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Io. SEPTEMBER 1927 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 6. JAHRGANG. Nr. 37 ~759 ,,FEHLREGISTRIERUNG DES OHRES" UND HOR- UMBILDUNG. Yon Dr. W. ANTHON. Aus~der Universltats-Hals-, Nasen- und Ohrellklmik der Charlt6 zu Berlin (Direktor: Prol. Dr. v. EICKEN). Anf dem Hamburger KongreB der Gesellschaft Deutscher Hals-, Nasen- und Ohren~rzte, Pfingsten 1926, hat ]3RONINGS ~, das Geh6rorgan auf Grund der modernen physikalischen Schwingungslehre definiert als einen manometerartigen Re- gistrierapparat, der die Druckschwankungen der Schall- wellen in sehr differenzierter Welse als Deformation auf Nervenzellen registriert. Das gesch~digte Ohr kann bet der Registrierung yon Schwingungsgemischen die einzelnen Fre- quenzen verschieden stark wiedergeben. Dadurch kommt es dann zur ,,Klangentstellung" (,,quahtativen Dysakusis"). BRONINGS hat diese ,,Fehlregistrierung" an einem durch eine umfangreiche komphzierte Apparatur dargestellten ,,kfinst- lichen Ohr" demonstriert, indem er mittels Siebketten be- stimmte Frequenzen ausfallen liel3. Dabei zeigte smh, in welch entstellter Weise Sprache und Musik vou einem so gesch~digten Ohr wahrgenommen werden. Diese zun~tchst fiberraschenden Ergebnisse erfahren in ihrer ]3ewertung da- durch eine gewisse EinschrS~nkung, dab sie unter ktinstlich geschaffenen ]3edingungen gewonnen wurden. Infolgedessen bleibt die Frage often, inwieweit es ]3RfTNINGS gelungen ist, den tatsS~chlichen VerhS.ltnissen beim Schwerh6rigen nahe- zukommen. Daraus ergibt sich die wichtige Aufgabe, die ]3rtiningsschen Ergebnisse dutch spemelle Untersuchungen am Kranken nachzuprtifen. Solche Untersuchungen sind nun bereits vor dem Hamburger Vortrag yon BR~-NINGS und dem Mtinchener Vortrag seines Assistenten PERWlTZSCHKu yon mir in bezug auf bestimmte Fliisterlaute angestellt worden. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meine Veroffent- lichungen ,,f]ber die Wahrnehmung der Fltmterlaute Sch, S, Ch (palatinale) und F (labiodentale) bet verminderter H6r- sch~rfe, insbesondere gegenfiber den h6chsten Tdnen" als vor- l~tuflge Mitteilung in der Zeitschr. f. Hals-, Nasen- u. Ohren- heilk. IO (KongreBbericht) 1924 und als endgfiltige Dar- stellung in den ]3eitr~tgen zur Anatomie. Physiologie usw. yon PASSOW und SCHAEFER, 2 3. 1926. Ich konnte feststellen, dab yon Schwerh6rigen, bet denen in der Hauptsache die obere Tongrenze herabgesetzt war, die geflusterten Laute Sch, S, Ch und F ver~ndert wahr- genommen wurden. Dieses Ph~nomen hatte ich ursprtinglich als Lautabwandlung bezeichnet; in meiner endgialtigen Ver- 6ffentlichung w~thlte ich die wohl treffendere Benennung HSr- umbildung (Paragnosie). Um diese Erscheinung leicht ver- st~indlich zu machen, m6chte ich reich bet der Darstellung zu- n~chst an den Werdegang meiner Beobachtungen halten. Bet der Untersuchung Schwerh6riger vorzugswelse mit Herabseizung der oberen Tongrenze ergab die H6rprtifung mit Fltisterlauten die zuerst fiberraschende Tatsache, dab yon vielen Patmnten ein anderer Laut als der vorgespro- chene nachgesprochen wurde. Da sich diese Erscheinung auch bet Personen mit guter Allgemeinbildung und Intelti- genz, insbesondere bet musikalisch geschulten Patlenten fand, so nahm ich Veranlassung, diese Dinge an einer beschr~nkten Anzahl bestlmmter gefliisterter Konsonanten (Sch, S, Ch, F) genauer zu studieren. Ich ging dabei so vor, dab ich den Patienten aufforderte, kritiklos alles nachzusprechen oder automatisch nachzuahmen, was er hSrte, gleichgfiltig, ob das irgendein GerSmsch, ein sinnvolles oder sinnloses Wort oder ein Einzellaut oder dergleichen set. Dabei war yon seiten der Patienten die gespannteste Aufmerksamkeit nStig besonders dann, wenn ihre SehwerhSrigkeit mit subjektiven Ohrger~iu- schen verbunden war. Das Eigenger~tusch sowie das von -auBen an das Ohr dringende Gerttusch mul3ten auseinander- gehalten werden. Im fibrigen wurden natfirlich die tfir eine einwandfreie HSrprfifung notwend~gen Kautelen beobachtet, d.h. es wurde jedes Ohr ffir sich allein geprfift, wobei der Patient den Untersucher nicht ansehen durfte. Ferner wurde zur Vermeidung des Erratens mit der Reihenfolge der Prti- fungslaute 6fters gewechselt. Die Untersuchungen wurden zumeist in einem 6 m langen Raume vorgenommen; nur in besonderen F~lten wurde ein wesentlich l~.ngerer benutzt. In 6 m beginnend trat ich framer n/iher an den Patienten heran, immer die Fliisterlaute vorsprechend. Jede Antwort in den einzelnen Entfernungen wurde notiert. Auch wenn wiederholt und in anderer Reihenfolge gepriift wurde, ergab sich eine auff~llige Konstanz der Angaben. Wurde z. ]3. bet der ersten Prflfung das in 6--1,25 m als F gehSrte, geflflsterte Sch in I m als Sch geh6rt, so wurde es auch bet der zweiten und dritten Prfifung beinahe genau wieder in I mals Sch und in 1,25 m als F angegeben. Das gteiche gilt I fir die Prfifung des S und des F, w~hrend das geflfisterte Ch gewShnlich schwerer aufgefaBt wurde und datum bet wiederholter Priifung unterschiedliche Angaben entstanden. Die angestellten Untersuchungen lieferten eine Reihe yon Ergebnissen, yon denen hier jedoch nur das Auff~tlligste nnd Interessanteste, nltmlich dieH5rumbildung, besprochen werden soil. Die ver~inderte Lautwahrnehmung macht sich gew6hn- lich nur ffir die grSBbren Entfernungen bemerkbar, besonders dann, wenn, wie dies in der Regel geschehen soil, die Prtifnng in grSBtmSglichster Entfernung beginnt und die Schallquelle dem Ohr allm~hlich n~hergebracht wird. Die Ver~inderung kann sich aber auch bls dicht zum Ohr erstrecken. An einem Beispiel l~tl3t sich am besten veranschaulichen, worin das Ph~nomen der H6rumbildung im einzelnen bestand. Ein 63jahr. Gesangslehrer leldet an rechtsseitiger Nerven- schwerhorigkeit. Die H0rweite fflr hohe Zahlworte betr~gt 3~ cm, far tiefe 4,5 m. Die untere Tongrenze liegt bet 28 Doppelschwin- gungen, die obere bet etwa 2ooo. Rinne ist positiv. Ffir die Knochen- leitung ergibt sich das VerhMtnis 5/20 fur die c-Stimmgabel. Das Trommelfell ist ohne pathologischen Befund. Bet der Prflfung mit dem geflflsterten Sch nahm der Patient in 6 m noch nichts wahr. In 5 m h6rte er an Stelle des Sch ein hauchendes Ger~usch. Er bezeichnete es als H. In 4 m Entfernung und nkher erschlen dann das Sch richtig als Sch im HorbewuBtsein. ]3ei der Priifung mit dem geflfisterten S horte der Patient yon 6 m Entfernung bis zu s/4 m zun~chst nichts. In 6o cm hatte er die erste Lautempfindung. Er h6rte jedoch kein S, sondern an Stelle des geflfisterten S ein F. Erst in 4 ~ cm und n~her gab er an, dab ein S vorgesprochen worden set. Bet der Prfifung mit dem geflflsterten palatinalen Ch erschien die erste GehOrswahrnehmung in 2 m. Es war jedoch kein Ch, sondern ein H. Aus diesem H oder hauchenden Ger~usch hob sich bet wachsender Annkherung ein S heraus. In I m Entfernung machte das S einem F Platz, und erst dicht am Ohr erschien das Ch als sicheres Ch. Bei der Prfifnng mit dem geflfisterten F wurde bereits in 6 in vom Ohr eme Wahrnehmung gemacht. Es wurde abet kein F geh6rt, sondern wiederum ein H, ein Hauchen. Dieses tt hielt sich bis dicht zum Ohr. Erst auf meine ausdrflckliche Frage, ob denn der dicht am Ohr geflfisterte und fflr H gehaltene Laut gar nicht an ein F erinnere, wurde eine ~hnlichkeit zugegeben. Bet der Hgrumbildung handelt es sich um das gleiche Ph~nomen, das BR~JNINGS ganz allgemein als ~ehlregistrierung des Ohres bezeichnet, und zwar betrifft der ]3egriff H6rum- bildnng die speziellen Erscheinungen der Fehlregistrierung auf dem Gebiete der Wahrnehmung yon Sprachlauten, w~hrend der Begriff Fehlregistrierung schlechthin die EntstelIung yon Musik- und Sprachwahrnehmung als Folge qualitativer Schwer- h6rigkeit umfassen soll. WXhrend die kfinstlich geschaffene Versuchsanordnung yon ]3RONIN~S ohne weiteres eine be- stimmte Gesetzm~Bigkeit der Ergebnisse gewXhrleistet, lie- fern meine Untersuchungen am kranken Ohr den ]3eweis, dab tats~chlich auch klinisch eine gewisse Gesetzm/iBigkeit der HSrumbildung bzw. Fehlregistrierung feststetlbar ist. Diese Gesetzm~gigkeit tritt, wie zu erwarten, am sch~rfsten bet reinen Labyrintherkrankungen hervor. Schon gering- ftigige Ver~nderungen am Trommelfell wie Triibung, In- jektion der Hammergriffgef~13e, Einw~trtsdr~ingung usw., in hSherem Mal3e natfirlich schwerere Ver~nderungen am Trom- melfell und im Mlttelohr selbst beeinilussen die Gesetzm~t3ig- keit in schwierig zu kontrollierender Weise. N~heren Aufschlul3 fiber die GesetzmXBigkeit der H6r- umbildung geflfisterter Laute geben uns die Ergebnisse der

„Fehlregistrierung des Ohres“ und Hörumbildung

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Page 1: „Fehlregistrierung des Ohres“ und Hörumbildung

Io. SEPTEMBER 1927 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 6. J A H R G A N G . Nr . 37 ~759

,,FEHLREGISTRIERUNG DES OHRES" UND HOR- UMBILDUNG.

Y o n

Dr. W. ANTHON. Aus~der Universltats-Hals-, Nasen- und Ohrellklmik der Charlt6 zu Berlin

(Direktor: Prol. Dr. v. EICKEN).

Anf dem H a m b u r g e r KongreB der Gesellschaft Deutscher Hals-, Nasen- und Ohren~rzte, Pf ings ten 1926, ha t ]3RONINGS ~, das Geh6rorgan auf Grund der modernen physikal ischen Schwingungslehre def inier t als einen manomete ra r t i gen Re- gis t r ierapparat , der die Druckschwankungen der Schall- wellen in sehr differenzier ter Welse als Defo rma t ion auf Nervenzel len registr iert . Das gesch~digte Ohr kann bet der Regis t r ie rung yon Schwingungsgemischen die einzelnen Fre- quenzen verschieden s ta rk wiedergeben. Dadurch k o m m t es dann zur , ,Klangen ts te l lung" ( , ,quahta t iven Dysakusis") . BRONINGS ha t diese , ,Fehl regis t r ie rung" an einem durch eine umfangre iche komphz ie r t e A p p a r a t u r dargeste l l ten ,,kfinst- l ichen O h r " demonst r ie r t , indem er mi t te ls S iebket ten be- s t immte F requenzen ausfallen liel3. Dabei zeigte smh, in welch ents te l l ter Weise Sprache und Musik vou einem so gesch~digten Ohr wahrgenommen werden. Diese zun~tchst f iberraschenden Ergebnisse er fahren in ihrer ]3ewertung da- durch eine gewisse EinschrS~nkung, dab sie un te r kt inst l ich geschaffenen ]3edingungen gewonnen wurden. Infolgedessen ble ibt die Frage often, inwiewei t es ]3RfTNINGS gelungen ist, den tatsS~chlichen VerhS.ltnissen be im Schwerh6rigen nahe- zukommen. Daraus ergibt sich die wicht ige Aufgabe, die ]3rtiningsschen Ergebnisse du tch spemelle Un te r suchungen am Kranken nachzuprt i fen. Solche Unte r suchungen sind nun bereits vor dem H a m b u r g e r Vor t rag yon BR~-NINGS und dem Mtinchener Vor t r ag seines Assis tenten PERWlTZSCHKu yon mir in bezug auf b e s t i m m t e Fl i i s ter laute angestel l t worden. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meine Veroffent- l ichungen , , f]ber die W a h r n e h m u n g der Fl tmterlaute Sch, S, Ch (palatinale) und F (labiodentale) bet ve rminder t e r H6r- sch~rfe, insbesondere gegenfiber den h6chsten Tdnen" als vor- l~tuflge Mit te i lung in der Zeitschr. f. Hals-, Nasen- u. Ohren- heilk. IO (KongreBbericht) 1924 und als endgfiltige Dar- stel lung in den ]3eitr~tgen zur Anatomie . Physiologie usw. yon PASSOW und SCHAEFER, 2 3. 1926.

Ich konnte feststellen, dab yon Schwerh6rigen, bet denen in der Haup t sache die obere Tongrenze herabgese tz t war, die gef luster ten Lau t e Sch, S, Ch und F ver~nder t wahr- genommen wurden. Dieses Ph~nomen ha t t e ich ursprtinglich als L a u t a b w a n d l u n g bezeichnet ; in meiner endgialtigen Ver- 6ffent l ichung w~thlte ich die wohl t reffendere Benennung HSr- umbildung (Paragnosie). U m diese Ersche inung leicht ver- st~indlich zu machen, m6chte ich reich bet der Dars te l lung zu- n~chst an den Werdegang meiner Beobach tungen hal ten.

Bet der Un te r suchung Schwerh6riger vorzugswelse m i t Herabse i zung der oberen Tongrenze ergab die H6rpr t i fung mi t Fl t i s ter lauten die zuerst f iberraschende Tatsache, dab yon vielen Pa tmn ten ein anderer L a u t als der vorgespro- chene nachgesprochen wurde. Da sich diese Ersche inung auch bet Personen mi t gu ter Al lgemeinbi ldung und Intelt i- genz, insbesondere bet musikal isch geschul ten Pa t len ten fand, so n a h m ich Veranlassung, diese Dinge an einer beschr~nkten Anzahl be s t lmmte r gefl i is ter ter Konsonan ten (Sch, S, Ch, F) genauer zu studieren. Ich ging dabei so vor, dab ich den Pa t i en ten aufforderte , kri t iklos alles nachzusprechen oder au tomat i sch nachzuahmen, was er hSrte, gleichgfiltig, ob das i rgendein GerSmsch, ein sinnvolles oder sinnloses Wor t oder ein Einze l lau t oder dergleichen set. Dabei war yon sei ten der Pa t i en t en die gespanntes te Aufmerksamke i t nStig besonders dann, wenn ihre SehwerhSrigkei t mi t sub jek t iven Ohrger~iu- schen ve rbunden war. Das Eigenger~tusch sowie das von -auBen an das Ohr dr ingende Gerttusch mul3ten auseinander- gehal ten werden. I m fibrigen wurden natfir l ich die tfir eine e inwandfreie HSrprf i fung notwend~gen Kau te len beobachte t , d . h . es wurde jedes Ohr ffir sich allein geprfift, wobei der Pa t i en t den Unte rsucher n icht ansehen durfte. Ferner wurde zur Vermeidung des Er ra tens mi t der Reihenfolge der Prti-

fungslaute 6fters gewechselt . Die Unte r suchungen wurden zumeis t in e inem 6 m langen R a u m e vo rgenommen ; nur in besonderen F~lten wurde ein wesent l ich l~.ngerer benutz t . In 6 m beginnend t r a t ich framer n/iher an den Pa t i en ten heran, i m m e r die Fl i i s ter laute vorsprechend. Jede A n t w o r t in den einzelnen En t f e rnungen wurde not ier t .

Auch wenn wiederhol t und in anderer Reihenfolge gepri if t wurde, ergab sich eine auff~llige Kons tanz der Angaben. Wurde z. ]3. bet der ersten Prf l fung das in 6--1 ,25 m als F gehSrte, geflflsterte Sch in I m als Sch geh6rt, so wurde es auch bet der zweiten und dr i t t en Prf i fung beinahe genau wieder in I m a l s Sch und in 1,25 m als F angegeben. Das gteiche gilt I fir die Prf i fung des S und des F, w~hrend das geflfisterte Ch gewShnlich schwerer aufgefaBt wurde und d a t u m bet wiederhol ter Pr i i fung unterschiedl iche Angaben ents tanden .

Die angeste l l ten Unte r suchungen l ieferten eine Reihe yon Ergebnissen, yon denen hier jedoch nur das Auff~tlligste nnd Interessantes te , nltmlich dieH5rumbildung, besprochen werden soil. Die ver~inderte L a u t w a h r n e h m u n g m a c h t sich gew6hn- lich nur ffir die grSBbren En t fe rnungen bemerkbar , besonders dann, wenn, wie dies in der Regel geschehen soil, die Pr t i fnng in grSBtmSglichster En t f e rnung beginnt und die Schallquelle dem Ohr al lm~hlich n~hergebracht wird. Die Ver~inderung kann sich aber auch bls d icht zum Ohr erstrecken. An einem Beispiel l~tl3t sich am besten veranschaul ichen, worin das Ph~nomen der H 6 r u m b i l d u n g im einzelnen bestand.

Ein 63jahr. Gesangslehrer leldet an rechtsseitiger Nerven- schwerhorigkeit. Die H0rweite fflr hohe Zahlworte betr~gt 3 ~ cm, far tiefe 4,5 m. Die untere Tongrenze liegt bet 28 Doppelschwin- gungen, die obere bet etwa 2ooo. Rinne ist positiv. Ffir die Knochen- leitung ergibt sich das VerhMtnis 5/20 fur die c-Stimmgabel. Das Trommelfell ist ohne pathologischen Befund.

Bet der Prflfung mit dem geflflsterten Sch nahm der Patient in 6 m noch nichts wahr. In 5 m h6rte er an Stelle des Sch ein hauchendes Ger~usch. Er bezeichnete es als H. In 4 m Entfernung und nkher erschlen dann das Sch richtig als Sch im HorbewuBtsein.

]3ei der Priifung mit dem geflfisterten S horte der Patient yon 6 m Entfernung bis zu s/4 m zun~chst nichts. In 6o cm hatte er die erste Lautempfindung. Er h6rte jedoch kein S, sondern an Stelle des geflfisterten S ein F. Erst in 4 ~ cm und n~her gab er an, dab ein S vorgesprochen worden set.

Bet der Prfifung mit dem geflflsterten palatinalen Ch erschien die erste GehOrswahrnehmung in 2 m. Es war jedoch kein Ch, sondern ein H. Aus diesem H oder hauchenden Ger~usch hob sich bet wachsender Annkherung ein S heraus. In I m Entfernung machte das S einem F Platz, und erst dicht am Ohr erschien das Ch als sicheres Ch.

Bei der Prfifnng mit dem geflfisterten F wurde bereits in 6 in vom Ohr eme Wahrnehmung gemacht. Es wurde abet kein F geh6rt, sondern wiederum ein H, ein Hauchen. Dieses t t hielt sich bis dicht zum Ohr. Erst auf meine ausdrflckliche Frage, ob denn der dicht am Ohr geflfisterte und fflr H gehaltene Laut gar nicht an ein F erinnere, wurde eine ~hnlichkeit zugegeben.

Bet der Hgrumbildung hande l t es sich um das gleiche Ph~nomen, das BR~JNINGS ganz al lgemein als ~ehlregistrierung des Ohres bezeichnet , und zwar betr i f f t der ]3egriff H6rum- bi ldnng die speziellen Erscheinungen der Fehlregis t r ierung auf dem Gebiete der W a h r n e h m u n g yon Sprachlauten, w~hrend der Begriff Fehl regis t r ierung schlechthin die Ents te l Iung yon Musik- und Sprachwahrnehmung als Folge qua l i t a t ive r Schwer- h6rigkei t umfassen soll. WXhrend die kfinstl ich geschaffene Versuchsanordnung yon ]3RONIN~S ohne weiteres eine be- s t immte Gesetzm~Bigkeit der Ergebnisse gewXhrleistet, lie- fern meine Unte r suchungen am kranken Ohr den ]3eweis, dab ta ts~chl ich auch klinisch eine gewisse Gesetzm/iBigkeit der HSrumbi ldung bzw. Fehl regis t r ie rung fests tet lbar ist. Diese Gesetzm~gigkei t t r i t t , wie zu erwarten, am sch~rfsten bet reinen Labyr in the rk rankungen hervor. Schon gering- ftigige Ver~nderungen am Trommelfe l l wie Tri ibung, In- jek t ion der Hammergriffgef~13e, Einw~trtsdr~ingung usw., in hSherem Mal3e natfir l ich schwerere Ver~nderungen am Trom- melfel l und im Mlt te lohr selbst beeini lussen die Gesetzm~t3ig- kei t in schwierig zu kontro l l ie render Weise.

N~heren Aufschlul3 fiber die GesetzmXBigkeit der H6r- umbi ldung geflf isterter Lau te geben uns die Ergebnisse der

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a n a l y t i s c h e n U n t e r s u c h u n g e n v o n C. STU~PF e m i t se iner I n t e r f e r e n z m e t h o d e , die f ibr igens d u t c h die yon BR~NINGS t l b e r n o m m e n e vo l l ende te re S i e b k e t t e n m e t h o d e IK. W. WAG- NERS res t los best~it igt werden . E i n Vergle ich m e i n e r k l in isch g e w o n n e n e n R e s u l t a t e m i t den K o n s o n a n t e n a b b a u - E r g e b - n issen yon STUMPF erwies eine b e m e r k e n s w e r t e U b e r e i n s t i m - mung, sowei t es sich u m F o r m e n re iner L a b y r i n t h s c h w e r - h6 r igke i t hande l t e . Diese f J b e r e i n s t i m m u n g legt es nahe , das P h ~ n o m e n der H 6 r u m b f l d u n g in A n l e h n u n g a n STUMPF (und d a m i t zugleich a n K. W. WAGXZR u n d BRf)I':INGS) SO ZU erkl~ren, d a b infolge e iner Perzept ionssch~td igung (bei re iner L a b y r i n t h s c h w e r h S r i g k e i t im S inne e iner E iKengung des obe ren H6rbere iches ) aus de r c h a r a k t e r i s t i s c h e n Ton- s t recke (Fo rman t r eg ion ) eines L a u t e s b e s t i m m t e B e s t a n d t e i l e he raus fa l l en in de r Art , d ab der v e r b l e i b e n d e R e s t m i t dem F o r m a n t e n eines a n d e r e n L a u t e s ve rwechse l t werden k a n n . Diese Verwechs lungsmSgl i chke i t en un te r l i egen e iner gewissen Gesetzm~tBigkeit insofern, als bei besonde r s s t a r k e m Ausfa l l der h o h e n T6ne, wie a u c h aus der S t u m p f s c h e n Tabel le 1 he rvo rgeh t , Seh, S, F u n d Ch sgmt l i ch m i t e i n a n d e r ve rwech- sel t we rden k6nnen . T r e t e n j edoch f o r t s c h r e i t e n d h 6 h e r I r e q n e n t e S c h w i n g u n g e n zu dem L a u t b i l d h i n z u (bei der HSr- p r t i fung d u r c h A n n ~ h e r u n g des U n t e r s u c h e r s a n den Pa - t i en ten) , so e r sche inen b e i m ~ b e r s e h r e i t e n der obe ren Grenze der F o r m a n t r e g i o n des Sch L a n t e l e m e n t e , die d e m Sch n i c h t m e h r a n g e h 6 r e n k6nnen . In fo lgedessen fgll t d a n n die MSg- l i chke i t e iner V e r w echs l ung des P r f i fungs lau tes m i t e inem Sch weg. So werden also die Ve rwechs lungsm6g l i chke i t en be im H i n z u k o m m e n i m m e r h 6 h e r f r e q u e n t e r S c h w i n g u n g e n zu d e m L a u t b i l d in einer Reihenfo lge ve r r inger t , die den obe ren Grenzen der F o r m a n t r e g i o n e n der P r f i fungs l au te en t - spr icht .

N a c h V o r s t e h e n d e m ersche inen e ingehende H6rp r f i fungen zum S t u d i u m des P h g n o m e n s der H S r u m b i l d u n g geeignet , das yon BRONINGS aufges te l l te a l lgememe Pr inz ip der Feh l - r eg i s t r i e rung im e inze lnen zu ve r t i e f en u n d vie l le icht dia- gnos t i sch ve rwereba r zu ges ta l ten .

L i t e r a t u r : 1 B~ONINGS, Uber die Entstel lung yon Sprache und Musik durch quali tat ive Schwerhongkeit und fiber deren I(or- rektur dutch best:rotate M]ttel. Verhandl. der Ges. dtsch. Hals-, Nasen-Ohrenfirzte allf der VI. Jahresversammlullg in Hamburg, Pfingsten 1926. -- ~ C. STUMPF, Zur Analyse gefhisterter Vokale. Passow-Scharters BeitrXge I2. 1919; Zur Analyse der Konsonanten. Passow-Scharfers Beitrage 17. 1921.

Z U R V E R W E N D U N G V O N R I V A N O L IN D E R A U G E N C H I R U R G I E .

Von

Prof . Dr . L. v. LIEBERMANN, B u d a p e s t .

Die yon mi r 1922 m i t ge t e i l t en g i ins t igen E r f a h r u n g e n m : t Rivanol in der A u g e n h e i l k u n d e I w u r d e n se i tdem yon a n d e r e n A u t o r e n m e h r f a c h b e s t ~ t i g t u n d das I n d i k a t i o n s g e b i e t er- wei te r t . Die h/ iuf igste A m v e n d u n g is t wohl die bei a k u t e r B i n d e h a u t e n t z f i n d u n g , zu de ren B e h a n d l u n g ich das Mi t te l zuers t in F o r m yon Tropfen , spare r in Sa lben fo rm e m p f a h l 1.

Der Empfehlllng des iRivanols als prophylaktisches Bindehallt- ant isepticum ha t sich zuletzt Js angeschlossell 1, der es als besonders wertvoll bezeiehnet. Neben dieser Verwendnng als Oberf l :chenant isept icum befolge ich aber seit einigen 5Ionaten auch lloch einen anderen Weg der Operationsprophylaxe mit l~ivanol, um den Schutz noeh wirksamer zu gestalten. Es ist namlieh erst dutch das Rivanol m6glich geworden, eine Wundantiseps@ i.e. S. d. W. zu betreiben, und die Chirurgie macht bereits ausgiebigell Gebrauch davon.

Es l iegt n u n n i c h t s im Wege, dieses P r inz ip auch in der Augench i ru rg ie zu befolgen, u n d zwar n i c h t n u r bei be re i t s e r fo lg ter I n f e k t i o n ( infizierte V e r l e t zungen usw.), w o e s ganz nahe l i egend u n d fas t s e lb s tve r s t~nd l i ch u n d wohl auch bere i t s v ie l fach in A n w e n d u n g ist, s onde r n zu re in prophylaktischem Zweelce. Zu d iesem B e h u f e verbinde ~ch die ln]iltrations- anasthesie des Operationsgebietes mit der prophylaktischen Rivanoleinspritzung. Sei t J a h r e n v e r w e n d e ich n~tmlich die

R I F T . 6. J A H R G A N G . N r . 37 IO. SEPTEMBER :927

Infiltrationsan~sthesie m l t Novoca in (2 %) n i c h t n u r wie all- gemein fiblich bei O p e r a t i o n e n an den L i d e r n u n d A d n e x e n des Auges, sonde rn a u c h bei a l len Bulbusoperationen.

Nach vorausgesehickter oberfl~chlicher Bindehautan~sthesie d u E h Eintraufelung yon Diocain in 2--3 promill. Losung (dies ist ohne ~:irkullg auf Pupille ulld Druck) wird an der Stelle des Eill- grilles 2% Novocaill (mit Sllprarenin- lllld ]Kaliumsulfatzusatz) illjizlert. Die llach 5--1o Minuten eintretende Tiefenwirkung zeigt sich dllreh die partielle Pupillellerweiterung (llach der betr. Seite verzogene Pnpille) an. Dieser Novocainl6sung wird nun zum Zweck der prophylaktischen Antisepsis noch etwa :/~ einer I promill. ~ivanoll6sung zugesetzt. Ill Anbetraeh~ dessen, dab llach 5IORG~N- ROTHS Versuchen Rivanol bereits ill der Verdfinnnng yon I : 4 o ooo Streptokokken i~n Gewebe abt6tet , durfte diese I :4ooo Rivanol enthal tende Misehung mehr als genfigend zu einem wirksamen Schutz sein. Die Elllfuhrung s~mtlicher Ins t rumente erfolgt auf diese \Velse durch ein antiseptisehes Milieu und die Mdglichkeit der Einschleppung yon pathogenen Bindehautkeimen in das Augeninnere ist jedenfalls betr~chtl ich vermindert . DaB dies nicht flberflfissig ist, erhellt daraus, daB, wie bekannt , ab nnd zu auch bei negat ivem Bakter ienbefund Infektionen vorkommen kbnnen; erst wenn dieser zweifelhaft ist oder man gezwungen ist etwa wegen Versagens jeder Therapie bei nicht gallz einwandfreier Beschaffenheit der Bindehant zu operieren. %renn man zudem noch die Staroperation mit Nah t der uber die Wunde herab- gezogenen BJndehaut ausfuhr t -- ein Verfahren, das nicht warm genug empfohlen werden kann --, so ist dami.t, dab der Wund- versehlufi mit rivanoldurehtr~nkter Bindehaut erfolgt, auch far die der Operation folgenden Stullden, also bis zur ersten Verklebllllg der Wunde, eine wirksame Antisepsis gew~hrleistet. Die An- wendung des Rivallols ist -- bei dieser Konzentra t ion -- yon keinerlei Reizwirkung gefolgt.

E b e n der reaktionslose Verlau] yon m i t R i v a n o l - N o v o c a i n b e h a n d e l t e n infizierten Verletzungen, bei d e n e n ich zue r s t das Mi t t e l in V e r w e n d u n g n a h m , wa r es, der re ich ve ran laBte , es auch zu asepf i schen O p e r a t i o n e n he ranzuz iehen , f e rne r a u c h der g la t t e Ver l au f yon bere i t s a u s g e b m c h e n e a e i t r igen Ge- websen tz f indungen . Es is t d a m i t a u c h die F r a g e gelSst, wie m a n in und um entzi~ndete Gewebe ge]ahrlos eine No~Jocain- einspritzung m a c h e n k a n n . Schon bei e inem v e r e i t e r t e n Chalaz ion t a t m a n das n i c h t gerne, u n d n u t m i t der grSBten Vors i ch t ; bei der Inc i s ion eines H o r d e o l u m s schon gar n ich t , u m n i c h t die E i t e r k e i m e m das u m g e b e n d e Gewebe zu ver- schleppen, obzwar diese k le inen Eingr i f fe r e c h t s c h m e r z h a f t sind. D u t c h die B e i m e n g u n g yon R i v a n o l wi rd die AnXsthesie n i c h t n u r ganz gefahrlos, sonde rn sogar de r H e i l u n g fSrderl ich. Das gleiche gi l t ffir die D a k r y o c y s t o p h l e g m o n e , f iber der m a n die H a u t ebenfa l l s sehr gu t m i t R i v a n o l - N o v o c a i n u n e m p - f ind l ich m a c h e n k a n n und fur vieles ~hnl iche.

Ich mSeh te bei dieser Ge legenhe i t - - ledigl ich auf G r u n d de r Analogie, ohne mich dazu k o m p e t e n t guBern zu k 6 n n e n -- anregen, ob bei bedenklichen Zahnextraktionen, oder f i b e r h a u p t bei Z a h n e x t r a k t i o n e n , n i c h t a u c h dieses Vorgehen a m P la tze wgLre.

t3ezfiglich genaue re r t e chn i s che r E inze lhe i t en de r In f i l t r a - t i onsanas the s i e und der d a m i t v e r b u n d e n e n R i v a n o l a n t i s e p s i s bei den ve r sch i edenen Augenope ra t i onen , sei auf e ine gegen- w~r t ig bei de r Zei tschr . f. Augenhei lk . Bd. 62, im D r u c k bef indl iche A r b e i t yon mi r verwiesen.

L i t e r a t u r : : Klin. 5Ionatsbl. f. Augenheilk. 69, 280. -- 2 Med. Klinik 1926, Nr. 32. -- a Klin. Monatsbl. f. Allgenheflk. 78 , 4o6.

DIE ERBANLAGEN DER EINEIER.

Erwiderung auf die Bemerkungen von Leven in Jg. 6, Nr. 21 dieser Wochensehrift.

Won

J . VVAAI~DENBURG, A r n h e m (Hol land) .

LEVEN ha t meille Zuruckweisung seines Angriffes mit emler weiteren Fortsetzullg der Polemik beantwortet . SMile letzten Aus- fiihrungen sind mir aber ebensowenig einleuchtend, wie seine ~rdheren.

Wenn LEVEN seillen Standpunkt , dab E. Z. ,,lediglich die grol3te uns beim l~Ienschei1 bekallnte Annaherung all Erbgleichheit" dar- stellen, verteidigen will, muB er meilles Erachtens wenigstens zwei Bedingungen erffillen: I. dab er mehrere gallz einwalldfreie Bei-