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Dr. Horst Heidbrink
Institut für Psychologie
Freundschaft
Ergebnisse der psychologischen Freundschaftsforschung
Institut für Psychologie
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 3
Freundschaftsdefinition
„Freunde sind Menschen, die man mag, deren Gesellschaft man genießt, mit denen man Interessen und
Aktivitäten teilt, die hilfreich und verständnisvoll sind, denen man vertrauen kann, mit denen man sich wohl fühlt
und die emotionale Unterstützung gewähren“. (Michael Argyle & Monika Henderson, 1990)
Institut für Psychologie
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 4
Freundschaftsdefinitionen „Freundschaft ist eine dyadische, persönliche, informelle Sozialbeziehung. Die beiden daran beteiligten Menschen werden als Freundinnen / Freunde bezeichnet. Die Existenz der Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit; sie besitzt für jede(n) der Freundinnen/Freunde einen Wert, welcher unterschiedlich starkes Gewicht haben und aus verschiedenen inhaltlichen Elementen zusammengesetzt sein kann. Freundschaft wird zudem durch vier weitere Kriterien charakterisiert: 1. Freiwilligkeit (...) 2. Zeitliche Ausdehnung (...) 3. Positiver Charakter (...) 4. Keine offene Sexualität.“ (Auhagen,1991)
Institut für Psychologie
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 9
Alterskorrelation und Bewertung bei Freunden und Bekannten (Marbach, 2007)
Institut für Psychologie
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 10
Einflüsse auf die Anzahl unserer Freunde/Freundinnen
1. Befragte(r) ist über 40 (-)
2. Genannte(r) ist Freizeitpartner
3. Genannte(r) ist Adressat enger Gefühle (-)
4. Befragte(r) und Genannte(r) sind gleichaltrig
5. Befragte(r) und Genannte(r) haben gleiches Geschlecht
6. Befragte(r) hat Kinder (-)
7. Genannte(r) ist Gesprächspartner
8. Befragte(r) hat Partner(in) (-)
9. Befragte(r) ist zwischen 30 und 40 (-)
10. Genannte(r) empfängt vom Befragten Finanzhilfe (-)
Quelle: Marbach, 2007
Institut für Psychologie
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 12
Wie viele Freunde/Freudinnen haben wir?
1. Beste Freunde: 0,1 oder 2 2. Enge Freunde: ca. 5 3. Freundeskreis: ca. 15 4. Bekannte: bis zu 150 (Robin Dunbar „Dunbar`s number“)
Institut für Psychologie
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 13
Entwicklung des Freundschaftskonzepts (Selman, 1984; Fatke & Valtin, 1988)
0. Freundschaft als momentane physische Interaktion (5 - 6 Jahre);
1. Freundschaft als einseitige Hilfestellung (8 Jahre); 2. Freundschaft als Schönwetter-Kooperation (10 - 12
Jahre); 3. Freundschaft als intimer gegenseitiger Austausch
(Jugendalter); 4. Freundschaft als Autonomie und Interdependenz
(Erwachsene)
Institut für Psychologie
0. Freundschaft als momentane physische Interaktion (5 - 6 Jahre)
Was für eine Person ist ein guter Freund? Jungen spielen mit Jungen, Lastautos spielen mit Lastautos, Hunde spielen mit Hunden. Warum sind sie deshalb gute Freunde? Weil sie dieselben Dinge tun. Wer ist dein bester Freund? Erich. Vertraust du ihm? Ja. Was heißt das, dass du ihm vertraust? Wenn ich ihm ein Spielzeug gebe, weiß ich, dass er es nicht kaputt macht. Woher weißt du das? Er ist nicht stark genug. Wenn du und deine Freundin beide mit demselben Spielzeug spielen wollt, wie entscheidet ihr dann, wer es bekommt? Hau' sie. Oder spiel' einfach mit was anderem.
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 14
Institut für Psychologie
1. Freundschaft als einseitige Hilfestellung (8 Jahre)
Wie können Freunde sich wieder vertragen, wenn sie sich gestritten haben?
Der Junge, der angefangen hat, sagt allen der Reihe nach, dass es ihm leid tut.
Und das reicht? Ja.
Wie entsteht ein Streit zwischen Freunden?
Wenn sie Schimpfworte zu mir sagt oder so.
Wie könnt ihr dann wieder Freunde werden?
Bring sie dazu, dass sie's zurücknimmt und sagt, dass sie gelogen hat.
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 15
Institut für Psychologie
2. Freundschaft als Schönwetter-Kooperation (10 - 12 Jahre)
Kann eine Person allein einen Streit beenden?
Nein, beide müssen sich einigen.
Kann jemand dein Freund sein, auch wenn ihr euch streitet?
Ja. Wenn man sich streitet und sagt, 'ich hasse dich' und 'du bist doof, ich hasse dich, ich hasse dich', und wenn man das wirklich ernst meint, dann wäre das nicht gut; aber wenn man es nicht wirklich so meint, und man meint es in dem Moment, aber nicht wirklich, dann ist es schon in Ordnung.
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 16
Institut für Psychologie
3. Freundschaft als intimer gegenseitiger Austausch (Jugendalter)
Gehört es also zu einer richtigen Freundschaft dazu, dass man sich streitet?
Ich denke schon.
Das klingt widersprüchlich, dass ein Freund jemand ist, mit dem man sich streiten kann. Warum ist das so?
Weil du zeigst, dass du ihn wirklich magst, und dass du sein Freund bist. Wenn man sich nicht mit ihm stritte, würde das bedeuten, du tust das, ich tu jenes. Aber alle arbeiten irgendwie zusammen. Jeder ist mit jedem über irgendetwas verschiedener Meinung. Niemand stimmt mit dem anderen völlig überein.
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 17
Institut für Psychologie
4. Freundschaft als Autonomie und Interdependenz (Erwachsene)
Niemand ist eine Insel. Ich meine nicht, man sollte mit einem Freund verschmelzen und gänzlich seine Identität aufgeben. Ich meine ganz einfach, dass man sich zu einem bestimmten Grad auf andere verlassen sollte; das kann ein enger Freund sein, dem man vertraut, und mit dem man auf gleicher Wellenlänge ist.
Was meinst du mit gleicher Wellenlänge?
Nun, jemand, der dich versteht und den du verstehst, ohne immer alles aussprechen zu müssen.
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 18
Institut für Psychologie
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 19
Entwicklungschancen durch Freundschaften
Enge Freundschaften bieten Möglichkeiten, das eigene Selbst zu entdecken und ein besseres Verständnis für andere Menschen zu entwickeln.
Enge Freundschaften bilden die Grundlage für zukünftige intime Beziehungen.
Enge Freundschaften helfen den jungen Menschen dabei, mit den Schwierigkeiten der Adoleszenz umzugehen.
Enge Freundschaften können sich positiv auf die Einstellung des Jugendlichen zur Schule und seiner Mitarbeit im Unterricht auswirken.
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14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 20
Schattenseiten von Freundschaften
Gehirnforschung: Sensible Phase während der Pubertät für die Übernahme sozialer und moralischer Normen
Jugendliche sind „konventionell“ – sie übernehmen die Wertvorstellungen ihrer Peergruppe
Stärkster Einfluss für jugendliche Gewalttäter: Anzahl gewalttätiger Freunde
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14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 21
Partner für wichtige Gespräche
12jährige: wichtigste Gesprächspartner sind die Eltern 15jährige: wichtigste Gesprächspartner sind eigene
Freunde 17jährige: wichtigster Gesprächspartner der „romantische“
Partner/in
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14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 22
Unterschiede zwischen Frauen- und Männerfreundschaften
Institut für Psychologie
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 23
Differenziertheit von Freundschaftskonzepten Frauen haben differenziertere Freundschaftskonzepte als
Männer.
Frauen sind ihre Freundschaften wichtiger als Männern.
Frauen sind mit ihren Freundschaften zufriedener als Männer.
Alleinlebende haben differenziertere Freundschaftskonzepte als in Partnerschaft lebende Frauen.
(Maurer,1998; N = 472 (311 w, 161 m))
Enge (A) und lockere (B) Freundschaften: Vergleich mit idealer Freundschaft
Pfisterer, 2006; N = 240 (190 w, 50 m)
Enge (A) und lockere (B) Freundschaften und Geschlecht im ADF
(Acquaintance Description Form; Wright, 1985, 2006)
(S. Pfisterer, 2006; N = 240 (190 w, 50 m))
Der enge Freund bzw. die enge Freundin wird als unterstützender, wertschätzender, bestätigender, einzigartiger angesehen, ihm/ihr wird gern mehr Zeit gewidmet.
Enge Freunde werden als nur wenig interessanter und anregender angesehen als lockere Freunde.
Im Geschlechtervergleich ist die Beziehung von Männern zu „Freund B“ am wenigsten eng und intensiv, in einigen Subskalen gleichen sich der „enge“ Freund und die „lockere“ Freundin sogar an (z. B. in Bezug auf Selbstbestätigung und hohe Wertschätzung).
Woran zerbrechen Freundschaften?
Argyle und Henderson
Wenn der Freund/die Freundin ...
• eifersüchtig auf Ihre Beziehungen zu Dritten ist oder diese kritisiert
• mit Anderen über vertraulich Mitgeteiltes redet
• keine freiwillige Hilfe anbietet, wenn sie benötigt wird
• kein Vertrauen in Sie zeigt
• öffentliche Kritik an Ihnen übt
• sich nicht in Ihrer Abwesenheit für Sie einsetzt
• an Ihnen herumnörgelt
Institut für Psychologie
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 27
Freundschaft als Prozess
Standardisierte Doppeltagebuchmethode
Tägliche Erhebung von Selbst- und Fremdbild, Konflikten und besonderen Ereignissen
Voraussetzung: enge Freundschaft mit nahezu täglichem Kontakt
Auswertung über Zeitreihenanalysen
Stimmungsverläufe in Freundschaften unter Erwachsenen (Lambertz, 1999)
Die gemeinsamen Aktivitäten bestanden in den meisten Fällen aus Gesprächen. Man erwartete von der Freundin Anteilnahme und emotionale Unterstützung.
Kritik an der Freundin gab es selten und auch Konflikte wurden nur selten benannt.
In der Regel konnte sich eine Freundin in die Stimmungen der anderen deutlich besser einfinden (Selbstbild-Fremdbild).
Missempfindungen und Ärger - obwohl selten - werden deutlich besser wahrgenommen als positive Stimmungen.
In fast allen Fällen konnte eine gegenseitige Einflussnahme festgestellt werden. Meistens war eine Freundin wesentlich Einfluss nehmender als die andere.
Stimmungsverläufe in Freundschaften unter Erwachsenen (Lambertz, 1999)
Die tatsächliche Einflussnahme stimmte nicht mit den Angaben zur Dominanz überein.
Es besteht eine große Neigung, von den eigenen Empfindungen auf die der Freundin zu schließen.
In normalen Freundschaften im Alltag tritt also ein falscher Konsensuseffekt zu Tage, ohne dass die damit einhergehende mangelnde Kenntnis der tatsächlichen Stimmungen der Freundin der Beziehung schadet.
Es bestätigt sich die Bedeutsamkeit der wahrgenommenen Ähnlichkeit, die für eine positive Beziehung wichtiger ist als die tatsächliche Ähnlichkeit.
Institut für Psychologie
14.02.2011 Dr. Horst Heidbrink Folie 33
Freundschaft und Gesundheit Holt-Lunstad, J., Smith, T. B. & Layton, J. B. (2010)
Einsamkeit ist genauso schädlich wie der Konsum von 15 Zigaretten am Tag
Einsamkeit schadet genauso viel wie Alkoholmissbrauch
Einsamkeit ist schädlicher als keinen Sport zu treiben
Einsamkeit ist doppelt so schädlich wie Fettsucht
148 Studien, N = 308.849, Durchschnittsdauer 7,5 Jahre