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1 Fall 12 (LG Wiesbaden, Urt. v. 27.3.2013 – 11 O 61/12) Bei K handelt es sich um den Dachverband der deutschen Landesfachverbände des Bestattungsgewerbes. Er geht gegen B vor, einen Träger, der verschiedene Geriatriezentren in Deutschland betreibt. K fordert B zur Unterlassung folgender Praxis auf: Verstirbt ein Bewohner eines der von B betriebenen Geriatriezentren, setzt B den Angehörigen nach Feststellung des Todes durch einen Arzt eine Frist von zwei Stunden, bis zu der die Angehörigen die Überführung des Leichnams zu einem Bestattungsunternehmen organisieren können. Ist die Frist verstrichen, lässt B den Leichnam vom Bestattungsunternehmer X abholen, an den sich die Angehörigen im Folgenden wenden können. Begründet wird dies mit den beschränkten Lagerungsmöglichkeiten bei B und ihren öffentlich-rechtlichen Pflichten im Umgang mit Verstorbenen. Würden Sie als Vertreter von B die Abgabe der Unterlassungserklärung empfehlen?

Fall 12 - jura.uni-mainz.de€¦ · Aufkleber „keine Werbung“ angebracht ist. Denn diese Blätter informieren auch in journalistischer Weise. Im Zweifel ist daher § 7 Abs. 2

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Fall 12 (LG Wiesbaden, Urt. v. 27.3.2013 – 11 O 61/12) Bei K handelt es

sich um den Dachverband der deutschen Landesfachverbände des

Bestattungsgewerbes. Er geht gegen B vor, einen Träger, der

verschiedene Geriatriezentren in Deutschland betreibt. K fordert B zur

Unterlassung folgender Praxis auf: Verstirbt ein Bewohner eines der

von B betriebenen Geriatriezentren, setzt B den Angehörigen nach

Feststellung des Todes durch einen Arzt eine Frist von zwei Stunden,

bis zu der die Angehörigen die Überführung des Leichnams zu einem

Bestattungsunternehmen organisieren können. Ist die Frist verstrichen,

lässt B den Leichnam vom Bestattungsunternehmer X abholen, an den

sich die Angehörigen im Folgenden wenden können. Begründet wird

dies mit den beschränkten Lagerungsmöglichkeiten bei B und ihren

öffentlich-rechtlichen Pflichten im Umgang mit Verstorbenen.

Würden Sie als Vertreter von B die Abgabe der

Unterlassungserklärung empfehlen?

2

Fall 12 (1)

Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist

erforderlich, wenn K gegen B einen Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1

iVm. §§ 3 Abs. 2, 4a UWG bzw. § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 7 Abs. 1

Satz UWG geltend machen kann.

I. §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 2, 4a UWG

1. Aktivlegitimation

Kann hier aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG folgen.

Voraussetzungen:

a) finanzielle Leistungsfähigkeit und seriöse Binnenstruktur

sowie

b) konkrete Berührung der Interessen der Mitglieder.

Keine Angaben im SV; deshalb für weitere Prüfung unterstellt.

2. Geschäftliche Handlung nach §§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG

a) B handelt nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem

Gepflegten; vom Gesetz ausdrücklich erfasst.

b) Er fördert objektiv den Absatz des X zugunsten desjenigen der

Konkurrenten von X. Eine Förderungsabsicht ist nicht erforderlich.

Deshalb spielt auch die parallele Erfüllung öff.-rechtl. Pflichten keine

Rolle.

3

Fall 12 (2)

3. Aggressive Handlung nach § 4a UWG

a) Art der Handlung (§ 4a Abs. 1 Satz 1 UWG)

In Betracht kommen

Nr. 1 = Belästigung

Nr. 2 = Nötigung

b) Qualifikation als Rechtswidrig

(1) § 4a Abs. 2 Nr. 1 (Zeitpunkt)

(2) § 4a Abs. 2 Nr. 3 bewusste Ausnutzung konkreter

Unglückssituationen

Problem: Bewusste Ausnutzung einer Unglückssituation?

Unglückssituation (+)

Ausnutzen:

„Bewusstes“ Ausnutzen deutet auf Absicht hin.

Aber: Es geht um einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1

UWG. Dieser kennt eigentlich keine Verschuldenselemente =>

objektive Konkretisierung.

Richtlinienkonforme Auslegung nach Art. 9 lit. c UGP-RL: Dort

kein bewusstes Ausnutzen, sondern eine Unglückssituation, deren

Tragweite für die Entscheidungsfreiheit der Täter sich bewusst ist =>

kein dolus directus ersten Grades, sondern nur Kenntnis der

Drucksituation.

4

Fall 12 (3)

Wegen Art. 3 f. UGP-RL darf das deutsche Recht nicht darüber hinaus

gehen: Prinzip der Vollharmonisierung

Ferner: systematischer Bezug zu § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG:

Verhinderung einer informierten Entscheidung und Ersatz durch

eine erzwungene Entscheidung (vgl. auch Art. 8 UGP-RL).

Fallanwendung: Zwang entsteht dadurch, dass

-) die Angehörigen in einem sie persönlich sehr berührenden Moment

vor die Entscheidung gestellt werden;

-) dass für die Entscheidung, die oft über weite Distanz hinaus

getroffen wird, wenig Zeit bleibt;

-) die Angehörigen aufgrund der akuten Trauersituation oft nicht in

der Verassung sind, geschäftliche Entscheidungen zu treffen.

Problem: Ist die Zwangsausübung rechtmäßig?

Wird in § 4a Abs. 2 Nr. 5 UWG vorausgesetzt und entspricht (vgl.

Art. 9 lit. 3UGP-RL); allgemeines Problem: Die Ausübung von

Zwang als solche ist nie untersagt. Fraglich ist stets, ob die

Zwangsausübung rechtswidrig ist. (Vgl. auch §§ 123 Abs. 1 BGB,

240 StGB)

Entscheidend ist die Zweck-Mittel-Relation.

5

Fall 12 (4)

a) Zweck: Sicherstellung der Kühlung durch B und Wahrung ihrer ö-r

Pflichten.

b) Mittel: Die Frist ist sehr knapp bemessen.

c) Zwischenergebnis: Spricht eher für einen rechtswidrigen Zwang.

Problem: Erreicht der Grad der Zwangsausübung das in § 4a Abs. Nr.

2 UWG vorausgesetzte Maß bzw. ist er spürbar nach §§ 3 Abs. 2, 2

Abs. 1 Nr. 8 UWG?

Dafür spricht (noch einmal):

-) Besondere Betroffenheit der Angehörigen, die ihnen geschäftliche

Entscheidungen nicht möglich machen. Deshalb bleibt es häufig bei

der Einschaltung des X, nicht weil er das effizienteste Angebot

unterbreitet, sondern jede Umorganisation lästig ist.

-) die Frist ist besonders eng, wenn man bedenkt, dass die

Angehörigen oft weit entfernt wohnen und daher selbst nicht so

schnell reagieren können.

=> Eine spürbare Verletzung nach §§ 3 Abs. 2, 4a UWG liegt danach

vor.

4. Wiederholungsgefahr besteht; keine Verjährung.

5. Ergebnis: Der Anspruch besteht.

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Fall 12 (5)

II. § 8 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 1 TMG

1. Aktivlegitimation aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG

2. Geschäftliche Handlung iSd. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 Nr. 1

UWG.

3. Unzumutbare Belästigung?

a) Belästigung

§ 7 Abs. 1 Satz 1 TMG ist eine kleine Generalklausel, die neben § 3

UWG tritt (arg. e § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG).

Anders als etwa §§ 3, 4 Nr. 2 UWG setzt sie keinen Eingriff in die

informierte Entscheidung des Verbrauchers voraus.

Die UGP-RL ist hier nur sehr eingeschränkt anwendbar, nämlich

allein im Hinblick auf Erwägungsgrund 7 Satz 3 UGP-RL: „3Sie [die Richtlinie] bezieht sich nicht auf die gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. 4Geschäftspraktiken wie beispielsweise das Ansprechen von Personen auf der Straße zu Verkaufszwecken können in manchen Mitgliedstaaten aus kulturellen Gründen unerwünscht sein. 5Die Mitgliedstaaten sollten daher im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht in ihrem Hoheitsgebiet weiterhin Geschäftspraktiken aus Gründen der guten Sitten und des Anstands verbieten können, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen.“

! UGP-RL ist nur anwendbar, soweit aggressive

Geschäfspraktiken nach Art. 8 RL betroffen sind. Führt im

Grunde zu § 4 Nr. 2 UWG.

7

Fall 12 (6)

Problem: Was ist eine Belästigung iSd. § 7 Abs. 1 Satz 1 TMG?

Arg. e Erwägungsgrund 7 Satz 4 UGP-RL (Beispiel: Ansprechen auf

der Straße) und § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG: Vom Adressaten nicht

erwünschte geschäftliche Handlung.

Die Angehörigen werden in einer Trauersituation mit einer

absatzfördernden Maßnahme konfrontiert. Sie rechnen mit dieser nicht

und wollen diese im Zweifel in der konkreten Situation nicht =>

Belästigung.

b) Unzumutbarkeit

Erheblichkeits- und Wertungskriterium, das eine ähnliche

Funktion wie § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG übernimmt. Keine zu hohen

Anforderungen.

8

Fall 12 (7)

Maßgeblich für Unzumutbarkeit (nach Köhler/Bornkamm § 7 Rn 23

ff):

1. Intensität des Eingriffs in die Privatsphäre (arg. e § 7 Abs. 2 uWG)

2. Unverhältnismäßigkeit: Existierte eine mildere Möglichkeit des

Werbetreibenden seine Anliegen durchzusetzen.

3. Ausweichmöglichkeiten des Adressaten.

4. Summierung bzw. Wiederholung und daraus resultierende

Gesamtbelastung für den Adressaten.

Hier:

Konfrontation der Adressaten in einer in einer akuten

Trauersituation, in der man geschäftliche Handlungen idR. nicht

rational trifft.

Keine Ausweichmöglichkeit der Adressaten wegen knapp bemessener

Zeit. Damit verbunden auch hoher Druck.

=> Unzumutbarkeit

4. Wiederholungsgefahr und keine Verjährung

5. Ergebnis: Der Anspruch besteht.

9

Fall 13 (BGH WRP 2012, 938 – Aufkleber „Keine Werbung“) K und B

sind Wettbewerber auf dem Markt für die Verteilung von

Prospektwerbung. Nachdem B auf eine Abmahnung nicht reagiert hat,

geht K im Wege der einstweiligen Verfügung gegen B wegen

folgender Praxis vor: B vertreibt Werbeprospekte als lose

hinzugefügte Beilagen zu einem von ihr verlegten, zweimal

wöchentlich erscheinenden, auch einen redaktionellen Inhalt

aufweisenden Gratis-Anzeigenblatt. Dieses wird samt den Beilagen in

die Briefkästen der Haushalte in der Region eingeworfen. B lässt

dieses Anzeigenblatt auch in die Briefkästen von Kunden einwerfen,

wenn auf dem Briefkasten ein Aufkleber mit der Beschriftung „Keine

Werbung“ angebracht ist. Hat der Antrag auf Erlass der einstweiligen

Verfügung Erfolg?

10

Lösung Fall 13 (1)

Der Antrag auf einstweilige Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO hat

Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.

I. Zulässigkeit

1. Beachtung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit nach

§§ 13, 14 UWG

2. Verfügungsanspruch

K behauptet hier die Sachvoraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 8

Abs. 1 Satz 1 iVm. § 7 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG.

3. Verfügungsgrund nach § 12 Abs. 2 UWG widerleglich vermutet.

II. Begründetheit

Bestehen eines Anspruchs nach §§ 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 7 Abs. 2

Nr. 1 bzw. Abs. 1 Satz 1 TMG

1. Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG

2. Geschäftliche Handlung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 2 Abs. 1

Nr. 1 UWG (+)

3. Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG

a) Verwendung eines in Nr. 2 und 3 nicht aufgeführten Mittels

(+).

b) Für den Fernabsatz geeignetes Mittel der Kommunikation.

Vgl. § 312c Abs. 2 BGB (+)

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Lösung Fall 13 (2) c) Hartnäckige Ansprache: Hartnäckig bezieht sich auf SL Nr.

26 UGP-Richtlinie. Aus den Sprachfassungen, die in anderen

Mitgliedstaaten gelten („persistent, répété, ripertute“), folgt,

dass es um eine wiederholte Ansprache handeln muss, nicht

eine besonders intensive oder sonst aggressive.

Hier: (+)

d) Wünscht Verbraucher Werbung ausdrücklich nicht?

Systematisches Argument: § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG setzt anders

als § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG keine Wertungsmöglichkeit

voraus, so dass jede unter die Norm fallende Begehungsform

per se verboten ist.

Dann muss im Umkehrschluss der entgegenstehende Wille

des Verbrauchers ohne jeglichen Interpretationsspielraum

unmissverständlich sein.

Problem: Es bleiben Zweifel, ob Anzeigenblätter mit

redaktionellem Teil ebenfalls unerwünscht sind, wenn der

Aufkleber „keine Werbung“ angebracht ist. Denn diese

Blätter informieren auch in journalistischer Weise. Im

Zweifel ist daher § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG nicht anwendbar.

Gegenargument: Wie differenziert müssen die Aufkleber der

Briefkasteninhaber sein, welche Fälle müssen sie präzise

beschreiben, um Wirkung zu entfalten?

Beachte: auch Wesentlichkeit ist eigentlich nach der UGP-

RL erforderlich (str.).

BGH: § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG (-)

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Lösung Fall 13 (3)

4. Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG verwirklicht? Hier

dürfte es aus ähnlichen Gründen an der Unzumutbarkeit der

Belästigung fehlen.

Möglicher Gegeneinwand: Die Norm kennt anders als § 7 Abs. 2 Nr. 2

UWG eine Wertungsmöglichkeit. Deshalb gerade keine enge

Auslegung des Tatbestands, sondern Abwägung. Mglw. reicht der

Belästigungseffekt durch eine Gratiszeitung aber für Unzumutbarkeit

noch nicht aus.

Aber: Bei § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG handelt es sich um einen Tatbestand

der auf die UGP-RL zurückgeht (Nr. 26 SL UGP-RL). Deshalb wirkt

§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG vollharmonisierend. § 7 Abs. 1 UWG darf

darüber in keiner Richtung hinausgehen.

5. Ergebnis: Der Anspruch besteht nicht und der Antrag auf

einstweilige Verfügung ist unbegründet.

13

Fall 14 (BGH WRP 2013, 1027 – Werbung mit Herstellergarantie bei

eBay) K und B vertreiben beide als 7Händler Spielgeräte über das

Internet. K verlangt von B eine Abmahngebühr iHv. 1.200 € wegen

folgenden Vorgangs. B bot über die Internet-Plattform eBay am 20.

Juni 2010 ein Trampolin zum Preis von 577 € an. Das Angebot erhielt

folgende Angaben:

Garantiefristen:

Trampolinrahmen: 5 Jahre

Schutzrand, Sprungtuch und Federn: 2 Jahre

Bei der Garantie handelt es sich um eine Garantie des

Herstellers Berg Toys.

Die Garantiebedingungen finden Sie am Ende der

Artikelbeschreibung.

Am Ende der Artikelbeschreibung fanden sich die folgenden

Informationen:

Berg Toys Garantie Bedingungen im Detail für das jeweilige Produkt: BERG Favorit BERG Favorit ist mit einem breiten Schutzrand ausgestattet, der die Federn vollständig bedeckt. Das Sprungtuch besteht aus Bisonyl und bietet die Gewähr für jahrelangen Spielspaß. Die Federn sind mittels Dreiecksösen am Sprungtuch befestigt und nicht weniger als 8-mal gesteppt. Der Rahmen wurde sowohl an der Innen- als auch an der Außenseite galvanisiert und ist daher rostbeständig. Dadurch hat das Trampolin eine lange Lebensdauer. Garantiefristen: Trampolinrahmen: 5 Jahre; Schutzrand, Sprungtuch und Federn: 2 Jahre.

Besteht der Anspruch auf die Abmahngebühr?

14

§ 477 Sonderbestimmungen für Garantien

(1) Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss enthalten

1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden und

2. den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers.

(2) Der Verbraucher kann verlangen, dass ihm die Garantieerklärung in Textform mitgeteilt wird.

(3) Die Wirksamkeit der Garantieverpflichtung wird nicht dadurch berührt, dass eine der vorstehenden Anforderungen nicht erfüllt wird.

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Fall 14 (1) Anspruch des K gegen B aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auf Zahlung

von 1.200 €. Setzt voraus:

I. Berechtigung der Abmahnung

II. Erforderlichkeit der Aufwendungen

I. Berechtigung der Abmahnung

Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3 Abs. 1, 3a

UWG iVm. § 477 Abs. 1 BGB

a) Aktivlegitimation aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG

b) Geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG

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Fall 14 (2)

Fall des § 3a UWG iVm. § 477 Abs. 1 BGB?

aa) § 477 Abs. 1 BGB als Marktverhaltensnorm iSd. § 3a UWG?

(1) Unmittelbarer Zweck des § 477 Abs. 1 BGB: Form, in der der

Verkäufer seine zur Garantie führende Willenserklärung abzugeben

hat. Unmittelbarer Schutzzweck: Schutz der Verbraucher durch

Information über den wesentlichen Inhalt und die Art der Ausübung

der Garantie.

(2) Regelung auch des Marktverhaltens?

Ist der Fall, wenn das Verhalten von Unternehmern betroffen ist, die

auf das Marktgeschehen Einfluss nehmen.

Hier zu bejahen: Denn die Norm regelt auch, in welcher Form sich die

Verkäufer auf den Märkten Wettbewerb mit Garantieleistungen um

die Kunden machen dürfen

bb) Erfolgt die Regelung im Interesse der Marktteilnehmer i.S.d.

§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG?

Ja, denn sie zielt auf Verbraucherschutz.

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Fall 14 (3)

cc) Verletzung des § 477 Abs. 1 BGB?

(1) Problem: Liegt eine Garantie vor?

Auslegunsfrage nach §§ 133, 157 BGB. Dafür spricht:

- Wortlaut „Herstellergarantie“;

- Dauer von 5 Jahren; eigenständig gegenüber § 438 Abs. 1 Nr. 3

BGB.

Zwischenergebnis: Garantie liegt vor.

(2) Hinweis auf die gesetzlichen Rechte nach § 477 Abs. 1 Satz 2 Nr.

1 BGB?

Nein, zu unbestimmt, Rechtsfolgen nicht benannt.

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Fall 14 (4)

(3) Hinweis nach § 477 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB unzureichend: Wer

genau ist der Schuldner aus der Garantie? Wie ist er zu erreichen?

dd) Spürbarkeit (Wesentlichkeit) nach §§ 3 Abs. 2 iVm. 2 Abs. 1

N.r 8 UWG?

Zu bejahen, weil bei der durch B zur Verfügung gestellten

Information beim Verbraucher übertriebene Vorstellungen über den

Umfang der Garantie entstehen können, die zu einer uninformierte

Verbraucherentscheidung entgegen §§ 3 Abs. 2 iVm. 2 Abs. 1 Nr. 8

UWG führen können bzw. dazu, dass die Garantie von den

Verbrauchern gar nicht praktisch ausgeübt werden kann.

d) Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

e) Keine Verjährung nach § 11 UWG

f) Ergebnis: Der Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 2, 3a UWG

iVm. § 477 Abs. 1 BGB besteht.

2. In Betracht kommt u.U. auch ein Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, 3

Abs. 2, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG.

Problem nur hier: Die Angaben des B sind so unbestimmt, dass sich

der Verbraucher überhaupt keine Vorstellungen macht. Er wird nicht

durch konkrete Angaben in die Irre gelenkt.

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Fall 14 (5)

II. Erforderlichkeit der Aufwendungen?

Keine Angaben im SV, im Zweifel zu unterstellen. Keine Deckelung

wie nach § 97a UrhG.

III. Ergebnis: Der Anspruch ist begründet.

20

Fall 14 (5)

Zusatzfrage: (BGH WRP 2014, 1054 – Geld-zurück-Garantie) Bestünde

der Anspruch auch, wenn B seinen Kunden eine „Geld-

zurück-Garantie“ von zwei Wochen ab Vertragsschluss

anbietet?

Hier resultiert der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 3 Nr.

1, 3 Abs. 3 Nr. 10 SL.

1. Aktivlegitimation und geschäftliche Handlung liegen – wie

geprüft - vor.

2. Liegen die Voraussetzungen der Nr. 10 SL vor?

Es muss der unzutreffende Eindruck erzeugt werden,

gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des

Angebots dar.

Beim Fernabsatzvertrag nach § 312c Abs. 1 BGB besteht ein

Widerrufsrecht nach §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB, das in

14 Tagen ab Vertragsschluss ausgeübt werden kann. Darauf

bezieht sich erkennbar die „Zwei-Wochen-Garantie“.

Aus Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers (§ 3 Abs. 2

Satz 2 UWG) wird der Eindruck erweckt, das Rücktrittsrecht

beruhe auf einem besonderen Entgegenkommen des

Verkäufers. Dieser Eindruck ist unrichtig.

21

Fall 14 (5)

Problem: Muss die Werbung im Fall von Nr. 10 SL in

besonderer Weise hervorgehoben werden?

So die Berufungsinstanz.

BGH aaO. Rn. 11: Nein, dies ist nicht erforderlich, weil weder

im UWG noch in UGP-RL verlangt wird.

Bessere Begründung:

Art. 5 Abs. 5 Satz 1 UGP-RL: Eine unter die SL fallende

Geschäftspraxis ist unter allen Umständen unlauter. Vgl. den

Wortlaut des § 3 Abs. 3 UWG.

Erwägungsgrund 17 Satz 3 UGP-RL: Die SL findet „ohne

Beurteilung im Einzelfall Anwendung“.

! Jede Art von Spürbarkeit oder Erheblichkeit bzw. jede

rechtliche Erwägung ist überflüssig. Ergebnis: Der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 3,

Nr. 10 SL besteht.

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Fall 15 Fall 15 (BGH GRUR 2013, 644 – Preisrätselgewinnauslobung V) Der in Mainz ansässige Verleger B gibt die Zeitschrift „Lush Beauty“ heraus. In der Ausgabe 12/09 findet sich unter der Überschrift „Gewinnen Sie ein Epiliergerät von Braun“ folgender Text: „Der Winter setzt unserer Haut mächtig zu: Trockene Heizungsluft drinnen, klirrende Kälte draußen und der Wechsel zwischen beiden lässt die Haut leiden. Bei frostigen Temperaturen ist das körpereigene Kreatin weniger flexibel, mit der Folge, dass die Haut schnell spannt. Darüber hinaus trocknet Kälte sie zusätzlich aus, was zu Irritationen und Juckreiz führen kann. So kommt der Wasserhaushalt aus der Balance und verlangsamt den natürlichen Erneuerungsprozess der Haut. Ein Grund, warum Experten im Winter eine äußerst sanfte Haarentfernungsmethode empfehlen. Der Silk-épil Xpressive Wet&Dry von Braun ist dafür ideal, denn er bietet die sanfteste und hautschonendste Epilation, die es je von Braun gab. Sein Geheimnis ist die Anwendung unter Wasser, denn warmes Wasser wirkt entspannend und beruhigend, das Gefühl auf der Haut wird besser und das Zupfempfinden nimmt merklich ab.“ Die darunter abgedruckte Preisfrage lautet: „Was ist das Geheimnis

des Silk-épil Xpressive Wet&Dry?“ Die ausgelobten Epiliergerät

wurden B vom Hersteller Braun zur Verfügung gestellt.

K, ein konkurrierender Verleger, beantragt sofort eine einstweilige

Verfügung beim zuständigen Landgericht. B möchte wissen, ob es

sinnvoll ist, in diesem Verfahren eine Anerkenntniserklärung

abzugeben. Er weißt Sie auf § 13 Landesmediengesetz von

Rheinland-Pfalz hin, und zwar insbesondere auf folgende Norm hin: Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen. Hat diejenige Person, die ein periodisches Druckwerk verlegt oder für den Anzeigenteil verantwortlich ist, für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten, gefordert oder sich versprechen lassen, so ist diese Veröffentlichung, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, deutlich mit dem Wort „Anzeige“ zu bezeichnen.

23

24

Lösung Fall 15 (1) Eine Anerkenntniserklärung nach § 93 ZPO kann von B die

Kostentragungspflicht abwenden, wenn

(A.) der Antrag des K auf einstweilige Verfügung zulässig und

begründet ist und

(B.) der B keine Veranlassung zu diesem Antrag gegeben hat.

A. Erfolg des Antrags auf einstweilige Verfügung

I. Zulässigkeit

1. Zuständigkeit

a) Sachlich das LG nach § 13 UWG.

b) Räumlich das LG Mainz nach § 14 Abs. 1 Satz 1 bzw. auch Abs. 2

Satz 1 UWG.

2. Behauptung von Verfügungsansprüchen. In Betracht kommen

grundsätzlich:

-) § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3 Abs. 3, Nr. 11 SL UWG;

-) § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3 Abs. 2, 5a Abs. 6 UWG;

-) § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 3 Abs. 1, 3a UWG iVm. § 13

LMedienG (vom BGH nicht geprüft)

3. Verfügungsgrund: nach § 12 Abs. 2 UWG widerleglich vermutet

25

Lösung Fall 15 (2) II. Begründetheit

1. Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3 Abs. 3, SL Nr. 11

UWG

(Grund für den Vorrang: Per-Se-Verbot aus § 3 Abs. 3 iVm. Nr. 11 SL geht § 5a Abs. 6 UWG vor, der Wertungselemente wie die Erheblichkeit nach § 3 Abs. 1 UWG voraussetzt; BGH setzt allerdings auch Schwerpunkt bei § 5a Abs. 6 UWG (bzw. der Vorläufernorm § 4 Nr. 3 UWG aF; vgl. Rn. 16).

a) Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG

b) Geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (+)

c) Unlauterkeit nach § 3 Abs. 3 UWG

Verstoß gegen Nr. 11 SL?

aa) Liegt ein redaktioneller Inhalt iSd. Norm vor?

Redaktionelle Inhalte = Berichterstattung von allgemeinem Interesse.

Problem: Hier ging es um ein Preisrätsel, das ein Verlag im Wege

der Eigenwerbung lanciert, um das Publikum auf sich aufmerksam

zu machen. Das Preisrätsel stellt keinen typischen redaktionellen

Inhalt dar, sondern bedeutet – wenn es wie hier vom Verleger selbst

stammt – Eigenwerbung.

Frage: Fällt auch das drittfinanzierte Preisrätsel unter Nr. 11 SL?

26

Lösung Fall 15 (2)

Beachte: Die Tatbestände der SL enthalten per se-Verbote, die nicht

durch den Rechtsanwender über ihren unmittelbaren

Anwendungsbereich ausgedehnt werden dürfen (Art. 5 Abs. 5 Satz 2

UGP-RL). Daher wohl Analogieverbot (noch nicht hrr geklärt!).

Ausschlaggebend ist daher nicht allein der Zweck der Nr. 11 SL,

sondern der äußerste Sinn des Wortlauts! (Hinweis: Im Vorjahr

wurde der Fall an dieser Stelle noch großzügiger beurteilt).

Zweck: Es geht um den Wert der Informationsquelle für den

Verbraucher bei seiner informierten Entscheidung nach §§ 3 Abs. 2, 2

Abs. 1 Nr. 8 UWG. Einer von interessierter Seite finanzierten

Berichterstattung über Produkte schenkt der Verbraucher geringere

Beachtung (BGH Rn. 16). An uninteressierten Werturteilen und

Tatsachenbehauptungen orientiert er sich hingegen stärker bzw. lässt

sie eher auf sich einwirken.

! Gemessen an diesem Schutzzweck stellt auch ein Preisrätsel

einen redaktionellen Inhalt dar. Grund: Da der Leser von

Eigenwerbung des Verlegers ausgeht, schenkt er den Aussagen

über das Produkt selbst größere Aufmerksamkeit, als wenn er

wüsste, dass der Inhalt vom Hersteller des Produktes beeinflusst

wird (BGH Rn. 17).

27

Lösung Fall 15 (3)

bb) Aber: Entspricht dieses Verständnis noch dem Wortsinn

„redaktionelle Inhalte“ von SL Nr. 11?

Wohl zu verneinen!

(BGH prüft vorrangig § 5a Abs. 6 UWG und sieht SL Nr. 11 als

(bestärkende) Parallelvorschrift, etwa Rn. 16).

e) Ergebnis: Der Anspruch besteht nicht.

2. Anspruch aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 2, 5a Abs. 6 UWG.

a) Sperrung der Norm durch das Prinzip der Vollharmonisierung im

Umkehrschluss aus Nr. 11 SL?

Nein: Beide Normen regeln unterschiedliche Fälle, einmal

journalistische Tätigkeit und ein anderes Mal die schlichte

Verschleierung des Werbecharakters.

=> Nr. 11 SL enthält im Umkehrschluss keinen Freibrief für getarnte

Werbung.

b) Geschäftliche Handlung (+)

c) Kommerzieller Zweck nicht aus dem Umständen erkennbar?

Problem: Preisrätsel ist erkennbar Eigenwerbung des Verlegers.

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Fall 15 (4) Aber: Hier ist nicht erkennbar, dass tatsächlich keine Eigenwerbung

vorliegt. Werbung des Herstellers für das eigene Gerät misst der Leser

noch weniger Bedeutung bei, als Eigenwerbung des Verlegers für die

eigene Zeitschrift, bei der das vom Hersteller produzierte Gerät

herausgestellt wird.

! Die Art des kommerziellen Zwecks wird hier nicht kenntlich

gemacht.

! § 5a Abs. 6 UWG schützt aber im Hinblick auf §§ 3 Abs. 2, 2

Abs. 1 Nr. 8 UWG die informierte Verbraucherentscheidung

insoweit, als der Verbraucher den Wert der Informationsquelle

zuverlässigkeit beurteilen können soll.

d) Diesen Zusammenhang macht B nicht kenntlich iSd. § 5a Abs. 6

UWG.

e) Eignung, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu

veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (=

Erheblichkeitsschwelle eigener Art; vgl. Spürbarkeit).

(BGH Rn. 26): Zu bejahen, weil die Aussagen über den ausgelobten

Rasierer für den Verbraucher nicht erkennbar von interessieter Seite

stammen; daher gefahr, dass sich Verbraucher bei seiner

Nachfrageentscheidung auf die Einschätzung des B verlässt.

d) Wiederholungsgefahr besteht und keine Verjährung

e) Ergebnis: Der Anspruch besteht.

29

Lösung Fall 15 (5) III. Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3 Abs. 1, 3a UWG

iVm. § 13 LMedienG

1. 3a UWG

a) § 13 LMedienG als Marktverhaltensregel iSd. § 3a UWG?

aa) Kommt auch ein Landesgesetz als Marktverhaltensnorm in

Betracht (Köhler/Bornkamm § 4 Rn.11.123a)?

Zweck des § 3a UWG: Jede gesetzliche Regelung die das Verhalten

der Unternehmer regelt, die den Markt beherrschen, kommt in

Betracht, weil kein Vorsprung durch Rechtsbruch entstehen darf.

bb) Regelt die Norm das Marktverhalten?

(1) Bezweckt unmittelbar nur den Schutz der Presse als Institut der

Pressefreiheit vor Einflussnahme durch externe Finanziers, die die

Meinungsäußerung des Verlegers in ihrem Sinne beeinflussen und

damit die Pluralität der Meinungen gefährden.

(2) Aber: Norm bezieht sich auch auf das Verhalten der Konkurrenten

auf dem Markt, weil hier Grenzen für die Werbung durch externe

Hersteller in Zeitungen und für die Werbung durch deren

Verleger gesetzt werden.

30

Lösung Fall 15 (6)

cc) Auch im Interesse der übrigen Marktteilnehmer (§ 2 Abs. 1

Nr. 2 UWG)?

Interesse der konkurrierenden Zeitungsverleger, finanziellen

Einflüssen Dritter nicht nachgeben zu müssen, weil dies andere

Verleger auch tun und sich dadurch einen Vorsprung verschaffen.

dd) Verletzung des § 13 LMedienG (+)

ee) Spürbarkeit nach § 3a UWG: problematische Vorbildfunktion.

daher (+)

ff) Keine Berührungspunkte mit Art. 4 UGP-RL, da ganz anderes

Schutzgut als Art. 3 I UGP-RL.

c) Ergebnis: Anspruch aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 3a UWG

iVm. § 10 LPresseG besteht.

B. Veranlassung nach § 93 ZPO?

Das Anerkenntnis bringt B nichts, wenn er bereits Veranlassung zum

Antrag auf einstweilige Verfügung gegeben hat. Dazu muss er sich

gegenüber dem materiellen Anspruch des K bereits verteidigt haben

Dies ist hier nicht der Fall. Ein sofortiges Anerkenntnis mit der

Rechtsfolge des § 93 ZPO ist daher noch möglich.

C. Ergebnis: Zu einem sofortigen Anerkenntnis ist B zu raten.

31

Fall 16 – Amazon (BGH 23.7.2015 – I ZR 83/14 (Juris)) Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (K) geht gegen den Internethandler Amazon (B) wegen folgenden Vorgangs vor. B verkauft über die Website www.amazon.de preisgebundene Bücher. Über das von B betziebene "Trade-in-Programm" können Kunden der B gebrauchte Bücher andienen. Bei einer um die Jahreswende 2011/2012 durchgeführten Werbeaktion erhielten Kunden, die mindestens zwei Bücher gleichzeitig zum Ankauf eingereicht hatten, zusätzlich zum Ankaufspreis einen Gutschein über 5 Euro auf ihrem Kundenkonto gutgeschrieben. Dieser Gutschein konnte zum Erwerb beliebiger Produkte, also auch für den Kauf neuer Bücher eingesetzt werden. K mahnt B entsprechend ab. Wie sollte B reagieren? Auszug aus dem Buchpreisbindungsgesetz § 3 Preisbindung Wer gewerbs- oder geschäftsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft, muss den nach § 5 festgesetzten Preis einhalten. Dies gilt nicht für den Verkauf gebrauchter Bücher. § 5 Preisfestsetzung (1) Wer Bücher verlegt oder importiert, ist verpflichtet, einen Preis einschließlich Umsatzsteuer (Endpreis) für die Ausgabe eines Buches für den Verkauf an Letztabnehmer festzusetzen und in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für Änderungen des Endpreises.

32

Lösung Fall 16 (1) B sollte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben,

wenn K ein Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 3a

UWG iVm. § 3 BuchPrG zusteht.

I. Aktivlegitimation von K

§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG: wobei für die weitere Prüfung

unterstellt wird, dass die Seriositätsschwelle überschritten ist.

II. Geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (+)

III. Unlauterkeit

1. Voraussetzungen des § 3a UWG

a) § 3a BuchPrG als Marktverhaltensnorm.

aa) Unmittelbarer Zweck des § 3 BuchPrG

Die Norm soll den Verlegern eine Mischfinanzierung

ermöglichen. Aus den Einnahmen von gut verkäuflichen

Titeln soll der Verlag von kulturell wertvollen Werken

finanziert werden. Ziel: Breites, nicht nur von kommerziellen

Interessen gelenktes Buchangebot (§ 1 BuchPrG).

33

Lösung Fall 16 (2)

Kritik: Über die konkrete Verwendung der Mittel durch die

Verleger besteht keine Kontrolle. Jedoch:

Wirtschaftspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, der

nach dem GG einen wirtschaftspolitischen

Gestaltungsspielraum hat.

bb) Regelt die Norm auch das Marktverhalten?

Ja, denn aus ihr geht hervor, wie die Buchhändler Bücher

anbieten und verkaufen müssen. Die Norm hat unmittelbaren

Marktbezug.

2. Erfolgt die Norm auch im Interesse der Marktteilnehmer?

Hier: Schutz von Anbietern von Waren, nämlich Verlegern.

3. Verletzung der Norm?

§ 3 BuchPrG:

a) B als gewerbs- oder geschäftsmäßig tätiger Verkäufer

von Bücher an Letztabnehmer

34

Lösung Fall 16 (3)

b) Problem: Hält B den nach § 5 festgesetzten Preis ein?

Problem: Verlangt B den vollen oder einen reduzierten Preis.

Ausgangspunkt = Schutzzweck der Norm: Könnten

unentgeltlich emittierte Gutscheine auf diese Weise

angerechnet werden, wäre die Preisbindung durch formale

Gestaltung zu unterlaufen (erinnert an die funktionale

Auslegung der Kartelltatbestände).

Entscheidend daher: Die Gutscheine werden nicht gegen ein

Entgelt an die Kunden ausgegeben (Geschenkgutschein) und

stellen auch keine Gegenleistung von Amazon für eine andere

Leistung dar.

! Wirtschaftlich wirkt ihre Anrechnung so, als reduziere

Amazon den Buchpreis gegenüber dem Kunden

! Dass Gutscheinausgabe und Buchverkauf zwei

unterschiedliche Geschäfte darstellen, macht keinen

Unterschied, da B nicht durch formale Gestaltung § 3

BuchPrG umgehen darf.

35

Lösung Fall 16 (4)

! Differenzbetrachtung: Entscheidend für die Einhaltung

des § 3 BuchPrG kommt es darauf an, dass in das

Vermögen des Händlers ein Vermögenswert i.H.

Buchpreises eingegangen sein muss.

Vorliegend hat B § 3 BuchPrG verletzt

4. Spürbarkeit nach § 3a UWG?

B als bedeutender Buchhändler. Die Gestaltung regt zur

Nachahmung durch andere an => (+)

5. Ergebnis: Verletzung des § 3a UWG

IV. Wiederholungsbefahr (§ 8 Abs 1 Satz 1 UWG) und keine

Verjährung (§ 11 Abs. 1 UWG).

V. Ergebnis

B sollte die strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben.

36

Fall 17 (OLG Hamm MMR 2012, 170 – Abmahnretour) Internetanbieter B

hat 25 Konkurrenten durch seinen Rechtsanwalt abmahnen lassen,

weil diese Fernabsatzwiderrufsbelehrungen verwendeten, die den

Anforderungen des BGB nicht genügten. Darauf sammelt

Rechtsanwalt R 6 dieser Konkurrenten (K1 bis K6), die nun B wegen

einer auf dessen Homepage verwendeter, fehlerhafter

Fernabsatzwiderrufsbelehrung abmahnen. B verweigert den

Aufwendungsersatz für die Abmahnungen unter Hinweis auf § 8 Abs.

4 UWG.

37

Fall 17 (1) Anspruch von K1 bis K6 gegen B aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG

I. Bestehen eines Unterlassungsanspruchs aus § 3 Abs. 1 iVm. § 3a

UWG iVm. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB

1. Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG

2. Geschäftliche Handlung des B nach §§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1

UWG

3. Verstoß gegen § 3a UWG

a) Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB auch dazu bestimmt das

Marktverhalten zu regeln?

aa) Bezweckt unmittelbar den Schutz der Verbraucher. Diese sollen

über die Existenz und die Voraussetzungen der Ausübung des

Fernabsatzwiderrufsrechts belehrt werden.

bb) Zu Umsetzung dieses Zwecks regelt die Norm aber auch das

Verhalten der Fernabsatzbieter beim Angebot von Waren oder

Dienstleistungen auf ihren Websites.

b) Erfolgt die Regelung im Interesse der Marktteilnehmer (§ 2 Abs.

1 Nr. 2 UWG): Ja; denn die Norm dient dem Verbraucherschutz.

c) Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB wurde laut SV verletzt.

38

Fall 17 (2) d) Spürbarkeit nach § 3a UWG: Wegen negativen Einflusses auf die

Ausübung des Widerrufsrechts durch die Verbraucher zu bejahen.

4. Wiederholungsgefahr und keine Verjährung.

5. Ergebnis: Der Unterlassungsanspruch besteht.

II. Ausschluss der Geltendmachung (§ 8 Abs. 4 UWG)

Missbrauch = die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs zielt

auf sachfremde, d.h. nicht am Marktordnungsgedanken orientierte

Zwecke, wie den vorrangigen Ersatz von Abmahnkosten oder die

alleinige Schädigung des anderen.

(1) Hier: Kostenbelastungsinteresse = Interesse, den

Anspruchsgegner mit hohen Kosten Nachteile zuzufügen.

(2) Mehrfachabmahnung derselben Tat ist zur Rechtsdurchsetzung

nicht erforderlich, um die Einhaltung des Marktordnungsrechts zu

wahren. Für den Betroffenen ist sie indes mit einem hohen

Kostenrisiko verbunden.

(3) Mehrfachabmahnung ist nicht bereits als solche verboten,

sondern kann sich zufällig ergeben. Die Koordinierung der

Mehrfachabmahnung macht den zentralen Schwerpunkt der

Vorwerfbarkeit aus. Liegt vor, wenn alle denselben Rechtsanwalt

beauftragen und daher wenigstens nach § 166 BGB jeweils von dem

Auftrag der anderen wissen.

(4) Fehlen eines Sachgrundes für die Koordinierung.

39

Fall 17 (3)

III. Ergebnis

Der Anspruch aus §§ 3 Abs. 1, 3a iVm. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1

EGBGB liegt in seinen materiellen Voraussetzungen vor. Er kann

jedoch nach § 8 Abs. 4 UWG nicht durchgesetzt werden.

Deshalb besteht auch kein Anspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

40

Fall 18 (BGH GRUR 2013, 421 – Pharmazeutische Beratung über Call-

Center) Bei K handelt es sich um die Zentrale zur Bekämpfung

unlauteren Wettbewerbs e.V. Sie geht gegenüber B vor, einer in den

Niederlanden ansässigen Gesellschaft, die Inhaberin einer

niederländischen Apothekenbetriebserlaubnis ist. B betreibt an ihrem

Unternehmenssitz eine Präsenzapotheke sowie - auf der Grundlage

einer von der zuständigen niederländischen Stelle erteilten Erlaubnis -

den Versandhandel mit Arzneimitteln nach Deutschland. K hat B

vergeblich abgemahnt, weil diese im April 2008 in diversen in

deutscher Sprache gehaltenen Werbepublikationen keinen Hinweis auf

ihre Eigenschaft als niederländische Versandapotheke gegeben hatte,

sondern auf ihrer Homepage eine Versandadresse in Aachen genannt

hatte. Zur pharmazeutischen Beratung der deutschen Verbraucher

setzt B im Übrigen eine Telefon-Hotline ein, deren Benutzung den

Anrufer 14 Cent/Minute kostet. Eine Abmahnung der K gegenüber B

war erfolglos. Hat eine Klage vor dem LG Mainz Aussicht auf Erfolg?

§ 17 Abs. 2a Satz 2 Apothekenbetriebsordnung. Die Versendung darf nicht erfolgen, wenn zur sicheren Anwendung des Arzneimittels ein Informations- oder Beratungsbedarf besteht, der auf einem anderen Wege als einer persönlichen Information oder Beratung durch einen Apotheker nicht erfolgen kann. § 20 Apothekenbetriebsordnung. Information und Beratung (1) Der Apothekenleiter muss im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems sicherstellen, dass Patienten und andere Kunden sowie die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen hinreichend über Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte informiert und beraten werden. Die Verpflichtung zur Information und Beratung über Arzneimittel muss durch Apotheker der Apotheke ausgeübt werden...

41

Überblick – Internationaler Anwendungsbereich des UWG

1. Stufe: Internationale Zuständigkeit

Frage: Ist ein deutsches Gericht für den Fall zuständig?

Richtet sich nach Art. 7 Nr. 2 EuGVO: Handlungs- oder Erfolgsort

2. Stufe: Internationales Privatrecht

Frage: Muss das international zuständige Gericht (1. Stufe) deutsches

UWG anwenden oder eine andere Rechtsordnung?

Richtet sich nach Art. 6 Rom II-VO: Marktortregel

3. Stufe: Herkunftslandprinzip nach dem TMG (betrifft nur

Internetfälle)

Frage: Wenn deutsches UWG anwendbar ist, dürfen dessen

Rechtsfolgen über die des Herkunftslandrechts des Internetproviders

(hier: Niederlands) hinausgehen?

Richtet sich nach § 3 Abs. 2 bis 5 TMG

42

Überblick Normen (1) Stufe 1: Internationale Zuständigkeit

Art 7 Nr. 2 EuGVVO: Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines

Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn

wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten

Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung

den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das

schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

Stufe 2: Internationales Privatrecht

Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO (1) Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus

unlauterem �Wettbewerbsverhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, in

dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen

der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich

beeinträchtigt werden.

(2) Beeinträchtigt ein unlauteres Wettbewerbsverhalten ausschließlich die

Interessen eines bestimmten Wettbewerbers, ist Artikel 4 anwendbar. [Art. 4

Rom II-VO = Recht am Ort des Schadenseintritts, Erfolgsort]

...

(4) Von dem nach diesem Artikel anzuwendenden Recht kann nicht durch eine

Vereinbarung gemäß Artikel 14 abgewichen werden.

43

Überblick Normen (2) 3. Herkunftslandprinzip

§ 3 TMG: (2) Der freie Dienstleistungsverkehr von Telemedien, die

in der Bundesrepublik Deutschland von Diensteanbietern

geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden, die in einem anderen

Staat innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinien 2000/31/EG und

89/552/EWG niedergelassen sind, wird nicht eingeschränkt. Absatz 5

bleibt unberührt.

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für

1. die Tätigkeit von Notaren sowie von Angehörigen anderer

Berufe, soweit diese ebenfalls hoheitlich tätig sind,

2. die Vertretung von Mandanten und die Wahrnehmung ihrer

Interessen vor Gericht,

3. die Zulässigkeit nicht angeforderter kommerzieller

Kommunikationen durch elektronische Post,

4. Gewinnspiele mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz

bei Glücksspielen, einschließlich Lotterien und Wetten,

5. die Anforderungen an Verteildienste,

6. das Urheberrecht, verwandte Schutzrechte...

7. die Ausgabe elektronischen Geldes durch Institute...

8. Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die dem Kartellrecht

unterliegen,

9. (Versicherungsrecht)

44

Überblick Normen (3) (5) Das Angebot und die Erbringung von Telemedien durch einen

Diensteanbieter, der in einem anderen Staat im Geltungsbereich der

Richtlinien 2000/31/EG [e-Commerce-RL] oder 89/552/EWG

[Fernseh-RL] niedergelassen ist, unterliegen abweichend von Absatz 2

den Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts, soweit dieses dem

Schutz

1. der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere im

Hinblick auf die Verhütung, Ermittlung, Aufklärung, Verfolgung

und Vollstreckung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten,

2. der öffentlichen Gesundheit,

3. der Interessen der Verbraucher, einschließlich des Schutzes

von Anlegern,

vor Beeinträchtigungen oder ernsthaften und schwerwiegenden

Gefahren dient und die auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts

in Betracht kommenden Maßnahmen in einem angemessenen

Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen...

45

Fall 18 (1) Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet

ist.

I. Zulässigkeit

1. Internationale Zuständigkeit des LG Mainz nach Art. 7 Nr. 2

EuGVVO

B müsste ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben. Bei

juristischen Personen ist dies vorrangig der Satzungssitz (= Sitz, der

im Gesellschaftsvertrag (Satzung) bestimmt ist; Art. 63 Abs. 1 lit. a

EuGVO); hier unbekannt; deshalb nach Art. 63 Abs. 1 lit. b EuGVO:

Ort Hauptverwaltung = Niederlande).

Zuständig ist dann das Gericht des Ortes, an dem das schädigende

Ereignis eingetreten ist: Handlungs- und Erfolgsort wählbar. Hier

Erfolgsort liegt (auch) in Mainz, weil dort Apotheken betroffen sind.

2. Örtliche Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG, wenn B

keine inländische Niederlassung und keinen Aufenthaltsort hat. Hier

zu unterstellen.

3. Sachlich ist das LG nach § 13 UWG zuständig.

II. Begründetheit

1. Internationale Anwendbarkeit des UWG

Nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO: das Recht des betroffenen Marktortes.

Hier: Deutschland.

46

Fall 18 (2)

2. Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 5 Abs.

1 Satz 2 Nr. 3 UWG iVm.

a) Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

b) Geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (+)

c) Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 3 Abs. 1, 5

Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG

aa) Tatbestandsvoraussetzungen

(1) Problem: Hat B die Behauptung aufgestellt, ein deutsches

Unternehmen zu sein?

Maßgeblich ist der Horizont des durchschnittlichen Verbrauchers (§ 3

Abs. 4 Satz 1 UWG).

Danach wird nicht behauptet, ein deutsches Unternehmen zu sein,

aber in Aachen eine deutsche Niederlassung zu unterhalten.

47

Fall 18 (3)

(2) Behauptung entspricht nicht der Wahrheit. Die Aachener

Adresse bezeichnet nicht Räumlichkeiten, in denen der

Geschäftsbetrieb der B durchgeführt wird, sondern nur eine

Postadresse.

(3) Problem: Spürbarkeit des Irrtums (BGH nach § 5 bzw. richtig

Wesentlichkeit/Spürbarkeit nach § 3 Abs. 2 iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 8

UWG im Rahmen einer Gesamtabwägung

a) Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU (Art. 56 AEUV)

b) Aber: Unterschied, ob Medikamente in Deutschland oder

im Ausland bestellt werden. Bei Leistungsstörungen ist der

Partner nicht in gleicher Weise greifbar.

d) Einschränkung der Rechtsfolge nach § 3 Abs. 2 TMG

(Herkunftslandprinzip). Darf B nach niederländischem Recht so

vorgehen?

Dagegen:

1. Die Genehmigung nach niederländischem Recht umfasst nicht das

Recht zu irreführender Werbung im Ausland.

2. Auch in den Niederlanden gilt aufgrund von Art. 5 Abs. 1 lit. f

UGP-RL ein dem § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG vergleichbarer

Tatbestand.

Hinweis: § 3 Abs. 5 Nr. 3 TMG liegt mangels schwerer Gefahren eher

nicht vor.

48

Fall 18 (4)

bb) Wiederholungsgefahr und keine Verjährung.

cc) Ergebnis: Der Anspruch besteht.

49

Prüfung eines Verstoßes gegen § 3a UWG

1. Regelt die Norm (auch) das Marktverhalten?

Der Begriff „Marktverhalten“ bezeichnet das Verhalten von

Unternehmern, das auf das Marktgeschehen einwirkt.

a) Worin liegt der unmittelbare Zweck der Regelung?

b) Regelt sie auch das Verhalten der unternehmerisch

organisierten Anbieter und Nachfrage auf dem Markt?

Nicht, wenn es um den Zugang zum Markt geht

(Produktionsvorschriften) oder um allgemeine Pflichten ohne

Marktbezug (Steuerrecht).

2. Erfolgt die Regelung auch im Interesse der Marktbeteiligten

nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG (auch Verbraucher)

3. Ist die Norm selbst verletzt worden?

4. Spürbare Interessenbeeinträchtigung von Verrauchern, sonstigen

Marktbeteiligten oder Mitbewerbern nach § 3a UWG.

50

Fall 18 (3)

e) Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3 Abs. 1,

3a UWG iVm. §§ 17 Abs. 2a Satz 2, 20 Abs. 1 ApBetrO

Problem: Handelt es sich bei beiden Normen um verletzte

Marktverhaltensnormen iSd. § 4 Nr. 11 UWG.

aa) Unmittelbarer Zweck = Beratung der Kunden über die

Wirkungsweise und die Nebenwirkungen von Arzneimitteln.

bb) Normen regeln auch das Verhalten von Apothekern auf dem

Markt.

cc) Normen ergehen im Interesse von Marktbeteiligten, nämlich der

Verbraucher nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG.

dd) Verletzung der §§ 17 Abs. 2a Satz 2, 20 ApBetrO durch

Entgeltlichkeit der Beratung

" Aus § 17 Abs. 2a Satz 2 ApBetrO geht hervor, dass es sich um

eine gesetzliche Pflicht handelt, die dem Apotheker unmittelbar

zum Schutz der Kunden obliegt. Deren Erfüllung kann nicht

an ein Entgelt geknüpft werden. Ähnlich für § 20 Abs. 1

ApBetrO.

51

Fall 18 (4)

ee) Spürbare Interessenbeeinträchtigung nach § 3a UWG? Gefahr,

dass Kunde eine gesundheitsrelevante Information aus Kostengründen

nicht einholt, weil Kosten prohibitv wirken

Problem: § 3 Abs. 2 TMG (Herkunftslandprinzip).

Ist B eine entgeltspflichtige Beratung nach niederländischem Recht

erlaubt und muss daher auch bei der Anwendung des § 3a UWG

hingenommen werden?

Frage kann wegen § 3 Abs. 5 Nr. 2 TMG dahingestellt bleiben. Wird

nicht regelmäßig über die Wirkungsweise beraten, entstehen

unmittelbar schwere Gesundheitsgefahren für die Verbraucher

bb) Wiederholungsgefahr und keine Verjährung.

cc) Unterlassungsanspruch besteht.

e) Ergebnis. Beide Unterlassungsanträge bestehen.

III. Ergebnis Die Klage ist zulässig und begründet.

52

Fall 19 – Falltext (1) (LG Frankfurt, Beschluss v. 25.8.2014 – 2-03 O 321/14-Uber

und LG Frankfurt, Urteil v. 18.3.2015– 3/8 O 136/14-Uber):

Die Uber, Inc. (San Francisco) hat eine Handy-App

entwickelt, die Privatkunden und Kfz-Fahrer für

Beförderungen zusammenbringt. Ihre Tochter Uber B.V., mit

Sitz in den Niederlanden (U), betreibt das Deutschland-

Geschäft. Ihr Geschäftsmodell funktioniert so: Private Fahrer,

die sämtlich über keine Genehmigung zum Betrieb eines Taxis

verfügen, registrieren sich bei U über das Internet. Der Kunde

hingegen installiert eine Uber-App und gibt beim

Registrierungsvorgang eine Kreditkartennummer an. Ruft der

Kunde die App auf, wird ihm der nächste verfügbare Uber-

Fahrer angezeigt. Erteilt der Kunde darauf einen

Beförderungsauftrag, wird dieser über den in den

Niederlanden befindlichen Server der U zum Mobiltelefon

dieses Fahrers geleitet. Nimmt der Fahrer den Auftrag an,

ermöglicht die App eine telefonische Kontaktaufnahme

zwischen Kunde und Fahrer. Der Kunde zahlt den Fahrer nicht

in Bar, sondern rechnet mit U über die Kreditkarte ab. U

behält dabei gegenüber dem Fahrer 20 % des Fahrpreises ein.

Die Fahrpreise selbst gibt U den Uber-Fahrern vor. Bereits im

April 2014 wurde durch die Presse bekannt, dass Uber an der

53

Fall 19 – Falltext (2)

Implementierung dieses Systems im Raum Frankfurt arbeitet.

Seit Anfang Juli 2014 hat das Uber-Netz seine Tätigkeit

aufgenommen.

Taxifahrer T aus Frankfurt stellt am 1.8.2014 Antrag auf

einstweilige Verfügung und verweist auf

§ 49 Abs. 4 Personenbeförderungsgesetz. Die Vorschrift erlaubt die Beförderung in sog. Mietwagen. Zur Erklärung: Ebenso, wie ein Privatmann ein Kfz mieten darf, darf er sich ein Kfz mit Fahrer mieten. Dabei gelten jedoch folgende Besonderheiten und Abgrenzungskriterien gegenüber dem Taxigewerbe: § 49 Abs. 4 PBefG: 1Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen nach § 47 sind. 2Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. 3Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrages erhalten.

54

Fall 19 – Falltext (3)

Beachte schließlich:

§ 2 Genehmigungspflicht

(1) Wer im Sinne des § 1 Abs. 1

1. mit Straßenbahnen, 2. mit Obussen, 3. mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr (§§ 42 und 43) oder 4. mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr (§ 46)

Personen befördert, muß im Besitz einer Genehmigung sein.

Hinweis: Zum Gelegenheitsverkehr zählen nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 PBefG der Verkehr mit Taxen (dazu noch § 47 PBefG).

In den AGB, die U gegenüber den Fahrern stellt, heißt es:

„Der Beförderungsanbieter stellt sicher, dass er seine Verpflichtungen nach § 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG erfüllt.“ Hat der Antrag auf einstweilige Verfügung Aussicht auf

Erfolg?

55

Lösung Fall 19: Uber (1)

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (§§ 935,

940 ZPO) hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und

begründet ist.

I. Zulässigkeit

1. Internationale Zuständigkeit

Art. 7 Nr. 2 EuGVVO: das Gericht des Ortes, an dem das

schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht:

Handlungs- oder Erfolgsort, hier: zumindest Erfolgsort liegt in

Frankfurt.

2. Örtliche Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG in

Frankfurt.

3. Sachlich nach § 13 UWG das Landgericht.

4. Behauptung eines Verfügungsanspruchs

Problem: Ist auch deutsches Sachrecht anwendbar? Richtet

sich nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO: Marktortregel. Hier

betrifft die Praxis von U den Taximarkt in Frankfurt =>

Deutsches Recht ist anwendbar. Daher:

§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 3a UWG iVm. § 49 Abs. 4 Satz 3

PBefG.

56

Lösung Fall 19: Uber (2)

5. Verfügungsgrund

Wird nach § 12 Abs. 2 UWG widerleglich vermutet.

Problem: Hier gelingt aber U u.U. die Widerlegung der

Vermutung, weil T mglw. zu lange mit dem Antrag gewartet

hat.

Sog. dringlichkeitsschädliches Verhalten: Es kommt auf die

Zeitspanne zwischen der Kenntniserlangung von der

(bevorstehenden) UWG-Tat und der Antragstellung an.

Antragstellung im August 2014.

Problem: Wann beginnt die Frist für ein

dringlichkeitsschädliches Verhalten zu laufen? Bereits

anlässlich öffentlich geführte Diskussion über den Marktstart

von U im April 2014 oder anlässlich der tatsächlichen

Aufnahme der Geschäftstätigkeit von U im Juli 2014.

LG Frankfurt: Verneint im Ergebnis die Dringlichkeit (keine

klare Argumentation).

57

Lösung Fall 19: Uber (3)

Mögliches systematisches Argument:

Wegen § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG muss sich T bei

Erstbegehungsgefahr bereits gegen die drohende

Zuwiderhandlung wehren. Deshalb war im April bereits

abzusehen, dass ein U-System in Frankfurt als deutscher

Großstadt implementiert werden würde (M.E. zweifelhaft, da

noch keine klare Absicht von U hinsichtlich Frankfurt

bekannt).

Drei Monate Zuwartens ab diesem Zeitpunkt waren aber zu

lang. entspricht: Hälfte der Verjährungsfrist des § 11 UWG!

Zwischenergebnis: Es besteht kein Verfügungsgrund.

Hinweis: Eine andere Betrachtungsweise ist vertretbar.

6. Ergebnis: Der Antrag ist unzulässig.

58

Prüfung eines Verstoßes gegen § 3a UWG

1. Regelt die Norm (auch) das Marktverhalten?

Der Begriff „Marktverhalten“ bezeichnet das Verhalten von

Unternehmern, das auf das Marktgeschehen einwirkt.

a) Worin liegt der unmittelbare Zweck der Regelung?

b) Regelt sie auch das Verhalten der unternehmerisch

organisierten Anbieter und Nachfrage auf dem Markt?

Nicht, wenn es um den Zugang zum Markt geht

(Produktionsvorschriften) oder um allgemeine Pflichten ohne

Marktbezug (Steuerrecht).

2. Erfolgt die Regelung auch im Interesse der Marktbeteiligten

nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG (auch Verbraucher)

3. Ist die Norm selbst verletzt worden?

4. Spürbare Interessenbeeinträchtigung von Verrauchern, sonstigen

Marktbeteiligten oder Mitbewerbern nach § 3a UWG.

59

Lösung Fall 19: Uber (4)

II. Hilfsgutachten: Begründetheit eines Anspruchs aus § 8

Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 3a UWG iVm. § 49 Abs. 4 Satz 3

PBefG.

1. Aktivlegitimation des T nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG

2. Geschäftliche Handlung von U nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG

(+)

3. Voraussetzungen des § 3a UWG

a) § 49 Abs. 4 PBefG als Marktverhaltensregel?

aa) Zweck: Verhinderung der Umgehung der

Genehmigungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 PbefG und der

damit verbundenen Zuverlässigkeitsprüfung.

bb) Regelt aber auch das Verhalten der Anbieter entgeltlicher

Personenbeförderungen auf dem Markt.

b) Regel besteht im Interesse anderer Marktbeteiligter?

Ja, schützt vor allem die Fahrgäste vor unzuverlässigen

Fahrern (Alkoholiker, Diebe usw.).

60

Lösung Fall 19: Uber (5)

c) Problem: Verletzung des § 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG durch

U?

aa) Der Mietfahrer muss nach Ausführung seiner Fahrt an den

Betriebssitz zurückkehren, weil er Fahrten nur vom Betrieb

aus ausführen darf (vgl. auch S. 2).

bb) Nahe liegt jedoch Gefahr, dass sich dies für U-Fahrer

nicht lohnt (Benzinkosten, weite Strecke zum nächsten

Einsatzort), ungünstige Ausgangslage des Betriebssitzes.

Gefahr, dass U-Fahrer Norm verletzen

cc) Problem: Die Rechtsverletzung begeht Uber nicht

selbst, sondern sie droht von den Fahrern.

Denkbar: § 830 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 BGB: Teilnahme

von U an der rechtswidrigen Tat der Fahrer mit

Beteiligungsvorsatz. Die Gefahr einer Normverletzung ist

von U erkannt (siehe AGB) und wird aber billigend in Kauf

genommen, um das Geschäftsmodell betreiben zu können.

61

Lösung Fall 19: Uber (6)

Denn es werden keine wirksamen Gegenmaßnahmen

getroffen:

a) Angabe eines Betriebssitzes des Fahrers, von dem allein

Fahrten ausgeführt werden dürfen.

b) Vertragsstrafen usw.

Alternative Begründung der Zurechnung der Verstöße gegen

§ 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG:

U kann auch ohne Verschulden auf eine sog

Erfolgsabwendungspflicht haften (Teil der

Störerverantwortlichkeit im weiteren Sinne: grundlegend BGH

MMR 2007, 634 – Jugendgefährdende Medien bei eBay), weil U

einerseits das Risiko einer Verletzung des § 49 Abs. 4 Satz 3

PBefG durch Dritte in spezifischer Weise erhöht

(Einschaltung und Vernetzung der U-Fahrer) und andererseits

keine wirksamen Maßnahmen gegen die Normverletzung

ergreift: Regelung in AGB reicht jedenfalls nicht.

Zwischenergebnis: Verletzung des § 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG

ist U grundsätzlich zurechenbar.

62

Lösung Fall 19: Uber (7)

dd) Herkunftslandprinzip nach § 3 Abs. 2 TMG

U hat ihren Sitz in der EU (Niederlande) und erbringt

Telemedienleistungen (Internetdienstleistungen).

§ 3 Abs. 2 TMG: U darf nach deutschem Recht nicht weiter

in ihrer Wettbewerbsfreiheit eingeschränkt werden als nach

niederländischem (Herkunftslandprinzip).

Regelung des niederländischen Personenbeförderungsrechts

ist nicht bekannt.

Aber: Mglw. § 3 Abs. 5 Nr. 1 (Öffentliche Sicherheit) und Nr.

3 (Verbraucherschutz) TMG. Keine unkontrollierte dauerhafte

Personenbeförderung durch unzuverlässige Personen.

=> Regelung ist verhältnismäßig und daher erlaubt.

d) Spürbarkeit wegen massiver Eingriffe auf den Markt und

Sicherheitsgefährdung der Verbraucher nach § 3a UWG zu

bejahen. 4. Ergebnis: Der Anspruch ist begründet.

63

Fall 20

(BGH NJW 2006, 2627-Probeabonnement) Z ist

Zeitschriftenhändler und geht gegen V, den Verleger der Zeitschrift

„stern“ vor. Anfang 2002 veröffentlichte V nämlich eine Werbung für

ein Probeabonnement der Wochenzeitschrift „stern“ mit folgendem

Werbetext: „13x stern testen, über 40% sparen“. Zum Preis von 19 €

(ca. 1,46 € pro Heft) konnten Interessenten ein Abonnement über

dreizehn Hefte erwerben sowie ein Werbegeschenk erhalten („Bodum

Kaffeebereiter“ oder eine Armbanduhr). Die Zeitschrift „stern“ wird

im Einzelverkauf zu einem gebundenen Preis von 2,50 €, im

Abonnement zum Preis von 2,30 € pro Heft verkauft. Z verlangt

Unterlassung dieser Werbeaktion. Zu Recht?

64

Fall 20 (1) I. Unterlassungsanspruch des Z gegen V aus § 8 Abs. 1 S. 1 iVm. §§ 3

Abs. 1, 3a UWG iVm. § 30 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 3 Nr. 1 GWB?

1. Aktivlegitimation aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG?

Problem: Ist Z Mitbewerber iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG? Er ist kein

Wettbewerber zu V, sondern konkurriert nur mit den anderen von V

belieferten Händlern.

Beachte:

(1) Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG: „mit einem“.

(2) Arg. e § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG: In Eigeninteressen berührt.

=> Z ist hier Mitbewerber

2. Geschäftliche Handlung nach §§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (+)

3. Wettbewerbsverstoß nach §§ 3 Abs. 1, 3a UWG

Problem: Unterfällt ein Verstoß gegen eine GWB-Norm § 3a UWG?

65

Fall 20 (2)

Nein,

- weil die kartellrechtliche Aktivlegitimation in § 33 GWB

spezieller geregelt ist und

- im vorliegenden Fall § 30 Abs. 3 Nr. 1 GWB auch nur eine

Ermächtigungsgrundlage für die Kartellbehörde, nicht aber eine

Verbotsnorm. darstellt

4. Ergebnis: Der Anspruch ist nicht begründet.

II. Unterlassungsanspruch aus §§ 33 Abs. 1 S. 1 iVm. 19 Abs. 2

Nr. 1 zweite Variante und Abs. 3 GWB (Diskriminierungsverbot)

1. Adressateneigenschaft des V

V ist als Preisbinder nach § 30 Abs. 1 GWB Adressat des

Diskriminierungsverbots nach § 19 Abs. 3 Satz 2 GWB

2. Z ist ebenfalls ein Unternehmen.

3. Diskriminierung ohne sachlichen Grund nach § 19 Abs. 2 Nr. 1

zweite Variante GWB?

Theorie der beweglichen Schranken

Diskriminierungskriterium: Vertriebsform – Beim Abonnement durch

V werden günstigere Konditionen eingeräumt als beim Ladenverkauf

einzelner Hefte über Z

- Recht des Verlegers, den Vertrieb seiner Zeitung nach eigenen

Vorstellungen zu gestalten.

66

Fall 20 (3)

- Aber: Durch die Preisbindung wird Handlungsmöglichkeit der

Händler stark eingeschränkt => Rücksichtnahmepflicht des

Verlegers wegen eingeschränkter Handlungsmöglichkeit

- Gegeneinwand: Die Aktion des V bezieht sich allein auf den

Abonnementsektor (eigener Markt?). Großes Interesse des V am

Aufbau längerfristiger Lieferbeziehungen; deshalb

Förderungsbemühungen gerechtfertigt.

Ergebnis: Keine Diskriminierung.

4. Ergebnis: Ein Unterlassungsanspruch des Z besteht nicht

67

Fall 20a (BGHZ 177, 150 – Kommunalversicherer): K und B sind beide als

Konkurrenten im Sachversicherungsgeschäft tätig. K verlangt von B

Unterlassung des Abschlusses von Versicherungen mit der

öffentlichen Hand, wenn diese die Schwelle des § 2 Nr. 2 VgV

übersteigen. Bei B handelt es sich um einen Versicherungsverein auf

Gegenseitigkeit (VVaG). Nach § 15 VAG handelt es sich beim VVaG

um einen Verein i.S.d. §§ 21 ff. BGB, der die Versicherung seiner

Mitglieder nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit betreibt. Dies

bedeutet: Die (regelmäßig denselben Risiken unterworfenen)

Mitglieder zahlen Beiträge und erhalten im Gegenzug

Versicherungsschutz bezüglich bestimmter Risiken. Nach § 2 der

Satzung besteht der Zweck von B darin, seinen Mitgliedern

Sachversicherungsschutz zu gewähren. Nach § 4 der Satzung können

Mitglieder des B öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten

sowie wirtschaftliche Vereine werden, an denen die öffentliche Hand

einen Anteil von mindestens 50% des Kapitals hält. Nachdem B die

Abmahnung der K zurückgewiesen hat, verlangt K vor dem

Landgericht am Ort der Niederlassung der B Unterlassung im Wege

der einstweiligen Verfügung. Ist diese zulässig und begründet?

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Fall 20a (1) A. Zulässigkeit

1. Örtliche Zuständigkeit: Problem: Richtet sich diese nach § 14

UWG oder nach der Zuständigkeit der Vergabekammer nach § 104

Abs. 2 GWB?

Wortlaut des § 104 Abs. 2 GWB: Betrifft nur Ansprüche gegen den

öffentlichen Auftraggeber (öffA) nicht gegen den Auftragnehmer.

Vorliegend ist aber an einen Unterlassungsanspruch aus § 3a UWG

i.V.m. den §§ 97 ff. GWB zu denken.

=> Zuständigkeit nach § 14 UWG.

2. Sachliche Zuständigkeit nach § 13 UWG.

3. Sicherungsanspruch nach § 3a UWG i.V.m. den § 101 Abs. 7 GWB

4. Sicherungsgrund nach § 12 Abs. 2 UWG widerleglich vermutet.

B. Begründetheit

In Betracht kommt ein wettbewerbswidriges Verhalten nach §§ 8 Abs.

1 Satz 1 iVm. §§ 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. § 101 Abs. 7 GWB.

1. Problem: Sperre dieser Ansprüche durch § 104 Abs. 2 GWB?

Nein: Vergaberecht kennt keine Norm wie § 33 GWB, die

Aktivlegitimation abschließend regelt.

69

Fall 20a (2)

2. Problem: § 101 Abs. 7 GWB als Marktverhaltensregeln i.S.d. § 3a

UWG?

a) Marktverhaltensnormen

aa) Unmittelbarer Zweck = Wirtschaftliche Verwendung der

öffentlichen Mittel und Erschließung von wettbewerblich noch nicht

voll entwickelten Märkten für die Prinzipien des freien Wettbewerbs.

bb) Die Normen regeln aber auch das Verhalten der Bieter und der

Auftraggeber am Markt, nämlich im Hinblick auf die Art und Weise,

wie Verträge geschlossen werden.

b) Bezwecken sie auch den Schutz von Marktbeteiligten nach § 2

Abs. 1 Nr. 2 UWG?

Arg. e § 97 Abs. 7 GWB schützen sie unmittelbar die einzelnen

Bieter.

c) Verletzung des § 101 Abs. 7 GWB

Norm regelt, dass ein öffentlicher Auftraggeber (§ 98 GWB) einen

öffentlichen Auftrag (§ 99 GWB) im offenen Verfahren (§ 101 Abs. 2

GWB) ausschreiben muss, wenn die Schwellenwerte des § 100 GWB

überschritten sind.

Problem: V ist kein öffentlicher Auftraggeber, sondern veranlasst u.U.

öffentliche Auftraggeber dazu, gegen § 101 Abs. 7 GWB zu

verstoßen. Ein solcher Verstoß ist ihr aber mglw. nach § 830 Abs. 1

Satz 1 und Abs. 2 GWB zurechenbar.

70

Fall 20a (3)

Setzt voraus:

1. Verstoß der öffAG gegen die §§ 97 ff. GWB

2. Beihilfehandlung von nach § 830 II BGB mit Gehilfenvorsatz

1. Verstoß gegen die § 101 Abs. 7 GWB.

(1) Mitgliedschaft bei V richtet sich an öffentliche Auftraggeber nach

§ 98 Nr. 1 bis 3 GWB.

(2) Handelt es sich um öffentliche Aufträge nach § 99 I GWB?

Problem: Kein Unterschied zwischen Auftraggeber und

Auftragnehmer: sog. Inhouse-Problematik.

Voraussetzungen eine erlaubtten Inhouse-Geschäfts:

(aa) Kontrolle des öff. AG über den Auftragnehmer wie über eine

eigene Dienststelle.

(bb) Kontrollierter Träger muss seine Tätigkeit im Wesentlichen für

die öffentliche Körperschaft erbringen, die ihn kontrolliert.

Beachte: Auch eine mehr als 50%ige Beteiligung garantiert nicht, dass

V wie eine Dienststelle geführt werden kann. Insbesondere nimmt V

keine Anweisungen der Träger widerspruchslos entgegen. Vielmehr

muss über eine Satzungsänderung hinsichtlich der

Versicherungsbedingungen mit größerer Mehrheit Einigkeit erbracht

werden. Umgehungsgefahr!

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Fall 20a (4)

2. Beihilfehandlung nach § 830 II BGB: Problem: Gehilfenvorsatz

des V

Billigende Inkaufnahme der Haupttat erforderlich:

Spätestens durch das Unterlassungsbegehren erfährt V von einem

Verstoß gegen § 101 Abs. 7 GWB, führt seine eigene Tätigkeit aber

weiter fort. Er nimmt diese daher billigend in Kauf. Dass er dabei die

rechtlichen Voraussetzungen des § 101 Abs. 7 GWB falsch einschätzt,

entlastet ihn wie im Strafrecht nicht (vermeidbarer Verbotsirrtum nach

§ 17 StGB). Denn § 830 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB sind

strafrechtsakzessorisch!

Eine Behilfe nach § 830 Abs. 2 BGB liegt daher vor.

3. Ergebnis: Der Antrag auf einstweilige Verfügung ist daher

erfolgreich.