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Gasblasengehalt in Al kalichlorid-Membranzellen Dieter Bergner* Herrn Professor Dr. Karl-HansSimmrock zum 60. Geburtstag Das groBe Interesse an Gasblasenphanomenen bei der Elektrolyse mit gasentwickelnden Elektroden wird durch einen Ubersichtsartikel von Sides [l] aus dem Jahr 1983 und durch das 2nd International Sym- posium on Electrolytic Bubbles 1988 in London belegt. Die Vortrage dazu wurden 1989 im Journal of Applied Electrochemistry publiziert, siehe z. B. [2]. Viele dieser Arbeiten behandeln die Grundlagen der Gasblasenbil- dung und des Einflusses der Gasblasen auf die Elektrolyse. Nur weni- ge Publikationen geben Anhaltspunkte fur den praktischen Elektro- lysebetrieb. Im vorliegenden Fall sollte die GroBe des Gasblasenanteils in den GasiElektrolyt-Gemischen technischer Membranzellen fur die Alka- lichlorid-Elektrolyse experimentell ermittelt werden. AuBerdem war nicht bekannt, ob im oberen Teil der Zellen durch GadFliissig- Trennung ein Gasraum gebildet wird. Ferner sollte festgestellt wer- den, ob bei der VergroBerung der Zelle von 1,2 auf 2,7 m2 eine we- sentliche Anderung - vermutet wurde eine VergroBerung - des Gas- blasengehalts stattgefunden hatte. Erste Ergebnisse der Messungen dazu werden mitgeteilt. 1 MeSverfahren Die Messungen wurden bei 3 kA/m2 Stromdichte an einer 1,2-m2- und an einer 2,7-m2-Hoechst-Uhde-Membranzelle [3] ausgefiihrt. Es handelt sich dabei um Versuchselektrolyseure aus 12 bzw. 96 Einzel- zellen, die mit Nafion 90209-Membranen ausgeriistet sind. Die Zel- len wurden bei 90 OC und 3 mm Elektrodenabstand zur Erzeugung 33%iger Natronlauge betrieben. In Abb. 1 ist die MeBvorrichtung schematisch dargestellt, mit der die Messungen sowohl in den Anoden-Halbschalen als auch in den Ka- thoden-Halbschalen der Einzelzellen ausgefiihrt wurden. Durch in vertikaler Richtung verschiebbare Tauchrohre aus Titan auf der Anodenseite und Nickel auf der Kathodenseite (Innendurchmesser: Stickstoff Anode Anolyt Abb. 1. Druckmessung in einer Elektrodenkammer einer Hoechst- Uhde-Membranzelle mittels eines in vertikaler Richtung beweglichen Perlrohrs; h Eintauchtiefe des Perlrohrs, x Abstand vom Zellenbo- den, h, Perldruck. * Dr. D. Bergner, Hoechst AG, 6230 Frankfurt/M. 80. 6,O mm) wurde Stickstoff (ca. 30 I/h) in den entsprechenden Elektro- denraum eingeleitet.Durch eine Verbindung mit einem wassergefiill- ten U-Rohr-Manometer konnte der Perldruck gemessen werden. Bei- de Zellen haben eine Hohe von 120 cm. An beiden Seiten der 1,2-m2- Zelle, und zwar sowohl der Anoden-Halbschale als auch der Katho- den-Halbschale, war je eine Durchfiihrung fur die MeBsonden angebracht. Wegen der groBeren Breite der 2,7-m2-Zellehat diese zu- satzlich in der Zellenmitte eine dritte Durchfiihrung MeBsonde (s. Abb. 2). I Elektrode tandrohr Sondi Einlauf Sondc ir eine weitere Abb. 2. Darstellung einer Halbschale der 2,7-m2-Membranzelle mit Blick auf die Elektrode und den Positionen der drei MeBsonden, dem Elektrolyteinlauf und dem Auslauf-Standrohr. Mit den gleichen Sonden wurden sofort im AnschluB an die Druck- messung aus den Elektrodenkammern mittels einer Wasserstrahl- pumpe Elektrolytproben in eine Falle gesaugt. Aus den titrimetrisch erhaltenen Konzentrationswerten wurden mit Hilfe von Tabellen die Dichten do der gasblasenfreien Elektrolyte bei Elektrolyse-Tempera- tur (90 "C) bestimmt. 2 Ergebnisse Die Druckmessungen, d. h. die Bestimmung des Wasserstandes h, im U-Rohr-Manometer, wurden in Abhiingigkeit von der Eintauchtiefe h (s. Abb. 1) in 5-cm-Stufen im oberen und unteren Teil der Zelle und in 10-cm-Stufen in der Zellenmitte ausgefiihrt. Dabei ergaben sich leicht gekriimmte Kurven, wie aus Abb. 3 fur die 2,7-m2-Zelle her- vorgeht. Aus diesen Diagrammenist zu erkennen, daB die MeBpunkte 0 Eintouchtiefe h/cm Emtmhtirfc h/cm Abb. 3. Ergebnisse der Druckmessungen in den Halbschalen der 2,7-m2-Zelle bei 3 kA/m2 und 90 OC. Die Positionen der MeBsonden sind: Auslaufseite; + Mitte; x Einlaufseite. Die berechneten Aus- gleichskurven sind eingezeichnet (vgl. Tab. 1). Chem.-1ng.-Tech. 62 (1990) Nr. 5, S. 409-411 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1990 0009-286X/90/0505-0409 $ 02.50/0 409

Gasblasengehalt in Alkalichlorid-Membranzellen

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Page 1: Gasblasengehalt in Alkalichlorid-Membranzellen

Gasblasengehalt in Al kalichlorid-Membranzellen

Dieter Bergner*

Herrn Professor Dr. Karl-Hans Simmrock zum 60. Geburtstag

Das groBe Interesse an Gasblasenphanomenen bei der Elektrolyse mit gasentwickelnden Elektroden wird durch einen Ubersichtsartikel von Sides [l] aus dem Jahr 1983 und durch das 2nd International Sym- posium on Electrolytic Bubbles 1988 in London belegt. Die Vortrage dazu wurden 1989 im Journal of Applied Electrochemistry publiziert, siehe z. B. [2]. Viele dieser Arbeiten behandeln die Grundlagen der Gasblasenbil- dung und des Einflusses der Gasblasen auf die Elektrolyse. Nur weni- ge Publikationen geben Anhaltspunkte fur den praktischen Elektro- lysebetrieb. Im vorliegenden Fall sollte die GroBe des Gasblasenanteils in den GasiElektrolyt-Gemischen technischer Membranzellen fur die Alka- lichlorid-Elektrolyse experimentell ermittelt werden. AuBerdem war nicht bekannt, ob im oberen Teil der Zellen durch GadFliissig- Trennung ein Gasraum gebildet wird. Ferner sollte festgestellt wer- den, ob bei der VergroBerung der Zelle von 1,2 auf 2,7 m2 eine we- sentliche Anderung - vermutet wurde eine VergroBerung - des Gas- blasengehalts stattgefunden hatte. Erste Ergebnisse der Messungen dazu werden mitgeteilt.

1 MeSverfahren

Die Messungen wurden bei 3 kA/m2 Stromdichte an einer 1,2-m2- und an einer 2,7-m2-Hoechst-Uhde-Membranzelle [3] ausgefiihrt. Es handelt sich dabei um Versuchselektrolyseure aus 12 bzw. 96 Einzel- zellen, die mit Nafion 90209-Membranen ausgeriistet sind. Die Zel- len wurden bei 90 OC und 3 mm Elektrodenabstand zur Erzeugung 33%iger Natronlauge betrieben. In Abb. 1 ist die MeBvorrichtung schematisch dargestellt, mit der die Messungen sowohl in den Anoden-Halbschalen als auch in den Ka- thoden-Halbschalen der Einzelzellen ausgefiihrt wurden. Durch in vertikaler Richtung verschiebbare Tauchrohre aus Titan auf der Anodenseite und Nickel auf der Kathodenseite (Innendurchmesser:

Stickstoff

Anode

Anolyt

Abb. 1. Druckmessung in einer Elektrodenkammer einer Hoechst- Uhde-Membranzelle mittels eines in vertikaler Richtung beweglichen Perlrohrs; h Eintauchtiefe des Perlrohrs, x Abstand vom Zellenbo- den, h, Perldruck.

* Dr. D. Bergner, Hoechst AG, 6230 Frankfurt/M. 80.

6,O mm) wurde Stickstoff (ca. 30 I/h) in den entsprechenden Elektro- denraum eingeleitet.Durch eine Verbindung mit einem wassergefiill- ten U-Rohr-Manometer konnte der Perldruck gemessen werden. Bei- de Zellen haben eine Hohe von 120 cm. An beiden Seiten der 1,2-m2- Zelle, und zwar sowohl der Anoden-Halbschale als auch der Katho- den-Halbschale, war je eine Durchfiihrung fur die MeBsonden angebracht. Wegen der groBeren Breite der 2,7-m2-Zelle hat diese zu- satzlich in der Zellenmitte eine dritte Durchfiihrung MeBsonde (s. Abb. 2).

I

Elektrode

tandrohr

Sondi

Einlauf

Sondc

ir eine weitere

Abb. 2. Darstellung einer Halbschale der 2,7-m2-Membranzelle mit Blick auf die Elektrode und den Positionen der drei MeBsonden, dem Elektrolyteinlauf und dem Auslauf-Standrohr.

Mit den gleichen Sonden wurden sofort im AnschluB an die Druck- messung aus den Elektrodenkammern mittels einer Wasserstrahl- pumpe Elektrolytproben in eine Falle gesaugt. Aus den titrimetrisch erhaltenen Konzentrationswerten wurden mit Hilfe von Tabellen die Dichten do der gasblasenfreien Elektrolyte bei Elektrolyse-Tempera- tur (90 "C) bestimmt.

2 Ergebnisse

Die Druckmessungen, d. h. die Bestimmung des Wasserstandes h, im U-Rohr-Manometer, wurden in Abhiingigkeit von der Eintauchtiefe h (s. Abb. 1) in 5-cm-Stufen im oberen und unteren Teil der Zelle und in 10-cm-Stufen in der Zellenmitte ausgefiihrt. Dabei ergaben sich leicht gekriimmte Kurven, wie aus Abb. 3 fur die 2,7-m2-Zelle her- vorgeht. Aus diesen Diagrammenist zu erkennen, daB die MeBpunkte

0 Eintouchtiefe h/cm Emtmht i r fc h/cm

Abb. 3. Ergebnisse der Druckmessungen in den Halbschalen der 2,7-m2-Zelle bei 3 kA/m2 und 90 OC. Die Positionen der MeBsonden sind: Auslaufseite; + Mitte; x Einlaufseite. Die berechneten Aus- gleichskurven sind eingezeichnet (vgl. Tab. 1).

Chem.-1ng.-Tech. 62 (1990) Nr. 5, S. 409-411 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1990 0009-286X/90/0505-0409 $ 02.50/0

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h, = ~ h 2 + ~h + c 1,2-m2-ZelIe

CI,/Anolyt: A 0,0028

C

2,7-m*-ZeIIe

0,0027 0,63

H,/Katholyt: A B C

0,0014 0,0011 1,12 1,11

33,8 67,4

Mit Hilfe dieser Daten laBt sich der Druck berechnen, der wahrend der Elektrolyse auf die Membran wirkt. Von aul3en werden rnit Hilfe der erzeugten Gase auf beide Elektrodenkammern der Zelle Driicke aufgegeben, die aus den C-Werten der Tab. 1 ersichtlich sind. Dies sind die Driicke im oberen Teil der Zelle, dort wo die Eintauchtiefe h = 0 ist. Man erkennt, daB dort ein Wasserstoff-Oberdruck herrscht, der die Membran an die Anode preBt. Mit den Daten der Tab. 1 konnen die Druckwerte im unteren Teil der Zelle, bei einer Eintauchtiefe der Sonde h = 120 cm, berechnet wer- den. Aus der Zusammenstellung dieser Werte in Tab. 2 erkennt man,

Tabelle 2. Druck h, in mbar im oberen (h = 0 cm) und im unteren Teil (h = 120 cm) der Zelle und der auf die Membran wirkende Differenzdruck bei 3 kA/m2 und 90°C.

1,2-m2-Zelle oben I unten

2,7-m2-Zelle oben I unten

CI,/Anolyt H2/Katholyt

Differenzdruck

daB der Druck bei beiden Zellentypen in der Anodenkammer von oben nach unten um etwa 115 mbar und in der Kathodenkammer um etwa 150 mbar zunimmt. Dieser Unterschied wird im wesentlichen durch die hohere Dichte der Natronlauge (32,7 Yo NaOH) im Ver- gleich zur Dichte des Anolyts (19,7 YO NaCl) verursacht. Dadurch steigt auch der Differenzdruck gegeniiber dem Wasserstoff-uber- druck nach unten hin an. Praktisch liegt eine Verdoppelung vom obe- ren bis zum unteren Teil der Zelle vor. Demzufolge muB nur im obe- ren Teil der Zelle durch einen von auBen aufgegebenen Wasserstoff- Oberdruck die Membran an die Anode gepreBt werden, im unteren Teil der Zelle sorgt dafiir der hydrostatische Differenzdruck. Die si- chere Anpressung der Membran an die Anode ist von Bedeutung, weil erstens eine Bewegung, z. B. ein Flattern infolge Druckschwan- kungen, und dadurch eine Beschadigung der Membran vermieden werden muB und zweitens weil eine Positionsanderung der Membran im Elektrodenspalt in Richtung Kathode die Zellspannung erhohen wiirde. Durch Probenahme mittels der MeBsonden an den DruckmeBpunk- ten wurde festgestellt, daS die Konzentrationen der gasblasenfreien Elektrolyte bei allen Eintauchtiefen h und bei beiden MeBpositionen

13 129 33 148 34 187 67 217

21 58 34 69

der 1,20-m2-Zelle bzw. bei den drei MeBpositionen der 2,7-m2-Zelle ab 5 cm vom Zellenboden und bis 5 cm zum Zellendach praktisch gleich groB sind. Dieser Effekt beruht auf einer sehr guten Durchmi- schung der Elektrolyte durch groaflachige Gaswirbel, die bereits frii- her visuell an einer 1,2-m2-Zelle mit Acrylglas-Scheiben beobachtet wurden. So sind zum Beispiel bei der 2,7-m2-Zelle die Einlaufkon- zentrationen 25,87 YO NaCl und 30,75 YO NaOH, die Mittelwerte der mit den Sonden gemessenen Konzentrationen 19,65 f 0,28 YO NaCl (do = 1,114 kg/l) und 32,67 f 0,25 Yo NaOH (do = 1,311 kg/l) und die Auslaufkonzentrationen 18,54 Yo NaCl und 32,85 YO NaOH. Mit Hilfe der so ermittelten Elektrolytdichten do kann der Gasblasen- gehalt E nach

E = Add, - (B + A 120-d0)/d0 = A’x + B’ berechnet werden. A und B sind die Koeffizienten aus Tab. 1, und die Variable x = 120 - h (s. Abb. 1) ist der Abstand vom Zellenboden. Falls die Dichten do der gasblasenfreien Elektrolyte - wie im vorlie- genden Fall - praktisch konstant sind, erhalt man Geraden- Gleichungen, die zusammen mit ihren Koeffizienten in Tab. 3 angege- ben sind. In Abb. 4 ist als Beispiel der Gasblasengehalt der 2,7-m2-Zelle in Ab- hangigkeit vom Abstand x vom Zellenboden graphisch dargestellt.

20 LO 60 80 100 120

Abstand vorn Zellenboden xlcrn

Abb. 4. branzelle bei 3 kA/m2 und 90 OC.

Gasblasengehalt E in den Halbschalen der 2,7-m2-Mem-

Man erkennt aus dieser Darstellung, wie auch aus Abb. 3, daB im obe- ren Teil der Zelle eine Trennung von Gas und Fliissigkeit nicht auftritt. Beide Elektrodenkammern sind vollstandig mit dem GadElektrolyt- Gemisch gefiillt. Dieser Effekt ist erwiinscht, weil dadurch die Mem- bran z. B. vor Blasenbildung und Delaminierung geschiitzt wird. Der mittlere Gasblasengehalt ( E bei x = 60 cm) betragt 29 YO im Anoden- raum und 9 bzw. 10% im Kathodenraum bei beiden Zellentypen. AuBerdem ist den Abb. 3 und 4 zu entnehmen, daB selbst im unteren ‘Teil der Zelle noch Gasblasen vorhanden sind. Dies ist auf die bereits oben erwahnten starken Gaswirbel zuriickzufiihren. Ganz wesentlich

Tabelle 3. Abhangigkeit des Gasblasengehaltes E in den Elektrodenkammern vom Abstand vom Zellenboden x in cm bei 3 kA/m2 und 90°C. Ange- geben sind die Koeffizienten der Beziehung E = f(x).

0,0025 0,0025

H,/Katholyt: A’ 0,0010 0,00086 0,024 0,048

Chem.-1ng.-Tech. 62 (1990) Nr. 5, S. 409-411

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ist jedoch die Erkenntnis, daB der Gasblasengehalt sich bei VergroBe- rung der Zelle von 1,2 auf 2,7 m2 nicht verandert hat. Es ist beabsichtigt, diese Messungen bei anderen Stromdichten zu wiederholen, um festzustellen, ob dann Entmischungen oder andere Erscheinungen auftreten. AuBerdem sol1 mittels der Bruggeman- Gleichung das Widerstandsverhaltnis p% in Abhangigkeit von der Zellenhohe berechnet und mit Literaturangaben verglichen werden. Da jedoch die hier beschriebene Bestimmung des Gasblasengehaltes im Raum hinter den Elektroden (vgl. Abb. 1) erfolgte und Kuhn und Kreysa [2] feststellten, daB durch den Gaslift im h u m hinter den Elektroden die Gasblasen sofort aus dem Elektrodenspalt abgesaugt werden und daher im Elektrodenspalt ein erheblich geringerer Gas- blasengehalt vorliegen sollte, ist fraglich, ob der Wert plp,, etwas uber die Beeinflussung der Zellspannung durch die Gasblasen aussagt.

Separation of Gases. Von W. H. Zsalski. Oxford Science Publica- tions, Oxford 1989. IX, 311 S., zahlr. Abb. u. Tab., Ln., f 35,-.

Diese Monographie ist die fiinfte einer Reihe von Publikationen aus dem Arbeitsgebiet ,Cryogenics". Diesem Rahmen entspricht, daB sie nicht allgemein von Gastrennung handelt, sondern in erster Linie die Gewinnung einiger Gase durch Tieftemperatur-Destillation be- schreibt. Die traditionelle Ausgliederung der Tieftemperatur-Trennung aus dern Arbeitsgebiet Destillation ist nicht ganz unberechtigt: Wahrend bei der ,heiBen" Destillation leicht zu erzeugende Warme am Sumpf zugefuhrt wird und die Kiihlung des Kolonnenkopfes an die Umge- bung erfolgt, ist es bei der ,,kalten" gerade umgekehrt. Die Heizwar- me flieBt aus der Umgebung zu, die Kiihlung dagegen mu8 durch Ver- dichten und adiabatische Entspannung eines Kaltemittels oder des Produktes miihsam und unter Einsatz von elektrischer Energie be- werkstelligt werden. Auch die Stoffeigenschaften sind von den gewohnten verschieden. So ergeben sich typische Ausbildungsformen der Tieftemperatur- Verfahrenstechnik, die in Prozellfiihrung, Konstruktion und Material vom sonst gewohnten Bild abweichen. Hinzu kommt, daB die Anla- gen wegen des hohen Isolierbedarfs meist in einer Coldbox versteckt werden. Ein typisches Beispiel fur die technologische Eigenstandig- keit ist die 2-Kolonnen-Fahrweise (Linde 1910) fur die Luftzerle- gung, die keiner der sonst ublichen Kolonnen-Konfigurationen ent- spricht. Das Buch enthalt Abschnitte iiber technische Gase (12 Gase von Ar- gon bis Oxygen alphabetisch geordnet), Lufttrennanlagen, Gewin- nung von Edelgasen, Raffinerie-, Petrochemie- und Erdgas-Verarbei- tung, Adsorption und sonstige nichtkryogene Verfahren, typische Ap- parate und deren Auslegung. Der Verfasser beschreibt sein langjahriges Arbeitsgebiet liebevoll, aber ohne allzusehr in Details zu gehen. Die Hardware wird summa- risch dargestellt und teilweise in Fotos gezeigt. So entsteht ein an- schauliches Bild z. B. von den eingesetzten Kolonnenboden und -Full- korpern. Uber die interessante Frage jedoch, wie sich Kolonnenwir- kungsgrade und HETP-Werte beim Ubergang zu tiefen Temperatu- ren indern, erfahrt man nichts. Das Buch diirfte zum Kennenlernen des Arbeitsgebietes oder als er-

Fur die Ausfiihrung der Messungen danke ich den Herren E. Trebufl, H. Jestadt und R . Killian.

Eingegangen am 6. November 1989 [K 11121

Literatur

[l] Sides, P. J.: AIChE Symp. Ser. 79 (1983) Nr. 228, S. 226/232. [2] Kuhn, M.; Kreysa, G.: J. Appl. Electrochem. 19 (1989) S. 677/

682. [3] Bergner, D.; Hannesen, K.: Modern Chlor-Alkali Technology, Vol.

3, Herausg. K . WaZl, Ellis Horwood Ltd. Publishers, Chichester 1986, S. 1621177.

ste Arbeitshilfe niitzlich sein. Der Fachmann wird ausfiihrlichere Darstellungen suchen. [BB 27511 U. Wagner, LudwigshafenIRh.

Separation and Purification Techniques in Biotechnology. Von F. J . Dechow. Noyes Data Corp., Park Ridge 1989. X, 480 S., 226 Abb., 120 Tab., 596 Lit., geb., US-% 72,-.

Die Bedeutung der Aufarbeitung in der Biotechnologie hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Dementsprechend erschienen kiirzlich mehrere Arbeiten zu diesem Thema, die nicht nur eine Me- thode (meistens die Chromatographie) behandelten, sondern versu- chen, eine moglichst breite Ubersicht iiber die wichtigsten Methoden zu vermitteln. Auch das vorliegende Buch versucht, alle wichtigen Methoden zu be- handeln, indem es in der Einleitung die Filtration, Zentrifugation, Verdampfung, Kristallisation und Trocknung sowie die Membranpro- zesse, Solventextraktion, Elektrophorese und Elektrodialyse kurz vorstellt. Die Adsorption, Ionenaustausch- und Saulenchromatogra- phie-Prozesse sowie die Affinitatschromatographie werden dagegen ausfuhrlich behandelt. Das Kapitel ,Adsorption" behandelt die Theorie, die Adsorbentien und ihre Charakterisierungsmethoden, Verfahrenstypen und -aspek- te sowie Anwendungen. Das Kapitel ,Ionenaustauschprozesse" ist ahnlich aufgebaut. Nach der Theorie, Ionenaustauschmaterialien und ihre Charakterisierung werden Verfahrenstypen und -aspekte und biotechnologische An- wendungen besprochen. Im Kapitel ,,Saulenchromatographie-Prozesse" gibt der Autor eine Ubersicht iiber Klassifizierung der Chromatographie, chromatogra- phische Materialien, Theorie, Laborverfahren, MaBstabsvergroBe- rung und Industrieverfahren sowie iiber die Anwendungen der Sau- lenchromatographie. Das letzte Kapitel ,Affinitatschromatographie" behandelt wieder die Theorie, Materialien, Laboratoriumspraxis, MaRstabsvergroBerung, Verfahrenstypen und Anwendungen. Die groBe Zahl der Tabellen, Abbildungen und Beispiele ist recht niitzlich fur den Anwender die- ser Techniken. Die angegebenen Literaturzitate sind recht unausge- glichen. Zahlreiche grundlegende Arbeiten wurden nicht zitiert. Im ganzen kann man das Buch fur Praktiker empfehlen.

[BB 27321 K. Schiigerl, Hannover

Chem.-1ng.-Tech. 62 (1990) Nr. 5, S. 411

Seite 422: Anzeige

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