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© 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 2/2010 (41) | Phys. Unserer Zeit | 97 | MAGAZIN Chladni-Figuren finden sich heute in fast allen Science Centern. Dabei be- streicht man eine Metallplatte mit ei- nem Geigenbogen, so dass – mit etwas Geschick – auf der Oberfläche befind- licher Sand eine geometrische Figur formt. Den meisten Menschen ist da- bei wohl nicht bewusst, wie viele ver- schiedenartige Formen sich prinzipiell erzeugen lassen. Auch über die Per- son, nach dem die Figuren benannt sind, wissen nur wenige Bescheid. Chladni hatte zunächst Jura stu- diert. Nach seiner Promotion und dem Tod des Vaters entschied er sich aber für eine Beschäftigung mit der Naturforschung. Er hielt Vorlesungen und forschte insbesondere im Be- reich der Akustik [1]. Dabei machte er bei verschieden geformten Platten Schwingungen durch Sand sichtbar – eine Art der Demonstration, die ver- mutlich durch Lichtenbergs Staub- figuren inspiriert wurde (Physik in unserer Zeit 2009, 40 (4), 210). Chladni konnte eine Reihe von Staubfiguren realisieren und nutzte diese, um eine Theorie der Akustik und der Schwingungen zu entwickeln, wobei er erstmals auch Longitudinal- schwingungen beschrieb. Die von ihm entwickelten Visuali- sierungen der Schwingungen werden heute noch beim Bau von Saiten- instrumenten verwendet. Daneben haben die Chladnischen Klangfiguren eine unerwartete Aktualität in der physikalischen Forschung erfahren: In den letzten Jahren wurde in einer Reihe von Arbeiten auf die Analogie des Verhaltens schwingender Platten zum Quantenbillard hingewiesen (Physik in unserer Zeit 1993, 24 (5), 200 sowie [2]). Ab 1791 unternahm Chaldni Vortragsreisen, bei denen er sowohl seine wissenschaftlichen Ergebnisse als auch ein von ihm entwickeltes Musikinstrument vorstellte. Hiermit finanzierte er seinen Lebensunterhalt. Er kann also als ein später Vertreter der reisenden wissenschaftlichen Demonstratoren aufgefasst werden, die insbesondere in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts häufig auftraten. 1794 veröffentliche Chladni seine Abhand- lung über Meteorite [3]. Darin vertrat er die Auffassung, dass die optischen Erschei- nungen (Meteore), die bislang eher als atmo- sphärischer Effekt gesehen wurden, von extraterres- trischen Objek- ten verursacht wurden, die in die Atmosphä- re eindringen. Auch wenn diese Theorie zunächst kritisiert wurde, stützten die in einigen Fällen aufgefundenen Steine Chladnis These. Diese enthiel- ten elementares Eisen und Nickel, was beides auf der Erde nur selten vorkam. Chladnis These setzte sich deshalb zu Beginn des 19. Jahrhun- derts zunehmend durch. Heute gelten Meteorite als wich- tige kosmische „Archive“, die eine Fülle von Informationen über die Entstehung des Sonnensystems ent- halten. So findet man darin präsolare Körnchen, die von fernen Sternen stammen und vor der Entstehung des Sonnensystems in den solaren Ur- nebel eindrangen (Physik in unserer Zeit 2009, 40 (6), 282). Literatur [1] D. Ullmann, Chladni und die Entwicklung der Akustik von 1750–1860, Science Networks. Historical Studies 19, Birkhäuser, Basel 1996. [2] H.-J. Stöckmann, Physik Journal 2006, 5 (11), 47. [3] E. F. F. Chladni, Über den kosmischen Ursprung der Meteorite und Feuerkugeln, 1794, Ostwalds Klassiker 258. Internet www.phys.unsw.edu.au/jw/chladni.html echo.mpiwg-berlin.mpg.de/ECHOdocuView/ ECHOzogiLib?url=/mpiwg/online/permanent/ library/ZNY6Q9FN/index.meta&pn=9&mode= texttool iwk.mdw.ac.at/Forschung/pdf_dateien/ 2000d_Zopf_Diplomarbeit.pdf Peter Heering, Uni Flensburg PHYSIK GESTERN UND HEUTE | Figuren aus Sand Ernst Florens Friedrich Chladni (1756 – 1827) wird meistens mit der Entwicklung der Akustik in Verbindung gebracht. Manche Menschen assoziieren seinen Namen aber auch mit dem Verständnis von Meteo- riten als extraterrestrische Objekte. Was für eine Person konnte sich lange Jahre mit der Herstellung und Vorführung von Staubfiguren be- schäftigen und gleichzeitig astronomische Überlegungen anstellen? Abb. 2 Chaldnische Klangfiguren zeichnen sich auf dieser dünnen Metallplatte ab. Diese wurde in der Mitte fixiert, mit feinem Sand bestreut und dann Schallwellen ausgesetzt (Foto: The MIT Department of Physics Technical Services Group). Abb. 1 Ernst Florens Friedrich Chladni ( * 30. November 1756 in Wittenberg; † 3. April 1827 in Breslau).

Figuren aus Sand

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Page 1: Figuren aus Sand

© 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 2/2010 (41) | Phys. Unserer Zeit | 97

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Chladni-Figuren finden sich heute infast allen Science Centern. Dabei be-streicht man eine Metallplatte mit ei-nem Geigenbogen, so dass – mit etwasGeschick – auf der Oberfläche befind-licher Sand eine geometrische Figurformt. Den meisten Menschen ist da-bei wohl nicht bewusst, wie viele ver-schiedenartige Formen sich prinzipiellerzeugen lassen. Auch über die Per-son, nach dem die Figuren benanntsind, wissen nur wenige Bescheid.

Chladni hatte zunächst Jura stu-diert. Nach seiner Promotion unddem Tod des Vaters entschied er sichaber für eine Beschäftigung mit derNaturforschung. Er hielt Vorlesungenund forschte insbesondere im Be-reich der Akustik [1]. Dabei machteer bei verschieden geformten PlattenSchwingungen durch Sand sichtbar –eine Art der Demonstration, die ver-mutlich durch Lichtenbergs Staub-figuren inspiriert wurde (Physik inunserer Zeit 2009, 40 (4), 210).

Chladni konnte eine Reihe vonStaubfiguren realisieren und nutztediese, um eine Theorie der Akustik

und der Schwingungen zu entwickeln,wobei er erstmals auch Longitudinal-schwingungen beschrieb.

Die von ihm entwickelten Visuali-sierungen der Schwingungen werdenheute noch beim Bau von Saiten-instrumenten verwendet. Danebenhaben die Chladnischen Klangfigureneine unerwartete Aktualität in derphysikalischen Forschung erfahren:In den letzten Jahren wurde in einerReihe von Arbeiten auf die Analogiedes Verhaltens schwingender Plattenzum Quantenbillard hingewiesen(Physik in unserer Zeit 1993, 24 (5),200 sowie [2]).

Ab 1791 unternahm ChaldniVortragsreisen, bei denen er sowohlseine wissenschaftlichen Ergebnisseals auch ein von ihm entwickeltesMusikinstrument vorstellte. Hiermitfinanzierte er seinen Lebensunterhalt.Er kann also als ein später Vertreterder reisenden wissenschaftlichenDemonstratoren aufgefasst werden,die insbesondere in der zweitenHälfte des 18. Jahrhunderts häufigauftraten.

1794 veröffentlicheChladni seine Abhand-lung über Meteorite[3]. Darin vertrat erdie Auffassung, dassdie optischen Erschei-nungen (Meteore), diebislang eher als atmo-sphärischer Effektgesehen wurden,von extraterres-trischen Objek-ten verursachtwurden, die indie Atmosphä-re eindringen.Auch wenn dieseTheorie zunächstkritisiert wurde, stütztendie in einigen Fällen aufgefundenenSteine Chladnis These. Diese enthiel-ten elementares Eisen und Nickel,was beides auf der Erde nur seltenvorkam. Chladnis These setzte sichdeshalb zu Beginn des 19. Jahrhun-derts zunehmend durch.

Heute gelten Meteorite als wich-tige kosmische „Archive“, die eineFülle von Informationen über dieEntstehung des Sonnensystems ent-halten. So findet man darin präsolareKörnchen, die von fernen Sternenstammen und vor der Entstehung desSonnensystems in den solaren Ur-nebel eindrangen (Physik in unsererZeit 2009, 40 (6), 282).

Literatur[1] D. Ullmann, Chladni und die Entwicklung

der Akustik von 1750–1860, ScienceNetworks. Historical Studies 19, Birkhäuser,Basel 1996.

[2] H.-J. Stöckmann, Physik Journal 2006, 5(11), 47.

[3] E. F. F. Chladni, Über den kosmischenUrsprung der Meteorite und Feuerkugeln,1794, Ostwalds Klassiker 258.

Internetwww.phys.unsw.edu.au/jw/chladni.htmlecho.mpiwg-berlin.mpg.de/ECHOdocuView/ECHOzogiLib?url=/mpiwg/online/permanent/library/ZNY6Q9FN/index.meta&pn=9&mode=texttooliwk.mdw.ac.at/Forschung/pdf_dateien/2000d_Zopf_Diplomarbeit.pdf

Peter Heering,Uni Flensburg

PH YS I K G E S T E R N U N D H EU T E |Figuren aus SandErnst Florens Friedrich Chladni (1756 – 1827) wird meistens mit derEntwicklung der Akustik in Verbindung gebracht. Manche Menschenassoziieren seinen Namen aber auch mit dem Verständnis von Meteo-riten als extraterrestrische Objekte. Was für eine Person konnte sichlange Jahre mit der Herstellung und Vorführung von Staubfiguren be-schäftigen und gleichzeitig astronomische Überlegungen anstellen?

Abb. 2 Chaldnische Klangfiguren zeichnen sich auf dieser dünnen Metallplatte ab.Diese wurde in der Mitte fixiert, mit feinem Sand bestreut und dann Schallwellenausgesetzt (Foto: The MIT Department of Physics Technical Services Group).

Abb. 1 Ernst FlorensFriedrich Chladni (* 30. November 1756in Wittenberg; † 3. April 1827 inBreslau).