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Abstracts
Gastroenterologie upd@te 2012 –Aktuelle Therapiestandards
Kassel
Samstag, 24. November 20129.00 – 15.30 Uhr
Veranstaltungsort:
Kongress Palais Kassel
Holger-Börner-Platz 1
34119 Kassel
Wissenschaftliche Leitung:Prof. Dr. Chr. Löser, KasselProf. Dr. F. Schuppert, Kassel
Berlin31. März 2012
Lübeck21. April 2012
Gera23. Juni 2012
Regensburg13. Oktober 2012
Schweinfurt28. April 2012
Leverkusen30. Juni 2012
Münster 17. März 2012
KasselKassel24.24. NovemberNovember
20122012
1
Programm Seite9.00 Uhr Begrüßung und Einführung
Prof. Dr. C. Löser, Kassel Prof. Dr. F. Schuppert, Kassel
Ösophagus, Magen – aktuelle Therapiestandards Vorsitz: Prof. Dr. F. Schuppert, Kassel Dr. U. Erlenmaier, Vellmar
9.10 Uhr Volkskrankheit „Reflux”, Barrett-Ösophagus Prof. Dr. J. Labenz, Siegen
3 – 9
9.35 Uhr Helicobacter-pylori-Infektion und klinische Konsequenzen Prof. Dr. Dres. h.c. P. Malfertheiner, Magdeburg
10 – 15
Leber, Galle – aktuelle Therapiestandards
10.00 Uhr Hepatitis B und C – 2012 PD Dr. M. Cornberg, Hannover
16 – 21
10.25 Uhr Autoimmune Leber-/Galleerkrankungen –AIH, PSC, PBC und Co. Prof. Dr. C.P. Strassburg, Bonn
22 – 28
10.50 –11.20 Uhr Kaffeepause
Pankreas – aktuelle Therapiestandards Vorsitz: Prof. Dr. C. Löser, Kassel Dr. H. Sostmann, Kassel
11.20 Uhr Pankreas – aktuelle Therapiestandards Prof. Dr. T. Seufferlein, Ulm
29 – 32
11.45 Uhr Chronische Pankreatitis – aktuelle Therapiestandards Prof. Dr. C. Löser, Kassel
33 – 37
2
12.10 Uhr Endoskopische Interventionen: Pankreas und Gallenwege Prof. Dr. H. Seifert, Oldenburg
38 – 44
12.35 –13.20 Uhr Mittagspause mit Imbiss
Darm – aktuelle Therapiestrategien Vorsitz: Prof. Dr. R. Hesterberg, Kassel Dr. T. Krause, Kassel
13.20 Uhr Reizdarmsyndrom – aktuelle Therapiestrategien Prof. Dr. M. Karaus, Göttingen
45 – 47
13.45 Uhr Aktuelle Therapiestrategien bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Prof. Dr. A. Dignass, Frankfurt
48 – 51
14.10 Uhr Proktologie – Hämorrhoiden, Fisteln, Fissuren und Co. Prof. Dr. R. Hesterberg, Kassel
52 – 55
14.35 Uhr Interdisziplinäre Therapie des Kolonkarzinoms: konservative Therapiestandards Dr. A. Regnery, Prof. Dr. R. Porschen, Bremen
56 – 58
Zeitgemäße Chirurgie des kolorektalen Karzinoms Prof. Dr. J. Faß, Kassel
59 – 62
15.25 Uhr Zusammenfassung und Schlusswort Prof. Dr. F. Schuppert, Kassel Prof. Dr. C. Löser, Kassel
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden
63 – 64
3
Volkskrankheit „Reflux“, Barrett-Ösophagus
J. Labenz
Medizinische Klinik, Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus, Siegen
Einleitung Die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) ist mit einer Prävalenz von 10–20%
in der erwachsenen Bevölkerung von Industrienationen ausgesprochen häufig.
Dennoch sind weiterhin viele Aspekte im Zusammenhang mit dieser Erkrankung
ungeklärt bzw. kontrovers. Die aktuell noch gültige Leitlinie der Deutschen
Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) zur GERD wurde
2005 publiziert und entspricht sicher in einigen Punkten nicht mehr dem aktuellen
Stand des Wissens. Die international gültige Definition beschreibt die Krankheit in
Form von symptomatischen und komplikativen Syndromen, die ösophageal und
extraösophageal sowie allein oder in Kombination vorkommen können (Abb. 1).
Therapie der GERD Protonenpumpeninhibitoren (PPI) sind die Mittel der Wahl für alle Schweregrade der
GERD. Empfehlungen zu Dosierung und Dauer richten sich nach der klinischen
Präsentation. Zahllose Studien belegen die Effizienz dieser Therapie. Die Therapie
erfolgt syndrombasiert.
Typisches Refluxsyndrom ohne Endoskopie: PPI in Standarddosis für 4 Wochen,
dann bei Remission nach Bedarf, bei fehlendem Ansprechen weitere Abklärung mit
Endoskopie.
Typisches Refluxsyndrom mit endoskopischem Normalbefund (= NERD): PPI in
einer halben Standarddosis für 4 Wochen, danach bei Beschwerdefreiheit
Bedarfstherapie.
Refluxösophagitis: Bei leichter Ösophagitis (Los Angeles A/B) 4 Wochen, bei
schwerer Refluxösophagitis (Los Angeles C/D) 8 Wochen PPI in Standarddosis.
Langzeittherapie bei leichter Ösophagitis nach klinischem Bedarf auf Dauer (geringst
wirksame Dosis), intermittierend oder nach Bedarf. Langzeittherapie bei schwerer
Ösophagitis kontinuierliche PPI-Dauertherapie.
4
Refluxstriktur: Bougierung und nachfolgend (hoch dosierte) PPI-Therapie auf Dauer.
Barrett-Ösophagus: Ohne Beschwerden keine Therapie (nur Überwachung),
ansonsten Therapie nach den oben genannten Regeln.
Trotz guter Wirksamkeit der PPI bleiben eine Reihe therapeutischer
Problemsituationen, die im Folgenden besprochen werden.
Therapierefraktäre Refluxbeschwerden Ein Therapieversagen sollte dann festgestellt werden, wenn bei gesicherter GERD
eine 8-wöchige, von Arzt und Patient korrekt durchgeführte Therapie mit einem PPI
nicht zu einer zufriedenstellenden Symptomkontrolle geführt hat. In der Literatur
schwanken die Misserfolgsraten je nach Studientyp zwischen 17% und 45%. Das
mögliche Ursachenspektrum für ein PPI-Versagen bei vermeintlichen Refluxbe-
schwerden ist breit (Abb. 2). Dementsprechend ist eine differenzierte Abklärung
angeraten. Klinische Prädiktoren für ein PPI-Versagen bei gesicherter GERD sind die
nicht-erosive Krankheitsvariante, ein normales Körpergewicht und Begleiterkran-
kungen (funktionelle Dyspepsie, Reizdarmsyndrom).
Die therapeutischen Möglichkeiten nach Ausschöpfung einer optimierten PPI-
Therapie (hohe Dosis, korrekte Einnahme vor den Mahlzeiten) ist begrenzt. Eine
Gewichtsabnahme (bis hin zur Normalisierung) verbessert Refluxsymptome und in
Einzelfällen auch die Wirksamkeit eines PPI. Durch eine genügende Nachtruhe kann
die Reizschwelle im Ösophagus günstig beeinflusst werden. Dies ist auch das
therapeutische Ziel von trizyklischen Antidepressiva und Serotonin-Wiederaufnahme-
hemmern. Der Beweis dieses Therapieprinzips wurde in einer randomisierten,
kontrollierten Studie für Citalopram erbracht. Die Zugabe eines H2-Blockers zur
Nacht (zur Unterdrückung des nächtlichen Säuredurchbruchs) bleibt wegen der
ausgeprägten Tachyphylaxie dieser Substanzen und in Ermangelung adäquater
Studien kontrovers. Die in der Praxis oftmals durchgeführte Verordnung PPI +
Prokinetikum (z. B. MCP oder Domperidon) ist weiterhin nicht evidenzbasiert. Eine
Operation kommt bei PPI-Versagen nur dann in Betracht, wenn zweifelsfrei eine
medikamentös nicht ausreichend beeinflussbare Refluxgenese der Symptome belegt
wurde. In der klinischen Routine hat sich ein stratifiziertes diagnostisches und
5
therapeutisches Vorgehen bei Patienten mit therapierefraktärer Refluxsymptomatik
bewährt (Abb. 3).
Nicht-heilende Refluxösophagitis Bei 15–35% der Patienten mit schwerer Refluxösophagitis (Schweregrade Los
Angeles C und D) zeigt sich nach 8-wöchiger Therapie mit der Standarddosis eines
PPI keine Abheilung der Läsionen. Auch für diese Patienten empfiehlt sich ein
stratifiziertes Vorgehen (Abb. 4).
Bei Patienten mit endoskopisch gesicherter Refluxösophagitis und der Notwendigkeit
einer PPI-Dauertherapie ist eine Antireflux-Operation (laparoskopische Fundoplicatio)
eine etablierte therapeutische Alternative. Kürzlich wurden die Ergebnisse einer
großen europäischen Multizenterstudie publiziert, die diesen Eingriff mit einer PPI-
Dauertherapie (Esomeprazol 20–40 mg) verglich. Beide Verfahren waren in der
Remissionserhaltung über 5 Jahre sehr wirksam: PPI 92%, Fundoplicatio 85%.
Persistierende Restbeschwerden leichterer Art waren unter PPI-Therapie häufiger als
nach Operation, dagegen ist nach der Fundoplicatio in Einzelfällen mit neuen
Symptomen, wie z. B. Dysphagie, Gasbloat-Syndrom oder auch Diarrhö dauerhaft zu
rechnen.
Extraösophageale Manifestationen der GERD Über extraösophageale Manifestationen der GERD wird viel geschrieben, der
Umfang fundierter wissenschaftlicher Daten ist dagegen vergleichsweise
überschaubar. Das Zusammentreffen von z. B. Husten und GERD bedeutet nicht
zwangsläufig, dass es sich um Refluxhusten handeln muss. Ein kausaler
Zusammenhang kann im Einzelfall nur bewiesen werden, wenn die Elimination der
„ursächlichen Störung“ (in diesem Fall GERD) zur Beseitigung der postulierten Folge
(in diesem Fall Husten) führt. Dies kann ausschließlich durch eine therapeutische
Maßnahme erfolgen. Hieraus folgt unweigerlich, dass es keine diagnostische
Methode geben kann, die z. B. Refluxhusten oder Refluxlaryngitis beweist. Die
kritische Analyse der verfügbaren Studiendaten lässt momentan folgende Schlüsse
zu:
6
1. Bei 1 von 5 Patienten mit (unklarem) Husten und gesicherter GERD ist eine
Refluxgenese anzunehmen und eine PPI-Therapie Erfolg versprechend.
2. GERD kann einer von vielen Triggern bei Asthma sein. Ein klinisch relevantes
Ansprechen auf eine PPI-Behandlung ist nur bei Patienten zu erwarten, die auch
eine symptomatische Refluxkrankheit haben.
3. Die Existenz einer Refluxlaryngitis muss aktuell bezweifelt werden, da es bisher
keine Studiendaten gibt, die einen PPI-Effekt (über Plazebo) zweifelsfrei
belegen.
4. Wenn bei einem extraösophagealen Symptom eine Refluxgenese in Betracht
gezogen wird, sollte eine PPI-Therapie hoch dosiert (Standarddosis 1-0-1) und
lange genug (12 Wochen) durchgeführt werden.
Das Barrett-Problem Ein Barrett-Ösophagus ist gefährlich, da er eine Präkanzerose ist und über die
Karzinomentwicklung zum Tod führen kann. Diese Feststellung ist die Basis für das
systematische Suchen nach einem Barrett-Ösophagus und die anschließende
konsequente Überwachung in der Hoffnung, eine neoplastische Entwicklung
frühzeitig zu erfassen und den Patienten dann durch eine endoskopische Therapie
(„Mukosektomie“) zu heilen. Letzteres geht ohne Zweifel, wie insbesondere die
umfangreichen und langfristigen Erfahrungen aus der Klinik von Herrn Prof. Ell in
Wiesbaden gezeigt haben.
Eine kritische Betrachtung der verfügbaren Literatur zeigt aber, dass Patienten mit
Barrett-Ösophagus zumeist an anderen Erkrankungen und nicht an einem Barrett-
Karzinom sterben und dass das Progressionsrisiko eines nicht-neoplastischen
Barrett-Ösophagus hin zu einer intraepithelialen Neoplasie bzw. zu einem Karzinom
viel geringer ist als noch vor Jahren vermutet. Unter der Annahme, dass die zuletzt
publizierten Progressionsraten der Wahrheit am nächsten kommen, ist eine
ökonomische Basis für eine systematische Überwachung aller Barrett-Patienten
sicher nicht mehr gegeben. Hilfreich wäre es, wenn Patienten mit erhöhtem
Progressionsrisiko a priori erkannt würden. Risikofaktoren auf der Basis einer
Populationsstudie aus Dänemark sind männliches Geschlecht, Alter über 50 Jahre
und der feingewebliche Nachweis einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie
(IEN). Allerdings ist schon die Diagnose einer niedriggradigen IEN ein Problem, wie
eine systematische Übersicht der verfügbaren Literatur mit Progressionsraten
7
zwischen 1% und 80% gezeigt hat. Nur wenn diese Diagnose von einem Pathologen
mit besonderer Expertise auf diesem Gebiet gestellt bzw. bestätigt wird, ist die
Progressionsrate entsprechend hoch. Objektive und einfach zu handhabende
Biomarker, die zurzeit vielerorts evaluiert werden, wären eine gute praktische
Alternative. Allerdings bedarf es hierzu umfangreicher Validierungsstudien mit
langfristiger Nachbeobachtung, sodass zumindest kurzfristig nicht mit einer
allgemeinen Verfügbarkeit gerechnet werden kann. Man darf gespannt sein, wie sich
die aktuell in Entwicklung befindliche neue Leitlinie der DGVS in diesem Punkt
positioniert.
Abb. 1: Montreal-Definition der GERD
8
Abb. 2: Ursachenspektrum bei Symptompersistenz von Refluxbeschwerden unter PPI
Abb. 3: Algorithmus zur Abklärung und Therapie PPI-refraktärer Refluxbeschwerden
9
Abb. 4: Algorithmus zum Management bei nicht heilender Refluxösophagitis Korrespondenzadresse: Prof. Dr. J. Labenz Medizinische Klinik Diakonie Klinikum Jung-Stilling Wichernstr. 40 57074 Siegen E-Mail: [email protected]
10
Helicobacter-pylori-Infektion und klinische Konsequenzen
P. Malfertheiner
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, Otto-von-Guericke-
Universität, Magdeburg
Einleitung Bei allen Helicobacter-pylori-Infizierten entwickelt sich eine chronische Gastritis, aber
nur in etwa 20% der Betroffenen tritt auch eine klinisch manifeste Erkrankung im
Erwachsenenalter, vorwiegend in fortgeschrittenem Alter, auf. Bakterielle Virulenz-
faktoren, wirtsbedingte Prädisposition und in geringerem Maße Umwelteinflüsse
interagieren dahingehend, dass es zur Ausprägung unterschiedlicher Komplikationen
kommt. Die schwerwiegendsten Komplikationen der H. pylori-Infektion sind peptische
Ulzera im Magen und Zwölffingerdarm und das Magenkarzinom. Die Behandlung der
H. pylori-Infektion hat zu einem entscheidenden Durchbruch in der Therapie des
Ulkusleidens geführt und hat die Heilung einer bis dahin rezidivierenden Krankheit
ermöglicht. Die beiden H. pylori-Entdecker Warren und Marshall wurden dafür mit
dem Nobelpreis honoriert. Das Spektrum möglicher Krankheitsassoziationen mit der
H. pylori-Infektion hat sich in den letzten Jahren erweitert und erfordert differenzierte
Therapieentscheidungen.
1. Indikationen zur H. pylori-Therapie Die Empfehlungen basieren auf dem aktuellsten europäischen H. pylori-Konsensus-
report (1). In Tabelle 1a und 1b sind derzeitige gesicherte Indikationen zur H. pylori-
Therapie zusammengefasst.
Für Patienten mit Oberbauchbeschwerden (dyspeptische Beschwerden) ohne
Alarmsymptome und einem Alter unter 50 Jahren kann auf eine endoskopische
Untersuchung verzichtet werden. Durch einen nicht invasiven Test (13C-Harnstoff-
Atemtest oder monoklonalen Stuhlantigentest) kann eine H. pylori-Infektion nachge-
wiesen werden. Bei positivem Nachweis der Infektion ist eine H. pylori-Therapie
empfohlen.
Ist eine endoskopische Untersuchung aufgrund von Oberbauchbeschwerden indiziert
(i .e. Patient > 50 Jahre), sollte auch bei makroskopisch normaler Schleimhaut eine
H. pylori-Diagnostik durchgeführt werden.
11
Bei H. pylori-positiver funktioneller Dyspepsie ist die Eradikationstherapie allen
anderen Behandlungsmöglichkeiten überlegen.
Eine kontroverse Diskussion wird nach wie vor darüber geführt, ob die Behandlung
der H. pylori-Infektion bei Patienten mit gastroösophagealer Refluxkrankheit einen
positiven oder negativen Einfluss auf den Krankheitsverlauf nimmt. Den heutigen
Kenntnisstand darf man dahingehend zusammenfassen, dass die H. pylori-
Eradikation weder die gastroösophageale Refluxkrankheit per se noch ihr
Ansprechen auf PPI beeinflusst. Allerdings sollte bei Patienten, die eine Langzeit-
behandlung mit PPI benötigen, eine H. pylori-Eradikation erfolgen. Das Persistieren
der H. pylori-Infektion unter einer PPI-Langzeitbehandlung führt zu einer Korpus-
prädominanten Magenschleimhautentzündung mit beschleunigtem Verlust der
Drüsenkörper und somit zur atrophischen Gastritis.
Die Einnahme von Aspirin bzw. von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) bei
Patienten mit H. pylori-Infektion führt zu vermehrtem Auftreten von Ulzera und
Ulkuskomplikationen im Magen und Duodenum. Vor Beginn einer NSAR-Therapie
führt die H. pylori-Eradikation zu einer Reduktion des Risikos der Ulkusentstehung
und ihrer Komplikationen.
Bei bereits aufgetretenen Ulzera unter Langzeiteinnahme von NSAR ist die alleinige
H. pylori-Eradikation nicht ausreichend. In diesen Fällen wird zusätzlich eine
dauerhafte Therapie mit PPI notwendig. Bei Patienten, die unter Einnahme von
Aspirin eine Ulkusblutung erlitten haben, sollte immer auf H. pylori getestet und bei
positivem Nachweis die Infektion behandelt werden. Die Langzeitinzidenz einer
erneuten Ulkusblutung wird dadurch deutlich gesenkt.
In den letzten Jahren wurde die Rolle von H. pylori auch bei extragastralen
Erkrankungen intensiv untersucht und dabei wurden Assoziationen sowohl mit
negativer als auch positiver Korrelation gefunden.
Neue gesicherte Indikationen zur H. pylori-Eradikation sind dabei:
a) immunthrombozytopenische Purpura,
b) Eisenmangelanämie und
c) Vitamin-B12-Mangel.
Voraussetzung ist bei dieser Indikation, dass andere bekannte Ursachen für diese
Krankheitsmanifestationen ausgeschlossen werden.
12
Therapie der H. pylori-Infektion Die derzeitige Standardtripeltherapie verzeichnet einen zunehmenden
Wirkungsverlust. Die wichtigste Ursache dafür ist die zunehmende Resistenz gegen
die bislang eingesetzten Antibiotika und insbesondere die Resistenz von H. pylori
gegen Clarithromycin. In Ermangelung neuer spezifischer Antibiotika zur Behandlung
der H. pylori-Infektion wurden Kombinationen sowohl gleichzeitig als auch
sequenziell verabreichter Antibiotika untersucht. Die sequenziell verabreichten
Antibiotika immer in Verbindung mit einem PPI als „sequenzielle Therapie“ und
„Quadrupeltherapien“ (Vierfachtherapien) haben zu einer erhöhten Therapieeffizienz
geführt. In diesen Schemata werden Kombinationen aus PPI, Clarithromycin,
Amoxicillin und Metronidazol eingesetzt. Clarithromycin kann dabei auch mit
Levofloxacin (Beachte: Roter Handbrief!!) ausgetauscht werden. Diese Therapien
enthalten kein Bismutsalz.
Eine Bismut-basierte Quadrupeltherapie steht in Deutschland unmittelbar vor
Einführung.
In den neuen europäischen Empfehlungen wird die Erstlinientherapie in Abhängigkeit
der regionalen Clarithromycin-Resistenz gewählt (Tab. 2a + 2b). In Regionen mit
einer Clarithromycin-Resistenz unter 15% bleibt die Protonenpumpenhemmer (PPI)-
Standardtripeltherapie als Erstlinienbehandlung weiter empfohlen.
In Regionen mit einer Clarithromycin-Resistenz über 15% ist die Bismut-basierte
Quadrupeltherapie als Erstlinientherapie empfohlen. Dabei handelt es sich um eine
neue galenische Zusammensetzung bestehend aus Bismutsubcitrat, Metronidazol
und Tetracyclin (Pylera®) gemeinsam mit der 2x täglichen Einnahme eines
Protonenpumpenhemmers.
Die Empfehlung dieser Behandlung leitet sich aus einer multizentrischen
europäischen Studie ab, in der die Bismut basierende Quadrupeltherapie im
Vergleich zur PPI-Standardtripeltherapie einen therapeutischen Effekt von mehr als
20% aufgezeigt hat. Falls die Bismut-Quadrupeltherapie nicht verfügbar ist, wird
entweder die sequenzielle oder „konkomitierende“ Therapie als Erstlinientherapie
empfohlen.
H. pylori-Infektion und die Zukunftsperspektive zur Magenkarzinomprävention Das Magenkarzinom wird immer noch erst im fortgeschrittenen Stadium
diagnostiziert, wenn Alarmsymptome (Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit, Anämie)
13
auf die Erkrankung aufmerksam machen. In diesem Stadium der Erkrankung sind die
Heilungschancen sehr gering.
Eine Möglichkeit des Screenings auf präneoplastische Konditionen bietet die
sogenannte serologische Biopsie. Dabei werden im Serum H. pylori-Antikörper,
Pepsinogen I und II sowie Gastrin 17 bestimmt. Neben dem Nachweis einer H. pylori-
Infektion kann man durch diesen serologischen Test Informationen über die
Beschaffenheit der Magenmukosa erhalten. Ein erniedrigtes Pepsinogen I weist auf
eine ausgeprägte atrophische Gastritis hin und die Konsequenz daraus ist die
Indikation zur Gastroskopie, um den Schädigungsgrad der Magenmukosa zu
beurteilen oder ein eventuell bereits vorliegendes Karzinom zu finden. Der Nachweis
der Magenatrophie, als präkanzeröse Kondition definiert, fordert neben der
Behandlung der H. pylori-Infektion, sofern der Keim in diesem Stadium noch
persistiert, die Patienten in eine Überwachungsstrategie einzubinden. Patienten aus
Risikogruppen, zu denen Angehörige von Familienmitgliedern 1. Grades gehören,
die von einem Magenkarzinom betroffen sind, sollten frühzeitig auf H. pylori getestet
werden und bei positivem Nachweis eine Eradikationstherapie erhalten. Die H. pylori-
Therapie stellt derzeit die beste Präventionsmöglichkeit eines Magenkarzinoms dar.
Tab. 1a: Indikationen zur H. pylori-Eradikation ● Duodenalulkus/Magenulkus (aktiv oder auch nicht, einschließlich komplizierter
peptischer Ulkuserkrankungen) ● Nicht-ulzeröse Dyspepsie (i. e. funktionelle Dyspepsie) (Diagnose basiert auf
endoskopischer Untersuchung) ● Bei Patienten mit Oberbauchbeschwerden kann die Strategie „Nicht invasiver
H. pylori-Test und Behandlung“ erfolgen. Voraussetzungen: Patient mit Alter unter 50 Jahren, keine Alarmsymptome (siehe Text).
● MALT-Lymphom ● Atrophische Gastritis ● Nach subtotaler Magenresektion ● Positive Familienanamnese für Magenkarzinom
14
Tab. 1b: Empfehlungen zur H. pylori-Eradikation vor Beginn einer chronischen NSAR-Einnahme bei Aspirin-induzierten Läsionen, die geblutet haben bei Eisenmangelanämie ohne sonstige gesicherte Ursache bei idiopathisch thrombozytopenischer Purpura bei Vitamin-B12-Mangel nach Ausschluss anderer Ursachen Tab. 2a: Erstlinienbehandlung in Regionen mit Clarithromycin-Resistenz < 20%
1. Protonenpumpenhemmer-Standarddosis 2x täglich, Clarithromycin 500 mg 2x täglich, Amoxicillin 1 g 2x täglich
2. Protonenpumpenhemmer-Standarddosis 2x täglich, Clarithromycin 500 mg 2x
täglich, Metronidazol 400 mg 2x täglich Tab. 2b 1. Bismut-basierte Quadrupeltherapie (Pylera®): PPI 2 x Standarddosis,
4 x 3 Pylera® (je Kapsel Bismutsubcitrat, Tetracyclin, Metronidazol) über 10 Tage
2. Sequenzielle Therapie: 5 Tage PPI-Standarddosis 2x täglich, Amoxicillin 1 g 2x
täglich, weitere 5 Tage: PPI 2x täglich Standarddosis, Clarithromycin 500 mg 2x täglich, Metronidazol 400 mg 2x täglich
3. „Konkomitierende“ Vierfachtherapie: PPI 2x täglich, Clarithromycin 2x 500 mg,
Metronidazol 2x täglich, Amoxicillin 2x täglich (anstelle Clarithromycin kann auch Levofloxacin 2 x 250 mg [500 mg] verabreicht werden).
Literatur: 1. Malfertheiner P, Megraud F, O'Morain CA, Atherton J, Axon AT, Bazzoli F,
Gensini GF, Gisbert JP, Graham DY, Rokkas T, El-Omar EM, Kuipers EJ; European Helicobacter Study Group. Management of Helicobacter pylori infection--the Maastricht IV/ Florence Consensus Report. Gut. 2012; 61 (5): 646–664.
15
Korrespondenzaddresse: Prof. Dr. med. Peter Malfertheiner Otto-von-Guericke-Universität Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg Tel.: (03 91) 67 13 100 Fax: (03 91) 67 13 105 E-Mail: [email protected]
16
Hepatitis B und C – 2012
M. Cornberg
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische
Hochschule Hannover
Hepatitis B
Die deutschen Leitlinien zur Behandlung der Hepatitis B wurden 2011 aktualisiert, die
europäischen EASL Practice Guidelines 2012, wobei die grundsätzlichen
Therapieprinzipien sich nicht verändert haben. Eine Therapie der akuten Hepatitis-B-
Virus (HBV)-Infektion ist generell nicht notwendig, da sie in den meisten Fällen
spontan ausheilt. Ausnahme ist die fulminante Hepatitis B, bei der eine frühe
Therapie mit einem Nukleos(t)idanalogon empfohlen wird, um die Transplantation zu
verhindern. Bei der chronischen Hepatitis B richtet sich die Therapieindikation nach
der Höhe der HBV-DNA und der entzündlichen Aktivität bzw. der Fibrose in der
Leber. Grundsätzlich ist eine antivirale Therapie ab einer HBV-Viruslast von
2000 IU/ml zu erwägen, wenn die Transaminasen wiederholt erhöht sind oder eine
deutliche entzündliche Aktivität oder Fibrose in der Leberhistologie vorliegt. Besteht
bereits eine Leberzirrhose, sollte jede nachweisbare HBV-DNA zu einem Einsatz von
antiviralen Medikamenten führen. Umgekehrt sollten hochvirämische Patienten mit
normalen Transaminasen und keinen anderen Risikofaktoren (sog. „immun-
tolerante“ Patienten) nicht notwendigerweise sofort behandelt werden. In
Deutschland sind verschiedene Medikamentengruppen zur Therapie der Hepatitis B
zugelassen: zum einen das pegylierte Interferon-α (PEG-IFNα), zum anderen die
Nukleosidanaloga Lamivudin, Telbivudin und Entecavir sowie die Nukleotidanaloga
Adefovir und Tenofovir. Die Entscheidung, welche Therapieform eingesetzt werden
sollte, ist abhängig von multiplen Faktoren wie Höhe der Transaminasen, IFN-
Verträglichkeit, HBV-Viruslast, eventuelle Vortherapien, dem HBV-Genotyp sowie
dem Stadium der Lebererkrankung. Bei der Auswahl der Medikation sollte auch die
Gefahr der Resistenzbildung berücksichtigt werden. Erfreulicherweise konnte im
letzten Jahr gezeigt werden, dass es bei primärem Einsatz der hochpotenten
Substanzen Entecavir und Tenofovir auch in der Monotherapie langfristig zu keiner
nennenswerten Resistenzentwicklung kommt mit Resistenzraten von ca. 1% für
Entecavir und 0% für Tenofovir nach 5 Jahren. Eine Suppression der HBV-DNA ist
mit den derzeitigen Medikamenten bei fast allen Patienten möglich. Dennoch bleibt
17
das primäre Ziel der Therapie der Hepatitis B eine serologische Ausheilung mit
einem Verlust des HBsAg. Mit Polymeraseinhibitoren wird allerdings nur selten eine
komplette und dauerhafte Anti-HBs-Serokonversion erreicht, hier hat eine IFNα-
basierte Therapie Vorteile. Allerdings wird auch mittels einer PEG-IFNα-Therapie
insgesamt bei weniger als 10–20% der Patienten ein HBsAg-Verlust erreicht. Die
quantitative Bestimmung des HBsAg sollte künftig in die Standarddiagnostik
aufgenommen werden, da in den letzten Jahren in mehreren Arbeiten der potenzielle
Nutzen der Quantifizierung des HBsAg im Verlauf einer Therapie gezeigt worden ist.
Hiermit könnten frühzeitig nach 12–24 Wochen Therapieversager identifiziert werden
und somit unnötige Therapien vermieden werden. Die HBsAg-Quantifizierung scheint
zudem hilfreich zu sein, niedrigreplikative HBsAg-Träger (HBV-DNA < 2000 IU/ml
und dauerhaft normale Transaminasen) von Patienten mit einer HBeAg-negativen
Hepatitis zu unterscheiden. Während eine IFN-Therapie für 48 Wochen durchgeführt
wird, ist eine Behandlung mit HBV-Polymeraseinhibitoren in der Regel dauerhaft.
Aktuelle Studien untersuchen die Frage, ob es eine Gruppe von Patienten gibt, bei
denen die Therapie vorzeitig nach 3–5 Jahren beendet werden kann oder ob eine
zusätzliche IFN-Therapie sinnvoll ist. Hier scheint wiederum die Höhe des HBsAg ein
möglicher Marker zu sein, der entsprechende Patienten identifizieren kann.
Zusammenfassend sollte eine HBsAg-Quantifizierung Teil der Standarddiagnostik
der Hepatitis B sein, insbesondere, wenn eine IFN-basierte antivirale Behandlung
erwogen wird.
Hepatitis C
Das primäre Ziel einer Hepatitis-C-Virus (HCV)-Therapie ist ein anhaltendes
virologisches Ansprechen der Infektion (SVR = sustained virological response), also
eine dauerhafte Negativierung der HCV-RNA im Serum 6 Monate nach Therapie-
ende. Je nach HCV-Genotyp konnte in 40–80% der Fälle eine Ausheilung der HCV
erreicht werden. Diese Standardtherapie (SOC = standard of care) wurde im
Sommer 2011 mit der Zulassung der neuen direkt antiviralen HCV-Protease-
inhibitoren (PI) Boceprevir und Telaprevir abgelöst durch eine Dreifachtherapie
bestehend aus PI, PEG-IFNα und Ribavirin (RBV). Allerdings sind beide PIs nur für
Patienten mit einer HCV-Genotyp-1-Infektion zugelassen. Damit stehen für die
anderen HCV-Genotypen auch weiterhin keine direkt antiviralen Substanzen zur
Verfügung. Die Wirksamkeit der PIs Boceprevir und Telaprevir in Kombination mit
PEG-IFNα und RBV wurde in 5 großen, internationalen Phase-III-Studien belegt, die
18
alle im letzten Jahr im „New England Journal of Medicine“ publiziert wurden.
Zusammenfassend zeigten diese Studien bei bisher unbehandelten Patienten eine
Erhöhung der SVR-Raten um 25–30% gegenüber der bisherigen Standardtherapie.
Darüber hinaus konnte bei 40–60% der Patienten die Therapiedauer verkürzt werden.
Bereits vorbehandelte Patienten, welche während der Behandlung mit PEG-IFNα
und RBV zwar HCV-RNA-negativ wurden, anschließend aber einen Rückfall erlitten
(„Relapser“), profitierten in besonderem Maße von der Dreifachtherapie. Für diese
Patienten konnten SVR-Raten von 69–88% erzielt werden. Patienten, die in der
Vortherapie mit PEG-IFNα + RBV nicht HCV-RNA-negativ geworden waren
(„Nonresponder“), profitierten ebenfalls von der Dreifachtherapie, allerdings waren
die Ausheilungsraten hier mit 30–40% deutlich niedriger. Grundprinzip der neuen
Therapie ist die sogenannte „Response-guided Therapy“ (RGT), wobei sich die
Gesamttherapiedauer nach dem Ansprechen nach 4 Wochen PI-Gabe richtet. Ist zu
diesem Zeitpunkt die HCV-RNA negativ, wird die Therapie für 24 bzw. 28 Wochen
durchgeführt. Ist noch HCV-RNA nachweisbar, ist eine 48-wöchige Behandlung
notwendig. Diese RGT wird aber nur für Patienten ohne Leberzirrhose angewendet
sowie für Patienten, die bisher nicht mit IFN behandelt wurden (Ausnahme:
Telaprevir-Therapie von Relapsern). Für beide PIs existieren Stoppregeln, welche
während der Behandlung unbedingt zu beachten und einzuhalten sind. Ist die HCV-
RNA nach 4-wöchiger Behandlung mit Telaprevir, PEG-IFNα und RBV noch > 1000
IU/ml oder aber nach 12 Wochen der Boceprevir-basierten Therapie noch > 100
IU/ml, muss die Therapie komplett abgebrochen werden, da aufgrund der Ausbildung
von Resistenzen gegen die PIs keine Aussichten auf eine Ausheilung mehr bestehen.
Beide Substanzen verursachen gegenüber der Standardtherapie zusätzliche Neben-
wirkungen, welche engmaschige Blutbildkontrollen und ggf. Therapieanpassungen
und konsilliarische Mitbetreuung erfordern, wobei der PI niemals in der Dosis
reduziert werden darf. Insbesondere bei Patienten mit Leberzirrhose muss die
Therapie engmaschig überwacht werden. Ferner muss unbedingt beachtet werden,
dass unter der Therapie mit beiden PIs Medikamenteninteraktionen auftreten können,
insbesondere durch die Interaktion mit dem Cytochrom P450-3A4. In den nächsten
Jahren ist mit der Zulassung weiterer direkt antiviraler Medikamente gegen HCV zu
rechnen. Verschiedene Schritte im HCV-Lebenszyklus sind Ziel dieser Substanzen
und beinhalten andere Proteaseinhibitoren, nukleosidische oder nicht-nukleosidische
PIs sowie HCV-NS5A-Inhibitoren. Besonders vielversprechend sind dabei nukleo-
sidische Polymeraseinhibitoren, die prinzipiell gegen alle HCV-Genotypen wirken und
19
eine sehr hohe Resistenzbarriere besitzen. Von großer Bedeutung ist, dass im
letzten Jahr in mehreren Studien der prinzipielle Beweis erbracht wurde, dass die
Ausheilung einer chronischen HCV-Infektion mit einer Kombination von
verschiedenen direkt antiviral wirksamen Medikamenten ohne IFN-Gabe möglich ist.
Somit besteht für viele Patienten die berechtigte Hoffnung, dass IFN-freie Therapien
in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen werden. Dies wird mit einem
Paradigmenwechsel der Hepatitis-C-Therapie verbunden sein und neue Perspek-
tiven auch für Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung oder anderen
Begleiterkrankungen sowie für koinfizierte Patienten oder Individuen nach
Organtransplantation öffnen.
Übersichtsarbeiten/Leitlinien: Hepatitis B 1. EASL clinical practice guidelines: Management of chronic hepatitis B virus
infection. J Hepatol. 2012; 57: 167–185. 2. Cornberg M, Protzer U, Petersen J, Wedemeyer H, Berg T, Jilg W, Erhardt A,
Wirth S, Sarrazin C, Dollinger MM, Schirmacher P, Dathe K, Kopp IB, Zeuzem S, Gerlich WH, Manns MP. Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virusinfektion [Prophylaxis, diagnosis and therapy of hepatitis B virus infection – the German guideline]. Z Gastroenterol. 2011; 49: 871–930.
3. Chan HL, Thompson A, Martinot-Peignoux M, Piratvisuth T, Cornberg M,
Brunetto MR, Tillmann HL, Kao JH, Jia JD, Wedemeyer H, Locarnini S, Janssen HL, Marcellin P. Hepatitis B surface antigen quantification: why and how to use it in 2011 – a core group report. J Hepatol. 2011; 55: 1121–1131.
Hepatitis C 4. Sarrazin C, Berg T, Cornberg M, Dollinger M, Ferenci P, Hinrichsen H, Klinker
H, Kraus M, Manns M, Mauss S, Peck-Radosavljevic M, Schmidt H, Spengler U, Wedemeyer H, Wirth S, Zeuzem S. Expertenempfehlungen zur Triple-Therapie der HCV-Infektion mit Boceprevir und Telaprevir [Expert opinion on boceprevir- and telaprevir-based triple therapies of chronic hepatitis C]. Z Gastroenterol. 2012; 50: 57–72.
5. Dusheiko G, Wedemeyer H. New protease inhibitors and direct-acting antivirals
for hepatitis C: interferon's long goodbye. Gut. 2012 [Epub ahead of print].
20
Abb. 1: Therapieindikation bei chronischer Hepatitis B (Leitlinie 2011)
Abb. 2: Therapie der chronischen Hepatitis B
Keine Kontraindikationen gegen IFN / Patientenwunsch (HBV-Genotyp A, B) HBV-DNA<107 IU/ml ALT >3-fach erhöht
Nein Ja
Dauerhafte Therapie mit Nucleos(t)idanaloga
(Entecavir oder Tenofovir)
HBV-DNA alle 3 Monate
qHBsAg im Verlauf
Limitierte Therapie mit PEG-IFN (48 Wochen)
qHBSAg nach 3-6 Monaten*
Kein Abfall des HBsAg
1/3
Auslass? PEG-IFN?
21
Tab. 1: Gesamt-SVR bei Patienten mit HCV-Genotyp 1 in den Zulassungsstudien mit PI, PEG-IFN, RBV. Keine Vergleichsstudien. Ein Vergleich beider Medikamente ist nicht möglich. Die Ansprechraten sollen belegen, welchen Vorteil die neue Dreifachtherapie hat.
PEG-IFN & RBV (SOC)
SOC & Boceprevir (VICTRELISTM)
SOC & Telaprevir (INCIVOTM)
Naive Patienten # 40%2–44%3 67–68%2 69–75%3 Relapser 24%5–29%4 69–75%4 83–88%5 Partielle Responder
7%4–15%5 40–52%4 54–59%5
Nullresponder 0%*4–5%**5 33–34%*4 29–33%**5 *vorbehandelte Patienten, aber keine Nullresponse in der Erstbehandlung, sondern fehlendes Ansprechen auf PEG-IFN, RBV in der Re-Therapie (Abfall HCV-RNA < 1 log nach 4 Wochen PEG-IFN/RBV-Lead-in-Therapie) **Nullresponder in der Ersttherapie #Boceprevir-Studien: 14–15% Anteil Afroamerikaner, Telaprevir-Studien: 7–11% Anteil Afroamerikaner 2. Poordad F, McCone JJ, Bacon BR et al. Boceprevir for untreated chronic HCV genotype 1 infection. N Engl J Med. 2011; 364: 1195–1206. 3. Jacobson IM, McHutchison JG, Dusheiko G et al. Telaprevir for previously untreated chronic hepatitis C virus infection. N Engl J Med. 2011; 364: 2405–2416. 4. Bacon BR, Gordon SC, Lawitz E et al. Boceprevir for previously treated chronic HCV genotype 1 infection. N Engl J Med. 2011; 364: 1207–1217. 5. Zeuzem S, Andreone P, Pol S et al. Telaprevir for retreatment of HCV infection. N Engl J Med. 2011; 364: 2417–2428. Abb. 3: Therapiedauer mit PI/PEG-IFN/RBV bei HCV-Genotyp 1
24 4
32 4 12
-
+
4 8 12 24 48
naive
>100 IU/ml
Nullresponder Cirrhosis 44 4
32 4
36
Part. Resp. Relapser
VICTRELIS (Boceprevir)+PEG-IFN+RBV INCIVO (Telaprevir)+PEG-IFN+RBV
12 -
4 8 12 24 48
>1000 IU/ml
-
36
12
+
+ positive but <1000 IU/ml + detectable
Naive Relapser
Part. Resp. Nullresponder
12 36
12 36
Cirrhosis 12 36
detektierbar detektierbar
PEG-IFN / RBV
12
-
Therapieschemata�
22
Autoimmune Leber-/Galleerkrankungen – AIH, PSC, PBC und Co.
C.P. Strassburg
Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn
Die autoimmunen Lebererkrankungen werden in 3 Krankheitsbilder unterteilt: die
Autoimmunhepatitis (AIH), primär biliäre Zirrhose (PBC) und die primär
sklerosierende Cholangitis (PSC) (11). Sie zeigen unbehandelt eine Progression zur
Leberzirrhose. Die AIH war die erste chronische Lebererkrankung, bei der eine
konservative Therapie eine dauerhafte Remission erreichen konnte.
Definition und Diagnose der Autoimmunhepatitis (AIH) Die Diagnose der AIH ist gekennzeichnet durch eine Ausschlussdiagnostik anderer
Lebererkrankungen (1). Die serologische Subklassifikation der AIH hat keinen
Einfluss auf die Therapiestrategie. Es sind zu 70–80% Frauen betroffen. Die
Immunglobuline im Serum sind erhöht (7, 12). Hinweisend sind Autoantikörper, die
überlappend auftreten können und auch bei viralen Hepatitiden vorkommen. Die AIH
ist serologisch heterogen und kann prinzipiell in 3 Untergruppen unterteilt werden:
die, die antinukleäre Autoantikörper und Antikörper gegen glatte Muskelzellen (ANA,
SMA) aufweisen (AIH Typ 1), die, die durch Leber-Niere mikrosomale Autoantikörper
(LKM-1) gekennzeichnet sind (AIH Typ 2), oder die, bei der Antikörper gegen
lösliches Leberantigen/Leber-Pankreas-Antigen (SLA/LP) nachweisbar sind (AIH Typ
3). Am häufigsten ist die ANA-positive AIH (12).
Standardtherapie der AIH: Ziel der Therapie ist die Induktion und Erhaltung einer
Remission. Sie ist indiziert, wenn die Aminotransferasen erhöht sind, histologisch
multilobuläre oder Brückennekrosen auftreten oder auch wenn erhebliche hepatische
oder extrahepatische Symptome vorliegen. Gleich effektiv ist die Monotherapie aus
Prednisolon oder die Kombinationstherapie mit Azathioprin. Die Entscheidung zur
Kombinationstherapie orientiert sich am Risikoprofil des Patienten (Schwangerschaft,
metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus, Osteoporose). Eine Remissionsinduktion
gelingt in 87% der Fälle innerhalb von 3 Jahren. Allerdings ist die Rückfallrate mit
70% innerhalb von 3 Jahren nach Absetzen der Immunsuppression erheblich. Das
10-Jahres-Überleben in Remission beträgt 90%. Ist innerhalb von 4 Jahren keine
Remission erreichbar, bleibt die Lebertransplantation.
23
Das Problem der Remissionsinduktion: In etwa 10% der Fälle gelingt eine
Remissionsinduktion nicht. Hier werden alternative immunsuppressive Therapeutika
eingesetzt: Ciclosporin A, Cyclophosphamid, Mycophenolsäure, Tacrolimus (FK506).
Diese Immunsuppressiva sind wegen ihres ungünstigen Nebenwirkungsprofils jedoch
Studien an hepatologischen Zentren vorbehalten.
Das Problem der Remissionserhaltung: Mit dem Ziel des Steroidsparens konnte
gezeigt werden, dass eine Remissionserhaltung (aber nicht eine Remissions-
induktion) mit Azathioprin-Monotherapie (2 mg/kg KG/Tag p. o.) erreicht werden kann.
Eine weitere Möglichkeit zur potenziellen Verminderung von Steroidnebenwirkungen
ist die Anwendung des topischen Steroids Budesonid. Dessen Vorteile werden in
einem über 90%igen hepatischen First-pass-Metabolismus gesehen, was bei
portosystemischen Shunts und fortgeschrittener Zirrhose eingeschränkt ist. Bei
gering ausgeprägter Leberfibrose und damit eher geringerem Risiko von
portosystemischen Shuntverbindungen kann zur Remissionserhaltung Budesonid
eingesetzt werden, das einen hohen hepatischen First-pass-Metabolismus aufweist
und typische Steroidnebenwirkungen reduzieren oder verhindern helfen kann. Ein
erster Bericht von 10 Patienten, die mit konventioneller Therapie keine Remission
erreichten, führte zu einer zurückhaltenden Beurteilung der Budesonid-Therapie. In
der Folge wurde in einer Studie dokumentiert, dass Budesonid zur Remission bei
nicht vorbehandelten Patienten führen kann. In der bislang größten prospektiven,
randomisierten Therapiestudie der AIH, in der 207 Patienten aus 30 Zentren
eingeschlossen wurden, zeigte sich, dass Budesonid in der Kombination mit
Azathioprin komplette Remissionen erreichte. Die Budesonid-Kombinations-
behandlung wurde gegen die Kombination aus Prednison und Azathioprin
randomisiert, wobei nach 6 Monaten Behandlungsdauer eine „open label“-Weiter-
behandlung des Prednison-Arms erfolgte. Eine komplette Remission war als
Normalisierung der Aminotransferasen und das Fehlen von Steroidnebenwirkungen
definiert. Ein komplettes Ansprechen wurde im Budesonid-Arm nach 12 Monaten in
60,2% beobachtet (Prednison: 49,4%), eine biochemische Remission in 68%
(Prednison: 50,6%). Unter den Patienten, die nach 6 Monaten auf Budesonid
gewechselt wurden, reduzierten sich die Steroidnebenwirkungen von 40,2% auf
18,4%. Diese Daten belegen, dass Budesonid in der Therapie der AIH effektiv ist und
künftig eine zunehmende Rolle spielen wird.
24
Diagnose der primär biliären Zirrhose Die Diagnose der PBC erfolgt durch den serologischen Nachweis antimitochondrialer
Antikörper (AMA mit PDH-E2- oder BCKD-E2-Spezifität), das cholestatische Leber-
enzymprofil, eine Immunglobulin-M-Erhöhung im Serum sowie durch den histo-
logischen Nachweis einer entzündlichen Gallenwegsbeteiligung (10). Sonografisch
und in der endoskopisch retrograden Cholangiografie (ERC) sind die Gallenwege
nicht erweitert. Auffällig ist die hohe Anzahl von extrahepatischen Erkrankungen
(Tab. 1).
Tab. 1: Diagnostik der primär biliären Zirrhose Serologische Befunde Antimitochondriale Autoantikörper Pyruvatdehydrogenase (PDH-E2) Verzweigtkettenketosäuredehydrogenase (BCKD-E2)
Antinukleäre Autoantikörper anti-SP100 anti-gp210 anti-Laminin-B-Rezeptor anti-nucleoporin p62
Extrahepatische Manifestationen Sicca-Syndrom/Sjögren-Syndrom rheumatoide Arthritis Autoimmunthyreoiditis mixed connective tissue disease (MCTD) CREST-Syndrom Polymyalgie chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) systemischer Lupus erythematodes (SLE)
Leberhistologie bei AMA-Negativität: zur Unterstützung der Diagnostik (Gallenwegsbeteiligung? Granulome?) bei AMA-Positivität: fakultativ, nur für Fibrosegrad („Staging“) und entzündliche Aktivität („Grading“) Die Reihenuntersuchung (screening) der AMA erfolgt durch Immunfluoreszenz, die durch Western blot und enzyme-linked immunosorbent assay (ELISA) spezifiziert werden. In 5% treten AMA-negative Fälle auf, in denen ANA zur weiteren Diagnosefindung beitragen können. Die extrahepatischen Manifestationen können den Symptomen der PBC zeitlich deutlich vorausgehen.
25
Standardtherapie der primär biliären Zirrhose: Eine immunsuppressive
Behandlung der PBC ist in der überwiegenden Mehrzahl der Patienten nicht
erfolgreich. Die Standardbehandlung besteht aus der oralen Gabe von 13–15 mg/kg
KG/Tag Ursodeoxycholsäure (UDC). Sie führt zur Besserung der biochemischen
Serumparameter einschließlich des Bilirubins (Mayo-Prognose-Modell), des
Überlebens, aber nicht der portalen Hypertension. Die Datenlage zum Einfluss von
UDC ist kontrovers, allerdings ist besonders bei früher Behandlung ein prognostisch
günstiger Effekt zu erwarten. Durch UDC wenig beeinflusst werden Müdigkeit und
Osteoporose (9).
Diagnose der primär sklerosierende Cholangitis (PSC) Die PSC zeichnet sich durch eine progressive Destruktion großer intra- und
extrahepatischer Gallenwege aus und betrifft in 64% der Fälle Männer mit einem
Altersmaximum zwischen 25 und 45 Jahren. Auffallend häufig ist die Colitis ulcerosa
(CU) (England 71%, Schweden 72%, eigene Patienten in Hannover: 52%) mit der
PSC assoziiert, seltener der Morbus Crohn (eigene Patienten in Hannover: 11%)
(2, 16). CED-Patienten mit auffälligen Leberwerten (ca. 5%) sollten auf eine PSC
untersucht werden. Die CU bei PSC-Patienten ist häufiger durch eine klinisch
inapparente Pankolitis, eine Backwash-Ileitis und durch rektale Aussparung
gekennzeichnet. Das Dysplasierisiko ist deutlich erhöht. Das Krankheitsbild der PSC
ist durch Oberbauchbeschwerden, Pruritus, Anorexie und Fieber gekennzeichnet,
wobei bis zu 50% der Patienten asymptomatisch sein können. Die Diagnose gründet
sich neben der Cholestase auf die charakteristischen Befunde der ERC sowie der
Leberbiopsie (Ringfibrose der Gallenwege). Serologisch können atypische
antineutrophile zytoplasmatische Autoantikörper (xANCA) bei bis zu 80% der
Patienten nachgewiesen werden, die allerdings zur Diagnosesicherung wenig
beitragen. In einer Untergruppe liegt eine sog. „small bile duct PSC“ vor (3), bei der
in der ERC keine Gallenwegsauffälligkeiten nachweisbar sind und die eine bioptische
Sicherung erfordert.
Beurteilung der PSC als Präkanzerose: Anders als bei der AIH ist bei der PSC das
Karzinomrisiko erhöht (2). Die Diagnose des Cholangiokarzinoms (CCC) des PSC-
Patienten ist ein unbefriedigendes klinisches Problem (16), da Stenosen entzündlich
bedingt sein können, biochemische Tests und bioptische Verfahren wenig Sensitivität
und Spezifität aufweisen und bildgebende Verfahren bei intramural wachsenden
26
Tumoren insensitiv sind. Das CCC-Risiko des PSC-Patienten beträgt 1,5% pro Jahr
und ist damit 161-fach höher als bei Gesunden. Darüber hinaus besteht eine
10-fache Erhöhung des Kolorektalkarzinomrisikos und eine 14-fache Erhöhung des
Pankreaskarzinomrisikos (2). Die Diagnostik der PSC sollte jährliche koloskopische
Untersuchungen und Ultraschalluntersuchungen des Abdomens einschließen.
Standardtherapie der primär sklerosierenden Cholangitis: Die PSC ist durch
medikamentöse Maßnahmen nicht heilbar. Die Therapie der Wahl in Früh- und
Spätstadien ist die UDC in höheren Dosierungen als bei der PBC (15–30 mg/kg
KG/Tag p. o.) (5). Niedrigere Dosierungen (unter 10 mg/kg KG) scheinen weniger
wirkungsvoll zu sein. Insgesamt wird die UDC-Therapie der PSC nach einer neueren
Studie, in der allerdings die Patientenzahl nicht ausreichend war, kontrovers beurteilt.
Überdies erscheint unter UDC das Risiko einer Kolondysplasie vermindert (14). Bei
rezidivierenden Cholangitisschüben, steigendem Bilirubin und fortschreitender
portaler Hypertension bleibt die Lebertransplantation, wobei die PSC im seit 2006
eingeführten „Model of End-stage Liver Disease“ (MELD)-Score nur unzureichend
abgebildet wird.
Endoskopische Therapie: Die endoskopische Dilatation kann die Cholestase
verbessern. Die Kombination mit UDC-Therapie führt zu einer signifikanten
Verlängerung des transplantationsfreien Zeitraums und des Überlebens (9). UDC
alleine erreicht diesen Effekt nicht.
Overlap-Syndrome Überlappende Syndrome zwischen PSC und AIH sowie PBC und AIH kommen in ca.
10% der Fälle vor. Verbindliche Diagnostik- oder Therapierichtlinien gibt es nicht. Es
empfiehlt sich eine histologische Evaluation, eine Bestimmung des Autoantikörper-
profils (13). Klinisch wird zunächst die führende Komponente behandelt: Steroide bei
ausgeprägter Hepatitis, UDC bei Cholestase. Beide Behandlungen können
kombiniert werden.
Lebertransplantation AIH, PBC und PSC sind anerkannte Indikationen für eine Lebertransplantation. Bei
der PSC ist das 10-Jahres-Überleben 70% (4), bei der PBC zwischen 67% und 88%
27
(6) und bei der AIH 80–90% (16). Die Rekurrenzrate aller 3 Krankheitsbilder nach
Lebertransplantation beträgt rund 25%.
Literatur: 1. Alvarez F, Berg PA, Bianchi FB, Bianchi L, Burroughs AK, Cancado EL,
Chapman RW, Cooksley WG, Czaja AJ, Desmet VJ, Donaldson PT, Eddleston AL, Fainboim L, Heathcote J, Homberg JC, Hoofnagle HH, Kajumu S, Krawitt EL, Mackay IR, MacSween RN, Maddrey WC, Manns MP, McFarlane IG, Meyer zum Büschenfelde KH, Zeniya M. International Autoimmune Hepatitis Group Report: review of criteria for diagnosis of autoimmune hepatitis. J Hepatol. 1999; 31: 929–938.
2. Bergquist A, Ekbom A, Olsson R, Kornfeldt D, Loof L, Danielsson A, Hultcrantz R,
Lindgren S, Prytz H, Sandberg-Gertzen H, Almer S, Granath F, Broome U. Hepatic and extrahepatic malignancies in primary sclerosing cholangitis. J Hepatol. 2002; 36: 321–327.
3. Broome U, Glaumann H, Lindstom E, Loof L, Almer S, Prytz H, Sandberg-
Gertzen H, Lindgren S, Fork FT, Jarnerot G, Olsson R. Natural history and outcome in 32 Swedish patients with small duct primary sclerosing cholangitis (PSC). J Hepatol. 2002; 36: 586–589.
4. Graziadei IW. Recurrence of primary sclerosing cholangitis after liver
transplantation. Liver Transpl. 2002; 8: 575–581. 5. Harnois DM, Angulo P, Jorgensen RA, Larusso NF, Lindor KD. High-dose
ursodeoxycholic acid as a therapy for patients with primary sclerosing cholangitis. Am J Gastroenterol. 2001; 96: 1558–1562.
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Transplantation for primary biliary cirrhosis: retrospective analysis of 400 patients in a single center. Hepatology. 2001; 33: 22–27.
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dominant bile duct stenoses in patients with primary sclerosing cholangitis treated with ursodeoxycholic acid: outcome after endoscopic treatment. J Hepatol. 2002; 36: 151–156.
10. Strassburg CP, Manns MP. Autoimmune tests in primary biliary cirrhosis.
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13. Strassburg CP, Manns MP. Primär biliäre Leberzirrhose und Overlap-Syndrome. Diagnostik und Therapie [Primary biliary liver cirrhosis and overlap syndrome. Diagnosis and therapy]. Internist (Berl). 2004; 45: 16–26.
14. Tung BY, Emond MJ, Haggitt RC, Bronner MP, Kimmey MB, Kowdley KV,
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15. Tischendorf JJ, Meier PN, Strassburg CP, Klempnauer J, Hecker H, Manns MP,
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Nashan B, Manns MP, Strassburg CP. Long-term outcome of liver transplantation for autoimmune hepatitis. Clin Transplant. 2004; 18: 62–69.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Christian P. Strassburg Direktor, Medizinische Klinik und Poliklinik I Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25, 53127 Bonn Tel.: (02 28) 287 15216, Fax.: (02 28) 287 14322 E-Mail: [email protected]
29
Pankreas – aktuelle Therapiestandards
T. Seufferlein
Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm
Etwa 10.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland an einem Pankreas-
karzinom. Trotz intensiver therapeutischer Bemühungen gehört dieser Tumor immer
noch zu den Krebserkrankungen im Gastrointestinaltrakt mit der schlechtesten
Prognose. Dies liegt an der späten Diagnose des Tumors, aber auch an dessen
bislang unzureichender Beeinflussbarkeit durch konventionelle Therapiemodalitäten
wie Chemotherapie oder Strahlentherapie.
Adjuvante Therapie Auch nach kurativer Resektion eines Pankreaskarzinoms ist die Prognose noch
immer nicht günstig. Die 5-Jahres-Überlebensrate dieser Patienten liegt bei etwa 9%.
Große Studien der vergangenen Jahre zeigten, dass durch eine adjuvante Chemo-
therapie mit 5-Fluorouracil oder Gemcitabin das 5-Jahres-Überleben immerhin auf
20% gesteigert werden kann (Oettle et al., JAMA 2007; Neoptolemos et al., JAMA
2010). Durch eine adjuvante Strahlen-Chemotherapie konnte in großen Studien
jedoch bisher keine Verbesserung des Überlebens erzielt werden (Neoptolemos et
al., N Engl J Med 2004).
Palliative Therapie Bei der Palliativtherapie müssen 2 Situationen differenziert werden: das lokal
fortgeschrittene Pankreaskarzinom, das durch eine Operation nicht vollständig
entfernt werden kann, bei dem aber keine Metastasen vorliegen und die
metastasierte Situation.
Im ersten Fall kann versucht werden durch eine lokal wirksame Therapie, also eine
Strahlentherapie in Verbindung mit einer Chemotherapie, eine Verbesserung der
Tumorkontrolle und des Überlebens zu erzielen. Allerdings ist diese Maßnahme
wahrscheinlich nur dann sinnvoll, wenn die Tumorsituation über längere Zeit durch
eine Chemotherapie kontrolliert werden kann, d. h. keine frühe Metastasierung eintritt
(Huguet et al., J Clin Oncol 2009). Dieses Konzept wird aktuell in prospektiven
30
Studien untersucht. Standard ist in dieser Situation immer noch die alleinige
Chemotherapie mit Gemcitabin.
Auch in der metastasierten Situation ist das Chemotherapeutikum Gemcitabin nach
wie vor Therapie der Wahl. Es ist einfach zu applizieren und im Allgemeinen gut
verträglich. Mit Gemcitabin werden in der metastasierten Situation mediane
Überlebenszeiten von etwa 6 Monaten erzielt (Burris et al., J Clin Oncol 1997).
Gemcitabin kann mit einer sogenannten „gezielten Tumortherapie“ (targeted therapy),
dem Inhibitor der EGF-Rezeptortyrosinkinase Erlotinib kombiniert werden (Moore et
al., J Clin Oncol 2007). Die Hinzunahme des Inhibitors führte in der gesamten
Studiengruppe nur zu einer marginalen Verbesserung des Überlebens. Deutlich
bessere Überlebenszeiten werden aber dann beobachtet (medianes Überleben bis
zu 10,5 Monate), wenn die Patienten unter der Therapie mit Erlotinib eine typische
Nebenwirkung dieser Therapie, nämlich einen in manchen Aspekten der Akne
ähnlichen Hautausschlag entwickeln. Nach den vorliegenden Studiendaten
profitieren dagegen Patienten, die bei Einnahme dieses Medikaments keinen Haut-
ausschlag entwickeln, nicht von diesem Medikament, weshalb die Erlotinib-Therapie
nach Ausbleiben eines Hautausschlags spätestens nach 8 Wochen beendet werden
sollte.
Erlotinib ist die einzige „gezielte Tumortherapie“, die bisher beim Pankreaskarzinom
Erfolge gezeigt hat. Zahlreiche andere Substanzen, deren Einsatz aus der
präklinischen Forschung heraus vielversprechend erschien, zeigten in den darauf-
folgenden klinischen Studien keinen Benefit.
Beim Pankreaskarzinom wurden auch zahlreiche Chemotherapiekombinationen
untersucht. Während Kombinationen mit Gemcitabin die Erwartungen nicht erfüllen
konnten (Colucci et al., J Clin Oncol 2010), überraschte kürzlich eine Chemotherapie-
kombination, die wir aus der Behandlung des Dickdarmkrebses kennen, die
Kombination aus 5-Fluorouracil, Oxaliplatin und Irinotecan. Mit dieser Kombination
wurden die bislang besten Überlebenszeiten bei Patienten mit metastasiertem
Pankreaskarzinom, nämlich ein medianes Überleben von über 11 Monaten, in einer
großen Phase-III-Studie erzielt (Conroy et al., N Engl J Med 2011). Allerdings hat
diese Therapie im Vergleich zu Gemcitabin deutlich mehr Nebenwirkungen,
insbesondere eine Hämatotoxizität und Diarrhöen und ist daher nicht für alle
31
Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom geeignet. 42% der Patienten in der
Studie im FOLFIRINOX-Arm benötigten eine supportive Therapie mit G-CSF.
Zusammenfassend sind die Therapieoptionen beim Pankreaskarzinom aktuell noch
begrenzt. Durch ein besseres Verständnis dieser Erkrankung auf molekularer Ebene
und neue Chemotherapiekonzepte besteht aber Aussicht, in absehbarer Zeit deutlich
verbesserte Therapien anbieten zu können.
Literatur: Burris HA, Moore MJ, Andersen J, Green MR, Rothenberg ML, Modiano MR, Cripps MC, Portenoy RK, Storniolo AM, Tarassoff P, Nelson R, Dorr FA, Stephens CD, Von Hoff DD. Improvements in survival and clinical benefit with gemcitabine as first-line therapy for patients with advanced pancreas cancer: a randomized trial. J Clin Oncol. 1997; 15 (6): 2403–2413. Colucci G, Labianca R, Di Costanzo F, Gebbia V, Cartenì G, Massidda B, Dapretto E, Manzione L, Piazza E, Sannicolò M, Ciaparrone M, Cavanna L, Giuliani F, Maiello E, Testa A, Pederzoli P, Falconi M, Gallo C, Di Maio M, Perrone F; Gruppo Oncologico Italia Meridionale (GOIM); Gruppo Italiano per lo Studio dei Carcinomi dell'Apparato Digerente (GISCAD); Gruppo Oncologico Italiano di Ricerca Clinica (GOIRC). Randomized phase III trial of gemcitabine plus cisplatin compared with single-agent gemcitabine as first-line treatment of patients with advanced pancreatic cancer: the GIP-1 study. J Clin Oncol. 2010; 28 (10): 1645–1651. Conroy T, Desseigne F, Ychou M, Bouché O, Guimbaud R, Bécouarn Y, Adenis A, Raoul JL, Gourgou-Bourgade S, de la Fouchardière C, Bennouna J, Bachet JB, Khemissa-Akouz F, Péré-Vergé D, Delbaldo C, Assenat E, Chauffert B, Michel P, Montoto-Grillot C, Ducreux M; Groupe Tumeurs Digestives of Unicancer; PRODIGE Intergroup. FOLFIRINOX versus gemcitabine for metastatic pancreatic cancer. N Engl J Med. 2011; 364 (19): 1817–1825. Huguet F, Girard N, Guerche CS, Hennequin C, Mornex F, Azria D Chemoradiotherapy in the management of locally advanced pancreatic carcinoma: a qualitative systematic review. J Clin Oncol. 2009; 27: 2269–2277. Moore MJ, Goldstein D, Hamm J, Figer A, Hecht JR, Gallinger S, Au HJ, Murawa P, Walde D, Wolff RA, Campos D, Lim R, Ding K, Clark G, Voskoglou-Nomikos T, Ptasynski M, Parulekar W; National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group. Erlotinib plus gemcitabine compared with gemcitabine alone in patients with advanced pancreatic cancer: a phase III trial of the National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group. J Clin Oncol. 2007; 25 (15): 1960–1966.
32
Neoptolemos JP, Stocken DD, Friess H, Bassi C, Dunn JA, Hickey H, Beger H, Fernandez-Cruz L, Dervenis C, Lacaine F, Falconi M, Pederzoli P, Pap A, Spooner D, Kerr DJ, Büchler MW; European Study Group for Pancreatic Cancer. A randomized trial of chemoradiotherapy and chemotherapy after resection of pancreatic cancer. N Engl J Med. 2004; 350 (12): 1200–1210. Neoptolemos JP, Stocken DD, Bassi C, Ghaneh P, Cunningham D, Goldstein D, Padbury R, Moore MJ, Gallinger S, Mariette C, Wente MN, Izbicki JR, Friess H, Lerch MM, Dervenis C, Oláh A, Butturini G, Doi R, Lind PA, Smith D, Valle JW, Palmer DH, Buckels JA, Thompson J, McKay CJ, Rawcliffe CL, Büchler MW; European Study Group for Pancreatic Cancer. Adjuvant chemotherapy with fluorouracil plus folinic acid vs gemcitabine following pancreatic cancer resection: a randomized controlled trial. JAMA. 2010; 304 (10): 1073–1081. Oettle H, Post S, Neuhaus P, Gellert K, Langrehr J, Ridwelski K, Schramm H, Fahlke J, Zuelke C, Burkart C, Gutberlet K, Kettner E, Schmalenberg H, Weigang-Koehler K, Bechstein WO, Niedergethmann M, Schmidt-Wolf I, Roll L, Doerken B, Riess H. Adjuvant chemotherapy with gemcitabine vs observation in patients undergoing curative-intent resection of pancreatic cancer: a randomized controlled trial. JAMA. 2007; 297 (3): 267–277. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Thomas Seufferlein Klinik für Innere Medizin I Universitätsklinikum Ulm Tel.: (07 31) 50 04 45 01 E-Mail: [email protected]
33
Chronische Pankreatitis – aktuelle Therapiestandards
C. Löser
Medizinsche Klinik, Rotes Kreuz Krankenhaus, Kassel
Trotz jahrzehntelanger intensiver klinischer Forschung gibt es nach wie vor kein
kausales Therapiekonzept der chronischen Pankreatitis, sodass die Behandlung
empirisch bleibt und auf die rechtzeitige Erkennung und gezielte Behandlung
auftretender Symptome fokusiert ist. Die wichtigen Therapieziele bei der
symptomorientierten Behandlung der chronischen Pankreatitis sind: 1. gezielte
Pankreasenzymsubstitution bei Steatorrhö und Gewichtsverlust im Rahmen der
fortschreitenden Maldigestion; 2. individuelle Schmerztherapie; 3. Behandlung des
pankreatopriven Diabetes mellitus; 4. Ausschaltung von Ursachen (z. B. Alkohol-
karenz); 5. individuell adäquate Ernährung; 6. Sanierung lokaler Komplikationen wie
Zysten, Nekrosen, Gangstenosen, Gangsteine etc.
Die aufgrund klinischer (abdominelle Schmerzen), morphologischer (US, EUS,
MRCP) oder funktioneller (fäkale Elastase) Kriterien gestellte Diagnose einer
chronischen Pankreatitis impliziert per se keine Therapie, wenn nicht klinische
Symptome, wie z. B. Schmerzen, nachweislicher Gewichtsverlust mit Steatorrhö oder
ein pankreatopriver Diabetes mellitus vorliegen. Bei klinischen Zeichen einer
Maldigestion (Gewichtsverlust) muss eine individuell adäquate Pankreasenzym-
substitution durchgeführt werden. Qualitätsstandard hierfür ist eine möglichst hohe
Lipaseaktivität am Wirkort im Duodenum, die durch eine individuell adäquate
Verabreichung von säuregeschützten mikrosphärischen Enzympräparaten während
der Nahrungszufuhr erreicht werden soll. Bei der Erreichung dieses Therapieziels
gibt es in der Praxis allerdings häufig relevante Probleme: 1. Um eine bestmögliche
Verteilung im Magen zusammen mit dem Chymus zu erreichen, muss die
Enzymsubstitution konsequent während der Mahlzeit in adäquat hohen Dosen
erfolgen; 2. wegen der hohen Säurelabilität der Lipase müssen die Mikrosphären im
Magen säureresistent geschützt sein; 3. häufig kommt es zu einem asynchronen
gastroduodenalen Transport, weshalb unbedingt kleine Mikrosphären, z. B. auch als
Granulat, verabreicht werden müssen; 4. für die Auflösung der Mikrosphären ist ein
adäquater pH-Sprung im Duodenum notwendig, der bei deutlich verminderter
Bikarbonatsekretion aus dem Pankreas oft nicht zeitgerecht erreicht werden kann.
34
Daher ist es wichtig, den Patienten auf folgende Maßnahmen ausführlich
hinzuweisen: 1. Die Nahrung sollte über den Tag verteilt in z. B. 3 Haupt- und
3 Zwischenmahlzeiten eingenommen werden; 2. die Enzymeinnahme muss während
der Mahlzeit erfolgen; 3. zu den Hauptmahlzeiten sollten mindestens 40.000 Lipase-
einheiten und zu den Zwischenmahlzeiten mindestens 20.000 Lipaseeinheiten
substituiert werden; 4. auf eine individuell adäquat hohe Dosierung der Lipase-
einheiten ist zu achten (klinische Erfolgskontrolle: Gewichtsverlauf); 5. ggf. sollten
wegen der Säurelabilität der Lipase die Pankreasenzyme als Enzymgranulat in
Kombination mit einem Protonenpumpenhemmer eingesetzt werden; 6. auf eine
ausreichend isokalorische Ernährung unter Verwendung potenter Energieträger ist
parallel zur Pankreasenzymsubstitution zu achten.
Bei unzureichendem Ansprechen der Pankreasenzymsubstitution muss kritisch
hinterfragt werden, ob definitiv die Diagnose einer exokrinen Pankreasinsuffizienz
vorliegt, die Compliance des Patienten adäquat ist, das Medikamenten-Timing
während des Essens bestimmt, die Lipaseaktivität adäquat gesteigert wurde, ein
adäquater gastroduodenaler Transport vorliegt und eine ausreichend kalorische
Ernährung durchgeführt wird.
Mit gut 90% sind abdominelle Oberbauchschmerzen das klinische Leitsymptom der
chronischen Pankreatitis. Leider gibt es bis heute keine systematisch vergleichenden
Studien zur spezifischen Schmerztherapie bei chronischer Pankreatitis, sodass als
Basis immer noch das etablierte WHO-Stufenschema und die Grundprinzipien einer
modernen Schmerztherapie der Behandlung von Schmerzen bei chronischer
Pankreatitis zugrunde gelegt werden. Neben der individuell adäquaten medika-
mentösen Schmerztherapie können etablierte regionalanästhetische, endoskopische
und bei therapierefraktärem Verlauf auch operative Maßnahmen eingesetzt werden.
Spezifische Behandlungsversuche wie die Gabe von Octreotid, Pankreasenzymen,
Antioxidanzien, die Elektroakkupunktur, TENS oder die Gabe von Leukotrien-
rezeptorantagonisten haben sich in der Praxis nicht bewährt und sollten daher nicht
außerhalb von Studien eingesetzt werden. Beim Versagen konservativer Therapie-
maßnahmen hat sich als effektivste langfristige Therapieoption ein operatives
Vorgehen (z. B. duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion) bewährt.
35
Eine spezifische Pankreasdiät gibt es nicht. Patienten mit chronischer Pankreatitis
sollten ausführlich individuell ernährungsberaten werden, um eine gesunde,
kalorienbewußte ausgewogene Vollkost einzuhalten, um dem mit fortschreitender
Maldigestion drohenden Gewichtsverlust vorzubeugen. Hierbei sind fast immer
vorhandene individuelle Unverträglichkeiten zu berücksichtigen. Bei beginnendem
Gewichtsverlust muss auf eine fettbewusste, isokalorische tägliche Nahrungs-
aufnahme geachtet werden. Bei zunehmender Maldigestion und Steatorrhö muss in
der Regel wegen auftretender Unverträglichkeiten die Fettzufuhr individuell reduziert
werden, wobei unbedingt auf eine entsprechende Steigerung der Protein- und
Kohlenhydratzufuhr zur Gewährleistung der notwendigen Kalorienaufnahme geachtet
werden muss. Die klinische Effizienz einer individuellen Ernährungsberatung sowie in
fortgeschrittenen Stadien die supportive enterale Ernährungstherapie mit Trink-
nahrung ist mit dem Evidenzgrad Ib wissenschaftlich gesichert.
Abb. 1
36
Abb. 2
Abb. 3
37
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Christian Löser Chefarzt der Medizinischen Klinik Rotes Kreuz Krankenhaus Kassel Hansteinstr. 29 34121 Kassel Tel.: (05 61) 30 86-44 01 Fax: (05 61) 30 86-44 04 E-Mail: [email protected]
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Endoskopische Interventionen: Pankreas und Gallenwege
H. Seifert
Klinik für Gastroenterologie, Diabetologie und Infektionskrankheiten, Klinikum
Oldenburg
Einleitung Endoskopische Interventionen an Pankreas und Gallenwegen gehören zu den
interessantesten und innovativsten Einsatzgebieten der interventionellen Endoskopie.
Systematisch lassen sie sich darstellen hinsichtlich der verwandten Techniken oder
anhand der unterschiedlichen Indikationen.
Zwar werden technische Innovationen heutzutage meist schnell über Live-
Demonstrationen, Fachvorträge und Publikationen zumindest im Expertenkreis
verbreitet – bis zur Akzeptanz als therapeutische Standards vergehen jedoch in der
Regel Jahre. Die Standards dürften deshalb weitgehend bekannt sein. Bei den hier
vorgestellten Verfahren handelt es sich vorwiegend um solche, die noch neu sind
und gute Aussichten haben, zum therapeutischen Standard zu werden. Sie sollten
auch jetzt schon nicht nur endoskopischen Experten, sondern auch Ärzten in der
Primärversorgung bekannt sein, um die damit verbundenen Chancen für ihre
Patienten nutzen zu können.
Unter den innovativen Techniken ist an erster Stelle die Endosonografie (EUS) zu
nennen, die den endoskopischen Interventionen den Weg durch die intestinale Wand
geöffnet hat. An zweiter Stelle stehen die kleinen Endoskope, die den Einblick in das
Gallengangsystem und auch in den Pankreasgang erlauben. Gleichrangig sind die
zahlreichen Metallstents unterschiedlichster Bauart einzuschätzen, die in den letzten
Jahren entwickelt wurden. Ihr differenzierter Einsatz eröffnet neue therapeutische
Optionen
Interventionen am Pankreas Die wichtigsten Indikationen für endoskopische Interventionen am Pankreas
betreffen Komplikationen der akuten und der chronischen Pankreatitis.
39
Indikation Technik Kommentar
Akute Pankreatitis
Akute biliäre Pankreatitis EUS (Stein?), ggf. Papillotomie, Steinextraktion
Notfallindikation, kontroverse Diskussion (1)
Infizierte und/oder symptomatische Nekrose
Transmurales endoskopisches Debridement, EUS
Details noch offen, grundsätzlich als Standard akzeptiert
Gangdefekt Stent Standard (?)
Abgehängte Cauda Stent transmural, EUS Schwierig
Chronische Pankreatitis
Chronische symptomatische Pseudozyste
EUS: Punktion und Drainage
Standard
Gangstriktur Stent, Dilatation oder OP
Stein, symptomatisch Papillotomie, Steinextraktion
Standard (?)
Postoperative Komplikationen
Fisteln, Stenosen Dilatationen, Stents Standard (?)
Abszesse, Flüssigkeitsverhalte
EUS: transmurale Punktionen und Drainagen
Standard (?) – große Möglichkeiten
Ballondilatationen und Pankreatikoskopie Für den Zugang zum Gallengang hat sich die Ballondilatation (s. u.) als sicherer
Zugangsweg zur Extraktion großer Steine erwiesen. Das gilt – zumindest bei der
chronischen Pankreatitis mit fibrotischem Organ, weitem Gang und schwierigen,
großen Steinen – auch fürs Pankreas (eigene Erfahrung, s. Vortrag). Der weite
Zugang erlaubt auch eine Pankreatikoskopie mit herkömmlichen Endoskopen
(Abb. 1).
40
Abb. 1: Pankreatikoskopie bei chronischer Pankreatitis mit einem 6 mm-Gastroskop. Man sieht noch einen kleinen Pankreasstein.
EUS-gesteuerte transmurale Pankreasgangdrainage Der endoskopisch nicht erreichbare Pankreasgang (verlorene Cauda nach nekro-
tisierender Pankreatitis, postoperativ nach Pankreaskopfresektion, Pankreatiko-
jejunostomie) kann vom Magen aus EUS-gesteuert punktiert, sondiert und drainiert
werden (Ballondilatation, Stenteinlage). Indikationen sind Schmerzen, Fistel- und
Zystenbildungen, Erhalt der exokrinen und der endokrinen Funktion. (Abb. 2)
Abb. 2: EUS-gesteuerte Punktion eines etwas erweiterten Pankreasganges bei Striktur der Pankreatikojejunostomie. Der zunächst nicht mehr drainierte Gang ist vom Magen aus punktiert und kontrastiert, ein Führungsdraht hat die Striktur passiert. Als nächster Schritt folgt eine Stenteinlage.
Interventionen bei nekrotisierender Pankreatitis Bei infizierter, meist vorwiegend peripankreatischer Nekrose ist die transmurale
endoskopische Intervention seit mehr als 10 Jahren (2) eine therapeutische Alter-
native zur Chirurgie. Es ist abzusehen, dass sich ein minimalinvasives – in der Regel
endoskopisches – Vorgehen als Standard durchsetzen wird (3, 4). Für den
transmuralen Zugang, der bei ausgedehnten Nekrosen häufig für wiederholte
endoskopische Interventionen dienen muss, stehen in letzter Zeit unterschiedliche
Metallstents zum Offenhalten des transmuralen Fensters zur Verfügung (Abb. 3).
41
Abb. 3: Ein Metallstent (AXIOS – Stent) hält das Fenster in der Magenwand offen und ermöglicht den wiederholten endoskopischen Zugang zum Debridement infizierter Nekrosen. Der Stent wurde mittels eines Ballons auf eine Weite von 20 mm gebracht.
Interventionen am Gallengang Die Interventionen am Gallengang betreffen Steine, entzündliche und maligne
Stenosen und Gangdefekte.
Indikation Technik Kommentar
Gallengangsstein Papillotomie, Steinextraktion, Lithotripsie, ggf. Cholangioskopie
Standard, ggf. mit etwas Hightech
Gallengangsstriktur (Narbe, nach LTX, PSC)
Dilatation (Ballons), Stents Standard
Gallengangskarzinom Stents, photodynamische Therapie, Radiofrequenzablation, Brachytherapie, APC
Teils Standard, teils innovativ, Cholangioskopie teils nötig
Papillenadenom Abtragung endoskopisch ggf. mit intraduktaler APC
fast Standard
Ganganomalien Stenting Einzelfälle
Choledocholithiasis: große Steine – leichte Beute? Leitlinienkonformer Standard ist die endoskopische Therapie symptomatischer und –
allerdings weniger gut gesichert – asymptomatischer Gallengangssteine (5). Bei nicht
operablen Patienten können Zystikussteine transpapillär behandelt werden, evtl.
kombiniert mit der perkutanen Punktion und Entlastung der Gallenblase.
Zwei neuere Arbeiten propagieren die Ballondilatation der Papille zur
endoskopischen Therapie bei großen Steinen mit guten Argumenten – lesenswert
(6, 7).
42
Dabei ergab sich keine erhöhte Komplikationsrate nach der Ballondilatation im
Vergleich zum konventionellen Vorgehen mit Papillotomie und mechanischer
Lithotripsie.
Cholangioskopie Bei ausreichend weiter Papille (Ballondilatation) kann der Gallengang mit prograden
Endoskopen intubiert werden. Seit Langem sind zur Cholangioskopie unterschied-
liche mother-baby-Systeme verfügbar, mit mehr oder weniger guten Optiken, meist
sehr anfälligen kleinen Cholangioskopen und mit hohem Anschaffungspreis. Attraktiv
ist seit Langem die perkutane transhepatische Cholangioskopie mit Bronchoskopen –
mit allerdings traumatischem und aufwendigem Zugangsweg. Die transpapilläre
Cholangioskopie mit kleinkalibrigen prograden Endoskopen hingegen erlaubt
exzellente Sicht und den relativ unkomplizierten Einsatz, z. B. der elektrohydrau-
lischen Lithotripsie oder der Argonplasma-Koagulation (Abb. 4). Die eigenen Erfah-
rungen damit sowie erste Publikationen (8) dazu betreffen kleine Fallzahlen. Die
Gefahr von Luftembolien bei aggressiven Eingriffen im Gallengang ist zu bedenken
(9), der – sehr sparsame – Einsatz von CO2 ist zu empfehlen.
Abb. 4: Cholangioskopie mit einem „normalen“ 8 mm-Gastroskop und Aufsatzkappe. Argonplasma-Koagulation intraduktaler Manifestationen eines tubulovillösen Papillenadenoms.
EUS-gesteuerte transmurale Gallengangsdrainage Die transmurale EUS-gesteuerte Punktion gestauter Gallengänge im linken
Leberlappen und des Gallenhauptgangs erlaubt die biliäre Sondierung und Drainage
mit Stenteinlage, wenn der transpapilläre Zugang nicht möglich ist: eine elegante
Alternative oder Ergänzung zum perkutan transhepatischen Vorgehen als palliatives
Verfahren oder zur Steinentfernung oder Drainage bei postoperativer Anatomie
(10, 11, 12).
43
Stents Metallstents (und mitunter Plastikprothesen) zur biliären und pankreatischen
Drainage sind seit Langem Standard. Neu und erwähnenswert ist der Einsatz voll
beschichteter und entfernbarer Stents (unterschiedliche Hersteller) auch bei
benignen Läsionen (Defekten, Strikturen) (13, 14).
Zusammenfassung Der Einsatz der interventionellen EUS zusammen mit modernen Endoskopen erlaubt
eine Vielzahl von Eingriffen, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wären.
Auch bei sehr schwierigen therapeutischen oder palliativen Fragestellungen lohnt es
+sich oft, einen erfahrenen Endoskopiker zum interdisziplinären Gespräch hinzu-
zuziehen und ihm die Patienten vorzustellen (nicht nur bei Problemen am Pankreas
und an den Gallenwegen)
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44
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13. Poley JW, Cahen DL, Metselaar HJ, van Buuren HR, Kazemier G, van Eijck CH,
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Fully covered self-expandable metallic stents in benign biliary strictures: a multicenter study on efficacy and safety. Endoscopy. 2012; 44: 923–927.
45
Reizdarmsyndrom – aktuelle Therapiestrategien
M. Karaus
Innere Medizin, Ev. Krankenhaus Göttingen-Weende
Das Reizdarmsyndrom (RDS) gehört zu den häufigsten funktionellen
gastroenterologischen Krankheitsbildern mit einer Prävalenz von ca. 12% in Europa.
Es unterliegt derzeit einem bedeutenden Wandel im pathophysiologischen
Verständnis. Neu definiert als Symptomenkomplex, bei dem die typischen
Beschwerden Bauchschmerzen bzw. abdominelles Unwohlsein, Stuhlgangsunregel-
mäßigkeiten oder Blähungen auf den Darm bezogen sind und die Lebensqualität
einschränken, lassen sich immer mehr strukturelle Veränderungen im Bereich
immunologischer, entzündlicher, mikrobiotischer oder neurobiologischer Vorgänge
nachweisen. Dieses bringt das bisherige Konzept, welches auf dem Ausschluss
solcher struktureller, aber auch klinisch nachweisbarer Veränderungen beruhte, ins
Wanken und lässt das RDS heute eher als ein Sammelbegriff für eine Gruppe
unterschiedlicher, im Grunde doch organischer Erkrankungen mit gleicher klinischer
Symptomatik erscheinen. Das hat dazu geführt, dass auch die in der aktuellen S3-
Leitlinie der DGVS empfohlene Diagnostik, insbesondere bei Vorliegen des
Symptoms Diarrhö, umfassender geworden ist, um spezifisch behandelbare
Krankheitsbilder abzugrenzen.
Ungeachtet dieser großen wissenschaftlichen Fortschritte kennt jeder das Problem
des besonderen Krankheitsverhaltens vieler Reizdarmpatienten, insbesondere derer,
die es auch nach ausreichender Diagnostik, Aufklärung und den üblichen
Empfehlungen zu Ernährung und anderen Allgemeinmaßnahmen nicht schaffen, mit
diesen Beschwerden allein zurechtzukommen und einen Arzt nach dem anderen
konsultieren, weil sie sich nirgendwo verstanden fühlen. Hier ist oft eine psychische
Komorbidität nachzuweisen, welche die Behandlung erschwert und dabei
berücksichtigt werden muss. Diese Patienten über die neuen Erkenntnisse der
pathophysiologischen Fortschritte zum Reizdarm zu informieren, führt meist zu einer
weiteren Verunsicherung, welche die Erwartung nach einer bisher nur nicht
erkannten, in der Ursache behandelbaren, organischen Erkrankung weiter verstärkt.
46
Wir befinden uns daher derzeit in einem therapeutischen Dilemma. Die neuen
Erkenntnisse haben bisher zu keinen daraus ableitbaren spezifischen Therapie-
optionen geführt. Die Behandlungsstrategie ist weiter symptom- und patienten-
orientiert. Das heißt einerseits die Therapieausrichtung auf die Reduktion der
Symptome und nicht auf die Beseitigung der Erkrankung, und andererseits die
Berücksichtigung der individuellen Patientenpersönlichkeit, einschließlich aller
psychischen Kofaktoren von Beginn an. Erfreulich ist dabei die Zunahme an
therapeutischen Optionen, die aber leider meist ungezielt, im Sinne von try and error
beim einzelnen Patienten auszuprobieren sind. Dabei ist immer der große
Plazeboeffekt von über 40% bei allen Maßnahmen zu berücksichtigen.
Im Vordergrund der Allgemeinmaßnahmen steht der Aufbau einer stabilen Arzt-
Patienten-Beziehung, die auch fehlgeschlagene Behandlungsversuche aushält und
keine falschen Erwartungen fördert. Das Erkennen der persönlichen Nöte des
Patienten mit seinen Beschwerden in seinem psychosozialen Umfeld ist dabei von
besonderer Bedeutung und erfordert viel Zeit und Empathie des Therapeuten.
An zweiter Stelle steht eine ausführliche Ernährungsberatung, welche die
individuellen Unverträglichkeiten berücksichtigt und die Erklärung der Zusammen-
hänge von Beschwerden mit der Nahrungsaufnahme, aber auch das Weglassen der
bekannten diätetischen Auslöser beinhaltet. Eine derzeit gerne empfohlene, aber
auch sehr einschränkende Eliminationsdiät ist die sogenannte Fodmap-Kost, bei der
insbesondere auf viele fermentierbare Saccharide und Polyole verzichtet werden soll.
Als erster einfacherer Schritt hat sich das Weglassen von faserreicher Kost bei allen
Reizdarmsymptomen mit Ausnahme der Obstipation bewährt, wobei selbst hier auf
lösliche Faserstoffe wie Flohsamenschalen ausgewichen werden soll. Eine sehr
wirksame Allgemeinmaßnahme, gerade bei dem Symptom Blähung/Aufgetriebensein,
kann die vermehrte sportliche Betätigung sein.
Die medikamentöse Therapie orientiert sich an den vorherrschenden Symptomen.
Bei Durchfall ist weiterhin Loperamid das Mittel der Wahl, bei schweren Verläufen
sollte ein kurzzeitiger Versuch mit Colestyramin unternommen werden. Die
Obstipation ist durch Polyethylenglykol-haltige osmotische Laxanzien, aber auch
stimulierende Substanzen vom Typ des Bisacodyls oder Na-Picosulfats günstig zu
beeinflussen. Eine Neuentwicklung, die auch in Europa in Kürze die Zulassung
47
erwartet, ist das Linaclotid, welches sowohl die Flüssigkeitssekretion in den Darm
stimuliert, aber auch eine schmerzlindernde Wirkung hat. Für den Reizdarm bisher
nicht zugelassen ist das Prucaloprid, ein 5-HT4-Agonist, der als Kolokinetikum die
Obstipation bei Frauen, die auf Laxanzien nicht ausreichend ansprechen, bessern
kann. Die Schmerzbehandlung bei Reizdarmpatienten ist nach wie vor oft
unbefriedigend. Hier werden zuerst Spasmolytika wie das Mebeverin versucht, dann
muss meist auf niedrig dosierte Antidepressiva mit ihrer günstigen Wirkung auf die
afferente Schmerzvermittlung ausgewichen werden. Diese Substanzen haben von
allen medikamentösen Therapieoptionen die stärkste Wirkung (niedrigste NNT).
Trizyklische Antidepressiva (TCAs) sollten beim Diarrhö- und selektive Serotonin-
Wiederaufnahmehemmer (SSRI) beim Obstipations-Typ bevorzugt werden. Bei
Blähungen ist neben Simethicon-Präparaten auch Iberogast® einen Versuch wert. Es
spricht nichts dagegen, die verschiedenen Präparate auch zu kombinieren.
Bei allen Reizdarmpatienten ist ein Behandlungsversuch mit Probiotika sinnvoll, für
die in Metaanalysen ein positiver Effekt nachgewiesen werden konnte. Es gibt aber
keine Empfehlung, welche Bakterien (in Joghurts oder als Nahrungsergänzungs-
mittel) für welche Patienten am geeignetsten sind. Hier hilft nur ein Therapieversuch,
der mindestens 4 besser 8 Wochen dauern sollte. Viele Patienten sprechen
allerdings auf Probiotika nicht ausreichend an. In die Darmflora greift auch das
darmselektive Antibiotikum Rifaximin mit positiven Effekten auf die Reizdarm-
symptomatik ein, es hat aber in Deutschland hierfür bisher keine Zulassung.
Aufgrund der großen Bedeutung der psychischen Kofaktoren für das
Krankheitsverhalten der Patienten darf die spezialisierte Psychotherapie, besonders
Verhaltenstherapiemaßnahmen oder auch die geschulte Hypnosetherapie, nicht
außer Acht gelassen werden. Diese Optionen ersetzen aber nicht die intakte, aber
auch zeitaufwendige Arzt-Patienten-Beziehung des Primärarztes, der die oft
schwierige Führung des Reizdarmpatienten nicht an den Psychosomatiker bzw.
Psychotherapeuten abtreten sollte.
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Aktuelle Therapiestrategien bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
A. Dignass
Medizinische Klinik I, Gastroenterologie, Hepatologie, Onkologie, Infektiologie und
Stoffwechsel, AGAPLESION Markus-Krankenhaus, Frankfurt am Main
Durch eine verbesserte konservative medikamentöse Therapie können heute mehr
als 80% der Patienten mit einem akuten Schub eines Morbus Crohn oder einer
Colitis ulcerosa zumindest initial erfolgreich behandelt werden. Sowohl die Diagnostik
als auch die Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) können
im Einzelfall sehr komplex sein, da das klinische Bild der CED vielgestaltig sein kann,
vielfältige Differenzialdiagnosen berücksichtigt werden müssen und ein großes
Spektrum verschiedener diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten zur
Verfügung steht.
Die Entwicklung eines optimalen diagnostischen und therapeutischen Algorithmus
kann insbesondere für diejenigen Ärzte schwierig sein, die sich nicht täglich mit
dieser Patientengruppe beschäftigen. Eine wichtige Hilfe in der Optimierung der
Betreuung von Patienten mit CED bieten evidenzbasierte Leitlinien wissen-
schaftlicher Fachgesellschaften. Zur Diagnostik und Therapie der CED existieren
sowohl Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechsel-
erkrankungen (DGVS) (www.ecco-ibd.eu) als auch der Europäischen Crohn- und
Colitis-Organisation (ECCO), die sowohl in Papierform als auch online eingesehen
werden können (DGVS: www.dgvs.de oder ECCO: www.ecco-ibd.eu).
Ein besseres Verständnis der Pathogenese der CED hat in den letzten Jahren die
Entwicklung von zahlreichen weiteren Therapieoptionen ermöglicht, die gezielter in
den Entzündungsablauf eingreifen und somit eine verbesserte Effektivität bewirken
können. Es existiert heute ein sehr umfangreiches Spektrum therapeutischer
Möglichkeiten, wobei bei Erwachsenen insbesondere medikamentöse und
chirurgische Therapieoptionen eine zentrale Rolle einnehmen. In den nächsten
Jahren ist mit einer weiteren Zunahme der medikamentösen Therapieoptionen zu
rechnen. Intensiv diskutiert wird derzeit der optimale Einsatz und die beste Abfolge
der verfügbaren therapeutischen Optionen (Step-up versus Top-down), der Einsatz
von Monotherapien versus Kombinationstherapien und der optimale Beginn und die
Dauer der Behandlung. Häufig ist eine individualisierte, situationsbezogene
49
Therapieplanung nötig. Obwohl aktuell keine allgemein akzeptierten Parameter
existieren, die den Verlauf einer CED vorhersagen können, gibt es verschiedene
Prädiktoren, um den Verlauf einer CED abzuschätzen. Die Möglichkeit, den
Therapieerfolg klinisch, endoskopisch und mittels Labordiagnostik evaluieren zu
können und die zunehmenden Möglichkeiten von Wirkstoffspiegelmessungen bzw.
der Messung von neutralisierenden Medikamentenantikörpern können die Grundlage
für eine zukünftige personalisierte Therapie darstellen. Zur medikamentösen
Therapie der CED werden im Wesentlichen 5-ASA-Präparate, Steroide, die
Immunsuppressiva Azathioprin/6-MP, Methotrexat und die Anti-TNF-Präparate
Infliximab und Adalimumab eingesetzt. In besonderen Situationen finden Antibiotika
(Fisteln bei M. Crohn, Pouchitis), Probiotika, Calcineurininhibitoren (Tacrolimus,
Ciclosporin A) und Cyclophosphamid eine Rolle. Die Ernährungstherapie, die bei
Kindern eine zentrale Rolle besitzt, wird aufgrund einer unzureichenden Compliance
weniger häufig eingesetzt.
5-ASA-Präparate spielen auch heute eine zentrale Rolle in der Behandlung der
milden bis moderaten Verlaufsformen der Colitis ulcerosa. Topische oder
systemische Steroide sind durch einen raschen und sehr effektiven Wirkungseintritt
gekennzeichnet, leider jedoch insbesondere bei längerer Anwendung mit erheblichen
Nebenwirkungen vergesellschaftet. Bei Patienten mit chronisch aktiver oder
therapierefraktärer Erkrankung sind Immunsuppressiva einschließlich Biologika
heute etablierter Standard.
Operative Eingriffe erfolgen beim M. Crohn heute nur sehr restriktiv bei
Komplikationen (z. B. narbige Stenose, spezielle Fistelsituationen); bei der Colitis
ulcerosa besteht prinzipiell eine Möglichkeit, die Erkrankung operativ zu sanieren,
sodass bei therapierefraktärem Erkrankungsverlauf oder bei höhergradigen
Dysplasien eine Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage sinnvoll ist und
rechtzeitig erwogen werden sollte.
50
Abb. 1
Abb. 2
51
Abb. 3
Abb. 4
52
Proktologie – Hämorrhoiden, Fisteln, Fissuren und Co.
R. Hesterberg
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Rotes Kreuz Krankenhaus, Kassel
Viele Menschen erleiden im Laufe ihres Lebens zum Teil sehr belästigende und
quälende, selten jedoch lebensbedrohliche Beschwerden im Analbereich. Während
diese Patienten früher oft nur schwer eine fachgerechte Hilfe fanden, hat sich heute
eine Vielzahl von Ärzten aus dem Bereich der Chirurgie, der Gastroenterologie/
Innere Medizin und der Dermatologie auf die Behandlung von Enddarmerkrankungen
spezialisiert.
Die Therapie des Hämorrhoidalleidens richtet sich nach dem Stadium und den
Beschwerden (Stadium I: Vergrößerung des physiologischen Hämorrhoidalplexus, II:
Vorfall des Hämorrhoidalplexus in den unteren Analkanal, III: Vorfall des
Hämorrhoidalgewebes mit außen sichtbarer Mukosa, noch reponibel, IV: nach außen
vorgefallenes Hämorrhoidalgewebe mit fixierter nicht reponibler Mukosa). Unab-
hängig von der Größe müssen Hämorrhoiden, die keine Beschwerden verursachen,
nicht behandelt werden. Hämorrhoiden im Stadium I werden sehr erfolgreich
konservativ mittels Salben, Zäpfchen und Sklerosierung behandelt. Dies gilt auch für
Hämorrhoiden 2. Grades, die nur gelegentlich Beschwerden verursachen. Eine
semikonservative Therapie stellt die überwiegend bei Hämorrhoiden 2. Grades
eingesetzte Gummibandligatur dar, bei der in mehreren Sitzungen ohne Narkose das
Hämorrhoidalgewebe und die Schleimhaut an der Hämorrhoidalbasis gerafft und
mittels Gummibandligaturen abgeschnürt wird. Das abgeschnürte Gewebe stirbt ab
und wird unter Ausbildung einer Narbe abgestoßen. Auch wenn diese Behandlung
ohne Narkose ambulant durchgeführt wird, ist die Komplikationsrate durchaus mit
einem operativen Vorgehen vergleichbar (bis zu 4% relevante Nachblutungen). Es
sind auch tödliche Komplikationen (Beckenbodensepsis) beschrieben. An operativen
Maßnahmen stehen die klassischen Exzisionsverfahren (Milligan-Morgen, Ferguson),
die radikalen Exzisionen mit plastischer Rekonstruktion (Fansler-Arnold) sowie die
Stapler-Hämorrhoidektomie nach Longo und die transanale ultraschallgesteuerte
Desarterialisation (THD) zu Verfügung. Die klassische Hämorrhoidektomie ist das
Verfahren der Wahl bei einzelnen Hämorrhoidalknoten 3.–4. Grades. Die Stapler-
Hämorrhoidektomie nach Longo setzen wir bei einem noch nicht fixierten zirkulären
53
Hämorrhoidalprolaps Grad 3 ein. Beim fixierten Hämorrhoidal (Anal-) Prolaps Grad 4
ist eine Hämorrhoidektomie mit Lappenplastik nach Fansler-Arnold erforderlich.
Bezüglich des Vergleichs der Longo-Operation mit der konventionellen Hämorrhoid-
ektomie liegen zahlreiche kontrollierte Studien vor. Eine Cochrane- Analyse von
2008 ergab zwar verringerte Schmerzen im frühen postoperativen Verlauf zugunsten
der Longo-Operation, im langfristigen Verlauf war die Rezidiv-Prolapsrate nach der
Longo-Hämorrhoidektomie jedoch etwas erhöht. Wir persönlich bevorzugen bei
großen Hämorrhoiden Grad 2 und reponiblen Hämorrhoiden Grad 3 das THD-
Verfahren, das wenig eingreifend ist, da kein Gewebe exzidiert wird, und eine
geringe Komplikationsrate aufweist. Die Patienten sind postoperativ innerhalb
weniger Tage beschwerdefrei. Die Rezidivrate ist nach eigenen Erfahrungen etwas
höher, dann kann aber problemlos nachoperiert werden.
Analfisteln sind mit einer Inzidenz von ca. 8 Neuerkrankungen pro 100.000
Einwohnern relativ selten. Betroffen sind überwiegend Männer. Die konservative
Therapie von Analfisteln führt nur sehr selten zu einer dauerhaften Heilung. Standard
ist die chirurgische Therapie, für die verschiedene Verfahren zur Verfügung stehen.
Das Spektrum umfasst die Fadendrainage, die letztendlich nur noch als Platzhalter
eine Rolle spielt, über die klassische Fistelspaltung, die die besten Heilungs-
ergebnisse bringt, über die schließmuskelschonenden Verfahren wie Mukosalappen-
plastik, Muskelmukosalappenplastik, Anodermplastik, Anal Fistula Plug und die mit
einem OTSC-Clip (Bärenkralle). Sowohl durch die Erkrankung selbst als auch durch
die Therapiemaßnahmen kann die Schließmuskelfunktion geschwächt werden. Die
klassische Fistelspaltung mit Freilegung des Fistelgangs und Durchtrennung der
über dem Fistelgang liegenden Schließmuskelanteile und mit radikaler Entfernung
des Entzündungsgewebes bietet die besten Heilungsaussichten, ist jedoch (je nach
Ausmaß der betroffenen Schließmuskelanteile) mit einem dauerhaften Risiko einer
Schließmuskelschwächung verbunden. Die am wenigsten eingreifende Maßnahme
des Anal Fistula Plugs, bei der ein Material aus Schweinedünndarmkollagen in den
gereinigten Fistelgang eingezogen wird und dadurch der Fistelgang von körper-
eigenem Gewebe durchbaut werden soll, zeigt nach unserer Erfahrung die
geringsten Heilungsaussichten von langfristig deutlich unter 30%. Besser sind die
Verfahren des plastischen Analfistelverschlusses mittels Lappenplastiken, bei denen
das Risiko einer stärkeren Schließmuskelschwächung deutlich geringer ist als bei der
klassischen Fistelspaltung. Dafür ist die Rezidivrate aber im Vergleich höher. Neu ist
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der Einsatz des OTSC-Clips zur Behandlung von Analfisteln. Dieses für die
endoskopische Behandlung von Darmwandverletzungen und Darmfisteln entwickelte
Verfahren lässt sich problemlos auch bei Analfisteln anwenden und führt nicht zu
einer Schwächung des Schließmuskels. Langzeitergebnisse stehen allerdings noch
aus.
Die operative Behandlung von Analfisteln erfordert umfangreiche Kenntnisse und
Erfahrungen des behandelten Proktologen über die Anatomie und Funktion des
Analschließmuskels und ein Abwägen zwischen den Heilungsaussichten und dem
Risiko einer Sphinkterinsuffizienz.
Eine akute Analfissur lässt sich in den meisten Fällen erfolgreich konservativ durch
Applikation von Salben und speziellen Zäpfchen behandeln. Eine aktuelle Cochrane-
Analyse aus dem Jahr 2012 kommt bei der chronischen Analfissur allerdings zu dem
Schluss, dass die klassischen konservativen Verfahren wie nitroglyzerinhaltige
Salben, Botulinumtoxin, die topische Anwendung von Nifedipin oder Diltiazem nur
marginal bessere Ergebnisse bringt als die Behandlung mit einem Plazebo, und dass
die konservative Therapie der chronischen Analfissur deutlich weniger effektiv ist als
die chirurgische Behandlung. Für die chirurgische Behandlung der chronischen
Analfissur stehen die manuelle Sphinkterdehnung mit oberflächlicher Ausschneidung
der vernarbten Fissurränder (Fissurektomie) sowie die laterale oder bilaterale
Sphinkterotomie zur Verfügung. Eine Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2011 kommt
zu dem Schluss, dass die Analsphinkter-Dilatation aus dem Behandlungsrepertoire
für die chronische Analfissur bei Erwachsenen verbannt werden sollte und die offene
oder geschlossene partielle laterale Sphinkterotomie des inneren Schließmuskels
sehr effektiv ist. Möglicherweise bringt eine bilaterale Spinkterotomie Vorteile, die
jedoch noch durch weitere Untersuchungen bestätigt werden müssten.
Dieser Aussage stehen Daten von Hasse et al. aus dem Jahr 2004 gegenüber, der
ganz klar in einem nicht unerheblichen Prozentsatz der Patienten auch auf Dauer
eine Minderung der Kontinenz bis hin zu Schweregrad 3 nach einer lateralen
Sphinkterotomie nachweisen konnte. Auf jeden Fall ist eine Sphinkterotomie mit
einer dauerhaften Schwächung des Schließmuskels verbunden, die in der
Langzeitauswirkung vom Operateur anfangs gar nicht eingeschätzt werden kann. Wir
haben deshalb die laterale Sphinkterotomie als Therapieoption bei der chronischen
Analfissur verlassen und führen eine vorsichtige manuelle Sphinkterdehnung mit
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2 Fingern in Kurzzeitnarkose und Vollrelaxation verbunden mit einer oberflächlichen
Fissurektomie durch. Die kurzfristigen Ergebnisse sind nicht ganz so gut wie bei der
lateralen Sphinkterotomie. Dauerhafte Schließmuskelfunktionsstörungen haben wir
jedoch nicht beobachtet.
Literatur: Nelson RL, Thomas K, Morgan J, Jones A. Non surgical therapy for anal fissure. Cochrane Database Syst Rev. 2012; (2): CD003431. Nelson RL, Chattopadhyay A, Brooks W, Platt I, Paavana T, Earl S. Operative procedures for fissure in ano. Cochrane Database Syst Rev. 2011; (11): CD002199. Hasse C, Brune M, Bachmann S, Lorenz W, Rothmund M, Sitter H. Laterale partielle Sphinkteromyotomie zur Therapie der chronischen Analfissur. Langzeitergebnisse einer epidemiologischen Kohortenstudie. Chirurg. 2004; 75: 160–167.
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Interdisziplinäre Therapie des Kolonkarzinoms: konservative Therapiestandards
A. Regnery, R. Porschen
Medizinische Klinik, Klinikum Bremen-Ost gGmbH
Die Diagnostik und Therapie des kolorektalen Karzinoms zeichnet sich in den letzten
Jahren durch eine zunehmende Interdisziplinarität aus. Dies schlägt sich u. a. in der
Etablierung von Darmzentren nieder.
1. Adjuvante postoperative Konzepte Besonders in der prä- und postoperativen Situation ist ein enges Zusammenarbeiten
der verschiedenen Disziplinen erforderlich. Bei einem Patienten mit einem kurativ
resezierten Kolonkarzinom im Stadium III – also mit metastatisch befallenen
Lymphknoten – ist eine adjuvante Chemotherapie indiziert. Die Standardchemo-
therapie im Stadium III besteht aus der Kombinationschemotherapie Oxaliplatin +
5-FU/Leucovorin (FOLFOX4- oder mFOLFOX6-Schema). Die infusionale 5-FU-Gabe
kann auch durch die orale Gabe der 5-FU-Prodrug Capecitabin ersetzt werden.
Im Stadium II kann eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden. Hier
müssen jedoch insbesondere die Vorteile und auch die Risiken mit dem Patienten
intensiv besprochen werden, da der mögliche Benefit einer adjuvanten Chemo-
therapie nicht so ausgeprägt wie im Stadium III ist. Liegen im Stadium II
Risikokonstellationen (T4-Kategorie, Tumorperforation, OP unter Notfallbedingungen,
Anzahl der untersuchten Lymphknoten < 12) vor, sollte eine adjuvante Chemo-
therapie erwogen werden.
Es konnte nachgewiesen werden, dass eine adjuvante 5-FU-haltige Chemotherapie
auch zu einer Verbesserung des postoperativen Überlebens bei älteren Patienten
(> 70 Jahre) führt. In der ACCENT-Studie wurde der Frage nachgegangen, ob eine
intensivierte Chemotherapie mit Oxaliplatin, Irinotecan oder oraler 5-FU-Prodrug
auch bei älteren Patienten zu einer Verbesserung der Ergebnisse im Vergleich zur
5-FU-Monochemotherapie führt. Diese aktualisierte Datenanalyse hat für die über
70-jährigen Patienten keinen Vorteil hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens bzw.
57
des Gesamtüberlebens für Oxaliplatin-Kombinationen und ähnlich für die oralen
Fluoropyrimidin-Therapie ergeben.
Der Stellenwert monoklonaler Antikörper in der adjuvanten Chemotherapiesituation
wurde in mehreren großen randomisierten Studien überprüft. Sowohl in der AVANT-
Studie als auch in der NSABPC-08-Studie führte die Addition von Bevacizumab
(Avastin®) nicht zu einer Verbesserung gegenüber alleiniger Chemotherapie. In der
Studie NO147 wurde die Standardchemotherapie mFOLFOX6 gegen mFOLFOX6 +
Cetuximab bei Patienten mit einem K-RAS-Wildtyp-Kolonkarzinom im Stadium III
verglichen. Das krankheitsfreie Überleben wies in beiden Therapiegruppen keinen
Unterschied auf. Dies galt insbesondere auch für die Gruppe der unter 70-jährigen
Patienten. Dahingehend führte die Addition von Cetuximab bei den über 70-jährigen
Patienten zu einer tendenziellen Verschlechterung des krankheitsfreien Überlebens
(p = 0,06). Somit lässt sich auch für Cetuximab, den Antikörper gegen den
epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor, festhalten, dass er in der adjuvanten
Therapiesituation keinen Stellenwert besitzt.
2. Palliative Chemotherapiekonzepte In der palliativen Therapie des kolorektalen Karzinoms ist es wichtig, dass
Therapieziel zu definieren. Hierzu sind in der Leitlinie 4 Patientengruppen definiert:
1. Patienten mit primär resektablen Leber- und/oder Lungenmetastasen,
2. Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte systemische Therapie:
a. klinisch operable Patienten mit Leber- und/oder Lungenmetastasen,
potenziell resektabel nach Ansprechen,
b. Patienten mit tumorbedingten Symptomen, Risiko für Organkomplikationen,
rascher Tumorprogression,
3. Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option für Resektion nach Metastasen-
rückbildung, ohne tumorbezogene Symptome, Organkomplikationen und/oder
schwerer Komorbidität.
Während in den Gruppen 1 und 2a ein potenziell kurativer Therapieansatz vorliegt,
ist das Therapieziel in der Gruppe 2b und 3 palliativ.
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Eine neoadjuvante systemische Therapie resektabler Lebermetastasen kann in
Ausnahmefällen erwogen werden. Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner
Lebermetastasen kann eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden.
Bei primärer Irresektabilität soll eine systemische Chemotherapie erfolgen. Wichtig ist
dabei auch die regelmäßige Evaluation der möglichen sekundären Resektabilität
nach Remissionsinduktion. Ist das Therapieziel die Remissionsinduktion mit
möglicher sekundärer Metastasenresektion, soll primär die effektivste jeweils
verfügbare systemische Kombinationstherapie (intensivierte Therapie) angewandt
werden. Bei Patienten, bei denen die Option für eine Resektion nach Metastasen-
rückbildung nicht besteht, oder bei denen primär eine schwere Komorbidität vorliegt,
kann ggf. eine Monotherapie als Erstlinientherapie eingesetzt werden.
Durch die Einführung der monoklonalen Antikörper gegen den vaskulären
Wachstumsfaktor bzw. den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor haben sich die
Ergebnisse der Kombinationschemotherapie im Durchschnitt verbessern lassen. Für
das Ansprechen auf Antikörper gegen den EGFR (= Epidermal Growth Factor
Receptor) hat sich der K-RAS-Wildtyp in den Tumoren als Prädiktor für ein mögliches
Ansprechen auf eine Antikörpertherapie identifizieren lassen. Ein Doppeltargeting
(Kombination von 2 verschiedenen monoklonalen Antikörpern + Kombinations-
chemotherapie) hat sich im Gegensatz dazu nicht als positive Weiterentwicklung
erwiesen. Sowohl in der CAIRO2- als auch in der PACCE-Studie führte die Addition
von Cetuximab bzw. Panitumumab zur Chemotherapie + Bevacizumab zu einem
signifikant reduzierten krankheitsfreien Überleben. Das Prinzip der maximalen
Eskalation mit simultanem Einsatz von 2 Antikörpern hat sich somit nicht als sinnvoll
erwiesen.
In der palliativen Chemotherapie des kolorektalen Karzinoms wird auch noch das
Prinzip der Deeskalation bzw. der sequenziellen Kombinationschemotherapie
diskutiert.
59
Zeitgemäße Chirurgie des kolorektalen Karzinoms
J. Faß
Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie, Klinikum Kassel
Operationen wegen eines Kolon- oder Rektumkarzinoms und seiner Metastasen
gehören in Zentren für onkologische Chirurgie zu den häufigsten Eingriffen. Aufgrund
von Weiterentwicklungen in der multimodalen Therapie und der chirurgischen
Technik haben sich die Heilungsergebnisse weiter verbessert. Die neuen chirur-
gischen Aspekte sollen im Folgenden kurz dargestellt werden:
Frühkarzinome Kolonpolypen werden in der Regel endoskopisch abgetragen. In den Fällen, wo das
aus Gründen der Größe oder Position nicht gelingt, sollte, vor allem bei Vorliegen
hochgradiger Dysplasien und im linken Kolon, eine formale onkologische Resektion
erfolgen, da schon in 18% ein Karzinom und in 23% dieser Fälle eine lymphatische
Metastasierung vorliegt.
Bei auf die Schleimhaut des Rektums begrenzten Tumoren (uT1, uN0) bis 12 cm
Höhe und von bis zu 3 cm Durchmesser (Differenzierungsgrad max. G3!) sollte der
Tumor transanal als Vollwandpräparat onkologisch korrekt mit der transanalen
endoskopischen Mukosektomie (TEM) entfernt werden (Abb. 1).
Fortgeschrittenes Kolonkarzinom Hier gelten in der operativen Therapie bez. des Resektionsausmaßes am Kolon die
Regeln der klassischen onkologischen Chirurgie. Eine Erweiterung der Lymph-
knotendissektion durch die sog. „complete mesocolic excision (CME)“, analog der
TME beim Rektumkarzinom, führte bei R0-Resektion in ersten Studien zu einer
Verbesserung des 5-Jahres-Überlebens auf über 80%. Prospektive randomisierte
multizentrische Studien hierzu stehen noch aus.
Fortgeschrittenes Rektumkarzinom Die Behandlungsergebnisse beim Rektumkarzinom haben vor allem von der
Einführung der multimodalen Therapie und der totalen mesorektalen Exzision (TME)
profitiert. Hier fokussiert sich die Weiterentwicklung zurzeit vor allem auf Fragen der
Patientenselektion für die neoadjuvante Therapie und die Auswahl des richtigen
60
Operationsverfahrens. So konnten Studien zeigen, dass das MRT der bisher als
Standard geltenden Endosonografie und dem CT bei der Ausbreitungsdiagnostik
überlegen ist und dass die Indikationsparameter zur neoadjuvanten Therapie neu
definiert werden sollten. Die Anlage eines protektiven Stomas nach tiefer
anteriorer Resektion gilt heute, vor allem nach neoadjuvanter Radiochemotherapie,
als Standard. Bei supraanalen Anastomosen sollte ein Kolonpouch vorgeschaltet
werden, wobei die einfache End-zu-Seit-Anastomose nicht wesentlich schlechter zu
sein scheint.
Minimalinvasive Chirurgie Fast alle kolorektalen Karzinome können heute bei entsprechender Expertise
minimalinvasiv operiert werden. Große Studien haben belegt, dass mit der
minimalinvasiven Operationstechnik in den ersten Wochen nach der Operation eine
deutliche Reduzierung des Schmerzniveaus, eine schnellere Erholung und eine
frühere Entlassung der Patienten erzielt werden kann (Tab. 1). Das kosmetische
Ergebnis ist bei fast völligem Fehlen von Operationsnarben und fehlendem Risiko
der Entwicklung eines Narbenbruchs ungleich besser. Die onkologischen Resultate
sind denen aus der traditionellen offenen Chirurgie zumindest gleichwertig.
Vor allem Resektionen am linken Hemikolon und Rektum profitieren von der
minimalinvasiven Technik.
Hepatisch metastasiertes kolorektales Karzinom Die zunehmende Einbindung chirurgischer Therapieoptionen in multimodale
Konzepte hat zur Entwicklung verschiedener Therapieprotokolle geführt. Ziel ist das
Erreichen einer Tumorfreiheit in der Leber (fehlende extrahepatische Metastasierung
vorausgesetzt) bei ausreichender Restfunktion. Gelingt dies, ist ein 5-Jahres-
Überleben von bis zu 50% möglich. Chirurgischerseits kommen neben der gesamten
Palette der Leberresektionen auch lokal destruierende Verfahren (RFA, LITT) und
Gefäßokklusionen (Pfortaderembolisation, TACE) in Betracht, die in Zusammenarbeit
mit den Nachbardisziplinen erfolgen. So kann es gelingen, auch bei Vorliegen einer
ausgedehnten Metastasierung eine chirurgische R0-Resektion zu erziehlen (Abb. 2).
Zu der Frage nach der richtigen Reihenfolge von Chemotherapie und operativen
Maßnahmen laufen zurzeit einige Multizenterstudien die noch nicht abgeschlossen
sind.
61
Abb. 1: Intraoperativer Situs bei TEM eines T1-Rektumkarzinoms (a: Exzision; b: Rekonstruktion)
Tab. 1: Direkte postoperative Ergebnisse der laparoskopischen (lC) im Vergleich zur offenen Kolonresektion (oC)
62
Abb. 2a
Abb. 2b Abb. 2: Z.n. Chemoembolisation der rechten Pfortader bei riesiger Lebermetastase eines kolorektalen Karzinoms (a: vor Chemoembolisation; b: nach Chemoemboli-sation)
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Anschriften der Referenten und Vorsitzenden PD Dr. Markus Cornberg Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Prof. Dr. Axel Dignass Medizinische Klinik I AGAPLESION Markus-Krankenhaus Wilhelm-Epstein-Str. 4 60431 Frankfurt Dr. Ulrich Erlenmaier Internist Rathausplatz 4 34246 Vellmar Prof. Dr. Jürgen Faß Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie Klinikum Kassel Mönchebergstr. 41– 43 34125 Kassel Prof. Dr. Rudolf Hesterberg Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Rotes Kreuz Krankenhaus Hansteinstr. 29 34121 Kassel Prof. Dr. Michael Karaus Innere Medizin Ev. Krankenhaus Göttingen-Weende e.V. An der Lutter 24 37075 Göttingen Dr. Thomas Krause Internist Opernstr. 9 34117 Kassel
Prof. Dr. Joachim Labenz Medizinische Klinik Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus Wichernstr. 40 57074 Siegen Prof. Dr. Christian Löser Medizinische Klinik Rotes Kreuz Krankenhaus Hansteinstr. 29 34121 Kassel Prof. Dr. Dres. h.c. Peter Malfertheiner Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie Universitätsklinikum Otto-von-Guericke-Universität Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg Dr. A. Regnery Medizinische Klinik Klinikum Bremen-Ost gGmbH Züricher Str. 40 28325 Bremen Prof. Dr. Frank Schuppert Medizinische Klinik I Klinikum Kassel Mönchebergstr. 41– 43 34125 Kassel Prof. Dr. Hans Seifert Klinik für Gastroenterologie, Diabetologie und Infektionskrankheiten Klinikum Oldenburg Rahel-Straus-Str. 10 26133 Oldenburg Prof. Dr. Thomas Seufferlein Klinik für Innere Medizin I Universitätsklinikum Ulm Albert-Einstein-Allee 23 89081 Ulm
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Dr. Hubert Sostmann Gastroenterologie Diakonie-Kliniken Kassel Herkulesstr. 34 34119 Kassel Prof. Dr. Christian P. Strassburg Medizinische Klinik und Poliklinik I Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53127 Bonn