

    The first three of these are already being reasonably well looked after within the professional community. A recent EC project drafted a basic Body of Knowled-ge, for example; the e-CF (the European e-Competency Framework) has gone a long way to identifying and describing competencies and skills for IT roles.

    Professional Ethics remains the poor relati-on. It is almost remarkable that only a tiny minority of IT programmes in colleges and universities include any formal element on Professional Ethics. And while many pro-fessional bodies and organisations have codes of ethics and of practice, people still need to be trained in ethical thinking.

  • 14 OCG Journal | 01 2016

    Some further reading:Brady, D. (2013), Professional Ethics: Pillar or Pillory? Computer Ethics: aspetti sociali ed etici della rivoluzione digitale, Centro Nexa su Internet & Societa, Politecnico di Torino, November 13, 2013. Online, Available at: http://mondodigitale.aicanet.net/2014-2/PAPERS/01_Ethics_IT_Professional_Pillar_Brady.pdfHooker, J. (2004), The Case Against Business Ethics Education: A Study in Bard Arguments, Journal of Business Ethics 1(1): 75-88, Sena-te Hall Academic Publishing. Available at: http://web.tepper.cmu.edu/jnh/paper81.pdfMc Dermott, P.A., (2015) The State will soon be able virtually to ignore its citizens, The Sunday Times (Irish Edition), April 5, 2015.McFarland SJ, M. (2012) The Human Cost of Computer Errors, [online]. Available at: http://www.scu.edu/ethics/practicing/focusareas/technology/internet/privacy/computer-errors.htmlSEE (ND) Introduction to Software Engineering Ethics, [online]. Available at: http://www.scu.edu/ethics/practicing/focusareas/technology/resources/Students.pdfVelasquez, M., Andre, C., Shanks SJ, T., and Meyer, M.J., (1996), Thinking Ethically: A Framework for Moral Decision Making, Issues in Ethics, Vol 7 No 1. Available at: http://www.scu.edu/ethics/practicing/decision/thinking.html

    Declan Brady is an IT professional of more than 30 years standing. Declan graduated with Distinction in Compu-

    ter Science from the Dublin Institute of Technology; he has M.Sc.s from Dublin City University (Computer Applications) and Maynooth University (IT Manage-ment). His career has spanned many roles and responsibilities, including software development, solution architecture, database management, IT Services and CTO.Declan is President of the Irish Com-puter Society (ICS). He represents the ICS to CEPIS, where he is Chair of the CEPIS IT Professionalism Task Force.Declan is a Fellow of the Irish Com-puter Society, a certified Data Protec-tion practitioner, and a Chartered IT Professional. He is currently working in IT Capability Improvement at [email protected]

    Part of the challenge, perhaps, is that human nature tends to care little about something until we are directly affected; much more often than not, questions of ethics typically arise only when our perso-nal sense of justice or fairness is offended; how dare Google sniff at my personal data (never mind that I didn’t encrypt it)! This makes deferring (or ignoring) the question easy (thus, of course, making it harder to address when it arises). Users also need to be conscious of the context in which an IT will be used – much like you are with a car, for example, or a power tool.

    THE ROLE OF THE PROFESSIO-NAL SOCIETYDealing with these issues is perplexing, though the approach is straightforward (see Velasquez et al., 1996). The first step is obvious, but not obviously easy – to ga-ther all the facts. Facts tell us what the si-tuation is; the second step – to tell us what ought to be – is an appeal to values. Hence the need for ethical codes – values state-ments created by professional institutions, businesses and societies to guide people through the maze of ethical perplexity. This is where professional institutions can play their strongest role in pursuing en-hanced professionalism in IT.

    An effective “code of ethics” serves a number of purposes:

    • It explains to society (consumers, custo-mers etc.) what to expect from the IT profession (for example, the Software Engineering Code of Ethics says that the first obligation is to the public [(ACM, 1999)]

    • It expresses the “conscience” of the IT profession (the set of values within which an ethical question is considered) in an objective, balanced and non-par-tisan way.

    • It guides (and also justifies) professional decision making.

    CEPISCEPIS proposes a programme promoting and supporting Professional Ethics which comprises three broad strands. First and foremost, awareness; IT practitioners and the public alike, must be made aware of the necessity for a greater understanding of, and application of, ethical skills in IT.

    Secondly, resources must be made availa-ble to assist practitioners to develop and apply ethical skills; for example, CEPIS will provide a repository of case studies, good practices, papers, educational material and so on.

    Thirdly, CEPIS will lead the development of a Professional Ethics Framework. This is intended to act as a toolkit containing what professional societies (and other bodies) need in order to create, establish, maintain and apply an ethical framework within their own communities.

    CEPIS’ multinational reach, and its coordi-nating role among European professional IT societies put it in an ideal position to address some of the fundamental ques-tions that are prompted when formalising ethics: Is IT Professional Ethics different from other ethics (in scope, in questions to be considered, in the extent of its re-ach)? Is IT Ethics different from Professio-

    nal Ethics (per se)? Is the ethics that a web designer needs to accommodate different from that of a system designer of automa-ted drones?

    In a world where anyone can code, and where anyone can create IT systems, the difference between the non-professional and the professional is based on their atti-tude to, and application of, ethics.

  • 1501 2016 | OCG Journal

    Digitale Technologien verändern die Bildungslandschaft in Afrika

    von Margarete Grimus

    Licht im dunklen Kontinent – Mobiles Lernen in GhanaBesserer Zugang zu Bildungsmöglich-keiten ist eine große Herausforderung für den wirtschaftlichen Aufschwung in Entwicklungsländern. Die schlechte Infra-struktur, Armut, mangelnde Ausstattung der Schulen und geringe digitale Kompe-tenzen der Lehrenden sind ein Hindernis für den Zugang zu aktuellem Lehrmaterial. Unterrichtsmaterialien (z. B. Bücher) sind Mangelware. Die Voraussetzungen, auch die unterschiedlichen Traditionen und Mentalitäten, sind sehr verschieden von dem, was im europäischen oder ameri-

    kanischen Raum zu erfolgversprechenden Lösungsansätzen führt.

    Um vor Ort Erfahrungen zu sammeln und neue Perspektiven für das Lernen mit mo-bilen Technologien zu entwickeln, startete im September 2012 ein Projekt in Ghana, mit dem durch ICT–Integration Lernmög-lichkeiten erprobt werden sollten. KE-TASCO ist eine öffentliche High Technical School in Keta, im Süden Ghanas, mit etwa 2000 SchülerInnen. Die meisten der Oberstufen-SchülerInnen leben am Cam-

    pus (bis zu 60 Jugendliche in einem Schlaf-Raum). Abends treffen sie sich ohne Leh-rerIn in ihren Klassen, um selbständig zu lernen. Die Schule verfügt über ein Com-puterlabor, das nur für den Fachunterricht Informatik zugänglich ist, und mit etwa 15 altgedienten und minimal gewarteten PCs ausgestattet ist. Informatik ist vorwiegend auf die verbale Beschreibung der Funktio-nalität von Computern ausgerichtet.

    Der erste dreiwöchige Workshop (Septem-ber 2012) war auf die Weiterbildung von

    IKT in der Ausbildung

  • 16 OCG Journal | 01 2016

    für das Bildungswesen. Daher stand das Thema Lernen mit mobilen Geräten im Fo-kus des zweiten und dritten Workshops. Die Entwicklung von Micro-Lerneinheiten, die den lokalen kulturellen und ethischen Bedingungen und curricularen Erforder-nissen entsprechen und mit eReader und mobilen Geräten (vorwiegend Mobiltele-fonen) genutzt werden können, bildeten den Schwerpunkt. Nach den ersten beiden Wochen des zweiten LehrerInnen-Work-shops (2013) wurde in der dritten Wo-che in Teacher-Student-Teams gearbei-tet. Die Arbeit in fächerübergreifenden Teacher-Student-Teams hat sich – nach anfänglichen Bedenken der Lehrenden – als überaus erfolgreiche erwiesen. Die Team-Konstellation (1 LehrerIn und 2 Stu-dentInnen) war im dritten Workshop (Juni 2014) daher bereits anerkannte Praxis. Gemeinsam erarbeitete Themen führten zu neuen Ideen für die Entwicklung und Gestaltung von fachspezifischen Lernse-quenzen, die dann als pdf und eBooks auf eReadern und Mobiltelefonen zur Ver-fügung standen. Die Erstellung digitaler Portfolios zur Dokumentation und Reflexi-on wurden als nützliche Unterstützung der Lernprozesse wahrgenommen. Die Lehre-rInnen-SchülerInnen-Kooperation hat sich als überaus effizient erwiesen. Die Leh-

    renden diskutierten curricular vorgegeben Themen mit den Studierenden, das daraus entstandene Lehrmaterial wird damit auch dem Wissensbedürfnis der Studierenden gerecht. Die Teams haben erlebt, wie die Fachkenntnis der Lehrenden zusammen mit den oft sehr kreativen Fragestellungen der SchülerInnen zu neuen interessanten Ergebnissen führt. Das Gelernte wird re-flektiert, gegenseitiges Feedback vertieft Wissenszusammenhänge und regt zu eigenen Formulierungen an. Eine Drop-box hat sich als geeignetes Medium zum Austausch und zur Kooperation erwiesen. (Details zum zweiten Workshop: ict4d.at/2013/11/20/keta-project-continued-se-cond-workshop-in-ghana)

    Die Interdisziplinarität der 10 teilnehmen-den Lehrenden (Mathematik, Physik, Bio-logie, Englisch, Holzbearbeitung, Kunst, Soziologie, Wirtschaft und Lebenskunde) erwies sich Im dritten Workshop als be-sonders geeignet, die nun auch in Ent-wicklungsländern immer stärker forcierten STEM (Science, Technology, Engineering, Mathematics) Aktivitäten in den neu ent-wickelten digitalen Lernsequenzen stärker zu berücksichtigen. STEM findet in den Curricula der Entwicklungsländer zuneh-mend Beachtung und ist im Zusammen-

    Lehrenden unter dem Motto Enhancing digital Literacy for Teachers ausgerichtet. Den Schwerpunkt bildeten Methoden der Unterrichtsgestaltung und Didaktik zur Integration von digitalem Lehrmate-rial. Grundlagen zur Erstellung digitaler Materialien für den Unterricht standen im Vordergrund. Dieser Workshop konfron-tierte die Teilnehmenden mit einer wenig vertrauten Praxis, da Frontalunterricht den Schulalltag dominiert. Häufige Stromaus-fälle und die äußerst sporadische Internet-verfügbarkeit erfordern eine sehr flexible Planung. Das selbständige Formulieren von Texten für Präsentationen und geringe di-gitale Grundkenntnisse stellten eine große Herausforderung für die Unterrichtenden dar. Die geplanten Ziele, Online-Material für die lokalen Bedürfnisse zu evaluieren und zu adaptieren, konnten deshalb nur marginal realisiert werden. (Details zum ersten Workshop: ict4d.at/2012/10/06/keta-project-looking-back)

    Der Fokus der beiden folgenden Work-shops war daher auf die Integration mo-bilen Lernens gerichtet. Die enormen Zuwachsraten von mobilen Netzen er-möglichen in Sub Sahara Afrika (SSA) - bei sinkenden Tarifen und der Allgegenwart von Mobiltelefonen- neue Perspektiven

    Workshop in KETASCO, Ghana (2014)

    http://ict4d.at/2013/11/20/keta-project-continued-second-workshop-in-ghanahttp://ict4d.at/2013/11/20/keta-project-continued-second-workshop-in-ghanahttp://ict4d.at/2013/11/20/keta-project-continued-second-workshop-in-ghanahttp://ict4d.at/2012/10/06/keta-project-looking-backhttp://ict4d.at/2012/10/06/keta-project-looking-back

  • 1701 2016 | OCG Journal

    IKT in der Ausbildung

    hang mit mobilem Lernen hervorragend geeignet, in Teams Erfahrungen in den Bereichen zu sammeln, die gerade dort als Humankapital für ökonomische Entwick-lung gesehen werden. Dies fördert den selbständigen Wissenserwerb, forschen-des und kooperatives Lernen im Bereich von Wissenschaft (Science), Technik und Mathematik und unterstützt die Entwick-lung von Problemlösungskompetenz. Videos zu speziellen Themenbereichen in Teams zu erstellen ist wegen der per-manenten Stromausfälle gut geeignet, die stromlosen Zeiten zu überbrücken, dies muss jedoch in einer flexiblen Unter-richtsplanung mitgedacht werden. Die in den stromlosen Phasen aufgenommenen Fotos und Video-Sequenzen werden in Lernszenarien integriert und dienen als fachspezifische Diskussionsgrundlage. Da Englisch in Ghana zwar die offizielle Spra-che (und Unterrichtssprache), jedoch nicht die Umgangssprache ist (wie in allen afri-kanischen Ländern existiert auch in Ghana eine Vielzahl von indigenen Sprachen), erweist sich das Transkribieren von Vi-deo-Interviews nicht nur inhaltlich interes-sant sondern ist auch dem Spracherwerb förderlich. Die mit den Smart-Phones auf-genommenen Videos können dann auch genutzt werden, wenn es wieder keinen

    Strom gibt. Mit mobilen Geräten (eReader und Mobiltelefone) können Inhalte kos-tengünstig verbreitet und auch bei Strom-ausfällen und ohne Kosten für das mobile Internet genutzt werden. Der im dritten Workshop von den Studierenden erstell-te Blog zeigt die Aktivitäten auf, die auch nach dem Workshop fortgesetzt werden. www.grimus.or.at/ketascomobile

    In jedem Workshop wurden von Tea-cher-Student-Teams Richtlinien für die Best Practice-Nutzung von Mobiltelefonen für das Lernen erstellt. Dies erhöht die Akzep-tanz mobiler Geräte im Schulalltag und er-möglicht bei der Aushandlung der Richtlini-en sowohl die Interessen der Lehr enden als auch die der Studierenden zu berücksich-tigen. Die in den Teacher-Student-Teams entwickelten Inhalte und Portfolios wurden von vier externen Gutachtern evaluiert. Die Ergebnisse wurden von einem Lehrer und einem Studenten gemeinsam präsentiert. Zusätzlich zu den Feedbacks im Anschluss an die Workshops erfolgte jeweils eine On-line-Befragung zu den Einstellungen und Voraussetzungen für die Integration von mobilem Lernen bzw. Lernen mit mobilen Geräten (anonym).

    Allen Teilnehmenden, die die Anforde-rungen erfüllt hatten (Micro-Lerneinhei-ten, Portfolios, Guidelines etc.) wurden Zertifikate in einer General Assembly (alle OberstufenschülerInnen, Schulleitung und Lehrpersonal) überreicht. Die besten Ar-beiten in den Kategorien Lernsequenzen, Portfolios, Best Practice Guidelines wur-den mit Preisen (Secondhand NOKIA E5-00 Mobiltelefone, Secondhand-Laptops, T-Shirts, Kappen und USB-Sticks der Öster-reichischen Computer Gesellschaft) und eReadern, ausgezeichnet.

    Ein Schüler, Noah, hat den 2. und 3. Work-shop technisch betreut und mit kreativen Ideen zu Kurskonzepten und Installationen auf den Mobiltelefonen viel zum Erfolg bei-getragen. Beim Computer Creative Wett-bewerb 2014 der Österreichischen Com-puter Gesellschaft hat er mit seiner Arbeit zum Thema Robotics einen Preis erhalten. Diesen Raspberry-Pi setzt er zum Program-mieren in der Mobile Learning Society und einer Gruppe, die sich mit Robotics beschäftigt, ein, wo die Schüler Innen selb-

    ständig in ihrer Freizeit gemeinsam neue Ideen entwickeln. Noah betreut seither als Volontär Lehrende und SchülerInnen, im Herbst 2015 begann er sein Studium der Informatik in Kumasi. Videos und Reports berichten von vielen Aktivitäten seit dem letzten Workshop. Im Sommer 2015 hat die Gruppe in einem mehrtägigen Camp mit einer Drohne die Salzgewinnung aus dem Meer erforscht und dokumentiert.

    KREATIVE SCHÜLERINNEN MOTIVIEREN UND UNTER-STÜTZEN LEHRERINNEN BEI DER INTEGRATION VON DIGI-TALEN TECHNOLOGIENDie Workshops in Ghana haben gezeigt, dass bei SchülerInnen und Lehrenden gro-ßes Interesse an neuen Lernmöglichkei-ten besteht. Mobile Geräte und mobiles Internet bieten die Chance für erweiterte Lehr- und Lernmöglichkeiten. Mit gerin-gem finanziellem Aufwand kann damit formale und informale Bildung unterstützt werden. Die Zusammenarbeit von Lehren-den und SchülerInnen bei der gemeinsa-men Entwicklung von lokalen Anforderun-gen entsprechendem Lehrmaterial hat sich als sehr effizient erwiesen. Der Austausch sowohl hinsichtlich der Lernbedürfnisse als auch der Anforderungen an die Ler-nergebnisse trug wesentlich zur Qualität des entwickelten Materials bei. In den Feedbacks wurde dieser Aspekt von allen TeilnehmerInnen als besonders positiv her-vorgehoben. Die in den Workshops erlebte Lernsituation hat auch die Einstellung zu kooperativen Lehrmethoden beeinflusst und die Entwicklung diverser Skills in unterschiedlichen Bereichen gefördert. Die drei dreiwöchige Workshops (2012, 2013 und 2014) bildeten die Grundla-ge für sich weiter entwickelnde Aktivitä-ten einer Gruppe von 16 bis 19-jährigen SchülerInnen, die sich als Mobile Learning Group formiert hat. www.facebook.com/pages/Ketasco-Mobile-Learning-Socie-ty/1657645017805778.

    Diese zur Gänze aus privaten Mitteln finan-zierte Initiative hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Die Ergebnisse der begleitenden Forschung wurden in internationalen Kon-gressen vorgestellt. Weitere Details sind den angeführten Publikationen auf der nächsten Seite zu entnehmen.

    Noah: Computer Creative Wettbewerb 2014 Preisverleihung

    http://www.facebook.com/pages/Ketasco-Mobile-Learning-Society/1657645017805778http://www.facebook.com/pages/Ketasco-Mobile-Learning-Society/1657645017805778http://www.facebook.com/pages/Ketasco-Mobile-Learning-Society/1657645017805778

  • 18 OCG Journal | 01 2016

    Publikationen zum Projekt in Ghana: Grimus, M. (2015) Mobile learning – Incorporating High School Students to Boost Education in Ghana. In: Book of Abstracts of

    eLearning Africa 2015. 10th International Conference on ICT for Development, Education & Training. Addis Ababa, Ethiopia, ICWE Berlin, Germany. Pp113-117. ISBN 978-3-941055-29-2

    Grimus, M.; Ebner, M. (2015). Learning and Teaching with Mobile Devices - An Approach in Secondary Education in Ghana. Internati-onal Journal of Mobile and Blended Learning (IJMBL). 7(2), pp. 17-32. ISBN: 978-1-4666-7706-

    Grimus, M. (2014) Mobile Phones and Gender. Chances and Challenges in Education around the World. In: Gender and Education from Different Angles. Jarecka-Zyluk, M.; Holz , O. (Eds.). LIT Verlag Berlin-Münster-Wien-Zürich-London. Reihe Gender-Diskussion, Issue 22, 2014, pp 184 – 203. ISBN 978-3-643-90519-2. Confrence Proceedings: http://www.education-and-gender.eu/edge/pdf/MOBILE_PHONES_AND_GENDER_13.pdf

    Ally, M.; Grimus, M.: Ebner, M. (2014) Preparing teachers for a mobile world, to improve access to education. Journal Article in PROS-PECTS March 2014, Volume 44, Issue 1, pp 43-59. Springer Netherlands, http://dx.doi.org/10.1007/s11125-014-9293-2; http://link.springer.com/article/10.1007/s11125-014-9293-2

    Grimus, M.; Ebner, M. (2014). Learning and Teaching with Mobile Devices - An Approach in Secondary Education in Ghana. In: Proceedings of the 10th International Conference on Mobile Learning 2014. IADIS (International Association for Development of the Information Society), Inmaculada Arnedillo Sánchez and Pedro Isaías (Eds.) pp 66-74.March 2014. ISBN: 978-989-8704-02-3 © 2014 IADIS

    Grimus, M. and Ebner, M. (2013). M-Learning in Sub Saharan Africa Context- What is it about. In. Jan Herrington et al. (Eds.), Procee-dings of World Conference on Educational Multimedia, Hypermedia and Telecommunications 2013 (pp. 2028-2033). Chesapeake, VA: AACE. Retrieved 28.10. 2013 from http://www.editlib.org/p/112251.

    Grimus, M., Ebner, M., Holzinger, A. (2013). Mobile Learning as a chance to enhance education in developing countries – in the example of Ghana. In: mLearn 2012 Conference Proceedings. Specht, M., Sharples, M., Multisittla, J. (Ed.), Helsinki, Finland, p. 340-345, ISSN 1613-073, Volume 955, http://ceur-ws.org/Vol-955/

    Dipl. Ing Margarete Grimus absolvierte während ihrer Lehrtätigkeit an der Pädagogischen

    Hochschule das Studium der Informatik an der TU Wien. Damit war die Verbindung zwischen Informatik und ihrer Tätigkeit in der Lehreraus- und Fortbildung geknüpft, die sie in zahlreichen EU-Projekten auf internati-onaler Ebene ausweitete. 2009 ging sie in Pension und engagiert sich seither ehrenamtlich im Bildungsbereich in Afrika (Nigeria, Südafrika, Mozam-bique und Ghana). In einer Vielzahl von internationalen Publikationen hat sie die Integration der ICT in die Bildungslandschaft von Sub-Sahara Ländern dokumentiert. www.grimus.or.at

    DANKSAGUNGIm dritten Workshop hat Michael Pollak, der gerade sein Informatikstudium an der TU Wien abgeschlossen hatte, viel zum Erfolg beigetragen. Ich möchte auch mei-nem Mentor, Univ. Prof. Dr. Martin Ebner von der TU Graz danken, der mir jederzeit mit Rat und Tat beisteht und mit seinen Vorschlägen eine große Unterstützung ist.

    Die von der Österreichischen Computer Gesellschaft zur Verfügung gestellten Preise (Speichermedien, T-Shirts, Kappen, Laptop und Raspberry Pi) sind eine hervor-ragende Ergänzung und haben als Preise viel Freude bereitet. Die Secondhand NO-KIA Mobiltelefone, die Freund Tom aus entsorgten Geräten zusammengestellt hat, ermöglichten im zweiten und dritten Workshop von der Schulausstattung unab-hängig mobiles Lernen zu erproben. Diese Geräte werden von den SchülerInnen wei-terhin für interessante Aktivitäten genutzt.

    Kurse zu folgenden Themen wurden ent-wickelt und als pdf und ePubs zur Ver-fügung gestellt (den Fächern bzw. Cur-riculum in Ghana entsprechend in engl. Sprache). Sie sind im Computerlab auf einem Rechner als *.doc zur Weiterent-wicklung verfügbar:

    Social Studies: Adolescence Pregnancy; Adolescence Chastity. Physics: Projectiles; Atom Physics, Basics. English Language: Nouns. ICT: Classification of Compu-ter Hardware. Business Studies: Law of Agency. Graphics and Art: Elements of Design. Chemistry: Inter Atomic Bonds. Economics: Demand. Mathematics: SET Theory. Demand and Supply (Economics); Ecology; Systems of Classification (Biolo-gy) The 12-Point Color Wheel (Art); Verb Agreement (English); Social Networking; Networking of Computers (ICT); Resistors (Physics); Textiles (Weaving); Non-Wood Materials (Woodwork).

  • 1901 2016 | OCG Journal

    IKT in der Ausbildung

    Begeisterung für MINT Fächer durch aktuelle Themen und innovative Tools

    von Gerald Steinbauer

    Vernetzungstreffen Educational Robotics in ÖsterreichWenn man sich die aktuellen Diskussion zum Thema Abbau oder Umwandlung von Arbeitsplätzen durch die Re-Indust-rialisierung Europas und den Einsatz von intelligenten Robotern vor Augen führt, ergibt sich klar die Erkenntnis, dass junge Menschen für MINT Fächer begeistert und auch entsprechend ausgebildet werden müssen. Eine Möglichkeit dies zu erreichen ist Educational Robotics: Die Unterstüt-zung von Lernen und Lehren mit Robotern oder mechatronischen Experimenten.

    In Österreich gibt es ein vielfältiges Ökosys-tem von spannenden Initiativen, die von Vereinen, Institutionen oder Organisati-onen getragen werden. Leider findet in diesem Bereich wenig Vernetzung und Ko-ordination statt, was zu einem Duplizieren von Arbeit und Angeboten und damit der Verminderung des Impacts der Initiativen führt. Die Fragmentierung der Angebote führt auch zu einer unklaren Darstellung nach Außen, was es den NutzerInnen – von Privatpersonen über Schulen bis zu den bildungspolitischen Playern – schwer macht, die Thematik breit zu absorbieren.

    Um diese Situation proaktiv anzugehen, wurde am 27.11.2015 in Kooperation mit der OCG ein eintägiger Workshop orga-nisiert. Ziel war es, die zentralen Player in Educational Robotics – von privaten Ver-einen über Schulen und akademischen Institutionen bis zu Behörden – zu ver-sammeln, um ein umfassendes Bild von den angebotenen Initiativen zu erstellen. Ferner sollte ein Meinungs- und Ideenaus-tausch zur Best Practice aber auch zu Prob-lemen und Risiken erfolgen. Abschließend sollten erste Schritte zu einer besseren Ko-ordination und Integration in die Bildungs-landschaft ausgearbeitet werden.

    Am Workshop nahmen 30 Personen von Vereinen, Schulen, akademischen Institu-tionen, Ministerien und der Industrie teil. Gestartet wurde mit vier Impulsreferaten. Diese waren so gewählt, dass sie sowohl ins Thema einführten als auch neuen In-put von anderen Initiativen boten. Zwei Referate umfassten eine Präsentation zur Situation in Österreich (Gerald Steinbauer, TU Graz) und die Sicht des Bildungsminis-teriums auf Educational Robotics (Stephan Waba, BMBF). In zwei weiteren Referaten wurden die Informatikolympiade und der Bieber der Informatik (Gerald Futschek, TU Wien) und die Initiative Technikqueen (Daniel Starke, OMV) als Best Practice vor-gestellt. Nach einer Übung zur Themen-findung, wurden die TeilnehmerInnen auf drei Mini-Workshops aufgeteilt, wo die wichtigen Themen vertiefend bearbeitet wurden. Auf Grund des Inputs waren die Themen der Miniworkshops: Vernetzung, Curricula und Finanzierung.

    Die wichtigsten Ergebnisse zur Vernet-zung waren, dass der Workshop regel-mäßig wiederholt werden soll, es einen OCG Arbeitskreis als neutralen Träger ge-ben soll und Materialien und Statistiken gesammelt werden sollen. Der zentralen Ergebnisse der Gruppe Curricula sind eine verstärkte Ausbildung von LehrerInnen („train the trainer“) und die Entwicklung von standardisieren Unterrichtsmateriali-en. Aus dem Miniworkshop Finanzierung ergaben sich die beiden zentralen Ziele, das Thema im zuständigen Ministerium stärker zu verankern und größere Sponso-ren gemeinsam anzusprechen.

    Am Ende wurde eine kurze Liste von Zie-len definiert, die realistisch in den nächs-ten 12 Monaten erreichbar sind. Zu den Zielen zählen ein Folgeworkshop gegen Ende 2016, die Anerkennung von Robo-tik-Wettbewerben als Olympiaden durch das Ministerium, die Gründung eines OCG Arbeitskreises und die Erstellung eines Mustercurriculums für Robotik-Basis-Kur-se. Der Workshop wurde von allen Teilneh-merInnen als motivierend wahrgenommen und die ersten Ziele befinden sich bereits in der Umsetzung. Zusammenfassen kann dieses erste Vernetzungstreffen als guter Schritt zur Weiterentwicklung des Themas Educational Robotics in Östereich gesehen werden.

    Gerald Steinbauer ist Assistenzprofessor am Institut für Software-technologie der Technischen Universität

    Graz und leitet dort die Arbeitsgruppe Autonome Intelligente Systeme. www.ist.tugraz.at/steinbauer

    Robotik als Motivation für MINT Fächer.

  • 20 OCG Journal | 01 2016

    Bildungspolitik und digitale Medien

    von Erich Neuwirth

    Bildungsreform, Informatik und digitale MedienAm 17. November 2015 hat eine nur aus Politikern bestehende Bildungsreform-kommission einen Bericht an den Minis-terrat vorgelegt. Der Bericht ist 18 Seiten lang und unter www.bmbf.gv.at/minis-terium/vp/2015/20151117.pdf im Web verfügbar.

    Aus der Sicht der um Informatik und di-gitale Medien bemühten Experten der Österreichischen Computer Gesellschaft ist dieses Dokument enttäuschend. Kon-kret auf dieses Thema bezieht sich nur ein einziger Absatz (im Abschnitt Bildungsin-novationspaket), in dem festgeschrieben wird, dass „bis 2020 in allen Schulen eine flächendeckende Verfügbarkeit an allen Schulstandorten mit ultraschnellem Breit-bandinternet sowie Netzwerk (WLAN oder Nachfolgetechnologie) angestrebt werden soll“.

    Man spricht also nur von technischer In-frastruktur und überhaupt nicht darüber, was diese Infrastruktur didaktisch leisten soll. In den Abschnitten über Lehreraus-bildung findet sich nichts über didaktische Kompetenz im Umgang mit digitalen Me-dien und ebenso nichts zum Thema „In-formatik als Grundlage zum Verstehen der Alltagswelt“. Eine Arbeitsgruppe der OCG hat in jüngster Vergangenheit ein Sympo-sium zu diesem Thema veranstaltet und ein Positionspapier mit entsprechenden Empfehlungen verfasst. Dieses Papier ist ebenfalls im Web verfügbar (www.ocg.at/de/ikt-ausbildung).

    Nur von der Infrastruktur und nicht über didaktische Einbettung zu sprechen kann man damit vergleichen, Klaviere in alle Klassenzimmer zu stellen, aber sich nicht darum zu kümmern, dass auch an allen

    Schulen ausreichend ausgebildete Klavier-lehrer_innen verfügbar sind.

    Um Missverständnissen vorzubeugen: na-türlich gibt es viele Lehrer_innen, die über die notwendigen Kompetenzen verfügen. Es gibt aber kein klar definiertes Minimal-programm, das alle angehenden Lehrer_innen absolvieren sollten, und daher gibt es bei den entsprechenden Kompetenzen dramatische Unterschiede.

    Wesentlich beim Umgang mit digita-len Medien ist, dass Schüler_innen diese Medien nicht nur als Konsument_innen, sondern auch als Produzierende erleben sollten. So sollten sie beispielsweise im Musikunterricht ein Musikstück mit einem Computerprogramm erstellen können. Analoge Projekte lassen sich für praktisch alle Schulgegenstände finden. Entspre-chende und ähnliche Vorgaben im Bericht zu finden wäre richtungsweisend für das österreichische Bildungswesen gewesen. Um das gut und qualitätsgesichert umzu-setzen, müsste es entsprechende Rahmen-richtlinien für alle Lehrer_innen_ausbil-dungsinstitutionen geben. Das würde aber noch nicht reichen. Das Thema „Kompe-tenz im didaktischen Umgang mit digita-len Medien“ müsste auch verpflichtend in der Lehrer_innen_fortbildung verankert werden. Die Kompetenz zur Anordnung von Fortbildungsveranstaltungen ist im Rahmen der Schulautonomie festgelegt, verpflichtende Fortbildung für alle Lehrer_innen wird im gesamten Bericht aber nicht erwähnt. Wenn man will, dass die neuen Medien auch im Bildungswesen didaktisch effizient genutzt werden, wird das aber ohne flächendeckende Fortbildung der Lehrer_innen kaum verwirklichbar sein.

    Überhaupt nicht erwähnt wird die Be-deutung der Informatik als eigenständige Disziplin. Verpflichtend sind in Österreich im allgemeinbildenden Schulwesen nur 2 Stunden Informatik in der 9. Schulstufe der AHS. In Großbritannien gibt es gerade einen neuen Lehrplan, in dem Computing schon in der Grundschule als eigenes Fach explizit vorkommt; in der aktuellen Bil-dungsdiskussion in Deutschland fordern bereits hochrangige Politiker, das Erlernen einer Programmiersprache der Wichtigkeit nach mit dem Erlernen einer Fremdspra-che gleichzustellen. Dieses Thema wird im Bericht nicht einmal gestreift.

    Aufgabe des Bildungssystems ist es doch beispielsweise, ausreichend Grundlagen zu vermitteln, die aktuelle Diskussion über Datenschutz verstehen und daran auch teilnehmen zu können. Da auch immer mehr Aspekte des Alltagslebens von in Software gegossenen Algorithmen zumin-dest beeinflusst werden (man denke Bei-spielsweise an selbstfahrende Autos), soll-ten die Grundlagen von Algorithmen und ihre Erstellung in einfachen altersgerech-ten Beispielen behandelt werden. Ebenso gibt es mittlerweile viele überzeugende schulgeeignete Materialen zur Robotik. Robotik ist deswegen wichtig, weil sie die greifbare physische Welt und die abs-trakte Welt von Algorithmen miteinander verbindet und damit unmittelbare Verbin-dung zur Erfahrungswelt der Schüler_in-nen herstellen kann. Auch die Diskussion über Pflegeroboter wird weniger abstrakt, wenn Schüler_innen in der Schule Roboter bauen und programmieren.

    Will man all das verwirklichen, dann ist wohl ein eigenes Schulfach Informatik der einfachste und effizienteste Weg.

  • 2101 2016 | OCG Journal

    Bemühungen, Entsprechendes im öster-reichischen Bildungssystem zu verankern, sind übrigen nicht neu. Schon 1985 hat eine Gruppe von Universitätslehrern (der Verfasser dieses Artikels war Mitglied dieser Gruppe) ein Programm zur ein-schlägigen Ausbildung aller Lehramts-kandidat_Innen erstellt und dem (damals noch) Unterrichtsministerium übermittelt. Ebenso wurde zur selben Zeit auch ein Curriculum für ein Lehramtsstudium Infor-matik erarbeitet. Das Lehramtsstudium In-formatik wurde aber erst 2001 eingerich-tet. Die damalige Bundesministerin meinte nämlich bis dahin, „bei Computern gäbe es nichts zu verstehen, die verwende man einfach“.

    Wenn man das didaktische Potential digi-taler Medien und die Wichtigkeit informa-tischer Konzepte im Alltagsleben bedenkt und gleichzeitig feststellt, dass der Bericht der Bildungsreform sich dieser Herausfor-derung einfach nicht stellt, dann ist dieser Bericht eine große Enttäuschung.

    IKT in der Ausbildung

    Auf Wunsch des Autors wurde mit Unterstrich gegendert.

    ao. Univ.-Prof. i.R. Dr. Erich Neuwirth war vor seinem Ruhestand Leiter des Fachdidaktik-zentrums für Informa-

    tik an der Universität Wien.Schon ab Mitte der 80er-Jahre forcierte er die Informatik- und IKT-Ausbildung für LehramtskandidatInnen.Er war Gastprofessor in den USA und in Japan und war einer der Mitinitiato-ren des Lehramtstudiums Informatik. Aus seiner ursprünglich für die Lehre entwickelten Software zur Verbindung von Excel und dem Statistik-Pro-gramm R ist mittlerweile ein von vielen internationalen Firmen eingesetztes, kommerzielles Produkt geworden. Sein Multimedia-Projekt Musikalische Stim-mungen, das Informatik, Musik und Mathematik verbindet, gewann den European Academic Software Award.

  • 22 OCG Journal | 01 2016

    Personal Fabrication – die nächste industrielle Revolution?

    von Roland Stelzer

    Maker Faire Vienna – das Festival für Technologie, Innovation und KreativitätIn den letzten Jahrzehnten hat sich un-sere Gesellschaft rasant in Richtung einer Informationsgesellschaft gewandelt. Der Personal Computer (PC) und später das Internet haben zu einer Demokratisierung von Information geführt. Rechenleistung und weltumspannende Informationsnet-ze wurden plötzlich allgemein zugänglich. Dadurch hat jetzt jeder die Möglichkeit nicht nur KonsumentIn, sondern gleichzei-tig auch ProduzentIn von Information zu sein.

    Viele sprechen aufgrund dieser Entwick-lungen bereits von der nächsten indust-riellen Revolution. Diese Veränderungen werden jedoch erst dann Wirklichkeit, wenn die Prinzipien, welche die Informa-tionstechnologie in den vergangenen drei Jahrzehnten auf den Kopf gestellt haben, auch in der Produktion materieller Güter Anwendung finden.

    Um die Chancen der bevorstehenden nächsten industriellen Revolution erken-nen und nutzen zu können, wird es not-wendig sein, Bewusstsein für diese Ent-wicklungen rund um digitales Design und digitale Fertigung zu schaffen und neue Technologien angreifbar zu machen. Die-ses Ziel verfolgt die Maker Faire, das größ-te DIY-Festival der Welt rund um Technolo-gie, Innovation und Kreativität.

    AUSPROBIEREN UND MITMA-CHEN BEI DER ERSTEN MAKER FAIRE VIENNAVon 16.-17. April 2016 trifft sich die Ma-ker-Szene zum ersten Mal in Österreich.

    Bei der ersten Maker Faire Vienna stellen Selbermacher, Kreativköpfe und Techni-kenthusiasten ihre ungewöhnlichen Ideen im Atelierhaus der Akademie der bilden-den Künste Wien vor. Die Veranstaltung bietet Makern eine ideale Plattform, ihre Projekte einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und ein direktes Feedback zu erhalten. Für viele Maker sind die Bestäti-gung und der Zuspruch für ihre Projekte der Lohn ihrer Arbeit. Zudem können sie sich hier an einem Ort mit Gleichgesinn-ten und interessierten BesucherInnen aus-tauschen und so ihr Wissen weitergeben, aber auch erweitern.

    Im Vordergrund steht das Motto „An-fassen und Ausprobieren“: Neben einer Maker-Ausstellung besteht das Programm aus interessanten Vorträgen und Work-shops, die zum Experimentieren mit Tech-nik, Basteln, Ausprobieren, Erfinden und Mitmachen animieren. Als familienfreund-liches Festival will die Maker Faire Vienna auch Kinder und Jugendliche auf kreative und spielerische Weise für Wissenschaft, Technik und den lustvollen Umgang mit Materialen und Werkzeugen begeistern. Dabei geht es nicht nur um Technik, son-dern um inspirierende und faszinierende Projekte aus den unterschiedlichsten Be-reichen: Neben Elektronik, 3D-Druck und Robotern stehen auch klassisches Hand-werk und Handarbeit auf dem Programm. „Die Veranstaltung richtet sich an alle. Man muss kein Technik-Freak sein, um bei der Maker Faire Spaß zu haben“, so die Veranstalter Karim Jafarmadar und Roland Stelzer (INNOC).

    Maker können sich noch bis 14. Februar als Aussteller anmelden, BesucherInnen können sich auch bereits im Vorverkauf Tickets für die Veranstaltung sichern.

    www.makerfairevienna.com

    Dr. Roland Stelzer machte sein Doktorat in Robotik an der De Montfort University, Leicester, UK. Er ist

    Gründer und Geschäftsführer des Happylab – Österreichs erstem Fab Lab, und Vorsitzender der Österr. Gesell-schaft für innovative Computerwissen-schaften (INNOC) und hat in dieser Funktion zahlreiche Forschungsprojekte (z.B. INTERREG IIIA, Talente Regional und Sparkling Science) konzipiert und durchgeführt. Eines davon war das „Roboat“-Projekt, im Rahmen dessen eines der weltweit führenden Robo-ter-Segelboote entwickelt wurde.

  • 2301 2016 | OCG Journal

    IKT in der Ausbildung

    Am 6. Dezember 2015 war es soweit – der Raumfrachter Cygnus brachte auf seinem Versorgungsflug u. a. zwei speziell vorbe-reitete Raspberry Pi Minicomputer auf die Raumstation ISS. Der ESA Astronaut „Ma-jor Tim“ Timothy Peake, der sich an Board um die „Astro Pis“ kümmern sollte, folgte eine gute Woche später nach – am 15. De-zember 2015 – und wird zusammen mit fünf anderen Astronauten ca. ein halbes Jahr auf der Raumstation verbringen.

    Ausgangspunkt für das Astro Pi-Projekt waren Überlegungen der britischen Raum-fahrtindustrie, die Raumfahrt in Zukunft

    in Großbritannien stärker voranzutreiben und dafür speziell die Schülerinnen und Schüler zu begeistern. Die Raspberry Pi Foundation erwies sich für dieses Vorha-ben als idealer Partner, da sich diese zum Ziel gesetzt hatte, mit der Entwicklung eines sehr kostengünstigen Einplatinen-computers, bei dem die Hardware wieder offen zugänglich und damit besser ver-stehbar ist, die informatische Bildung vo-ranzutreiben.

    Ein Raspberry Pi ist mit GPIO-Pins („Gene-ral Purpose Input/Output“) versehen, über die Sensoren und Aktoren angeschlossen und programmiert werden können. Er eig-net sich daher auch sehr gut als Einstieg in die Welt des IoT („Internet of Things“). Die Programmiersprachen Scratch und Python sind schon vorinstalliert. Mit „Minecraft Pi“ steht eine kostenlose Version des po-pulären Indie-Open-World-Spiels zur Ver-fügung.

    Zur Vorbereitung des Astro Pi-Projektes wurden in Großbritannien im Rahmen

    von Schulprojekten Ideen zur Hardware-ausstattung und verschiedenen Anwen-dungsprogrammen entwickelt. Schließ-lich wurde für den Astro Pi neben einem speziellen Gehäuse ein mit verschiedenen Sensoren, sowie einer LED Matrix und einem Joystick ausgestattete Aufsteck-platine namens „Sense HAT“ entwickelt. „HAT“ steht hier für „Hardware Attached on-Top“.

    Allein mit den Temperatur-, Feuchtigkeits- und Luftdrucksensoren lässt sich schon eine Wetterstation umsetzen. Die Werte können nicht nur gespeichert werden, sondern auch auf der LED Matrix ange-zeigt werden (zusätzlich sind verschiedene Farbeffekte möglich).

    An weiteren Sensoren befinden sich auf dem Sense HAT Board ein Winkelge-schwindigkeitssensor (Gyroskop), ein li-nearer Beschleunigungssensor (Beschleu-nigungsmesser) und ein magnetischer Sensor (Magnetometer).

    Für alle drei dieser Sensoren können die Lagewinkel (Eulersche Winkel, roll-pitch-gear angle bzw. Roll-Nick-Gier-Winkel) ausgelesen werden. Damit lässt sich die Raumorientierung in einem dreidimensio-nalen Raum bestimmen, was speziell für

    Timothy Peake mit dem Astro Pi (Copyright: ESA).

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    Mit dem Raspberry Pi in den Weltraum

    von Johann Stockinger

    Mögen die Sensoren mit Euch sein!

  • 24 OCG Journal | 01 2016

    Beobachtungen aus einer Raumstation heraus sehr wichtig ist. Man könnte sich auch überlegen, wie man diese Senso-ren für Sportanalysen einsetzen könnte, schließlich kann ein Astro Pi mit einer ex-ternen Stromversorgung sehr leicht am Körper befestigt werden.

    Die beiden Astro Pis wurden zusätzlich mit einer Pi-Kamera bestückt, wobei für einen die normale Version und für den anderen die Infrarotversion der Kamera (Pi NoIR) verwendet wurde.

    Für das Sense HAT Board wurde auch eine sehr gut dokumentierte Python-Biblio-thek bereitgestellt, sodass die Einbindung der Sensoren mit nur wenigen Zeilen Py-thon-Code in eigene Programme bewerk-stelligt werden kann.

    Folgender Python-Code ermittelt z.B. die Luftfeuchtigkeit und stellt sie auf eine Kommastelle genau alle 5 Sekunden in ro-ter Schrift in der LED Matrix dar:

    Gleichzeitig könnte man ein Data Logging durchführen und die gemessenen Werte in einem ersten Schritt in einer Textdatei im CSV-Format abspeichern. Die Auswer-tung und Visualisierung könnte dann auch mit herkömmlicher Tabellenkalkulations-software erfolgen. Auf dem Raspberry Pi selbst würde sich auch die Datenspeiche-rung in einer SQLite-Datenbank anbieten. Da sich auf dem Raspberry Pi sehr leicht ein Webserver installieren lässt, und es für die Programmiersprache Python eigene Bi-bliotheken für die Einbindung von Twitter- und E-Mail-Anwendungen gibt, könnten die gerade gemessenen Werte auch direkt kommuniziert werden.

    An Board der Raumstation ISS sorgt Tim Peake dafür, dass die aufgenommen Da-ten an die beteiligten Schulen übermittelt werden. Die Schülerinnen und Schüler können sogar ihren selbst geschriebenen Programmcode verbessern, sollten er Feh-ler enthalten sein. Eine von den Schüle-rInnen erstellte Anwendung versucht z.B. über die Messung der Luftfeuchtigkeit festzustellen, ob sich gerade ein Astronaut

    irgendwo in der Nähe befindet und fragt auf der LED Matrix nach „Are you there?“ bzw. macht ein Foto.

    Eine andere preisgekrönte Anwendung ist SpaceCRAFT, eine Python-Erweiterung, mit der die mit dem Astro Pi erfassten Um-weltdaten innerhalb der virtuellen Spiel-welt von Minecraft Pi visualisiert werden können (z.B. in Form von blockartigen Balkendiagrammen). Martin O’Hanlon, der schon zusammen mit David Whale das Buch „Adventures in Minecraft®“ über Minecraft-Programmierung mit Python verfasst hat, stellt für die Verknüpfung von Minecraft und dem Sense HAT weiteren Python-Code zur Verfügung, wie ein inter-aktives Modell des Astro Pis innerhalb von Minecraft.

    Klickt man z. B. im Modell auf einen Sen-sor, wird der aktuell außen gemessene Wert angezeigt und andererseits leuch-ten außen auf der LED Matrix auch dieje-nigen Leuchtdioden auf, auf die man im Minecraft-Modell geklickt hat.

    Links: Das Sense HAT Board für den Raspberry Pi

    Rechts: Simulation eines Astro Pi in Minecraft Pi

  • 2501 2016 | OCG Journal

    Quellen:astro-pi.orgwww.raspberrypi.org/magpi-issues/MagPi40.pdfwww.stuffaboutcode.com/2015/05/interactive-minecraft-astro-pi.htmlwww.issabove.comwww.codeclubprojects.org/en-GB/space-mission/space-age

    ISS ABOVE – DIE RAUMSTAT- ION MIT DEM FREIEN AUGE BEOBACHTEN

    Da die Raumstation auf einer 400 km über der Erdoberfläche befindlichen Umlauf-bahn die Erdoberfläche umkreist, könnte man sie auch zu bestimmten Tageszeiten mit dem freien Auge beobachten, voraus-gesetzt, man weiß, wo sie sich gerade be-findet. Dazu gibt es spezielle Webseiten, auf denen man die Umlaufbahn verfolgen kann. Aber es genügt schon ein Raspberry Pi.

    Liam Kennedy hat im Rahmen eines Kickstarter-Projekts eine Anwendung für den Raspberry Pi erstellt, die einen belie-bigen Fernsehmonitor zu einer Beobach-tungsstation macht. Dazu hat er bereits ein fertiges Image zusammengestellt, das für ca. 35 Euro erworben werden kann.

    Dr. Johann Stockinger arbeitet in der OCG in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation.

    Er entwickelt spielerisch-kreative Zugänge zu den MINT-Fächern wie z.B. im Projekt „WIZIK – Wiener Zauber-schule der Informatik“.

    IKT in der Ausbildung

    Das Besondere daran ist aber, dass die An-wendung mit verschiedenen Raspberry Pi Add-Ons („HATs“) zusammenarbeitet, so-dass man noch zusätzliche Lichteffekte zu sehen bekommt, wenn die Raumstation gerade den aktuellen Standort überquert.

    Eines der einfachsten und günstigsten Add-on Boards dafür ist PiGlow, das nur wenige Euro kostet und mit dem 18 ver-schiedene LEDs angesteuert werden kön-nen. Ein PiGlow kann auf dem Raspberry Pi auch mit Scratch programmiert werden und bietet dadurch eine einfache kosten-günstige Möglichkeit, mit der realen Au-ßenwelt in Verbindung zu treten.

    ISS Above zeigt während der sichtbaren Phase, der halben Zeit der 92-minütigen Umlaufzeit Livebilder der Erde aus dem Weltraum und eignet sich daher auch besonders gut für Schulen, Warteräume oder Lobbys.

    Das Sense Hat kann in Österreich u. a. bei www.physicalcomputing.at bezogen werden.

  • 26 OCG Journal | 01 2016

    Auf der Suche nach einer informatischen Gesamtbildung

    von Johann Stockinger

    Was ist Informatik eigentlich genau?Dieser Frage geht die Fakultät für Informa-tik an der Universität Wien auf ihrer Web-site nach und meint:

    Wir leben in einer Wissens- bzw. Informa-tionsgesellschaft, der sehr viele Informa-tionen zur Verfügung stehen. Wenn es darum geht, mittels Technologien diese In-formationen zu speichern, zu verarbeiten und auszuwerten, kommt die Informatik ins Spiel. Sie hat sich die Weiterentwick-lung und Verbesserung dieser Techno-logien als Aufgabe gesetzt. Obwohl die Informatik eine relativ junge Wissenschaft ist, ist sie sehr stark mit anderen Wissen-schaften und Bereichen verzweigt, die sie benötigen, um viele ihrer Aufgaben lösen zu können.

    Für Studierende an der Fakultät für Infor-matik würde das bedeuten:

    • Eine Wissenschaft zu erlernen• Probleme verstehen, analysieren und lö-

    sen lernen• Wissenschaftliches Denken und Arbei-

    ten lernen• Wissen und Erfahrungen sammeln• Eigenständiges, kritisches, analytisches

    Denken lernen• Sich selber managen lernen• Persönliche Entwicklung vom Konsu-

    menten zum Produzenten• Zeit und Muße zur Reflektion des Ge-

    lernten

    Das sind alles sehr interessante Kompe-tenzen, die weit über den eigentlichen Fachbereich der Informatik hinaus von Interesse sein können. Doch wie sieht die schulische Vorbereitung im Bereich Infor-matik aus?

    Im deutschsprachigen Raum herrscht auf-grund nicht klar definierter Begriffe und Mehrdeutigkeiten eine Uneinigkeit darü-ber, was unter Informatik und informati-scher Bildung zu verstehen sei.

    In der Schweiz versucht vor allem die Has-ler Stiftung diesbezüglich eine Klärung zu schaffen. Die Ergebnisse sind zum Teil schon in die neuen Lehrpläne der Schweiz eingeflossen. Paul Kleiner, Geschäftsfüh-rer der Hasler Stiftung, meint dazu in der Schriftenreihe (Januar 2014) in dem sehr empfehlenswerten Artikel „Was ist