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Förderung von Pädophilie durch die Grünen? > Fragen und Antworten zum Bericht der Kommission Aufarbeitung der Haltung des Landesverbandes Bündnis 90/Die Grünen Berlin zu Pädophilie und sexualisierter Gewalt gegen Kinder von der Gründungsphase bis in die 1990er Jahre < vom 21. Mai 2015 Anmerkungen auf dem Hintergrund von Erinnerungen aus der Gründungszeit der grünen Partei und von aktuellen Meldungen zur Sexualität, Familie, Erziehung, Ökonomie und Demokratie. „Tagebuch“ einer gedanklichen Wanderung von Tristan Abromeit geschrieben Ende Mai Anfang Juni 2015 www.tristan-abromeit.de Haupttext 138.0 Anhang Text 138.2 Bündnis 90 DIE GRÜNEN Sommerakademie im Internet Kurs 1: Wann und wo? Die Wurzeln der Grünen, das Vorfeld, die Bewegungen der 70er und 80er Jahre, die Geschichte der Gründung, die Geschichte der Grünen in Niedersachsen Referent: Jonny Peter, Jahrgang 1954, Soziologe, Referent für Öffentlichkeitsarbeit in der Landtagsfraktion

Förderung von Pädophilie durch die Grünen?¼ne.Niedersachsen.pdf · Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 5/22 destagswahl am 5. Oktober 1980 traten Die Grünen

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Förderung von Pädophilie durch die Grünen? > Fragen und Antworten zum Bericht der Kommission Aufarbeitung

der Haltung des Landesverbandes Bündnis 90/Die Grünen Berlin zu Pädophilie undsexualisierter Gewalt gegen Kinder von der Gründungsphase bis in die 1990er Jahre <

vom 21. Mai 2015

Anmerkungen

auf dem Hintergrund von Erinnerungen aus der Gründungszeit der grünen Parteiund von aktuellen Meldungen zur Sexualität, Familie, Erziehung, Ökonomie und Demokratie.

„Tagebuch“ einer gedanklichen Wanderung

von Tristan Abromeit

geschrieben Ende Mai Anfang Juni 2015

www.tristan-abromeit.de

Haupttext 138.0

Anhang

Text 138.2

Bündnis 90 DIE GRÜNENSommerakademie im Internet

Kurs 1: Wann und wo?Die Wurzeln der Grünen, das Vorfeld,die Bewegungen der 70er und 80er Jahre,die Geschichte der Gründung,die Geschichte der Grünen in NiedersachsenReferent:Jonny Peter, Jahrgang 1954, Soziologe,Referent für Öffentlichkeitsarbeit in der Landtagsfraktion

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 1/22

Kurs 1: Wann und wo? Die Wurzeln der Grünen, das Vorfeld,

die Bewegungen der 70er und 80er Jahre, die Geschichte der Gründung,

die Geschichte der Grünen in Niedersachsen

Referent:

Jonny Peter, Jahrgang 1954, Soziologe, Referent für Öffentlichkeitsarbeit in der Landtagsfraktion

Kontakt: [email protected]

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 2/22

Inhaltsverzeichnis

Referent: ..................................................................................................................... 1

Inhaltsverzeichnis......................................................................................................... 2

Kursziele ...................................................................................................................... 3

Geschichte der Grünen in Niedersachsen...................................................................... 3 Grüne Wurzeln..................................................................................................................................... 3 Gründung der Umweltschutzpartei Niedersachsen und der Grünen Liste Umweltschutz 1977 ............. 3 Erste Teilnahme an Landtagswahlen 1978............................................................................................ 4 1979 Gründung der Partei „Die Grünen"............................................................................................. 4 Gründung der Bundespartei Die Grünen und Bundestagswahl 1980 .................................................... 4 Kommunalwahl in Niedersachsen 1981, erste Grüne im Landtag 1982 ................................................ 5 Bundestagswahl 1983 und Europawahl 1984....................................................................................... 6 Landtagsgrüne auf dem Sprung 1986-1990......................................................................................... 6 Bundestagswahl 1987, Wiedervereinigung und Vereinigung Bündnis 90/Die Grünen 1993................. 6 Grün regiert in Niedersachsen 1990-1994............................................................................................ 7 Grüne Jugend und Bundestagswahl 1994 ............................................................................................ 7 Opposition gegen Schröder 1994-1998 in Niedersachsen .................................................................... 7 Ein neuer Anlauf 1998-2003 ................................................................................................................ 7 Bundestagswahlen 1998 und 2002 ...................................................................................................... 8 Augen auf und durch: 2003 bis 2008................................................................................................... 9

Links.......................................................................................................................... 10

Literaturempfehlung .................................................................................................. 10

Hintergrundmaterial .................................................................................................. 11 Grüne Eintracht Niedersachsen von Christoph Hohlfeld ..................................................................... 11 Beispiel eines politischen Lebenslaufes einer Grünen-Abgeordneten: Rebecca Harms......................... 16 Interview mit Jürgen Trittin - Auszug aus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 25 Jahre Grüne Geschichte(n), Berlin 2004:........................................................................................................................................ 19

Übung....................................................................................................................... 22

Abschlussprüfung: ..................................................................................................... 22

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 3/22

Kursziele

Anhand des Textes zur Geschichte der Grünen in Niedersachsen soll die Entstehung der Grünen als parlamentarischer Arm der Protestbewegungen der siebziger und achtziger Jahre deutlich werden, der Wandel im Laufe der immerhin fast 25 Jahre und der Weg in die Parlamente mit - zeitweise – Regierungsbeteiligung in Niedersachsen. Die beigefügten Texte vertiefen dies und zeigen „typische“ Lebensläufe Grüner Aktivisten.

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Geschichte der Grünen in Niedersachsen

Grüne Wurzeln

Die Grünen sind Erben des politischen Protests seit 1968. Damals bildete sich in Westdeutsch-land die Außerparlamentarische Opposition, die gegen die politischen und gesellschaftlichen Verkrustungen der Nachkriegsära protestierte. Anfang der siebziger Jahre entwickelten sich die Neuen Sozialen Bewegungen, von denen sich vor allem die Ökologie- und Alternativbewegung, die Anti-Atomkraft-Bewegung und die Friedens- sowie Frauenbewegung an der Bildung grüner Listen beteiligten. In den grünen Listen vereinten sich Menschen unterschiedlichster politischer Herkunft. Die Spannbreite umfasste konservative, liberale, radikaldemokratische, antikapitalisti-sche, sozialistische, kommunistische und andere politische Tendenzen. Niedersachsen ist in gewisser Hinsicht „grünes Stammland“. Hier bildeten sich nach Schleswig-Holstein die ersten grünen Listen auf lokaler Ebene. In Niedersachsen gründeten sich 1976 meh-rere Bürgerinitiativen, als der Plan für eine zentrale Atommüllwiederaufbereitungsanlage und Endlagerstätte bekannt wurde. Nachdem sich bei Großdemonstrationen der Anti-Atomkraft-Bewegung in Gorleben und Grohnde die Grenzen außerparlamentarischen Protests abgezeich-net hatten, schlossen sich viele Akteure dieses politischen Protests in einer Partei zusammen.

Gründung der Umweltschutzpartei Niedersachsen und der Grünen Liste Umweltschutz 1977

Am 11. Mai 1977 wurde in Schwarmstedt durch den Oberregierungsrat Carl Beddermann die Umweltschutzpartei Niedersachsen (USP) gegründet. Die ca. 20 Gründungsmitglieder kamen aus verschiedenen Bürgerinitiativen. Auf einer von dem Lehrer Georg Otto organisierten Ver-sammlung zur Gründung einer Lebensschutzpartei in Hannover am 25. Mai 1977 gab er die Gründung der USP bekannt. Danach wurde ein Kreisverband der USP in Hildesheim gegründet, dann weitere Kreisverbände vor allem im ländlichen Raum: in Fallingbostel, Uelzen, Hannover-Land, Osterholz-Scharmbeck, Hildesheim, Wilhelmshaven und Hameln - oft im Umfeld von geplanten Atomanlagen. Der Kreisverband der USP in Hildesheim wollte sich an den vorgezo-genen Kreistagswahlen am 23. Oktober 1977 beteiligen. Nach Streitigkeiten mit der USP be-schloss der Kreisverband Hildesheim, als eigene kommunale Wählergruppe mit dem Namen Grüne Liste Umweltschutz (GLU) anzutreten. Die GLU erreichte 1,2% der Stimmen. Erstmals zog ein Kandidat der GLU in ein Parlament ein. In Hameln kandidierte die Wählergemeinschaft „A-tomkraft – Nein Danke“ und bekam mit 2,3% der Stimmen ein Mandat im Kreistag. Nach den Wahlerfolgen beschloss die USP, wieder mit der GLU zusammenzugehen. Am 16. November 1977 wurde in einer gemeinsamen Konferenz die Vereinigung zu einer Partei unter dem Namen

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 4/22 GLU beschlossen. Geplant war eine traditionelle Partei mit begrenztem Programm: Abschaffung der Kernenergie, Stärkung von Umwelt- und Naturschutz, mehr Demokratie, Dezentralisierung. Vorsitzender der GLU wurde Carl Beddermann. Mit Blick auf die Landtagswahl in Niedersach-sen 1978 meldete Beddermann die Partei im Dezember 1977 beim niedersächsischen Wahlleiter und beim Bundeswahlleiter an. Die GLU wollte ihre Tätigkeit zunächst auf die Landesebene beschränken, schloss eine bundesweite Organisation jedoch nicht aus.

Erste Teilnahme an Landtagswahlen 1978

Als Resultat eines professionell organisierten Gründungsprozesses verfügte die GLU 1978 be-reits über 1500 Mitglieder und war in allen Landkreisen vertreten. Bei der Landtagswahl in Nie-dersachsen am 4. Juni 1978 erreichte die GLU 3,9% der Stimmen, in Lüchow-Dannenberg – dem Landkreis der geplanten Wiederaufbereitungsanlage für atomaren Abfall in Gorleben - kam die GLU auf 17,8% der Stimmen. Nach diesem Wahlerfolg kam es zu einem Streit um den Kurs der GLU. Im Juli 1978 trat Carl Beddermann wegen nicht erfolgter Distanzierung zu bunten und alternativen Listen als Vorsitzender zurück und kurze Zeit später aus. Sein Nachfolger wurde Georg Otto. Die GLU Niedersachsen wurde zur wichtigsten Vorgängerorganisation einer sich anbahnenden neuen Bundespartei.

1979 Gründung der Partei „Die Grünen"

Die GLU beteiligte sich zusammen mit den in Niedersachsen aktiven Parteien Grüne Aktion Zu-kunft (GAZ) und Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) an der Europawahl 1979. Man gründete zunächst keine Partei, sondern die "Sonstige Politische Vereinigung (SPV) Die Grünen", um zu zeigen, dass der Verschmelzungsprozess der beteiligten Parteien nicht endgül-tig war. Die Gründungsversammlung der Grünen fand am 17. März 1979 in Frankfurt statt. Hier wurde erstmals der Grundkonsens "ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei" formuliert. Bei der Europawahl am 10. Juni 1979 erhielt die SPV Die Grünen 3,2% der Stimmen. Da dies für den baldigen Einzug in den Bundestag nicht ausgereicht hätte, verhandelte man von nun an verstärkt mit den bunten Listen über die Gründung einer Bundespartei mit breiter Ak-zeptanz. 1979 wurde der Historiker Helmut Lippelt zum neuen Vorsitzenden der GLU gewählt. Bereits vor der Gründung der grünen Bundespartei wurde in Niedersachsen am 9. Dezember 1979 in Hannover ein Landesverband der Grünen gegründet. Die Gründungsversammlung fand am 9. Dezember 1979 in Hannover statt. Mit der Gründung der Grünen auf Landesebene ist die GLU in den Grünen aufgegangen. Der grüne Landesverband bestand zunächst vor allem aus GLU-Mitgliedern.

Gründung der Bundespartei Die Grünen und Bundestagswahl 1980

Am 13. Januar 1980 wurde in Karlsruhe die Bundespartei Die Grünen gegründet. Die Grünen waren im Gegensatz zur GLU bundesweit organisiert, eindeutig links orientiert und vertraten sowohl grüne (ökologische) als auch bunte (alternative) Positionen. Am 23. März 1980 in Saarbrücken verabschiedete die neue Partei ihr Programm. Mit der Bundesversamm-lung in Dortmund am 21. Juni 1980 war der Gründungsprozess der Grünen beendet. Zur Bun-

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 5/22 destagswahl am 5. Oktober 1980 traten Die Grünen erstmals bundesweit an, erhielten allerdings nur 1,5% der Stimmen, in Niedersachsen 1,6%.

Kommunalwahl in Niedersachsen 1981, erste Grüne im Landtag 1982

Bei der ersten Kommunalwahl in Niedersachsen nach Gründung der Grünen erhielt die neue Partei landesweit 3,6% der Stimmen und damit 82 Mandate auf der Kreisebene. Dazu gab es viele Wählergemeinschaften mit grüner Beteiligung, die 1,6% und damit 34 Mandate auf Kreis-ebene erhielten. Niedersachsen gehört neben Hessen und Baden-Württemberg zu den ersten drei Flächenstaa-ten, in denen die Grünen frühzeitig im Landesparlament vertreten waren. Bei der Landtagswahl 1982 erreichten die Grünen 6,5% der Stimmen und zogen mit elf Abgeordneten erstmals in den Landtag Niedersachsen ein. Der ersten Landtagsfraktion gehörten unter anderem Helmut Lip-pelt, Charlotte Garbe, Martin Mombaur und Helmut Neddermeyer an. Die absolute Mehrheit erreichte die CDU unter Ministerpräsident Ernst Albrecht. Mit dem Ein-zug der Grünen in den Landtag begann auch der parlamentarische Kampf um das Atomlager Gorleben. Die Mitglieder der grünen Fraktion beschäftigten sich vor allem mit Umweltthemen und Skandalen der Landesregierung. Ein wichtiges Thema der Grünen wurde die Rotation: zur Mitte der Legislaturperiode sollten alle grünen Abgeordneten per Rotation ausscheiden und durch Nachrücker ersetzt werden. Landtagspräsident Brandes (CDU) weigerte sich, die Rotation der Grünen zu akzeptieren und führte einen Prozess beim Staatsgerichtshof. Dieser entschied zu Gunsten der Grünen. Fünf der elf Abgeordneten rotierten dann auch. Zu den Nachrückern ge-hörte auch Jürgen Trittin.

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 6/22 Bundestagswahl 1983 und Europawahl 1984

Bei der Bundestagswahl am 6. März 1983 gelang den Grünen mit 6,5% der Stimmen und 27 Abgeordneten der Einzug in den Bundestag. In Niedersachsen erhielten die Grünen 5,7% der Stimmen. Acht niedersächsische Grüne (inklusive NachrückerInnen) wurden Mitglieder des Bundestags. In der Bundesrepublik spielte die NATO-Nachrüstungsdebatte eine große Rolle. Die Grünen wa-ren ein Teil der Friedensbewegung. Zudem kämpften die Grünen gegen das Waldsterben und die Gentechnologie. Die Ablehnung der Volkszählung war ein weiteres wichtiges Thema. Bei der Europawahl am 17. Juni 1984 zogen Die Grünen mit bundesweit 8,2% der Stimmen ins Europaparlament ein. In Niedersachsen erreichten die Grünen ebenfalls 8,2% der Stimmen. Einzige niedersächsische Abgeordnete wurde Undine von Blottniz aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg

Landtagsgrüne auf dem Sprung 1986-1990

Bei der Landtagswahl am 15. Juni 1986 erhielten die Grünen mit 7,1% der Stimmen 11 Sitze im Landtag. Die CDU mit Ministerpräsident Ernst Albrecht erreichte eine knappe Mehrheit und regierte mit der FDP. Zu den bekannteren Abgeordneten gehörten Jürgen Trittin, Thea Dückert, Ruth Hammerbacher und Hans Mönninghoff. Die Grünen entwickelten in dieser Wahlperiode ein Konzept zum ökologischen Umbau in Niedersachsen und legten den Entwurf für ein Kinder-tagesstätten-Gesetz vor. Um die Rechte und Interessen von Frauen zu stärken, wurde 1986 das Frauenstatut verabschiedet, das den Frauen „die Hälfte der Macht“ einräumte. Seither gilt die Frauenquote: alle Parteiorgane sind mindestens mit 50% Frauen zu besetzen, die Listen für Par-lamentswahlen werden wechselnd mit Frauen und Männern besetzt, wobei der erste Platz im-mer einer Frau vorbehalten ist. Im Dezember 1986 wurde der Verein für grüne und alternative Kommunalpolitik (GAK e.V.) gegründet, eine eigenständige landesweite Einrichtung für Kom-munalpolitikerInnen.

Bundestagswahl 1987, Wiedervereinigung und Vereinigung Bündnis 90/Die Grünen 1993

Bei der Bundestagswahl am 25. Januar 1987 profitierten die Grünen von einer Reihe von Skan-dalen wie Tschernobyl und der Flick-Spendenaffäre und erhielten bundesweit 8,3% der Stim-men. In Niedersachsen erhielten sie 7,4% der Stimmen, so dass sechs Grüne aus Niedersachsen in den Bundestag einziehen konnten, darunter Lieselotte Wollny, Waltraud Schoppe und Hel-mut Lippelt. Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 scheiterten Die Grünen im alten Bundesgebiet mit 4,8% der Stimmen an der Fünf-Prozent-Hürde, Bündnis 90 erreichte in den neuen Bundesländern 6% der Stimmen und zog mit acht Abgeordneten in den Bundes-tag ein. Am 3. Dezember 1990 wurde der Zusammenschluss der ost- und westdeutschen Grünen voll-zogen, danach der Zusammenschluss mit Bündnis 90 auf einer außerordentlichen Bundesver-sammlung in Hannover. Die Partei Die Grünen gingen unter inhaltlicher Neuorientierung in der gesamtdeutschen Partei Bündnis 90/Die Grünen auf.

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 7/22 Grün regiert in Niedersachsen 1990-1994

Die nächste Landtagswahl fand am 13. Mai 1990 statt. Mit 5,5% der Stimmen reichte es noch für acht Sitze. Allerdings konnten Koalitionsverhandlungen mit der SPD geführt und ein Vertrag über Inhalte und Regierungsbeteiligung ausgehandelt werden. Am 19. Juni wurden die Koaliti-onsvereinbarungen unterzeichnet. SPD und Grüne bildeten die neue Landesregierung. Unter Ministerpräsident Gerhard Schröder stellten die Grünen mit Waltraud Schoppe (Frauenpolitik) und Jürgen Trittin (Bundes- und Europaangelegenheiten) zwei Minister. Dazu kamen drei Staatssekretäre. Fraktionsvorsitzende wurde Thea Dückert. Weitere Mitglieder der grünen Land-tagsfraktion waren z. B. Andrea Hoops, Hannes Kempmann und Pico Jordan. Nach dem Wech-sel von der Oppositionspartei zur Regierungspartei gab es Konflikte um die Durchsetzung grü-ner Programmatik in der Regierung, wie etwa den Streit um die Daimler-Benz-Teststrecke und die Europipe im Wattenmeer. Beschlossen wurde das Niedersächsische Gleichstellungsgesetz und das Frauenbeauftragtengesetz.

Grüne Jugend und Bundestagswahl 1994

Im April 1994 gründete sich die Jugendorganisation Grüne Jugend Niedersachsen (GJN). Bei der Bundestagswahl am 16. Oktober 1994 bekamen die Grünen 7,2% der Stimmen, in Nie-dersachsen mit 7,1%. Niedersachsen stellte fünf grüne Abgeordnete: Helmut Lippelt, Manuel Kiper, Waltraud Schoppe, Gisela Altmann und Ursula Schönberger.

Opposition gegen Schröder 1994-1998 in Niedersachsen

Mit 7,4% der Stimmen konnten Bündnis 90/Die Grünen bei der Landtagswahl am 13. März 1994 sogar 13 Abgeordnete ins Parlament schicken. Die SPD unter Ministerpräsident Gerhard Schrö-der regierte allein, die Grünen machten wieder Oppositionspolitik. Bekanntere Abgeordnete der grünen Fraktion waren Rebecca Harms, Andrea Hoops, Pico Jordan und Jürgen Trittin, der je-doch kurze Zeit später als Bundesvorstandssprecher nach Bonn wechselte. Nach der Landesde-legiertenkonferenz in Uelzen trat 1995 eine neue Rotationsregelung der Grünen in Kraft. Bisher mussten die Abgeordneten nach zwei Wahlperioden ihr Amt abgeben. Die neue Regelung sieht vor, dass eine dritte Legislaturperiode möglich ist, jedoch nur mit einer 2/3 Mehrheit der Lan-desdelegiertenkonferenz. Seit 1994 stieg die Mitgliederzahl der niedersächsischen Grünen stetig an. Im Dezember 1998 war mit 5652 Mitgliedern die höchste Mitgliederzahl erreicht.

Ein neuer Anlauf 1998-2003

Bei der Landtagswahl am 1. März 1998 erreichten Bündnis 90/Grünen 7,0% der Stimmen und zogen mit zwölf Abgeordneten in den niedersächsischen Landtag ein. Mitglieder der grünen Fraktion waren unter anderem Rebecca Harms, Enno Hagenah, Brigitte Pothmer, Michel Go-librzuch und Thomas Schröder. Die SPD mit Ministerpräsident Gerhard Schröder erreichte die absolute Mehrheit. Als Gerhard Schröder als Bundeskanzler nach Bonn/Berlin ging, wurde Ger-hard Glogowski neuer Ministerpräsident in Niedersachsen. Ein Jahr später trat Glogowski nach

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 8/22 dem Vorwurf der Vorteilsnahme im öffentlichen Amt zurück. Sein Nachfolger wurde Sigmar Gabriel. Von Juni bis Oktober 2000 fand die Weltausstellung „EXPO 2000“ in Hannover statt. Die Grü-nen begleiteten die Veranstaltung kritisch. Weitere Themen waren die Schulpolitik, als nach der PISA-Studie erhebliche Mängel im Bildungssystem festgestellt wurden und die Verschuldung des Landes sowie Umweltprobleme. Die Landesgeschäftsstelle von Bündnis 90/Die Grünen zog 2000 in die Odeonstraße 4 in Han-novers Innenstadt. Der Fraktionsvorsitzenden Rebecca Harms gelang es 2002, mit einer 2/3 Mehrheit für eine dritte Legislaturperiode aufgestellt zu werden. Damit wurde zum ersten Mal die neue Rotationsregelung in Anspruch genommen.

Bundestagswahlen 1998 und 2002

Bei der Bundestagswahl am 28. September 1998 erreichten die Grünen 6,7% der Stimmen im Bund und 5,9% der Stimmen in Niedersachsen. Sie bildeten gemeinsam mit der SPD die erste rot-grüne Bundesregierung. Gerhard Schröder ging als Kanzler nach Berlin. Von den niedersäch-sischen Grünen wurde Jürgen Trittin Bundesumweltminister, Gila Altmann seine Staatssekretärin und Pico Jordan Staatssekretär im Gesundheitsministerium. Zu den Bundestagsabgeordneten aus Niedersachsen gehörten neben Jürgen Trittin und Gila Altmann noch Thea Dückert und Helmut Lippelt. Die Regierungsbeteiligung der Grünen auf Bundesebene löste innerparteiliche Konflikte aus, weil die Bundesgrünen in der Koalition Kompromisse eingehen mussten, die viele Grüne in den Ländern und vor Ort nicht mittragen wollten. Bei der Bundestagswahl am 22. September 2002 erreichten die Grünen 8,6% der Stimmen, so dass sie mit der SPD zusammen wieder eine rot-grüne Bundesregierung bilden konnten. In Nie-dersachsen erhielten sie 7,3% der Stimmen. Damit konnten fünf Grüne aus Niedersachsen in den Bundestag einziehen: Thea Dückert, Jürgen Trittin, Silke Stokar, Thilo Hoppe und Marianne Tritz.

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 9/22

Augen auf und durch: 2003 bis 2008

Die Landtagswahl am 2.2.2003 brachte einige Überraschungen. Die SPD-Alleinregierung ende-te, wurde allerdings nicht von rotgrün, sondern von einer CDU/FDP-Regierung abgelöst. Chris-tian Wulff von der CDU wurde Ministerpräsident. Die Grünen erzielten nichtsdestotrotz mit 7,6% der Stimmen ihr bestes jemals in Niedersachsen erreichtes Ergebnis und stellen 14 Abge-ordnete. Die langjährige Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms geht nach der Europawahl im Juni 2004 als Spitzenkandidatin der deutschen Grünen nach Brüssel ins Europaparlament.

(Eine Kurzfassung des Textes von Jessica Fink und Jonny Peter: Geschichte der Grünen in Nie-dersachsen, s. Links)

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 10/22

Links

• www.gruene-niedersachsen.de

Text und power-point-Präsentation „Geschichte“ unter Aktuell/Partei und Perso-nen/Landtagsfraktion: www.gruene-niedersachsen.de/aktuell-frameset.html oder www.gruene-niedersachsen.de/personen-frameset.html

• Zur Arbeit der Fraktion: „Grüner Blick“ im Internet: www.gruene-niedersachsen.de/landtag

Literaturempfehlung zur ausführlichen Information

• Anna Hallensleben: Von der Grünen Liste zur Grünen Partei? Die Entwicklung der Grünen Liste Umweltschutz von ihrer Entstehung in Niedersachsen 1977 bis zur Gründung der Partei DIE GRÜNEN 1980. Zürich 1984.

• Frank Schnieder: Von der sozialen Bewegung zur Institution? Die Entstehung der Partei DIE GRÜNEN in den Jahren 1978 bis 1980. Argumente, Entwicklungen und Strategien am Beispiel Bonn/Hannover/Osnabrück. Münster 1998.

• Joachim Raschke: DIE GRÜNEN. Wie sie wurden, was sie sind, Köln 1993

• Joachim Raschke: Die Zukunft der Grünen, Frankfurt/New York 2001

• Bündnis 90/Die Grünen: 25 Jahre Grüne Geschichte(n), Illustrierte Geburtstagsausgabe, Berlin 2004

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 11/22

Hintergrundmaterial

Zur Geschichte der Grünen ein Aufsatz aus dem Jahre 1993, beschreibt also die Anfangszeit der Grünen Partei und Landtagsfraktion: Joachim Raschke: DIE GRÜNEN. Wie sie wurden, was sie sind, Köln 1993, hier Seite 348- 359. Auszüge aus dem Text von Christoph Hohl-feld: Grüne Eintracht Niedersachsen

Grüne Eintracht Niedersachsen von Christoph Hohlfeld

Niedersachsen ist gleich in zweifacher Hinsicht »grünes Stammland«. Zunächst bildeten sich hier (nach Schleswig-Holstein) die ersten »grünen Listen« auf lokaler Ebene, nachdem sich bei den Großdemonstrationen der Anti-AKW-Bewegung Anfang 1977 in Gorleben und Grohnde die Grenzen außerparlamentarischen Protestes deutlich abgezeichnet hatten. Zum zweiten gehört Niedersachsen, neben Hessen und Baden-Württemberg, zu den drei Flächenstaaten, in denen die Grünen frühzeitig im Landesparlament vertreten waren. …

Von der sonst üblichen grünen »Streitkultur« ist in Niedersachsen wenig zu spüren. »Integrati-on« statt »Polarisierung« erscheint als die unausgesprochene Devise des Landesverbandes. Ins Negative gewendet kann aber auch von einer Neigung gesprochen werden, bestehende Kon-flikte unter den Tisch zu kehren statt sie zu lösen. Strömungen waren bei den niedersächsischen Grünen immer schwach ausgeprägt. Einer nicht fest strukturierten Mehrheit von Kräften, die lediglich inhaltlich (maßvoll) auf »Realpolitik« orientiert waren, stand eine diffuse Minderheit von zum Großteil gemäßigten Linken gegenüber. Das Gravitationszentrum lag damit in der Mit-te des politischen Spektrums der Grünen - wenn auch mit eindeutig »realpolitischer« Schlagseite - und nicht bei den Strömungspolen. …

Der Gründungsprozess der niedersächsischen Grünen verlief ohne nennenswerte Verwerfungen, weil eine Polarisierung zwischen dem wertkonservativen und dem links-alternativen Spektrum ausblieb. Dabei war die 1977 gegründete GLU (Grüne Liste Umweltschutz, Anm. d. Red.) dezi-diert bürgerlich und eher wertkonservativ geprägt, mit dem städtischen, links-alternativen Mi-lieu verband sie nur wenig. Ihre Basis bildeten eher »bürgerliche« Symphatisanten und Aktivis-ten der Bürgerinitiativbewegung im ländlichen Raum, die sich mit Umweltfragen auseinander-setzten. Dabei spielten Konflikte um Atomanlagen (Kreis Lüchow-Dannenberg, Grohnde, Un-terlüß) eine zentrale Rolle. Für viele GLU-Mitglieder war die »Umweltfrage« der einzige Berüh-rungspunkt zu der sich herausbildenden postmaterialistischen Linken. Entsprechend gab es in der GLU erhebliche Vorbehalte und Berührungsängste gegenüber »linken« Kräften. Dennoch konnte sich der pragmatisch orientierte, für eine Öffnung der GLU nach links eintretende Flügel um Helmut Lippelt klar gegen jene Kräfte am rechten Rand durchsetzen, die für eine rigide Ab-grenzung nach links plädierten.

Auf der anderen Seite waren die mit der Gründung des grünen LV in die Partei integrierten links-alternativen Kräfte zu schwach, um gegenüber der organisatorisch relativ starken GLU maßgeblichen Einfluss zu gewinnen; lediglich in Göttingen und Hannover verfügten die Linken über starke Bastionen. Organisatorisch wie inhaltlich war der grüne Landesverband de facto eine Fortführung der alten GLU. Lediglich ca. ein Viertel der Mitgliedschaft von 1980 kam nicht von der GLU, wobei es sich zudem nicht nur um »Linke«, sondern auch um Mitglieder von AUD, GAZ u.a. (Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher, Grüne Aktion Zukunft, Anm. d. Red.) handelte. Damit blieben die Weichen für einen bürgerlich-gemäßigten, auf »Realpolitik« orientierten Kurs der niedersächsischen Grünen gestellt. Mit dem Zustrom von links wurde der integrationswillige Flügel der alten GLU gestärkt, während am rechten Rand ein schrittweises Abbröckeln derjenigen erfolgte, die eine Kooperation mit »Linken« strikt ablehnten. …

Geradezu charakteristisch für die »realpolitische«Mehrheit ist ihre (zumindest bis Mitte der 80er Jahre) zentrale Persönlichkeit, Helmut Lippelt, dessen Stärken in der Moderation, in der Organi-

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 12/22 sierung und Durchsetzung von Kompromissen liegen. Bei Lippelt handelt es sich um einen Ak-teur, der in der Lage ist, eine Organisation »zusammenzuhalten«. Er erscheint geradezu als die Verkörperung des niedersächsischen Integrationskurses. Auf Bundesebene stand Lippelt zwar zunächst den Realos, später der Aufbruch-Gruppe nahe, ging aber zu diesen Strömungen stets dann auf Distanz, wenn sie auf Polarisierung oder gar Spaltung der Partei setzten. Kritiker aus diesen Faktionen haben ihm daher auch vorgeworfen, innerparteiliche Harmonie über Inhalte zu setzen und betrachten Lippelt als »Chamäleon«.

In ähnlicher Weise moderat agierte die diffuse linke Minderheit. Zu einer konfliktorientierten Herausforderung gegenüber dem dominierenden gemäßigt-bürgerlichen Element im Landes-verband (das zudem wenig Angriffsfläche bietet) war sie viel zu schwach. Sie war nicht einmal zu einer Vernetzung auf Landesebene in der Lage. …

So erscheint der zentrale Akteur der Minderheitsströmung, Jürgen Trittin, auf den ersten Blick als Pendant zu dem die Politik der Mehrheit verkörpernden Helmut Lippelt. Jedoch entspricht Trittin mehr dem Typus des behutsamen Taktikers, der die Balance zwischen Zuspitzung und Kompromiss zu halten versteht, als dem des Integrationspolitikers. Auf diese Weise fügte sich Trittin nahezu reibungslos in die niedersächsischen Verhältnisse ein. Hierauf, aber auch auf das Faktum, dass er zu den wenigen herausragenden politischen Köpfen im Landesverband zählt, lässt sich zurückführen, dass die niedersächsischen Grünen einem Vertreter der (früheren) linken Minderheit die zentrale Position in der rot-grünen Regierungskoalition überlassen haben.

Bei soviel Moderatheit, so wenigen Ecken und Kanten ist es naheliegend, dass intensive poli-tisch-ideologische Diskurse in Niedersachsen kaum stattfanden. Lediglich über die Themen »rot-grün« und »Frauenpolitik« wurde intensiver gestritten. …

Der aus der Retroperspektive so selbstverständlich erscheinende Kurs des Landesverbandes, mit seiner Orientierung auf Integration und Kompromiss, entsprang keiner gezielten Strategie, son-dern ist das Resultat einer diese Entwicklung begünstigenden, aber keineswegs erzwingenden Gemengelage einzelner Faktoren: Auf der einen Seite eine Mehrheitsströmung, die, der prag-matischen GLU-Tradition folgend, auf Integration statt Polarisierung setzte. Auf der anderen Seite eine schwache Linke, die durch das Gegenhalten des wertkonservativen Spektrums sowie die eher geringe Bedeutung der städtischen KVs für die Entwicklung des Landesverbandes in ihrem Aktionsradius eingeschränkt war, jedoch nicht befürchten musste, ausgegrenzt zu wer-den. Schließlich auf beiden Seiten das weitgehende Fehlen von polarisierend wirkenden Persön-lichkeiten und die Dominanz von Akteuren wie Lippelt oder Trittin, die (aus pragmatischen Mo-tiven) auf Integration bzw. Ausgleich setzten. Die trotz schwacher Strukturiertheit sehr stabile und kontinuierliche Entwicklung der niedersächsischen Grünen lässt sich u.a. mit der frühzeiti-gen und starken Verankerung in den Parlamenten auf kommunaler und Landesebene erklären. Hierdurch wurde die pragmatische Tendenz gestärkt und die Gefahr einer Destabilisierung der Landesorganisation durch zu starke Binnenorientierung der Akteure abgeschwächt.

Die Debatte über »rot-grün« entspricht dem integratorischen Charakter des Landesverbandes geradezu exemplarisch. Der zweite in Niedersachsen intensiv geführte politisch-ideologische Diskurs, die Konfrontation mit der LAG-Frauen, verdeutlicht jedoch, dass die Entwicklung des Landesverbandes ganz anders hätte verlaufen können. …

Welche Faktoren förderten nun den nur mittelstark ausgeprägten Strukturierungsgrad der nie-dersächsischen Grünen, welcher mit einer bemerkenswerten Stabilität des Landesverbandes einherging?

(1) Vormobilisierte Einheiten. Es gab nur wenige relevante vormobilisierte Einheiten in Nieder-sachsen und deren Ausstrahlungskraft war zudem relativ schwach. Der niedersächsische LV verfügt traditionell über eine gute Verankerung »in der Fläche«, was letztlich als Resultat des professionell durchgeführten und vom ländlichen Raum aus erfolgten Organisationsaufbaus der GLU angesehen werden muss. Über zwei Drittel der KVs haben über 50, immerhin ein Drittel über 100 Mitglieder.

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 13/22 Die Wählerhochburgen konzentrieren sich mit wenigen Ausnahmen auf die Landeshauptstadt und die Universitätsstädte Göttingen, Oldenburg, Braunschweig und Osnabrück. Nur in Göttin-gen und (mit Abstrichen) in Hannover entspricht diesem Zuspruch bei den Wählern eine heraus-ragende Mobilisierung von Mitgliedern, bedingt durch die Existenz von relevanten links-alternativen Milieus: In Göttingen bietet eine die Stadt deutlich prägende Universität mit einer dezidiert linken, studentischen Tradition einen idealen Humus für eine starke grün-alternative Verankerung. Im Großraum der Landeshauptstadt Hannover liegen zwar die beiden mitglieder-stärksten Kreisverbände, aber dennoch sind die Bedingungen für die Grünen im Verhältnis zu Städten ähnlicher Größenordnung nicht besonders günstig. Die links-alternative »Szene« ist relativ klein und im Gegensatz zu Frankfurt oder Köln ohne überregionale Ausstrahlungskraft. Die relativ schwache organisatorische Verankerung der Grünen in Oldenburg und Osnabrück lässt sich u.a. mit dem Fehlen einer ausgeprägten studentischen Tradition erklären. In Olden-burg kam der Faktor einer starken lokalen DKP hinzu. Bei der Braunschweiger Technischen Universität macht sich das Fehlen der Geisteswissenschaften bemerkbar.

Niedersachsen, wie auch der grüne Landesverband, verfügt über ein Zentrum, das aber keine dominierende Stellung einnimmt. Die Position des KV Hannover-Stadt ist nur deswegen relativ stark, weil seine Mitglieder gegenüber Landtagsfraktion, Landesgeschäftsstelle, Landesvorstand etc. über die besten Interventionsmöglichkeiten verfügen. Mit der Vergabe der Bundestags- und Landtagsmandate nach einem Regionalproporz, der sich an den Regierungsbezirken orientiert, wurde im Landesverband bereits frühzeitig darauf hingewirkt, alle Regionen angemessen zu berücksichtigen, um die Herausbildung eines übermächtigen Zentrums zu verhindern.

In Folge der schwachen Ausprägung von Strömungen lassen sich nur wenige Kreisverbände mit einem klaren strömungspolitischen Profil ausmachen. Nur Göttingen, lange Zeit auch Hannover-Stadt und in der Regel auch Braunschweig waren dezidiert links ausgerichtet. Die beiden übri-gen Kreisverbände in größeren Städten (Oldenburg und Osnabrück) waren dagegen realpoli-tisch orientiert.

Gruppierungen der Neuen Linken der 70er Jahre (K-Gruppen) hatten auf die Strukturierung des LV nur marginalen Einfluss. Der KBW spielte in Oldenburg und Osnabrück, d.h. im Umfeld sei-ner Hochburg Bremen eine gewisse Rolle. Dies dürfte u.a. zur späteren realpolitischen Orientie-rung dieser KVs beigetragen haben. Dem KB (bzw. der »Z«-Gruppe) der von seiner Hamburger Zentrale aus eine starke Position im Landesverband Schleswig-Holstein erringen konnte, gelang es lediglich, in den linken »Inseln« Göttingen und z.T. Hannover Einfluss zu gewinnen. Im Hamburger Umland scheiterten KB-Vertreter mit Ausnahme des KV Harburg-Land an dem mas-siven Widerstand des wertkonservativen Spektrums.

Von den ökologischen Konfliktbrennpunkten, die in der Gründungsphase bedeutend waren, hat lediglich Gorleben noch Bedeutung für den Landesverband, allerdings mehr in qualitativer als in quantitativer Hinsicht. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg gehört bei Wahlen zwar immer noch zu den grünen Hochburgen, aber der dortige Kreisverband ist inzwischen außerordentlich mit-gliederschwach. Gorleben ist aber bis heute ein wichtiges Symbol grüner Identität, auf das u.a. bei der Vergabe von Mandaten und Ämtern immer noch Rücksicht genommen wird.

(2) Eliten. Die Vernetzung der Elite der niedersächsischen Grünen war ausgesprochen schwach, obwohl hierfür mit dem frühen Einzug in den Landtag eine wichtige Rahmenbedingung gege-ben war.

Aus der Landtagsfraktion kristallisierte sich nur sehr langsam das heutige, die rot-grüne Koaliti-on tragende, operative Zentrum des Landesverbands heraus. Jürgen Trittin, Christa Karras, Thea Dückert u.a. »wuchsen in der Fraktion auf« (zwischen 1982 und 1990): aus Fraktionsmitarbei-terInnen wurden Landtagsabgeordnete und schließlich 1990 z.T. grüne VertreterInnen der Lan-desregierung. Jedoch handelt es sich dabei um ausgesprochene »Einzelkarrieren«.

Der Landesvorstand spielte für die Elitenrekrutierung bisher keine Rolle. Seine Mitglieder rekru-tierten sich aus Akteuren der »zweiten«, häufiger der »dritten Reihe«; ein Aufstieg in relevante Positionen gelang hierdurch keinem Vorstandsmitglied. Seit 1991 zeichnet sich in Folge der rot-

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 14/22 grünen Koalition mit der Professionalisierung der beiden VorstandssprecherInnen und der Wahl des zurückgetretenen Staatssekretärs Peter Bulle zum Sprecher des Landesvorstands allerdings ein Bedeutungswandel dieses Gremiums ab.

Schlüssel zum Verständnis der geringen Vernetzung der niedersächsischen Eliten ist die äußerst schwache Ausbildung von Strömungszusammenhängen. …

Unter diesen Umständen konnte die Strömungszugehörigkeit kein Vehikel zur Erlangung zent-raler Positionen im LV sein. Umgekehrt stellte die Zuordnung zur linken Minderheitsströmung hierfür auch kein unüberwindliches Hindernis dar; so wurde z.B. Jürgen Trittin durch seine er-folgreiche Arbeit in der Landtagsfraktion »ministrabel«.

So stellt sich die Elite der niedersächsischen Grünen als eine Ansammlung von Einzelkämpfern dar, wobei lediglich im Bereich der Landtagsfraktion/Landesregierung eine gewisse Bündelung bzw. Kristallisierung erfolgte.

Besonders deutlich wird die Fragmentierung der Eliten bei den Beziehungen zur Bundesebene: Ein Transfer zwischen Bundes- und Landespolitik fand kaum statt; als Landesorganisation traten die niedersächsischen Grünen auf Bundesebene faktisch nicht in Erscheinung. …

(3) Parlament. Der frühzeitige Einzug in den Landtag wirkte sich für die niedersächsischen Grü-nen primär darin aus, dass sich die Entwicklung der Landesorganisation stabilisierte. Zum einen wurde so eine zu starke Binnenorientierung des LV vermieden; die Reibereien zwischen dem wertkonservativen »GLU-Flügel« und den neu in die Partei integrierten Linken schwächten sich nach 1982 deutlich ab. Zum anderen unterblieb ein »Ausbluten« des LV hin zur Bundesebene: Die wenigen profilierten Persönlichkeiten der niedersächsischen Grünen orientierten sich auf die Landesebene. Die Landtagsfraktion wirkte als Pool, aus dem heraus sich Persönlichkeiten wie Trittin, Schörshusen, Dückert überhaupt erst entwickeln und profilieren konnten.

Jedoch stand die Heterogenität und schwache interne Integration der Fraktion ihrem strukturie-renden Moment entgegen. Die erste Fraktion war von ausgesprochenen Basisvertretern ge-prägt, die mit Ausnahme von Helmut Lippelt für die Entwicklung des LV keine wichtige Rolle spielten und heute weitgehend unbekannt sind. Der hohe Anteil von »BasisvertreterInnen«, die mit dem Ablauf ihres Mandates wieder in der Versenkung verschwinden, hängt mit der Nomi-nierung der Abgeordneten nach dem »Regionalproporz« zusammen, der für eine überaus starke Repräsentanz der ländlichen Kreisverbände gesorgt hat. Dagegen stellte z.B. der größte KV, Hannover-Stadt, bisher nur wenige Vertreter der Landtagsgruppe.

Erst mit der »zweiten Generation« von Landtagsabgeordneten, also mit den ersten Nachrückern und dann mit der zweiten Fraktion, kristallisierte sich die Gruppe von machtorientierten Akteu-ren heraus, die heute die Geschicke von Fraktion und Regierung bestimmt. Dennoch blieb auch die zweite Fraktion weitgehend fragmentiert und war wie die erste Fraktion eher eine Ansamm-lung von Einzelkämpfern bzw. Kleingruppen. Sie war gespalten in einen eher »linken« und ei-nen eher »realpolitischen« Flügel von Machtpolitikern, denen wiederum eine Gruppe von »Ba-sisvertreterInnen« gegenüberstand, die eher fachpolitisch wirkten. In der dritten Fraktion ist die (schwache) Strömungspolarität als Folge der von beiden »Flügeln« getragenen Koalition weit-gehend aufgehoben, während sich dadurch gleichzeitig der Gegensatz zwischen »Basisvertrete-rinnen« und den an Erfahrung überlegenen »MachtpolitikerInnen« verschärft hat.

Die Außenwirkung der grünen Abgeordneten war besonders bei der ersten Fraktion gering. Erst mit dem rasanten Niedergang der konservativen Albrecht-Regierung gelang es Vertreterinnen der zweiten Fraktion, wie Trittin oder Schörshusen, durch ihre medienwirksame Mitarbeit in diversen Untersuchungsausschüssen etwas Glanz in die Fraktion zu bringen. Diese wirkte an-sonsten unauffällig und etwas brav, auch wenn sie gute inhaltliche Arbeit leistete.

Die Fraktion stellte wegen ihrer Überlegenheit gegenüber dem Parteiapparat bei der Ausstat-tung mit Ressourcen und der äußerst schwachen Ausprägung der Strömungen das Machtzent-rum im Landesverband dar, welches ab 1986 immer stärker wurde. Aufgrund der im Vergleich zum Parteiapparat besseren Ausstattung mit Ressourcen und der äußerst schwachen Ausprä-

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 15/22 gung der Strömungen bildete die Fraktion das Machtzentrum im Landesverband. Seit 1986 kann man sogar von einem stetigen Machtzuwachs sprechen. Dies gelang der Fraktion trotz ihrer Heterogenität und ihrer lange Zeit schwachen kommunikativen Vernetzung mit der Partei.

(4) Parteiensystem. Seit den 60er Jahren sind die beiden großen Volksparteien in Niedersach-sen etwa gleich stark; die Chance eines Machtwechsels ist entsprechend groß. Die politischen Konstellationen der 80er Jahre ermöglichten den niedersächsischen Grünen, sich in einem schrittweise, sehr behutsam erfolgenden Prozess mit der Frage einer möglichen Regierungsbe-teiligung auseinanderzusetzen.

Bei den Landtagswahlen von 1978 und 1982 stand für die GLU bzw. die Grünen das Motiv des allgemeinen Protestes gegen die »Altparteien« im Vordergrund: Eine Kooperation mit der »noch« bzw. »eben noch«-Regierungspartei SPD wurde als indiskutabel angesehen, weil die Erinnerung an deren Politik noch zu frisch war.

Schließlich hatten sozialliberale Kabinette neben der Bundespolitik bis 1976 auch die Landespoli-tik bestimmt. Abgesehen davon war eine Ablösung der konservativen Landesregierung, die 1982 den Zenit ihrer Macht erreichte, ohnehin nicht zu erwarten.

1984, als bei den niedersächsischen Grünen im Vorfeld der Landtagswahl von 1986 die Debatte über eine Kooperation mit der SPD einsetzte, hatten sich die Rahmenbedingungen des Parteien-systems bereits deutlich verschoben. Die Regierung Albrecht zeigte deutliche Abnutzungser-scheinungen und war in der Wählergunst stark gesunken. Dagegen hatte die SPD ihr Tief ü-berwunden und entwickelte mit dem Ex-Juso-Vorsitzenden Gerhard Schröder wieder ein »linke-res« Profil, was sich u.a. darin niederschlug, dass die Positionen zur Kernenergie schrittweise korrigiert wurden. Zudem pflegte Gerhard Schröder - in ähnlicher Weise wie Oskar Lafontaine - einen taktisch motivierten, offensiven Umgang mit den Grünen, indem er (zeitweilig) die Bereit-schaft der SPD zu einer Koalition mit den Grünen bekundete. Dass die sicherlich im Kalkül Schröders liegende Zerreißprobe im grünen Landesverband vor der 86er Wahl ausblieb und stattdessen ein Kompromiss der »Flügel« (der alles offen ließ) zustande kam, lässt sich nur mit der internen Verfasstheit der niedersächsischen Grünen erklären. Eine durch externe Faktoren induzierte Bewährungsprobe in Form einer Mehrheit für »rot-grün« blieb dem Landesverband 1986 allerdings durch eine hauchdünne Mehrheit für die CDU/FDP-Koalition »erspart«.

Vor der Landtagswahl von 1990 wurde allgemein von einer Ablösung der konservativen Lan-desregierung ausgegangen, es erschien allenfalls noch offen, ob eine sozialliberale oder eine »rot-grüne« Koalition an deren Stelle treten würde. Dem grünen Landesverband war nach 1986 genügend Zeit geblieben, um den Klärungsprozess hinsichtlich einer möglichen Regierungsbe-teiligung zu vollenden. Spätestens mit dem Berliner »rot-grünen« Senat war eine Koalition auch für die gemäßigt linke Minderheitsströmung im LV kein Streitpunkt mehr.

Die strukturierende Wirkung des Parteiensystems lag in Niedersachsen darin, dass es der grünen Landesorganisation eine Annäherung an eine Regierungsbeteiligung »in ruhigem Fahrwasser« ermöglichte und ihr damit eine Zerreißprobe wie etwa in Hessen ersparte.

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 16/22

Beispiel eines politischen Lebenslaufes einer Grünen-Abgeordneten: Rebecca Harms

Sie war von Anfang an im Widerstand gegen die Atompolitik im Wendland aktiv. Von 1994 bis 2004 ist sie Landtagsabgeordnete in Niedersachsen, seit 1994 stellv. Fraktionsvorsitzende, seit 1998 Fraktionsvorsitzende. 2004 ist sie bundesdeutsche Spitzenkandidatin für die Grünen zur Europawahl am 13.6.2004.

Auszüge aus dem Bericht von Jürgen Voges in: Unruhiges Hinterland. Porträts aus dem Wider-stand im Wendland, Hrsg. Kirsten Alers, Philipp Banse, BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V., Lüchow 1997, S. 112 – 121.

„Als Gärtnerin bin ich am besten.“ Rebecca Harms – Landtagsabgeordnete, Filmemacherin, BI-Mitbegründerin, Gärtnerin … Die Landtagsabgeordnete Harms hat auch eine kleine Wohnung in Hannover. Aber zuhause ist Rebecca weiter im Wendland, in Dickfeitzen Nr, 13. Das Dorf im Westen des Landkreises, etwas südlich und oberhalb der Bundesstraße Uelzen-Lüchow gelegen, gehört zu Waddeweitz, durch das eben jene Bundesstraße in einer langgezogenen Kurve führt. Nummer 13 oben am Hügel ist ein kleineres jener alten Bauernhäuser im Wendland, die einst Menschen und Vieh gleichermaßen beherbergten, und die dann später in den achtziger Jahren gern von Atomkraft-gegnern preiswert erworben wurden - zumeist von jenen ,Auswärtigen’, die der Gorlebenpro-test erst zeitweise und dann gänzlich in den Landkreis geführt hatte. …

Filmemacherin nennt das Handbuch des niedersächsischen Landtages als Beruf der Grünen-Abgeordneten. „Als Gärtnerin bin ich am besten", sagt bescheiden und freundlich Rebecca selbst. Natürlich ist sie Berufspolitikerin, seit sie 1994 nach einem 12-Prozent- Ergebnis für die Grünen im Wendland als Abgeordnete in den Landtag in Hannover eingezogen ist. Und die Politikerin wägt auch in einem Interview beim Tee ihre Worte mehr, als es ihr stets jugendliches Lächeln vermuten läßt. Erst Gärtnerin, dann Filmemacherin, nun Abgeordnete. „Natürlich gab es in den letzten 20 Jahren zwischendurch auch mal harte Zeiten mit normalem Arbeitnehmer-leben", sagt sie über ihren Berufsweg. Doch letztlich konnte sie sich immer wieder aussuchen, „was ich machen wollte". Diese Freiheit ist ihr zugefallen, sozusagen als Nebenprodukt eines durchaus unordentlichen Lebensweges, eines 20jährigen Engagements im wendländischen Wi-derstand. (1997, Anm. der Redaktion)

In Veerßen im Nachbarkreis ist die heute 40jährige Rebecca Harms aufgewachsen, hat dort in der Kreisstadt Uelzen Abitur gemacht. 1975 war das für ein Kind einer Putzfrau und eines Kraft-fahrers nicht selbstverständlich. In jener Zeit tragen unangepaßte Jugendliche abgewetzte grüne Bundeswehr-Parkas, kiffen auf dem Schulhof, sind sozial und politisch engagiert. Die Politgrup-pe, die schon für die 15jährige zu ihrer Jugendclique wird, kämpft für ein, UJZ', ein unabhängi-ges Jugendzentrum in Uelzen und dabei auch gegen den stellvertretenden Uelzener Stadtdirek-tor Peter Struck, der heute der Bonner SPD-Fraktion die Geschäfte führt. In einer Obdachlosen-siedlung leistet Rebecca Schularbeitenhilfe, tritt in eine Frauengruppe ein. Nach der Schule will sie Engagement und Beruf verbinden, will zunächst Sozialpädagogik studieren. Doch der Zeit der Weltverbesserung durch Pädagogik, folgt schon die der Latzhosen und Landkommunen. Die Abiturientin Harms beginnt in einer Gärtnerei westlich vor Uelzen eine Ausbildung zur Baumschul- und Landschaftsgärtnerin. Gärtner ist 1975 noch ein Männerberuf, 10 Männer und eine weitere Frau beschäftigt die fünf Kilometer außerhalb der Stadt gelegen Baumschule. Fami-liär-patriarchalisch geht es dort zu, der Chef ist ein „sehr konservativer Mann". Dennoch bringt dann gerade er seine Auszubildende in die Anti-AKW-Bewegung.

In die BI Lebensschutz Uelzen treten Rebecca und ihr Chef ein, die 20jährige angehende Gärt-nerin läßt sich in den Vorstand wählen. Um Atommüll geht es bereits, nur noch nicht um Gorle-

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 17/22 ben, sondern um die drei Standorte für ein Nukleares Entsorgungszentrum, die die niedersäch-sische Landesregierung noch nach geologischen Kriterien vorausgewählt hat: Aschendorf im Emsland, Lichtenmoor bei Nienburg und um Lutterloh westlich von Uelzen. „Dort in Lutterloh haben dann schon in dieser Anfangszeit der Anti-AKW-Bewegung 1000 Leute demonstriert", erinnert sich Rebecca. Als dann aber am 22. Februar 1977 CDU-Ministerpräsident Ernst Alb-recht den Salzstock Gorleben aus politischen und keineswegs aus geologischen Gründen zum Standort von Endlager und Wiederaufarbeitungsanlage kürt, sind die Uelzener AKW-GegnerInnen genauso überrascht wie die wenigen UmweltschützerInnen im damals noch tief- schwarzen Wendland. „Zusammen mit meinem Chef bin ich noch am Abend nach der Benen-nung nach Gorleben in die Alte Burg gefahren", weiß Rebecca noch wie heute. Dort treffen sie Marianne Fritzen und eine Reihe andere Mitglieder der kleinen wendländischen Bürgerinitiative Umweltschutz gegen ein AKW in Langendorf. Ein Ergebnis dieses allerersten Gorleben-Treffens: Der Gärtner gibt seiner Auszubildenden 14 Tage frei. Sie soll sozusagen hauptamtlich die erste Demo auf jener abgebrannten Waldfläche im Gartower Forst vorbereiten, auf der heu-te wieder Bäume aber auch das Zwischenlager und die Endlagerschächte stehen. …

Natürlich ist Rebecca 1977 Gründungsmitglied der BI Lüchow-Dannenberg und später mehr-mals deren Vorsitzende. Dem BI -Vorstand gehört sie bis 1991, bis sie sich der Parteipolitik zu-wendet durchgängig an. …

Dogmatisch, ein richtiger Landfreak sei sie gewesen: „Zwei Hosen, zwei Pullover und vier T-Shirts - das war die ganze Kleidung.“ Heute legt sie sich schöne Jacketts zu, wenn auch „mög-lichst jm Schlussverkauf“, liebt den Tango, gutes Essen, hört Verdi-Opern. Dennoch sieht sie die ersten Widerstandsjahre als „eine unheimlich schöne Zeit mit ganz heftigen Überzeugungen". In der BI ist es zunächst Rebeccas Aufgabe, Kontakt zu den Gorleben-Freundeskreisen zu hal-ten, die sich schon bald nach der Benennung in über hundert bundesdeutschen Städten grün-den. Diese pachten Parzellen auf dem Bauplatz, jedes Wochenende gibt es dort Baumpflanzak-tionen. Sie gewinnt FreundInnen unter den Städtern, vermittelt oft in den Konflikten, die bald zwischen radikaleren Auswärtigen und den einheimischen AKW-Gegnern entstehen, die vor allem die Bevölkerung vor Ort mobilisieren wollen.

Bei aller Heimatliebe hat sich Rebecca immer - damals wie heute - als eine ,Linke' verstanden: „Für mich war das Ganze stets ein linkes Projekt, ein Auflehnen gegen die Obrigkeit, obwohl wir mit sehr bürgerlichen Leuten zusammenarbeiteten." Über den Widerstand lernt die Land-kommunardin Persönlichkeiten wie Robert Jungk oder den Heinz Brandt kennen und auch jene KünstlerInnen aus der ganzen Republik, die sich bald für ein atommüllfreies Wendland engagie-ren. Diese Kontakte „erweiterten unseren Horizont". Diskussionen, Reden halten, Flugblätter und Papiere verfassen: Der Widerstand wird ihre Schule, ihre Uni. Als sie später 1982 und 1983 erst in Hamburg und dann in Berlin tatsächlich noch studieren will, klappt das nicht mehr: „Mir war das dann einfach zu unernst, zu sehr nur eine Spielwiese."

Die beiden Großereignisse dieser frühen Jahre, den Gorlebentreck und die Republik Freies Wendland, stehen für Rebecca nacheinander für Erfolg und Desaster. Der Treck und die 100.000 DemonstrantInnen in Hannover, die 1979 die Bauern zum Markenzeichen des wend-ländischen Widerstandes machen und Ernst Albrecht zunächst zum Verzicht auf eine WAA bei Gorleben zwingen, das ist die Zeit des Hochgefühls, des ,Alles-ist-möglich', Den 33 Tagen der legendären Republik Freies Wendland folgt die politische und persönliche Krise. Rebecca per-sönlich hat damals als erste im Kreis der Gorleben-Frauen, der Widerstands-Frauengruppe, vorgeschlagen, die Endlagertiefbohrstelle 1004 mit einem Hüttendorf zu besetzen. Dem Aufruf der BI folgen am 3. Mai 1980 schließlich 5000 zum größten Teil auswärtige AKW-GegnerInnen. Bis zum Ende der Republik, die über Fahne, Paß, Botschaften in vielen Städten und einen eige-nen Radiosender verfügt, erproben ständig mehr als 1000 AKW-GegnerInnen in dem Hütten-dorf ein selbstbestimmtes Land-Leben. Doch nach der Räumung durch 8000 Polizisten „hatten die Leute, die sich wegprügeln und wegzerren ließen, große Aggressionen gegen die, die wie ich in der Sprechergruppe waren". Die Räumung wird zum Medienereignis: Die Lautsprecher-durchsagen der Gruppe aus dem umzingelten Hüttendorf überträgt der Rundfunk live. „Ich

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 18/22 habe später daraus gelernt, daß wir den Widerstand auch immer in Szene setzen. Jede Wider-standsaktion ist auch eine Propagandaaktion. Den direkten Kampf gegen den Staat kann man nicht gewinnen. Aber für die, die sich vor Kameras und Mikrophonen von der Polizei wegtragen lassen, ist es eben der Gipfel des persönlichen Engagements." …

Für den langen Atem im Widerstand braucht es auch „eine berufliche, eine Lebensperspektive hier im Landkreis." Rebecca hat sich 1982 als Gärtnerin selbständig gemacht, hat zunächst den Weg vieler einst, Auswärtiger' eingeschlagen, die sich in der wendländischen Szene aus (alter-nativen) Landwirtschafts-, Kunst- oder Handwerksbetrieben die eigenen Arbeitsplätze geschaf-fen haben. Nebenbei arbeitet sie bereits zeitweise bei der Wendländischen Filmcooperative mit. …

Den Grünen nähert sich die spätere Angeordnete, „die in den 80er Jahren eigentlich immer in schwarzer Lederjacke rumgelaufen ist", über einen weiteren Broterwerb an. „Mitte der 80er Jahre hatte ich dann die Nase ziemlich voll von meinem Landleben, wollte auch mal etwas mehr Geld verdienen." Von 1984 bis 1987 arbeitet Rebecca als persönliche Referentin für die Grü-nen- Europaabgeordnete Undine von Blottnitz. Sie lebt diese vier Jahre im Wechsel eine Woche im Wendland und eine Woche in Straßburg, wo ihre Chefin und gute Freundin Mitglied der alternativen Regenbogenfraktion des Europaparlamentes ist. Die Fraktionsmitarbeiterin Harms ist dort zuständig für Energie- und Umweltfragen, koordiniert mehrere internationale Konferen-zen zum Atomausstieg; bereist Entwicklungsländer. Als sie 1988 erneut zur Vorsitzenden der BI Lüchow- Dannenberg gewählt wird, besucht sie das verstrahlte Sperrgebiet um Tschernobyl: „Es war furchtbar dort, schlimmer als wir es all die Jahre immer befürchtet hatten." Und in der Bundesrepublik würden sich nach einer Reaktorkatastrophe eben keine tausende von Rotarmis-ten finden, „die beim Einsargen des zerstörten Reaktors Leib und Leben drangeben".

In die Grüne Partei tritt Rebecca Harms erst ein, als sie 1993 schon Landtagskandidatin ist. Die Grünen- Landesarbeitgemeinschaft Energie empfiehlt sie damals für einen sicheren Listenplatz. Ihr hilft natürlich, daß die BI Lüchow-Dannenberg quasi ein Abonnements auf eine Vertretung im Landtag hat: Im Landkreis sind im Laufe der Zeit viele altgediente BI-lerInnen in die Grünen eingetreten, und die Tradition des Widerstandes sorgt für überdurchschnittliche Grünen- Wahl-ergebnisse.

Im Landtag ist sie heute für Medien- und Atompolitik zuständig. Sie versteht sich aber nicht nur als „Interessenvertreterin des wendländischen Widerstandes". Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen- Landtagsfraktion kann einen Teil ihrer Parlamentsarbeit relativ unabhängig von den anderen Grünen-Abgeordneten organisieren: „Meine atompolitischen Themen kann ich oft selbst setzen." Auch um ihre materiellen Privilegien weiß sie sehr wohl: Von ihrem Abgeordne-ten-Diäten bleiben ihr nach Abzug der obligatorischen Spenden an die Partei monatlich 5000 Mark übrig. „Mehr als ich als Filmemacherin verdient habe.“

Als Joschka Fischer sich beim ersten Castor- Transport 1994 öffentlich von „Anschlägen und gewalttätigen Aktionen" im Wendland distanzierte, antwortet ihm Rebecca Harms über die Grünen- Parteizeitung. "Sabotageaktionen" verteidigt sie als "legitimes Mittel des Widerstan-des". Dem Chef der Grünen-Bundestagsfraktion empfiehlt sie am nächsten Tag X „lieber ins Wendland zu kommen und sich selbst ein Bild zu machen". Ein Bild von den jugendlichen Blo-ckiererInnen, die sich „immer wieder wegtragen, wegzerren und wegknüppeln ließen" und dabei weitaus gewaltfreier waren, als „ein Joschka Fischer in den jungen Jahren". Rebecca Harms hat viel übrig für diese dritte Generation des Widerstandes, die "viel undogmatischer die Probleme anpackt", als wir in unseren jungen Jahren. …

Ihr Ziel ist eine rot-grüne Landesregierung nach der Wahl (Landtagswahl 1998, Anm. d. Red.) für die der „Atomausstieg Priorität hat“. Auch für den Widerstand vor Ort sei es sehr wichtig, wie eine Landesregierung mit dem Instrument der Atomaufsicht umgehe. Rebecca fühlt sich noch heute in den Grünen und im Wendländischen Widerstand zuhause. …

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 19/22

Interview mit Jürgen Trittin - Auszug aus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 25 Jahre Grüne Geschichte(n), Berlin 2004:

Jürgen Trittin wurde 1954 in Bremen geboren. Seit 1980 ist der studierte Diplom-Sozialwirt bei den Grünen. Er war ab 1985 Mitglied im Landtag Niedersachsen und Anfang der 90er Jahre niedersächsischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten im Kabinett Schröder. 1994 wurde Trittin Sprecher des Bundesvorstands von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und 1998 Bun-desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Trittin hat das Erneuerbare Ener-gien Gesetz auf den Weg gebracht, das Dosenpfand und den Energiekonsens, mit dem die rot-grüne Regierung 2001 den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie verbindlich mit der Wirtschaft vereinbarte. Erste wichtige Station des Ausstiegs war die Stilllegung des AKW Stade im November 2003.

Jürgen Trittin über den Energiekonsens und seinen Ruf als Linker:

„Ich war nie ein Fundi“

Schon 1977 gründete sich in Niedersachsen die erste Grüne Liste. Wann und wie bist du dazu gekommen?

Nach den Demonstrationen wie 1977 am AKW Grohnde gab es Diskussionen von Grünen Lis-ten bis Spontis und K-Gruppen darüber; die militante Anti-AKW-Bewegung zu öffnen, vor al-lem um ihre Anliegen in die Parlamente zu bringen. Das war neu und sehr umstritten. Von Leuten wie Thomas Ebermann bis Baldur Springmann musste da erst einmal eine kulturelle Brücke geschlagen werden.

Und die GRÜNEN haben dann diese Bewegungen in sich aufgenommen?

Ja, jedenfalls einen Teil von ihnen und den haben sie verändert. Als DIE GRÜNEN den Sprung in die Parlamente geschafft hatten, wurde schnell klar; dass das allein nicht ausreicht. Der Stel-lenwert des Parlamentarismus und die innerparteiliche Rolle staatlicher Institutionen wurde heftig diskutiert. Es gab Leute, die sagten: Nie und nimmer lassen wir uns auf dieses System ein. Wir wollen das Parlament nur als Tribüne. Andere wollten Mehrheiten beeinflussen – in zwei Varianten: Die einen wollten eine Minderheitsregierung tolerieren, die anderen sich an einer Regierung beteiligen. Die Frage ist dann zunächst in Hessen, dann in Berlin und 1990 in Niedersachsen - praktisch entschieden worden: durch die Bildung der ersten rot-grünen Lan-desregierungen. Und nachdem diese in Hessen und Berlin vorzeitig scheiterten und konservati-ven Mehrheiten Platz machten, hielt die Koalition in Niedersachsen zum ersten Mal eine ganze Wahlperiode.

War Anti-Atom damals schon das große Thema in Niedersachsen?

In Niedersachsen gab es vor dem Machtwechsel zu Rot-Grün drei große Themen: Zum einen war das natürlich Anti-Atom - mit dem AKW Stade, der Wiederaufbereitungsanlage, die letzt-lich verhindert werden konnte, und mit der Frage nachdem Zwischen- und Endlager in Gorle-ben. Das zweite Thema betraf den Müll - Hausmüll wie Giftmüll. DIE GRÜNEN waren die ein-zigen, die wirklich etwas von der Materie verstanden. Der damalige Landwirtschaftsminister Glup las zum Beispiel im Landtag aus seinem Manuskript vor und sprach immer von „kolorier-ten Kohlenwasserstoffen“. Als die Grüne Charlotte Garbe ihn unterbrach und sagte: „Herr Mi-nister, es heißt chlorierte Kohlenwasserstoffe“, nahm er; so ganz Niedersachse, seine Brille ab, drehte sich um und sagte: „Frau Garbe, wenn ich sage: koloriert, dann meine ich koloriert!“

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 20/22 setzte die Brille wieder auf und las weiter. Das Dritte große Thema in Niedersachsen waren Polizei- und Geheimdienst-Skandale, insbesondere das so genanntem „Celler Loch“, als der Staat selber einen Anschlag auf das Gefängnis in Celle initiiert hatte.

Ab 1990 warst du Minister in der niedersächsischen rot-grünen Koalition. War das eine erfolg-reiche Zeit?

Im Sog der deutschen Einheit, als sich alle vom Thema Ökologie abkehrten, hatten wir ein Er-gebnis von knapp über fünf Prozent. Das sieht bitter aus, war aber unter diesen Bedingungen tatsächlich noch ein Erfolg - denn im gleichen Jahr flogen DIE GRÜNEN mit 4,8 Prozent aus dem Bundestag. Es gibt einiges, auf das wir stolz sein können: Zum Beispiel eine andere Flüchtlings- und Asylpolitik. Ein Landesgleichstellungsgesetz. Eine Ökologisierung der Wirt-schaftsförderpolitik. Einer der ersten, der aus dem neuen Ökofonds' Zuschüsse bekommen hat, war Alois Wobben. Das Unternehmen, das daraus entstand, Enercon, gibt heute 15.000 Men-schen Arbeit.

Und die größten Pannen?

Zu den Niederlagen gehört sicherlich, dass wir das AKW Stade stilllegen wollten, es aber im-mer wieder anfahren lassen mussten, weil die Betreiber nach jedem Sicherheitsgutachten nachgerüstet haben. Als Stade dann letztes Jahr als Folge des Atomkonsenses endlich vom Netz gegangen ist, war es das bestnachgerüstete AKW Deutschlands. Immerhin haben die Grünen aber so erfolgreich gearbeitet, dass wir bei der nächsten Wahl von fünf auf 7,5 Prozent deut-lich zulegen konnten und zugleich die FDP aus dem Parlament verdrängt haben. Unser eigener Erfolg hat dann aber dafür gesorgt, dass die SPD allein regieren konnte und nicht mehr auf die Koalition mit uns angewiesen war.

Waren in Niedersachsen der Osten und die Wiedervereinigung eigentlich ein Thema?

Bis 1989 nicht. Wir hatten die Vorstellung, dass es zwei unabhängige Staaten geben müsste, DIE GRÜNEN haben ebensowenig an die deutsche Einheit geglaubt wie die anderen Parteien. Warum hat die CDU damals Gorleben ausgesucht? Weil sie den nuklearen Müll möglichst weit weg an der Grenze haben wollte.

Wie hast du nach dem Mauerfall die Entwicklung im Osten wahrgenommen? Haben die Grü-nen schnell eine gemeinsame Sprache gefunden?

Zunächst hatte jede Gruppe ihre eigene Sprache, Kommunikationsformen und auch Themen, vom Bündnis 90 bis zur Grünen Partei der DDR, die es ja auch gab und die etwas später unter die Räder gekommen ist. Das Tragische war, dass die Bewegung einen runden Tisch organisier-te, als in der DDR die Macht auf der Straße lag. Der dicke Helmut kam und hat die Macht ein-fach aufgesammelt. Das kann man leider so banal beschreiben. Diese historische Niederlage im Osten war traumatisch und das damit verbundene „Verlierer-lmage“ hat zu unseren schlechten Wahlergebnissen im Osten beigetragen.

1990 sind dann die West-GRÜNEN an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und aus dem Bun-destag geflogen. Hat dich das deprimiert?

Natürlich war ich darüber nicht glücklich, wie wohl jeder von uns. Aber der Rausschmiss war insofern hilfreich, als er die Auseinandersetzung damit erzwungen hat, wie wir in diesem poli-tischen System als Partei agieren wollen. Außerdem hatten wir ja die ostdeutschen Bürgerbe-wegten im Bundestag, und die westdeutschen wollten den Weg zurück nach Bonn über die Länder gehen. In Nordrhein-Westfalen haben wir dann gleich zehn Prozent erreicht, die SPD ist

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 21/22 ohne absolute Mehrheit geblieben und es kam zu Rot-Grün. Depression war also im Westen nicht gerade angesagt.

Von 1994 bis 1998 warst du Bundesvorstandssprecher. Die Wahrnehmung von außen war »Trittin ist der Linke«. Ärgert dich so ein Etikett?

Ich war vier Jahre Minister; ich war nie ein Fundi, niemand konnte erwarten, „dass ich, die Jutta Ditfurth mache“ - genau das habe ich den Leuten damals auch gesagt. Es ist Aufgabe des Bundesvorstandes, zur Mitte hin zu integrieren und möglichst lagerübergreifende Mehrheiten zu bilden. Das habe ich auch fast immer hinbekommen.

Wie kaum ein anderer Grüner hast du später wegen des Atomkompromisses in deiner Eigen-schaft als Bundesumweltminister Vorwürfe abbekommen, du hättest deine Partei verraten. Wie siehst Du das heute?

Kein Land steigt so schnell aus dieser Technologie aus wie wir; obwohl es ein Vierteljahrhun-dert gedauert hat von den Auseinandersetzungen in Brokdorf 1976 bis zur Stilllegung der ers-ten AKWs in Stade 2003 und vorher schon in Mülheim-Kärlich. Das scheint mir nicht so schlecht zu sein. Jeder Castor-Transport ist ärgerlich. Aber wir wussten immer; dass wir den Mist zurücknehmen müssen. Immerhin konnte ich meinen Freunden im Wendland rund zwei Drittel der schon genehmigten Transporte ersparen.

Und wo siehst du die Grünen in zehn Jahren?

Die Grünen haben die Chance, ihre eher städtische und jüngere Wählerschaft flächendeckend auszubauen, und zwar in Richtung auf zweistellige Ergebnisse. Dafür müssen wir neue Kompe-tenzfelder erschließen. Das geht. Nur; wenn wir dabei unser Markenzeichen als Umwelt- und Bürgerrechtspartei nutzen. Also ausgehend von unseren Brot- und Butterthemen neue Politik-felder besetzen. So ist uns das in der Energiepolitik gelungen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind die einzige kleine Partei, denen eine parteiübergreifende Kompetenz zugeschrieben wurde - die Umweltkompetenz. Und inzwischen auch eine zweite: Die Energiepolitik. Da gibt es für eine innovationsfreudige Partei noch weiteres zu erobern.

Aus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 25 Jahre Grüne Geschichte(n), Berlin 2004

Die Grüne Sommerakademie – Kurs 1 „Wann und Wo“ 22/22 Übung

• Was weißt Du über die Geschichte der Grünen in Deinem Wohnort? • Was weißt Du über die Geschichte der Bundesgrünen?

Abschlussprüfung:

Fragen: Bitte beantwortet die folgenden Fragen anhand der von Euch gelesenen Texte • Aus welchen sozialen Bewegungen sind die Grünen hervorgegangen? • Was waren/sind die vier Grundsätze der Grünen? • Seit wann sind die Grünen im Landtag Niedersachsen vertreten? • Wann haben die Grünen in Niedersachsen mitregiert? • Nenne bekannte Grüne aus Niedersachsen. • Aus welcher sozialen Bewegung stammt Rebecca Harms? • Nenne die Stationen der politischen Laufbahn von Jürgen Trittin ab 1990. Impressum :

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landesverband Niedersachsen Dunja Rose Odeonstraße 4 30159 Hannover www.gruene-niedersachsen.de