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Festigkeitslehre – klipp und klarfür Studierende des Bauingenieurwesens
3., aktualisierte Auflage
Jens J. GöttscheMaritta Petersen
Göttsche/Petersen
Festigkeitslehre – klipp und klar
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Lehrbücher des Bauingenieurwesens
Bletzinger/Dieringer/Fisch/Philipp • Aufgabensammlung zur Baustatik
Dallmann • BaustatikBand 1: Berechnung statisch bestimmter TragwerkeBand 2: Berechnung statisch unbestimmter TragwerkeBand 3: Theorie II. Ordnung und computerorientierte Methoden der Stabtragwerke
Engel/Lauer • Einführung in die Boden- und Felsmechanik
Engel/Al-Akel • Einführung in den Erd-, Grund- und Dammbau
Fouad/Zapke • Bauwesen Taschenbuch
Freimann • Hydraulik für Bauingenieure
Göttsche/Petersen • Festigkeitslehre – klipp und klarfür Studierende des Bauingenieurwesens
Jochim/Lademann • Planung von Bahnanlagen
Krawietz/Heimke • Physik im Bauwesen
Malpricht • Schalungsplanung
Proporowitz (Hrsg.) • Baubetrieb – Bauverfahren
Proporowitz (Hrsg.) • Baubetrieb – Bauwirtschaft
Prüser • Konstruieren im Stahlbetonbau 1
Prüser • Konstruieren im Stahlbetonbau 2
Rjasanowa • Mathematik für Bauingenieure
Rjasanowa • Mathematische Modelle im Bauingenieurwesen
Jens GöttscheMaritta Petersen
Festigkeitslehre –klipp und klarfür Studierende des Bauingenieurwesens
3., aktualisierte Auflage
Mit 218 Bildern, 30 Beispielen und 43 Aufgaben mit Lösungen
AutorenProf. Dr.-Ing. Jens Göttschehochschule 21, private und staatlich anerkannte Fachhochschule, BuxtehudeStudienbereich Bauwesenhttp://www.goettsche-web.de
Prof. Dr.-Ing. Maritta Petersenhochschule 21, private und staatlich anerkannte Fachhochschule, BuxtehudeStudienbereich Bauwesen
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internetüber http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilendaraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeinerForm (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung– mit Ausnahme der in den §§ 53, 54 URG genannten Sonderfälle –, reproduziert oder unter Verwendungelektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag© 2015 Carl Hanser Verlag MünchenInternet: http://www.hanser-fachbuch.deLektorat: Philipp ThorwirthHerstellung: Andrea ReffkeSatz: Jens Göttsche, Maritta Petersen, BuxtehudeCoverconcept: Marc Müller-Bremer, www.rebranding.de, MünchenCoverrealisierung: Stephan RönigkDruck und Bindung: Kösel, KrugzellPrinted in GermanyISBN 978-3-446-44277-1E-Book ISBN 978-3-446-44408-9
6
Vorwort zur 3. Auflage
Dieses Lehrbuch richtet sich vorrangig an Studierende des Bauingenieurwesens im Grundstudium. Aber auch Stu-
dierenden aus anderen Ingenieurfächern kann das Buch nützlich sein. Die Festigkeitslehre ist häufig ein ungeliebtes
Teilgebiet der Statik, in dem viele Studierende oft Formeln anwenden, ohne deren Grundlagen zu kennen. Dieses
Buch hat sich zum Ziel gesetzt, die Festigkeitslehre und deren grundlegende Zusammenhänge durch gründliche
Aufbereitung der theoretischen Grundlagen in vielen Teilschritten zu verdeutlichen. Dabei wird klargestellt, dass die
Festigkeitslehre nicht eine so exakte Wissenschaft wie die Mathematik ist, sondern auf vielen Vereinfachungen, Hy-
pothesen und Reglementierungen basiert. Viele anschauliche Grafiken sowie zahlreiche Anwendungsbeispiele tra-
gen zum Verständnis bei.
Das Buch gliedert sich inhaltlich in sieben Kapitel. Zunächst werden die Grundbegriffe der Festigkeitslehre und die
wichtigsten mechanischen Zusammenhänge erläutert. Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Ermittlung von Querschnitts-
werten von stabförmigen Bauteilen. In den drei nachfolgenden Kapiteln 3 bis 6 werden die grundlegenden Bean-
spruchungsarten des Stabes, nämlich Biegung mit und ohne Normalkraft, Querkraft und Torsion angesprochen. Da-
bei werden Wege zur Spannungsberechnung aufgezeigt und das zugehörige Tragverhalten von Stäben mit unter-
schiedlichen Querschnitten erklärt. Die Stabilität von stabförmigen Bauteilen wird in Kapitel 6 behandelt. Dabei wer-
den unterschiedliche Stabilitätsphänomene beschrieben und die Schnittgrößenermittlung am verformten System
vorgestellt. Kapitel 7 behandelt ergänzend Sonderprobleme der Festigkeitslehre. Begriffe wie „klaffende Fuge“,
Hauptspannungen, Spannungszustände, Vergleichsspannung oder Mohrscher Spannungskreis und Festigkeitshy-
pothesen werden eingehend erläutert.
Jedes Kapitel enthält zahlreiche praktische Aufgaben, die die Studierenden zum selbstständigen Bearbeiten und
Vertiefen des Lehrstoffes ermutigen sollen. Dazu werden im letzen Kapitel 8 die Lösungen aufgezeigt. Zur weiteren
Anregung und Unterstützung beim Lernen stehen im Internet weiterhin unter www.goettsche-web.de einige überar-
beitete Excel-Dateien zum Download bereit, mit denen typische Aufgaben der Festigkeitslehre gelöst werden kön-
nen.
Bestärkt durch die zahlreichen und dankbar aufgenommenen Zuschriften unserer Leser haben wir die inhaltliche
Schwerpunktsetzung, das Layout und die Struktur der zweiten Auflage beibehalten. Aufmerksame Leser haben uns
auf kleinere Fehler hingewiesen, die wir gerne korrigiert haben. Uns ist bewusst, dass bestimmte Themengebiete
wie z.B. die Wölbkrafttorsion mit Blick auf die Zielsetzung dieses Buches nur knapp behandelt werden können. Für
den interessierten Leser verbleibt hier nur der Hinweis auf weiterführende Literatur.
Anregungen zur Verbesserung dieses Buches zur Festigkeitslehre werden weiterhin gern entgegengenommen.
Buxtehude, im November 2014 Jens Göttsche Maritta Petersen
7
Inhalt
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.1 Warum Festigkeitslehre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.2 Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.3 Einwirkungen, Beanspruchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.4 Schnittgrößen, Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.5 Verzerrungen, Verformungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
1.6 Werkstoffverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2 Querschnittskennwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.2 Flächenmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.3 Transformation auf ein gedrehtes Achsensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.4 Hauptträgheitsmomente, Hauptachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.5 Widerstandsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.6 Trägheitsradien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
3 Balkenbiegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
3.2 Symmetrische Querschnitte mit einachsiger Biegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
3.3 Symmetrische Querschnitte mit zweiachsiger Biegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.4 Beliebige Querschnitte mit zweiachsiger Biegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
3.5 Biegung mit Normalkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
3.6 Biegelinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4 Querkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.2 Schub in einfach symmetrischen, dünnwandigen offenen Querschnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
4.3 Schub in geschlossenen symmetrischen Querschnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
4.4 Schubmittelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
5 Torsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
5.2 St.-Venantsche Torsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
5.3 Wölbkrafttorsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
8
6 Stabilit!tsproble(e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
6.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
6.2 Elastisches Knicken gerader Stäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
6.3 Biegeknicken im plastischen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
6.4 Weitere Versagensfälle durch Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
7 Erg!nzende The(en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
7.1 Ausfall der Zugzone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
7.2 Spannungszustände, Hauptspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
7.3 Verzerrungszustände, Elastizitätsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
7.4 Festigkeitshypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
7.5 Sicherheitskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
8 L9sungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
8.1 Lösungen zu Aufgaben in Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
8.2 Lösungen zu Aufgaben in Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.3 Lösungen zu Aufgaben in Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
8.4 Lösungen zu Aufgaben in Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
8.5 Lösungen zu Aufgaben in Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
8.6 Lösungen zu Aufgaben in Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
8.7 Lösungen zu Aufgaben in Kapitel 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
Literatur6erzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
IndeH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Inhalt
#
Z
Unter einem Tragwerk versteht man
die planmäßige Anordnung miteinan3
der verbundener tragender und aus3
steifender Bauteile (z. B. Fundamen3
te, Stützen, Decken oder Wände), die
so entworfen sind, dass sie ein be3
stimmtes Maß an Beanspruchbarkeit
(Tragwiderstand) aufweisen.
2/)" Z]Z „So etwas sollte vermieden wer3
den!“ – Tacoma3Narrows3Bridge, 1940.
Z ./B_Q1?9B^
Z]Z D'?9( ,`=;/^+`/;=)`1?` 4
Die Festigkeitslehre ist ein Grundlagenfach in allen Ingenieurwissenschaf3
ten. Sie stellt den planenden Ingenieuren Methoden zur Verfügung, mit de3
nen sie dauerhafte und gebrauchstaugliche Tragwerke mit einer ausrei3
chenden Tragsicherheit entwerfen, berechnen und bemessen können.
Im Bereich des Bauwesens ist die Festigkeitslehre ein Grundlagenfach in
der Statik, auf dem alle konstruktiven Fächer wie beispielsweise Stahlbe3
tonbau, Stahlbau, Holzbau, Mauerwerksbau oder Geotechnik aufbauen.
Mithilfe der Festigkeitslehre gelingt es,
• die Beanspruchungen im Inneren eines Bauteils infolge der einwirken3
den Lasten zu bestimmen,
• die Abmessungen der Bauteile eines Tragwerks unter Beachtung der
Festigkeit der verwendeten Werkstoffe und einer angemessenen Si3
cherheit festzulegen,
• die Beanspruchbarkeit bestehender Bauteile oder Tragwerke bei gege3
bener Geometrie und bekannten Werkstoffparametern zu ermitteln,
• und die Verformungen des Tragwerks bzw. seiner Bauteile aufgrund
der Beanspruchungen zu berechnen und gegebenenfalls durch Ände3
rung von Bauteilgeometrie und/oder Werkstoffen zu begrenzen.
Die Festigkeitslehre darf nicht als isoliertes Lehrfach begriffen werden. Sie
steht im Wechselspiel mit der Statik und liefert wichtige Grundlagen für
Statiker und Tragwerksplaner.
Bild 1.2 zeigt die Bedeutung der Festigkeitslehre während des Planungs3
prozesses eines Bauwerks. Bei allen an der Planung, Bemessung und
Konstruktion von Bauwerken Beteiligten wird ein umfassendes Verständnis
über das Tragverhalten von Bauwerken vorausgesetzt. Eigenschaften und
Grenzen der verwendeten Baustoffe müssen bekannt und die mecha3
nischen Zusammenhänge zwischen den Lasten, die auf ein Tragwerk ein3
wirken, und den Reaktionen des Tragwerks darauf wie z.B. Verformungen,
Materialversagen oder Stabilitätsversagen (Knicken, Kippen) verstanden
sein.
Im Zuge der Tragwerksplanung werden mehrere Planungsphasen durch3
laufen, in denen die Festigkeitslehre entscheidende Beiträge liefert. Bei der
Modellierung des Tragsystems müssen idealisierende, jedoch geeignete
und mechanisch sinnvolle Annahmen hinsichtlich des Werkstoffs, der Geo3
Studierende, die sich erstmalig mit
der Festigkeitslehre befassen, müs3
sen Grundkenntnisse in der Baustoff3
lehre und der Mathematik besitzen.
Sie sollten wissen, was Schnittgrö3
ßen sind und wie man sie an einfa3
chen Tragsystemen ermittelt.
1 EinführungZ[
metrie des Tragwerks sowie der Abmessungen und des Zusammenwir3
kens seiner Bauteile getroffen werden. Das dabei entstehende Tragwerks3
modell ist die Grundlage der statischen Berechnung und anschließenden
Bemessung und verlangt den Tragwerksplanern – neben praktischen Er3
fahrungen – fundierte Kenntnisse der Festigkeitslehre ab.
Tragwerksplanung
Vordimensionierung der Bauteile: Wahl der geeig3
neten Werkstoffe, Wahl der Bauteilabmessungen;
Idealisierung des realen Bauwerks
J?'^6`?+=(A"`)) (mechanisches Modell)
Idealisierung, Normenvorgaben, 2D3 oder 1D3
Modelle, Lastannahmen, Grenzwertbetrachtung
L$1B/;;^?:F`B`?(/;;)9B^
Rechenmodell und 3methode, analytisch oder
numerisch, Genauigkeit, Lastfallüberlagerung
2`(`==9B^
Sicherstellung der Tragfähigkeit, Gebrauchstaug3
lichkeit, Dauerhaftigkeit, Wirtschaftlichkeit
Objektplanung
*`@)'B;`= P&-`+;
Anforderungen des Bauherrn, Objektplanung durch
Architekten und Fachplaner, Objektpläne
Nein
<"``
39=_Q1?9B^
Spannungsermittlung, Dimensionierung der Bau3
teile und deren Querschnitte, Bestimmung der
Beanspruchbarkeit bestehender Bauteile
Nachweis der Tragfähigkeit, Nachweise zur
Gebrauchstauglichkeit, erdstatische Nachweise,
Berücksichtigung des Sicherheitskonzeptes [1]
Spannungs3Dehnungsverhalten des Baustoffes,
Verformungsberechnungen, Steifigkeit, Elastizität,
Plastizität, Stabilität
Grundlegendes Verständnis über Baumaterialen
und ihre Eigenschaften, umfassendes Verständnis
über das Tragverhalten von Bauwerken
J1`(`B "`? ,`=;/^+`/;=)`1?`
O)'B&`'?&`/;9B^
Rohbauzeichnungen, Montagepläne, Schal3 und
Bewehrungspläne, Fertigteilzeichnungen
Ja
Anforderungen erfüllt?
2/)" Z]Y Bedeutung der Festigkeitslehre während des Planungsprozesses
ZZ
Z
39_^'&` Z]Za Die Schnittgrößen ei3
nes vertikal belasteten Trägers las3
sen sich mithilfe der Gleichgewichts3
bedingungen ΣV = 0 und ΣM = 0 er3
mitteln. Stimmt das wirklich? Wenn
ja, unter welchen Bedingungen?
Fq
BH = 0Av Bv
Bei der statischen Berechnung werden Auflagerreaktionen und Schnittgrö3
ßen ermittelt. Bei statisch bestimmten Tragsystemen reichen die allgemei3
nen Gleichgewichtsbedingungen aus, um die Schnittgrößen in jedem Punkt
des Systems zu bestimmen. Dabei wird das Tragwerk als starres System
betrachtet. Diese Idealisierung muss bei statisch unbestimmten Tragsys3
temen aufgegeben werden. Die Schnittgrößen können in diesem Fall nur
dann korrekt ermittelt werden, wenn das Verformungsverhalten des Trag3
werks zutreffend beschrieben werden kann. Dazu müssen Statiker die ge3
nauen Abmessungen der Tragwerksteile und die maßgebenden Werkstoff3
parameter kennen und der statischen Berechnung zugrunde legen.
Die Schnittgrößen allein lassen jedoch keine Aussage über die Bean3
spruchbarkeit (Tragwiderstand) des Bauteils oder des Tragwerks insge3
samt zu. So wird ein typischer Holzsparren bei einer anderen Beanspru3
chung versagen als ein Doppel3T3Träger aus hochwertigem Stahl. Im Zuge
der Bemessung muss also in jedem Ort des Tragwerks geprüft werden, ob
die Beanspruchungen sicher und schadensfrei aufgenommen werden kön3
nen. Es wird der Nachweis der Tragfähigkeit geführt.
Neben den Beanspruchungen sind die Verformungen (Deformationen) von
großer praktischer Bedeutung. Ein Tragwerk und seine Bauteile sind zwar
feste, aber keine starren Gebilde. Man spricht allgemein von deformierba3
ren Körpern. Manchmal wird im Zusammenhang mit der Festigkeitslehre
auch von der „Statik deformierbarer Körper“ gesprochen. Reagiert der Kör3
per aufgrund seiner Werkstoffeigenschaften elastisch (wie z. B. eine Uhr3
feder), so wird die Festigkeitslehre auch mit dem Begriff „Elastostatik“
gleichgesetzt. Die Tragwerksplaner haben somit auch den Nachweis zu
führen, dass die Verformungen bestimmte, durch Baunormen oder Bauher3
ren vorgegebene Grenzwerte nicht überschreiten. Es wird auf diese Weise
sichergestellt, dass die Gebrauchstauglichkeit gegeben ist.
Größere Verformungen können darüber hinaus das Tragverhalten eines
stabilitätsgefährdeten Tragwerks nachteilig beeinflussen und die Tragsi3
cherheit herabsetzen. In einem solchen Fall müssen die Schnittgrößen
nicht mehr am unverformten, sondern am verformten System neu ermittelt
und die Bemessung entsprechend angepasst werden.
Werden die Anforderungen an die Tragfähigkeit und die Gebrauchstaug3
lichkeit im ersten Ansatz des Planungsprozesses nicht erfüllt, so sind ge3
gebenenfalls Konstruktionsänderungen (z. B. bei den Bauteilabmessungen
oder Werkstoffparametern) vorzunehmen (Bild 1.2). In manchen Fällen ge3lingt es, durch Verfeinerungen am Tragwerksmodell oder durch Auswahl
eines genaueren Berechnungsverfahrens bei der Schnittgrößenermittlung,
die Bemessung erfolgreich abzuschließen und damit alle Vorgaben für die
Planbearbeitung bereitzustellen.
Die Tragfähigkeit ist die Fähigkeit des
Tragwerks und seiner tragenden Tei3
le, allen auftretenden Einwirkungen
zu widerstehen, denen es während
der Errichtungs3 und Nutzungsdauer
planmäßig standhalten soll.
Die Gebrauchstauglichkeit ist die Fä3
higkeit des Tragwerks und seiner Be3
standteile, die planmäßige Nutzung
entsprechend festgelegter Bedingun3
gen zu ermöglichen.
1.1 Warum Festigkeitslehre?
1 EinführungZY
Das Erstellen eines Tragwerksmo3
dells ist eine der entscheidenden und
anspruchsvollen Aufgaben der kon3
struktiv gestaltenden Ingenieure. Die
Meinung, auch diese Aufgabe dem
Computer alleine zu überlassen, führt
in die Irre.
Bei der Einführung in die Grundlagen
der Festigkeitslehre werden vorzugs3
weise eindimensionale Tragwerks3
modelle behandelt wie
• der Zug3 bzw. Druckstab,
• der Biegebalken,
• der Torsionsstab
• und der Knickstab.
,'==`B 6/? H9='((`Ba Die Festigkeitslehre vermittelt wichtige Kenntnis3
se zur Bewältigung der oben geschilderten Aufgaben. Sie beschäftigt sich
mit deformierbaren, festen Körpern mit dem Ziel, ein Versagen eines be3
anspruchten Systems und seiner Teile durch Bruch, zu große Verformun3
gen oder Instabilität zu vermeiden.
Z]Y 5A"`))&/)"9B^
Ausgangspunkt für jeden Planungs3 und Konstruktionsprozess ist das
Tragwerksmodell. Es ist die gedankliche Umsetzung des realen Bauwerks
in ein berechenbares Modell, für das Annahmen getroffen werden im Hin3
blick auf
• einwirkende Lasten bzw. Lastkombinationen,
• das statische System und dessen Auflagerbedingungen,
• das Tragverhalten
• und das Werkstoffverhalten.
Auch wenn es heute computergestützte Rechenmethoden gibt, mit denen
die stets dreidimensionalen Bauteile auch als dreidimensionale Körpermo3
delle aufwändig berechnet werden können, so werden in der Tragwerks3
planung überwiegend zwei3 und eindimensionale Tragwerksmodelle (2D3
bzw. 1D3Modelle) gewählt. Mit ihnen lässt sich bei vertretbarem Aufwand
eine gute Abbildung der Wirklichkeit darstellen. In Bild 1.3 werden typischeTragwerksmodelle gezeigt. Sie zeichnen sich durch einen einfachen geo3
metrischen Aufbau aus.
Für besonders massive oder dickwandige Tragwerke, deren Abmessungen
in allen drei Dimensionen vergleichbare Größenordnungen erreichen, sind
aufwändige Körpermodelle notwendig. Für flächige Tragwerke, bei denen
die Längenabmessungen die Dicke weit übersteigen, werden zweidimensi3
onale Modelle mit geringer Wandstärke eingesetzt. Typische Flächentrag3
werke sind Platten, Scheiben und Faltwerke sowie – in gekrümmter Form –
die Schalen. Für diese Modelltypen werden wegen der geringen Wand3
stärke Näherungsvoraussetzungen getroffen. Sie ermöglichen eine sinnvoll
vereinfachte, aber dennoch ausreichend genaue Berechnung sowie eine
anschauliche Ergebnisinterpretation.
Eindimensionale Tragwerksmodelle, bei denen die Längenausdehnung die
Querabmessungen um ein Vielfaches übertrifft, werden auch als Linien3
tragwerke bezeichnet. Typische Modelltypen sind in dieser Gruppe die
Stabtragwerke (Druck3 oder Zugstab, Biegeträger, Torsionsstab). Bei kom3
plexeren Tragwerken müssen die vorgestellten Modelle kombiniert werden.
Ein Beispiel ist der Rahmen, der sich aus biegebeanspruchten Riegeln und
ZX
Z
8:?@`?;?'^6`?+: (3D3Modell)
(z.B. Maschinenfundament) ,)!$1`B;?'^6`?+: (2D3Modell)
O)';;` (z.B. Geschossdecke)
,)!$1`B;?'^6`?+: (2D3Modell)
,');6`?+ (z.B. Behälter)
,)!$1`B;?'^6`?+: (2D3Modell)
L$1`/&` (z.B. Treppenhauswand)
L;'&;?'^6`?+: (1D3Modell)
2')+`B (z.B. Kranbahnträger,
Teile eines Trägerrostes)
L;'&;?'^6`?+: (1D3Modell)
0?9$+CE U9^=;'& (z.B. Stütze, Fachwerkstab)�
�
�
z
�
}
}
}
z
�x y zL L L≈ ≈
x y zL L L≈ >>
x y zL L L≈ >>
x z yL L L≈ >>
x y zL L L>> ≈
x y zL L L>> ≈
�
2/)" Z]X Typische Tragwerksmodelle
Stützen zusammensetzt. Durch die Dimensionsreduktion bei 2D3 bzw. 1D3
Modellen entstehen die spezifischen Scheiben3, oder Plattentheorien bzw.
Stab3 und Balkentheorien, die in der Statik näher behandelt werden. Durch
diese Reduktion wird das Tragverhalten durch charakterisierende Begriffe
wie Dehnung, Biegung, Torsion, Schub, Verwölbung oder Knicken be3
schreibbar.
,'==`B 6/? H9='((`Ba Tragwerksplaner müssen Tragwerksmodelle ent3
wickeln, um die Realität berechenbar zu machen. Dabei sind Annahmen zu
treffen und Vereinfachungen in Kauf zu nehmen. Typische Tragwerksmo3
delle sind Flächen3 und Stabmodelle. Die Analyse des Tragverhaltens die3
ser Modelle erfolgt heute mithilfe des Computers.
1.2 Modellbildung
1 EinführungZW
(1)
a) Direkte Einwirkungen (äußere Kraftgrößen) b) Indirekte Einwirkungen (äußere Verformungsgröße)
T = ½ * (t1 + t2)
t1 – t2 = Yt ⋅⋅⋅⋅ h
Yw
YT
Verdrehung des Auflagers Verschiebung des Auflagers
h
Gleichmäßige Temp.3änderung T Ungleichmäßige Temp.3änderung ¯t
(2)
t1 = t2
(1)
(2) t1 ≠ t2
(1)
(2)
t2
t1
eingeprägte Kräfte
q Fn
eingeprägte Momente
mM
'K &K
2/)" Z]W Ursachen für verschiedene Einwirkungen
Als indirekte Einwirkungen werden
auch das Kriechen (Formänderung
des Materials mit dem Ziel, sich einer
dauerhaft wirkenden Beanspruchung
zu entziehen) und das Schwinden
(Schrumpfung durch Austrocknung)
angesehen.
Z]X ./B6/?+9B^`BE 2`'B=@?9$19B^`B
Aus der Statik ist der Begriff Einwirkung bekannt. Es handelt sich hierbei
meist um eine auf das Tragwerk einwirkende Last (Kraftgröße), die auch
als direkte Einwirkung bezeichnet wird. Daneben gibt es indirekte Ein3
wirkungen, die dem Tragwerk eine Verformung (Verdrehung oder Ver3
schiebung) aufzwingen (Bild 1.4).
Typische indirekte Einwirkungen sind Temperaturänderungen, Tempera3
turdifferenzen zwischen Unter3 und Oberseite eines Bauteils oder unglei3
che Setzungen an den Auflagern. Bei statisch unbestimmten Tragsyste3
men entstehen aufgrund der Verformungsbehinderungen so genannte
Zwangsschnittgrößen, die mit der gleichen Wertigkeit wie die Schnittgrö3
ßen aus direkt einwirkenden Lasten behandelt werden müssen. Bild 1.4zeigt – nach der Ursache unterteilt – verschiedene Einwirkungen.
Bei Einwirkungen unterscheidet man neben der Ursache auch nach der Art
der Wirkung. So ist eine vorwiegend ruhende Einwirkung eine Einwirkung,
die keine (wesentlichen) Beschleunigungen des Tragwerks oder des Bau3
teils hervorruft. Typische Einwirkungen dieser Art sind:
• ständige oder zeitlich unveränderliche Einwirkungen wie Eigengewicht,
Erddruck oder Vorspannung,
¯t = t1 d t2
ZV
Z
39_^'&` Z]Ya Wie müssen die Last3
fälle in Bild 1.5 kombiniert werden,
um die maßgebende Auflagerkraft
des rechten Lagers zu erhalten?
LF 1: veränderliche Streckenlast LF 2: veränderliche Einzellast 1 LF 3: veränderliche Einzellast 2
Feld 1 Feld 2
Grenzmomentenverläufe:
LF 1 + LF 2
LF 2
LF 3
qF1 F2
Momentenverläufe:
LF = Lastfall
2/)" Z]V Ermittlung der maßgebenden Beanspruchung durch Lastfallkombinationen
• zeitlich veränderliche Einwirkungen wie Nutzlasten aus Verkehr und
Lagerung, Schnee3 oder Windlasten. Obwohl zeitlich veränderlich, so
werden diese Einwirkungen für die Tragwerksplanung dennoch als
vorwiegend ruhende Einwirkungen angesehen.
Bei dynamischen Einwirkungen handelt es sich um stoßende oder sich
häufig wiederholende Belastungen, die wesentliche Beschleunigungen her3
vorrufen wie z.B. Kranbahnlasten.
Eine Einwirkung kann allein oder gleichzeitig in Kombination mit anderen,
von ihr unabhängigen Einwirkungen auftreten. Man spricht dann von einer
Einwirkungskombination. Als Folge der gleichzeitig zu betrachtenden Ein3
wirkungen bzw. einer Einwirkungskombination ergibt sich die Beanspru3
chung des Tragwerks oder seiner Teile oder die Beanspruchung an einem
betrachteten Ort (Querschnitt) des Tragwerks.
Ein für die Bemessung maßgebender Wert einer Beanspruchung lässt sich
mithilfe der ungünstigsten Einwirkungskombination bestimmen. Diese
muss den Kombinationsregeln der einschlägigen Baunormen gehorchen.
In Bild 1.5 wird dieser Hergang exemplarisch an einem Biegeträger ge3
zeigt, allerdings ohne auf weiterführende Regeln des Sicherheitskonzepts
nach DIN EN 1990:2012312 im Hinblick auf die Bemessung einzugehen.
1.3 Einwirkungen, Beanspruchungen
Einwirkungskombination: Im Hinblick auf die maximale(positive) Biegebeanspruchung in Feld 1 führt die Über3lagerung der Lastfälle LF1 und LF2 zur maßgebendenBeanspruchung. LF3 wirkt in diesem Fall entlastend undmuss nur dann berücksichtigt werden, wenn die maß3gebenden negativen Biegemomente ermittelt werdensollen.
1 EinführungZT
¿¥¹
f}
M�Mz
M}
Stabachse
�z
}
�z
}
PositivesSchnittufer
Stabanfang
�z
}
Çm
Çm
Positives
Schnittufer
Negatives
Schnittufer
� å
Schnittstelle
Biegemomente My, Mz und
Torsionsmoment Mx (z.B. in kNm)
Querkräfte Vy, Vz und
Normalkraft N (z.B. in kN)
2/)" Z]T Definition positiver Schnittgrößen am Stabtragwerk
39_^'&` Z]Xa In Bild 1.3 sind einige
Stabtragwerke (also 1D3Modelle) un3
ter besonderen Beanspruchungen
dargestellt. Welche Schnittgrößen er3
geben sich bei diesen Systemen zu
null und müssen nicht weiter beach3
tet werden?
Z]W L$1B/;;^?:F`BE L@'BB9B^`B
Ein Maß für die Beanspruchung auf der Ebene des Tragwerkmodells sind
die Schnittgrößen. Bei Stabtragwerken sind es im allgemeinen Fall die
Längs3 oder Normalkraft N, die Querkräfte Vy und Vz sowie das Torsions3
moment Mx um die Längsachse des Stabes und die beiden Biegemomente
My und Mz (vgl. Bild 1.6). Wirkt eine besondere Belastung in einer Ebene
bzw. in einer Richtung, so ergeben sich bestimmte Schnittgrößen zu null.
Die Festlegung, was positive oder negative Schnittgrößen sind, erfolgt mit3
hilfe eines am Tragwerk ausgerichteten Koordinatensystems und der Posi3
tivdefinition der Schnittufer. Schnittgrößen sind dann positiv, wenn sie am
positiven Schnittufer im positiven Sinne des Koordinatensystems wirken.
Das positive Schnittufer einer Schnittstelle ist jenes, das man vom Ur3
sprung ausgehend zuerst erreicht. Die Einführung von Schnittstellen ist ei3
ne Methode der Statik (Schnittprinzip), um Beanspruchungen an einer be3
liebigen Stelle des Tragwerkmodells „sichtbar“ und damit berechenbar zu
machen.
Alle Schnittgrößen beziehen sich bei Stabtragwerken auf die Stabachse,
die eine Idealisierung des dreidimensionalen Bauteils darstellt. Die Schnitt3
größen werden auch als innere Kräfte bezeichnet und stehen mit den äu3
ßeren Kräften (einwirkende Lasten und Auflagerreaktionen) im Gleichge3
wicht. Sie wirken auf die gesamte Schnittfläche und verteilen sich nach
mechanischen Gesetzmäßigkeiten in Abhängigkeit von der Querschnitts3
geometrie und den Werkstoffparametern.
ZS
Z
Spannungen mit positivem Vorzei3
chen nennt man Zugspannungen.
Sie dehnen das Material. Negative
Spannungen sind Druckspannungen,
die das Material zusammenpressen.
a
Spannungstrajektorien: Sie geben Richtung undGröße der Spannung am betrachteten Ort an.
Tragwerksmodell: Einfeldträger mit Einzellasten in denViertelspunkten
Rechenmodell, mit dem das Tragwerksmodell auf derBasis einer geeigneten Rechenmethode analysiert wird.
FF
Spannungsverteilung der horizontalenSpannungen über die Balkenhöhe.
Druckspannungen (schwarz)
Zugspannungen (rot)
MZK MYK
Fqa
=Fqa
=MZK MYK
2/)" Z]S Innerer Kraftfluss in einem Einfeldträger unter Querkraftbiegung, berechnet mit einem Scheibenmodell
Der je Flächeneinheit wirkende Kraftanteil dieser Schnittgrößen wird als
Spannung bezeichnet und ist ein Maß für die Beanspruchung im Körperin3
neren des (realen) Tragwerks.
2 2 2
Kraftanteil kN N MNSpannung = ; ;
Flächeneinheit cm mm m
Die Flächeneinheit kann sich aus einer endlichen Querschnittsfläche, einer
Teilfläche im Schnitt oder aus einer infinitesimal kleinen Schnittfläche bil3
den. Mathematisch korrekt wird deshalb die Spannung als Differenzialquo3
tient aus innerer Kraft dF und zugehöriger Fläche dA beschrieben; es gilt:
dSpannung
d
FA
=
Die Spannung ist ebenso wie die Kraft ein Vektor. Sie ist eindeutig durch
die Wirkungslinie, den Betrag und ihren Richtungssinn definiert. Stellt man
derartige Spannungsvektoren für verschiedene Schnitte und Querschnitts3
punkte zeichnerisch zusammen, so wird der innere Kraftfluss in einem
Tragwerk deutlich. Bild 1.7 zeigt einen solchen Zustand für einen durch
zwei Einzellasten beanspruchten Einfeldträger.
1.4 Schnittgrößen, Spannungen
1 EinführungZ%
"à
"î
In Richtung der Normalen > In tangentialen Richtungen õ und %Schnittebene
� Ç
>
õ
%
"à>
"î>
õ
%
Ç
"àõ
"î>
õ
%
"à%
"î>
õ
%d
dh
hFA
τ =d
dv
vFA
τ =d
dnFA
σ =
2/)" Z]% Zerlegung des Spannungsvektors in drei orthogonale Spannungskomponenten
σσσσ¹
¿
¹
¼
σσσσ¿
σσσσ¼ττττ¿¼
ττττ¿¹
ττττ¼¿
ττττ¼¹ ττττ¹¿ττττ¹¼
Positive x3Schnittflächeparallel zur y3z3Ebene
Positive y3Schnittflächeparallel zur x3z3Ebene
Positive z3Schnittflächeparallel zur x3y3Ebene
Hinweis: NegativeSchnittufer verdeckt
2/)" Z]# Positive Spannungskomponenten am Volumenelement
39_^'&` Z]Wa Durch die perspekti3
vische Darstellung in Bild 1.9 sind dienegativen Schnittufer nicht zu sehen.
Stellen Sie alle neun positiven Span3
nungskomponenten an den nega3
tiven Schnittufern in einer eigenen
Skizze dar.
Für die weitere Betrachtung der Spannungen ist es üblich, den Span3
nungsvektor in seine Komponenten zu zerlegen. Die Komponente, die
senkrecht (normal) zur Schnittfläche steht, wird als Normalspannung σ, diein der Schnittfläche liegende Komponente als Tangentialspannung τ (auchals Schubspannung oder Scherspannung) bezeichnet (Bild 1.8). Die Tan3
gentialspannung τ wird darüber hinaus in zwei senkrecht zueinander ste3
hende Komponenten τv und τh zerlegt, wenn das Bezugskoordinaten3
system dieses erfordert.
Wird aus einem allgemein beanspruchten Körper ein Würfel mit infinitesi3
malem Volumen und beliebiger Raumorientierung herausgeschnitten, so
ergeben sich in jeder Schnittfläche eine Normalspannung und zwei Tan3
gentialspannungen. Zur Unterscheidung ihrer Wirkungsrichtung erhalten
die Normalspannungen die Richtungsindizes x, y und z.
Die Tangentialspannungen werden, da sie paarweise pro Schnittfläche vor3
liegen, doppelt indiziert. Der 1. Index gibt die Richtung der Flächennorma3
len, der 2. Index die Richtung der jeweiligen τ 3Spannung an (Bild 1.9).
Z#
Z
¿
¹
+ ττττ¿¹
+ ττττ¹¿
Positive Schnittflächen (positiveSchnittufer) senkrecht zur x3z3Ebene
+ ττττ¿¹
+ ττττ¹¿
dx
ττττ¹¿ Ë ττττ¿¹
Aus GleichgewichtbedingungΣMo = 0 folgt:
dz
0
+ σσσσ¿+ σσσσ¿
+ σσσσ¹
+ σσσσ¹
2/)" Z]Z[ Gleichheit zugeordneter Tangentialspannungen
39_^'&` Z]Va In Bild 1.7 ist der inne3
re Kraftfluss eines Einfeldbalkens un3
ter zwei Einzellasten in den Viertels3
punkten dargestellt. Gibt es bei die3
sem Balken Bereiche, in denen ein
einachsiger Spannungszustand vor3
herrscht?
Durch die Verwendung der Buchsta3
ben σ und τ wird der Eindruck er3
weckt, als ob es sich um verschie3
denartige Spannungen handelt. Nor3
mal3 und Tangentialspannungen sind
gleichartige Komponenten einer re3
sultierenden Spannung. Die Zerle3
gung in σ3 und τ 3Spannungen ist le3diglich eine Frage der Schnittführung.
In Abschn. 7.2 werden die Spannun3
gen ein weiteres Mal eine besondere
Rolle spielen. Wir werden die Span3
nungen unter anderen Schnittwinkeln
betrachten und auf andere Bezugs3
koordinatensysteme transformieren.
Dabei werden wir auch die soge3
nannten Hauptspannungen kennen
lernen.
Die Festlegung der Vorzeichendefinition ergibt sich aus der Lage der
Schnittufer in Bezug auf das Koordinatensystem und den Richtungssinn
der Spannungskomponenten. Spannungen sind dann positiv, wenn sie am
positiven Schnittufer in Richtung der positiven Koordinatenachsen des Be3
zugssystems wirken. Am negativen Schnittufer weisen positive Spannun3
gen in entgegengesetzte Richtungen.
Wie aus Bild 1.9 ersichtlich, ergeben sich insgesamt neun Spannungskom3ponenten. Durch Gleichgewichtsbetrachtungen lässt sich belegen, dass
zwei aufeinander zulaufende Tangentialspannungen an benachbarten
Schnittufern gleichen Vorzeichens gleich groß sind. Bild 1.10 zeigt dies fürdie x&z3Ebene. Es gilt generell:
i j jiτ τ= (1.1)
Ein allgemeiner dreiachsiger (räumlicher) Spannungszustand lässt sich
somit durch sechs voneinander unabhängige Spannungskomponenten be3
schreiben:
, , , , ,T
x y z xy yz zxσ σ σ σ τ τ τ = '
(1.2)
Sind in besonderen Fällen zwei gegenüberliegende Schnittufer spannungs3
frei (Bild 1.11), so spricht man von einem zweiachsigen (ebenen) Span3
nungszustand. Ein solcher Spannungszustand ist typisch für eine Scheibe,
die nur in ihrer Ebene Lasten aufzunehmen hat. Quer zur Scheibenebene
wirken weder Lasten, noch liegen hier Verformungsbehinderungen vor. Ein
einachsiger Spannungszustand ist typisch für einen Stab unter einer Zug3
oder Druckbeanspruchung. Hier tritt nur in der Schnittfläche normal zur
Stabachse eine von null verschiedene σ 3Spannung auf (Bild 1.11). Glei3ches trifft auch für einen Balken unter reiner Biegung zu.
1.4 Schnittgrößen, Spannungen
!
1 EinführungY[
σσσσ¹
¿
¹
¼
σσσσ¿
ττττ¿¹
ττττ¹¿
¿
¹
¼
σσσσ¿
.&`B`? Spannungszustand(für x3z3Ebene dargestellt)
./B'$1=/^`? Spannungszustand(für x3Richtung dargestellt)
x
z
xz
σσ σ
τ
=
'xσ σ=
'
2/)" Z]ZZ Zweiachsiger und einachsiger Spannungszustand
Eine Druckbeanspruchung führt zu
einer Verkürzung des Körpers. Die
Dehnung ist negativ und wird als
Stauchung bezeichnet.
,'==`B 6/? H9='((`Ba Spannungen sind ein Maß für die Beanspruchun3
gen im Körperinneren. Sie werden nach Maßgabe der Schnittführung je
Schnittfläche unterteilt in eine Normalspannungs3 und zwei Tangential3
spannungskomponenten. Schnittgrößen sind ein Maß für die Beanspru3
chungen auf der Ebene des Tragwerkmodells. Sie repräsentieren den
Spannungszustand der Querschnittsfläche in Form von Spannungsresultie3
renden.
Z]V G`?H`??9B^`BE G`?_A?(9B^`B
Last3 und Temperatureinwirkungen führen zu einer Formänderung des
Tragwerks und seiner Bauteile. Formänderungen werden z.B. sichtbar als
Durchbiegung eines Balkens, als eine Verdrehung eines Trägers an einem
gelenkigen Auflager oder als eine Längenänderung eines Zugstabes. Sie
sind das Resultat von Verzerrungen, die sich an jedem Ort im Inneren des
Tragwerks in Abhängigkeit vom jeweils herrschenden Spannungszustand
einstellen.
Verzerrungen sind Formänderungen eines infinitesimalen Körpers und eine
Reaktion auf die Spannungen, die auf ihn wirken. Verzerrungen werden
nach Dehnung ε und Gleitung γ unterschieden. Als Dehnung wird das Ver3hältnis zwischen der Längenänderung des Körpers in Richtung einer Nor3
malspannung und seiner ursprünglichen Länge im spannungsfreien Zu3
stand bezeichnet (relative Längenänderung; Bild 1.12). Von einer Gleitungspricht man, wenn sich der Körper infolge einer Tangentialspannung rau3
tenartig deformiert (relative Winkeländerung; Bild 1.13).
Betrachten wir zunächst die Dehnung. Sie lässt sich an einem Zugstab mit
konstantem Querschnitt unter zentrischer und gleich bleibender Normal3
kraft anschaulich herleiten. Unter der Normalkraftbeanspruchung längt sich