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Hanfried Kerle | Burkhard Corves | Mathias Hüsing

Getriebetechnik

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Hanfried Kerle | Burkhard Corves | Mathias Hüsing

GetriebetechnikGrundlagen, Entwicklung und Anwendung ungleichmäßig übersetzender Getriebe

4., bearbeitete und ergänzte Auflage

Mit 170 Abbildungen und 23 Tabellen sowie 14 Praxisbeispielen mit Lösungen

STUDIUM

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Akad. Direktor i.R. Dr.-Ing. Hanfried Kerle, geb. 1941 in Kiel, von 1961 bis 1967 Studium desMaschinenbaus mit dem Schwerpunkt Mechanik und Werkstoffkunde an der Technischen HochschuleBraunschweig, von 1967 bis 1973 wissenschaftlicher Assistent am Institut für Getriebelehre undMaschinendynamik der umbenannten Technischen Universität Braunschweig, 1973 Promotion miteiner Dissertation über Kurvengetriebe, von 1973 bis 1990 Oberingenieur bzw. Akadem. Oberrat amselben Institut, von 1990 bis 1999 am neu errichteten Institut für Fertigungsautomatisierung undHandhabungstechnik, von 1999 bis 2004 Leiter der Abteilung „Fertigungsautomatisierung und Werk-zeugmaschinen“ am Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der TU Braunschweig, von1994 bis 2004 Lehrauftrag für das Fach „Getriebelehre (Mechanismen)“ an der TU Braunschweig.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Burkhard Corves, geb. 1960 in Kiel; von 1979 bis 1984 Studium des Maschinen-baus, Fachrichtung Kraftfahrwesen, an der RWTH Aachen, dort von 1984 bis 1991 wissenschaftlicherMitarbeiter und Oberingenieur am Institut für Getriebetechnik und Maschinendynamik, 1989 Promoti-on auf dem Gebiet Kinematik und Dynamik von Handhabungsgeräten, von 1991 bis 2000 Projektleiterim Bereich Forschung und Entwicklung für Hohlglasproduktionsanlagen bei der Fa. Emhart Glass SA,Schweiz, 2000 Berufung zum Universitätsprofessor und Direktor des Instituts für Getriebetechnik undMaschinendynamik der RWTH Aachen.

Akad. Oberrat Dr.-Ing. Mathias Hüsing, geb. 1961 in Cloppenburg, von 1981 bis 1988 Studium desMaschinenbaus an der Universität Hannover mit der Studienrichtung „Konstruktiver Maschinenbau",von 1988 bis 1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter und seit 1991 Oberingenieur am Institut für Getrie-betechnik und Maschinendynamik (IGM) der RWTH Aachen, 1995 Promotion auf dem Gebiet der Tole-ranzuntersuchung von ungleichmäßig übersetzenden Getrieben, seit 1995 akademischer Rat bzw.Oberrat am IGM, seit 2010 Lehrauftrag für das Fach „Maschinendynamik starrer Systeme“ an derRWTH Aachen.

Bis zur 3. Auflage erschien dieses Werk unter dem Titel „Einführung in die Getriebelehre“

1. Auflage 19982. Auflage 20023., bearbeitete und ergänzte Auflage 20074., bearbeitete und ergänzte Auflage 2011

Alle Rechte vorbehalten© Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Lektorat: Ewald Schmitt | Elisabeth Lange

Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.www.viewegteubner.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich ge schützt. JedeVerwertung außerhalb der engen Grenzen des Ur heber rechts ge set zes ist ohneZustimmung des Verlags unzuläs sig und straf bar. Das gilt ins be sondere fürVervielfältigungen, Über setzun gen, Mikro verfil mungen und die Ein speiche rungund Ver ar beitung in elek tro nischen Syste men.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werkberechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen imSinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und dahervon jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergDruck und buchbinderische Verarbeitung: AZ Druck und Datentechnik, BerlinGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-8348-0961-2

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Vorwort zur 1. Auflage

Als mit dem raschen Fortschreiten der Elektronik und der Datenverarbeitung das Zeit-alter der Automatisierung anbrach, glaubten viele Ingenieure in der ersten Euphorie,daß der gesteuerte Antrieb und die Leistungen der Rechentechnik die Getriebelehre undihre Grundlagen überflüssig machen würden wie die mechanische Uhr oder Schreibma-schine. Inzwischen ist man zu einer nüchternen Betrachtung der Dinge zurückgekehrtund hat erkannt, daß der Getriebelehre ein gleichrangiger Platz zwischen der Antriebs-technik und der Konstruktion gebührt. Dies wird auch häufig mit dem BegriffMechatronik umschrieben.

Der Begriff Getriebelehre mag manchem erneuerungsbedürftig erscheinen. Wir habenuns jedoch bewußt an diesen Begriff gehalten, weil er in einer langen BraunschweigerTradition steht, die eng verknüpft ist mit den Namen Bekir Dizioglu und Kurt Hain undihren Lehrbüchern Getriebelehre und Angewandte Getriebelehre.

Genau genommen existiert zum Fach Getriebelehre bereits eine Reihe guter Lehr-bücher. Wir sind dennoch der Meinung, daß für das vorliegende Buch ein Bedarf be-steht. Im Zuge der allgemeinen Entwicklung von Rechnern, Rechnerleistung undRechenprogrammen hat es in den letzten Jahren einen starken Wandel von den zeichne-risch-rechnerischen Methoden und Hilfsmitteln zur vorwiegend rechnergestützten Aus-wertung mit zusätzlicher grafischer Visualisierung der theoretischen Aussagen undGleichungen der Getriebelehre gegeben. Diesem Wandel wurde in deutschenLehrbüchern nur ansatzweise entsprochen. Wir haben deshalb ein ganzes Kapitel diesesBuches den numerischen Methoden gewidmet und begleitend zum Buch ein Programmfür die kinematische Analyse ebener Getriebe entwickelt, das gegen eine geringeVersandgebühr auf dem Postweg oder kostenlos über das Internet zu beziehen ist.

Es genügt für ein Lehrbuch aber nicht, nur auf die Produktion numerischer Ergebnissein Form von Tabellen oder Grafiken hinzuwirken; der Student oder die Studentinmüssen erkennen und beurteilen können, ob ihre erreichten Ergebnisse nicht nurplausibel sind, sondern auch mit den Gesetzen der Mechanik übereinstimmen. Daherwerden auch in diesem Buch die theoretischen Grundlagen ausführlich dargestellt,jedoch mußten wir einige klassische Verfahren der Getriebelehre auslassen, die heuteweitestgehend durch numerische Verfahren abgelöst werden können.

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Diese Beschränkung ermöglicht eine kompakte Darstellung der wichtigsten Grundlagender Getriebelehre zu einem günstigen Preis. Der Inhalt dieses Buches bildet unsererMeinung nach den Grundstock für die Ausbildung im Fach Getriebelehre an Fach-hochschulen und Universitäten.

Das Buch ist in 7 Kapitel gegliedert; jedes Kapitel enthält am Anfang eine Übersicht,die den Leser oder die Leserin auf den zu erwartenden Lernstoff vorbereiten soll. DieKapitel 2 bis 6 enden mit einer Reihe von Übungsaufgaben, die der Lernkontrolledienen. Die Lösungen zu den Übungsaufgaben finden sich im Anhang; dabei ist dererläuternde Text bewußt knapp gehalten, da die entsprechenden Lösungswege durcheingestreute Lehrbeispiele pro Kapitel bereits ausführlich beschrieben werden.

Das Buch ist nach einigen Jahren Lehr- und Übungserfahrung am Institut für Ferti-gungsautomatisierung und Handhabungstechnik (IFH) der TU Braunschweig aus einemVorlesungsskript entstanden. Wir danken dem Leiter des Instituts, Herrn Prof. Dr.-Ing.J. Hesselbach, für seine wohlwollende Unterstützung und Förderung.

Eine engagierte Schar von Studenten hat die Bürde der Arbeit beim Schreiben undZeichnen sowie bei der Entwicklung des Rechenprogramms mitgetragen: YannickBastian, Peter Bohnenstengel, Christoph Herrmann, Nikolai Hille, Uwe Jürgens, StefanScholz, Sven Olaf Siems und Gerald Männer als Koordinator. Ihnen allen gilt unserherzlicher Dank für ihre Motivation und Ausdauer.

Dem Teubner-Verlag, vertreten durch Herrn Dr. rer. nat. J. Schlembach, gebührt unserbesonderer Dank für die angenehme Zusammenarbeit und gute Ausstattung des Buches.

Braunschweig, im November 1997

Hanfried Kerle

Reinhard Pittschellis

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Vorwort zur 4. Auflage

Für die vorliegende vierte Auflage haben Verlag und Autoren ein neues Konzept ge-wählt. Die bereits in der dritten Auflage vorgenommenen Erweiterungen bzw.Ergänzungen des Lehrstoffes, insbesondere hinsichtlich der Mehrlagen-Synthese fürviergliedrige Gelenkgetriebe und der ebenen Kurvengetriebe, ließen es ratsamerscheinen, den Titel Einführung in die Getriebelehre abzuändern. Es liegtinzwischen ein kleines Lehrbuch vor, dessen Inhalt auf eine zweisemestrige Vorlesungzugeschnitten ist. Mit dem neuen Titel Getriebetechnik und dem ebenfalls neugewählten Untertitel soll der Anwendungsbezug der Theorie ungleichmäßigübersetzender Getriebe für Aufgabenstellungen auf Fachgebieten des Maschinenbaus,bei denen die Erzeugung mechanischer Bewegungen im Mittelpunkt steht, stärkerbetont werden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist ein neuer AnhangPraxisbeispiele mit Lösungen hinzugefügt worden, der anhand vieler praktischerBeispiele die Lösungsfindung von der Aufgabenstellung über die Hinweise auf dieentsprechenden Kapitel des Buches bis zum Aufstellen, Anpassen und Lösen derGleichungen nachvollziehbar darstellt. Falls notwendig und hilfreich, werden auchZeichnungen und Diagramme präsentiert. Verlag und Autoren kommen damit demWunsch zahlreicher Leser nach, die als Lehrer oder Studierende an den TechnischenUniversitäten und Hochschulen dem Fach Getriebetechnik im Sinne einerBewegungstechnik verbunden sind. Die alten Übungsaufgaben und die dazuge-hörigen Lösungen im alten Anhang sind nicht verschwunden, sondern können weiter-hin auf der entsprechenden Webseite unter

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=lehrbuch

des Instituts für Getriebetechnik und Maschinendynamik (IGM) an der RWTH Aacheneingesehen werden.

Herr Dr.-Ing. Mathias Hüsing vom IGM hat inzwischen Herrn Dr.-Ing. ReinhardPittschellis im Autorenteam abgelöst. Herrn Hüsings langjährige Erfahrung auf demGebiet der Getriebetechnik ging nachhaltig in die fachliche Gestaltung und Ausarbei-tung der neuen Praxisbeispiele ein. Darüber hinaus sei an dieser Stelle folgendenwissenschaftlichen Mitarbeitern des IGM für ihren Einsatz bei der Entstehung und Be-rechnung der Praxisbeispiele gedankt, nämlich den Herren Dipl.-Ing. FelixAllmendinger, Dipl.-Ing. Martin Barej, Dipl.-Ing. Ivan Ivanov, Dipl.-Ing. ThomasKölling, Dipl.-Ing. Guido Lonij, Dr.-Ing. Marwene Nefzi, Dipl.-Ing. Martin Riedel,Dipl.-Ing. Mathias Schumacher und Dipl.-Ing. Martin Wahle. Herr Peter Markert,Techniker am IGM, hat erneut die mühsame Arbeit bei der Korrektur und besseren

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Darstellung der alten Zeichnungen und beim Erstellen der neuen Zeichnungen sowiebeim endgültigen Layout für die Textgestaltung übernommen, wofür die Autoren ihmbesonders danken.

Am IGM haben die Mitarbeiter inzwischen über mehrere Jahre Erfahrungen beim Ein-satz des Geometrieprogramms Cinderella für die Lösung getriebetechnischer Prob-leme sammeln können. So sind beispielsweise auf dem entsprechenden Link der zuvorgenannten Webseite des IGM fast alle alten Übungsaufgaben für die Kapitel 3, 5, 6und 7 der 3. Auflage ebenfalls mit Hilfe des Cinderella-Programms gelöst worden.Die Autoren haben deswegen entschieden, das Cinderella-Programm auch für diePraxisbeispiele der 4. Auflage zu berücksichtigen.

Aachen und Braunschweig im Mai 2011

Hanfried Kerle

Burkhard Corves

Mathias Hüsing

Page 9: Getriebetechnik ||

Inhalt

1 Einführung..................................................................................................................1

1.1 Aufgaben und Inhalt der Getriebetechnik .............................................................1

1.2 Anwendungsgebiete der Getriebelehre .................................................................3

1.3 Beispiel einer getriebetechnischen Aufgabe .......................................................10

1.4 Hilfsmittel ...........................................................................................................11

1.4.1 VDI-Richtlinien ...........................................................................................11

1.4.2 Arbeitsblätter (Kurzrichtlinien) ...................................................................13

1.4.3 Getriebetechniksoftware ..............................................................................13

2 Getriebesystematik...................................................................................................14

2.1 Grundbegriffe......................................................................................................14

2.1.1 Übertragungsgetriebe...................................................................................15

2.1.2 Führungsgetriebe .........................................................................................17

2.1.3 Lage der Drehachsen ...................................................................................17

2.2 Aufbau der Getriebe............................................................................................20

2.2.1 Getriebeglieder ............................................................................................20

2.2.2 Gelenke........................................................................................................22

2.3 Getriebefreiheitsgrad (Laufgrad) ........................................................................25

2.4 Struktursystematik ..............................................................................................31

2.4.1 Kinematische Ketten....................................................................................32

2.4.2 Ebene Getriebe ............................................................................................37

2.4.2.1 Getriebe der Viergelenkkette ................................................................37

2.4.2.2 Kurvengetriebe......................................................................................46

2.4.3 Räumliche Getriebe .....................................................................................49

2.5 Übungsaufgaben .................................................................................................52

Page 10: Getriebetechnik ||

InhaltX

3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe............................................53

3.1 Grundlagen der Kinematik..................................................................................54

3.1.1 Bewegung eines Punktes .............................................................................54

3.1.2 Bewegung einer Ebene ................................................................................56

3.1.2.1 Geschwindigkeitszustand......................................................................57

3.1.2.2 Momentan- oder Geschwindigkeitspol .................................................59

3.1.2.3 Beschleunigungszustand .......................................................................60

3.1.2.4 Beschleunigungspol ..............................................................................62

3.1.3 Graphische Getriebeanalyse ........................................................................64

3.1.3.1 Maßstäbe ...............................................................................................64

3.1.3.2 Geschwindigkeitsermittlung .................................................................66

3.1.3.3 Beschleunigungsermittlung...................................................................69

3.1.3.4 Rastpolbahn und Gangpolbahn .............................................................70

3.2 Relativkinematik .................................................................................................72

3.2.1 Geschwindigkeitszustand ............................................................................73

3.2.2 Beschleunigungszustand..............................................................................76

3.3 Krümmung von Bahnkurven...............................................................................80

3.3.1 Grundlagen ..................................................................................................80

3.3.2 Polbahntangente und Polbahnnormale ........................................................82

3.3.3 Gleichung von EULER-SAVARY..............................................................83

3.3.4 Satz von BOBILLIER .................................................................................84

3.3.5 Polwechselgeschwindigkeit und HARTMANNsche Konstruktion.............85

3.3.6 Wendepunkt und Wendekreis......................................................................88

3.4 Übungsaufgaben .................................................................................................92

4 Numerische Getriebeanalyse...................................................................................93

4.1 Vektorielle Methode ...........................................................................................94

4.1.1 Iterative Lösung der Lagegleichungen ........................................................96

4.1.2 Erweiterung auf den mehrdimensionalen Fall .............................................97

4.1.3 Berechnung der Geschwindigkeiten ............................................................98

4.1.4 Berechnung der Beschleunigungen ...........................................................100

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Inhalt XI

4.1.5 Berechnung von Koppel- und Vektorkurven.............................................103

4.1.6 Die Bedeutung der JACOBI-Matrix..........................................................104

4.2 Modulmethode ..................................................................................................106

4.3 Übungsaufgaben ...............................................................................................112

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe.............................................................113

5.1 Einteilung der Kräfte.........................................................................................113

5.1.1 Trägheitskräfte...........................................................................................115

5.1.2 Gelenk- und Reibungskräfte ......................................................................116

5.2 Grundlagen der Kinetostatik .............................................................................119

5.2.1 Gelenkkraftverfahren.................................................................................120

5.2.1.1 Kraft- und Seileckverfahren................................................................122

5.2.1.2 CULMANN-Verfahren.......................................................................123

5.2.1.3 Kräftegleichgewicht an der Elementargruppe II. Klasse ....................124

5.2.1.4 Kräftegleichgewicht an der Elementargruppe . Klasse ...................125

5.2.2 Synthetische Methode (Schnittprinzip) .....................................................130

5.2.3 Prinzip der virtuellen Leistungen (Leistungssatz) .....................................134

5.2.3.1 JOUKOWSKY-Hebel.........................................................................135

5.3 Übungsaufgaben ...............................................................................................138

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe.......................139

6.1 Totlagenkonstruktion ........................................................................................139

6.1.1 Totlagenkonstruktion nach ALT ...............................................................142

6.1.2 Schubkurbel ...............................................................................................145

6.1.3 Auswahlkriterien .......................................................................................147

6.1.3.1 Übertragungswinkel ............................................................................147

6.1.3.2 Beschleunigungsgrad ..........................................................................151

6.2 Lagensynthese...................................................................................................154

6.2.1 Wertigkeitsbilanz.......................................................................................155

6.2.2 Zwei-Lagen-Synthese................................................................................156

6.2.2.1 Beispiel eines Führungsgetriebes........................................................156

6.2.2.2 Beispiel eines Übertragungsgetriebes .................................................158

Page 12: Getriebetechnik ||

InhaltXII

6.2.3 Drei-Lagen-Synthese .................................................................................159

6.2.3.1 Getriebeentwurf für drei allgemeine Gliedlagen.................................159

6.2.3.2 Getriebeentwurf für drei Punkte einer Koppelkurve...........................161

6.2.3.3 Getriebeentwurf für drei Punkte einer Übertragungsfunktion ............162

6.2.3.4 Beispiel eines Drehgelenkgetriebes als Übertragungsgetriebe ...........164

6.2.3.5 Beispiel eines Schubkurbelgetriebes als Übertragungsgetriebe..........165

6.2.4 Mehrlagen-Synthese ..................................................................................166

6.2.4.1 Getriebeentwurf für vier allgemeine Gliedlagen(Kreis- und Mittelpunktkurve) ............................................................166

6.2.4.2 Getriebeentwurf für fünf allgemeine Gliedlagen(BURMESTERsche Kreis- und Mittelpunkte) ...................................169

6.3 Mehrfache Erzeugung von Koppelkurven ........................................................172

6.3.1 Ermittlung der ROBERTSschen Ersatzgetriebe ........................................173

6.3.2 Ermittlung fünfgliedriger Ersatzgetriebemit zwei synchron laufenden Kurbeln .......................................................177

6.3.3 Parallelführung eines Gliedes entlang einer Koppelkurve ........................179

6.4 Übungsaufgaben ...............................................................................................182

7 Ebene Kurvengetriebe ...........................................................................................183

7.1 Vom Bewegungsplan zum Bewegungsdiagramm.............................................184

7.1.1 Kennwerte der normierten Bewegungsgesetze..........................................186

7.1.2 Anpassung der Randwerte .........................................................................187

7.2 Bestimmung der Hauptabmessungen ................................................................189

7.2.1 Hodographenverfahren ..............................................................................190

7.2.2 Näherungsverfahren von FLOCKE...........................................................194

7.3 Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve der Kurvenscheibe ......................195

7.3.1 Graphische Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve ..........................197

7.3.2 Rechnerische Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve .......................198

7.4 Übungsaufgaben ...............................................................................................206

8 Räumliche Getriebe ...............................................................................................207

8.1 Der räumliche Geschwindigkeitszustand eines starren Körpers .......................208

8.2 Der relative Geschwindigkeitszustand dreier starrer Körper ............................211

Page 13: Getriebetechnik ||

Inhalt XIII

8.3 Vektorielle Iterationsmethode...........................................................................214

8.4 Koordinatentransformationen ...........................................................................219

8.4.1 Elementardrehungen..................................................................................219

8.4.2 Verschiebungen .........................................................................................223

8.4.3 Kombination mehrerer Drehungen ............................................................223

8.4.4 Homogene Koordinaten.............................................................................228

8.4.5 HARTENBERG-DENAVIT-Formalismus (HD-Notation).......................229

Anhang ........................................................................................................................236

Praxisbeispiele mit Lösungen...................................................................................236

A1 Radaufhängungen..............................................................................................238

A2 Scheibenwischer ................................................................................................244

A3 Pkw-Verdeckmechanismen ...............................................................................249

A4 Schaufellader .....................................................................................................254

A5 Hubarbeitsbühnen..............................................................................................259

A6 Hebebühnen.......................................................................................................264

A7 Schmidt-Kupplung ............................................................................................269

A8 Mechanische Backenbremsen............................................................................275

A9 Schritt(schalt)getriebe........................................................................................279

A10 Rastgetriebe .....................................................................................................285

A11 Pflugschar mit Schlepperanlenkung ................................................................289

A12 Scharniermechanismen....................................................................................293

A13 Zangen .............................................................................................................297

A14 Übergabevorrichtung.......................................................................................302

Literaturverzeichnis...................................................................................................307

Sachverzeichnis...........................................................................................................311

Page 14: Getriebetechnik ||

Formelzeichen und Einheiten

In diesem Buch werden Vektoren als gerichtete Größen, wie z.B. KräfteF , Ge-

schwindigkeitenv und Beschleunigungen

a , mit einem obenliegenden Pfeil gekenn-

zeichnet; gelegentlich verbindet ein solcher Pfeil zwei Punkte A und B und gibtdadurch Anfangs- und Endpunkt des Vektors an: AB

. Mit AB ist dann der Betrag

dieses Vektors (Strecke zwischen A und B) gemeint. Matrizen werden durch Fettdruckhervorgehoben. Für Matrizen und Vektoren bedeutet ein T als Hochindex, z.B JT ,die transponierte oder Zeilenform; mit J -1 wird die Inverse (Kehrmatrix) von Jbezeichnet.

Die Maßeinheiten richten sich nach dem SI-Einheitensystem mit den Grundeinheiten mfür die Länge, kg für die Masse und s für die Zeit; abgeleitete kohärente Einheiten sinddann z.B. 1 N(ewton) = 1 kgm/s2 für die Kraft, 1 Pa(scal) = 1 N/m2 für den Druck und1 W(att) = 1 Nm/s für die Leistung.

Geometrieprogramm Cinderella

Cinderella ist ein Programm für Geometrie auf dem Computer, es wurde von Wissen-schaftlern der TU München und der PH Schwäbisch Gmünd entwickelt mit dem An-spruch, mathematisch robust und dennoch einfach zu benutzen zu sein [24]. Zur Zeit istdie Version 2.0 erhältlich.

Das Programm Cinderella ist mausgeführt und interaktiv. Es erlaubt auf einfache undintuitive Weise die Erstellung geometrischer Konstruktionen auf dem Rechner. DieBasiselemente der Konstruktionen werden mit der Maus gegriffen und können aufdem Bildschirm bewegt werden. Dabei folgt die ganze Konstruktion der Bewegung inkonsistenter Weise, so dass auf sehr anschauliche Art das dynamische Verhalten dergeometrischen Konstruktion erkundet werden kann.

Page 15: Getriebetechnik ||

XV

Außerdem lassen sich Ortskurven und sonstige kinematische Diagramme darstellen,eine Besonderheit, die gerade für die Anwendung in der Getriebetechnik von großer

Kurbelschwinge auf Cinderella-Display

Bedeutung ist. So können mit dieserFunktionalität beispielsweise die Kop-pelkurven von Getrieben gezeichnetwerden. Ein wesentlicher Vorteil desArbeitens mit dem GeometrieprogrammCinderella besteht darin, dass auchaußerhalb der Cinderella-Umgebungwahlweise in einer animierten Version,die die Bewegung des Getriebes zeigt,oder als interaktive Version, die dasVerändern verschiedener geometrisch-kinematischer Daten des Getriebes er-laubt, die geometrische Konstruktionals HTML-File gespeichert werdenkann.

Der größte Teil der für die vorliegende 4. Auflage entfallenden Übungsaufgaben stehtdem Benutzer weiterhin in der Form von Datensätzen für die Aufgabenstellung und fürdie Musterlösung als Cinderella-Files oder als HTML-Files zur Verfügung. DieseDatensätze sind mit der Cinderella-Version 1.4 erstellt worden und können auf derInternetseite

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=cinderella0

zusammen mit einer kurzen Gebrauchsanleitung heruntergeladen werden. Für dieHTML-Files ist lediglich ein üblicher JAVA-fähiger Browser erforderlich. Für dieweitergehende Verwendung von Cinderella-Files ist es erforderlich, eine lauffähigeVersion des Cinderella-Programms (Version 1.4 oder 2.0) zu installieren. Informa-tionen hierzu sind unter der Web-Adresse

http://www.cinderella.de

zu finden.

Die Lösungsschritte der für den Anhang der vorliegenden 4. Auflage gewählten Praxis-beispiele sind ebenfalls teilweise mit Hilfe des Cinderella-Programms umgesetztworden, auch wenn Einzelheiten dazu nicht immer explizit angegeben werden.

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1 Einführung

Dieses Kapitel grenzt die gleichmäßig übersetzenden Getriebe, z.B. Zahnradgetriebe,von den ungleichmäßig übersetzenden Getrieben ab, die Thema dieses Buches sind. DieGetriebelehre wird in drei Hauptgebiete unterteilt: Getriebesystematik, Getriebeanalyseund Getriebesynthese. Der Leser erhält anhand von Bildern einen Einblick in Technik-bereiche, in denen Getriebe als Bewegungs- und Kraftübertragungsbaugruppen einegroße Rolle spielen. Am Beispiel einer getriebetechnischen Aufgabe werden grund-legende Fragen erörtert und für die Antworten auf die entsprechenden Kapitel desBuches verwiesen. Hinweise auf weitere Hilfsmittel schließen das Kapitel ab.

1.1 Aufgaben und Inhalt der Getriebetechnik

Die Getriebetechnik oder Getriebelehre ist eine grundlegende Ingenieurwissenschaft,die eine breite Anwendung im Maschinen- und Gerätebau findet. Sie ist einerseits eineQuerschnittswissenschaft für viele Ingenieurzweige, andererseits ordnet sie sich nocham besten zwischen der Mechanik und der Konstruktion ein: Mit Hilfe getriebe-technischer Methoden werden technologische Aufgabenstellungen z.B. in derProduktionstechnik im Bereich der Bewegungs- und Kraftübertragungen inKonstruktionen umgesetzt, d.h. es werden Getriebe analysiert und entwickelt und dasZusammenwirken einzelner, miteinander beweglich verbundener Funktionsteile vonMaschinen und Geräten erforscht. Die Getriebetechnik hat die Aufgabe, die vielfältigenErscheinungsformen der Getriebe zusammenzufassen, systematisch zu ordnen undGesetzmäßigkeiten herauszuarbeiten. Sie bietet Methoden und Verfahren zur Analyseder Eigenschaften und des Verhaltens der Getriebe, verallgemeinert dabei diegewonnenen Erkenntnisse und gibt wissenschaftlich begründete Anleitungen für dieVerbesserung und die Neuentwicklung von Getrieben [10].

Grundsätzlich wird unterschieden zwischen gleichförmig oder gleichmäßig überset-zenden Getrieben (G-Getriebe), z.B. Zahnrad-, Schnecken- oder Riemengetriebe, undungleichförmig oder ungleichmäßig übersetzenden oder periodischen Getrieben

H. Kerle et al, Getriebetechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9895-1_1,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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1 Einführung2

(U-Getriebe), z.B. Schubkurbelgetriebe oder Kurvengetriebe. Die Gruppe der U-Getrie-be soll hier vorrangig behandelt werden.

Der Zweck von Getrieben ist die Umwandlung einer gegebenen in eine gewünschteBewegung und die Übertragung bestimmter Kräfte und (Dreh-) Momente (Kräfte-paare). So wird z.B. bei einem Schubkurbelgetriebe eine Drehung (Rotation) in eineSchiebung (Translation) umgewandelt oder umgekehrt.

Entsprechend den zu lösenden Aufgaben lässt sich die Getriebelehre in drei Hauptge-biete unterteilen (Bild 1.1).

Die Getriebesystematik als Aufbaulehre behandelt den strukturellen Aufbau und dieAufbauelemente der Getriebe. Gegenstand der Getriebeanalyse ist es, Getriebe, derenAufbau und Abmessungen bekannt sind, zu untersuchen, d.h. zu berechnen, wobei ent-weder die Bewegungen oder die wirkenden Kräfte im Vordergrund stehen: Getriebe-kinematik oder Getriebedynamik. In der Lehre vermittelt die Getriebeanalyse einegeordnete Menge von Gesetzmäßigkeiten, die als Grundlage für die Getriebesynthesebenutzt werden [6].

GETRIEBELEHRE

G - Getriebe U - Getriebe

Getriebesystematik Getriebeanalyse Getriebesynthese

Getriebekinematik Getriebedynamik

Bild 1.1Einteilung der Getriebelehre

Die Getriebesynthese umfasst die Entwicklung von Getrieben aus bekannten Aufbau-elementen für vorgegebene Forderungen. Hierzu gehören z.B. die Festlegung der Ge-triebestruktur (Typensynthese), die Bestimmung kinematischer Abmessungen (Maß-synthese) und die konstruktive Gestaltung der Getriebeglieder und Gelenke unter Be-rücksichtigung statischer und dynamischer Beanspruchungen. Da die Getriebesyntheseinsofern Kenntnisse in Technischer Mechanik, Maschinendynamik, Werkstoffkunde,

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1.2 Anwendungsgebiete der Getriebelehre 3

Konstruktions- und Fertigungstechnik voraussetzt, ist sie im Allgemeinen schwierigerzu handhaben als die Getriebeanalyse.

Im Zuge einer ständig wachsenden Rechnerleistung und der damit gekoppelten Ent-wicklung von Programmen konnten die numerischen Schwierigkeiten relativiert, wennnicht sogar erst durch den Rechnereinsatz bewältigt werden. Eine Reihe von Synthese-verfahren beruhen auf der wiederholten Analyse mit systematisch geänderten Abmes-sungen von Getriebegliedern. Aus einer Vielzahl von Lösungen wird automatisch odermanuell das beste Getriebe anhand der vorgegebenen Forderungen ausgewählt. Manbezeichnet diese Verfahrensweise als Synthese durch iterative (systematisch wieder-holte) Analyse [10].

1.2 Anwendungsgebiete der Getriebelehre

Die Getriebelehre umfasst viele Bereiche des Maschinenbaus wie Feingerätetechnik,Fahrzeugtechnik, Textiltechnik, Verpackungsmaschinen, Land-, Druck-, Schneid-,Stanz- und Handhabungstechnik.

Mechanische Robustheit, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit sprechen dafür, Bau-gruppen und komplette Maschinen für die vorgenannten Bereiche mit den Mitteln derGetriebelehre zu entwerfen und auszulegen. Die wachsende Bedeutung elektrischer,elektronischer und anderer Bauelemente steht dazu nicht im Gegensatz, sondern erwei-tert und ergänzt die Palette der Lösungsmöglichkeiten für den Ingenieur im Maschinen-und Gerätebau. Durch den Einsatz zusätzlicher elektrischer, hydraulischer, pneumati-scher und anderer Antriebselemente (z.B. Formgedächtnisaktoren) bei der Lösungvon Bewegungsaufgaben entsteht oft erst die gewünschte Flexibilität. Ein von einemRechner gesteuerter Antrieb kann sensorgeführt als Hauptantrieb unterschiedlichenBelastungen angepasst werden, ein Vorschaltgetriebe ersetzen oder als Nebenantriebden Bewegungsbereich eines Getriebes verändern. Für gesteuerte (sensorgeführte)Bewegungen dieser Art wird heute der BegriffMechatronik verwendet. In der Kombi-nation von Mechanik, Elektrotechnik, Elektronik, Hydraulik und Pneumatik wird dieGetriebelehre stets einen wichtigen Platz in den Ingenieurwissenschaften einnehmen.

Einen Eindruck von den vielen Anwendungen unterschiedlicher Getriebe im Maschi-nenbau vermitteln die Bilder 1.2 bis 1.10.

In Bild 1.2 ist ein Pkw-Ottomotor zu sehen. Das Herz dieses Motors bilden drei sechs-gliedrige (ebene) Getriebe auf der Basis jeweils zweier gekoppelter Schubkurbelgetrie-be, deren Kolbenbahnen V-förmig angeordnet sind (V6-Motor). Die von der Nocken-welle gesteuerten Ein- und Auslassventile für den Gaswechsel stellen spezielle feder-kraftschlüssige (ebene) Kurvengetriebe dar.

Page 19: Getriebetechnik ||

1 Einführung4

Ebenfalls einem Verbrennungsmotor zuzuordnen ist der in Bild 1.3 gezeigte Schrau-benkompressor zur Verdichtung der Ansaugluft; die sichtbaren beiden Schraubensind nach einem räumlichen Verzahnungsgesetz konjugiert zueinander gefertigt undbilden mehrfach im Eingriff stehende räumliche Kurvengelenke, die hochgenaugefertigt werden müssen.

Bild 1.4 zeigt eine Pkw-Vorderachse, bei der sowohl die Lenkung als auch die beidenVorderradaufhängungen räumliche Getriebe darstellen, d.h. Getriebe mit windschiefenBewegungsachsen. Im vorliegenden Fall besitzen die Getriebe einen FreiheitsgradF > 1, um neben der Hauptbewegung Lenken bzw. Einfedern in vertikaler Richtungnoch weitere Einstell- oder Ausgleichsbewegungen zu ermöglichen.

Die automatisierte Montage von Automobilen erfolgt heute größtenteils mit Hilfe vonIndustrierobotern. Industrieroboter sind ebenfalls räumliche Getriebe, deren Bewe-gungsachsen vorzugsweise senkrecht oder parallel zueinander liegen oder sich sogar ineinem Punkt schneiden. Sie haben als Basis eine sog. offene kinematische Kette wieder menschliche Arm, die einzelnen Glieder sind über Dreh- oder Schubgelenke mitein-ander verbunden. Bild 1.5 zeigt einen Roboter mit sechs Bewegungsachsen (Freiheits-grad F = 6) A1 bis A6, die sämtlich Drehachsen darstellen. Die Achsen A1 bis A3dienen im Wesentlichen der Positionierung, die Achsen A4 bis A6 im Wesentlichender Orientierung des Endglieds mit dem Greifer oder Werkzeug im x-y-z-Raum.Dadurch, dass die Achsen A2 und A3 parallel sind und sich die Achsen A4 bis A6 ineinem Punkt schneiden, reduziert sich der Rechenaufwand für die Kinematik desRoboters.

Mechanische Greifer für die Mikromontage, d.h. für die Montage kleiner und kleinsterTeile im m-Bereich, verlangen zwar nur geringe Bewegungen der Greifglieder, dieseBewegungen müssen jedoch synchron und mit höchster Präzision ablaufen. Am ehema-ligen Institut für Fertigungsautomatisierung und Handhabungstechnik (IFH) der TUBraunschweig wurde 1997 ein reinraumtauglicher Mikrogreifer aus Kunststoff odersuperelastischem Metall mit abriebfreien stoffschlüssigen Gelenken entwickelt und aufeiner CNC-Präzisionswerkzeugmaschine gefräst, dessen Greifglieder von neuartigenAktoren auf der Basis von Formgedächtnislegierungen (FGL) bewegt werden,Bild 1.6. Die stoffschlüssigen Gelenke entstehen durch gezieltes Schwächen von Mate-rialquerschnitten. Die Abstände zwischen diesen Gelenken sind mit Rechnerunterstüt-zung so gewählt worden, dass sich die Greifglieder im Greifbereich synchron gegenein-ander bewegen (Übersetzungsverhältnis i = -1) [1.1]. Insgesamt entstand ein sog.Parallelgreifer mit zwei alternativ zum Öffnen und Schließen des Greifers wirkendenFGL-Antrieben zwischen den bewegten Gliedern [1.2].

Bei den Kurvengetrieben sind Rundtaktautomaten als Schrittgetriebe in der Hand-habungstechnik als Anwendungen zu nennen [1.3], die nach Katalog in verschiedenenBaugrößen ausgewählt werden können, Bild 1.7. Zwischen den einzelnen Stillständen(Rasten) des Abtriebsgliedes (hier: Rollenstern) lässt sich durch eine geeignete Form-gebung des angetriebenen Kurvenkörpers (hier: Globoid) fast jedes nach kinematischen

Page 20: Getriebetechnik ||

1.2 Anwendungsgebiete der Getriebelehre 5

und dynamischen Gesichtspunkten günstige Übergangsgesetz verwirklichen. Bei demskizzierten sehr kompakt aufgebauten Kurvengetriebe sind die Antriebs- und Abtriebs-drehachse räumlich zueinander mit einemKreuzungswinkel von 90 versetzt.

Derartige Getriebe dienen entweder mit Wulstkurve und Rollenstern oder Nutkurveund Einzelrolle als Bausteine für zusammengesetzte mechanische Mehrachsen-systeme (Bild 1.8), die im Unterschied zu frei programmierbaren Industrieroboterndurch die Bewegungsgesetze der Kurvenkörper festprogrammiert sind. Es ist nur nocheine Ablaufsteuerung zwischen den einzelnen Antrieben erforderlich. Bei dem im Bildskizzierten System werden mindestens drei Tischbewegungen kurvengesteuert: diebeiden Schiebungen in horizontaler und vertikaler Richtung und die Drehung um dievertikale Achse.

In Bild 1.9 ist eine Kniehebelpresse auf der Grundlage eines sechsgliedrigen Getriebesdargestellt. Die vertikal arbeitende Baugruppe enthält den Kniehebel mit dem Druck-körper als Gleitstein wie bei einem Schubkurbelgetriebe; horizontal ist der Drehantriebmit Zwischenglied für den Kniehebel angeordnet. Die Kniehebelwirkung entsteht in deroberen Stillstandslage (Totlage) des Druckkörpers bei gleichmäßig rotierendem An-trieb. Ein Niederhalter beim Pressvorgang kann ebenfalls über den Hauptantrieb ge-steuert werden.

Bild 1.10 zeigt einen Schaufellader mit zwei Hubzylindern zum Heben undSchwenken der Schaufel. Die Grundlage dieses Getriebes ist eine kinematische Kette(s. Abschnitt 2.4.1), die aus neun Gliedern besteht, einschließlich des Fahrzeugs alsGestell.

Bild 1.2V6-Motor mit Ventilsteuerung (Werkbild: Mercedes-Benz AG, Stuttgart)

Page 21: Getriebetechnik ||

1 Einführung6

Bild 1.3Schraubenkompressor mit räumlicher Verzahnung (Werkbild: Mercedes-Benz AG, Stuttgart)

Bild 1.4Pkw-Vorderachse (Werkbild: Mercedes-Benz AG, Stuttgart)

Page 22: Getriebetechnik ||

1.2 Anwendungsgebiete der Getriebelehre 7

Bild 1.5Industrieroboter mit sechs Bewegungsachsen (Werkbild: KUKA Roboter GmbH, Augsburg)

FGL-Aktoren

Bild 1.6Mikrogreifer mit acht Gliedern und stoffschlüssigen Gelenken (Werkbild: IFH der TU Braun-schweig)

Page 23: Getriebetechnik ||

1 Einführung8

Bild 1.7Kurvenschrittgetriebe fürRundtaktautomat (Werkbild:MANIFOLD Erich Erler GmbH Co., Düsseldorf)

Bild 1.8Mechanisches Mehrachsensys-tem (Werkbild: SOPAP GmbH,Ravensburg)

Page 24: Getriebetechnik ||

1.2 Anwendungsgebiete der Getriebelehre 9

Bild 1.9Kniehebelpresse (Werkbild: GräbenerPressensysteme GmbH Co KG,Netphen-Werthenbach)

Bild 1.10Schaufellader (Werkbild: Liebherr-International AG, Bulle/FR, Schweiz)

Page 25: Getriebetechnik ||

1 Einführung10

1.3 Beispiel einer getriebetechnischen Aufgabe

Am ehemaligen IFH der TU Braunschweig wurde 1994 ein neuartiger Roboter mitsechs Bewegungsfreiheiten entwickelt, der sich von herkömmlichen Industrieroboterngrundlegend unterscheidet.

Bei diesem HEXA genannten Prototypen wird die Arbeitsplattform (Endeffektorträger)über sechs Arme geführt (Bild 1.11). Dadurch sind alle Antriebe gestellfest und müssennicht mitbewegt werden.

Solche Roboter werden Parallelroboter genannt, weil die Arbeitsplattform stets durchmehrere Gelenkketten gleichzeitig (parallel) geführt wird. Parallelroboter zeichnen sichdurch große Nutzlasten, hohe Verfahrgeschwindigkeiten und -beschleunigungen aus,weil die bewegten Massen im Vergleich zu seriellen Robotern (z.B. Bild 1.5) sehr ge-ring sind [1.4, 1.5].

Endeffektorträger

Gestellbefestigung

Antriebe

Bild 1.11HEXA-Parallelroboter

Bei der Entwicklung, Konstruktion und beim Einsatz eines solchen Roboters, der einräumliches Getriebe darstellt, tauchen sofort folgende Fragen auf:

1. Welcher Getriebetyp liegt dem HEXA-Parallelroboter zugrunde? (Abschnitt 2.1)

2. Aus welchen Elementen setzt sich das Getriebe strukturell zusammen? WelcheGelenke sind zu wählen? (Abschnitt 2.2)

3. Welche Gleichungen beschreiben - zumindest im Ansatz - die Geometrie und somitauch den Arbeitsraum des Roboters? (Kapitel 3, 4)

Page 26: Getriebetechnik ||

1.4 Hilfsmittel 11

4. Welche Gliedlängen sind für einen vorgegebenen Arbeitsraum zu wählen?(Kapitel 6)

5. Wie sind die Antriebe auszulegen, wenn die Abmessungen der Glieder und derenMaterial, die Kinematik und die Belastung der Arbeitsplattform durch Nutz- undTrägheitskräfte vorgegeben werden? (Kapitel 5)

6. Welchen Beanspruchungen (Belastungen) unterliegen dabei die einzelnen Gliederbzw. Gelenke des Roboters? (Kapitel 5)

Diese Fragen werden in den genannten Abschnitten/Kapiteln ausführlich behandelt.Dabei werden die Darstellungen aber im Wesentlichen auf ebene Getriebe beschränktbleiben; nur Abschnitt 2.4.3 und Kapitel 8 handeln von räumlichen Getrieben.

1.4 Hilfsmittel

1.4.1 VDI-Richtlinien

Sehr hilfreich für die Auslegung von Getrieben sind eine Reihe von Richtlinien desVereins Deutscher Ingenieure (VDI), z.B.:

VDI-Richtlinie Ausgabe Titel/Seitenzahl

2127 02.93 Getriebetechnische Grundlagen; Begriffsbestimmungender Getriebe / 48 S.

2130 04.84 Getriebe für Hub- und Schwingbewegungen; Konstruk-tion und Berechnung viergliedriger ebener Gelenkgetrie-be für gegebene Totlagen / 26 S.

2142, Blatt 1 10.94 Auslegung ebener Kurvengetriebe - Grundlagen, Profil-berechnung und Konstruktion / 51 S.

2142, Blatt 2 11.08 Auslegung ebener Kurvengetriebe - Berechnungsmodulefür Kurven- und Koppelgetriebe / 66 S.

2143, Blatt 1 10.80 Bewegungsgesetze für Kurvengetriebe; TheoretischeGrundlagen / 27 S.

2143, Blatt 2 01.87 Bewegungsgesetze für Kurvengetriebe; Praktische An-wendung / 60 S.

2145 12.80 Ebene viergliedrige Getriebe mit Dreh- und Schubge-lenken; Begriffserklärungen und Systematik / 58 S.

Page 27: Getriebetechnik ||

1 Einführung12

2156 09.75 Einfache räumliche Kurbelgetriebe; Systematik und Be-griffsbestimmungen / 11 S.

2722 08.03 Gelenkwellen und Gelenkwellenstränge mit Kreuzge-lenken Einbaubedingungen für Homokinematik / 37 S.

2723 06.82 Vektorielle Methode zur Berechnung der Kinematikräumlicher Getriebe / 14 S.

2727, Blatt 1 05.91 Konstruktionskataloge; Lösung von Bewegungsaufgabenmit Getrieben; Grundlagen / 19 S.

2727, Blatt 2 05.91 Konstruktionskataloge; Lösung von Bewegungsaufgabenmit Getrieben; Erzeugung hin- und hergehender Schub-bewegungen; Antrieb gleichsinnig drehend / 23 S.

2727, Blatt 3 04.96 Konstruktionskataloge - Lösung von Bewegungsaufgabenmit Getrieben - Erzeugung gleichsinniger Drehbewegun-gen mit Rast(en) - Antrieb gleichsinnig drehend / 36 S.

2727, Blatt 4 06.00 Konstruktionskataloge - Lösung vonBewegungsaufgaben mit Getrieben - Erzeugung vonSchwingungsbewegungen mit Rast(en) - Antriebgleichsinnig drehend / 60 S.

2727, Blatt 5 05.06 Konstruktionskataloge - Lösung vonBewegungsaufgaben mit Getrieben - Erzeugung vonungleichmäßigen Umlaufbewegungen ohne Stillstand(Vorschaltgetriebe); Antrieb gleichsinnig drehend / 52 S.

2727, Blatt 6 12.09Entwurf

Konstruktionskataloge - Lösung vonBewegungsaufgaben mit Getrieben ExtremeSchwinggetriebe / 44 S.

2728, Blatt 1 02.96 Lösung von Bewegungsaufgaben mit symmetrischenKoppelkurven - Übertragungsaufgaben / 23 S.

2729 04.95 Modulare kinematische Analyse ebener Gelenkgetriebemit Dreh- und Schubgelenken / 36 S.

2740, Blatt 2 04.02 Mechanische Einrichtungen in der Automatisierungs-technik; Führungsgetriebe / 86 S.

2740, Blatt 3 05.99 Mechanische Einrichtungen in der Automatisierungs-technik; Getriebe zur Erzeugung zeitweiliger Synchron-bewegungen / 35 S.

2741 02.04 Kurvengetriebe für Punkt- und Ebenenführung / 82 S.

Page 28: Getriebetechnik ||

1.4 Hilfsmittel 13

1.4.2 Arbeitsblätter (Kurzrichtlinien)

In einigen Zeitschriften sind gelegentlich Arbeitsblätter zur Analyse und Synthese vonGetrieben zu finden, die von namhaften Autoren erarbeitet worden sind, z.B. in denZeitschriften Maschinenbautechnik von 1963 bis 1991, Konstruktion und DerKonstrukteur.

1.4.3 Getriebetechniksoftware

Wegen der in der Getriebetechnik oftmals erforderlichen umfangreichen Formeln undAlgorithmen bietet sich der Einsatz von Rechnerprogrammen zur Entlastung des An-wenders bei der Synthese und Analyse von Getrieben an. Mit der einfachen Verfügbar-keit von Speicherkapazität und dem Vorhandensein leistungsfähiger Prozessorengenügt heutzutage für die meisten Anwendungen schon ein Standard-PC, um zahlreichegetriebetechnischen Aufgabenstellungen softwaregestützt in Angriff nehmen zukönnen. In der heutigen Zeit steht eine Fülle von unterschiedlichen Softwarelösungenfür getriebetechnische Probleme zur Verfügung. Eine Verweisliste auf aktuelleSoftwareanwendungen aus Forschung und Praxis findet sich unter folgendenWebadressen des IGM an der RWTH Aachen:

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=206&L=0

und

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=370&L=0 .

Page 29: Getriebetechnik ||

2 Getriebesystematik

Dieses Kapitel erläutert zunächst die wichtigsten Begriffe der Getriebelehre und leitetso über zur Aufbaulehre der Getriebe oder Getriebesystematik mit Gliedern und Gelen-ken. Der Leser lernt die Unterschiede zwischen Übertragungs- und Führungsgetriebeneinerseits und zwischen ebenen, sphärischen und räumlichen Getrieben andererseitskennen. Ausgehend vom Freiheitsgrad f einzelner Gelenke wird der Getriebefreiheits-grad oder -laufgrad als Abzählformel

g

1ii )f(b1)b(nF

hergeleitet und an zahlreichen Beispielen erläutert. Da sich jedes Getriebe mit festge-legtem Gestellglied, An- und Abtriebsglied(ern) auf eine kinematische Kette zurück-führen lässt, werden die wesentlichen kinematischen Ketten vorgestellt, aus denen sichzwangläufige ebene und räumliche Getriebe mit F = 1 entwickeln lassen.

2.1 Grundbegriffe

Die Definition eines Getriebes lautet [6]:

Ein Getriebe ist eine mechanische Einrichtung zum Übertragen (Wandeln oderUmformen) von Bewegungen und Kräften oder zum Führen von Punkten einesKörpers auf bestimmten Bahnen. Es besteht aus beweglich miteinander verbunde-nen Teilen (Gliedern), wobei deren gegenseitige Bewegungsmöglichkeiten durchdie Art der Verbindung (Gelenke) bestimmt sind. Ein Glied ist stets Bezugskörper(Gestell), die Mindestanzahl der Glieder und Gelenke beträgt jeweils drei.

Nach dieser Definition gibt es Getriebe zum Übertragen von Bewegungen bzw.Leistungen - sie werden Übertragungsgetriebe genannt - und Getriebe zum Führenvon Gliedern oder Körpern, die Führungsgetriebe heißen. Im Rückblick auf das

H. Kerle et al, Getriebetechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9895-1_2,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Page 30: Getriebetechnik ||

2.1 Grundbegriffe 15

Kapitel zuvor handelt es sich bei den Getrieben der Bilder 1.2, 1.3, 1.7 und 1.9 umÜbertragungsgetriebe, bei den Getrieben der Bilder 1.4 bis 1.6, 1.8, 1.10 und 1.11 umFührungsgetriebe.

2.1.1 Übertragungsgetriebe

In Übertragungs- oder auch Funktionsgetrieben erfolgt die Bewegungsübertragungnach einer Übertragungsfunktion (auch Getriebefunktion) und zwar ohne oder miteiner Änderung der Bewegungsform (z.B. Drehen, Schieben, Schrauben). Die Be-wegungs- oder Abtriebsfunktion q des Getriebes setzt sich aus der zeitabhängigen An-triebsfunktion p(t) und der Übertragungsfunktion q(p) zusammen: q(t) = q [p(t)],Tafel 2.1.

Entsprechend der Ableitungsstufe gibt es mehrere Übertragungsfunktionen (ÜF):

q q p t

ÜF Ordnung ÜF q p0 0. ( ) ( ) (2.1)

Die Antriebsfunktion p(t) ist vorgegeben.

Einmaliges Differenzieren nach der Zeit t liefert die Abtriebsgeschwindigkeit:

q dqdt

dqdp

dpdt

q p

ÜF Ordnung ÜF q dqdp

1 1. (2.2)

Entsprechend erhält man für die Abtriebsbeschleunigung:

q d qdt

q p q p 2

22

ÜF Ordnung ÜF q d qdp

2 22

2. (2.3)

Für die gleichmäßig übersetzenden G-Getriebe gilt:

q K p t K konst , . (reziprokes Übersetzungsverhältnis)

qp

qp

qp

K qi

1 (2.4)

Page 31: Getriebetechnik ||

16 2 Getriebesystematik

Tafel 2.1 Einteilung der Übertragungsgetriebe (Periodendauer T) [2.1]

G - Getriebe U - Getriebe

Übersetzungsverhältnis i = konst. Übersetzungsverhältnis i konst.

Beispiel: Reibradgetriebe Beispiel: Schubkurbelgetriebe

Übertragungsverhalten

Zeit t

Zeitt

Zeitt

q

q

WinkelWeg

q

WinkelWeg

WinkelWeg

WinkelWeg

Bewegungsfunktion q = q[p(t)]

(T)

Antriebsfunktionp = p(t)

Getriebefunktionq = q(p)

p

Antrieb Getriebe

p

t (T)

q

p

i = dp/dq = konst. i = dp/dq konst.q

p

q

p

Page 32: Getriebetechnik ||

2.1 Grundbegriffe 17

2.1.2 Führungsgetriebe

Führungsgetriebe sind Getriebe, bei denen ein Glied so geführt wird, dass es bestimmteLagen einnimmt bzw. dass Punkte des Gliedes bestimmte Bahnen (Führungsbahnen)beschreiben. Die beweglichen Glieder eines Führungsgetriebes werden entsprechendihrer Funktion als führende oder geführte Getriebeglieder bezeichnet, d.h. die Begrif-fe An- und Abtriebsglied werden nicht benutzt, auch nicht der Begriff Übertragungs-funktion. Die Einleitung einer Bewegung kann meist an beliebiger Stelle erfolgen.

Man unterscheidet drei Arten von Führung:

a) Eindimensionale Führung = Positionierung eines Gliedpunktes auf vorgeschriebe-ner Bahnkurve; in der Ebene: f(x,y) = 0

b) Zweidimensionale Führung = Positionierung und Orientierung in der Ebene:Führen zweier Gliedpunkte auf vorgeschriebenen Bahnkurven; in der Ebene ist da-mit die Lage des Getriebeglieds vollständig definiert.

c) Dreidimensionale Führung = Positionierung und Orientierung im Raum: Führendreier Gliedpunkte auf vorgeschriebenen Bahnkurven f(x,y,z) = 0

2.1.3 Lage der Drehachsen

Die Betrachtung der Bahnkurven leitet über zu einem Ordnungsmerkmal aller Getriebeanhand der Lage (Raumanordnung) der Drehachsen in den Gelenken.

Hinweis 1: Für ein Schubgelenk liegt die zugeordnete Drehachse im Unendlichenmit dem Kreuzungswinkel 90° zur Schubrichtung (Bewegungsachse).

a) Ebene Getriebe (Bild 2.1):

Alle Drehachsen sind parallel,

die Bewegungsbahnen von Gliedpunkten liegen in parallelen Ebenen.

b) Sphärische Getriebe (Bild 2.2):

Alle Drehachsen schneiden sich in einem Punkt,

die Bewegungsbahnen von Gliedpunkten liegen auf konzentrischen Kugel-schalen.

Page 33: Getriebetechnik ||

18 2 Getriebesystematik

Bild 2.1Ebenes Getriebe

Bild 2.2Sphärisches Getriebe (2 Kegelräder)

c) Räumliche Getriebe (Bild 2.3):

Die Drehachsen kreuzen sich, d.h. es gibt zwischen ihnen einen Kreuzungs-abstand und einen Kreuzungswinkel (s. Kapitel 8),

die Bewegungsbahnen von Gliedpunkten liegen in nichtparallelen Ebenen oderauf allgemeinen räumlichen Flächen.

Bild 2.3Räumliches Getriebe [2.2]

Hinweis 2: Bei räumlichen Getrieben gibt es im Allgemeinen momentane Schraub-achsen statt reine Drehachsen.

Page 34: Getriebetechnik ||

2.1 Grundbegriffe 19

d) Kombinierte Bauformen (Bilder 2.4, 2.5, 2.6):

Neben den ebenen, sphärischen und räumlichen Bauformen sind auch kombinierte Bau-formen möglich. Am häufigsten sind dabei solche kombinierten Getriebe anzutreffen,bei denen mehrere gleiche ebene Teilgetriebe räumlich zueinander angeordnet werden,wie z.B. der in Bild 2.4 dargestellte Nabenabzieher, bei dem die Haken durch dasäußere Gewinde der Verstellspindel auf die Größe des abzuziehenden Teiles eingestelltwerden. Mit der innenliegenden Abziehspindel werden die Haken zum Abziehen inLängsrichtung verschoben.

Wie im vorliegenden Fall können mitunter aus einem solchen komplexen räumlichen Ge-triebe Baugruppen herausgegriffen werden, die für sich ein ebenes Getriebe darstellen.

Wenn man zum Beispiel bei der Schraubbewegung der Verstellspindel nur die Längs-bewegung relativ zur äußeren Mutter betrachtet, kann jeder Haken mit seinen Füh-rungsgliedern als ein ebenes Getriebe mit drei Drehgelenken und einem Schubgelenkangesehen werden, wobei die äußere Mutter das Gestell ist.

Bild 2.4Nabenabzieher

Auf ähnliche Weise ist das in Bild 2.5 gezeigte Getriebe zum Öffnen und Schließeneines Automatik-Regenschirms durch räumlich-symmetrische Anordnung von gleich-artigen ebenen Getrieben entstanden.

Bild 2.5Automatik-Regenschirm

Page 35: Getriebetechnik ||

20 2 Getriebesystematik

Neben der symmetrischen räumlichen Anordnung gleichartiger ebener Teilgetriebe istjedoch auch die allgemeine räumliche Kombination ebener Teilgetriebe anzutreffen.Dies ist z.B. in dem in Bild 2.6 gezeigten Webladengetriebe zu sehen.

Bild 2.6Webladengetriebe alsGreiferantrieb in einerWebmaschine

2.2 Aufbau der Getriebe

Ein Getriebe besteht definitionsgemäß aus mehreren Getriebegliedern, die so mitein-ander verbunden sind, dass sie dauernd in gegenseitiger Berührung gehalten werdenund dabei relativ gegeneinander beweglich bleiben. Die beweglichen Verbindungenwerden als Gelenke bezeichnet.

Um also ein Getriebe in eine bestimmte Systematik einzuordnen, ist es notwendig,einige Gesetzmäßigkeiten und Definitionen von Gelenken und der Gliederanordnungenzu kennen.

Daneben gibt es noch Hilfsglieder oder Getriebeorgane, die Sonderfunktionen ineinem Getriebe erfüllen, z. B. Riemen, Ketten, Seile als Zugmittel, Federn undDämpfer, Anschläge und Ausgleichsmassen. Entfernt man diese Hilfsglieder, so fälltlediglich die Sonderfunktion aus, entfernt man ein Getriebeglied oder ein Gelenk, sowird das Getriebe im Allgemeinen funktionsunfähig.

2.2.1 Getriebeglieder

Die Getriebeglieder müssen eine ausreichende Widerstandsfähigkeit gegenüber denauftretenden Kräften und Momenten aufweisen. Sie können dann als starr angesehenwerden.

Page 36: Getriebetechnik ||

2.2 Aufbau der Getriebe 21

Die Getriebeglieder werden entsprechend ihrer Funktion bezeichnet; folgende Benen-nungen sind üblich [6]:

Das feste Glied oder Bezugsglied eines Getriebes heißt Gestell; mit ihm wird dasebenenfeste oder raumfeste Bezugskoordinatensystem x-y bzw. x-y-z verbunden. Diebeweglichen Glieder eines Übertragungsgetriebes heißen Antriebsglieder, Abtriebs-glieder und Übertragungsglieder; dagegen nennt man die beweglichen Glieder einesFührungsgetriebes Führungsglieder, wobei noch zwischen führenden und geführtenGetriebegliedern unterschieden wird. Koppelglieder oder Koppeln verbinden sowohlbei Übertragungs- als auch bei Führungsgetrieben bewegliche Glieder, ohne selbst mitdem Gestell verbunden zu sein.

Die Anschlussstellen für Gelenke zu benachbarten Gliedern heißen Gelenkelemente.Man klassifiziert die Glieder daher sehr oft nach der Anzahl der Gelenkelemente,Tafel 2.2.

Die hier aufgeführten Getriebeglieder sind stark vereinfacht dargestellt und dienen indieser Form als Bausteine der kinematischen Ketten von Getrieben, s. Abschnitt 2.4.1.

Tafel 2.2 Einteilung der Getriebeglieder nach Gelenkelementen

Eingelenkglied

Zweigelenk- oderbinäres Glied

Dreigelenk- oderternäres Glied

Viergelenk- oderquaternäres Glied

Anzahl n1

Anzahl n2

Anzahl n3

Anzahl n4

Page 37: Getriebetechnik ||

22 2 Getriebesystematik

2.2.2 Gelenke

Zu einem Gelenk gehören stets zwei Gelenkelemente als Elementenpaar, die zuein-ander passende Formen haben müssen. Eine Ordnung der Gelenke kann nach ver-schiedenen Gesichtspunkten erfolgen, Tafel 2.3.

Tafel 2.3 Ordnung der Gelenke [10]

Ordnende Gesichtspunkte Beispiele für Gelenkbezeichnungen

1 Form der Relativbewegung der Gelenk-elemente

Drehgelenk, Schubgelenk,Schraubgelenk

2 Bewegungsverhalten an der Berührstelleder Gelenkelemente

Gleitgelenk, Wälz- oder Rollgelenk,Gleitwälz- oder Gleitrollgelenk

3 Anzahl der möglichen relativen Einzel-bewegungen (Gelenkfreiheitsgrad f)

Gelenk mit f = 1, mit f = 2, usw.

4 Gegenseitige Lage der Drehachsen amGelenk

ebenes oder räumliches Gelenk

5 Berührungsart der Gelenkelemente Gelenk mit Flächen-, Linien- oderPunktberührung der Gelenkelemente

6 Art und Paarung der Gelenkelemente Gelenk mit Kraft- oder Formpaarungder Gelenkelemente

7 Statische Bestimmtheit, Grad der Über-bestimmung

statisch bestimmtes oder statisch un-bestimmtes (überbestimmtes) Gelenk

Nachstehend sind einige Erläuterungen zu den sieben Gesichtspunkten genannt.

1) Bewegungsformen der Elemente relativ zueinander sind beispielsweise:

Drehen (D) Drehgelenk Schieben (S) Schubgelenk Schrauben (Sch) Schraubgelenk (Drehen und gesetzmäßig überlagertes

Schieben)

2) Außerdem kann das Bewegungsverhalten an der Berührstelle der Gelenkelementebeschrieben werden durch:

Gleiten Wälzen oder Rollen Gleitwälzen (Schroten)

Page 38: Getriebetechnik ||

2.2 Aufbau der Getriebe 23

3) und 4) Die Definition des Gelenkfreiheitsgrads lautet [6]:

Der Gelenkfreiheitsgrad f ist die Anzahl der in einem Gelenk unabhängig von-einander möglichen Einzelbewegungen (Elementarbewegungen) der beidenGelenkelemente bzw. die Anzahl der vorhandenen Drehachsen des Gelenks.Die durch das Gelenk verhinderten Einzelbewegungen heißen Unfreiheiten;ihre Anzahl ist u.

Es gilt mit b als Bewegungsgrad

f u b . (2.5)

Für ebene Gelenke ist der Bewegungsgrad b = 3 und 1 f 2, für räumliche Gelenkeb = 6 und 1 f 5.

5) Die Art der Berührung der Gelenkelemente kann erfolgen in:

Flächen niedere Elementenpaare (NEP)

Linien höhere Elementenpaare (HEP)

Punkten höhere Elementenpaare (HEP)

6) Die Art der Paarung der Gelenkelemente kann formschlüssig, kraftschlüssig oderstoffschlüssig sein.

7) Ein Gelenk für den gewünschten Freiheitsgrad f ist statisch überbestimmt, wennsich ng Gelenkelemente an mehr als einer Stelle berühren und somit k Teilgelenkebilden, deren Summe der Unfreiheiten größer ist als die theoretisch notwendige Un-freiheit u des Gelenks. Der Grad der Überbestimmtheit ist

k

1iig

k

1ii fk)1b(nfuuü . (2.6)

Die Herstellung statisch überbestimmter Gelenke erfolgt aus Gründen der Spielfreiheitund verlangt höchste Fertigungsgenauigkeit, um ein Klemmen zu vermeiden.

Tafel 2.4 zeigt einige häufig auftretende Grundformen von Gelenken in räumlichen undebenen Getrieben.

Page 39: Getriebetechnik ||

24 2 Getriebesystematik

Tafel 2.4 Grundformen von Gelenken [2.3]

Drehgelenk

Schubgelenk

Kurven-gelenk

Schraub-gelenk

Drehschub-gelenk

Kugelgelenk

räumlich ebenGelenk Symbol Freiheits-

grad f

einfach: 1

doppelt: 2

1

räumlich:5

eben: 2

1

2

3

Page 40: Getriebetechnik ||

2.3 Getriebefreiheitsgrad (Laufgrad) 25

2.3 Getriebefreiheitsgrad (Laufgrad)

Die Definition des Getriebefreiheitsgrads lautet [10]:

Der Getriebefreiheitsgrad F stimmt mit der Anzahl relativer Bewegungen überein,die verhindert werden müssten, um alle Glieder des Getriebes bewegungsunfähigzu machen. Er bestimmt im Allgemeinen die Anzahl der Getriebeglieder, die ineinem Getriebe unabhängig voneinander angetrieben werden können.

Der Getriebefreiheitsgrad oder auch Laufgrad F ist im Allgemeinen nicht abhängig von

den Abmessungen der Getriebeglieder,

der Funktion der Getriebeglieder,

der Art der Gelenke,

sondern ist eine Funktion von der

Anzahl n der Glieder, dabei gilt (s. Tafel 2.2)

i

inn , (2.7)

Anzahl g der Gelenke,

Anzahl fi der Freiheiten des i-ten Gelenks,

und abhängig von der Getriebestruktur, s. Abschnitt 2.4.

Früher nannte man nur Getriebe vom Freiheitsgrad F = 1 zwangläufig; heute sprichtman ebenfalls von Zwanglauf, wenn entsprechend dem Freiheitsgrad F des Getriebes FAntriebsfunktionen p(t) definiert sind, so dass sich die Lage eines Getriebegliedes ein-deutig ermitteln lässt.

Das Viergelenkgetriebe (kurz: Gelenkviereck) in Bild 2.7 hat den Getriebefreiheits-grad F = 1, denn es genügt ein Antriebsglied (hier: Glied 2 mit der Antriebsfunktion(t)), um die Bewegungen aller Glieder zwangläufig zu gestalten. Behindert man einerelative Bewegung zwischen zwei Gliedern, z.B. durch Blockade des Drehgelenks 23zwischen den Gliedern 2 und 3, so wird das Getriebe unbeweglich (F = 0). Zwanglaufheißt hier also, dass die Abtriebsbewegung des Gliedes 4 gegenüber dem Gestell 1berechenbar ist: t .

Page 41: Getriebetechnik ||

26 2 Getriebesystematik

2

3

1 1

( t)

1

3

2 ( t) ( t)

1

4

5

a) b)

4

52 (t)

Bild 2.7Vier- a) und Fünfgelenkgetriebe b) mit F = 1 bzw. F = 2

Das Fünfgelenkgetriebe (kurz: Gelenkfünfeck) in Bild 2.7 hat F = 2; es ist bei einemAntrieb nicht zwangläufig. Um z.B. die Lage des Getriebegliedes 4 gegenüber demGestell 1 eindeutig festzulegen, müssen sowohl die Antriebsfunktion 2(t) des Glieds 2als auch die Antriebsfunktion 5 (t) des Glieds 5 vorgegeben werden.

In einem Getriebe als Gliedergruppe mit insgesamt n Gliedern kann jedes einzelneGetriebeglied b Einzelbewegungen ausführen, sofern es nicht mit anderen Gliederngelenkig verbunden, sondern in einem Gedankenmodell frei beweglich ist. Da dasGestell sich nicht bewegt, bleiben allen n-1 beweglichen Gliedern insgesamt b (n-1)Einzelbewegungen oder Freiheiten.

Das Verbinden der Glieder durch Gelenke schränkt die Anzahl der Einzelbewegungenein. Die Anzahl der eingeschränkten Einzelbewegungen oder Unfreiheiten ui errechnetsich aus Gl. (2.5) zu

ii fbu , g1,2,...,i . (2.8)

Aufsummiert über alle Gelenke ergibt sich

g

1ii

g

1ii fbu . (2.9)

Im Umkehrschluss ist der Getriebefreiheitsgrad gleich der Anzahl der verbleibendennicht eingeschränkten Freiheiten, also

g

1ii

g

1ii fb1nbu1nbF . (2.10)

Page 42: Getriebetechnik ||

2.3 Getriebefreiheitsgrad (Laufgrad) 27

Die vorstehende Gleichung heißt Zwanglaufgleichung. Für räumliche Getriebe mitb = 6 wird daraus

g

1iifg61n6F (2.11)

und für ebene und sphärische Getriebe mit b = 3 gilt

21

g

1ii gg21n3fg3)1n(3F

. (2.12)

Hierbei ist

g1 die Anzahl der Gelenke mit f = 1 und

g2 die Anzahl der Gelenke mit f = 2.

Beispiele zur Bestimmung von F

Mit EP ist das Elementenpaar als Gelenk bezeichnet; es wird durchweg Gl. (2.10) ver-wendet.

a) Ebenes Viergelenkgetriebe

n = 4

g = 4

b = 3

EP 12 23 34 14

ui 2 2 2 2

2 4

3

1

23 34

1412 F 3 4 1 4 2 1

Das ebene Viergelenkgetriebe ist bei einem Antrieb zwangläufig.

Page 43: Getriebetechnik ||

28 2 Getriebesystematik

b) Ebenes Fünfgelenkgetriebe

n = 5

g = 5

b = 3

EP 12 23 34 45 15

ui 2 2 2 2 2

2

4

5

3

1

34

23

12 15

45

F 3 5 1 5 2 2

Zwei Antriebe sind notwendig.

c) Ebenes Kurvengetriebe

n = 3

g = 3

b = 3

EP 12 23 13ui 2 1 2 1 13

2

12

1

23

3

F 3 3 1 2 1 2 1

Das Elementenpaar 23 hat zwei Freiheiten (Gleiten und Rollen = Gleitwälzen).

Die Zwanglaufgleichung ist eine reine Abzählformel bezüglich n, g und fi, sie berück-sichtigt keine strukturellen Besonderheiten, wie sie z.B. bei übergeschlossenenGetrieben durch sog. passive Bindungen vorhanden sind, so dass diese Getriebe einenhöheren Freiheitsgrad aufweisen als er sich rechnerisch ergibt. Auch bei Getrieben mitmehr als einem Schubgelenk gibt es Einschränkungen für den Anwendungsbereich derGln. (2.10) bis (2.12) [10]. Der rechnerische Nachweis des Getriebefreiheitsgrads istdeswegen nicht als hinreichend anzusehen.

Passive Bindungen treten auf bei

besonderen Lagen von Gelenkdrehachsen,

überflüssigen Starrheitsbedingungen,

besonderen Gliedabmessungen

und sind nicht immer leicht identifizierbar.

Page 44: Getriebetechnik ||

2.3 Getriebefreiheitsgrad (Laufgrad) 29

Während passive Bindungen den Getriebefreiheitsgrad erhöhen, verringern ihn sog.identische Freiheiten fid. Identische Freiheiten sind mögliche Einzelbewegungen vonGetriebegliedern oder Getriebeorganen, die eingeleitet werden können, ohne dass dasGetriebe als Ganzes bewegt werden muss.

Die Gleichung (2.10) lässt sich damit auf einfache Weise um zwei Summenausdrückeerweitern:

j

jj

jid

g

1ii sfu1nbF . (2.13)

Beispiele für Getriebe mit passiven Bindungen:

d) Reibradgetriebe mit Wälz- oder Rollgelenk 23 (f = 1)

2

rr

1

d3

12 23132

3

EP 12 23 13ui 2 2 2

F 3 3 1 3 2 11

Der Achsabstand d = r2 + r3 ist exakt einzuhalten, d.h. s = 1.

Für eine auch denkbare Zahnradpaarung im Gelenk 23 gibt es zwei Möglichkeiten:

I. Ein Berührpunkt als Normalfall, f = 2 (Gleitwälzen), s = 0;

2

3

23

EP 12 23 13ui 2 1 2

F 3 3 1 2 2 1 1

Page 45: Getriebetechnik ||

30 2 Getriebesystematik

II. zwei Berührpunkte mit den zugeordneten Normalen n1 und n2 sowie Tangenten t1und t2, nur Drehung um den sog. Momentanpol P23 als Schnittpunkt der Normalenmöglich, f = 1, Wälzen oder Rollen

n1

t1

t2

n2

P233

2

EP 12 23 13ui 2 2 2

F 3 3 1 3 2 1( ) 1

Der Achsabstand d (nicht gezeichnet) der beiden Zahnräder ist exakt einzuhalten, sonstexistieren keine zwei Berührpunkte, d.h. s = 1.

e) Dreigliedriges Keilgetriebe

EP 12 23 13

ui 2 2 2

Stets ist die Bedingung einzu-halten, d.h. s = 1.F 3 3 1 3 2 1( ) 1

f) Übergeschlossenes Parallelkurbelgetriebe

1

3

2

45

23

12

2545

14

34 EP 12 23 34 45 14 25ui 2 2 2 2 2 2

Glied 3 muss ebenso lang sein wie Glied 5 (oderGlied 1), d.h. s 1.F 3 5 1 6 2 1( ) 1

Page 46: Getriebetechnik ||

2.4 Struktursystematik 31

g) Ebenes Viergelenkgetriebe, räumlich betrachtet

2 4

3

1

2334

1412

EP 12 23 34 14ui 5 5 5 5

Die Achsen der Gelenke 23, 34, 14müssen jeweils parallel zu der Achse desGelenkes 12 sein, d.h. s = 3.

F 6 4 1 4 5 1( ) 3

Beispiel für ein Getriebe mit identischem Freiheitsgrad:

h) Ebenes Kurvengetriebe mit Abtastrolle

2

1

1

4

14

12

3

23

34 EP 12 23 34 14ui 2 1 2 2

Die Abtastrolle 3 ist drehbar, ohne dassdas Kurvenglied 2 bewegt werden muss,d.h. fid = 1.

F 3 4 1 3 2 1 11

2.4 Struktursystematik

Die Strukturmerkmale eines Getriebes sind die Anzahl der Getriebeglieder, die An-zahl der Gelenke, die Art der Gelenke, die Gelenkfreiheiten, die Anzahl der Gelenk-elemente an den einzelnen Getriebegliedern und die gegenseitige Anordnung der Ge-triebeglieder und Gelenke.

Aus den Strukturmerkmalen baut sich die Grundform eines Getriebes auf, die kinema-tische Kette, die im Wesentlichen die Funktion eines Getriebes darstellt, ohne kon-struktive Einschränkungen zu berücksichtigen.

Page 47: Getriebetechnik ||

32 2 Getriebesystematik

2.4.1 Kinematische Ketten

Definition [10]:Die kinematische Kette ist das vereinfachte Strukturmodell eines Getriebes. Eszeigt, wie viele Glieder und Gelenke ein Getriebe besitzt, welche Getriebegliedermiteinander verbunden sind und welche Gelenkfreiheiten auftreten. Die Angabegeometrisch-kinematischer Abmessungen und der Gelenkart ist hier unüblich.

Mit der kinematischen Kette hat man sowohl eine wichtige Grundlage für die systema-tische Untersuchung von Getrieben als auch einen Ausgangspunkt für die planmäßigeGetriebeentwicklung geschaffen. Aus der kinematischen Kette wird ein Mechanismus,wenn ein Glied als Gestell festgelegt ist. Aus dem Mechanismus wird ein Getriebe, indem weiterhin ein oder mehrere Glieder je nach Freiheitsgrad als Antriebsglieder undAbtriebsglieder, führende oder geführte Glieder bestimmt werden. Erst durch dieseFestlegung entstehen also Mechanismen bzw. Getriebe. Es ist offensichtlich, dass auseiner Kette viele verschiedene Getriebe entwickelt werden können.

Es gibt ebene und räumliche kinematische Ketten für ebene und räumliche Getriebe.In räumlichen kinematischen Ketten können ebene und räumliche Gelenke - letztere miteinem Gelenkfreiheitsgrad f > 2 - vorkommen bzw. gekennzeichnet sein.

Man unterscheidet zwischen geschlossenen und offenen kinematischen Ketten undderen Kombinationen (Hybridstrukturen), Bild 2.8.

a) b) c)

d) e)

f = 1

f = 2f = 1

f = 3 f = 2

f = 1 f = 1

Bild 2.8Kinematische Ketten:a) ebene, b) räumliche, c) (ebene) geschlossene, d) (ebene) offene, e) (ebene) geschlossen-offenekinematische Kette

Page 48: Getriebetechnik ||

2.4 Struktursystematik 33

In kinematischen Ketten treten also gelenkig verbundene binäre, ternäre, quaternäreusw. Getriebeglieder auf; alle Gelenke sind symbolisch durch kleine Kreise dargestellt.

Hinweis: Die Relativbewegung der Glieder von zwangläufigen geschlossenenkinematischen Ketten ist identisch mit der Relativbewegung der ausdiesen Ketten entwickelten Mechanismen oder Getriebe.

In kinematischen Ketten können auch Glieder mit Mehrfachgelenken auftreten. EinMehrfachgelenk entsteht, wenn an einem Glied der Abstand zwischen zwei oder mehre-ren Gelenkelementen zu null wird, Bild 2.9.

ss Bild 2.9

Entstehung eines Mehrfachge-lenks, hier: Doppeldrehgelenk

f=1

f=1 f=1

f=1

a)

f=1

f=1 f=1

f=1

f=1b)

Bild 2.10Vier- und fünfgliedrige kinematische Ketten a) bzw. b)

Die einfachste ebene kinematische Kette besteht aus drei Gliedern entsprechendBild 2.8a. Daraus entsteht durch Auflösung des Gelenks mit f = 2 in zwei mit jeweilsf = 1 das in Bild 2.10a skizzierte Gelenkviereck mit vier NEP (Dreh- oder Schubge-lenke), aus dem sich bereits eine Vielzahl von Getrieben entwickeln lässt,s. Abschnitt 2.4.2.1. Alle diese Getriebe haben den Laufgrad F = 1. Die hinsichtlich derGliederanzahl nächsthöhere Gruppe für Getriebe mit dem Laufgrad F = 1 sind diesechsgliedrigen kinematischen Ketten, von denen es nur zwei Grundformen gibt: dieWATTsche Kette () und die STEPHENSONsche Kette (), Tafel 2.5. Nach Ein-führung von Doppelgelenken entstehen hieraus abgeleitete Ketten und V.

Page 49: Getriebetechnik ||

34 2 Getriebesystematik

Die Gruppe der achtgliedrigen kinematischen Ketten bietet eine noch größere Vielfalt,insbesondere wenn man (nicht gezeichnet) Doppel- und Dreifachgelenke mit ein-bezieht, Tafel 2.6.

Geht man zu den kinematischen Ketten für Getriebe mit dem Laufgrad F = 2 (2 An-triebe) über, so bildet das in Bild 2.10b abgebildete Gelenkfünfeck die Grundform dereinfachsten kinematischen Kette dieser Art. Die nächsthöhere Gruppe sind die sieben-gliedrigen kinematischen Ketten, Tafel 2.7. Bei einigen dieser Ketten lassen sich Teil-ketten oder Teilpolygone mit dem partiellen Laufgrad F = 1 unterscheiden.

Durch Gestellwechsel entstehen daraus die ableitbaren Getriebe (letzte Spalte inTafel 2.7), wobei symmetrisch bedingte Mehrfachlösungen nur einfach zu zählen sind.Neun Grundformen führen auf 34 verschiedene Getriebe.

Tafel 2.5 Sechsgliedrige kinematische Ketten I bis IV und daraus abgeleitete Getriebe 1 bis 10mit dem Laufgrad F = 1 [2.4]

4 n = 8

43

21

6

5

1=42=3=5=6

1 1 1

2

3 4 5

6

2

3 1

654

2

3

2

16

5

4

1=3

1=4

1=2=3=4=5=6

2=6 3=5

1 1 1

2 4 6

53

1

22

3 4

5 61

2

34

5 5

6

1

2

3

45

61 1 1

2

3

4

5

6 1

22

34

5 6

2

1

33

5 4

6

12

3

4 4

5

6

12

34

5

64

3

26

5

1 1

1 2

3 4 5

6 7 8 9

10

2 n = 6

4 n = 8

6 14

2 n = 6

6 14

I

II

III

IV

2=4 5=6

3

2

3

2

Page 50: Getriebetechnik ||

2.4 Struktursystematik 35

Tafel 2.6 Achtgliedrige kinematische Ketten für Getriebe mit dem Laufgrad F = 1 [2.4]

1 2

3 4 5 6 7

8 9 10

5 n = 10

1 n = 42 n = 6

8 20

4 n = 84 n = 12

8 20

11

12 13 14 15 16

2 n = 8

6 n = 128 20

2

3

2

3

4

2

4

Page 51: Getriebetechnik ||

36 2 Getriebesystematik

Tafel 2.7 Siebengliedrige kinematische Ketten I bis IX [2.4]

Art derGelenke Kette Teilketten

mit F = 1Zahl d. ableit-baren Getriebe

II

III

IV

I

V

VI

VII

VIII

IX

Einfach-Gelenke

1 Doppel-Gelenk

2 Doppel-Gelenke

4

4

3

3

7

4

3

3

3

34

2 - 3 - 4 - 5

1 - 2 - 3 - 4

1 - 2 - 3 - 4

1 - 2 - 3 - 4

1 - 2 - 3 - 41 - 5 - 6 - 7

1 - 2 - 3 - 41 - 5 - 6 - 7

1 - 2 - 3 - 41 - 5 - 6 - 7

3 5

6

1

2 4

74

12

3 56

7

12

34 5

6

7

12

35

6

74

1

2

34

56

7

12

3 4 5 6

7

12

3 54

6

7

32

156

74

12

345

6

7

Page 52: Getriebetechnik ||

2.4 Struktursystematik 37

2.4.2 Ebene Getriebe

2.4.2.1 Getriebe der Viergelenkkette

Die aus dem Gelenkviereck ableitbaren Getriebe heißen Viergelenkgetriebe und sinddie am häufigsten angewendeten U-Getriebe im Maschinen- und Vorrichtungsbau. Ausder viergliedrigen kinematischen Kette entstehen, wenn unterschiedliche Gelenktypeneingesetzt werden, verschiedene Viergelenkketten. Es gibt generell bei ebenen Ge-trieben drei Gelenktypen: Drehgelenk, Schubgelenk und Kurvengelenk. Fügt man in dieviergliedrige kinematische Kette systematisch alle diese Gelenktypen ein, so erhält manz.B. folgende Viergelenkketten: Drehgelenkkette (Bild 2.11), Schubkurbelkette(Bild 2.12), Kreuzschubkurbel- und Schubschleifenkette.

24

3

1

a

d

b

c

12

2334

14Bild 2.11Viergliedrige Drehgelenkkette mitAbmessungen a, b, c, d

Aus der viergliedrigen Drehgelenkkette entsteht beispielsweise durch Festlegen desGlieds 1 und Zuweisen der Länge d (Gestelllänge) ein viergliedriges Drehgelenk-getriebe (Viergelenkgetriebe).

Das Aussehen der Übertragungsfunktion dieses Viergelenkgetriebes, bzw. die Form derFührungsbewegung, ist dann durch die Längenverhältnisse a/d, b/d, c/d der Getriebe-glieder zueinander bestimmt. Damit sind die Übertragungsfunktion und dieFührungsbewegung von der Geometrie des Viergelenkgetriebes abhängig.

Die verschiedenen Bewegungsmöglichkeiten des Viergelenkgetriebes werden unter-schieden nach den Bewegungen, die dem Gestell benachbarte Getriebeglieder aus-führen: Man unterscheidet umlaufende Glieder (Kurbeln) von zwischen zwei Grenz-lagen schwingenden Gliedern, die als Schwingen bezeichnet werden. Die übrigenGlieder heißen im Allgemeinen Koppelglieder (Koppeln).

Page 53: Getriebetechnik ||

38 2 Getriebesystematik

23

2

12 1 14

4

343

Bild 2.12Viergliedrige Schubkurbelkette

Nun sind beim viergliedrigen Drehgelenkgetriebe drei verschiedene Fälle möglich (a, b,c beziehen sich auf Bild 2.11):

1. Glied a oder c läuft um Kurbelschwingen, lmin = a bzw. c

2. Glieder a und c laufen um Doppelkurbeln, lmin = d

3. Glieder a und c nicht umlauffähig, b umlauffähig umlauffähige Doppelschwin-gen, lmin = b

Welcher Typ von Viergelenkgetriebe im Einzelnen vorliegt, kann mit dem nachfolgen-den Satz und der Kenntnis, welches Glied Gestell ist, unterschieden werden [2.5].

Satz von GRASHOF:

Ein Viergelenkgetriebe hat mindestens ein umlauffähiges Glied, wenn

lmin + lmax < l + l (2.14)

gilt, dabei sind lmin und lmax die Längen des kürzesten bzw. längsten Getriebegliedsund l, l die Längen der zwei restlichen Glieder.

Bei einem Viergelenkgetriebe ist kein Glied umlauffähig, wenn

lmin + lmax > l + l (2.15)

gilt. Solche Viergelenkgetriebe werden als Totalschwingen bezeichnet.

Mit lmin + lmax = l + l (2.16)

sind durchschlagende Getriebe mit sog. Verzweigungslagen gekennzeichnet, beidenen in mindestens einer Stellung alle Glieder und Gelenke auf einer Geraden liegen,z.B. beim Parallelkurbelgetriebe nach Bild 2.13. In einer Verzweigungslage kann dasParallelkurbelgetriebe zum Antiparallel- bzw. Zwillingskurbelgetriebe durch-schlagen.

Page 54: Getriebetechnik ||

2.4 Struktursystematik 39

a

b=d

d

c=a

BA

A B0 0

Bild 2.13Parallelkurbelgetriebe mit den beiden gestrichelt gezeichneten Verzweigungslagen auf der Ge-stellgeraden

Anhand der Tafel 2.8 lässt sich entscheiden, welcher Typ eines viergliedrigen Drehge-lenkgetriebes bei gegebenen Abmessungen und nach Wahl des Gestellgliedes vorliegt.

Einige dieser Viergelenkgetriebe sind in Tafel 2.9 zusammengestellt [10].

Aus der viergliedrigen Schubkurbelkette mit Schubglied 4 nach Bild 2.12 ist zunächsteinmal das bekannte Schubkurbelgetriebe (Schubkurbel) ableitbar, sofern Glied 1 zumGestell erklärt wird, Bild 2.14.

00

y

x

ab

eek s

B

BA

A

Bild 2.14Schubkurbelgetriebe mit Be-zeichnungen

Das Schubkurbelgetriebe mit Schubgelenk entsteht aus dem Viergelenkgetriebe mitDrehgelenken, wenn der Punkt B0 ins Unendliche rückt (Drehachse 14 im Unendlichen).Ferner lassen sich zwei Arten von Versetzungen (Exzentrizitäten) unterscheiden:

- kinematische Exzentrizität ek e,

- statische Exzentrizität es.

Nur die kinematische Exzentrizität beeinflusst die Übertragungsfunktionen. Beide Ex-zentrizitäten sind vorzeichenbehaftet.

Page 55: Getriebetechnik ||

40 2 Getriebesystematik

Tafel 2.8 Programmablaufplan zur Bestimmung von viergliedrigen Drehgelenkgetrieben (j = ja,n = nein)

l = Koppel

l = Koppel

l = Gestell

l = Gestell

l = Gestell

l = Gestell

j

Gliedlängen

Doppelkurbel

Doppelschwinge(umlauffähig)

Kurbelschwinge

DurchschlagendeDoppelkurbel

DurchschlagendeDoppelschwinge

DurchschlagendeKurbelschwinge

GleichschenkligeDoppelkurbel

GleichschenkligeKurbelschwinge

Kinematische Kettenicht schließbar

Doppelschwinge(Totalschwinge)

Parallelkurbel-getriebe

Gegenläufiges Zwil-lingskurbelgetriebe

n

j

n

j

j

n

n

nj

nj

j

n

n

n

n

n

j

j

j

j

n

l 2l>

l + l < l´+ l´´

l + l > l´+ l´´

DurchschlagendeGetriebe

(l + l = l´+ l´´)

2 Glieder paar-weise gleichlang

Liegen gleichlangeGlieder benachbart

Kurbeln immerparallel

Gleichläufiges Zwil-lingskurbelgetriebe

j

max

min max

min

min

min max

min max

min

min

min

min

Page 56: Getriebetechnik ||

2.4 Struktursystematik 41

Tafel 2.9 Getriebe der viergliedrigen Drehgelenkketteb

ca

d

Viergelenkkette

Funktionvon l

l + l < l´+ l´´l + l = l´+ l´´ durchschlagendl + l > l´+ l´´ nicht umlauffähig

umlauffähig

Getriebeschema

Kurbel 2

Gestell 1bzw.Koppel 3

Kurbel 2undKurbel 4bzw.Koppel 3

Gestell 1undKoppel 3bzw.Kurbel 2

beliebig

l+l

>l´+l´´

l+l

=l´+l´´

l+l

<l´+l´´

Kurbelschwinge

Doppelkurbel

Zentrische Kurbelschwinge

Doppelschwinge

Parallelkurbelgetriebe Gegenläufiges Zwillings-kurbelgetriebe

Gleichläufiges Zwillings-kurbelgetriebe

Gleichschenklige Kurbel-schwinge

Gleichschenklige Doppel-kurbel

Parallelkurbel-getriebe

Doppelschwinge(Totalschwinge)

A B

1 1

2

34A

B

AA

A A A

AAA

A

BB

BB B

BBB

B

1

11

1

1

1

111

1

1

11

1 1 1

111

1

2

22

2

22

22

2

2

3

33

3

3

3

33

3

3

4

44

44

4

44

4

4

A

A

A

A

A

A

A

A

A

A

B

BB

BB

B

BB

B

B

min

min

min

min

min

min

min

max

max

max

max

max

max

0 0

00

0 0

0 0 0 0

B0A000

0 0

0 00

0

00

Glied läuft um

Glied schwingt

Page 57: Getriebetechnik ||

42 2 Getriebesystematik

Wie stellt sich hier der Satz von GRASHOF dar?

Es ist l d A B1 0 0 , l c BB4 0 ,

l a A A2 0 , l b AB3 ,

so dass die GRASHOF-Ungleichung für Umlauffähigkeit folgendermaßen definiertwerden kann:

lmin + lmax < l + l oder

lmax - l < l - lmin bzw. d - c < b - a,

d.h. alle Getriebe aus der Schubkurbelkette sind umlauffähig, sofern die Ungleichung

e < l - lmin (2.17)

eingehalten wird. Es entstehen dann die Getriebe durch Gestellwechsel:

- Schubkurbel: Gestell = d

- umlaufende Kurbelschleife: Gestell = a

- schwingende Kurbelschleife: Gestell = b

- Schubschwinge: Gestell = c

Für e = 0 erhält man die zentrischen Ausführungen der oben genannten Getriebe.

Hinweis: Bei konstanter Schubrichtung liegt ein Schubgelenk, bei variabler Schub-richtung ein Schleifengelenk vor.

Die wichtigsten Getriebe der Schubkurbelkette sind in Tafel 2.10 aufgeführt [10]. Es istdurchweg ek = es = e gesetzt worden.

Die Getriebe der Kreuzschubkurbel- und Schubschleifenkette haben zwei Schub- oderSchleifengelenke. Bei ersteren gibt es eine endliche Gliedlänge und den Kreuzungs-winkel der beiden Schubrichtungen, Tafel 2.11 [10]; bei letzteren ist charakteristisch,dass zwei Exzentrizitäten existieren und jedes Getriebeglied je ein Dreh- und einSchubgelenkelement aufweist. Die Getriebe der Schubschleifenkette lassen keine Um-laufbewegung eines Glieds zu.

Page 58: Getriebetechnik ||

2.4 Struktursystematik 43

Tafel 2.10 Getriebe der viergliedrigen Schubkurbelkette

Schubkurbelkette

Funktionvon a und b

e < |b - a|= 0 (a b) --´´--, zentrische 0 --´´--, exzentrische = |b - a| durchschlagende = 0 (b = a) --´´--, gleichschenklige > |b - a| nicht umlauffähig

umlauffähige

Getriebeschema

a = lKurbel 2

b = lKoppel 3

a Koppel 3

b Schwinge 2

a = b

Kurbel 2 undKoppel 3

bzw.

Kurbel 2 undGestell 1

a Schwinge 2oder Koppel 3

bzw.

Schwinge 2oder Gestell 1

e>|b-a|

e=0,a=b

e=0,a

b

ba

e

a Gestell 1bzw.Kurbel 2

b Kurbel 2bzw.Gestell 1

Zentrische Schubkurbel

UmlaufendeKurbelschleife

Schwingende Kurbelschleife

Schubschwinge (mit umlauffähiger Koppel)

Gleichschenklige Schubkurbel GleichschenkligeKurbelschleife

SchwingschleifeSchub-schwinge

A

1

2 34

A

B

B

1 1

23

4A

A B

1 1

1

2

2

3

3

4

4

A

A

B

B

1 1

2 3 4

A

B

1 1

2

3

4

A

A

B

1

1

2

3 4A A B

1 1

2

3

4

A

B

B

0

B0 A000

2

3

A0

B0

B0

B0

B0A0A0

0

B00 0

e

e

Page 59: Getriebetechnik ||

44 2 Getriebesystematik

Tafel 2.11 Getriebe der viergliedrigen Kreuzschubkurbel- und Schubschleifenkette

Kreuzschubkurbelkette

Funktionvon a Getriebeschema

a = lKurbel 2

Schubschleifenkette

Struk-tur

Schubschleifenkette

Kreuzschubkurbelkette

=90°

a

e e = 0

e

Koppel 3

bzw.

Gestell 1

Kreuzschubkurbel

Doppelschieber Doppelschleife

Schubschleifezweifach exzentrisch einfach exzentrisch

1

1

1

1

1 1 1

2

2

2

2

3

3

3

3

3

4

4 4

4 4

A

A

AB

B

A

A

B

BA

B B

2

e 2

1

e1

e1

2

0

0

2

B

0

A

0

B0

B

0

A0 0

B

0

1

2

A

A

0

e

Koppelkurven

Die Koppelkurven der Viergelenkgetriebe sind vielgestaltig und werden für Führungs-aufgaben herangezogen. Unter Koppelkurve versteht man definitionsgemäß entspre-chend Abschnitt 2.1.2 die Bahnkurve eines beliebigen Punktes (oft mit C bezeichnet)f(x,y) = 0 in der x-y-Ebene des Getriebes. Einige Beispiele zeigen die Bilder 2.15bis 2.20, wobei die Koppelkurven nicht unbedingt maßstäblich gezeichnet sind.

Page 60: Getriebetechnik ||

2.4 Struktursystematik 45

AA

B

B

0

0 1

1

2

6

3

A

D

A

CB

1

4

B

5

0

0

0

Bild 2.15Koppelkurven der Kurbelschwinge

Bild 2.16Sechsgliedriges Getriebe: Koppelkurven-gesteuertesMalteserkreuzgetriebe (Still-standssicherung nicht eingezeichnet)

C

B

Aa

A B

cb

e

d

h

0 0

Bild 2.17Schwingende Kurbelschleife mit angenäherterGeradführung des Punktes C (Konchoiden-lenker)

Bild 2.18Angenäherte Geradführung nachHOECKEN [1]: a = 1; b = c = e = 2,5;d = 2; h = 4 Längeneinheiten

Page 61: Getriebetechnik ||

46 2 Getriebesystematik

A

e

ba

A B B0 0

C

A

A

D D = C

C

B

B

0

0 0

0

Bild 2.19Exakte Geradführung mit einem Schubkurbel-getriebe für a = b = e

Bild 2.20Sechsgliedriges Rastgetriebe

In Bild 2.20 ist ein sechsgliedriges sog. Rastgetriebe dargestellt (Rast = Stillstand). DieRast der Schwinge D0D wird durch Ausnutzen eines Teils der Koppelkurve des PunktesC (stark ausgezogener Teil) des Viergelenkgetriebes A0ABB0 erzeugt. Beim Durchlau-fen dieses Teils kommt der Punkt D des Zweischlags D0DC zum Stillstand, weil dieLänge CD mit dem Krümmungsradius weitgehend übereinstimmt. Da D mit demKrümmungsmittelpunkt C0 von C zusammenfällt, wird die Drehung des Glieds CDum C0 erzwungen, während die Schwinge D0D angenähert in Ruhe bleibt.

2.4.2.2 Kurvengetriebe

Kurvengetriebe haben mindestens ein Kurvengelenk (HEP mit f = 2) und bestehen ausmindestens drei Gliedern. In Bild 2.21 ist die aus der einfachsten kinematischen Kettemit drei Gliedern (Bild 2.8a) ableitbare Grundform (Kurvenkette) eines dreigliedrigenKurvengetriebes mit Kurvenglied, Eingriffsglied und Steg skizziert [2.6], aus demsich durch die Wahl des Stegs zum Gestell 1 die beiden Standardfälle des Kurven-Übertragungsgetriebes ergeben: Kurvengetriebe mit Abtriebs(schwing)hebel undKurvengetriebe mit Abtriebsschieber. Im Eingriffsglied 3 ist sehr oft eine drehbargelagerte Rolle (fid = 1) als unmittelbares Abtastorgan des Kurvenprofils gelagert, umdie Übertragungseigenschaften im Kurvengelenk zu verbessern. Die Rolle erhält dannmeistens eine eigene Gliednummer.

Page 62: Getriebetechnik ||

2.4 Struktursystematik 47

Steg

EingriffsgliedKurvenglied

2 3

12

13

Bild 2.21Grundform und Standardfälle des dreigliedrigen Kurvengetriebes [8]

Durch Variation der beiden verbleibenden NEP (Dreh- und Schubgelenke) und durchGestellwechsel erhält man systematisch alle Bauformen dreigliedriger Kurvengetriebe,Tafel 2.12.

Tafel 2.12 Systematik der dreigliedrigen Kurvengetriebe [8]

Kurven-

kette

Kurvengetriebe

Jedem Punkt K des Kurvenprofils, der momentan das Kurvengelenk mit der Abtastrollebildet, ist ein Krümmungsmittelpunkt K0 auf der Normalen n zugeordnet, Bild 2.22.

Page 63: Getriebetechnik ||

48 2 Getriebesystematik

Verbindet man K0 mit dem Rollenmittelpunkt B durch ein fiktives binäres Glied, soerhält man das für die skizzierte Lage gültige Ersatzgelenkgetriebe. Für das Getriebemit Rollenhebel ergibt sich ein viergliedriges Drehgelenkgetriebe A0K0(A)BB0, für dasGetriebe mit Rollenstößel ein viergliedriges Schubkurbelgetriebe A0K0(A)BB0. DieAbmessungen des Ersatzgelenkgetriebes ändern sich mit jeder neuen Stellung desKurvengetriebes, die jeweiligen Kinematik-Gleichungen sind jedoch bis zur Beschleu-nigungsstufe äquivalent.

B

K

n

B

B

B

n

s

KK

0

0

0

K0

A0 A0 Bild 2.22Kurvengetriebe und zugeordne-te Ersatzgelenkgetriebe

Durch eine geeignete Profilgebung des Kurvengliedes kann fast jede gewünschte Ge-triebefunktion () (Rollenhebel) bzw. s() (Rollenstößel) verwirklicht werden. Einekomplette Auslegung von Kurvengetrieben ist mit Hilfe von [7.1] bis [7.4] möglich.

Der Kontakt im Kurvengelenk zwischen Kurven- und Eingriffsglied (Zwanglauf-sicherung) wird entweder kraftschlüssig oder formschlüssig aufrechterhalten, Bild 2.23.

a) b)

Bild 2.23Zwanglaufsicherung durch Kraftschluss a) oder Formschluss b) [7.1]

Page 64: Getriebetechnik ||

2.4 Struktursystematik 49

2.4.3 Räumliche Getriebe

Räumliche Getriebe oder Raumgetriebe sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Dreh-achsen haben, die sich kreuzen und denen auch eine Schubbewegung überlagert seinkann, s. Kapitel 8. Sonderfälle sind die sphärischen Getriebe, deren Drehachsen sich ineinem Punkt schneiden.

Ein wichtiges technisches Anwendungsgebiet der Raumgetriebe und ihrer Sonderfälletut sich für Wellenkupplungen auf als Übertragungsgetriebe zur Weiterleitung vonDrehungen zwischen zwei im Gestell gelagerten Wellen, Bild 2.24. An- und Abtriebs-welle dürfen dabei eine beliebige Lage im Raum zueinander einnehmen, d.h. sie dürfensich kreuzen. Normalerweise sind räumliche Wellenkupplungen ungleichmäßig über-setzend, sie können jedoch auch mit konstanter Übersetzung ausgelegt werden (Gleich-gangkupplungen) [2.7].

a) b)

2

1 1

4

3

1 1

3

2

4

Bild 2.24Zwei Wellenkupplungen als viergliedrige Raumgetriebe mit fid = 1 (Glied 3) [11]

Beträgt beispielsweise der Getriebefreiheitsgrad F = 1, so liefert die Zwanglauf-gleichung (2.11)

g

1ii 7ng6f . (2.18)

Für Getriebe mit gleicher Glieder- und Gelenkzahl, z.B. g = n = 4, lässt sich die Summe7 der Gelenkfreiheiten auf verschiedene Weise aufteilen, z.B. entsprechend Bild 2.25:

Page 65: Getriebetechnik ||

50 2 Getriebesystematik

a) b) c)

f=1

2

2

2f=1 f=1

3

2+(1)

1

2

1

3

Bild 2.25Drei Raumgetriebe mit vier Gliedern und vier Gelenken [10]

a) Fall 1: f = 1 + 2 + 2 + 2 = 7

b) Fall 2: f = 1 + 3 + 2 (+1) + 1 = 7 mit fid = 1

c) Fall 3: f = 1 + 3 + 1 + 2 = 7

Während Fall 2 der Wellenkupplung des Bildes 2.24a entspricht, zeigt Bild 2.26 daskonstruktiv ausgeführte Getriebe im Fall 3 mit einer Dreh-Schub-Abtriebsbewegung.

f=3

f=1

f=2f=13

k

k

k

Antrieb 2

Abtrieb 4

114

34

12

Bild 2.26Viergliedriges Raumkurbelgetriebe [11]: Kurbel 2, Koppel 3, Drehschieber 4, Gestell 1, Bewe-gungsachsen kij

Ein Beispiel eines sphärischen Getriebes als Sonderfall stellt das Kreuzgelenk oderKardangelenk mit f = 2 dar (Bild 2.27).

Page 66: Getriebetechnik ||

2.4 Struktursystematik 51

2

1

3

4

1

B

B

A

A

Bild 2.27Kreuz- oder Kardangelenk [10]

Die Übertragungsfunktion der Drehung von Welle 2 auf Welle 4 lautet

tan tancos

. (2.19)

Dies bedeutet also eine ungleichmäßige Übersetzung. Hierbei ist der Kreuzungs-winkel zwischen An- und Abtriebswelle.

Die Ungleichmäßigkeit der Drehung kann durch eine passende Hintereinanderschaltungzweier Kreuzgelenke eliminiert werden [10].

Page 67: Getriebetechnik ||

52 2 Getriebesystematik

2.5 Übungsaufgaben

Die Aufgabenstellungen und die Lösungen zu den Übungsaufgaben dieses Kapitelsfinden Sie auf den Internetseiten des Instituts für Getriebetechnik und Maschinen-dynamik der RWTH Aachen.

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=aufgaben

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=loesungen

Aufgabe 2.1Gelenke: Freiheitsgrad

Aufgabe 2.2Räumliche Getriebe: Freiheitsgrad

Aufgabe 2.3Wellenkupplung: Freiheitsgrad

Aufgabe 2.4Wellenkupplung: Freiheitsgrad

Aufgabe 2.5Wellenkupplung: Freiheitsgrad

Aufgabe 2.6Summen- bzw. Differentialgetriebe: Getriebeaufbau, Gelenk- undGetriebefreiheitsgrad, Struktursystematik

Aufgabe 2.7OLDHAM-Kupplung: Kinematisches Schema

Aufgabe 2.82-Zylinder-V-Kompressor: Kinematische Kette, kinematisches Schema, Freiheitsgrad

Page 68: Getriebetechnik ||

3 Geometrisch-kinematische Analyse ebenerGetriebe

In diesem Kapitel sind die wichtigsten Grundlagen für die kinematische Analyse ebenerGetriebe zusammengefasst, sowohl in graphisch-differentialgeometrischer als auch invektorieller Hinsicht.

Die einfache Kinematik des Punktes und der Ebene als Abstraktionsform eines ebenbewegten Getriebegliedes mit der EULER-Formel

v v v v rB A BA A BA

und unter Berücksichtigung der Starrheitsbedingung(en) führt zum Projektionssatz undzu den Ähnlichkeitssätzen von MEHMKE und BURMESTER für die Geschwindig-keits- und Beschleunigungsermittlung. Mit diesen Sätzen lässt sich ebenfalls die Exis-tenz eines Geschwindigkeits- und Beschleunigungspols beweisen, so dass jede ebeneBewegung jeweils als eine momentane relative Drehung um diese beiden Punkte aufge-fasst werden kann.

Den Abschluss bilden die Vektorgleichungen der Relativkinematik bei der Bewegungdreier beliebiger miteinander gekoppelter oder nicht gekoppelter Getriebeglieder i, j, k.

Bei der geometrisch-kinematischen Analyse eines Getriebes wird der Bewegungs-zustand einzelner Getriebeglieder gegenüber dem Gestell, d.h. gegenüber einemabsoluten (inertialen) Koordinatensystem untersucht. Der Bewegungszustand einesGetriebegliedes ist nur dann eindeutig bestimmt, wenn bei gegebenen Abmessungendes Getriebes und der Antriebsfunktion(en)

die Lage,

die Geschwindigkeit und

die Beschleunigung

für jeden Punkt auf dem Getriebeglied ermittelbar sind.

H. Kerle et al, Getriebetechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9895-1_3,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Page 69: Getriebetechnik ||

54 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

A = O0B0

BA

C

b

c

ad

x

y

a

b

Bild 3.1Zur Kinematik der Koppel eines Viergelenkgetriebes

Mit Bezug auf Bild 3.1 heißt das beispielsweise: Gesucht sind die zeitabhängigen Koor-dinaten xc(t), yc(t) des Koppelpunktes C und die Winkelgeschwindigkeit b t( ) derKoppel bei gegebener Lage = (t) der Antriebskurbel A0A und zugeordneter An-triebswinkelgeschwindigkeit a . Die Abmessungen a, b, c, d des Getriebes sindbekannt.

Für die Getriebeanalyse werden zeichnerische und rechnerische Verfahren angewendet.Die zeichnerischen Verfahren haben den Vorteil der Anschaulichkeit und schnellenAnwendbarkeit. Mittels der rechnerischen Analyse können wesentlich genauere Ergeb-nisse erreicht werden. Sie ist jedoch schon bei einfachen Getrieben meist derartumfangreich, dass der Einsatz von Rechnern unerlässlich ist.

3.1 Grundlagen der Kinematik

3.1.1 Bewegung eines Punktes

Vorgegeben sei die Bahnkurve eines Punktes A auf einem eben bewegten Getriebe-glied, Bild 3.2.

Page 70: Getriebetechnik ||

3.1 Grundlagen der Kinematik 55

s A

A(t=0)

t

A

k

n

x1O = O

yaAt

aAn

1

A

aA

0rA

A

vA

A

AW

AW

A

Bild 3.2Bahnkurve eines PunktesA in der x-y-Ebene

Dann sind folgende Bezeichnungen üblich:

Ortsvektor r tA ( ) Tangentenwinkel A

Weg sA(t) Bahntangente t

Krümmungskreis kA Bahnnormale n

Krümmungsradius AA0A Geschwindigkeitsvektor vA

Krümmungsmittelpunkt A0 Beschleunigungsvektor aA

Normalbeschleunigungsvektor aAnWendepunkt AW mit Krümmungs-

radius AW = Tangentialbeschleunigungsvektor aAt

Der Geschwindigkeitsvektor vA ist stets tangential zur Bahnkurve ausgerichtet und

hängt mit der ersten zeitlichen Ableitung des Weges sA folgendermaßen zusammen: v dr dt r s eA A A A

t . (3.1)

Hierbei ist et der Tangenteneinheitsvektor auf t. Der Beschleunigungsvektor aA

setzt sich aus zwei Teilen zusammen: a dv dt v r a aA A A A A

tAn . (3.2)

Der Tangentialbeschleunigungsvektor aAt liegt auf t, der Normalbeschleunigungs-

vektor aAn auf n und zeigt stets zum Krümmungsmittelpunkt A0 hin. Der Punkt A0 liegt

wiederum stets auf der Innenseite (konkaven Seite) der Bahnkurve von A. Ferner gilt:

Page 71: Getriebetechnik ||

56 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

a a sAt

At

A , a a vAn

An

A A 2 . (3.3)

Hinweis: Der Krümmungskreis kA durchsetzt im Allgemeinen als Grenzfall dreierauf der Bahnkurve zusammenfallender Punkte die Bahnkurve im Punkt A.

Die bekanntesten kinematischen Diagramme für Punktbewegungen sind

a) Skalarkurven: s t s t s tA A A, ,

, , s s s s s sA A A A A A

b) Vektorkurven: Betrachtet werden die Vektorspitzen der nachfolgend aufgelistetenVektoren, die - ausgehend von jeweils einem gemeinsamen Ur-sprung - zu zeichnen sind:

- Bahnkurve r tA ( )

- Hodographenkurve v tA ( )

- Tachographenkurve a tA ( )

3.1.2 Bewegung einer Ebene

Die Bewegung eines Getriebegliedes, d.h. einer Ebene Ek, gegenüber dem Gestell, d.h.der festen Ebene E1, wird durch die Bewegung zweier auf Ek liegender Punkte, z.B. Aund B, eindeutig beschrieben; in Kurzform Ek/E1. Sie setzt sich im Allgemeinen auseiner Schiebung (Translation), z.B. des Bezugspunkts oder Aufpunkts A in x- und y-Richtung der Ebene E1, und aus einer Drehung (Rotation), z.B. um den Aufpunkt A,zusammen.

Page 72: Getriebetechnik ||

3.1 Grundlagen der Kinematik 57

3.1.2.1 Geschwindigkeitszustand

y

xO=O

A

A

B

E

E

r

rr

1

k

BA

B

1

Bild 3.3Ortsvektoren zweier Punkte A undB einer bewegten Ebene Ek

Dem Bild 3.3 entnimmt man r r rB A BA . (3.4)

Wegen des unveränderlichen Abstands der Punkte A und B ist folgende Starrheits-bedingung erfüllt:

r r r r konstBA B A BA . , (3.5)

d.h.

r r r r konstBA BA B A2 2 2 2 . . (3.6)

Leitet man vorstehende Gleichung einmal nach der Zeit ab, folgt daraus

dr dt r r r rBA B A B A 2 2 0 ( )( ) bzw. (3.7a)

r v vBA B A 0 oder v r v rB BA A BA . (3.7b)

v rB BA ist ein Skalarprodukt, d.h. die Projektion von

vB auf den DifferenzvektorrBA .

Projektionssatz:

Die Projektionen der Geschwindigkeitsvektoren vA und

vB zweier Punkte A und B

eines starren Getriebeglieds (Ebene Ek) auf die Verbindungsgerade AB sind gleichgroß, Bild 3.4.

Page 73: Getriebetechnik ||

58 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

Ek

AB

v v

vv

A A

BBA

Bild 3.4Zur Veranschaulichung desProjektionssatzes

Die Ableitung der Gl. (3.4) nach der Zeit ergibt v v v v rB A BA BA BA , . (3.8)

Da die Projektionen von vA und

vB auf AB gleich lang und gleichgerichtet sind, kann

v v vBA B A nur senkrecht auf AB stehen, vgl. Gl. (3.7b). Daher lässt sich formalaus der Gl. (3.8) ein Winkelgeschwindigkeitsvektor

für die Ebene Ek herleiten

(EULER-Formel): v v r r vB A BA BA BA , . (3.9)

Hinweis: Der Winkelgeschwindigkeitsvektor gilt nicht für einen einzelnen

Punkt, sondern für die gesamte Ebene Ek.

Die Ebene Ek führt eine Schiebung in RichtungvA aus, gleichzeitig rotieren alle

Ebenenpunkte mit der Winkelgeschwindigkeit um A.

Gl. (3.9) lautet in Komponentenschreibweise mit = z (die z-Achse steht senkrechtauf der Zeichenebene und bildet mit der x-y-Ebene ein rechtshändig orientiertesDreibein)

0

r

r

0

v

v

0

r

r

0

0

0

v

v

0

v

v

BAxz

BAyz

Ay

Ax

BAy

BAx

z

Ay

Ax

By

Bx

. (3.10)

Statt des Vektors kann auch die schiefsymmetrische Matrix ~ eingeführt werden:

~

0 00 0

0 0 0

z

z , (3.11)

so dass gilt:

Page 74: Getriebetechnik ||

3.1 Grundlagen der Kinematik 59

BABABA r~rv . (3.12)

3.1.2.2 Momentan- oder Geschwindigkeitspol

Es gibt einen speziellen Punkt P der bewegten Ebene, der momentan ruht, für den alsovP =

0 gilt.

Falls der Punkt P als Aufpunkt gewählt wird, geht Gl. (3.9) über in v rB BP . (3.13)

Damit gilt die gleiche Formel wie bei der alleinigen Drehung des Punktes B um denPunkt P. Dieser Punkt P heißt Momentanpol oder Geschwindigkeitspol der Ebene Ekbei der Bewegung gegenüber dem Gestell E1 (genauer: P = P1k). Die Kenntnis der Lagedieses Punktes kann bei der Geschwindigkeitsermittlung von Nutzen sein. DerMomentanpol eines eben bewegten Getriebegliedes lässt sich sowohl zeichnerisch-anschaulich als auch rechnerisch bestimmen.

a) Zeichnerische Lösung

Die Gl. (3.13) gilt für jeden Punkt der Ebene Ek, d.h. die hier über ein Kreuzproduktgekoppelten Vektoren stehen (rechtshändig orientiert) senkrecht aufeinander bzw. dieGeschwindigkeitsvektoren zweier zu Ek gehörigen Punkte A und B stehen stetssenkrecht auf den zugehörigen Polstrahlen AP bzw. BP, Bild 3.5.

Zeichnet man die um 90° im gleichen Sinn gedrehten Geschwindigkeitsvektoren v ,erhält man als Schnittpunkt dieser Vektoren den Momentanpol P1k. Die Beträge derGeschwindigkeiten lassen sich unmittelbar ablesen:

v PA v PBA B , . (3.14)

v

A

P

vB

E

O=O

y

xE

A

A

1k

B

B

k

11

v

v

Bild 3.5Geschwindigkeitszustandeiner Ebene Ek

Page 75: Getriebetechnik ||

60 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

Hinweis: Der Geschwindigkeitszustand einer Ebene ist eindeutig festgelegt, wenndie Geschwindigkeit eines Punktes A dieser Ebene bekannt ist sowie voneinem Punkt B dieser Ebene die Richtung der Geschwindigkeit oderwenn der Momentanpol P und die dazugehörige Winkelgeschwindigkeitbekannt sind.

b) Rechnerische Lösung

Aus Gl. (3.9) folgt für B = P v v rP A PA 0 ;

multipliziert man die vorstehende Gleichung von rechts vektoriell mit , so ergibt sich

0)r(v PAA

.

Nach dem Entwicklungssatz wird daraus v r rA PA PA ( ) ( ) 0 .

Der letzte Term verschwindet, da und

rPA senkrecht zueinander stehen ( rPA 0 ),

d.h.

r r r v v vPA P A

A A A

2 2 2

~ . (3.15)

Satz: Jede beliebige Elementarbewegung eines eben bewegten Getriebeglieds (einerEbene Ek) ist eine Drehung um einen eindeutig bestimmten Punkt, den mo-mentanen Drehpol (Momentanpol oder Geschwindigkeitspol). Der Momen-tanpol gilt folglich für die gesamte Ebene, d.h. für jeden Punkt des Getriebe-glieds.

Bei einer Translationsbewegung gilt 0 , d.h.

v vA B und v vA B . Daraus

folgt: Der Momentanpol liegt bei einer Translation als Schnittpunkt der um 90°gedrehten Geschwindigkeitsvektoren vA und

vB im Unendlichen.

3.1.2.3 Beschleunigungszustand

Um auf die Beschleunigungsstufe zu gelangen, leiten wir Gl. (3.9) nach der Zeit ab underhalten

Page 76: Getriebetechnik ||

3.1 Grundlagen der Kinematik 61

v a v r rB B A BA BA . (3.16)

Es gilt

BA2

BABABA rωω)rω()rω(ωrω

mit rBA 0 - beide Vektoren stehen senkrecht zueinander. Folglich wird aus

Gl. (3.16) mit v aA A

a a r rB A BA BA 2 oder (3.17a)

a a rB A BA ( ~ ~ ~ ) oder (3.17b)

a a a aB A BAt

BAn oder (3.17c)

a a aB A BA . (3.17d)

Der Beschleunigungsanteil aBA kann in eine Tangentialkomponente

aBAt und in eine

Normalkomponente aBAn bzgl. der Bahnkurve des Punktes B gegenüber dem Punkt A

mita a v ABBAn

BAn

BA 2 / (3.18)

aufgeteilt werden; dabei stellt der Punkt A den Krümmungsmittelpunkt bei der Bewe-gung B gegenüber A dar, auf den die Normalkomponente

aBAn gerichtet ist, Bild 3.6.

Ek

B

A

aA

rBA

anBA

a tBA

vBA

Bild 3.6Zur Orientierung des BeschleunigungsanteilsaBA einer Ebene Ek mit zwei Punkten Aund B

Page 77: Getriebetechnik ||

62 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

Für den Punkt A gilt selbstverständlich Gl. (3.2). Falls auch die Bahnkurve des Punk-tes B bekannt bzw. der zugeordnete Krümmungsmittelpunkt B0 bekannt ist, gibt es nocheine weitere Schreibweise der Gl. (3.17), nämlich

a a a a a aB Bt

Bn

A BAt

BAn . (3.17e)

Die Normalbeschleunigung aBn weist auf B0 hin, es ist analog zu Gl. (3.3)

B2B0

2B

nB

nB /vBB/vaa

. (3.19)

Genau so erhält man für einen beliebigen dritten Punkt C der Ebene Ek a a a a aC A CA B CB . (3.20)

3.1.2.4 Beschleunigungspol

Es gibt einen speziellen Punkt G der bewegten Ebene, der momentan unbeschleunigtist, für den mithin

aG 0 gilt.

Dieser Punkt G heißt Beschleunigungspol der Ebene Ek bei der Bewegung gegenüberdem Gestell E1 (genauer: G = G1k).

Hinweis: Im Allgemeinen gilt für den Beschleunigungspol G vG 0 und auch die

Beschleunigung des Momentanpols P (Polbeschleunigung) verschwindetnicht automatisch, d.h.

aP 0 .

Wenn der Beschleunigungspol G = G1k bekannt ist, lässt sich die Bewegung Ek/E1 hin-sichtlich der Beschleunigung momentan als Drehung von Ek um G mit Tangential- undNormalbeschleunigung auffassen, Bild 3.7.

Die Beziehung zwischen den Beschleunigungen der Punkte A und G lautet a a a a a r rA G AG AG

tAGn

AG AG 2 . (3.21)

Da aG 0 ist, lässt sich die Beschleunigung

aA in die Komponenten vonaAG zer-

legen, nämlich in die Normalbeschleunigung aAGn und die Tangentialbeschleunigung

aAGt . Die Tangentialbeschleunigung von A ergibt sich über die Winkelbeschleunigung , multipliziert mit dem Abstand vom Beschleunigungspol:

a a AGAGt

AGt

. (3.22)

Page 78: Getriebetechnik ||

3.1 Grundlagen der Kinematik 63

Bild 3.7Zur Lage des Beschleunigungs-pols G einer bewegten EbeneEk = ABC

Die Normalbeschleunigung folgt aus

a AGAGn 2 . (3.23)

Der Betrag von aA hat die Größe

a a a AGA AGn

AGt ( ) ( ) 2 2 2 4 . (3.24)

Es gilt die Beziehung

tan

aaAGt

AGn 2 . (3.25)

In Gl. (3.25) ist der Winkel zwischen der resultierenden Beschleunigung und derVerbindungslinie von dem betrachteten Punkt zum Beschleunigungspol, er ist für allePunkte der Ebene Ek gleich groß, da er nur von und 2 abhängt und diese Größenvon der Lage des Punktes auf der Ebene unabhängig sind.

Hinweis: Sind von einer Ebene die Beschleunigungen zweier Punkte bekannt, so istder Beschleunigungspol der Schnittpunkt der Verlängerungen der um denWinkel arctan 2 in Richtung gedrehten Beschleunigungen.

Page 79: Getriebetechnik ||

64 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

3.1.3 Graphische Getriebeanalyse

3.1.3.1 Maßstäbe

Zur zeichnerischen Darstellung und Auswertung von Bewegungsabläufen sind Maß-stäbe erforderlich. Der Maßstab lässt sich definieren als Quotient:

Maßstabwirkliche Größedarstellende Größe

.

Es werden folgende Maßstäbe unterschieden:

Längenmaßstab:

wirkliche Größe s in m, darstellende Größe s in mm

M mmm

s ms mm

s M sz z

(3.26)

Zeitmaßstab:

wirkliche Größe t in s, darstellende Größe t in mm

M smm

t st mm

t M tt t

(3.27)

Geschwindigkeitsmaßstab:

wirkliche Größe v in m/s, darstellende Größe v in mm

M m s

mmv m sv mm

v M vv v

(3.28)

Beschleunigungsmaßstab:

wirkliche Größe a in m/s², darstellende Größe a in mm

M m s

mm

a m s

a mma M aa a

2 2

(3.29)

Nicht alle Maßstäbe sind unabhängig voneinander wählbar. Der Beschleunigungsmaß-stab Ma ist abhängig von Mv und Mz; es gilt

M M Ma v z 2 . (3.30)

Page 80: Getriebetechnik ||

3.1 Grundlagen der Kinematik 65

Für die anschauliche graphische Getriebeanalyse haben sich einige Verfahren bewährt,die die zuvor beschriebenen vektoriellen Beziehungen in entsprechende geometrischeKonstruktionen umsetzen. Beispielsweise lässt sich die Beziehung a vA

nA A 2 nach

Gl. (3.3) mit Hilfe des Kathetensatzes graphisch auswerten, Bild 3.8.

A

AAn

vA

A

A0

anA

Bild 3.8Geometrischer Zusammenhang zwischen Normalbe-schleunigung und Geschwindigkeit des Punktes A

Mit Hilfe der zu Beginn dieses Abschnitts eingeführten Zeichenmaßstäbe wird ausobiger Beziehung

Az

2A

2vn

Aa M

vMaM

. (3.31)

Hierin sind die in eckige Klammern gesetzten Größen die zu (zeichnenden) darstellen-den Größen.

Werden die darstellenden Größen entsprechend Bild 3.8 über den Kathetensatz b2 = c qverknüpft, ergibt sich

n02 AAAA)AA( n

AA2

A av .

Wenn nAa

nA aMa gültig sein soll, ist die Gl. (3.30) einzuhalten.

Hinweis: Für den Fall, dass wegen AnAn aAA der Kathetensatz zunächst

versagt, ist der Geschwindigkeitsmaßstab neu zu wählen M M vv z A A ( / ) oder von vornherein der Höhensatz zu wählen.

Page 81: Getriebetechnik ||

66 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

3.1.3.2 Geschwindigkeitsermittlung

Es gibt zwei grundlegende Verfahren, um z.B. die Gleichungen

v v v v rB A BA A BA und

CAACAAC rvvvv

oder

v v v v rC B CB B CB

graphisch auszuwerten, nämlich mit Hilfe des

a) Geschwindigkeitsplans oder des

b) Plans der (um 90°) gedrehten Geschwindigkeiten.

Von großer Bedeutung sind dabei die Ähnlichkeitssätze von BURMESTER undMEHMKE, Bild 3.9.

Satz von BURMESTER:

Die Endpunkte der Geschwindigkeiten bzw. Beschleunigungen eines starrenSystems bilden eine dem starren System gleichsinnig ähnliche Figur.

Satz von MEHMKE:

Der Geschwindigkeits- bzw. Beschleunigungsplan ist eine dem gegebenenstarren System gleichsinnig ähnliche Figur.

a) Geschwindigkeitsplan (v-Plan)

Der v-Plan beruht im Wesentlichen auf dem Satz von MEHMKE. Im frei wählbarenUrsprung (Pol) 0 wird die bekannte Geschwindigkeit eines Punktes der Ebene Ek, z.B.A, angetragen und das Dreieck abc konstruiert. Dabei gilt (Reihenfolge der Punktebeachten!):

abc im Geschwindigkeitsplan ABC im Lageplan.

Page 82: Getriebetechnik ||

3.1 Grundlagen der Kinematik 67

Bild 3.9Ähnlichkeitssätze nach BURMESTER(a) im Lageplan und MEHMKE (b) im Geschwindigkeitsplan

Die Strecken ab ac bc, , entsprechen den Differenzgeschwindigkeiten v vBA CA, und

vCB . Weiterhin gilt: Die Geschwindigkeiten

v vBA CA, und

vCB stehen senkrecht zu

den jeweiligen Differenzvektoren r rBA CA, und

rCB , d.h. ab ,AB ac AC und

bc BC .

Im Pol O des v-Plans werden alle Momentanpole der gegenüber dem Gestell bewegtenGetriebeglieder abgebildet; deswegen lässt sich der v-Plan auch dazu verwenden, denMomentanpol P eines Getriebeglieds im Lageplan zu konstruieren:

acO ACP.

b) Plan der (um 90°) gedrehten Geschwindigkeiten ( v-Plan)

Wegen v v vB A BA und

v v vC A CA oder

v v vC B CB

Page 83: Getriebetechnik ||

68 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

folgt:

Satz 1:

Die Endpunkte der um 90° gedrehten Geschwindigkeiten zweier Punkte der Ebene Ekliegen auf einer Parallelen zur Verbindungsgeraden der beiden Punkte, Bild 3.10.

Satz 2:

Die Sätze von BURMESTER und MEHMKE gelten sinngemäß, Bild 3.11.

Bild 3.10Zu Satz 1 des v-Plans

A

B

Cvv

v

vvC

CB

A

vA

B

P

Bild 3.11Zu Satz 2 des v-Plans: Satzvon BURMESTER

Page 84: Getriebetechnik ||

3.1 Grundlagen der Kinematik 69

3.1.3.3 Beschleunigungsermittlung

Die Ermittlung der Beschleunigungen entsprechend Gl. (3.20) kann graphisch im sog.Beschleunigungsplan (a-Plan) mit frei wählbarem Ursprung (Pol) erfolgen, Bild 3.12.

b

c

a

a

a

a

B

A

BA

n

t

n

n

n

0 0A B

G

B

C

A

0

b

v

c

a

-Plan a-Plan

aA

aA

aB

aC

aB

aB

aBAn

aBAt

Lageplan

vv

vab

c

Bild 3.12Beschleunigungsermittlung im Viergelenkgetriebe

Von dem in Bild 3.12 dargestellten Viergelenkgetriebe mit Koppelpunkt C ist die An-triebsbeschleunigung

aA bekannt. Die Beschleunigung des Punktes C soll bestimmt

werden.

Zuerst ist der Geschwindigkeitszustand der Koppelebene zu ermitteln. Punkt A be-schreibt eine Kreisbahn um A0. Aus der Normalbeschleunigung

aAn (Projektion von

Page 85: Getriebetechnik ||

70 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

aA auf die Gerade A0A) lässt sich der Betrag von

vA oder der gedrehten Geschwindig-

keit Av bestimmen.

Es gilt v a A AA An2

0

und v v vB A BA ,

wobei von Bv und vBA jeweils nur die Richtungen bekannt sind.

Jetzt wird Av im Punkt 0 angetragen und dann durch a (Endpunkt von vA ) eine

Gerade mit Richtung von vBA und durch 0 eine Gerade mit Richtung von vB ge-

zeichnet. Die zwei Geraden schneiden sich in b. Über den Satz von MEHMKE kannim v-Plan nun der Punkt c eingezeichnet werden:

a b c ABC.

Aus vB und vBA können nun ebenso die Normalbeschleunigungen mit Hilfe derGln. (3.19) und (3.18) bestimmt werden. Anschließend wird die Beschleunigungs-gleichung

a a a a aBn

Bt

A BAn

BAt

im a-Plan ausgewertet.

Der Ablauf ist analog zu dem Vorgehen im Geschwindigkeitsplan. Erst werden alleVektoren in den Plan eingetragen, die von Betrag und Richtung her bekannt sind, an-schließend die Vektoren, von denen nur die Richtung bekannt ist. Der entstehendeSchnittpunkt ist dann b. Über den Satz von MEHMKE (Ähnlichkeit der Dreiecke) wirdaC ermittelt.

Der Punkt im a-Plan ist Abbild aller Beschleunigungspole der gegenüber dem Gestellbewegten Getriebeglieder; deswegen lässt sich der a-Plan auch dazu verwenden, denBeschleunigungspol G eines Getriebeglieds im Lageplan zu konstruieren:

ab ABG.

3.1.3.4 Rastpolbahn und Gangpolbahn

Wir betrachten zunächst zwei endlich benachbarte Lagen E1 (A1B1C1) und E2 (A2B2C2)einer Ebene E, die aus einer Drehung um den endlichen Drehpol P12 hervorgegangensind, Bild 3.13.

Page 86: Getriebetechnik ||

3.1 Grundlagen der Kinematik 71

B

C1C2

A1A2

1

B2

1E2E

12P

a)

P

AB

C

ta

tbtc

an cnbn

a

b

c

b)

12

Bild 3.13Zwei benachbarte Lagen einer Ebene: a) endlich, b) unendlich benachbart

P12 ist der Schnittpunkt der Mittelsenkrechten zu den Strecken A1A2 und B1B2 bzw.C1C2. Der zugehörige Drehwinkel 12 ist für jeden Punkt auf E gleich:

12 1 12 2 1 12 2 A P A B P B ...

Beim Grenzübergang 12 0 wird aus dem Drehpol P12 der Momentanpol P, der zweiunendlich benachbarte Lagen der Ebene charakterisiert. Die Strecken A1A2 und B1B2gehen in die Tangenten ta und tb über, der Schnittpunkt der zugeordneten Normalen naund nb führt auf den Momentanpol P.

Für jede Stellung i der Ebene, repräsentiert durch die Punkte A und B, lässt sich einMomentanpol Pi angeben. Die Punktfolge Pi liefert in der Gestellebene E1 die Rastpol-bahn p und in der bewegten Ebene eine Bahnkurve q die Gangpolbahn als Punkt-folge Qi (s. Abschnitt 3.3.2).

Satz: Eine allgemeine ebene Bewegung kann als das Abrollen zweier Polbahnen pund q aufgefasst werden.

Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen. Beim Abrollen zweier Kreise beschreibt derPunkt A eine Epizykloide mit der Spitze in P, die Kreise stellen selbst die Polbahnen pund q dar, Bild 3.14. Die Polbahnen des rechtwinkligen Doppelschiebers sind inBild 3.15 eingezeichnet; sie sind aus der Geometrie des Getriebes leicht angebbar.

Page 87: Getriebetechnik ||

72 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

A

M P

GangpolbahnRastpolbahn

= Q

qp

M

P

q

p

= Q

Bild 3.14Abrollen zweier Kreise als Gang- und Rast-polbahn

Bild 3.15Polbahnen des rechtwinkligen Doppel-schiebers

Polbahnen werden beispielsweise bei der Herstellung von Verzahnungen genutzt; dieEvolventenverzahnung fußt auf dem Abrollen einer Geraden auf einem Kreis, dieZykloidenverzahnung auf dem Abrollen eines Kreises auf einer Geraden.

3.2 Relativkinematik

Während die einfache Kinematik für eine sukzessive Betrachtung der Bewegungbenachbarter Getriebeglieder, die über Drehgelenke miteinander verbunden sind, sehroft ausreicht, ist dies bei der Kopplung über Schleifen- und Kurvengelenke schon nichtmehr der Fall. Auch der Übergang von einem Getriebeglied mit der Nummer k auf einnicht benachbartes mit der Nummer k + n (k, n: ganze Zahlen) ist nur mit den Regelnder Relativkinematik zu bewältigen.

Dazu werden die Bewegungen dreier Ebenen Ei, Ej, Ek (dreier eben bewegter Getriebe-glieder) betrachtet, die nicht miteinander gelenkig gekoppelt sein müssen. Jede Ebenehat ein eigenes (körperfestes) Koordinatensystem x*, y*, z* mit Ursprung O* (* = i, j, k).Im speziellen Fall i, j, k = 1, 2, 3 ist E1 gewöhnlich die feste Bezugsebene (Gestell) mitdem Basiskoordinatensystem x x y y z z1 1 1 , , und Ursprung O O1 , Bild 3.16.

Page 88: Getriebetechnik ||

3.2 Relativkinematik 73

y

x

E

AO

O3

y3

x3 E3

y2

E2O2

x2

1

Bild 3.16Drei bewegte Ebenen mit momen-tan gemeinsamem Punkt A

Der Punkt A kann momentan allen drei Ebenen zugeordnet werden; eine im Punkt Aangesetzte Nadel hinterlässt drei Löcher in den Ebenen E1, E2 und E3: A = A1 = A2 = A3!Der Punkt A3 als Punkt der Ebene E3 bewegt sich gegenüber der Ebene E2, die sichwiederum gegenüber der Ebene E1 bewegt. Diese Bewegungen werden

- Relativbewegung E3/E2,

- Führungsbewegung E2/E1,

- Absolutbewegung E3/E1

genannt.

3.2.1 Geschwindigkeitszustand

Für die Geschwindigkeit des Punktes A erhält man

v v vA abs A f A rel (3.32)

oder v v vA A A31 21 32 . (3.33)

Bild 3.17 veranschaulicht diese Gleichung.

Page 89: Getriebetechnik ||

74 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

Man nenntvA31 die Absolutgeschwindigkeit,vA21 die Führungsgeschwindigkeit,vA32 die Relativgeschwindigkeit

des Punktes A.

2

1

1

23

A3

A3

A2

A1

21

P12 23P

P13

v 32A

vA31

32

vA21

v 21P13

32

( )

vP13( )

31

Bild 3.17Geschwindigkeitsverhältnisse bei der Bewegung der drei Ebenen E1, E2 und E3

Allgemein gilt bei der Bewegung dreier Ebenen Ei, Ej, Ek für einen beliebigen Punkt: v v vij jk ki 0 . (3.34)

Dabei ist die Indexreihenfolge wichtig, es gilt z.B. v vij ji . (3.35)

Analog gilt für die Winkelgeschwindigkeiten dreier Ebenen Ei, Ej, Ek: ij jk ki 0 (3.36)

mit z.B. ij ji (3.37)

Page 90: Getriebetechnik ||

3.2 Relativkinematik 75

und im speziellen Fall i, j, k = 1, 2, 3 31 21 32 . (3.38)

Der Momentanpol Pik = Pki der Relativbewegung Ek/Ei bzw. Ei/Ek hat keine Geschwin-digkeit:

vP kiik

0 . (3.39)

Dazu liefert Gl. (3.34) die Identität

v vP ij P kjik ik bzw. v vP ji P jkik ik

, (3.40a)

die mit Hilfe des Kreuzproduktes auch in der Form ij ij ik kj kj ikP P P P (3.40b)

geschrieben werden kann1.

Daraus folgt der

Satz von KENNEDY/ARONHOLD:

Die drei Momentanpole Pij, Pik und Pjk dreier bewegter Ebenen (Getriebeglieder) Ei, Ejund Ek liegen stets auf einer Geraden.

Dieser Satz heißt einfach auch Dreipolsatz.

Im Rückblick auf Bild 3.17 liefert Gl. (3.40)

v v P P P PP P13 1332 21 32 23 13 21 12 13 0

. (3.41)

Die skalare Auswertung der Gl. (3.40b) führt auf allgemeine Momentan-Übersetzungsverhältnisse zwischen den bewegten Ebenen:

ij ij ik kj kj ikP P P P

oder

ij

kj

kj ik

ij ik

ji

jk

P PP P

. (3.42)

1 Allgemein gilt z.B. v P AAjk jk jk

, usw.

Page 91: Getriebetechnik ||

76 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

Die Indizes i, j, k sind beliebig kombinierbar. Besonders wichtig sind die Übersetzungs-verhältnisse gegenüber dem Gestell i = 1:

ii

P PP Pjk

kj

j

k

k jk

j jk 1 1

1

1

1

. (3.43)

3.2.2 Beschleunigungszustand

Durch Ableiten von Gl. (3.34) nach der Zeit erhält man formal a a aij jk ki 0 (3.44a)

bzw. a a aki ji kj . (3.44b)

Die Beschleunigungenaki und

a ji können sofern die Bahnkurven des betrachteten

Punktes A bei den relativen Ebenenbewegungen Ek/Ei und Ej/Ei bekannt sind in ihreNormal- und Tangentialanteile zerlegt werden. Das gleiche gilt für Ek/Ej, allerdingskommt in diesem Fall die sog. CORIOLISbeschleunigung akj

c hinzu: a a a a a a a aki ki

nkit

jin

jit

kjn

kjt

kjc (3.45)

mit a vkjc

ji kj 2 (3.46)

bzw.

a a vv

P Avkj

ckjc

ji kjji

ijkj 2 2 . (3.47)

Die drei Vektoren akjc ,

ji und

vkj bilden entsprechend Gl. (3.46) ein rechtshändiges

Dreibein, Bild 3.18.

va

A

ji

kjkjc Bild 3.18

Orientierung der CORIOLISbeschleunigung

Page 92: Getriebetechnik ||

3.2 Relativkinematik 77

Für den speziellen Fall i, j, k = 1, 2, 3 nennt manaA31 die Absolutbeschleunigung,aA21 die Führungsbeschleunigung,aA32 die Relativbeschleunigung

des Punktes A.

Die CORIOLISbeschleunigung tritt stets dann auf, wenn

1. beide Bewegungen Ek/Ej und Ej/Ei existieren,

2. die Bewegung Ej/Ei keine alleinige Translation darstellt ( !) ji 0 ,

3. der Punkt A nicht mit dem Momentanpol Pjk zusammenfällt ( !) vkj 0 .

Lehrbeispiel Nr. 3.1: Kinematik der zentrischen Kurbelschleife

A3

42

11A0 = P B0 = P1412

,21 21 41

B

Bild 3.19Bezeichnungen an der zentrischen Kurbelschleife

Aufgabenstellung:

Die in Bild 3.19 skizzierte zentrische Kurbelschleife wird mit der Winkelgeschwindig-keit

an 21 und der Winkelbeschleunigung

an 21 21

angetrieben. Fürgegebene Abmessungen sind in der gezeichneten Lage die Abtriebswinkelgeschwindig-keit

ab 41 sowie die Beschleunigung

aA41 des Punktes A als Punkt des Abtriebs-

glieds 4 zu bestimmen (Maßstäbe:z

z cmcm1M ,

zv cm

s/cm1M ,z

2v

a MM

M ).

Page 93: Getriebetechnik ||

78 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

Lösung:

A3

42

B0

11

A0

a)

b)

c)

O

vv v

v

A43

A41

A41

A31

A31

A21

A21

a

a

A21a

a

A43a c

A41a n

A21a n

t

Bild 3.20Graphische Geschwindigkeits-und Beschleunigungsermittlungfür die zentrische Kurbelschleife:a) Lageplan (vgl. Bild 3.19),b) v-Plan,c) a-Plan

Mit Hilfe von Gl. (3.34) erhält man für i, j, k = 1, 3, 4 v v vA A A41 31 43 ,

wobei stets

AAvv 02121A31A gilt, da der Punkt A das verbindende Drehgelenk

23 zwischen den Gliedern 2 und 3 darstellt. Da die Richtung der Relativgeschwindig-keit

vA43 mit der Richtung des Schleifenhebels B A0 übereinstimmt und

vA41 senk-

recht darauf steht, lässt sich das Geschwindigkeitsdreieck vektoriell-analytisch odergraphisch auswerten, Bild 3.20b. Danach errechnet sich die Winkelgeschwindig-keit 41 aus der Gl. (3.14) zu

41 41 0 v B AA / .

Page 94: Getriebetechnik ||

3.2 Relativkinematik 79

Der Richtungssinn (Vorzeichen) stimmt mit demjenigen vonvA41 überein.

Satz:

Die Gleichungen der einfachen Kinematik gelten für einen Summanden in der Vek-torgleichung (3.34) für die Geschwindigkeit oder (3.44) für die Beschleunigung nurdann, wenn einer seiner Doppelindizes mit der Zahl 1 das Gestell kennzeichnet.

Auf der Beschleunigungsstufe ergibt sich nach Gl. (3.45) a a a a aA A

tAn

A A41 41 41 31 43 ,

wobei a a a a A A A AA A A

tAn

31 21 21 21 21 0 212

0

gültig und gegeben ist(Gl. (3.17a) für A A 0 und AB ).

Im Folgenden werden die Vektoren links und rechts vom letzten Gleichheitszeichen dervorstehenden Gleichung zum Schnitt gebracht, Bild 3.20c.

Vom VektoraAt41 ist die Richtung bekannt, nämlich senkrecht zum Schleifenhebel B0A

(Drehung um B0), vom VektoraAn41 sowohl die Richtung (von A auf B0 weisend) als

auch der Betrag a v B AAn

A41 412

0 ( ) / (Gl. (3.3)).

Auf der Geraden des Schleifenhebels verschwindet die relative NormalbeschleunigungaAn43 und somit auch

34 , so dass der relative Beschleunigungsvektor

aA43 übergeht

in (Gl. (3.46)) a a a a vA A

tAc

At

A43 43 43 43 31 432 .

Der Beschleunigungsanteil aAt43 hat die gleiche Richtung wie die schon ermittelte

RelativgeschwindigkeitvA43 , nämlich die des Schleifenhebels B0A. Der Term ganz

rechts in der vorstehenden Gleichung repräsentiert die CORIOLISbeschleunigung, diesich aus der Gl. (3.36) hinsichtlich

31 41 34 0 ( !) und aus der bereits ermittel-

ten GeschwindigkeitvA43 zusammensetzt.

Page 95: Getriebetechnik ||

80 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

3.3 Krümmung von Bahnkurven

3.3.1 Grundlagen

Bei der Bestimmung des Bewegungszustandes einer allgemein bewegten Ebene kommtder Krümmung von Bahnkurven eine besondere Bedeutung zu.

Ausgehend von Bild 3.2 ist durch den zum Kurvenpunkt A gehörenden Krümmungs-mittelpunkt A0, dessen Abstand AA0 vom Kurvenpunkt A gleich dem Krümmungs-radius A ist, auch die Lage des Krümmungskreises bestimmt. Er hat die gleicheKrümmung wie die Kurve und schmiegt sich deshalb an der betrachteten Stellebesonders gut an. Mathematisch ausgedrückt bedeutet das, dass der Krümmungskreisdie Kurve im betrachteten Kurvenpunkt A mindestens dreipunktig berührt.

Die Krümmung A der Kurve an einem bestimmten Kurvenpunkt A ist die Ableitung derTangentenrichtung t, ausgedrückt durch den Tangentenwinkel A nach der Bogen-länge sA:

A

AA ds

d . (3.48)

Der Kehrwert dieser Ableitung ist gleich dem Krümmungsradius A des Krümmungs-kreises. Die Kurventangente t ist gleichzeitig Tangente an den Krümmungskreis. Dem-entsprechend liegt dessen Mittelpunkt, der Krümmungsmittelpunkt, auf der Bahn-normalen zum betrachteten Kurvenpunkt. Bei einem Wendepunkt AW der Kurve liegtder zugehörige Krümmungsmittelpunkt im Unendlichen und der Krümmungsradius istunendlich. Der Kurvenverlauf wird dort durch eine Gerade, die Tangente tAW,besonders gut angenähert.

Betrachtet man wie in Bild 3.2 die Bahnkurve in einem rechtwinkligen x,y-Koordina-tensystem, so lässt sich die in Gleichung (3.48) auftretende infinitesimale BahnlängedsA über den Satz von PYTHAGORAS wie folgt ausdrücken:

22A dydxds . (3.49)

Durch Ableiten dieser Beziehung nach der Koordinate x erhält man

22

A y1dxdy1dx

ds

. (3.50)

Weiterhin gilt für den Tangentenwinkel yarctanytan AA . (3.51)

Page 96: Getriebetechnik ||

3.3 Krümmung von Bahnkurven 81

Auch diese Beziehung lässt sich nach der Koordinate x ableiten, so dass sich folgendesDifferential ergibt:

2A

y1y

dxd

. (3.52)

Erweitert man nun Gl. (3.48) formal mit dx, so lassen sich die beiden Gln. (3.50) und(3.52) einsetzen und man erhält folgende Gleichungen

232A

AA

y1

ydsdx

dxd

bzw. yy1 2

32

A

(3.53a,b)

für den Krümmungsradius als dem Kehrwert der Krümmung A.

Bei Getrieben werden die Krümmungen der Bahnkurven untersucht, die die Punkteeines Gliedes bei ihrer Bewegung relativ zu einem anderen Glied beschreiben. Wenn,wie in Bild 3.21a, C0 der Krümmungsmittelpunkt zur momentanen Lage des Punktes Ceines Gliedes relativ zu einem anderen, zweiten Glied ist, dann ist auch umgekehrt derPunkt C der momentane Krümmungsmittelpunkt für den Punkt C0 als Punkt deszweiten Gliedes relativ zum ersten (Bild 3.21b). Solche Punkte werden als ein Paarzugeordneter (konjugierter) Krümmungsmittelpunkte bezeichnet. Sie liegen immer aufeiner Geraden mit dem Relativpol für die betrachtete Relativbewegung, hier ist es derMomentanpol P31 für die Bewegung des Gliedes 3 (Koppelebene) relativ zum Glied 1(Gestell) und umgekehrt.

a) b)

Bild 3.21Zugeordneter Krümmungsmittelpunkta) für einen Punkt C der Koppelebene 3 im Gelenkviereck A0ABB0b) für einen Punkt C0 der Koppelebene 1 im Gelenkviereck A0ABB0

Page 97: Getriebetechnik ||

82 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

3.3.2 Polbahntangente und Polbahnnormale

Für die Beschreibung der Krümmungsverhältnisse einer allgemein bewegten Ebene inihrer momentanen Lage ist ein Koordinatensystem aus Polbahntangente und normale,das sogenannte t,n-System, besonders günstig. Nach Bild 3.22 ist die eine Achse desSystems die gemeinsame Tangente t von Gang- und Rastpolbahn im Geschwindigkeits-pol für die betrachtete Lage der Gliedebene (Koppelebene 3). Senkrecht darauf steht diePolbahnnormale n als zweite Achse des t,n-Systems.

Bild 3.22Polbahntangente und normale(t,n-System) für die Koppelebene 3im Gelenkviereck A0ABB0

Die Rastpolbahn p ist die Bahn, die dadurch auf der Rastebene (in Bild 3.22 die Gestell-ebene 1) entsteht, indem die Lagen des Geschwindigkeitspoles für alle Stellungen desGetriebes auf der Rastebene ermittelt werden. Analog stellt die Gangpolbahn q dieLagen des Geschwindigkeitspoles für alle Getriebestellungen relativ zur bewegtenEbene dar (in Bild 3.22 die Koppelebene 3). Dies bedeutet, dass während derBewegung des Getriebes die mit der bewegten Ebene fest verbundene Gangpolbahn aufder Rastpolbahn abrollt. Entsprechend ist die Tangente t die gemeinsame Tangente derGang- und Rastpolbahn im Geschwindigkeitspol.

Bei der Definition des t,n-Systems entspricht die positive Orientierung der t-Achse demRichtungssinn der Polverlagerung. Damit hängt die Orientierung der t-Achse vomDrehrichtungssinn der Antriebsbewegung des betrachteten Getriebes ab. Der positiveRichtungssinn der n-Achse ergibt sich, indem man die positiv orientierte Tangente um90° entgegengesetzt zur Winkelgeschwindigkeit der allgemein bewegten Ebene ( 31

in

Bild 3.22) dreht.

Page 98: Getriebetechnik ||

3.3 Krümmung von Bahnkurven 83

3.3.3 Gleichung von EULER-SAVARY

In Bild 3.23 sind für einen allgemeinen Punkt A einer bewegten Ebene die beiden un-endlich benachbarten Lagen A1 und A2 mit dem zugehörigen Krümmungsmittel-punkt A0 sowie die beiden zugehörigen Geschwindigkeitspole P und P dargestellt.A0

d

A1

A2

A

P

Pd

A-d t

P

Bild 3.23Differentielle Beziehungen für dieKrümmungsverhältnisse

Da es sich um unendlich benachbarte Lagen handelt, muss die Tangente t in Richtungvon P nach P verlaufen. Weiterhin ist der Punkt P gezeigt, der sich als Lotfußpunktdes Punktes P auf die Gerade durch A0 und P ergibt. Nach dem Strahlensatz gilt nun

0

0121

PAAA

PPAA

. (3.54)

Die in dieser Gleichung auftretenden Strecken lassen sich auch unter Berücksichtigunginfinitesimaler Größen dpPP , d und d wie folgt ausdrücken:

dPAAA 21 , (3.55)

AA sindpdsinPPPP , (3.56)

1001 PAPAAA . (3.57)

Damit ergibt sich Gl. (3.54) zu

0

0

0

10

A PAPAPA

PAPAPA

sindpdPA

. (3.58)

Page 99: Getriebetechnik ||

84 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

Durch formales Erweitern der rechten Seite dieser Gleichung mit dt erhält man

0

0

A PAPAPA

sinPA

dpdt

dtd

. (3.59)

Hierin können die Ausdrücke

Pvdtdp

und dtd (3.60a,b)

als die Polwechselgeschwindigkeit (s. auch Abschnitt 3.3.5) und als die Winkelge-schwindigkeit der bewegten Ebene aufgefasst werden. Damit erhält man letztlich eineGleichung, die unabhängig zum zuvor betrachteten Punkt der Ebene ganz allgemein fürdie bewegte Ebene formuliert werden kann:

wA

0P d1sin

PA1

PA1

v

(3.61)

Das negative Vorzeichen in dieser Gleichung berücksichtigt den Fall, dass der Pol Pzwischen den Punkten A0 und A liegt. Diese Gleichung wird auch als Gleichung vonEULER-SAVARY bezeichnet, und es kann gezeigt werden, dass der Quotient aus derWinkelgeschwindigkeit der bewegten Ebene und der Polwechselgeschwindigkeit alsder Kehrwert des Wendekreisdurchmessers dW interpretiert werden kann (s. Ab-schnitt 3.3.6).

3.3.4 Satz von BOBILLIERAusgehend von den oben hergeleiteten Beziehungen lässt sich, ohne an dieser Stellenäher darauf einzugehen, der Satz von BOBILLIER zur graphischen Konstruktion deszuvor beschriebenen t,n-Systems herleiten.

P

A0 B0 Hilfspol HAB

Kollineations-achse kAB

BA

AB

Polbahntangente t

A

B

Bild 3.24Konstruktion des t,n-Systemsnach dem Satz von BOBILLIERim Gelenkviereck A0ABB0

Page 100: Getriebetechnik ||

3.3 Krümmung von Bahnkurven 85

Sind von einer bewegten Ebene zwei Punkte dieser Ebene mit ihren zugehörigenKrümmungsmittelpunkten gegeben, so kann wie in Bild 3.24 das t,n-System konstruiertwerden. Hier sind A und B die Punkte der bewegten Koppelebene und A0 und B0 diezugehörigen Krümmungsmittelpunkte.

Zur Ermittlung des t,n-Systems bestimmt man zuerst den Pol P als Schnittpunkt derPolstrahlen A0A und B0B sowie den Hilfspol HAB als Schnittpunkt der Geraden AB undA0B0. Die Verbindungsgerade PHAB wird als Kollineationsachse kAB zu den Punkte-paaren A0,A und B0,B bezeichnet. Für die Lage des t,n-Systems gilt dann, dass diePolbahntangente t mit jedem der beiden Polstrahlen den gleichen Winkel (A bzw. B)einschließt wie der jeweils andere Polstrahl mit der Kollineationsachse kAB (Satz vonBOBILLIER).

3.3.5 Polwechselgeschwindigkeit und HARTMANNscheKonstruktion

Alternativ zu dem im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Verfahren nachBOBILLIER kann auch der Weg über die Polwechselgeschwindigkeit und die HART-MANNsche Konstruktion gewählt werden. Unter der Polwechselgeschwindigkeitversteht man die Geschwindigkeit, mit der der Geschwindigkeitspol seine Lage auf derzugehörigen Polkurve wechselt. Dementsprechend stimmt die Richtung der Pol-wechselgeschwindigkeit mit der Tangente an die Polkurven p und q überein.

In Bild 3.25 ist für ein viergliedriges Getriebe A0ABB0 ein Ersatzgetriebe zur Be-stimmung der Polwechselgeschwindigkeit gezeigt. Die dargestellte zweifache Kurbel-schleife entsteht durch Verlängerung der beiden im Gestell gelagerten Glieder 2 und 4,Hinzufügen zweier Schubglieder 5 und 6 sowie durch Einfügen zweier Schleifen-gelenke zwischen den Gliedern 2 und 5 bzw. den Gliedern 4 und 6 und einesDrehgelenkes C zwischen den Schubgliedern 5 und 6. Damit führt der Gelenkpunkt Cdieses Ersatzgetriebes die gleiche Bewegung wie der Geschwindigkeitspol P31 desursprünglichen viergliedrigen Getriebes A0ABB0 aus und kann zur Ermittlung derPolwechselgeschwindigkeit herangezogen werden.

Page 101: Getriebetechnik ||

86 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

Bild 3.25Ersatzgetriebe zur Bestimmung der Pol-wechselgeschwindigkeit der Koppelebene 3im Viergelenkgetriebe A0ABB0

A0 = P21

P31= C

B0 = P41

3

24

1

AB

21

vC41

vC64v

P

vC21

vC52v

B

vA

Bild 3.26Bestimmung der Polwechselgeschwindigkeit der Koppelebene 3 im Viergelenkgetriebe A0ABB0

Zur Bestimmung der Polwechselgeschwindigkeit kann nach Bild 3.26 die Geschwin-digkeit des Punktes C = P31 mit Hilfe der in Abschnitt 3.2 beschriebenen Relativkine-matik ermittelt werden. Dazu kann die Polwechselgeschwindigkeit Pv

als die Absolut-

geschwindigkeit des Gelenkpunktes C als Punkt der Gliedebene 5 und als Absolutge-schwindigkeit des Gelenkpunktes C als Punkt der Gliedebene 6 aufgefasst werden, sodass ausgehend von Gl. (3.33) gilt:

64C41C61C52C21C51CP vvvvvvv (3.62)

Page 102: Getriebetechnik ||

3.3 Krümmung von Bahnkurven 87

Ausgehend von einer vorzugebenden Geschwindigkeit Av des Gelenkpunktes A muss

zunächst die Geschwindigkeit Bv

des Gelenkpunktes B bestimmt werden. Dies ge-schieht sinnvollerweise nach dem Satz der gedrehten Geschwindigkeiten, wobei ambesten der Geschwindigkeitsmaßstab so gewählt werden sollte, dass die Länge desGeschwindigkeitsvektors Av

in der graphischen Konstruktion dem Abstand AA0 im

Zeichenmaßstab entspricht, d.h. Mv = Mz /21. Anschließend können die Führungs-geschwindigkeiten C21v und C41v wie in Bild 3.26 gezeigt bestimmt werden. Da dieRelativgeschwindigkeiten C52v und C64v nur entlang der jeweiligen Polstrahlen ge-richtet sein können, ergibt sich nun die Spitze des Vektors der Polwechselgeschwindig-keit als Schnittpunkt der Senkrechten in den Vektorspitzen von C21v und C41v . Damitliegt die Polwechselgeschwindigkeit nach Betrag und Richtung vor, so dass auch diePolbahntangente bekannt ist.

Natürlich kann bei bekannter Polwechselgeschwindigkeit Pv

die oben beschriebeneVorgehensweise auch umgedreht und der zugeordnete Krümmungsmittelpunkt A0 zueinem beliebigen Punkt A einer allgemein bewegten Ebene bestimmt werden.Allerdings ist es hierzu im Gegensatz zur Konstruktion nach BOBILLIER erforderlich,dass auch die Geschwindigkeit des betrachteten Punktes bekannt ist.

Bild 3.27HARTMANNsche Konstruktiondes Krümmungsmittelpunkts

Wie in Bild 3.27 gezeigt, wird zunächst der HARTMANNkreis (THALESkreis) mitdem Durchmesser PvD

konstruiert. Anschließend ergibt sich auf einfache Weise

die Komponente der Polwechselgeschwindigkeit parallel zu Av, so dass der Krüm-

mungsmittelpunkt A0 nach dem Strahlensatz ermittelt werden kann.

Page 103: Getriebetechnik ||

88 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

3.3.6 Wendepunkt und Wendekreis

Von praktischer Bedeutung sind insbesondere solche Gliedpunkte, die annäherndgeradlinig bewegt werden, also momentan einen Wendepunkt ihrer Bahn durchlaufen.Als Beispiel seien in Bild 3.28 für den momentanen Bewegungszustand der GliedebeneE wieder das t,n-System und C, C0 als ein bekanntes Paar zugeordneter Krümmungs-mittelpunkte gegeben. Gesucht ist ein Gliedpunkt GW auf der gegebenen Polgeraden g,der gerade einen Wendepunkt seiner Bahn durchläuft. Der zugeordnete Krümmungs-mittelpunkt G0 muss dementsprechend im Unendlichen liegen.

Bild 3.28Bestimmung eines Gliedpunktes GWauf der Polgeraden g, der einenWendepunkt durchläuft

Damit ergibt sich nach dem Satz von BOBILLIER der Hilfspol HCG als Schnittpunktder Kollineationsachse kCG, die mit Hilfe des Winkels G ausgehend von der Polbahn-tangente t bestimmt werden kann, und der Parallelen zu g durch C0. Anschließend er-gibt sich die Lage des gesuchten Wendepunktes GW als Schnittpunkt der Geraden HCGCmit der gegebenen Polgeraden g.

Betrachtet man nun die beiden Dreiecke PCGW und C0CHCG, so sind diese beiden Drei-ecke einander ähnlich. Dementsprechend gilt für die Verhältnisse der Dreiecksseiten

0CG

W

0 CHPG

CCPC . (3.63)

Betrachtet man nun noch das Dreieck PHCGC0, so gilt nach dem Sinussatz

C0

G

0CGsinPC

sinCH

. (3.64)

Page 104: Getriebetechnik ||

3.3 Krümmung von Bahnkurven 89

Unter Berücksichtigung, dass sich die Strecke CC0 auch durch die Differenz der je-weiligen Polabstände ausdrücken lässt, erhält man aus den beiden Gln. (3.63) und(3.64)

WC

0W

Gd1.constsin

PC1

PC1

PGsin

. (3.65)

Ein Vergleich mit Gl. (3.61) zeigt, dass sich diese Gleichung auch schreiben lässt als

GWW sindPG . (3.66)

Diese Gleichung für den Abstand des Wendepunktes GW vom Pol P stellt eine allge-meine Kreisgleichung dar, wobei dW den Durchmesser dieses Kreises beschreibt. DerKreis stellt somit den geometrischen Ort aller derjenigen Punkte einer allgemein beweg-ten Ebene dar, die momentan einen Wende- oder Flachpunkt ihrer Bahn durchlaufen.Damit ist die schon in Abschnitt 3.3.3 aufgestellte Behauptung, die für Gl. (3.61) aufge-stellt wurde, bewiesen. Der sogenannte Wendekreis kW hat seinen Mittelpunkt auf dempositiven Ast der Polbahnnormalen und geht sowohl durch den Geschwindigkeitspol Pals auch durch den sogenannten Wendepol W, er tangiert also die Polbahntangente(Bild 3.29). Die Punkte P und W haben auf der Polbahnnormalen den Abstand dW.

Bild 3.29Wendekreis kW undWendepol W

Dieser Abstand bzw. der Durchmesser dW des Wendekreises und mit dem t,n-Systemauch seine Lage relativ zum bewegten Glied ist im Allgemeinen für jede Lage desGliedes anders.

Vom Pol aus gesehen sind die Bahnkurven von Gliedpunkten innerhalb des Wende-kreises konvex (kA und kC) und außerhalb des Wendekreises konkav (kB) gekrümmt.Die Krümmung ist also immer zum Wendekreis hin gerichtet. Die Gliedpunkte, die

Page 105: Getriebetechnik ||

90 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

momentan auf dem Wendekreis liegen (z.B. CW), durchlaufen einen Wendepunkt ihrerBahn mit = ∞ und haben demzufolge auch momentan keine Normalbeschleunigung.

Sind für eine Gliedlage das t,n-System und ein Gliedpunkt bekannt, dessen zugeordne-ter Krümmungsmittelpunkt im Unendlichen liegt (Gliedpunkt liegt auf dem Wende-kreis), so ist der Wendekreis eindeutig bestimmt. Man ermittelt ihn, indem im betreffen-den Gliedpunkt die Senkrechte zum zugehörigen Polstrahl gezeichnet wird, die auf derPolbahnnormalen den Wendekreisdurchmesser dW abschneidet (THALESkreis).

Ein solcher Punkt auf dem Wendekreis lässt sich auf verschiedene Weise finden, wenndas t,n-System und ein Paar zugeordneter Krümmungsmittelpunkte bekannt sind. Eingraphisches Verfahren mit Hilfe des Satzes von BOBILLIER wurde bereits an Handvon Bild 3.28 erläutert. Rechnerisch kann dagegen unmittelbar der Schnittpunkt einesPolstrahles zu einem bekannten Punktepaar mit dem Wendekreis bestimmt werden.Bezeichnet man nach Bild 3.29 den Schnittpunkt des Polstrahles PCC0 mit dem Wen-dekreis mit CW, so lässt sich ablesen:

CWW sindPC . (3.67)

Einsetzen in Gl. (3.65) liefert schließlich

CCPCPC

PCPCPCPC

PC0

0

0

0W

. (3.68)

Bild 3.30Bezeichnungen imt,n-System

Mit der genauen Kenntnis der Eigenschaften des Wendekreises lassen sich nun die Be-ziehungen zwischen zugeordneten Krümmungsmittelpunkten, dem t,n-System und demWendekreis durch die EULER-SAVARYsche Gleichung beschreiben.

Page 106: Getriebetechnik ||

3.3 Krümmung von Bahnkurven 91

Sinnvollerweise werden dazu die Lage eines Paares zugeordneter Krümmungsmittel-punkte im t,n-System und der Wendekreis durch folgende Größen gekennzeichnet(Bild 3.30):

rC Abstand des betrachteten Gliedpunktes vom Pol, d.h. PCrC ,

rC0 Abstand des zugeordneten Krümmungsmittelpunktes vom Pol, d.h. 0C PCr0 ,

C Krümmungsradius der Bahn des betrachteten Gliedpunktes an der Stelle seinermomentanen Lage, d.h. CC0C ,

C Winkel zwischen der Polbahntangente und dem Polstrahl des betrachteten Paareszugeordneter Krümmungsmittelpunkte,

dW Durchmesser des Wendekreises in der momentanen Gliedlage.

Mit diesen Bezeichnungen lässt sich die EULER-SAVARYsche Gleichung (3.61) infolgender Form darstellen:

sind

1r1

r1

WCC 0

(3.69)

Dabei werden die Polabstände für Punkte, die in der oberen Halbebene liegen (auf derSeite der positiven Polbahnnormalen) als positiv und für Punkte in der unteren Halb-ebene als negativ vereinbart. Unter dieser Voraussetzung haben der Wendekreisdurch-messer dW und der Sinus des Winkels C zwischen Polstrahl und Polbahntangente unab-hängig von der Lage der Punkte immer positives Vorzeichen.

Für Punkte auf dem Wendekreis geht rC0 gegen unendlich. Damit folgt für den Polab-stand rW der Punkte auf dem Wendekreis die allgemeine Formulierung von Gl. (3.66),nämlich.

rW = dW sinC . (3.70)

Der Krümmungsradius C der Bahn eines Gliedpunktes ist die Differenz der Pol-abstände rC und rC0:

CCC rr0 . (3.71)

Durch Umformung der EULER-SAVARYschen Gleichung (3.69) erhält man

00 CCCWCC rrsindrr . (3.72)

Subtrahiert man nun von beiden Seiten dieser Gleichung 2Cr , so ergibt sich

CCC2CCWCC rrrrsindrr

00 . (3.73)

Page 107: Getriebetechnik ||

92 3 Geometrisch-kinematische Analyse ebener Getriebe

Damit erhält man letztlich folgende Gleichung für den gesuchten Krümmungsradius C,nämlich

CCW

2C

CCC rsindr

rr0

. (3.74)

3.4 Übungsaufgaben

Die Aufgabenstellungen und die Lösungen zu den Übungsaufgaben dieses Kapitelsfinden Sie auf den Internetseiten des Instituts für Getriebetechnik und Maschinen-dynamik der RWTH Aachen.

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=aufgaben

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=loesungen

Aufgabe 3.1Konstruktionsübungen mit dem Programm CINDERELLA

Aufgabe 3.2Kurbelschwinge mit verstellbaren Gliedlängen: Konstruktion mit dem ProgrammCINDERELLA

Aufgabe 3.3Viergelenkgetriebe: Übersetzungsverhältnis und Momentanpol

Aufgabe 3.4Planetengetriebe: Momentanpol, Geschwindigkeiten und Übersetzungsverhältnis

Aufgabe 3.5Exzentrisches Schubkurbelgetriebe: Geschwindigkeiten und Beschleunigungen

Aufgabe 3.6Horizontal-Stoßmaschine: Geschwindigkeiten und Beschleunigungen

Aufgabe 3.7Schlagmechanismus einer Webmaschine: Grafische Konstruktion nach BOBILLIERund HARTMANN

Page 108: Getriebetechnik ||

4 Numerische Getriebeanalyse

Mit den bisher angesprochenen Berechnungsmethoden lassen sich die jeweils interes-sierenden kinematischen Größen wie Lage, Geschwindigkeit und Beschleunigung derGetriebeglieder nur für eine einzelne Stellung des Getriebes berechnen. Die Analyseeines Getriebes für eine Bewegungsperiode ist somit sehr zeitaufwendig, zumal diezeichnerisch-anschaulichen Verfahren komplizierter zu programmieren sind. Für dieBerechnung mit dem Computer sind daher andere Ansätze notwendig.

In diesem Kapitel werden zwei Methoden vorgestellt, die sich besonders für dienumerische Getriebeanalyse eignen, da sie einfach zu programmierende Algorithmenbenutzen:

Vektorielle Methode

Modulmethode

Die erste Methode setzt die Formulierung der vektoriellen Geschlossenheitsbedin-gung(en) für ein Getriebe voraus, aus denen sich die für ein Getriebe typische Funktio-nalmatrix aufbauen lässt, nämlich die JACOBI-Matrix oder Matrix der partiellenÜbertragungsfunktionen 1. Ordnung. Da die meisten ebenen (und auch räumlichen)Getriebe eine oder mehrere geschlossene kinematischen Ketten zur Grundlage haben,ergeben sich die Geschlossenheitsbedingungen fast automatisch. Die Gleichungen fürdie Lage eines Getriebes sind wegen der auftretenden trigonometrischen Funktionen inden x- und y-Komponenten der vektoriellen Geschlossenheitsbedingungen allerdingsfast immer nur iterativ zu lösen. Die Erweiterung der vektoriellen Methode auf dieBerechnung von Koppelkurven (Bahnen einzelner Getriebepunkte) ist wiederum sehreinfach, ebenso wie die Ermittlung von Geschwindigkeiten und Beschleunigungen.

Die zweite Methode zerlegt ein Getriebe in einfachere Bauformen (Elementargruppen),die für sich kinematisch (und kinetostatisch) bestimmt sind, d.h. deren kinematischeAusgangsgrößen sich bei bekannten kinematischen Eingangsgrößen eindeutigberechnen lassen. Diese Modulmethode bleibt für exakte, geschlossen-analytischeLösungen allerdings auf Zweischläge als Elementargruppen beschränkt und ist in derRichtlinie VDI 2729 umfassend beschrieben.

H. Kerle et al, Getriebetechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9895-1_4,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Page 109: Getriebetechnik ||

4 Numerische Getriebeanalyse94

4.1 Vektorielle Methode

Von einem Getriebe seien alle geometrischen Abmessungen sowie die Antriebsgrößen,d.h. deren Lage, Geschwindigkeit und Beschleunigung, bekannt. Gesucht sind die kine-matischen Größen (Winkel und Wege sowie deren zeitliche Ableitungen) allerbewegten Getriebeglieder.

Bei der vektoriellen Methode werden Gleichungen erstellt, die das Getriebe vollständiggeometrisch beschreiben und alle bekannten und unbekannten Größen( , , , , , ) i i i i i is s s enthalten. Die Nullstellen dieser Gleichungen und damit die unbe-kannten kinematischen Größen werden dann numerisch ermittelt.

Die entsprechenden Gleichungen erhält man durch die Formulierung von Geschlossen-heitsbedingungen bzw. Zwangsbedingungen. Als Beispiel sei eine einfache Schub-kurbel betrachtet (Bild 4.1).

Bild 4.1Bezeichnungen an einer zentri-schen Schubkurbel für dievektorielle Methode. Mit

e

sind die Einheitsvektoren aufden Verbindungsgeraden derGelenke bezeichnet.

Von dieser Schubkurbel seien die folgenden Abmessungen gegeben:

A A a r

AB b r0 2

3

Gesucht sind zunächst die unbekannten Größen 3 und s1.

Die Geschlossenheitsbedingung fordert anschaulich, dass das Getriebe nicht ausein-ander fällt, da die Getriebeglieder gelenkig miteinander verbunden sind. Ordnet manden Getriebegliedern Vektoren in der x-y-Ebene zu, so bedeutet die Geschlossenheits-bedingung, dass diese Vektoren sich zum Nullvektor ergänzen müssen:

Page 110: Getriebetechnik ||

4.1 Vektorielle Methode 95

A A e AB e s ex0 2 3 1 0

oder (4.1)

r e r e s ex2 2 3 3 1 0

Die letzten Terme der Gl. (4.1) sind negativ, weil Glied 3 und die GestellgeradeA B0entgegen der positiven Richtung der Einheitsvektoren

e3 und

ex durchlaufen werden.

Drückt man die Einheitsvektoren mit Hilfe der Winkel aus, erhält man die Vektorform

r r

s2

2

23

3

3

1

000

cossin

cossin

. (4.2)

Gl. (4.2) kann aufgespalten werden in zwei Gleichungen; dies entspricht der Projektionder Vektoren auf die x- bzw. y-Achse:

1 2 2 3 3 1

2 2 2 3 3

00

r r sr rcos cossin sin

(4.3)

In diesen beiden Gleichungen sind alle bekannten und unbekannten Winkel und Wegeenthalten. Alle Kombinationen von s1, 2 und 3, die Gl. (4.3) zu null werden lassen,sind mögliche Lagen des Getriebes. Da 2 als Antriebswinkel bekannt ist, reichen zweiGleichungen zur Berechnung der Unbekannten s1 und 3 aus. Jede Zwangsbedingung inder Form der Gl. (4.1) liefert zwei Gleichungen zur Bestimmung der Unbekannten. Fürdie Berechnung von jeweils zwei Unbekannten des Getriebes benötigt man also eineZwangsbedingung bzw. Schleifengleichung. Bei ebenen Getrieben mit n Gliedern undg Gelenken vom Freiheitsgrad f = 1 beträgt die Anzahl p der notwendigen Schleifen

p g n ( )1 . (4.4)

Die Zwangsbedingungen liefern also ein System von 2 p nichtlinearen Gleichungenmit 2 p Unbekannten, das in allgemeiner Form lautet:

( )q 0 . (4.5)

ist der Vektor der 2 p Zwangsbedingungen,

q der Vektor der 2 p Unbekannten.

Dieses Gleichungssystem kann fast immer nur iterativ gelöst werden. Im Fall derSchubkurbel ist eine geschlossen-analytische Lösung der Gl. (4.3) angebbar, die somitzum Vergleich mit der iterativen Lösung herangezogen werden kann.

Page 111: Getriebetechnik ||

4 Numerische Getriebeanalyse96

4.1.1 Iterative Lösung der Lagegleichungen

Die Nullstellen nichtlinearer Gleichungssysteme lassen sich in der Regel nicht direktermitteln. Eine Möglichkeit zur numerischen Lösung solcher Gleichungssysteme ist dieIterationsmethode nach NEWTON-RAPHSON, die anhand eines einfachen, zwei-dimensionalen Beispiels erläutert werden soll [4.1].

In Bild 4.2 ist eine Funktion Φ(q) dargestellt, deren Nullstelle gesucht ist. Ausgehendvom Startwert iq , für den also der Funktionswert )Φ(q i und die Ableitung )(qΦ i be-kannt sind, ist eine Näherung für die Nullstelle gegeben durch

0Δq)(qΦ)Φ(q ii . (4.6)

Daraus erhält man

)(qΦ)Φ(q

Δqi

i

. (4.7)

Bild 4.2Nullstellensuche bei einer Variablen

Formal kommt man auf dasselbe Ergebnis, wenn man die Funktion Φ um den Startwertiq in eine TAYLOR-Reihe entwickelt, d.h.

0...Δq2!)(qΦ

Δq)(qΦ)Φ(qΔq)Φ(q 2iiii , (4.8)

Page 112: Getriebetechnik ||

4.1 Vektorielle Methode 97

und nach dem linearen Glied abbricht. Aufgelöst nach Δq erhält man

)(qΦ)Φ(q

Δqi

i

. (4.9)

Einen verbesserten Wert für die Nullstelle q erhält man durch die Iterationsvorschrift

Δqqq i1i . (4.10)

Mit diesem 1iq berechnet man erneut Δq und verbessert so die Näherung der Null-stelle schrittweise. Die Iteration wird abgebrochen, wenn Δq betragsmäßig eine be-stimmte vorgegebene Grenze unterschreitet -

εΔq (4.11)

- oder wenn Φ(q) betragsmäßig gegen null konvergiert -

ε)Φ(q 1i (4.12)

- oder eine bestimmte Anzahl von Iterationen erreicht ist.

4.1.2 Erweiterung auf den mehrdimensionalen Fall

Ebenso wie die Funktion mit einer Variablen kann die n-dimensionale Vektor-funktion

1 2, , , n

T in eine TAYLOR-Reihe entwickelt werden, die nachden linearen Gliedern abgebrochen wird:

( ) ( )( )

... ( ) ( ) ...q q qqq

q q q qi ii

ii i

J 0 . (4.13)

Der Term

( )qqi

iwird JACOBI-Matrix J genannt. Für das Beispielgetriebe aus

Bild 4.1 lautet die JACOBI-Matrix

J

( ) sin

cosqq

s

s

rr

1

3

1

1

2

3

2

1

3 3

3 3

10. (4.14)

Den Vektor

q q q q nT 1 2, , , errechnet man aus

q q qi i J 1( ) ( ) (4.15)

Page 113: Getriebetechnik ||

4 Numerische Getriebeanalyse98

und den neuen Vektorq i1 aus

q q qi i 1 . (4.16)

Die Iteration wird abgebrochen, wenn eine der Bedingungen (4.11) oder (4.12) für allen Komponenten erfüllt ist, d.h.:

q oder (4.17)

( )q i 1 . (4.18)

In Bild 4.3 ist der gesamte Ablauf zusammengefasst.

Kennzeichnend für das NEWTON-RAPHSON-Verfahren ist eine schnelle Konvergenzin der Nähe der Nullstellen. Da aber gleichsam mit Hilfe des Gradienten auf die Null-stelle gezielt wird, ist ein guter Startwert, d.h. ein

q0 in der Nähe der Lösung, not-

wendig. Diesen kann man z.B. einer maßstäblichen Zeichnung des Getriebesentnehmen. Ist der Startwert dagegen zu weit von der Lösung entfernt, besteht dieGefahr, dass das Iterationsverfahren versagt.

4.1.3 Berechnung der Geschwindigkeiten

Durch Differentiation der Gl. (4.5) nach der Zeit erhält man allgemein die Bestim-mungsgleichung für die Geschwindigkeiten. Für das Beispielgetriebe aus Bild 4.1 giltfür die Ableitung der Gl. (4.3):

sin sin

cos cos

1 2 2 2 3 3 3 1

2 2 2 2 3 3 3

0

0

r r s

r r

(4.19)

Ordnet man die Gleichung nach Bekannten/Unbekannten, ergibt sich ( 2 ist ebensowie 2 gegeben)

rr s

rr

3 3

3 3

3

1

2 2 2

2 2 2

10

sincos

sin cos

. (4.20)

Page 114: Getriebetechnik ||

4.1 Vektorielle Methode 99

A

i=0

nein

nein

i = i+1

ja

jai > i ?max

Berechnung q )i+1

Berechnung q )

iBerechnung Jq )

Lagegleichung q

Startvektor q0

i+1

i+1 i

ii-1q = -J (q ) (q )

q q q= +

(q ) < ?

0

Bild 4.3Ablaufplan der NEWTON-RAPHSON-Iteration

Offensichtlich liegt hier ein lineares Gleichungssystem für die Geschwindigkeiten 3und s1 vor, das sich z.B. mit Hilfe des GAUSS-Verfahrens lösen lässt [4.1]. Die Koef-fizientenmatrix in Gl. (4.20) stimmt mit der JACOBI-Matrix aus Gl. (4.14) überein, sodass diese nur einmal berechnet werden muss. Einzig die rechte Seite des Gleichungs-systems ist neu zu berechnen. Sind die unbekannten Lagevariablen bekannt (durch dieIteration der Lagegleichungen), ist auf der Geschwindigkeitsstufe keine Iteration mehrnotwendig.

Page 115: Getriebetechnik ||

4 Numerische Getriebeanalyse100

4.1.4 Berechnung der Beschleunigungen

Nochmaliges Differenzieren von Gl. (4.19) nach der Zeit führt zu den Gleichungen derBeschleunigungsstufe:

0sinrcosrsinrcosrΦ

0scosrsinrcosrsinrΦ

32333332

2222222

132333332

2222221

(4.21)

Bei bekannten Größen 2 2 2, , und 33 , kommt durch Ordnen das Gleichungs-system

32332

222222

32332

222222

1

3

33

33

sinrsinrcosr

cosrcosrsinr

s0cosr

1sinr

(4.22)

zustande. Gl. (4.22) unterscheidet sich nur in der rechten Seite von Gl. (4.20). Analogzu Gl. (4.20) können durch Inversion der JACOBI-Matrix die unbekannten Beschleuni-gungen errechnet werden.

Lehrbeispiel Nr. 4.1: Sechsgliedriges Getriebe mit Abtriebsschieber

1

1

23

4

5

7 22

2

7

5

3

6

1

8

4

5

38

6

4

anA = 00

r

r

r

r

r

r

r

r

A

Ay

x

B

B

B

4

''''

'

'

Bild 4.4Bezeichnungen amsechsgliedrigen Getriebe

Das Getriebe besteht aus 6 Gliedern und 7 Gelenken mit f = 1. Folglich sind

Page 116: Getriebetechnik ||

4.1 Vektorielle Methode 101

p g n ( ) ( )1 7 6 1 2

Zwangsbedingungen (= Schleifengleichungen) notwendig. Der Freiheitsgrad des Ge-triebes ist aber

F b n ui ( ) ( ) ( )1 3 6 1 7 2 15 14 1

Hinweis: Man kann nicht vom Freiheitsgrad auf die Anzahl der für die Iterationnotwendigen Gleichungen schließen.

Die beiden Schleifen ergeben sich durch zwei unterschiedliche Durchläufe durch dasGetriebe:

Schleife r e r e r e r e r e

Schleife r e r e r e r e r ey x

y x

1 0

2 02 2 3 3 8 8 1 6

7 7 5 5 4 4 1 6

:

:

(4.23)

Projiziert man diese Schleifengleichungen auf die x- und y-Achse, erhält man die vierLagegleichungen:

1 2 2 3 3 8 8 6

2 2 2 3 3 8 8 1

3 7 7 5 5 4 4 6

4 7 7 5 5 4 4 1

0000

r r r rr r r rr r r rr r r r

cos cos cos ,sin sin sin ,cos cos cos ,sin sin sin .

(4.24)

Mit 2 als (bekanntem) Antriebswinkel enthält Gl. (4.24) insgesamt sechs Unbekannte( 3 4 5 7 8 6, , , , , r ). Weil die Getriebeglieder 2 und 4 starr sind, gelten zwischenden Winkeln 2 und 7 sowie 4 und 8 folgende Beziehungen:

7 2 2

8 4 4

(4.25)

mit 2 und 4 als konstanten Winkeln.

Durch Einsetzen von Gl. (4.25) in Gl. (4.24) lauten die Geschlossenheitsbedingungendes Getriebes:

( , , , )

cos cos cos( )sin sin sin( )cos( ) cos cossin( ) sin sin

3 4 5 6

2 2 3 3 8 4 4 6

2 2 3 3 8 4 4 1

7 2 2 5 5 4 4 6

7 2 2 5 5 4 4 1

0r

r r r rr r r rr r r rr r r r

(4.26)

Page 117: Getriebetechnik ||

4 Numerische Getriebeanalyse102

Die Anzahl der Unbekannten beträgt nun vier ( 3 4 5 6, , , r ), so dass Gl. (4.26) mitHilfe des NEWTON-RAPHSON-Verfahrens iterativ lösbar ist.

Die für die Iteration notwendige JACOBI-Matrix lautet

0cosrcosr0

1sinrsinr0

00)cos(rcosr

10)sin(rsinr

q)q(

5544

5544

44833

44833

J . (4.27)

Die Gleichungen der Geschwindigkeitsstufe sind jetzt:

0cosrcosr)cos(r0rsinrsinr)sin(r0)cos(rcosrcosr0r)sin(rsinrsinr

4445552227

64445552227

4448333222

64448333222

(4.28)

Alle Terme in Gl. (4.28), die nur bekannte Größen enthalten, werden auf die rechteSeite der Gleichung gebracht:

)βcos(r

)βsin(r

cosr

sinr

r 2227

2227

222

222

6

5

4

3

J (4.29)

Differenziert man Gl. (4.28) ein weiteres Mal nach der Zeit, erhält man die Gleichungender Beschleunigungsstufe:

Page 118: Getriebetechnik ||

4.1 Vektorielle Methode 103

r r r r

r r r

r r r r

r r

r

2 2 2 2 22

2 3 3 3 3 32

3

8 4 4 4 8 42

4 4 6

2 2 2 2 22

2 3 3 3 3 32

3

8 4 4 4 8 42

4 4

7

0

0

sin cos sin cos sin( ) cos( )

cos sin cos sin cos( ) sin( )

2 2 2 7 22

2 2 5 5 5

5 52

5 4 4 4 4 42

4 6

7 2 2 2 7 22

2 2 5 5 5

5 52

5 4 4 4 4 42

4

0

0

sin( ) cos( ) sin cos sin cos

cos( ) sin( ) cos sin cos sin

r r

r r r r

r r r

r r r

(4.30)

Durch Ordnen nach bekannten und unbekannten Größen ergibt sich

.

sinrsinr)sin(r)cos(r

cosrcosr)cos(r)sin(r)sin(rsinrsinrcosr

)cos(rcosrcosrsinr

r

42445

25522

2272227

42445

25522

2272227

442483

2332

222222

442483

2332

222222

6

5

4

3

J

(4.31)

Durch iteratives Lösen der Gl.(4.24) errechnet man im ersten Schritt alle unbekanntenWinkel, um danach durch Inversion von Gl. (4.29) die unbekannten Geschwindig-keiten, durch Inversion von Gl. (4.31) die unbekannten Beschleunigungen zuerrechnen.

4.1.5 Berechnung von Koppel- und Vektorkurven

Die Iterationsmethode liefert nicht direkt die kinematischen Größen einzelner Getriebe-punkte. Diese können aber leicht in einer Nachlaufrechnung ermittelt werden. Für das

Page 119: Getriebetechnik ||

4 Numerische Getriebeanalyse104

Lehrbeispiel Nr. 4.1 soll die Bahn, Geschwindigkeit und Beschleunigung des Gelenk-punktes B berechnet werden.

Für die Koordinaten x yB B , in Bild 4.4 gilt

x r ry r rB

B

7 2 2 5 5

7 2 2 5 5

cos( ) cos ,sin( ) sin

(4.32)

oder

x r ry r rB

B

6 4 4

1 4 4

cos ,sin .

(4.33)

Die Geschwindigkeit und Beschleunigung des Punktes B erhält man durch Differen-zieren von z.B. Gl. (4.33):

444B

4446B

cosry

sinrrx

(4.34)

4244444B

42444446B

sinrcosry

cosrsinrrx

4.1.6 Die Bedeutung der JACOBI-Matrix

Für die kinematische Beschreibung von Getrieben hat die JACOBI-Matrix eine zentraleBedeutung.

Mathematisch gesehen beschreibt die JACOBI-Matrix die partiellen Steigungen derGetriebegliedlagen, d.h. partielle Übertragungsfunktionen 1. Ordnung. Die Schleifen-gleichungen sind für jede Kombination von Unbekannten (Winkel und Wege) erfüllt,die zu einer zulässigen Lage des den Gleichungen zugrunde liegenden Getriebesgehören. Bei einem Getriebe mit einem Freiheitsgrad F 1 entspricht dies einer Kurve,bei F 2 einer Fläche im Raum. Jede Lage des Getriebes liegt auf dieser Kurve. DieJACOBI-Matrix gibt nun in jedem Punkt der Kurve die Steigung an. Parameter dieserKurve ist die Antriebskoordinate, d.h. sinngemäß, die Antriebskoordinate bestimmt, aufwelchem Punkt der Kurve man sich befindet. Bei umlauffähigen Getrieben sind dieKurven geschlossen. Bei dem in Bild 4.5 skizzierten sog. Phasendiagramm handelt essich um die Darstellung Schubweg s1 über Koppelwinkel 3 der zentrischen Schub-kurbel, vgl. Bild 4.1.

Page 120: Getriebetechnik ||

4.1 Vektorielle Methode 105

150 160 170 180 190 200 210

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

3[°

2

s 1[m]

Bild 4.5Phasendiagramm einer Schubkurbel (Antrieb durch Kurbel)

Die JACOBI-Matrix enthält somit alle notwendigen Informationen über das Be-wegungsverhalten des Getriebes. Sie stellt einen eindeutigen Zusammenhang zwischenden Antriebs- und Abtriebskoordinaten her.

Immer dann, wenn dieser eindeutige Zusammenhang verloren geht, z.B. wenn das Ge-triebe sperrt oder zusätzliche Bewegungsfreiheiten gewinnt, ist die Determinante derJACOBI-Matrix null. Man nennt dies eine singuläre Stellung des Getriebes [4.2]. Dassoll am Beispiel der Schubkurbel gezeigt werden.

Die Schleifengleichungen der Schubkurbel werden hier nochmals angegeben:

1 2 2 3 3 1

2 2 2 3 3

00

r r sr rcos cos ,sin sin .

(4.35)

Wenn der Antrieb am Schieber erfolgt, lautet die JACOBI-Matrix:

JSr rr r

2 2 3 3

2 2 3 3

sin sincos cos

. (4.36)

Für die Determinante gilt

det( ) sin cos cos sinJS r r r r 2 3 2 3 2 3 2 3 . (4.37)

In den Totlagen (vB = 0) der zentrischen Schubkurbel ist 2 3 0 bzw. , unddamit wird die Determinante in diesen Stellungen

Page 121: Getriebetechnik ||

4 Numerische Getriebeanalyse106

det( ) ,JS 2 3 00

. (4.38)

Anschaulich bedeutet dies, dass vom Schieber aus die Kurbel nicht bewegt werdenkann; das Getriebe sperrt! Andererseits kann man die Antriebskurbel (differentiell)verdrehen, ohne dass sich der Schieber bewegt. Dieser Effekt wird in Kniehebel-getrieben ausgenutzt.

Bildet man die JACOBI-Matrix für den Fall, dass der Antrieb an der Kurbel erfolgt, soerhält man für die Determinante (vgl. Gl. (4.14))

det( ) cos .JK r 3 3 (4.39)

Die Determinante wird für 3 = /2 null. Dieser Fall kann nur dann eintreten, wennr2 = r3 ist. Für den Normalfall r2 < r3 erreicht die Schubkurbel niemals eine singuläreStellung, wenn an der Kurbel angetrieben wird.

4.2 Modulmethode

P

P

s

EG Zweischlag EG Zweischlag

EG Drehantrieb EG Abtriebsschieber

s

l3

l3

P3

P33

l4

l48P

8P8P

4P

4P4P

P5P5l5l5 l6l6

P6P6

P7

P7P1

P1

l1

l1

P2

P22

l2

l2

wan

wan

Bild 4.6Zerlegung eines ebenen Getriebes in Elementargruppen (EG)

Ebene Getriebe bestehen gewöhnlich aus einer Reihe von einfachen Baugruppen, diekinematische Elementargruppen [4.3] genannt werden. Die Elementargruppen sindkinematisch bestimmt, d.h. es existiert ein eindeutiger Zusammenhang zwischen denkinematischen Eingangs- und Ausgangsgrößen. In Bild 4.6 sind die Elementargruppeneines achtgliedrigen Getriebes dargestellt.

Page 122: Getriebetechnik ||

4.2 Modulmethode 107

Die Eingangs- und Ausgangsgrößen jeder Elementargruppe, z.B. die x-y-Koordinateneines Punktes P sowie deren Ableitungen nach der Zeit oder ein Winkel w oder einWeg s mit zeitlichen Ableitungen werden im Vektor

P bzw.

W oder

S zusammenge-

fasst. Die Ausgangsgrößen einer EG sind die Eingangsgrößen einer anderen EG. Da-durch kann das Getriebe durch sukzessives Abarbeiten der EG vollständig berechnetwerden, ohne dass weitere Zwischenrechnungen notwendig sind. Die Rechenreihen-folge für das Getriebe in Bild 4.6 ist beispielsweise:

Elementargruppe Eingangsgrößen Ausgangsgrößen

Drehantrieb DAN l P Wan1 1, ,

P2Abtriebsschieber DDS l P P P2 2 7 8, , ,

P3

Zweischlag DDD l l P P3 4 3 8, , ,

P4Zweischlag DDD l l P P5 6 4 6, , ,

P5

Diese Vorgehensweise wird Modulare Getriebeanalyse oder kurz Modulmethodenach Richtlinie VDI 2729 genannt. Die Methode ist immer dann anwendbar, wenn

sich das gesamte Getriebe auf Zweischläge zurückführen lässt,

die Anzahl der Freiheiten gleich der Anzahl der Antriebe ist,

bei der betrachteten Getriebestellung alle Antriebsgrößen (Lage, Geschwindigkeit,Beschleunigung) bekannt sind,

alle Getriebeglieder als starr und alle Gelenke als spielfrei betrachtet werden können.

Diese Voraussetzungen sind bei dem Beispielgetriebe in Bild 4.6 gegeben. Für diecomputergestützte Getriebeanalyse können die Gleichungen für jede Elementargruppezu einem Unterprogramm zusammengefasst werden. Das Hauptprogramm enthältdann nur noch die Deklaration der Variablen und die Aufrufe der Unterprogramme(Module). Die Unterprogramme können leicht innerhalb einer Schleife für die An-triebsgröße(n) aufgerufen werden, so dass jede Stellung des Getriebes berechnet wird.

Im Gegensatz zur Iterationsmethode, bei der zunächst nur Winkel und Wege berechnetwerden, erhält man bei der Modulmethode alle kinematischen Größen der Gelenk-punkte, d.h. ihre Koordinaten, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen. Winkel undWege sowie deren zeitliche Ableitungen können mit Hilfsmodulen berechnet werden.Ein wichtiger Unterschied zur Iterationsmethode ist weiterhin, dass die Modulmethodedie exakte und nicht nur eine Näherungslösung liefert. Ein Nachteil der Modulmethode

Page 123: Getriebetechnik ||

4 Numerische Getriebeanalyse108

ist die Beschränkung auf Zweischläge. Getriebe wie in Bild 4.7 lassen sich nicht mit derModulmethode berechnen, weil entweder die Lage eines Bezugsgliedes nicht unabhängig ist von dem Antrieb, derrelativ zu diesem Bezugsglied eingeleitet wird, oder

das vom Antrieb befreite Restgetriebe sich nicht in Zweischläge zerlegen lässt,sondern selbst eine Elementargruppe höherer Bauform darstellt (Kontrollgleichung:3 2 0n g , s. Abschnitt 5.2.1).

Eine Übersicht über alle in der Richtlinie VDI 2729 vorhandenen Module gibt Ta-fel 4.1. In der Richtlinie sind sämtliche Berechnungsgleichungen in besonderseffizienter Form aufgeführt.

Antrieb wirkt auf zweibewegte Glieder

ViergliedrigeAnschlußgruppen

an an

an

Bild 4.7Mit der Modulmethode nicht berechenbare Getriebe (nach VDI 2729)

1 2

P

2P

1PK= -1

K= +1

x

y

l1

2

Zweischlag mit dreiDrehgelenken

P1, P2

l

DDD

l l K, , P

1 2 Bild 4.8Elementargruppe Zweischlag (DDD)

Page 124: Getriebetechnik ||

4.2 Modulmethode 109

Tafel 4.1 Module nach Richtlinie VDI 2729 (Anschlussgelenke: )

+v2

+v1

v13P

3P

2P1P

v22

1 v

v1

2P

+v1

+v2

4

+v1 2

2P1P

P1

K= +1 l

P1 12

P2v

W

l

21

K= -1

K= +1

+v

vP1

P2

W

3P2 P

l

P1

1P

S

1P

UP

UP,

VP

2PU

2

P1P

x

y

x

y

x

y

x

y

x

y

x x

x

y

y

y

P1, P2, P

P1, P2, P

SSD SDS RKA

P1, P2, P3v , v , W v , v

P1

P1, P2, P3, P4

P1, P2, P3

VP

DDD DSD DDS

K= -1

2

1

ll

P2

P3

x

y

P

1

P

2

P1, P2, W

P1

P1, P2

l v W , l

Zweischlag mit dreiDrehgelenken

DAN Drehantrieb SAN Schubantrieb FGP

x

y

P1, P2, S

P1, P2l , l , K l , v , K l , v , K

P1, P2, P3

P

P

RPO KMP

PW

y

x

l

1

2

Führung einesGliedpunktes

Zweischlag mit Schub -gelenk als Kopplung

Zweischlag mit Schub -gelenk als Anschluß

S

v+v

+S

K= +1

1

2

Zweischlag mit Schubgelenkals Anschluß und Kopplung

Zweischlag mit Schub -gelenken als Anschluß

Relative kartesischeKoordinaten

Relative Polarkoordinaten Krümmungsmittelpunkt

S,W

V

U

Wk

K= -1

PP

P

P

P

P

P

P

P

P

P

P

P

P

P

P

P

P

1 2

1 12 2 VP

Variable Eingangsgrößen

Konstante Eingangsgrößen

Modul-NameModul-kürzel

Skizze

Ausgangs-größen

Page 125: Getriebetechnik ||

4 Numerische Getriebeanalyse110

Für einige Elementargruppen ist neben der Eingabe von Punktkoordinaten und Längenauch die Eingabe von Lageparametern notwendig, mit denen die Lage der Getriebe-glieder zu einer Bezugsachse angegeben wird. Ein Beispiel dafür ist das Modul DDD",bei dem der Parameter K angibt, ob der Punkt P ober- oder unterhalb der Bezugs-geraden P P1 2 liegt. Das ist notwendig, weil die entsprechenden Abstände des Punktes Pvon dieser Bezugsgeraden sich mathematisch nur durch das Vorzeichen einer Quadrat-wurzel unterscheiden, Bild 4.8.

Bild 4.9Elementargruppe Drehantrieb (DAN) mitZusatzgrößen und l

Für die Elementargruppe Drehantrieb (DAN) seien nun beispielhaft die Gleichungenhergeleitet, Bild 4.9.

Eingangsgrößen sind alle kinematischen Größen der Punkte P1 und P2 , d.hx y x y x y x y x y x yP P P P P P P P P P P P1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2, , , , , , , , , , , , des Winkels W ( , , )w w w unddie Länge l der Kurbel. Ausgangsgrößen sind alle kinematischen Größen des Punktes P( , , , , , )x y x y x yP P P P P P .

Der Abstand zwischen P1 und P2 ist

l x x y yP P P P2 12

2 12 . (4.40)

Für den Winkel , den die Gerade P P1 2 mit der x-Achse einschließt, gilt

sin

y yl

P P2 1 oder cos

x xl

P P2 1 . (4.41)

Page 126: Getriebetechnik ||

4.2 Modulmethode 111

Die Koordinaten des Punktes P lauten:

x x l w

x l w w

x lx x

lw

y yl

w

P P

P

PP P P P

1

1

12 1 2 1

cos

cos cos sin sin

cos sin ,

(4.42)

y y l w

y ly y

lw

x xl

w

P P

PP P P P

1

12 1 2 1

sin

cos sin .

(4.43)

Ausgehend von Gl. (4.42) und (4.43) gilt für die Geschwindigkeiten:

sin ,

cos .

x x l w w

y y l w w

P P

P P

1

1

(4.44)

Die Größen , , x y wP P1 1 sind bekannt, erhält man aus Gl. (4.41):

ddt

y y l y y ll

P P P Psin cos

2 1 2 1

2 , (4.45)

lx x x x y y y y

x x y y

P P P P P P P P

P P P P

2 1 2 1 2 1 2 1

2 12

2 12

. (4.46)

Löst man Gl. (4.45) nach auf, ergibt sich:

y yx x

y yx x

ll

P P

P P

P P

P P

2 1

2 1

2 1

2 1. (4.47)

Einsetzen von Gl. (4.47) in Gl. (4.44) und Anwenden der Additionstheoreme liefert diegewünschten Gleichungen für die Geschwindigkeiten. Zur Ermittlung der Beschleu-nigungen leitet man Gl. (4.44) ein zweites Mal nach der Zeit ab. Als neue Unbekannteerscheint , die durch Ableiten von Gl. (4.47) bestimmt wird.

Page 127: Getriebetechnik ||

4 Numerische Getriebeanalyse112

4.3 Übungsaufgaben

Die Aufgabenstellungen und die Lösungen zu den Übungsaufgaben dieses Kapitelsfinden Sie auf den Internetseiten des Instituts für Getriebetechnik und Maschinen-dynamik der RWTH Aachen.

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=aufgaben

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=loesungen

Aufgabe 4.1Gleichschenkliges Viergelenkgetriebe (Iterationsmethode): Variablendefinition,Schleifengleichungen, JACOBI-Matrix

Aufgabe 4.2Schubkurbelgetriebe (Modulmethode): Variablendefinition, Modulaufrufreihenfolge

Aufgabe 4.3Sechsgliedriges Getriebe: Variablendefinition, Schleifengleichungen, JACOBI-Matix,Modulaufrufreihenfolge

Page 128: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die gebräuchlichsten Verfahren für die Ermitt-lung von Kräften in Getrieben und stellt die dafür notwendigen grundlegenden Glei-chungen zur Verfügung, die allesamt auf Prinzipien der (technischen) Mechanik auf-bauen.

Man unterscheidet zwischen der statischen Analyse und der kinetostatischen Analysevon Getrieben, je nachdem, ob die Trägheitswirkungen nach dem d´ALEMBERTschenPrinzip ausgeklammert oder als eine besondere Gruppe von Kräften berücksichtigtwerden. Um den Rahmen des Buches nicht zu sprengen, werden keine Bewegungsdiffe-rentialgleichungen gelöst, sondern der Beschleunigungszustand eines Getriebes alsdeterminiert, d.h. bekannt vorausgesetzt (2. WITTENBAUERsche Grundaufgabe).

Nach einer Definition der in einem Getriebe wirkenden Kräfte werden das Gelenkkraft-verfahren, die synthetische Methode und das Prinzip der virtuellen Leistungen vorge-stellt und eingehend anhand von Lehrbeispielen erläutert. Das Gelenkkraftverfahren istdabei besonders anschaulich und leicht nachvollziehbar.

5.1 Einteilung der Kräfte

Die Kräftebestimmung in Getrieben setzt die Kenntnis aller am Getriebe als mecha-nischem System wirksamen Kräfte und Momente (= Kräftepaare) voraus. Dabei istzwischen inneren, äußeren und Trägheitskräften zu unterscheiden.

Bild 5.1a zeigt ein viergliedriges Getriebe, bestehend aus einem Verband starrerScheiben, die mittels Federn und von außen angreifenden Kräften und Momentengegeneinander verspannt sind. Wird der Scheibenverband an den Verbindungsstellen(z.B. Drehgelenke) aufgetrennt und werden die Federn durch ihre wirksamenFederkräfte ersetzt, ist das Getriebe in einzelne Glieder zerlegt (Bild 5.1b), die für sichjeweils im Kräfte- und Momentengleichgewicht sein müssen.

H. Kerle et al, Getriebetechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9895-1_5,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Page 129: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe114

2

1

1

12

1212

12

21

an

2F

F F

F

F

FF

F

F

F

F

F

2

an

4

14

14

4

4

4

14

41

41

14

144

4

323

34

3

3

323

23

23

32

3434

34

43

3

3

2MM

MMM

M

2

G

G

G

G

G

G

G

G

2442

2

1

1

b)

a)

Bild 5.1a) Viergliedriges Getriebe als Verband starrer Scheiben, b) mit freigeschnittenen Gliedern

Wie schon erwähnt, lassen sich die nicht zu den Trägheitskräften zählenden Kräfte ininnere und äußere Kräfte unterteilen:

Innere Kräfte treten stets paarweise auf, ergänzen sich zum Nullvektor underhalten einen Doppelindex, z.B.

- Gelenkkräfte G Gij ji

- Federkräfte F Fkl lk

Dabei gibt der erste Index an, von welchem Getriebeglied die Kraft kommt, und derzweite Index, an welchem Getriebeglied die Kraft wirkt.

Page 130: Getriebetechnik ||

5.1 Einteilung der Kräfte 115

Äußere Kräfte sind meist physikalischen Ursprungs, d.h. vorgegebene, sog. Einge-prägte Kräfte. Sie erhalten einen Einfachindex, der angibt, an welchem Getriebe-glied die Kraft wirkt, z.B.

- AntriebskräfteFi ,

- Abtriebsmomente (= Abtriebskräftepaare)M j ,

- GewichtskräfteGk .

Die Unterteilung in innere Kräfte und äußere Kräfte hängt ab vom Systembegriff,d.h. von den betrachteten Systemgrenzen. Wir unterscheiden zwischen

einem einzelnen Getriebeglied mit F = 3 in der Ebene,

einer Gruppe von Getriebegliedern, die für sich (kineto-)statisch bestimmt ist, d.hfür die F = 0 gilt und

dem Gesamtgetriebe mit F 1.

5.1.1 Trägheitskräfte

Trägheitskräfte sind als kinetische Reaktion oder Rückwirkung auf eine erzwungeneBewegung eines Getriebegliedes zu verstehen. Sie lassen sich aus den kinetischenGrundgleichungen (Impuls- und Drallsatz) ermitteln. Trägheitskräfte sind abhängig von

der Masse,

der Massenverteilung und

dem Beschleunigungszustand

eines Getriebegliedes. Sie belasten zusätzlich jedes massebehaftete Glied und somitauch die Verbindungsgelenke zwischen den Gliedern. In Bild 5.2 sind die Trägheits-wirkungen einer in der x-y-Ebene beschleunigten Scheibe mit dem polaren Massen-trägheitsmoment (Drehmasse) J r dms 2 um die z-Achse senkrecht zur x-y-Ebenedurch den Schwerpunkt S mit der Masse m dargestellt.

Page 131: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe116

T = -m a

,

M = -J m, J

T

T

dm

x

y

r

S a

y

x

s T s

s

s

s

s

x

y

Bild 5.2In der x-y-Ebene bewegte starre Scheibe

Bei einer Winkelbeschleunigung der Scheibe

ddt

ddt

2

2

und einer Linearbeschleunigung a x ys s sT , des Schwerpunkts lassen sich die Träg-

heitswirkungen nach dem dALEMBERTschen Prinzip als äußere Kräfte/Momentedarstellen; nämlich als

- Trägheitskraft: T m as und als

- Drehmoment infolge der Trägheitswirkung (Massendrehmoment): M JT s .

5.1.2 Gelenk- und Reibungskräfte

Die Gelenkkräfte zwischen den Getriebegliedern werden an den Berührstellen der Ge-lenkelemente übertragen. In Bild 5.3 sind drei verschiedene Bauformen von Gelenkendargestellt: Kurvengelenk, Drehgelenk, und Schubgelenk. Die am j-ten Element auf-tretende Gelenkkraft

Gij , aufgebracht vom i-ten Element, lässt sich zerlegen in eine

NormalkraftNij und in eine Reibungskraft

Rij . Die Normalkraft weist in Richtung

der Berührungsnormalen n der beiden zugeordneten Glieder. Die Richtung derReibungskraft ist durch die zugehörige Tangente t an der Berührstelle vorgegeben. EineVerformung der Berührstelle soll vernachlässigt werden. Damit kann eine relative

Page 132: Getriebetechnik ||

5.1 Einteilung der Kräfte 117

Bewegung des Gliedes j gegenüber dem Glied i mit der Geschwindigkeit v ji nur in

Richtung dieser Tangente t stattfinden. Es gilt

G N Rij ij ij und

G N Rij ij ij

2 2. (5.1)

Mit Einführung einer Reibungszahl R kann die Reibungskraft wie folgt formuliertwerden:

R Nij R ij (5.2)

Die ReibungskraftRij ist stets der Relativgeschwindigkeit

v v vji jl il entgegen-

gerichtet. Aus Bild 5.3 lässt sich ablesen:

tan Rij

ijR

RN

(5.3)

mit R als Reibungswinkel.

Für R 0 (Vernachlässigung der Reibung) ist G Nij ij . Bei Berührungen von zwei

Körpern gibt es nicht nur die Reibungskraft, sondern auch eine Haftkraft. Dieser Haft-kraft ist - wie R bei der Reibungskraft - eine Haftzahl H zugeordnet. Es gilt

R H . (5.4)

Erst nach Überwinden der Haftkraft kann eine Relativbewegung (Gleiten) eintreten.Dies bedeutet einen Sprung in den Kräfteverhältnissen (slip-stick-Effekte).

Es werden verschiedene Arten von Reibungskräften unterschieden, die alle immer derBewegung entgegenwirken.

Allgemein lässt sich schreiben R v vij ji ji

p~ ;

1(5.5)

dabei liegt mit

p = 0 COULOMBsche Reibung,

p = 1 NEWTONsche Reibung und

p = 2 Strömungsreibung

vor. Der Proportionalitätsfaktor für Gl. (5.5) hängt von den physikalischen Bedingun-gen an der Berührstelle der Gelenkelemente ab. Bei einem Drehgelenk (Bild 5.3b) mitdem Zapfenradius r kommt im Fall der COULOMBschen Reibung ein weiterer Begriff

Page 133: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe118

hinzu, der Reibungskreis mit dem Radius rR. Dieser Kreis wird von der GelenkkraftG ji tangiert.

Bild 5.3Gelenkkräfte mit Reibungsanteil:a) Kurvengelenk,b) Drehgelenk,c) Schubgelenk

Page 134: Getriebetechnik ||

5.2 Grundlagen der Kinetostatik 119

Es gilt:

r rr

R RR

R

sin

1 2. (5.6)

Das am Drehgelenk auftretende Reibmoment hat die Größe

M r R r GRji ji R ji . (5.7)

Das Reibmoment MRji ist stets der Relativwinkelgeschwindigkeit ij i l jl ent-

gegengerichtet.

5.2 Grundlagen der Kinetostatik

Es gibt zwei Hauptaufgaben der Kinetostatik:

1. Ermittlung der Beanspruchung von Gliedern und Gelenken infolge der äußerenKräfte, einschließlich der Trägheitskräfte,

2. Ermittlung der Leistungsbilanz eines Getriebes als Gesamtsystem durch Gleichge-wicht der äußeren Kräfte, einschließlich der Trägheitskräfte.

Nach dem dALEMBERTschen Prinzip sind die Trägheitswirkungen erst zu ermitteln,wenn die kinematischen Größen bekannt sind; die kinematische Analyse stellt also dieVorstufe der kinetostatischen Analyse dar.

Zur Lösung der beiden Hauptaufgaben gibt es verschiedene Methoden:

1. Gelenkkraftverfahren: ein überwiegend graphisches Verfahren mit großer An-schaulichkeit; hierzu gehören auch das Kraft- und Seileckverfahren.

2. Synthetische Methode: ein rechnerisches Verfahren nach dem Schnittprinzip(Freischneiden der Getriebeglieder); hierzu gehört der Aufbau eines linearenGleichungssystems mit unbekannten Kraftkomponenten und Momenten.

3. Prinzip der virtuellen Leistungen: ein sowohl rechnerisches als auch graphischesVerfahren für das Getriebe als Gesamtsystem, bei dem Reibungseinflüsse globalbetrachtet werden können, um zu Abschätzungen hinsichtlich der Auswirkungen zugelangen [19]. Das entsprechende graphische Verfahren ist auch unter dem BegriffJOUKOWSKY-Hebel bekannt.

Page 135: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe120

5.2.1 Gelenkkraftverfahren

Das Gelenkkraftverfahren lässt sich auf die Lösung der Elementar-Gleichgewichts-aufgabe für drei Kräfte im Dreieck zurückführen, Bild 5.4.

Satz: Drei an einem starren Getriebeglied i angreifende Kräfte sind dann und nurdann im Gleichgewicht, wenn

a) sich ihre Wirkungslinien im Lageplan (Bild 5.4a) in einem Punktschneiden (Schnittpunkt SPi) und

b) ihre Vektorsumme im Kräfteplan (Bild 5.4b) einem Nullvektor ent-spricht, d.h.

G G Gi ji i 1 0,i .

Glied i

a)

SP

SP

i

i

G

G G

GGG

ji

ii

i-1,i

i-1,i

ji

b)

Si

Bild 5.4Drei Kräfte an einem Getriebeglied i: a) Lageplan, b) Kräfteplan (Gewichtskraft

Gi im Schwer-

punkt Si )

Eine Ausnahme bildet der masselose Stab mit Gi 0 ; in diesem Fall ist

G Gji i i 1, , d.h. der Stab überträgt nur Zug- oder Druckkräfte.

Um ein Kräftedreieck im Kräfteplan zeichnen zu können, müssen Richtung (Wirkungs-linie), Richtungssinn und Betrag einer Kraft bekannt sein, von einer zweiten Kraft nurdie Richtung.

Glieder und Gliedergruppen, die sich durch ein- oder mehrmalige Lösung der Elemen-tar-Gleichgewichtsaufgabe hinsichtlich der Kräfte analysieren lassen, sind (kineto-)statisch bestimmt. Sie lassen sich nach ASSUR in Klassen einteilen [6]. Bild 5.5 zeigt

Page 136: Getriebetechnik ||

5.2 Grundlagen der Kinetostatik 121

einige Beispiele. Wenn die Anschlussgelenke dieser Gruppen als gestellfest aufgefasstwerden, haben sie den Getriebefreiheitsgrad F = 0, d.h. sie sind Fachwerke oder(kineto-)statische Elementargruppen (EG). Für eine EG der Klasse II und höher mit nurDreh- und Schubgelenken gilt 3n - 2g = 0 (n: Anzahl der Glieder, g: Anzahl der Ge-lenke). Die Klasse I umfasst vornehmlich einfache Antriebsglieder und verlangt außerder durch einen Pfeil gekennzeichneten gegebenen Einzelkraft noch die weitereVorgabe der Richtung einer Gelenkkraft, symbolisch dargestellt durch eine gestrichelteLinie. Damit sind Glieder dieser Gruppe mit belasteten Balken vergleichbar.

Bild 5.5Elementargruppen der Klassen I - IV mit angreifenden äußeren Kräften

Die in Bild 5.5 gezeichneten Drehgelenke sind mit Schubgelenken austauschbar, wobeibei fehlender Reibung die entsprechende Gelenkkraft senkrecht auf der Schub- oderSchleifenrichtung steht, Bild 5.6.

b)4

3 5

7

6

G

Gi ja)

Gji

34

67

Bild 5.6Zwei Elementargruppen II. und III. Klasse - a) bzw. b) - mit Dreh- und Schubgelenken

Die EG sind mit den bereits in Abschnitt 4.2 eingeführten Modulen (kinematische EG)direkt vergleichbar.

Page 137: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe122

Satz: Vor der Kraftanalyse eines Getriebes auf der Grundlage des Gelenkkraftver-fahrens ist das Getriebe in die entsprechenden Elementargruppen zuzerlegen.

Es ist zweckmäßig, an jedem einzelnen Glied des Getriebes alle (eingeprägten) äußerenKräfte - wie Gewichtskräfte, Feder-, Abtriebs- und Antriebskräfte - und die Trägheits-kräfte zu einer resultierenden Kraft zusammenzufassen. Momente sind durch Kräfte-paare zu ersetzen.

5.2.1.1 Kraft- und Seileckverfahren

Das Kraft- und Seileckverfahren mit Lage- und Kräfteplan leistet bei der Zusammen-fassung von Kräften gute Dienste, insbesondere wenn es um die Ermittlung derWirkungslinie der resultierenden Kraft geht, Bild 5.7.

1 12

2

0

0

3 3

P

F F

F F

F

F

11

2

F

2

3

F

3

R

F

R

G

F

G

-=

b)a)

Bild 5.7Kraft- und Seileckverfahren mit drei gegebenen Kräften

Die im Lageplan (Bild 5.7a) skizzierten Kräfte 21 F,Fund

F3 greifen z.B. alle an

einem Glied an. Die resultierende KräftesummeFR ist im Kräfteplan (Bild 5.7b) sofort

zu ermitteln. Nach Wahl eines beliebigen Punktes P als Kraftpol werden vierSeilkräfte 0 bis 3 so gezeichnet, dass jede Kraft

Fi mit zwei Seilkräften ein Dreieck

bildet. Jedem Dreieck im Kräfteplan entspricht ein Schnittpunkt von sich ent-sprechenden parallelen Seilstrahlen im Lageplan; der erste und letzte Seilstrahlschneiden sich auf der Wirkungslinie von

FR .

Page 138: Getriebetechnik ||

5.2 Grundlagen der Kinetostatik 123

Satz 1: Eine Kräftegruppe ist im Gleichgewicht, wenn Krafteck Fi 0 und

Seileck Mi 0 geschlossen sind, d.h. die Gleichgewichts-

kraft F FG R liegt auf derselben Wirkungslinie wie

FR im Lageplan.

Satz 2: Das Kraft- und Seileckverfahren ist sinngemäß auch auf Elementargrup-pen mit F = 0 anwendbar.

5.2.1.2 CULMANN-Verfahren

Greifen an einem Getriebeglied oder an einer Elementargruppe mit F = 0 vier betrags-mäßig bekannte oder unbekannte Kräfte an, so können die Kräfte paarweise zu zweiresultierenden CULMANN-Kräften zusammengefasst werden, die entgegengesetztgerichtet und gleich groß auf einer gemeinsamen Wirkungslinie liegen, derCULMANN-Geraden, Bild 5.8.

SPSP

TP

TPCULMANN-Kräfte

CULMANN-Gerade

F

F

FF

F

F

F

FF

F

1

1

2

23

3

4

4

C

C

-

a) b)

Bild 5.8CULMANN-Verfahren für vier Kräfte an einem Glied: a) Lageplan, b) Kräfteplan

Das paarweise Zusammenfassen der Kräfte ist willkürlich:

0

cF

FF

cF

FF 4321

Die Richtung der CULMANN-Geraden kann aus dem Lageplan ermittelt werden; sie istdurch die Schnittpunkte SP und TP der paarweise zusammengefassten Kräfte bestimmt.

Page 139: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe124

Das CULMANN-Verfahren führt das Gleichgewichtsproblem mit vier Kräften auf diezweimalige Lösung der Elementar-Gleichgewichtsaufgabe mit drei Kräften (zwei Kraft-dreiecke) zurück:

F F Fc1 2 0 und

F F Fc 3 4 0 .

5.2.1.3 Kräftegleichgewicht an der Elementargruppe II. Klasse

Die Ermittlung der Gelenkreaktionen am belasteten Dreigelenkbogen (Zweischlag)(Bild 5.9) kann entweder mit Hilfe des Kraft- und Seileckverfahrens oder nach demSuperpositionsprinzip vorgenommen werden.

C

AB

3

2

4

5

F F3 4

Bild 5.9Dreigelenkbogen mit zwei äußerenEinzelkräften

Zunächst denkt man sich F4 0 , d.h. der Stab 4 überträgt nur Zug- oder Druckkräfte in

Richtung seiner Achse BC (Bild 5.10). Entsprechend Bild 5.4 erhält manG'23 als Ge-

lenkkraft im Punkt A und 5443 'G'G

als Gelenkkraft im Punkt C infolge der KraftF3 .

In einem zweiten Schritt denkt man sich F3 0 und erhält analog

G' '54 als Gelenk-

kraft im Punkt B und G G' ' ' '34 23 als Gelenkkraft im Punkt C infolge der Kraft

F4 .

Die Gesamt-Gelenkreaktionen ergeben sich aus der Vektoraddition der Teilkräfte, d.h.

in A: G G G23 23 23 ' ' ' ,

in B: G G G54 54 54 ' ' ' ,

in C: G G G G G34 34 34 43 23 ' ' ' ' ' ' .

Page 140: Getriebetechnik ||

5.2 Grundlagen der Kinetostatik 125

C

A3

F

F

3

3

43G'

G'

G'

23 G'

43= G'

54

G"

G"

54

54

G"

G"

G"=

23

=F

40

=F

3F

4

F

4

0

23 34

34

B

4C

Bild 5.10Kräfteermittlung am Dreigelenkbogen nach dem Superpositionsprinzip

5.2.1.4 Kräftegleichgewicht an der Elementargruppe . Klasse

Hier sind zwei verschiedene Fälle zu diskutieren.

1. Fall: Eine Kraft greift am Dreigelenkglied an (Bild 5.11), d.h.

5F

F

F

F

5

C

C

25G

GG35

45

-

CULMANN-GeradeTP

SP

5

4

2

3

SP

TP

Bild 5.11Kraftangriff am Dreigelenkglied

Page 141: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe126

am Glied 5 greifen vier Kräfte an, von denen eine vollständig bekannt ist (F5 ), von den

anderen sind nur die Richtungen bekannt. Die unbekannten Gelenkreaktionen könnenmit Hilfe des CULMANN-Verfahrens bestimmt werden; die Glieder 2, 3 und 4 geltenals Zug- oder Druckstäbe.

2. Fall: Eine Kraft greift an einem Zweigelenkglied an (Bild 5.12).

TP

SPF

F

F

F

G

G

G

G

G

2

12

2

C- 2535

45

52C

=

=

SP 2

25

1

3

5

4

TP

CULMANN-Gerade

Bild 5.12Kraftangriff am Zweigelenkglied

Jetzt greift z.B. am Glied 2 die äußere KraftF2 an, die vollständig bekannt ist. Damit

gelten nur noch die Glieder 3 und 4 als Zug- oder Druckstäbe. Die Gelenkkraft G G25 52 bestimmt die CULMANN-Gerade durch das Gelenk 25, beide Kräftesorgen einzeln für das Gleichgewicht an den Gliedern 2 und 5 und zusammen für dasGleichgewicht an der EG 2-3-4-5.

Page 142: Getriebetechnik ||

5.2 Grundlagen der Kinetostatik 127

Lehrbeispiel Nr. 5.1: Kreuzschubkurbel als Verstellgetriebe

D C

1 1

4F

F3

4

2A

B

O

1

2

Bild 5.13Bezeichnungen an der Kreuzschubkurbel

Aufgabenstellung:An einem viergliedrigen Verstellgetriebe (Kreuzschubkurbel) greifen die beidenäußeren Kräfte

F2 (Handkraft) und

F4 (Presskraft) an (Bild 5.13). Zwischen den

Gliedern 3 und 4 tritt COULOMBsche Gleitreibung mit der Reibungszahl R auf. DieAbmessungen des Gleitsteins 3 sind bei der Kräfteermittlung zu berücksichtigen.

Für die gegebenen Werte F4 = 60 N, R = 0,306 und die Maßstäbe Mz = 1cm/cmz,MF = 10 N/cmz sollen in der gezeichneten Lage bestimmt werden:

1. die am Glied 4 (Schieber) angreifenden Lagerkräfte in C und D;

2. die zwischen den Gliedern 3 und 4 auftretenden Kantenkräfte G'34 (obere Kante)und G' '34 (untere Kante);

3. die am Glied 2 (Winkelhebel) erforderliche Handkraft F2 bei vorgeschriebenerWirkungslinie und die Auflagerkraft in O (Gelenk 12);

4. die Normalkraft N34 und Reibungskraft R34 zwischen den Gliedern 3 und 4;

5. das Antriebsmoment M2 am Winkelhebel;

6. der momentan gültige Wirkungsgrad als Quotient Abtriebsleistung Pab / An-triebsleistung Pan des Verstellgetriebes.

Page 143: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe128

Lösung:

Die Glieder 3 und 4 stellen eine EG dar, zwei der drei Drehgelenke des Dreigelenk-bogens (Elementargruppe . Klasse) sind durch Schub- bzw. Schleifengelenke ersetzt;die Lagerstellen C und D zählen für die Systematik als ein Gelenk 14.

1. Gleichgewicht am Glied 4:

0

G

''G'GGGF

34

343414C14D4

Zwei Unterstriche bedeuten Betrag und Richtung bekannt,ein Unterstrich bedeutet nur Richtung bekannt.

Es ist R = arctan (R34 / N34) = arctan (R) = 17°. Die ReibungskraftR34 wirkt der Rela-

tivgeschwindigkeit v v v v v v vA A A A A E A43 41 31 41 21 entgegen bzw. in

gleicher Richtung wie v v v vA A A E34 43 . Wegen gleicher Reibverhältnisse an

der oberen und unteren Kante des Gleitsteins sind die beiden KantenkräfteG'34 und

G' '34 parallel und können zur ResultierendenG34 zusammengefasst werden, die durch

den Punkt A gehen muss, da das Drehgelenk hier kein Drehmoment aufnehmen kann.Jetzt greifen 4 Kräfte am Glied 4 an; d.h. das CULMANN-Verfahren liefert(Bild 5.14a)

0

F

GG

F

GF

C

3414C

C

14D4

mit

F G G TPC C 14 34 40 und

F G F SP G FD C D C4 14 4 140 ; ,

Satz 1: Eine unbekannte Wirkungslinie (Richtung) lässt sich ermitteln, wenn imGleichgewichtssystem dreier Kräfte (Vektorsumme) zwei Wirkungslinien(zwei Unterstriche) bekannt sind (Schnittpunkt im Lageplan).

Satz 2: Zwei unbekannte Kräfte lassen sich vollständig ermitteln, wenn im Gleich-gewichtssystem dreier Kräfte Betrag und Richtungssinn einer Kraft bekanntsind (doppelter Unterstrich) und bei den restlichen zwei Kräften in derSumme drei Unterstriche fehlen (Dreieck im Kräfteplan).

Page 144: Getriebetechnik ||

5.2 Grundlagen der Kinetostatik 129

2. Die Aufteilung der Gelenkkraftresultierenden G G G34 34 34 in die beiden paral-

lelen KantenkräfteG34 und

G34 erfolgt mit Hilfe des Kraft- und Seileckverfahrens

(Bild 5.14a/b). Der erste und letzte Seilstrahl 1 bzw. 3, ausgehend von einem beliebigzu wählenden Kraftpol P, schneiden sich auf der Wirkungslinie der Gelenkkraft

G34

durch A (vgl. Abschnitt 5.2.1.1).

3. Gleichgewicht am Glied 2 (Bild 5.14b): F G G SP G F2 12 32 2 12 20 ; ,

Die GelenkkraftG23 ist vollständig bekannt (zwei Unterstriche), weil folgende Glei-

chungen gültig sind: G G G' ' '43 43 23 0 bzw.

G G G G23 34 34 34 ' ' ' (aus Teilaufgabe 2)

4. G N R G34 34 34 23

5. M F OB Ncm2 2 230

6. 65,0)v/v()F/F(P/P BE24anab

Page 145: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe130

Bild 5.14Graphische Lösungen zum Lehrbeispiel Verstellgetriebe: a) Lageplan, b) Kräftepläne

5.2.2 Synthetische Methode (Schnittprinzip)

Die synthetische Methode gliedert sich in folgende Lösungsschritte:

Jedes bewegte Getriebeglied wird durch Gelenkschnitte von seinen Bindungen zuNachbargliedern befreit.

Page 146: Getriebetechnik ||

5.2 Grundlagen der Kinetostatik 131

Gelenk- und Auflagerreaktionen werden unter Berücksichtigung des PrinzipsAktion = Reaktion (

G Gij ji und

M Mij ji ) zwischen benachbarten Glie-

dern eingeführt.

Eingeprägte Kräfte und Momente sowie Trägheitskräfte und -drehmomente nachdem dALEMBERTschen Prinzip vervollständigen die Kräftebilanz für jedes be-wegte Getriebeglied.

Für jedes bewegte Getriebeglied sind drei Gleichgewichtsbedingungen aufzustellen:

die Kräftesumme in x- und y-Richtung

i

i 0F, d.h.

ixi 0F und

iyi 0F , (5.8)

und die Momentensumme

i

ii 0)B(M . (5.9)

Die Bezugspunkte Bi für die Momente sind für jedes Glied frei wählbar.

Die Anzahl k1 der Gleichungen für ein Getriebe mit n-1 bewegten Getriebegliedern istsomit

k n1 3 1 ( ) ; (5.10)

die Anzahl k2 der Gelenkkräfte ergibt sich aus

212 gg2k . (5.11)

hierbei ist

g1 die Anzahl der Gelenke mit f = 1 und

g2 die Anzahl der Gelenke mit f = 2.

Wird nun für jedes Teilsystem Gleichgewicht gefordert, und somit auch für dasGesamtsystem, so können alle unbekannten Kräfte aus dem sich ergebenden linearenGleichungssystem ermittelt werden. Deshalb muss gelten k1 = k2; dies bedeutet, die Ffreien Bewegungen werden durch Zwangsbewegungen (Antriebszeitfunktionen) vorge-geben, vgl. Gl. (2.12).

Lehrbeispiel Nr. 5.2: Massebehaftete Kurbelschwinge im Schwerkraftfeld

Aufgabenstellung:

An einer Kurbelschwinge mit den Gliedern 1 bis 4 im Schwerkraftfeld (Fallbeschleu-nigung g = 9,81 m/s²) greifen das Antriebsmoment

M2 und das Abtriebsmoment

M4

Page 147: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe132

an, Bild 5.15. Die Kurbel A0A rotiert mit konstanter Winkelgeschwindigkeit 21 . Für jede Stellung 2 = der Antriebskurbel sind die Gelenkkräfte inA = 23 und B = 34, die Auflagerkräfte in A0 = 12 und B0 = 14 sowie das Moment M2

bei gegebenem Moment M4 zu berechnen.

S

y

x

M

M

A = 0

g

A

2

2 =

S3

3

3

3

B

4

44

4

4

S

B1

M

M

SA

S

B

BS

A

AB

2

2

200

2

2

x

x

x

x

xx

x

yy

y

yy

y

y

32

32

2

12

12

G

G

G

G

GGG

GG

G

G

G

G

GG

0

S2m l2 2

ij

ij

ij

ij

4

4

44

4

3

3

3

44

S4

S4S4

4

14

14

0

34

43

34

43

2

m

m

m

m

mm

g

g

g

J

J

ll

3

23

23S3

3m S3

S3

y

x

a)

b)

Bild 5.15Massebehaftete Kurbelschwinge mit freigeschnittenen bewegten Getriebegliedern (a) sowieGelenkreaktionen (b) unter Berücksichtigung des Prinzips Aktion = Reaktion

Page 148: Getriebetechnik ||

5.2 Grundlagen der Kinetostatik 133

Mit Si sind die Schwerpunkte, mit lSi die Schwerpunktabstände und mit i (i = 2, 3, 4)die Schwerpunktwinkel der bewegten Getriebeglieder bezeichnet; m2 bis m4 sind dieMassen der Glieder 2 bis 4, JS3 und JS4 die polaren Massenträgheitsmomente derGlieder 3 und 4 bezüglich ihrer Schwerpunkte, li die Gliedlängen. Da Glied 2 mitkonstanter Winkelgeschwindigkeit rotiert, ist die Größe von JS2 ohne Belang.

Lösung:Gleichgewicht am Glied 2:

0AMMcoslgmcosGsinGl

0sinlmgmGG

0coslmGG

0i222S2y32

x322

22

2S22y32

y12

22

2S2x32

x12

Gleichgewicht am Glied 3:

0AMcosGsinGlJ

cosgysinxlm

0ygmGG

0xmGG

i3y433

x43333S

333S333S3S3

3S3y43

y23

3S3x43

x23

Gleichgewicht am Glied 4:

0BMM

lmJcoslgmcosGsinGl

0cossinlmgmGG

0sincoslmGG

0i4

424S44S444S44

y344

x344

44444244S44

y34

y14

44444244S4

x34

x14

Das entgegengesetzte Vorzeichen der Gelenkkräfte an benachbarten Gliedern ist so-wohl in Bild 5.15b als auch in den vorstehenden Gleichungen bereits berücksichtigtworden, so dass z.B. Gij

x und G jix nur eine Unbekannte darstellen. Die Auflösung der

linearen Gleichungen nach den neun Unbekannten liefert:

Page 149: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe134

(1) G GxBx

34

m gl J m l M l

J m l x g y

l

S S S

S S S S

4 4 4 4 4 4 42

4 4 4 3 4 4

3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

3 3 4 3

cos / tan tan cos

sin cos

/ tan tan cos

(2) G GyBy

34

G m gl J m l M lBx

S S Stan cos cos 4 4 4 4 4 4 4 42

4 4 4 4

(3) G G G m lxBx

Bx

S14 0 4 4 42

4 4 4 4 4 cos sin

(4) G G G m g m lyBy

By

S14 0 4 4 4 42

4 4 4 4 4 sin cos

(5) G G G m xxAx

Bx

S23 3 3

(6) G G G m g yyAy

By

S23 3 3

(7) G G G m lxAx

Ax

S12 0 2 22

2 cos

(8) G G G m g m lyAy

Ay

S12 0 2 2 22

2 sin

(9) M l G G m glAy

Ax

S2 2 2 2 2 cos sin cos

Die Umrechnung von kartesischen in Polarkoordinaten mit Hilfe der Gleichungen

G G Gij ijx

ijy

2 2und ij ij

xijyATAN G G 2 , liefert Betrag, Richtung und

Richtungssinn der Gelenkkräfte.

5.2.3 Prinzip der virtuellen Leistungen (Leistungssatz)

Die Ermittlung einzelner Kräfte nach dem Leistungsprinzip ist mit relativ geringemAufwand verbunden.

Satz: Ein System (ein freigeschnittenes Teilsystem) befindet sich im Gleichgewicht,wenn die Summe aller Leistungen der angreifenden Kräfte / Momente gleichnull ist.

Page 150: Getriebetechnik ||

5.2 Grundlagen der Kinetostatik 135

0PMvFPi i

Riiii

iii

i (5.12)

Die ersten beiden Summanden in Gl. (5.12) stellen Skalarprodukte dar, es ist also z.B.

F v F v F v F vi i i i i i i i i cos , cos . (5.13)

Da Mi und i bei ebenen Getrieben stets senkrecht auf der x-y-Ebene (Zeichenebene)stehen, kann auf eine Vektorschreibweise verzichtet werden.

Es bedeuten

iF: am Glied i angreifende äußere Kraft, einschließlich Trägheitskraft

(Massenkraft)vi : Geschwindigkeit des Angriffspunktes von

Fi

i : vonFi und

vi eingeschlossener Winkel

i : Winkelgeschwindigkeit des Gliedes i, an dem Mi angreift

Mi : am Glied i angreifendes äußeres Moment, einschließlich Massendrehmoment

PRi : Verlustleistungen durch Reibung

Die Gl. (5.12) kann sowohl rechnerisch als auch zeichnerisch ausgewertet werden. Dieauftretenden Geschwindigkeiten können real oder auch nur mit dem System verträglich,also virtuell sein.

5.2.3.1 JOUKOWSKY-Hebel

Die zeichnerische Auswertung ist unter dem Namen JOUKOWSKY-Hebel bekanntund eignet sich besonders dann, wenn an einem Getriebe nur Kräfte angreifen.

Page 151: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe136

F

WL von F

1

A

2

2

A

A

5

5

B

A

A

A

B

1

1

D

C44

6

6

D

an

F

F3

F5

F6

A33

4

00

0

2a)

WL von Fa

a

aa

a

a

O

d

c

bF

F

F

F

F

an

3

3

3

4

4

4

2

2

2

h

h

h

h

h

anh

6

6

6

5

5

5b)

Bild 5.16Beispiel zum JOUKOWSKY-Hebel: a) Lageplan, b) v-Plan

Page 152: Getriebetechnik ||

5.2 Grundlagen der Kinetostatik 137

Die Skalarprodukte ii vFkönnen mit Hilfe eines auf der x-y-Ebene (Zeichenebene)

senkrecht stehenden Einheitsvektors e (in Richtung der z-Achse) auf Spatprodukte

umgeformt werden. Es ist dann mit den zu vi um 90° gedrehten Geschwindigkeits-

vektoren vi v e vi i (5.14)

und

i iiiii

iii 0FveveFvF

, (5.15)

d.h.

0FhFvi i

iiii . (5.16)

Satz: In einem Plan der um 90° gedrehten Geschwindigkeiten ( v -Plan) mit einemwillkürlich gewählten Ursprung O bedeutet der Leistungssatz das Dreh-gleichgewicht der Kräfte

Fi um O.

Lehrbeispiel Nr. 5.3: Sechsgliedriges Dreistandgetriebe

Aufgabenstellung:

An dem in Bild 5.16 skizzierten sechsgliedrigen Dreistandgetriebe greifen an den Punk-ten A2 bis A6 auf den entsprechenden Gliedern mit gleicher Nummer die äußeren Kräf-te

F2 bis

F6 an. Gesucht ist der Betrag und der Richtungssinn der Antriebskraft

Fan auf vorgegebener Wirkungslinie (WL) im Punkt A des Glieds 2.

Lösung:

Nach der Wahl von O und einer beliebigen Geschwindigkeit Av des Punktes A, die

der Strecke aO entspricht, kann der v -Plan gezeichnet werden (meistens denkt mansich die Spitzen der Geschwindigkeitsvektoren vi im Punkt O). Danach werden dieKräfte

Fi angetragen, ihre im v -Plan abgebildeten Angriffspunkte teilen die ent-

sprechenden Geschwindigkeitsstrecken im gleichen Maß wie im Lageplan. Gl. (5.16)liefert unter Berücksichtigung der Vorzeichen für Links- und Rechtsdrehung um O

Page 153: Getriebetechnik ||

5 Kinetostatische Analyse ebener Getriebe138

0hFhFhFhFhFhFFh 6655443322anani

ii

mit aOhan . Ist das Ergebnis Fan > 0, so dreht Fan um O in mathematisch positiverRichtung (Gegenuhrzeigersinn).

5.3 Übungsaufgaben

Die Aufgabenstellungen und die Lösungen zu den Übungsaufgaben dieses Kapitelsfinden Sie auf den Internetseiten des Instituts für Getriebetechnik und Maschinen-dynamik der RWTH Aachen.

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=aufgaben

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=loesungen

Aufgabe 5.1Kompressor: Gelenkkraftverfahren

Aufgabe 5.2Wagenheber: Gelenkkraftverfahren, JOUKOWSKY-Hebel

Aufgabe 5.3Symmetrischer, zwangläufiger Zangengreifer: JOUKOWSKY-Hebel, Gelenkkraft-verfahren

Aufgabe 5.4Kniehebelpresse: JOUKOWSKY-Hebel, Gelenkkraftverfahren, Kraft- und Seileckver-fahren

Page 154: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener vier-gliedriger Gelenkgetriebe

Zur Getriebesynthese gehört im Wesentlichen

die Festlegung der Getriebestruktur (Typensynthese)

die Bestimmung kinematischer Abmessungen (Maßsynthese) und die

konstruktive Gestaltung der Getriebeglieder und Gelenke unter Berücksichtigungder Belastung und des Materials.

Dieses Kapitel stellt einige Verfahren der Maßsynthese vor, um die Abmessungen vonGetrieben zu ermitteln, so dass sie anfangs gestellte Forderungen beim Übertragen vonBewegungen oder Führen von Gliedern erfüllen können. Mit Hilfe der Wertigkeitsbi-lanz lassen sich die Ansprüche an ein Getriebe mit den erreichbaren Möglichkeitenabgleichen.

Entsprechend den Zielvorgaben des vorliegenden Buches werden die Problematik fürdie viergliedrigen Getriebe aufbereitet und Lösungen aufgezeigt: Die Totlagenkonstruk-tion für viergliedrige umlauffähige Übertragungsgetriebe steht am Anfang und dienachfolgende Darstellung der exakten Zwei- und Drei-Lagen-Synthese für Führungs-und Übertragungsgetriebe dient als Einstieg in die klassische Mehrlagensynthese nachBURMESTER [6.1]. Letztere wird in den Grundzügen für bis zu fünf Lagen be-schrieben.

Schließlich ist jede gefundene Lösung hinsichtlich ihrer Bewegungs- und Kraft-übertragungsgüte zu beurteilen; dazu dienen die Kriterien Übertragungswinkel undBeschleunigungsgrad.

6.1 Totlagenkonstruktion

Die Totlagen eines viergliedrigen umlauffähigen Getriebes zählen zu den Sonderlagendes Getriebes. Die Tot- oder Umkehrlage ist gekennzeichnet durch den Nullwert der

H. Kerle et al, Getriebetechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9895-1_6,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Page 155: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe140

Geschwindigkeit des Abtriebglieds bei kontinuierlich rotierendem Antriebsglied,Bild 6.1.

Sie tritt innerhalb einer Bewegungsperiode des Getriebes zweimal auf und wird mitinnere (Index i) und äußere (Index a) Totlage bezeichnet.

Die wichtigsten viergliedrigen Getriebe, die eine umlaufende Antriebsdrehung in eineschwingende Abtriebsdrehung oder -schiebung umwandeln, sind

a) Kurbelschwinge,

b) Kurbelschleife,

c) Schubkurbel und

d) Kreuzschubkurbel

[6.2]. Im Hinblick auf die beiden Totlagenstellungen lässt sich sowohl am Antriebsglied(Kurbel) als auch am Abtriebsglied ein Totlagenwinkel definieren:

Abtriebstotlagenwinkel (Winkelhub) 0 ,

Antriebstotlagenwinkel 0 .

Die Zuordnung von 0 zu 0 erfolgt im Bereich der Gleichlaufphase, d.h. positiverÜbertragungsfunktion 1. Ordnung ( > 0). Zur Gegenlaufphase gehört dann derWinkel 360° - 0 . In den Fällen der Schubkurbel und Kreuzschubkurbel tritt an dieStelle des Abtriebstotlagenwinkels der Hub s0 . Die Zeiten für Hin- und Rückgang(Index H bzw. R) stehen im Verhältnis

ttH

R

0

0360(6.1)

für . konst

Page 156: Getriebetechnik ||

6.1 Totlagenkonstruktion 141

r

A d

A

A

B

Bc

BB

b

ia

0

0

0

a

0

i

0

a)

e

Ar

dA

A

a

0

0

0

i

b)

Kurbelschwinge Kurbelschleife

B

b

rA

A

s

B

c)

e

0

0

a

i

A0

i

a

Schubkurbel

aA

s0

Ai

A0

r0

d)

Kreuzschubkurbel

Bild 6.1Innere und äußere Totlagen einiger viergliedriger Getriebe (nach Richtlinie VDI 2130)

Eingehende Untersuchungen haben zu Grenzen geführt, in denen alle Kombinationenvon Totlagenwinkeln liegen müssen, wenn diese durch viergliedrige umlauffähige Ge-triebe realisierbar sein sollen:

902

2702

00

0

, (6.2a)

0 1800 . (6.2b)

Bild 6.2 gibt einen Überblick mit den zulässigen (schraffierten) Bereichen. Auf denLinien B, D, F, G und im Punkt H liegen die Sonderfälle der allgemeinen Kurbel-

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6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe142

schwinge. Für Schubkurbeln und Kreuzschubkurbeln gilt hier und für alle folgendenDiagramme generell 0 0 . Außerhalb der schraffierten Bereiche ist der Über-tragungswinkel 0 , s. Abschnitt 6.1.3.1.

Bereich A:Linie B:

Bereich C:Linie D:Bereich E:

Linie F:

Linie G:Punkt H:

00

000

0

00

0

000

0

0

02

02

+ 90° < < 180°

= 180°

180° < < + 180°

+ 180°

= 180°

= 180°,

< < + 270°

90° < < 180°,

< 270°,

= 0°

= 0°

= 0°

180° <

Zentrische Schubkurbeln und Kreuzschubkurbeln

Schubkurbeln

Schubkurbeln

Kurbelschwingen

Kurbelschwingen und Kurbelschleifen

Kurbelschwingen

zentrische Kurbelschwingen

Kurbelschwingen

Bild 6.2Zulässige Bereiche für Totlagenwinkel viergliedriger Getriebe (nach Richtlinie VDI 2130)

6.1.1 Totlagenkonstruktion nach ALT

Gegeben sind die kinematischen Größen

d A B , , , 0 0 0 0

Page 158: Getriebetechnik ||

6.1 Totlagenkonstruktion 143

gesucht sind

BBc,ABb,AAra 00 .

Die vorbezeichneten Gliedlängen müssen die GRASHOFsche Umlaufbedingung (Ab-schnitt 2.4.2.1) erfüllen, d.h.

a l l l max ,

außerdem sind die Ungleichungen (6.2a, b) einzuhalten.

In der äußeren Totlage A A B Ba a0 0 befinden sich Kurbel und Koppel in Strecklage, inder inneren Totlage A0AiBiB0 in Decklage, vgl. Bild 6.1. Die nachfolgend beschriebeneTotlagenkonstruktion nach ALT [6.3] liefert die gesuchten Gliedabmessungen einerKurbelschwinge in der Strecklage, Bild 6.3.

Die freien Schenkel der in A0 und B0 im Uhrzeigersinn von A0B0 aus angetragenenWinkel 0/2 bzw. 0/2 schneiden sich in R. Die Mittelsenkrechte auf A R0 (FußpunktMkA) schneidet B0R in MkB. Die Kreise kA und kB durch R und A0 mit denMittelpunkten MkA und MkB sind die geometrischen Orte für die Gelenkpunktlagen Aaund Ba. Der Winkel ist nach anderen Kriterien, s. Abschnitt 6.1.3.1, innerhalb derGrenzwinkel I (Punkt E auf kB) und II (Punkt L auf kB) frei wählbar. Die Punkte Eund L findet man mit Hilfe des in B0 angetragenen Winkels 0.

HL

r

R

r

c

Bd

A

B

bM

M

k

k

A

r

e

0

0 0

a

kB

kA

A

A

0

0

I

II

B

B

E

2

2

a

Bild 6.3Totlagenkonstruktion der Kurbelschwinge (nach Richtlinie VDI 2130)

Page 159: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe144

Die aus der Totlagenkonstruktion ableitbaren geometrischen Beziehungen lassen sich ineinem Ablaufplan zusammenfassen und für ein Programm aufbereiten, Bild 6.4.

0

0

01 2

Ar=dsin(

2sin

r B=r A cos

180°

20

b=2rcos(

r

B

r=2rcos

A

e=(r+b)cos

c=d+(r+b)-2de

22

Ende

Ende

Ende

Ende

max

arccos2

r+drd

min

b=

r(r+d)

c=

d(r+d)

2 0c=

dsin2

22

+b

b=dsin(

cos

min0

c=cos(

0

db

2

2

2 0r=csin

c=

rsin(

0

b=

rc+d

2

22

=arccosrd bc

min

Ende

Beginn

d=

0

0

Wenn

0

2

2

3 1

13

Wenn

00

ÜbertragungsgünstigesGetrieber=

dcos

2 0 AlleGetriebe

b=

2 0theor

90°

min

min

r=

Übertragungswinkelwählen

Kurbellängewählen

Sonst

Bild 6.4Ablaufplan zur Berechnung von Kurbelschwingen (nach Richtlinie VDI 2130)

Page 160: Getriebetechnik ||

6.1 Totlagenkonstruktion 145

6.1.2 Schubkurbel

Gegeben sind die kinematischen Größen

s B Bi a0 0 , ,

gesucht sind

a r A A b AB e 0 , , .

Die Schubkurbel geht aus der Kurbelschwinge durch den Grenzübergang B0hervor, d.h. c, d . Die verbleibenden endlichen Abmessungen müssen dieGRASHOFsche Umlaufbedingung erfüllen, d.h.

a e b ,

außerdem gilt 0 0 und die Ungleichung (6.2a).

Da 0/2 und 0 nicht existieren, werden stattdessen Parallelen zur GestellgeradenA B0 0

mit den Abständen s0/2 und s0 gezogen, Bild 6.5.

Bild 6.5Totlagenkonstruktion derSchubkurbel(nach Richtlinie VDI 2130)

Ba kann auf dem Kreis kB zwischen den Punkten E und L gewählt werden (Auswahl-winkel ). Die Schubrichtung mit der vorzeichenbehafteten Versetzung e steht senk-recht auf der Gestellgeraden. Für R = H (0 = 180°) entartet der Kreis kB zu einer

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6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe146

Geraden, und es entstehen zentrische Schubkurbeln (e = 0). Der zugeordnete Ablauf-plan für die geometrischen Beziehungen ist Bild 6.6 zu entnehmen.

Beginn 0s 0

s 0

180° 20

rB=rAcos

Ar = 4 sin

02

b = 2 r cos( r B

e = (r + b) cos

Ende

Ende

= 180°0

r = 2 r cos A

nein

min

r = 2s0

ja

b = rcos min

=

Bild 6.6Ablaufplan zur Berechnung von Schubkurbeln (nach Richtlinie VDI 2130)

Page 162: Getriebetechnik ||

6.1 Totlagenkonstruktion 147

6.1.3 Auswahlkriterien

Zur Auswahl eines Getriebes aus der unendlichen Vielfalt möglicher Getriebe nach Ab-schnitt 6.1.1 und 6.1.2 wird man den Winkel variieren. Außerdem haben sich diefolgenden Kriterien bewährt:

Größtwert des minimalen Übertragungswinkels min (übertragungsgünstigstesGetriebe) für langsam laufende Getriebe oder Getriebe mit geringen bewegtenMassen und

minimaler Beschleunigungsgrad min (beschleunigungsgünstigstes Getriebe) fürschnell laufende Getriebe oder Getriebe mit großen bewegten Massen, um eine guteKraft- und Bewegungsübertragung zu gewährleisten, s. auch [6.4].

6.1.3.1 Übertragungswinkel

Der Übertragungswinkel ist beim viergliedrigen Drehgelenkgetriebe der Winkelzwischen der Koppel AB und dem Abtriebsglied B0B, Bild 6.7.

A 3

1

4

A

2 aa

F

B

M

B

M0

an

0

ab

Bild 6.7Übertragungswinkel beim vier-gliedrigen Drehgelenkgetriebe

Wenn außer dem Abtriebsmoment keine weiteren Belastungen hinzukommen, gilt mitder Stabkraft F

sinBBFM 0ab (6.3a)

und

sinBB

aMaFM

0

aban . (6.3b)

Page 163: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe148

Im Fall = 0° ist keine Kraftübertragung vom Abtriebs- auf das Antriebsglied möglich.Der Bestwert ist = 90°.

Allgemein ist derjenige Winkel zwischen Koppel und Abtriebsglied als Übertragungs-winkel zu wählen, der 90° ist. Wird der Winkel > 90°, gilt der Supplementwinkel(Ergänzung zu 180°). Bei der Auslegung von Getrieben ist der minimale Übertragungs-winkel min zu beachten und die Ungleichung

min erf erfmit 40 50 (6.4)

einzuhalten (Erfahrungswert erf).

a

b

d

c

B

ta

t r

Bild 6.8Zur Definition des Übertragungs-winkels nach ALT

ALT [6.3] hat den Übertragungswinkel aus geometrisch-kinematischen Betrachtungenheraus festgelegt:

Satz: Der Übertragungswinkel kennzeichnet den Richtungsunterschied der Abso-lutgeschwindigkeit in B (Tangente ta senkrecht auf c) und der relativen Ge-schwindigkeit gegenüber dem Antriebsglied a (Tangente tr senkrecht auf b),Bild 6.8.

Die Extremwerte von treten in den Gestelllagen oder Steglagen der viergliedrigenGetriebe auf, Bild 6.9. Der kleinere der beiden Extremwerte ist min. Als Steglage einesGetriebes wird die Lage bezeichnet, bei der der Gelenkpunkt A auf die GestellgeradeA0B0 fällt. Man unterscheidet zwischen innerer und äußerer Steglage, je nachdem, obA innerhalb A0B0 oder außerhalb A0B0 zu liegen kommt. Die Steglagen gehören neben

Page 164: Getriebetechnik ||

6.1 Totlagenkonstruktion 149

den Totlagen zur zweiten Gruppe von Sonderlagen der viergliedrigen Getriebe. Für dieKurbelschwinge gilt

arccos ( )b c d a

bc

2 2 2

2, (6.5a)

arccos ( )b c d a

bc

2 2 2

2, (6.5b)

min min( , ) (6.5c)

und für die Schubkurbel

arccos min

a eb

, (6.6a)

arccosa eb

. (6.6b)

b

b

r

rA0 AI

a)

AIId

B0

c c

BI

IBII

II

A

A

A

br

bB

B

II

II

I

I

minI

II

=

0

b)

r

Bild 6.9Steglagen der Kurbelschwinge a) und Schubkurbel b)

Der optimale Auswahlwinkel ist ebenso wie der erreichbare Größtwert des Über-tragungswinkels max(min) im Auswahldiagramm 1 (Bild 6.10) für alle Typen vier-gliedriger Getriebe und für alle möglichen Kombinationen von 0 und 0 (s0) zu ent-nehmen. Der Aufbau des Diagramms entspricht dem Bild 6.2. Mit Hilfe von ist dasGetriebe gemäß des Ablaufplans (Bild 6.4 bzw. Bild 6.6) zu zeichnen oder zu be-rechnen.

Page 165: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe150

G10°

100°= 90° 80° 70° 60° 50° 40° 30° 20° 10° = 0°

E

D

= 0°max min

max min

270°

240°

20°30°

30°

210°40°

40°

50°

50°

60°

60°

70°

70°80°

F

20°10°

180°90°

150°

120°

90°0° 30° 60° 90° 120° 150° 180°

10°

20°

30°

40°

50°

60°

70°

= 80°

0°B

C

300°

330°

360°

0

0

A

Bild 6.10Auswahldiagramm 1 für übertragungsgünstigste Getriebe (nach Richtlinie VDI 2130)

Page 166: Getriebetechnik ||

6.1 Totlagenkonstruktion 151

6.1.3.2 Beschleunigungsgrad

Die sich maximal einstellende Winkelbeschleunigung max max 2 bzw. Linear-beschleunigung max maxs s 2 während des durchlaufenen Totlagenwinkels 0 bzw.Hubs s0 wird mit der kleinstmöglichen (konstanten) Beschleunigung (Verzögerung) v bzw. sv verglichen, die während der Gleichlaufphase ( 0 bzw. s 0 , In-dex H) und der Gegenlaufphase ( 0 bzw. s 0 , Index R) durch das Bewegungs-gesetz Quadratische Parabel (vgl. Richtlinie VDI 2143, Blatt 1) erreichbar ist.

Der Quotient

.

max max

va

vbzw s

s(6.7)

heißt Beschleunigungsgrad; der Bestwert ist , a = 1.

Mit [ ][ ]

vH vHradrad

4 7200

02 2

2 0

02

2 2 (6.8a)

und ( )

vR vR

720360

0

02

2 2 (6.8b)

erhält man den Beschleunigungsgrad für den Gleich- und Gegenlauf:

HH

vHH

max

max72002

0, (6.9a)

RR

vRR

max

max( )

720360 0

2

0. (6.9b)

Bei schiebendem Abtrieb erhält man stattdessen (keine Umrechnung von 0 vonBogenmaß auf Grad notwendig):

aHH

vHH

ss s

s

maxmax360

202

0, (6.10a)

aRR

vRR

ss s

s

maxmax

( )360

360202

0. (6.10b)

In den Auswahldiagrammen 2 und 3 (Bilder 6.11 und 6.12) sind die Beschleunigungs-grade , a für die Gleich- und Gegenlaufphase neben dem Winkel als Auswahl-kriterien angegeben. Die Arbeitsweise mit diesen Diagrammen entspricht derjenigenmit Auswahldiagramm 1.

Page 167: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe152

Hinweis: Stehen quasistatische Belastungen im Vordergrund, wird man Dia-gramm 1 wählen, bei überwiegend dynamischen Gesichtspunkten (Träg-heitswirkungen) die Diagramme 2 und/oder 3.

Gleichlauf

360°

0

330°

300°

270°

240°

210°

180°

150°

120°

90°0° 30° 60° 90° 120° 150° 180° 0

80°

F 70°

60°

A50°

40°1,2 1,31,4 30°

B1,5 20° 2,0 2,5 3,0

10,0

5,04,0

1,5

2,0

2,5

3,0

4,0

5,0

C

10,0

1,5

G 2,0

100°2,5

3,080°

70°

90°

60°

50°E

10,0

5,0

4,0

40°

30°D

20°

Bild 6.11Auswahldiagramm 2 für beschleunigungsgünstigste Getriebe in der Gleichlaufphase (nachRichtlinie VDI 2130)

Page 168: Getriebetechnik ||

6.1 Totlagenkonstruktion 153

Gegenlauf

360°

330°

300°

270°

240°

210°

180°

150°

120°

90°0° 30° 60° 90° 120° 150° 180°

0

0

80°

70°F

A

60° 50°

1,41,6

1,82,0

2,53,0

4,0 5,0 10,0

40°30°

20°B

G1,4

1,6

1,21,8

2,0 2,5 3,0 4,0 5,0 10,0

C1,6

1,4

1,82,0

2,5

3,04,0

5,0E

50°

40°

30°

60°10,0

70°

80°

90°

20°10°

D

Bild 6.12Auswahldiagramm 3 für beschleunigungsgünstigste Getriebe in der Gegenlaufphase (nachRichtlinie VDI 2130)

Page 169: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe154

6.2 Lagensynthese

Unter dem Begriff der Lagensynthese versteht man die Bestimmung von Gliedabmes-sungen eines Getriebes bekannter Struktur, das während des Bewegungsablaufs vorge-gebene Lagen einnimmt.

Bei den vorgegebenen Lagen kann es sich um

a) Punktlagen (Lagen von Koppelpunkten mit jeweils zwei Koordinaten x, y),

b) Gliedlagen (Lagen von Koppelgliedern, beschrieben durch jeweils zwei Punkte),

c) Relativlagen (Zuordnungen von Winkeln und Wegen) zwischen An- und Abtriebs-glied

handeln. Die Fälle a) und b) charakterisieren Führungsgetriebe, der Fall c) ist typischfür die Synthese eines Übertragungsgetriebes. Alle drei Fälle lassen sich auf Punktlagenund somit auf die durch drei Sätze charakterisierte Grundaufgabe der Getriebe-synthese ebener viergliedriger Getriebe zurückführen [1: Bd. 2, 14].

Grundaufgabe:

Gegeben sind verschiedene Lagen einer bewegten Ebene E, etwa E1, E2, E3, ..., Ejgegenüber der (ruhenden) Bezugsebene E0; die Lagen können endlich oder unend-lich benachbart sein.

Gesucht sind diejenigen Punkte X1, X2, X3, ..., Xj von E, die bei der Bewegungvon E gegenüber E0 auf einem Kreis liegen.

Diese Punkte beschreiben eine homologe Punktreihenfolge bzw. man nennt E1,E2, E3, ..., Ej homologe Lagen der Ebene E gegenüber E0 (Bild 6.13).

Bild 6.13Vorgabe von Ebenenlagen durchhomologe Punkte auf einem Kreis

Page 170: Getriebetechnik ||

6.2 Lagensynthese 155

Die mit Hilfe der Lagensynthese in den nachfolgenden Abschnitten gefundenenLösungsgetriebe sind allesamt noch den Auswahlkriterien des Abschnitts 6.1.3 zuunterwerfen und - falls erforderlich - auf Umlauffähigkeit mit Hilfe des Satzes vonGRASHOF (Abschnitt 2.4.2.1) und auf Beibehaltung der Einbaulage zu prüfen.

6.2.1 Wertigkeitsbilanz

Die Beschreibung von Lagen erfolgt mit Hilfe geometrischer Größen wie Koordinaten,Längen (Strecken), Winkel, usw., die eine unterschiedliche Wertigkeit aufweisen;beispielsweise ist die Angabe der ersten Lage eines Koppelpunktes C mit den Koordi-naten xc, yc zweiwertig, die Angabe jeder weiteren Lage von C nur noch jeweils ein-wertig, da die Gleichung f(x, y) = 0 der Koppelkurve erfüllt werden muss. Wenn imFall a) neun Punktlagen vorgeschrieben werden, muss die erforderliche WertigkeitWerf = 10 mit der durch das Getriebe zur Verfügung gestellten vorhandenen WertigkeitWvorh zumindest übereinstimmen. Bei der Auswertung der Gleichung

W W Wfrei vorh erf (6.11)

gibt es für Wfrei < 0 keine, für Wfrei = 0 eine eindeutige und für Wfrei > 0 mehrereLösungen, wobei Wfrei geometrische Größen noch frei gewählt werden können.

Wenn das Getriebe g = 4 einfache Gelenke (Dreh- und Schubgelenke) besitzt und stetsp Punkte zu führen sind, errechnet sich Wvorh im Allgemeinen aus der Gleichung

W g p pvorh 2 8 2( ) . (6.12)Demnach ist bei

a) Punktlagen: Wvorh = 10b) Gliedlagen: Wvorh = 12c) Relativ-Winkellagen: Wvorh = 8

Theoretisch lassen sich also mit einem viergliedrigen Gelenkgetriebe neun Punktlagenerfüllen. Andererseits kann sich die vorhandene Wertigkeit Wvorh eines Getriebes durchtyp- oder maßbedingte Sonderformen verringern. Jedes Schub- oder Schleifengelenkbeispielsweise lässt einen der Gelenkpunkte ins Unendliche wandern, und es resultierteine (kinematische) Versetzung oder Exzentrizität e mit der Folge, dass sich Wvorh je-weils um die abhängige Wertigkeit Wabh = 1 verringert; Wvorh verringert sich nochmalsum die unwirksame Wertigkeit Wunw = 1, falls e = 0 gewählt wird, folglich ergibt sichdie effektiv vorhandene Wertigkeit zu

W W W Weff vorh abh unw . (6.13)

Page 171: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe156

Wabh = 1 entsteht ebenfalls bei Längengleichheit zweier Glieder. In Tafel 6.1 sind einigeoft wiederkehrende Wertigkeiten zusammengestellt, die sowohl Wvorh als auch Wabh alsauch Wunw betreffen.

Der Abgleich zwischen der erforderlichen und der vorhandenen Wertigkeit des Getrie-bes entsprechend Gl. (6.11) wirdWertigkeitsbilanz genannt.

Satz: Die Wertigkeitsbilanz entscheidet darüber, wie viele Lagen von einem Ge-triebe erfüllt werden können.

Hinweis: Die Überlegungen dieses Abschnitts gelten im Wesentlichen auch für Ge-triebe mit mehr als vier Gliedern.

Tafel 6.1: Annahmen und zugeordnete Wertigkeiten

Annahme Wertigkeit

Wahl eines KoppelpunktesBahnpunkt zum KoppelpunktLänge (Strecke, Abstand, Radius)Winkel (einer Geraden)Winkelschenkel (geometrischer Ort für ein Gelenk)WinkelzuordnungTangente oder Normale im BahnpunktWahl eines DrehgelenksWahl eines Schub- oder Schleifengelenks mit e 0Wahl eines Schub- oder Schleifengelenks mit e = 0

2111111212

6.2.2 Zwei-Lagen-Synthese

6.2.2.1 Beispiel eines Führungsgetriebes

In Bild 6.14a sind zwei Lagen E1 und E2 einer Ebene E durch die Punktpaare C1,D1 undC2,D2 in der Gestellebene E0 mit dem x-y-Koordinatensystem gegeben. Gesucht sinddie Gestelldrehpunkte A0 und B0 eines Drehgelenkgetriebes, das die Koppelpunkte Cund D und damit die Ebene E durch beide Lagen führt.

Page 172: Getriebetechnik ||

6.2 Lagensynthese 157

Lösung:Annahme C1 D1 C2 D2Werf 2 2 1 1

Die Wertigkeitsbilanz ergibt entsprechend den Gln. (6.11), (6.12) und Tafel 6.1

W W Wfrei vorh erf 12 2 2 1 1 6( ) ,

d.h es gibt letztendlich 6 Möglichkeiten, ein passendes Getriebe zu finden.

Wir wählen für die Lage 1 (E1) zwei beliebige weitere Punkte A1 und B1 (und vergebendamit vier Wertigkeiten). Die Punkte A1 und B1 dürfen auch mit den gegebenenPunkten C1 und D1 zusammenfallen. Danach wird die Lage 2 (E2) um die Punkte A2und B2 ergänzt (kongruentes Vierseit zu E1). Die Mittelsenkrechten mA und mB derStrecken A A1 2 bzw. B B1 2 schneiden sich im Drehpol P12 (s. auch Abschnitt 3.1.3.4).Um den Drehpol P12 rotiert jeder Punkt der Koppel mit dem Winkel 12 bei derBewegung von Lage 1 in Lage 2. Der Winkel 12 ist entweder mathematisch positiv(Gegenuhrzeigersinn) oder mathematisch negativ (Uhrzeigersinn) orientiert und stetsgilt 21 = 360° - 12. Der Drehpol fällt nur für den Fall mit dem Momentanpol derKoppel CD bzw. AB zusammen, dass die Lagen E1 und E2 unendlich benachbart sind,d.h. ebenfalls zusammenfallen. Mit der Wahl von A0 auf mA und von B0 auf mB werdendie restlichen beiden Wertigkeiten vergeben und das Drehgelenkgetriebe A0ABB0 lässtsich in der Lage 1 oder 2 zeichnen, Bild 6.14b.

E0

y b)

x0

a)

E1E2

D2

D1

C1

C2

E0x

y

0

P12A0

122

12212

2

122

B0

A1B2

A2B1

E1E2

D2

D1

C1

C2mAmB

Bild 6.14Viergliedriges Drehgelenkgetriebe A0ABB0 als Führungsgetriebe:a) Aufgabenstellung, b) Lösung in Lage 1

Page 173: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe158

6.2.2.2 Beispiel eines Übertragungsgetriebes

In Bild 6.15a sind zwei Winkellagen 1 und 2 des Antriebsglieds einerseits und relativdazu zwei Winkellagen 1 und 2 des Abtriebsglieds andererseits eines Drehgelenk-getriebes um die noch endgültig festzulegenden Gestelldrehpunkte A0 und B0 gegeben.Gesucht sind die Punkte A und B als Gelenke der Koppel des Getriebes in einer derbeiden Lagen und damit die restlichen Getriebeabmessungen.

Lösung:

Für die Wertigkeitsbilanz ist mit der Zuordnung 12,12 sofort Werf = 1 anzugeben. DenGln. (6.11) und (6.12) zufolge ist

W W Wfrei vorh erf 8 1 7 ,

d.h. es gibt 7 Möglichkeiten, ein passendes Getriebe zu finden.

Wir legen A0 und B0 in der Ebene E0 fest und vergeben damit lt. Tafel 6.1 vier Wertig-keiten; die verbleibenden drei Wertigkeiten nutzen wir, um die Anfangswinkel und sowie die Länge B B B B B B0 0 1 0 2 zu wählen. B bewegt sich für einen Beobachter imPunkt A auf dem Antriebsglied A0A auf einem Kreis um A; bei der Rückdrehung mit12 um A0 in die Bezugslage 1 wandert der Punkt B2 in die Lage B2

1. Da alle in derLage 1 bekannten Punkte B auf einem Kreis um A1 liegen, liefert folglich der Schnitt-punkt der Mittelsenkrechten mB1 mit dem Antriebsglied in der Lage 1 den Punkt A1.Mit A B AB1 1 liegt auch die Länge der Koppel fest, Bild 6.15b.

x

y

0

a)

1212 2'

1'

21

E0

x

y

0

b)

AB

B

2'

AA

12

0

0

1

2 B

B1

112

2

mB

1'12

12

12

Bild 6.15Viergliedriges Drehgelenkgetriebe A0ABB0 als Übertragungsgetriebe:a) Aufgabenstellung b) Lösung in Lage 1

Page 174: Getriebetechnik ||

6.2 Lagensynthese 159

6.2.3 Drei-Lagen-Synthese

6.2.3.1 Getriebeentwurf für drei allgemeine Gliedlagen

In Bild 6.16a sind drei Lagen durch die Punktpaare A1,B1, A2,B2 und A3,B3 gegeben.Analog zu Abschnitt 6.2.2.1 ergibt die Wertigkeitsbilanz nach den Gln. (6.11) und(6.12)

Wfrei = Wvorh Werf = 12 (2 + 2 + 1 + 1 +1 + 1) = 4

und somit können ∞4 Möglichkeiten für ein passendes Getriebe gefunden werden.

Wenn drei Lagen eines Gliedes durch die Koppelbewegung eines viergliedrigen Ge-lenkgetriebes erfüllt werden sollen, so kann also entweder die Lage der KoppelgelenkeA, B im koppelfesten, mitbewegten , -System (Bild 6.16a) oder die Lage der Gestell-gelenke A0, B0 im gestellfesten x, y-System (Bild 6.17a) beliebig angenommen werden.In beiden Fällen wird durch die Wahl zweier Punkte Wfrei = 4 voll ausgeschöpft.

a) b)

Bild 6.16Dreilagenkonstruktion bei gegebenen Koppelgelenken A, B: a) Aufgabenstellung b) Lösung(E0: Gestellebene)

Im ersten Fall ergeben sich A0 und B0 als Mittelpunkte von zwei Kreisen durch dieLagen A1, A2, A3 und B1, B2, B3 der gewählten Koppelgelenke für die drei gegebenenGliedlagen. Man findet A0 und B0 als Schnittpunkte der Mittelsenkrechten auf denVerbindungsgeraden der Punkte A1, A2, A3 bzw. B1, B2, B3 (Bild 6.16b).

Die rechnerische Lösung dieser Aufgabenstellung lässt sich z.B. für die Bestimmungder Koordinaten des Gestellgelenks A0 aus der Aufstellung der Kreisgleichung für dieLagen A1, A2, A3 herleiten:

22AA

2AA ryyxx

0i0i i = 1,2,3 (6.14a-c)

Page 175: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe160

mit

302010 AAAAAAr . (6.15)

Durch Gleichsetzen der Gl. (6.14a) mit den Gln. (6.14b,c) erhält man nach Ausmultipli-zieren

0ii0ii011011 AA2AAA

2AAA

2AAA

2A yy2yxx2xyy2yxx2x i = 2,3.

(6.16a,b)Damit ergibt sich das folgende lineare Gleichungssystem für die Koordinaten des ge-suchten Gestellgelenks A0, nämlich

2A

2A

2A

2A

2A

2A

2A

2A

A

A

AAAA

AAAA

1133

1122

0

0

1313

1212

yxyxyxyx

21

yx

yyxxyyxx

, (6.17)

das entsprechend für0A

x und0A

y gelöst werden kann. Zur Bestimmung der Koordina-ten des zweiten gesuchten Gestellgelenks B0 können die Gln. (6.14) bis (6.17) analogangewendet werden.

Im zweiten Fall, wenn also die Lage der Gestellgelenke A0, B0 im gestellfestenx, y-System (Bild 6.17a) beliebig angenommen wurde, muss die Aufgabenstellung zu-nächst so umgeformt werden, dass drei Lagen des gestellfesten Bezugssystems mit dengewählten Gestellgelenken A0 und B0 relativ zu einer Lage des beweglichen Systemsgegeben sind. Man wählt z.B. die Lage 1 (1,1) als Bezugslage der bewegten Ebeneund überträgt die Lage der Punkte A0 und B0 relativ zu den Lagen 2 (2,2) und 3(3,3) in die Bezugslage 1. Es ergeben sich die neuen relativen Lagen der Gestelldreh-punkte 120A , 120B sowie 130A , 130B . Dabei stellt z.B. 120A die Relativlage desGestelldrehpunktes A0 aus der Lage 2 in der Lage 1 dar. Die Koppelgelenke A1 und B1in der Lage 1 der bewegten Ebene lassen sich nun als Mittelpunkte der Kreise durch

1100 AA , 120A , 130A und 1100 BB , 120B , 130B bestimmen (Bild 6.17b).

a) b)

Bild 6.17Dreilagenkonstruktion bei gegebenen Gestellgelenken A0, B0: a) Aufgabenstellung b) Lösung

Page 176: Getriebetechnik ||

6.2 Lagensynthese 161

Die rechnerische Lösung bei vorgegebenen Gestellgelenken A0 und B0 baut auf demAlgorithmus auf, der für die Mittelpunktssuche mit den Gln. (6.14) bis (6.17) zur An-wendung kam. Wie aus Bild 6.16b deutlich wird, stellt nämlich z.B. der gesuchte Ge-lenkpunkt A1 den Mittelpunkt eines Kreises dar, der durch die relativen Lagen der Ge-stelldrehpunkte 1100 AA , 120A , 130A geht. Um nun den durch die Gln. (6.14) bis(6.17) beschriebenen Algorithmus anwenden zu können, müssen allerdings zunächst dieneuen Koordinaten der Gestelldrehpunkte 120A , 120B sowie 130A , 130B bestimmtwerden. Dabei muss sowohl die Verschiebung in das Bezugskoordinatensystem 1, 1sowie die zugehörige Verdrehung berücksichtigt werden. Man erhält dadurch

i10Ai10A0A

sinyycosxxxxi0i011

i0

i10Ai10A0A

cosyysinxxyyi0i011

i0

i = 2,3 . (6.18a,b)Analog gilt diese Gleichung auch für B0.

6.2.3.2 Getriebeentwurf für drei Punkte einer Koppelkurve

Nach der in Bild 6.18a gezeigten Aufgabenstellung soll ein Punkt C durch drei ge-gebene Punkte C1, C2, C3 geführt werden, die z.B. auf einer anzunähernden Kurve kCgewählt wurden. Die Wertigkeitsbilanz ergibt hier

Wfrei = Wvorh Werf = 10 (2 + 1 + 1) = 6 .Von dem Getriebe, das den Punkt C führen soll, ist die Lage der Gestellgelenke A0, B0,die Gliedlänge AA0 und der Koppelpunktsabstand AC gegeben, wodurch ent-sprechend Tafel 6.1 mit der Wahl zweier Punkte und zweier Längen

Wfrei = 6 = 2 · 2 + 1 + 1voll erfüllt wird. Die Lage des zweiten Koppelgelenkes B auf dem Koppelglied istgesucht.

a) b)

Bild 6.18Konstruktion eines Getriebes für drei Punkte einer Koppelkurve kC:a) Aufgabenstellung b) Lösung

Page 177: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe162

Wenn der Punkt C in die Lagen C1, C2, C3 gebracht wird und außerdem der Gelenk-punkt A auf dem Kreisbogen kA liegen soll, so sind dadurch die Lagen C1A1, C2A2 undC3A3 des Koppelgliedes bestimmt (Bild 6.18b). Damit liegt die bereits beschriebeneAufgabenstellung "Getriebeentwurf für drei allgemeine Gliedlagen" mit gegebenenGestellgelenken nach Bild 6.17a vor. Das Koppelgelenk A ist hier allerdings durch dieAufgabenstellung bereits gegeben. Die Lage des Gestellgelenkes B0 relativ zum Kop-pelglied in dessen drei Lagen wird z.B. in die Stellung 1 übertragen und es ergeben sichdie Punkte 1100 BB , 120B , 130B . Das gesuchte Koppelgelenk B in der Lage B1 istdann der Mittelpunkt des Kreises durch diese drei Punkte.

Die rechnerische Lösung ist aufwändiger und baut auf verschiedenen Berechnungs-schritten auf. So müssen zunächst, ausgehend von der Gliedlänge AA0 und demKoppelpunktsabstand AC , die drei Lagen 1, 2 und 3 des Zweischlages A0AC bestimmtwerden. Hierzu kann auf die in Kapitel 4 beschriebenen Verfahren, insbesondere die inAbschnitt 4.2 beschriebene Modulmethode, zurückgegriffen werden. Anschließendkönnen die neuen relativen Lagen des Gestelldrehpunktes 120B sowie 130B analog zuden Transformationsgleichungen (6.18a,b) berechnet werden. Das gesuchte Koppel-gelenk B ergibt sich dann in der Lage B1 durch den mit Hilfe der Gln. (6.14) bis (6.17)beschriebenen Algorithmus.

6.2.3.3 Getriebeentwurf für drei Punkte einer Übertragungsfunktion

Von einer gewünschten Übertragungsfunktion = () zwischen zwei im Gestelldrehbar gelagerten Gliedern sollen drei Punkte 1,2,3 exakt eingehalten werden. Die ent-sprechenden Winkel 12 und 23 sowie 12 und 23 sind gegeben. Die Lösung erfolgtanalog zu dem in Abschnitt 6.2.2.2 gezeigten Verfahren. Für die Wertigkeitsbilanzergibt sich mit der Zuordnung 12,12 und 23,23

Werf = 2

und aus den Gln. (6.11) und (6.12)

Wfrei = Wvorh Werf = 8 2 = 6.

Mit der Wahl der Gestelldrehpunkte A0 und B0, der Länge AA0 des Antriebsgliedessowie dessen Ausgangslage relativ zur Gestellgeraden A0B0 durch den Winkel 01(Bild 6.19a) wird

Wfrei = 6 = 2 · 2 + 1 + 1

voll erfüllt.

Auch diese Aufgabe kann auf drei Gliedlagen zurückgeführt werden. Im Gegensatz zurLösung in Abschnitt 6.2.2.2 wird hier BB0 als feste Bezugsebene verwendet. Man

Page 178: Getriebetechnik ||

6.2 Lagensynthese 163

betrachtet also die Lage des Antriebsgliedes relativ zum Abtriebsglied. Wählt man z.B.die Stellung 1 des Abtriebsgliedes als Bezugslage und denkt man sich das noch nichtweiter bestimmte Abtriebsglied in der entsprechenden Stellung relativ zum Zeichen-papier festgehalten, so ergeben sich die den Getriebestellungen 2 und 3 entsprechendenLagen von Gestell und Antriebsglied relativ zum Abtriebsglied folgendermaßen:

A0 bewegt sich auf einem Kreis um B0 entgegengesetzt zu der Drehrichtung, die dasAbtriebsglied relativ zum Gestell haben soll, also um -12 und -23, in die Lagen 120A , und 130A . In 120A und 130A werden die entsprechenden Antriebswinkel01 + 12 bzw. 01 + 12 + 23 angetragen, und es ergeben sich die Lagen 1

2A und 13A

des Koppelgelenkes A relativ zur Stellung 1 des Abtriebsgliedes. Das Koppelgelenk Bmuss für alle Getriebelagen den gleichen Abstand (Koppellänge) vom Gelenk A haben.Die Lage von B in der Stellung 1 des Abtriebsgliedes und damit auch die Länge derKoppel und der Abtriebsschwinge ergibt sich als Mittelpunkt des Kreises durch

111 AA , 1

2A und 13A (Bild 6.19b).

a)

c)

b)

Bild 6.19Konstruktion eines Getriebes für drei Punkte einer Übertragungsfunktion:a) Aufgabenstellung, b) Lösung, c) Lösungsgetriebe

Die rechnerische Lösung dieser Aufgabenstellung besteht im Wesentlichen wieder inder Mittelpunktssuche, ausgehend von den Kreispunkten 1

11 AA , 12A und 1

3A analogzu dem mit Hilfe der Gln. (6.14) bis (6.17) beschriebenen Algorithmus. Entsprechend

Page 179: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe164

der in Bild 6.19b gezeigten graphischen Konstruktion der Lösung können die dafürbenötigten Punkte 1

2A und 13A mit Hilfe der Beziehungen

12120101200BA cosAAcosBAxx01

2

12120101200BA sinAAsinBAyy01

2

23122312010231200BA cosAAcosBAxx01

3

23122312010231200BA sinAAsinBAyy01

3

(6.19a-d)berechnet werden.

6.2.3.4 Beispiel eines Drehgelenkgetriebes als Übertragungsgetriebe

Zu zwei gegebenen Relativ-Winkelzuordnungen 12,12 und 23,23 für drei Lagen desAntriebsglieds A0A und drei Lagen 1, 2, 3 des Abtriebsglieds B0B eines Drehgelenk-getriebes sind die Abmessungen zu finden.

Lösung:Die mit Hilfe von Gl. (6.12) ermittelte vorhandene Wertigkeit Wvorh = 8 teilt sich für dieerforderliche Wertigkeit Werf hinsichtlich der getroffenen Annahmen folgendermaßenauf:

Annahme A0 B0 B B0 12,12 23,23

Werf 2 2 1 1 1 1

Mit der Wahl von und mit den Winkeln 12 und 23 liegen die Punkte B1, B2, B3 inden drei Lagen des Abtriebsgliedes als Punkte eines Kreises um B0 mit dem RadiusB B0 fest. Bei der Rückdrehung dieser Punkte mit den Winkeln -12, -13 = -(12 + 23)um A0 wandern die Punkte B2 und B3 für einen Beobachter in A in der Bezugslage 1 andie Stellen B2

1 bzw. B31. Da alle Punkte B in der Lage 1 auf Kreisen um A liegen

müssen, liefert der Schnittpunkt der beiden Mittelsenkrechten m1B1 und m

1B2 den Punkt

A in der Lage 1 und damit die Koppellänge A B AB1 1 , Bild 6.20.

Page 180: Getriebetechnik ||

6.2 Lagensynthese 165

B

12

13

1'

2'3'

A1

mB11

mB21

1 1

2312

B1

B2

2

B3

B3

A0 B0E0

Bild 6.20Drei-Lagen-Synthese für ein Drehgelenkgetriebe A0ABB0 als Übertragungsgetriebe

6.2.3.5 Beispiel eines Schubkurbelgetriebes als Übertragungsgetriebe

Zu zwei gegebenen Relativlagenzuordnungen 12,s12 und 13,s13 für drei Lagen des An-triebsgliedes (Kurbel) A0A und drei Lagen des Abtriebsgliedes (Schiebers) eines zentri-schen Schubkurbelgetriebes sind die Abmessungen zu finden.

Lösung:

Wegen der Versetzung e = 0 verringert sich Wvorh = 8 um zwei Wertigkeiten aufWeff = 6, vgl. Gl. (6.13).

Die Wertigkeitsbilanz sieht dann folgendermaßen aus:

Annahme A0 B1 12,s12 13,s13Werf 2 2 1 1

Die Konstruktion des Punkts A in der Lage 1 erfolgt analog zu derjenigen im Abschnittzuvor, Bild 6.21.

Page 181: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe166

ss

12

13

B B3B21

A1

A0 0E

mB11

1mB2

B

B31

21

12

13

Bild 6.21Drei-Lagen-Synthese für ein Schubkurbelgetriebe A ABB0 0

als Übertragungsgetriebe

6.2.4 Mehrlagen-Synthese

6.2.4.1 Getriebeentwurf für vier allgemeine Gliedlagen (Kreis- und Mittelpunkt-kurve)

Wenn vier allgemeine Lagen eines Getriebegliedes durch die Koppelbewegung einesviergliedrigen Gelenkgetriebes erfüllt werden sollen, so können weder die Koppel-gelenke A, B im bewegten ,-System noch die Gestellgelenke A0, B0 im gestellfestenx,y-System beliebig gewählt werden. Wie schon zu Beginn dieses Abschnitteserwähnt, müssen für verschiedene, vorgegebene Lagen einer bewegten Ebene E, z.B.E1, E2, E3, ... relativ zur Bezugsebene diejenigen Punkte X der Ebene E gesucht werden,deren homologe Punkte X1, X2, X3, ... während der Bewegung der Ebene auf einemKreis liegen (Bild 6.13). Zur exakten Erfüllung der Aufgabenstellung müssen also dieKoppelgelenke Kreispunkte K sein, d.h. sie müssen in ihren den vier Gliedlagen ent-sprechenden homologen Lagen jeweils auf einem Kreis liegen, dessen Mittelpunkt Mdann als entsprechendes Gestellgelenk zu wählen ist. Aus dieser Bedingung ergibt sich,dass zulässige Koppelgelenke in der bewegten Ebene nur auf einer bestimmten Kurve,

Page 182: Getriebetechnik ||

6.2 Lagensynthese 167

nämlich der sogenannten Kreispunktkurve kK liegen und die zugeordneten Gestell-gelenke entsprechend auf der sogenannten Mittelpunktkurve kM in der gestellfestenEbene.

Kreis- und Mittelpunktkurve werden nach BURMESTER unter dem BegriffBURMESTERsche Kurven zusammengefasst. Sie können graphisch nur mit großemAufwand ermittelt werden, weshalb sich die numerische Bestimmung empfiehlt.

Weitere getriebetechnische Aufgabenstellungen, wie z.B. die Erfüllung von vierPunkten einer Koppelkurve oder vier Punkten einer Übertragungsfunktion, könnenebenfalls mit Hilfe der BURMESTERschen Kurven gelöst werden, wenn sie zuerstanalog zu dem Verfahren für drei Gliedlagen gemäß Abschnitt 6.2.3.2 und 6.2.3.3 indie Aufgabenstellung vier allgemeine Gliedlagen überführt werden.

Als Beispiel zeigt Bild 6.22 für die vier eingezeichneten Lagen der ,-Ebene strich-punktiert die Mittelpunktkurve kM in der gestellfesten x,y-Ebene und gestrichelt dieKreispunktkurve kK als Kurve kK1 für die Lage 1 der bewegten ,-Ebene. Die Kurvensind bestimmt durch die Koordinaten xM, yM der Mittelpunkte M in der gestellfestenEbene und die Koordinaten K, K der zugeordneten Kreispunkte K in der bewegtenEbene. In einem Teilbereich sind zur Verdeutlichung zugeordnete Kreis- und Mittel-punkte durch Verbindungslinien gekennzeichnet.

Die Gestellgelenke des gesuchten viergliedrigen Gelenkgetriebes können nun auf kMbeliebig gewählt werden (z.B. die eingezeichneten Punkte A0 und B0). Zu den gewähl-ten Mittelpunkten sind dann die zugeordneten Kreispunkte auf kK als Koppelgelenke zuverwenden (also zu A0 und B0 die eingezeichneten Punkte A1 und B1 auf kK1 für dieLage 1 des Getriebes). Abschließend muss geprüft werden, ob von dem so gefundenenGetriebe eventuelle weitere Anforderungen erfüllt werden, wie z.B. gleicher Be-wegungsbereich für alle Lagen, Durchlaufen der Lagen in einer bestimmten Reihen-folge, stetige Antriebsbewegung, günstige Kraftübertragung usw.

Page 183: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe168

Bild 6.22Kreis- und Mittelpunktkurve für vierallgemeine Gliedlagen

Zur rechnerischen Ermittlung der Kreis- und Mittelpunktkurve für vier allgemeineGliedlagen können die vier Lagen des , -Systems gemäß Bild 6.23 zunächst durchxCi, yCi, i beschrieben werden.

Bild 6.23Lagen mit Kreispunkt K undMittelpunkt M

Wenn ein Punkt K der bewegten Ebene mit den Koordinaten K, K sich auf einemKreis mit dem Radius r um den Mittelpunkt M in der gestellfesten Ebene mit denKoordinaten xM, yM bewegen soll, so muss für alle Lagen i gelten:

Page 184: Getriebetechnik ||

6.2 Lagensynthese 169

xM + r · cosi = xCi + K cosi - K sini ,

yM + r · sini = yCi + K sini + K cosi , i = 1, 2, 3, 4 . (6.20a,b)

Durch Quadrieren kann der Winkel i eliminiert werden und man erhält für jede Lage idie Beziehung

x 2Ci + y2Ci+ x 2M + y 2M + 2K + 2K - r

2

-2xCixM - 2yCiyM + 2(xCicosi + yCisini) K -2(xCisini - yCicosi) K

-2cosi (xM K + yM K) - 2sini (yM K - xM K) = 0 , i = 1, 2, 3, 4 . (6.21)

Um im nächsten Schritt den Kreisradius r zu eliminieren, fasst man von diesen vierGleichungen durch Subtrahieren je zwei zusammen, z.B. die Gleichungen für i = 1,2,i = 1,3 und i = 1,4. Dadurch erhält man das folgende nichtlineare Gleichungssystem mitdrei Gleichungen für die vier Unbekannten xM, yM, K, K:

Aj + Bj xM + Cj yM + Dj K + EjK + Fj (xMK + yMK) + Gj (yMK - xMK) = 0,

j = 1, 2, 3. (6.22)

Die in den verbleibenden drei Gleichungen auftretenden Koeffizienten Aj bis Gj hängendabei nur von den Lagedaten xCi, yCi, i ab und sind somit bekannt. Wird nun eine Ko-ordinate beliebig vorgegeben, also z.B. die x-Koordinate xM eines Mittelpunktes, sokann das Gleichungssystem (6.22) aufgelöst werden und man erhält eine Polynom-gleichung 3. Grades für eine Unbekannte. Bei Vorgabe von xM ergibt sich z.B.

a0 + a1 yM + a2 y 2M + a3 y 3M = 0 , (6.23)

wobei die Koeffizienten a0 bis a3 nur von den Lagedaten xCi, yCi, i und derVorgabekoordinate xM abhängen.

Die reellen Lösungen der Gleichung (6.23) (im Allgemeinen entweder eine oder drei)sind die Koordinaten yM zulässiger Mittelpunkte M zu einem vorgegebenen xM. Wirdein so bestimmtes Paar xM, yM in zwei der insgesamt drei Gleichungen des Gleichungs-systems (6.18) eingesetzt, so ergibt sich ein lineares Gleichungssystem für die nochunbekannten Koordinaten K, K des zugeordneten Kreispunktes. Durch schrittweiseVariation der Vorgabekoordinate erhält man somit jeweils Paare zugeordneter Kreis-und Mittelpunkte.

6.2.4.2 Getriebeentwurf für fünf allgemeine Gliedlagen (BURMESTERscheKreis- und Mittelpunkte)

Wenn fünf allgemeine Lagen eines Getriebegliedes exakt durch die Koppelbewegungeines viergliedrigen Gelenkgetriebes erfüllt werden sollen, können, wenn eine Lösung

Page 185: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe170

überhaupt möglich ist, nur ganz bestimmte Punkte der bewegten Ebene als Koppel-gelenke und ganz bestimmte, entsprechende Punkte der gestellfesten Ebene als Gestell-gelenke verwendet werden. Diese werden als BURMESTERsche Kreis- und Mittel-punkte bezeichnet. Abhängig von den Lagedaten der bewegten Ebene existiert ent-weder gar keine reelle, als Getriebe ausführbare, Lösung oder es ergeben sich zwei odervier Paare zugeordneter Kreis- und Mittelpunkte als Lösung. Bei zwei Punktepaarenkann ein viergliedriges Getriebe zur Erfüllung der Aufgabenstellung gebildet werden,bei vier Punktepaaren erhält man durch Kombination von je zwei Punktepaaren insge-samt sechs Lösungsgetriebe.

BURMESTERsche Punkte können auf zwei verschiedenen Wegen bestimmt werden.Die erste Möglichkeit besteht darin, dass man aus den gegebenen fünf Lagen jeweilsvier herausgreift und für verschiedene solcher Lagekombinationen die Kreis- undMittelpunktkurven ermittelt und zum Schnitt bringt. Die Schnittpunkte der Kreispunkt-kurven für zwei verschiedene Vierergruppen sind Kreispunkte, die beiden Gruppenangehören. Zu diesen Kreispunkten sind die Mittelpunkte für die eine und die andereVierergruppe zu bestimmen. Wenn diese beiden Mittelpunkte ebenfalls zusammenfallenund sich somit auch die beiden entsprechenden Mittelpunktkurven im zugeordnetenMittelpunkt schneiden, dann sind die betrachteten Punkte Kreis- und Mittelpunkt füralle fünf Lagen. Dieses Verfahren kann auch mit rein graphischen Methoden durch-geführt werden, es ist jedoch außerordentlich aufwändig, weshalb sich auch hier alszweite Möglichkeit die direkte rechnerische Bestimmung der BURMESTERschenPunkte empfiehlt. Analog zur Vierlagensynthese sind mit Hilfe der BURMESTERschenPunkte auch getriebetechnische Aufgabenstellungen wie z.B. fünf Punkte einerKoppelkurve oder fünf Punkte einer Übertragungsfunktion lösbar, wenn diese wiebei drei oder vier Gliedlagen zuerst in die Aufgabenstellung fünf allgemeineGliedlagen überführt werden.

Als Beispiel zeigt Bild 6.24 fünf allgemeine Gliedlagen, wobei die Lagen 1 bis 4 denVorgabelagen für vier allgemeine Gliedlagen nach Bild 6.23 entsprechen. Die zusätz-liche fünfte Lage soll zwischen den Lagen 1 und 2 durchlaufen werden.

Page 186: Getriebetechnik ||

6.2 Lagensynthese 171

kM(1,2,3,4)

kK1(1,2,3,4)

kK1(1,2,3,5)

kM(1,2,3,5)

x

y

K1

K2

C1C5 C2

C3

C4M1K4

K3

M4M3

M2

M**

M*

K*

Bild 6.24Bestimmung vonBURMESTERschen Kreis-und Mittelpunkten für fünfallgemeine Gliedlagen

Als Lösung existieren für dieses Beispiel die vier eingezeichneten zugeordnetenPunktepaare M1,K1, M2,K2, M3,K3 und M4,K4. Da die Lagen 1 bis 4 mit dem Beispielaus der Vierlagensynthese identisch sind, liegen diese vier Punktepaare auf der einge-zeichneten, aus Bild 6.23 übernommenen Kreis- und Mittelpunktkurve für die Lagen 1bis 4. Eine der möglichen sechs Kombinationen zweier Punktepaare nämlich M1,K1 undM2,K2 zu einem Getriebe zur exakten Führung der Koppelebene durch die gegebenenfünf Lagen ist eingezeichnet.

Die Bestimmung der in Bild 6.24 gezeigten Kreis- und Mittelpunkte für fünf allgemeineGliedlagen erfolgt mit Hilfe der Kreis- und Mittelpunktkurven für zwei verschiedeneKombinationen von jeweils vier Lagen. Die Kreispunktkurven kK(1, 2, 3, 4) und kK(1, 2, 3, 5)für die Lagengruppen 1, 2, 3, 4 und 1, 2, 3, 5, jeweils gezeichnet in der Lage 1 der be-wegten Ebene, schneiden sich in den Punkten K1, K2, K3, K4 und K*. Zu K* gehört fürdie Vierergruppe 1, 2, 3, 4 der Mittelpunkt M* auf kM(1, 2, 3, 4) und für die andere Vierer-gruppe der Mittelpunkt M** auf kM(1, 2, 3, 5). K* ist demnach kein Kreispunkt für alle fünfLagen. Dagegen erhält man für die Schnittpunkte K1, K2, K3, K4 mit M1, M2, M3, M4

jeweils die gleichen Punkte für beide Lagengruppen als Mittelpunkt und diese Punkte-paare sind somit Kreis- und Mittelpunkte für alle fünf Lagen. Abschließend sei zudieser Art der Kreis- und Mittelpunktssuche jedoch noch einmal auf den sehr hohenAufwand für die graphische Konstruktion hingewiesen, die dieser Lösung zugrundeliegt.

Page 187: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe172

Für den Rechnereinsatz besser geeignet ist die rein algebraische Bestimmung derBURMESTERschen Kreis- und Mittelpunkte, die analog zum rechnerischen Verfahrenfür die Vierlagensynthese erfolgen kann.

6.3 Mehrfache Erzeugung von KoppelkurvenWie schon in Kapitel 2 erwähnt, lassen sich bei einer Aufteilung der Getriebe nach ihrerFunktion die beiden Getriebetypen Führungsgetriebe und Übertragungsgetriebe unter-scheiden. Generell dienen Führungsgetriebe entweder zum Führen von Punkten einzel-ner Getriebeglieder auf vorgeschriebenen Bahnen (Punktführung) oder zur Führung vonGetriebegliedern durch vorgeschriebene Lagen (Ebenenführung). Im Falle der Verwen-dung eines Getriebes als Punktführungsgetriebe spielt die von einem beliebigen Punktauf dem geführten Glied des Getriebes erzeugte Koppelkurve eine wichtige Rolle.Schon bei den relativ einfachen viergliedrigen Kurbelgetrieben ergibt sich eine großeVielfalt möglicher Koppelkurven, wie durch Bild 6.25 veranschaulicht.

K B

y

xAA0 B0a

b c

d

Bild 6.25Koppelkurven einer Kurbel-schwinge für verschiedeneLagen des Koppelpunktes K

Page 188: Getriebetechnik ||

6.3 Mehrfache Erzeugung von Koppelkurven 173

In diesem Zusammenhang sind verschiedene Möglichkeiten, die Koppelkurve einesviergliedrigen Gelenkgetriebes zu erzeugen, von besonderem Interesse. Dies gilt beson-ders dann, wenn das im ersten Syntheseschritt ermittelte viergliedrige Gelenkgetriebegewisse Restriktionen z.B. hinsichtlich des Einbauraumes nicht erfüllt.

6.3.1 Ermittlung der ROBERTSschen Ersatzgetriebe

Nach dem Satz von ROBERTS kann jede Koppelkurve eines viergliedrigen Gelenkge-triebes im Allgemeinen durch drei verschiedene Getriebe erzeugt werden. Ist das Aus-gangsgetriebe 00AKBBA gegeben, so existieren zwei weitere sogenannte ROBERTS-sche Ersatzgetriebe mit anderen Abmessungen, deren Koppelpunkt K die gleiche Kop-pelkurve erzeugt. Zur Bestimmung dieser Ersatzgetriebe kann zunächst ein dritter Ge-stellpunkt C0 gefunden werden, indem man ein zum Koppeldreieck ABK gleichsinnigähnliches Dreieck 000 CBA konstruiert (Bild 6.26).

Bild 6.26Konstruktion der Ersatzgetriebe nach ROBERTS

Page 189: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe174

Die neue Kurbellänge a* des ersten Ersatzgetriebes erhält man aus der Konstruktion desParallelogrammes A0AKA*. Damit ist gleichzeitig auch die Seitenlänge A*K des neuenKoppeldreieckes A*KB* bestimmt. Da nach dem Satz von ROBERTS das Koppel-dreieck A*KB* dem ursprünglichen Koppeldreieck AKB gleichsinnig ähnlich seinmuss, ergeben sich auch die übrigen kinematischen Abmessungen des ersten Ersatz-getriebes.

Durch analoge Konstruktion ergibt sich das zweite Ersatzgetriebe ausgehend von demParallelogramm B0BKB**. Die Punkte B*KA**C0 bilden dann ebenfalls ein Parallelo-gramm.

Die sich für die rechnerische Behandlung aus Bild 6.26 ergebenden Beziehungen fürdie kinematischen Abmessungen der beiden Ersatzgetriebe können der Tafel 6.2 ent-nommen werden.

Tafel 6.2: Rechnerische Ermittlung der kinematischen Abmessungen der Ersatzgetriebe nachROBERTS

Ausgangs-getriebe 1. Ersatzgetriebe 2. Ersatzgetriebe

Länge der Kurbel(Schwinge) AAa 0 kb

kbAAa *0

* blaACa **

0**

Länge der Koppel ABb bkaBAb *** b

lcBAb ******

Länge derSchwinge (Koppel) 0BBc b

kcCBc 0** lb

lbBBc 0****

Länge desGestells 00BAd b

kdCAd 00* b

ldBCd 00**

Bestimmungsstücke AKk aKAk ** ***** cbkcKAk

des Koppelpunktes BKl **** ablaKBl cKBl ****

Für praktische Anwendungen ist besonders wichtig, dass bei den drei Getrieben nachROBERTS die An- bzw. Abtriebswinkel , und jeweils paarweise gleich sind,wenn sich die Koppelpunkte der Getriebe an der gleichen Stelle der Koppelkurve be-finden. Daraus folgt auch, dass der Geschwindigkeitsverlauf entlang der Koppelkurvebei den verschiedenen Getrieben gleich ist, wenn die entsprechenden Glieder mit dergleichen Winkelgeschwindigkeit angetrieben werden. Dies bedeutet z.B. für das zweiteErsatzgetriebe **

0A A**B** **0B in Bild 6.26, dass bei einem Antrieb an der Kurbel

Page 190: Getriebetechnik ||

6.3 Mehrfache Erzeugung von Koppelkurven 175

**0A A** mit der Winkelgeschwindigkeit die Koppelkurve durch den Koppel-

punkt K mit demselben zeitlichen Verlauf abgefahren wird wie bei einem Antrieb ander Kurbel A0A des Ausgangsgetriebes A0ABB0 mit derselben Winkelgeschwindigkeit.Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Winkel beim zweiten Ersatzgetriebe von derneuen Gestellgeraden B0 **

0A mit dem gleichen Drehsinn wie für das Ausgangsgetriebezu messen ist.Die Abmessungen der Ersatzgetriebe können auch sehr einfach mit Hilfe eines Schemasbestimmt werden. Dazu werden zunächst wie in Bild 6.27 gezeigt die Gliedlängen a, b,c des Ausgangsgetriebes gestreckt gezeichnet und über b mit den kinematischen Ab-messungen k und l bzw. und das Koppeldreieck errichtet. Anschließend wird eineParallele zur Koppelstrecke AK durch den Gestellpunkt A0 sowie eine Parallele zurKoppelstrecke BK durch den Gestellpunkt B0 gelegt. Als Schnittpunkt ergibt sich derPunkt *

0B . Verlängert man nun die Strecke BK bis zum Punkt B* und zieht außerdemeine Parallele zu A0B0 durch den Koppelpunkt K, so erhält man nicht nur die Abmes-sungen des Koppeldreieckes A*KB* sondern auch die neuen Gliedlängen des1. Ersatzgetriebes *

0* AAa und *

0* BBc . Die Abmessungen des zweiten Ersatzge-

triebes ergeben sich schließlich durch Verlängerung der Strecke KA* bis zum PunktB** sowie der Strecke AK bis zum Punkt A**. Man erhält auf diese Weise sowohl dieAbmessungen des Koppeldreieckes A**KB** als auch die neuen Gliedlängen des2. Ersatzgetriebes **

0** ACa und **

0** BBc . Mit Hilfe des Strahlensatzes können

nun die Beziehungen aus Tafel 6.2 nachvollzogen werden.

Bild 6.27Ersatzgetriebe nach ROBERTS: Schema für das Ausgangsgetriebe und das 1. und 2. Ersatz-getriebe

Page 191: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe176

Aus einer Kurbelschwinge entstehen durch Anwendung des Satzes von ROBERTS eineDoppelschwinge und eine Kurbelschwinge, aus einer Doppelschwinge zwei Kurbel-schwingen und aus einer Doppelkurbel wieder zwei Doppelkurbeln. Wenn das Aus-gangsgetriebe nach GRASHOF umlauffähig ist, dann sind auch die Ersatzgetriebe um-lauffähig, denn die Gliedlängen unterscheiden sich nur durch den Faktor k/b bzw. l/b.

Der Satz von ROBERTS lässt sich nicht nur für Koppelkurven viergliedriger Dreh-gelenkgetriebe, sondern auch für die Koppelkurven einer Schubkurbel anwenden. Dazukann analog zu Bild 6.27 das in Bild 6.28 gezeigte Schema verwendet werden, wobeihier die Längen a, b und die Exzentrizität e der Schubkurbel in gestreckter Lage ge-zeichnet werden.

Bild 6.28Schema für das Ersatzgetriebe nach ROBERTS für Schubkurbeln

Ausgehend von dieser Konstruktion können nun eine Parallele zur Koppelstrecke AKdurch den Punkt A0 sowie eine Parallele zur Koppelstrecke BK durch den Punkt B0’gezogen werden (Bild 6.28). Als Schnittpunkt dieser beiden Parallelen ergibt sich derPunkt C0’. Zeichnet man nun noch eine Parallele zur Gestellgeraden A0B0’ undverlängert die Koppelstrecke BK , so erhält man die Schnittpunkte A* und B* auf derGeraden A0C0’, so dass alle kinematischen Abmessungen der Koppel A*B*K desErsatzgetriebes ermittelt werden können. Allerdings muss jetzt noch die Lage derSchubachse des Ersatzgetriebes ausgedrückt durch die Exzentrizität e* bestimmtwerden. Sie ergibt sich durch die Strecke 'CBe 0** . Rechnerisch ergibt sich durchBetrachtung der entsprechenden Dreiecke im Schema aus Bild 6.28

Page 192: Getriebetechnik ||

6.3 Mehrfache Erzeugung von Koppelkurven 177

ebke* . (6.24)

Die Lage der Schubachse des Ersatzgetriebes kann nun unter Berücksichtigung der inBild 6.28 gezeigten Winkelverhältnisse konstruiert werden, indem man eine weitereParallele zur Gestellgeraden A0B0’ diesmal durch den Punkt B* zieht. Damit ergibt sichim Schema die Strecke x, die sich auch in der Konstruktion des Ersatzgetriebes wieder-findet. Es ergibt sich auf diese Weise ein dem ursprünglichen Koppeldreieck ähnlichesDreieck mit den Seitenlängen e, e* und x. Es gilt

sinx

sine

sine * . (6.25)

Die sich aus der oben beschriebenen Vorgehensweise mit dem Schema aus Bild 6.28ergebenden Bestimmungsgleichungen für die kinematischen Abmessungen des Ersatz-getriebes sind in Tafel 6.3 wiedergegeben.

Tafel 6.3: Rechnerische Ermittlung der kinematischen Abmessungen des Ersatzgetriebes einerSchubkurbel

Ausgangsgetriebe Ersatzgetriebe

Länge der Kurbel(Schwinge) a kb

kba*

Länge der Koppel b bkab*

Exzentrizität e bkee*

Bestimmungsstücke k ak*

des Koppelpunktes l blal*

6.3.2 Ermittlung fünfgliedriger Ersatzgetriebe mit zwei synchronlaufenden Kurbeln

Die Koppelkurve einer Kurbelschwinge kann auch durch 2 fünfgliedrige Getriebe mitzwei synchron laufenden Kurbeln erzeugt werden, wobei man sich den zuvor darge-

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6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe178

stellten Zusammenhang zwischen den Antriebswinkeln von Ausgangs- und den beidenErsatzgetrieben zunutze macht (Bild 6.29) [6.5].

a) b)

Bild 6.29Erzeugung einer Koppelkurve eines viergliedrigen Getriebes durch ein fünfgliedriges Getriebemit zwei synchron laufenden Kurbelna) 2. Ersatzgetriebe nach ROBERTS b) fünfgliedriges Ersatzgetriebe

Wenn der Koppelpunkt K einer Kurbelschwinge A0ABB0 die Koppelkurve kK einesfünfgliedrigen Getriebes durchlaufen soll, kann anstatt des Gestelldrehpunktes 0B mitder Schwinge BB0 ein beliebiger neuer zweiter Gestelldrehpunkt C0 frei gewähltwerden, während der Gestelldrehpunkt 0A mit der Kurbel A0A erhalten bleibt, so dasszunächst das Gestelldreieck A0B0C0 entsteht. Ausgehend von den dann bekanntenSeitenlängen d, *d und **d des Gestells kann nun nach dem Satz von ROBERTS überdie ähnlichen Dreiecke A0B0C0 und ABK' der Koppelpunkt K' gefunden werden, fürden das zweite Ersatzgetriebe nach ROBERTS entsprechend der im vorhergehendenAbschnitt beschriebenen Vorgehensweise bestimmt wird.Damit ergibt sich die in Bild 6.29a gezeigte Konstruktion des viergliedrigen Ersatz-getriebes C0A**B**B0, dessen Kurbel den gleichen Antriebswinkel hat wie das Aus-gangsgetriebe. Wenn beide Kurbeln A0A und C0A**, beginnend in der Entwurfslage,synchron angetrieben werden, ist die zwangläufige Führung der Koppelebene des Aus-gangsgetriebes auch dann gesichert, wenn die beiden Schwingen B0B und B0B** weg-fallen (Bild 6.29b). Die Lage der Kurbel A0A kann jetzt durch den Winkel *

und die Lage der neuen Kurbel CC0 durch den Winkel ** beschriebenwerden. Der für die Montage wichtige konstante Differenzwinkel ergibt sich somitzu 180 .

Page 194: Getriebetechnik ||

6.3 Mehrfache Erzeugung von Koppelkurven 179

Ausgehend von den dann bekannten Seitenlängen d, *d und **d können anschließenddie unbekannten Getriebeabmessungen für das fünfgliedrige Getriebe 0

**0 CA'AKA

wie in Tafel 6.4 gezeigt ermittelt werden. Die Lage des Koppelpunktes K auf dem GliedAK' bleibt erhalten mit dem Winkel ' .

Tafel 6.4: Rechnerische Ermittlung der kinematischen Abmessungen des fünfgliedrigen Ersatz-getriebes gemäß Bild 6.29

viergliedrigesAusgangsgetriebe fünfgliedriges Ersatzgetriebe

Länge der Kurbel AAa 0 aAA'a 0

Länge der Koppel ABb ddb'AK'b*

Länge der Schwinge(Koppel) 0BBc

ddc'KA'c***

Länge der Kurbel --ddaAC'd**

**0

Länge des Gestells 00BAd 00* CAd

Bestimmungsgrößen AKk kAK'k

des Koppelpunktes '

6.3.3 Parallelführung eines Gliedes entlang einer Koppelkurve

Zur Parallelführung einer Gliedebene müssen zwei Gliedpunkte auf kongruenten undparallel verschobenen Bahnkurven geführt werden. Wenn die für die Parallelführunggewünschte Führungskurve der Koppelkurve kK (Koppelpunkt K) eines bekanntenGelenkgetriebes A0ABB0 entspricht, so kann ein aus dem Satz von ROBERTS herge-leitetes einfaches Verfahren zur Synthese eines sechsgliedrigen Ebenenparallel-führungsgetriebes aus einem viergliedrigen Punktführungsgetriebe zur Anwendungkommen (Bild 6.30). Das Auffinden eines viergliedrigen Getriebes mit einer solchengeeigneten Koppelkurve kann z.B. mit Hilfe eines Koppelkurvenatlanten, bekannterSyntheseverfahren oder einer Lösungssammlung erfolgen.

Page 195: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe180

a) b)

Bild 6.30Parallelführung einer Gliedebene:a) Konstruktion und Verschiebung des Ersatzgetriebes nach ROBERTSb) sechsgliedriges Parallelführungsgetriebe

Zu dem so erhaltenen Ausgangsgetriebe 00ABBA mit dem Koppelpunkt K wird nunzunächst eines der beiden Ersatzgetriebe nach ROBERTS (im Beispiel C0A**B**B0)konstruiert und so parallel verschoben, dass die Gestellgelenke (hier A0 und C0) derGlieder mit gleichem Antriebswinkel (hier A0A und C0A**) zusammenfallen(Bild 6.30a). Der Koppelpunkt K’ des verschobenen Getriebes (A0A’B’B0’) ist dannder zweite Punkt zur Führung der Gliedebene, der exakt die gleiche Koppelkurve wieder ursprüngliche Koppelpunkt K, verschoben um den Vektor 00AC , erzeugt. Dabeide Kurbeln AA0 und 'AA0 mit gleicher Winkelgeschwindigkeit umlaufen, könnensie zu einem Glied mit dem Differenzwinkel 180 vereinigt werden.Verbindet man nun die beiden Koppelpunkte K und K’, die immer einen konstantenAbstand voneinander aufweisen, durch ein neues binäres Getriebeglied, so kann daszweite im Gestell gelagerte Glied (B0’B’) des verschobenen Ersatzgetriebes entfallen,und es entsteht ein sechsgliedriges Getriebe (Bild 6.30b). Die sich für das neue sechs-gliedrige Getriebe ergebenden Abmessungen können mit dieser Vorgehensweise ausden Beziehungen für das ROBERTSsche Ersatzgetriebe hergeleitet werden. Damiterhält man die in der Tafel 6.5 zusammengefassten Beziehungen.

Page 196: Getriebetechnik ||

6.3 Mehrfache Erzeugung von Koppelkurven 181

Tafel 6.5: Rechnerische Ermittlung der kinematischen Abmessungen des Parallelführungs-getriebes gemäß Bild 6.30

ViergliedrigesAusgangsgetriebe

SechsgliedrigesParallelführungsgetriebe

Kurbel AAa 0 AAa 0

Koppel ABb ABb

Schwinge 0BBc 0BBc

Gestell 00BAd 00BAd

Bestimmungsstückeder Koppel

AKk BKl

AKk BKl

Kurbel blaAC'a **

0

Koppel bkc'K'Af

Koppel bkdCAK'Kg 00

Als Beispiel ist in Bild 6.31 ein auf diese Weise entstandenes Parallelführungsgetriebegezeigt [6.6].

A0

B0

BEA

C

D

A '

F5

F2

F1

F4F3

kF2

kF5

Bild 6.31Kurvenparallelführung in einem Förder-getriebe der Landtechnik

Page 197: Getriebetechnik ||

6 Grundlagen der Synthese ebener viergliedriger Gelenkgetriebe182

6.4 Übungsaufgaben

Die Aufgabenstellungen und die Lösungen zu den Übungsaufgaben dieses Kapitelsfinden Sie auf den Internetseiten des Instituts für Getriebetechnik und Maschinen-dynamik der RWTH Aachen.

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=aufgaben

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=loesungen

Aufgabe 6.1Maschine zum Verschließen von Dosen: Getriebetyp, Maßsynthese, Beschleunigungs-grad

Aufgabe 6.2Legeeinrichtung einer Textilmaschine: Getriebeentwurf

Aufgabe 6.3Viergliedriges Filmgreifergetriebe: Fünfgliedriges Ersatzgetriebe

Aufgabe 6.4Wippkran: Drei-Lagen-Synthese

Aufgabe 6.5Muldenkipper: Drei-Lagen-Synthese

Page 198: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe

Kurvengetriebe mit mindestens drei Gliedern und in der Standardbauform mit einemRollenstößel oder Rollenhebel als Abtriebsglied (Abschnitt 2.4.2.2) werden als kom-pakte Baugruppe in der mechanisierten Fertigung und in der Handhabungstechnik ein-gesetzt, überwiegend als Übertragungsgetriebe. Durch eine geeignete Profilgebung desKurvenkörpers lässt sich (fast) jedes Bewegungsgesetz am Abtrieb realisieren; diesemVorteil steht der Nachteil der im Vergleich mit den Gelenken (niedere Elementenpaare)reiner Gelenkgetriebe größeren Belastungsempfindlichkeit im Kurvengelenk gegen-über. In der Kombination mit Gelenkgetrieben sind Kurvengetriebe auch als Führungs-getriebe zu verwenden [7.5].

Dieses Kapitel enthält einige Grundlagen für die Auslegung und damit vorwiegendfür die Synthese einfacher ebener Kurvengetriebe mit rotierender Kurvenscheibe alsAntriebsglied. Zunächst werden die an die jeweilige Bewegungsaufgabe anzupassendenBewegungsgesetze behandelt und danach auf die Bestimmung der Hauptabmessungeneines Kurvengetriebes eingegangen. Die Hauptabmessungen legen die Größe der Kur-venscheibe fest. Der Bewegungsplan mit den ausgewählten Bewegungsgesetzen ergibtdas Bewegungsdiagramm oder die Übertragungsfunktion 0. Ordnung s() bzw. ()und ist schließlich auf das Profil der Kurvenscheibe umzurechnen, dazu sind lediglichKoordinatentransformationen vorzunehmen. Auf die besonders anschauliche Zeich-nungsfolge-Rechenmethode nach HAIN auf der Basis geometrisch-kinematischer Be-ziehungen kann aus Platzgründen nur hingewiesen werden [7.3].

Der Inhalt dieses Kapitels folgt im Wesentlichen den wegweisenden RichtlinienVDI 2142 und VDI 2143.

H. Kerle et al, Getriebetechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9895-1_7,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Page 199: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe184

7.1 Vom Bewegungsplan zum Bewegungsdiagramm

Die Anforderungen an die Abtriebsbewegung eines Kurvengetriebes in der Standard-bauform mit Rollenstößel (Bild 7.1a) oder Rollenhebel (Bild 7.1b) werden in einemBewegungsplan dargestellt, z.B. für s() in Bild 7.2 [7.1].

(t) (t)

e

(t)[ ]][ (t)s

a) b)

Bild 7.1Standardbauformenebener dreigliedrigerKurvengetriebe

Der Bewegungsplan besteht aus einzelnen Bewegungsabschnitten der Längeik = k - i, deren Randpunkte i und k fortlaufend nummeriert werden, beginnend beii = 0 und k = 1. Die Bewegungsperiode setzt sich aus der Summe aller Bewegungsab-schnitte zusammen.

1. Übergang 1. Rast 2. Übergang 3. Übergang 2. Rast

Zwischen-rast Endrast

0

1 2

3

4 5

s

3

0

1 2

3

4 5

0 1

23

4

5

01 12

4523 34

s1 2s,

s ss ,,0 4 5

s3

S01

S23S

S34

5

01 12 23 34 45

Bild 7.2Bewegungsplan einer Bewegungsaufgabe

Page 200: Getriebetechnik ||

7.1 Vom Bewegungsplan zum Bewegungsdiagramm 185

Zu jedem Bewegungsabschnitt gehört für s() ein Teilhub Sik = sk - si bzw. für () einTeilhub ik = k - i. Die Teilhübe sind vorzeichenbehaftet.

Jedem Bewegungsabschnitt ik wird ein Bewegungsgesetz

ikiki Sfs)s( (7.1a)

bzw.

ikiki Ψfψ)ψ( (7.1b)

zugeordnet. Die darin vorkommende Funktion fik heißt normiertes Bewegungsgesetz.Dabei gilt

f(z))(zf)Φ(ff ikikik

iikik

. (7.2)

Die Normierung reduziert die Teilhübe auf ein Einheitsquadrat im z-f-Koordinaten-system mit 0 z 1, f(0) = 0 und f(1) = 1. Die geforderten Geschwindigkeiten v undBeschleunigungen a an den Randpunkten i und k legen den Typ der Bewegungsaufgabeim Abschnitt ik fest, vgl. Tafel 7.1.

Tafel 7.1 Typen von Bewegungsaufgaben

Geschwindigkeit v undBeschleunigung a amRandpunkt i bzw. k einesBewegungsabschnitts ik

Bewegungsaufgabe Abkürzung

v = 0, a = 0 Rast (Endrast oderZwischenrast)

R

v 0, a = 0 konstante Geschwindigkeit G

v = 0, a 0 Umkehr U

v 0, a 0 allgemeine Bewegung B

Insgesamt ergeben sich somit 16 verschiedene Typen von Bewegungsaufgaben, vonR-R, R-G, R-U, usw. bis B-B. Innerhalb eines Bewegungsabschnitts bestehen zwischenGeschwindigkeit v und Beschleunigung a des Abtriebsglieds und den normierten Be-wegungsgesetzen folgende Beziehungen (vgl. auch die Gln. (2.2) und (2.3)):

ik

ikΦS

dzdf

dds

dtdssv (7.3)

Page 201: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe186

bzw.

ik

ikΦΨ

dzdf

ddψ

dtdψψv (7.4)

sowie

ik

ik22ik

ik222

22

22

ΦS

dzdf

ΦS

dzfd

dds

dsd

dtsdsa (7.5)

bzw.

ik

ik22ik

ik222

2

2

2

2

Φdzdf

Φdzfd

dd

dd

dtda . (7.6)

Die Winkel i k und Ψi k sind im Bogenmaß (rad) einzusetzen. Mit und sind dieWinkelgeschwindigkeit in rad/s bzw. die Winkelbeschleunigung in rad/s² der Kurven-scheibe bezeichnet. Für = = konst. reduzieren sich die Gln. (7.5) und (7.6) auf

22ik

ik22

22

ΦS

dzfd

dtsdsa (7.7)

und

22ik

ik22

2

2

Φdzfd

dtda

. (7.8)

Die normierten Bewegungsgesetze f(z), die die kinematischen Randbedingungen derTafel 7.1 erfüllen, können in drei Kategorien eingeteilt werden:

Potenzgesetzei

i2

210 zA....zAzAAf(z)

Trigonometrische Gesetze mit den Argumenten im Bogenmaß (rad)z)sin(νBz)cos(νAf(z)

Kombinationen aus Potenzgesetzen und trigonometrischen Gesetzen

Eine umfangreiche Sammlung von normierten Bewegungsgesetzen ist in [7.1] ent-halten. Innerhalb des Definitionsbereichs 0 z 1 können die normierten Bewegungs-gesetze auch mehrteilig sein.

7.1.1 Kennwerte der normierten Bewegungsgesetze

Um die Auswahl der normierten Bewegungsgesetze zu erleichtern, werden die betrags-mäßig größten Werte der Funktionen f '(z) df/dz, f "(z) d²f/dz², f '"(z) d³f/dz³ und

Page 202: Getriebetechnik ||

7.1 Vom Bewegungsplan zum Bewegungsdiagramm 187

f '(z) f "(z) als Kennwerte zur vergleichenden Bewertung ermittelt:

Geschwindigkeitskennwert Cv = max( (z)'f ) (7.9)

Beschleunigungskennwert Ca = max( (z)"f ) (7.10)

Ruckkennwert Cj = max( (z)"'f ) (7.11)

Statischer Momentenkennwert CMstat = Cv (7.12)

Dynamischer Momentenkennwert CMdyn = max( (z)"f(z)'f ) (7.13)

Die ersten drei Kennwerte beziehen sich auf die Bewegung des Abtriebsglieds (Rollen-stößel oder Rollenhebel), während die letzten beiden Kennwerte eine Aussage zurRückwirkung von konstanten bzw. durch Massenträgheit verursachten Abtriebsbe-lastungen auf das Antriebsglied (Kurvenscheibe) beinhalten. Sämtliche Kennwertesollten im Idealfall möglichst kleine Werte annehmen. Da dies im realen Fall kaummöglich sein wird, muss vom Anwender eine Wichtung vorgenommen werden. Umdynamisch ungünstige Auswirkungen hinsichtlich der Belastung im Kurvengelenk undder Anregung von Schwingungen im Kurvengetriebe zu vermeiden bzw. zu verringern,sollten nur stoß- und ruckfreie Bewegungsgesetze gewählt werden, die also keineUnendlichkeitsstellen im Verlauf von f "(z) und f '"(z) aufweisen.

7.1.2 Anpassung der Randwerte

Nach der Auswahl der Bewegungsgesetze muss die Randwertanpassung auf der Ge-schwindigkeits- und Beschleunigungsstufe für die Übergangsstellen i und k so vorge-nommen werden, dass auch hier kein Stoß (Sprung im Verlauf der Abtriebsge-schwindigkeit v) und kein Ruck (Sprung im Verlauf der Abtriebsbeschleunigung a)eintritt. Eine Ausnahme hiervon bilden nur die R-R-Bewegungsgesetze mit v = 0 m/sbzw. rad/s und a = 0 m/s² bzw. rad/s² an den Übergangsstellen, bei denen allein dieAuswahl der Bewegungsgesetze die Güte der Bewegungsübertragung bestimmt.

Unter der Voraussetzung eines stetigen (sprungfreien) Verlaufs der Antriebswinkelbe-schleunigung der Kurvenscheibe gilt folgender

Satz: Die Anpassung der Randwerte von Geschwindigkeit und Beschleunigungbenachbarter Bewegungsabschnitte muss auf der Grundlage der dimensions-behafteten Übertragungsfunktionen erster und zweiter Ordnung erfolgen(vgl. auch Abschnitt 2.1.1).

Page 203: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe188

Im Folgenden wird als Abtriebsglied ein Rollenstößel mit der Übertragungsfunktionerster Ordnung (ÜF 1) s'() ds/d und zweiter Ordnung (ÜF 2) s"() d²s/d² be-trachtet. Dann sind für die benachbarten Bewegungsabschnitte ik und kl folgendeRandbedingungen am gemeinsamen Randpunkt k einzuhalten:

)('s)('s kklkik (7.14)und

)("s)("s kklkik . (7.15)

Daraus resultiert unter Beachtung der Gln. (7.2), (7.3) und (7.5)

kl

klkl

kl

kl

ik

ikik

ik

ikΦS

0)(zdzdf

ΦS

1)(zdzdf

(7.16)

und

2kl

klkl2

kl

kl2

2ik

ikik2

ik

ik2

ΦS

0)(zdzfd

ΦS

1)(zdzfd

. (7.17)

So entsteht aus dem Bewegungsplan (Bild 7.2) letztendlich das Bewegungsdiagrammmit stetigem Verlauf bis zur Beschleunigungsstufe innerhalb der BewegungsperiodeP = 2, Bild 7.3.

s

S0

R - RZwischen-rast

End-rast

0

1 2

3

4 5P =2

R U- R-

U

Bild 7.3Bewegungsdiagramm einer Bewegungsaufgabe

Entsprechende Gleichungen gelten für einen Rollenhebel als Abtriebsglied, wenn Sikdurch Ψi k und Skl durch Ψkl ersetzt werden.

Page 204: Getriebetechnik ||

7.2 Bestimmung der Hauptabmessungen 189

7.2 Bestimmung der Hauptabmessungen

Die kinematischen Hauptabmessungen des Kurvengetriebes bestimmen wesentlich denRaum- und Materialbedarf sowie die Lauffähigkeit des Getriebes. Ferner haben sie Ein-fluss auf die Wälzpressung im Kurvengelenk, auf die Güte der Leistungs- und Kraft-übertragung sowie die Laufruhe des Kurvengetriebes. Es geht also darum, die kinemati-schen Hauptabmessungen möglichst optimal festzulegen, um ein bezüglich der Güte derBewegungs- und Kraftübertragung günstiges Getriebe zu erhalten.

Zu diesem Zweck können für ein und dieselbe Bewegungsaufgabe zunächst zwei unter-schiedliche Kurvengetriebetypen herangezogen werden. Ist der jeweilige positive Rich-tungssinn der An- und Abtriebsbewegung von Kurvenscheibe und Eingriffsglied vor-gegeben, so bewegt sich der Eingriffsgliedpunkt B beim Hubanstieg vom Kurven-scheibendrehpunkt A0 weg (Zentrifugalbewegung, Bild 7.4) oder zu ihm hin (Zentri-petalbewegung, Bild 7.5).

a) b)

Bild 7.4F-Kurvengetriebe: a) mit Hebel, b) mit Stößel

Im ersten Fall spricht man von einem F-Kurvengetriebe (Zentrifugalkurvengetriebe), imzweiten Fall von einem P-Kurvengetriebe (Zentripetalkurvengetriebe). Die sich beigleicher Übertragungsfunktion ergebenden Kurvenscheiben der beiden Getriebetypensind im Allgemeinen nicht kongruent. Welche der beiden Kurvenscheiben größer ist,hängt von der Größe der Rastwinkel ab, obwohl der Grundkreisradius RGmin,P desP-Kurvengetriebes stets größer ist als der Grundkreisradius RGmin,F des F-Kurven-getriebes.

Page 205: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe190

a) b)

Bild 7.5P-Kurvengetriebe: a) mit Hebel, b) mit Stößel

7.2.1 Hodographenverfahren

Wie aus Bild 7.6 deutlich wird, tritt der Übertragungswinkel nicht nur als Winkelzwischen der Bahnnormalen zur Kurvenkontur und der Normalen zur Bewegungs-richtung des Punktes B als Punkt des Eingriffsgliedes 3 auf, sondern auch als Winkel indem Dreieck, das die Vektorgleichung

32B21B31B vvv (7.18)

mit den Größen

31Bv = Abtriebs- (Absolut-) Geschwindigkeit

21Bv = Antriebs- (Führungs-) Geschwindigkeit

32Bv = Relativgeschwindigkeit

repräsentiert.

Page 206: Getriebetechnik ||

7.2 Bestimmung der Hauptabmessungen 191

a) b)

Bild 7.6Geschwindigkeiten und Übertragungswinkel bei Kurvengetrieben: a) mit Hebel, b) mit Stößel

In Bild 7.6 sind diese Geschwindigkeitsvektoren um 90° im Sinne der Antriebswinkel-geschwindigkeit 21 gedreht, um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen. Der Geschwin-digkeitsmaßstab wurde außerdem so gewählt, dass die zeichnerische Länge (vB21)z desVektorpfeils 21Bv

gleich der zeichnerischen Länge z0BA , also z0z21B BAv ist.Ist der Zeichenmaßstab Mz beliebig gewählt worden, so gilt

z0v021v21B MBAMBAMv , (7.19)

woraus sich folgende Bedingungsgleichung für den Geschwindigkeitsmaßstab ergibt:

21

zvM

M

. (7.20)

Diese Beziehung wird der Ermittlung der kinematischen Hauptabmessungen desKurvengetriebes unter Berücksichtigung eines vorgegebenen minimalen Übertragungs-winkels zugrunde gelegt. Wird Gl. (7.20) eingehalten, so schließen der Vektorpfeil derim Sinne der Antriebswinkelgeschwindigkeit 21 gedrehten Abtriebsgeschwindigkeit

31Bv und die Verbindungsgerade zwischen der Vektorpfeilspitze H in Bild 7.6 und demKurvenscheibendrehpunkt den Übertragungswinkel ein. Da der Geschwindigkeits-maßstab nach Gl. (7.20) für alle Vektoren im gedrehten Geschwindigkeitsdreieck gilt,lässt sich die Länge des Vektorpfeiles 31Bv

bei einem Kurvengetriebe mit Hebel undsomit der Übertragungsfunktion = () ausgehend von

vz31B Mlv (7.21)

und unter Berücksichtigung von Gl. (7.20) sowie mit'21 (7.22)

Page 207: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe192

letztlich wie folgt ermitteln:

zz31B M'lv . (7.23)

Entsprechend erhält man für ein Kurvengetriebe mit Stößel und somit der Übertra-gungsfunktion s = s() wegen

vz31B Msv (7.24)

und unter Berücksichtigung von Gl. (7.20) sowie mit

'ss 21 (7.25)

folgende Bestimmungsgleichung:

zz31B M'sv . (7.26)

Setzt man von einem zu entwerfenden Kurvengetriebe nur die Übertragungsfunktionen0. und 1. Ordnung, bzw. s und ' bzw. s', den Richtungssinn der Bewegungen desAn- und Abtriebsgliedes und ggf. bei einem Hebel als Eingriffsglied noch seine Längeals gegeben voraus, so lässt sich das Eingriffsglied 3 unter einem beliebigen möglichenAbtriebswinkel bzw. -weg s von einer frei gewählten Bezugslinie ( = 0 bzw. s = 0)zeichnen und die gedrehte Geschwindigkeit 31Bv

den Gln. (7.23) und (7.26) gemäß aufder Geraden B0B von B aus antragen. Je nach dem Richtungssinn der Antriebswinkel-geschwindigkeit 21 und dem Vorzeichen von ' = '() bzw. s' = s '() hat derVektorpfeil 31Bv

den Richtungssinn von BB0 oder 0BB .

a) b)

Bild 7.7Grundkonstruktionen des Hodographenverfahrens

Page 208: Getriebetechnik ||

7.2 Bestimmung der Hauptabmessungen 193

Bei einem gewünschten Übertragungswinkel kann dann der Kurvenscheibendreh-punkt A0 an einer beliebigen Stelle auf einem unter dem Winkel in H an B0B ange-tragenen Strahl liegen (Bild 7.7a), da die zeichnerische Länge des Vektors 31Bv

nachden Gln. (7.23) und (7.26) sowohl vom Betrag der Antriebswinkelgeschwindigkeit 21als auch von der Strecke BA0 unabhängig ist und auch der Grundwinkel Gmin bzw.Grundhub SGmin noch nicht festliegt. Da es für die Lauffähigkeit gleichgültig ist, ob dieNormale nB32 (ggf. als Richtung der Kraft von der Kurvenscheibe auf das Eingriffs-glied) auf der einen oder anderen Seite der Bahntangenten tB31 liegt, kann der Über-tragungswinkel als spitzer Winkel in doppelter Weise in H an B0B angetragen werden(vgl. Bild 7.7b). Wählt man für den Übertragungswinkel dann noch den Grenzwert min,so erhält man zwischen den freien Schenkeln dieses Winkels zu beiden Seiten von B0Bje einen Bereich, in dem A0 in der betrachteten Getriebestellung wegen der Gewähr-leistung von ≥ min liegen darf. Wiederholt man diese Konstruktion für eine Reihevon Stellungen des Eingriffsgliedes beim Hubanstieg und Hubabstieg einschließlich derAnfangs- und Endstellung, so hüllen die Grenzgeradenpaare zwei Bereiche ein, indenen die Lage von A0 für alle Getriebestellungen ≥ min gewährleistet (Bild 7.8).Wählt man A0 in dem Bereich, der in Richtung der positiven Abtriebsbewegung liegt,so erhält man ein P-Kurvengetriebe, im anderen Fall ein F-Kurvengetriebe.

a)

b)

Bild 7.8Hodographenverfahren:a) Geschwindigkeitshodograph mit den Grenzgeraden für die A0-Bereiche

b) zugehörige Bewegungsdiagramme einer Rast-in-Rast-Bewegung mitsymmetrischen Übergangsfunktionen

Page 209: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe194

7.2.2 Näherungsverfahren von FLOCKE

Um die umfangreiche Zeichenarbeit zur Ermittlung des Geschwindigkeitshodographenund der Hüllgeraden zu vermeiden, beschränkt sich das Näherungsverfahren vonFLOCKE [7.9] darauf, nur die Vektorpfeile der maximalen Geschwindigkeit beim Hub-anstieg und -abstieg mit den zugehörigen Grenzgeradenpaaren einzuzeichnen(Bild 7.9). Mit gutem Grund kann das Geschwindigkeitsmaximum im jeweiligenWendepunkt der Übergangsfunktion angenommen werden.

a) b)

Bild 7.9Näherungsverfahren von FLOCKE:a) für Kurvengetriebe mit Hebel und symmetrischen Übergangsfunktionenb) für Kurvengetriebe mit Stößel und unsymmetrischen Übergangsfunktionen

Bei einer Bewegungsaufgabe mit vorgegebenen Geschwindigkeiten 0y und Pxybzw. Nxy in den Anschlusspunkten des betrachteten Übergangsbereiches sind dieseauch mit zu berücksichtigen. Wie die Konstruktionslinien in Bild 7.8a für eine Rast-in-Rast-Bewegung mit symmetrischen Übergängen nach Bild 7.8b zeigen, liegt man mitdem Näherungsverfahren zwar geringfügig auf der unsicheren Seite, ist aber dennochberechtigt, so vorzugehen, da min lediglich einen Richtwert darstellt.

Page 210: Getriebetechnik ||

7.3 Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve der Kurvenscheibe 195

Wenn der Kurvenscheibendrehpunkt A0 im zulässigen Bereich für F- bzw. P-Kurven-getriebe festgelegt worden ist, ergeben sich die Gestelllänge und der Grundkreisradiusaus

zz00 MBAd bzw. zzA0minG MBAR . (7.27a,b)

Der Grundkreisradius hat den kleinsten Wert, wenn der Drehpunkt A0 mit der Spitzedes A0F- bzw. A0P-Bereiches zusammenfällt.

Da die Lauffähigkeit und der Raum- und Materialbedarf nur einige Kriterien zurFestlegung der kinematischen Hauptabmessungen sind, müssen zumindest für schnell-laufende und hochbelastete Kurvengetriebe zusätzlich die Beanspruchung im Kurven-gelenk, die Leistungsübertragung und das Schwingungsverhalten untersucht werden.Die entsprechenden Berechnungsalgorithmen gehen jedoch über den Rahmen diesesBuches hinaus.

7.3 Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve derKurvenscheibe

Mit den Funktionswerten der vollständigen Übertragungsfunktion und den kinemati-schen Hauptabmessungen Grundkreisradius RGmin, Gestelllänge d, Schwingenlänge lbzw. Exzentrizität e des Kurvengetriebes, wie in Bild 7.4 gezeigt, lässt sich die Füh-rungskurve bzw. Rollenmittelpunktsbahn RMB = kB32 der Kurvenscheibe 2 ermitteln,auf der der Punkt B, z.B. der Rollenmittelpunkt, des Eingriffsgliedes 3 relativ zuGlied 2 geführt wird. Der Abstand der Arbeitskurve (Kurvenscheibenkontur) von derFührungskurve ist von der Form des Gelenkelements am Eingriffsglied bzw. desZwischengliedes abhängig (Bild 7.10). Dabei kann im Wesentlichen zwischen dreiKonturformen des Eingriffsgliedes unterschieden werden. Kann die Form derKontaktlinie des Eingriffsgliedes in der Bewegungsebene durch einen Kreisbeschrieben werden wie bei einem Pilz- (I), Rollen- (II) oder Walzenstößel (III) oder -hebel, so ergibt sich die Arbeitskurve als Äquidistante, d.h. Kurve gleichen Abstandszur Führungskurve.

Page 211: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe196

a) b)

Bild 7.10Konstruktion der Arbeitskurve kArb aus der Führungskurve kB32 für ein Kurvengetriebe mit Stößel:a) Arbeitskurve als zur Führungskurve äquidistante Hüllkurve von Kreisen

I: Pilzstößel, II: Rollenstößel, III: Walzenstößelb) Arbeitskurve als Hüllkurve von Geraden bei einem Tellerstößel

Der Abstand der Arbeitskurve zur Führungskurve ist dagegen z.B. bei einem Teller-stößel veränderlich, bei einer Spitze oder Schneide null. Die Arbeitskurve kann zeich-nerisch oder rechnerisch als Hüllkurve ermittelt oder mechanisch bei der Fertigungdurch geeignete Werkzeugformen erzeugt werden.

Bei Verwendung einer Rolle als Zwischenglied ist deren Radius rR so festzulegen, dassan der Stelle, an der die Rollenmittelpunktsbahn den kleinsten Krümmungsradius B32besitzt, keine Spitzenbildung und kein Unterschnitt der Arbeitskurve auftritt. Dahersollte folgende Bedingung eingehalten werden:

rR ≤ 0,7 min(B32) (7.28)

Spitzenbildung und Unterschnitt können bei einer Nutkurvenscheibe an jeder Stelle, beieiner Außenkurvenscheibe dagegen nur im konvexen Teil der Rollenmittelpunktsbahnauftreten.

Page 212: Getriebetechnik ||

7.3 Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve der Kurvenscheibe 197

7.3.1 Graphische Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve

Zur Bestimmung von Führungs- und Arbeitskurve können prinzipiell zwei verschiedeneWege beschritten werden. Die anschaulichste Möglichkeit, die Kontur einer Kurven-scheibe zu bestimmen, ist die zeichnerische Ermittlung, die z.B. auch mit Hilfe mo-derner CAD-Systeme zur Anwendung kommen kann.

Die einzelnen Konstruktionsschritte zur zeichnerischen Ermittlung der Führungs- undArbeitskurve sollen an einem F-Kurvengetriebe mit Rollenstößel zur Verwirklichungeiner Rast-in-Rast-Bewegung erläutert werden. Man bedient sich dabei der kinemati-schen Umkehrung des Getriebes, bei der die zu konstruierende Kurvenscheibe als fest-stehend betrachtet wird und der Stößel sich relativ zu ihr mit entgegengesetztem Dreh-sinn der Winkelgeschwindigkeit der Kurvenscheibe dreht (Bild 7.11).

Bild 7.11Konstruktion von Führungs- und Arbeitskurve für ein Kurvengetriebe mit versetztem Rollenstößel

Im Folgenden sind die einzelnen erforderlichen Arbeitsschritte aufgeführt (Bild 7.11).

1. Es muss eine Tabelle bereitgestellt werden mit den Funktionswerten der Über-tragungsfunktion s = s() in einer geeigneten Stufung, insbesondere mit den Rast-anfängen und -enden.

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7 Ebene Kurvengetriebe198

2. Es wird der Gestellpunkt A0 aufgezeichnet und um ihn der Grundkreis kGmin mit demRadius RGmin sowie ein Hilfskreis mit einem beliebigen Radius minGr .

3. Für die Ausgangsstellung 0 wird eine Gerade 000BA gewählt als Senkrechte auf der

Stößelbewegungsrichtung A0E0, wobei E0 auf dem Hilfskreis angenommen wird.

4. Eine Parallele zu A0E0 im Abstand der Versetzung e schneidet den Grundkreis in B0,

dem Rollenmittelpunkt in der Ausgangsstellung, von wo aus der Hubanstieg beginnt.Der Abstand des Punktes B0 von der Ausgangsgeraden 0

00BA ist der Grund-hub SGmin.

5. Die Gerade 00BA und die Senkrechte A0E werden entgegen dem Drehsinn der

Kurvenscheibe um den Winkel i in die Lage 100BA bzw. A0E

i gedreht.

6. Die Parallele zu A0Ei im Abstand e schneidet den Grundkreis im Punkt B iG, der

wieder den Abstand SGmin von 100BA hat. Auf der genannten Parallelen wird von

B iGaus der zum Drehwinkel i gehörige Hub si abgetragen und damit der Rol-lenmittelpunkt Bi erhalten.

7. Die Konstruktionsschritte 5 und 6 werden für eine Folge von Drehwinkeln i desHubanstiegs und -abstiegs ausgeführt.

8. Die Verbindungslinie der Rollenmittelpunkte Bi ist die Rollenmittelpunktsbahn kB21als Führungskurve. Mit Hilfe einer Radienschablone lässt sich der kleinste Krüm-mungsradius min(B32) ermitteln und aufgrund dieses Wertes ein geeigneter Rollen-radius rR ≤ 0,7 min(B32) wählen.

9. Die um die Rollenmittelpunkte Bi mit dem Rollenradius rR geschlagenen Kreise er-geben als Hüllkurve die Arbeitskurve, die Kurvenscheibenkontur.

7.3.2 Rechnerische Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve

Wie schon beim graphischen Verfahren denkt man sich auch für die Herleitung desrechnerischen Algorithmus die Kurvenscheibe als feststehend und lässt den Steg, wie inBild 7.12 gezeigt, mit entgegengesetztem Drehsinn der Winkelgeschwindigkeit derKurvenscheibe rotieren. Im Folgenden werden die vier häufigsten Kurvengetriebebau-arten behandelt:

Kurvengetriebe mit Rollenhebel Kurvengetriebe mit Rollenstößel Kurvengetriebe mit Tellerstößel Kurvengetriebe mit Tellerhebel

Page 214: Getriebetechnik ||

7.3 Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve der Kurvenscheibe 199

Kurvengetriebe mit Rollenhebel

a) b)

Bild 7.12Berechnung von Führungs- und Arbeitskurve für ein Kurvengetriebe mit Rollenschwinghebel:a) Grundstellung mit Grundwinkel Gmin b) Allgemeine Stellung mit bewegtem Steg

Ausgehend von der Darstellung in Bild 7.12a lässt sich bei bekannten Hauptabmessun-gen zunächst der Grundwinkel Gmin gemäß

ld2

Rldarccos

222

minGminG

(7.29)

bestimmen. Anschließend ergeben sich aus Bild 7.12b die Koordinaten des Rollen-mittelpunktes B zu

minGB coslcosd:x , (7.30a)

minGB sinlsind:y . (7.30b)

In diesen beiden Gleichungen treten neben den Hauptabmessungen nur noch dieAntriebsgröße und die Abtriebsgröße () auf. Während erstere in sinnvollerDiskretisierung vorzugeben ist, kann die Abtriebsgröße () auf Grund der aus-gewählten Übertragungsfunktionen berechnet werden, so dass einer Auswertung derGln. (7.30a,b) zur Berechnung der Koordinaten der Führungskurve bzw. Rollenmittel-punktsbahn nichts mehr im Wege steht. Um nun auch noch die Koordinaten derArbeitskurve zu ermitteln, muss als Nächstes der Anstiegswinkel der Tangente t bzw.

Page 215: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe200

der Anstiegswinkel der Normale n zur Arbeitskurve bestimmt werden. Dazu werdendie Ableitungen der Gln. (7.30a,b) nach der Antriebsgröße benötigt:

minGBB sinl'y:'x , (7.31a)

minGBB cosl'x:'y . (7.31b)

Damit können die gesuchten Winkel wie folgt berechnet werden:

B

B'x'y

tan , (7.32)

2

: . (7.33)

Für eine Kurvenscheibe, bei der wie in Bild 7.12a die Außenkontur (Außenflanke)abgetastet wird, ergeben sich die Koordinaten der Arbeitskontur zu

cosrx:x RB2A , (7.34a)

sinry:y RB2A . (7.34b)

Soll die Innenkontur (Innenflanke) einer Kurvenscheibe berechnet werden, so müssendie Koordinaten der Arbeitskontur folgendermaßen bestimmt werden:

cosrx:x RB1A , (7.35a)

sinry:y RB1A . (7.35b)

Kurvengetriebe mit Rollenstößel

Bild 7.13Berechnung von Führungs- und Arbeitskurve für ein Kurvengetriebe mit Rollenstößel

Page 216: Getriebetechnik ||

7.3 Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve der Kurvenscheibe 201

Mit den bekannten Hauptabmessungen lässt sich ausgehend von der Darstellung inBild 7.13 zunächst der Grundwinkel Gmin gemäß

minGminG R

e:cos (7.36)

bestimmen. Anschließend ergeben sich die Koordinaten des Rollenmittelpunktes B zu

sinscosR:x minGminGB , (7.37a)

cosssinR:y minGminGB . (7.37b)

Als Nächstes muss nun, wie schon beim Rollenhebel der Anstiegswinkel der Tangen-te t bzw. der Anstiegswinkel der Normale n zur Arbeitskurve bestimmt werden, umauch noch die Koordinaten der Arbeitskurve ermitteln zu können. Dazu werden dieAbleitungen der Gln. (7.37a,b) nach der Antriebsgröße benötigt:

sin'sy:'x BB , (7.38a)

cos'sx:'y BB . (7.38b)

Der Anstiegswinkel der Tangente bzw. der Anstiegswinkel der Normale zur Ar-beitskurve kann nun mit Hilfe der schon für den Rollenhebel aufgestellten Gln. (7.32)und (7.33) berechnet werden. Für eine Kurvenscheibe, bei der wie in Bild 7.13 dieAußenkontur (Außenflanke) durch den Rollenstößel abgetastet wird, ergeben sich nundie Koordinaten der Arbeitskontur aus den Gln. (7.34a,b). Soll die Innenkontur(Innenflanke) einer Kurvenscheibe für einen Rollenstößel berechnet werden, so müssendie Koordinaten der Arbeitskontur mit Hilfe der Gln. (7.35a,b) berechnet werden.

Page 217: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe202

Kurvengetriebe mit Tellerstößel

Bild 7.14Berechnung von Führungs- und Arbeitskurve für ein Kurvengetriebe mit Tellerstößel

Analog zur Berechnung für das Kurvengetriebe mit Rollenstößel lässt sich zunächst mitden bekannten Hauptabmessungen ausgehend von der Darstellung in Bild 7.14 derGrundwinkel Gmin gemäß Gl. (7.36) bestimmen. Auch die Berechnung der Koordina-ten der Führungskurve des Punktes B, der den Schnittpunkt zwischen der Stößelachseund der Tangente an die Arbeitskurve im Punkt A darstellt, lässt sich mit den bekanntenGln. (7.37a,b) durchführen. Um nun jedoch die Koordinaten der Arbeitskurve bestim-men zu können, sind etwas weitergehende Überlegungen notwendig. Betrachtet man inBild 7.14 die Strecke von A0 über B'A bis zum Schnittpunkt B' mit der Tangente in A, sokann folgende Beziehung aufgestellt werden:

minGAminGAminG cosxsinycossR . (7.39)

Weiterhin gilt für den Steigungswinkel im Kurvenkontaktpunkt A:

minG

minGminG

A

Asincos

90tandxdy

. (7.40)

Bildet man nun die Ableitung von Gl. (7.39) nach der Antriebsgröße , wobei zu be-rücksichtigen ist, dass auch die Koordinaten xA und yA von abhängen, so erhält man

minGAminGA

minGAminGA

sinxcos'x

cosysin'ycos's. (7.41)

Berücksichtigt man nun noch, dass sich aus Gl. (7.40)

Page 218: Getriebetechnik ||

7.3 Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve der Kurvenscheibe 203

minGAminGA cos'xsin'y (7.42)

herleiten lässt, so erhält man durch Einsetzen in Gl. (7.41)

minGAminGA cosysinxcos's . (7.43)

Da sowohl s() als auch s'() aus den ausgewählten Übertragungsfunktionen bekanntsind, stellen nun die beiden Gln. (7.39) und (7.43) ein lineares Gleichungssystem fürdie gesuchten Koordinaten des Kurvenkontaktpunktes A dar. Durch einfachealgebraische Umformungen erhält man

minGminGminGA sincos'scoscossRx(7.44a)

minGminGminGA coscos'ssincossRy .(7.44b)

Kurvengetriebe mit Tellerhebel

Bild 7.15Berechnung von Führungs- und Arbeitskurve für ein Kurvengetriebe mit Tellerhebel

Als Letztes soll die Berechnung von Führungs- und Arbeitskurve für ein Kurvengetrie-be mit Tellerhebel vorgestellt werden. Bei dieser Konfiguration fallen, wie in Bild 7.15

Page 219: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe204

gezeigt, die beiden Punkte A und B zusammen. Berücksichtigt man, dass für den An-stiegswinkel der Tangente t zur Arbeitskurve

minG (7.45)

gilt, so lassen sich die Koordinaten der Arbeitskurve wie folgt formulieren:

cosbsinecosdxA (7.46a)

sinbcosesindyA . (7.46b)

Diese beiden Gleichungen enthalten neben den gesuchten Koordinaten der Arbeits-kurve noch eine dritte Unbekannte b. Daher wird noch eine weitere unabhängige Be-ziehung benötigt. Zuvor kann jedoch durch einfache algebraische Umformungen dieGröße b eliminiert werden und man erhält

esindcosysinx AA . (7.47)

Als weitere unabhängige Gleichung lässt sich der Anstiegswinkel der Tangente t zurArbeitskurve differentialgeometrisch ausdrücken durch

A

A

minG

minGminG dx

dycossin

tantan

(7.48)

Durch ähnliche Umformungen, wie schon beim Kurvengetriebe mit Tellerstößel, wobeiunter anderem auch noch Gl. (7.47) nach der Antriebsgröße differenziert werdenmuss, erhält man schließlich

minG

minGminG

minGminGA

sine

coscos1'd'

sinsind:x

(7.49a)

.cose

sincos1'd'

cossind:y

minG

minGminG

minGminGA

(7.49b)

Page 220: Getriebetechnik ||

7.3 Ermittlung der Führungs- und Arbeitskurve der Kurvenscheibe 205

Bild 7.16Krümmungsradius von Führungs- und Arbeitskurve

Als Letztes lässt sich für die beschriebenen zwei Fälle bei Verwendung eines Pilz- (I),Rollen- (II) oder Walzenstößels (III) nach Bild 7.10 direkt der Krümmungsradius derFührungskurve berechnen (Bild 7.16) , nämlich

BBBB

32B

2B

B ''x'y''y'x1'y'x

: . (7.50)

Für die Arbeitskurve kann der Krümmungsradius dann wie folgt ermittelt werden:

RBA r: . (7.51)

Bei dieser Gleichung gilt das negative Vorzeichen für eine Kurvenscheibe, bei der wiein Bild 7.12 oder Bild 7.13 die Außenkontur (Außenflanke) durch das Eingriffsgliedabgetastet wird. Wird die Innenkontur (Innenflanke) einer Kurvenscheibe abgetastet,so muss in Gl. (7.51) das positive Vorzeichen eingesetzt werden.

Bei Verwendung von Tellerstößel oder Tellerhebel muss der Krümmungsradius derArbeitskurve mit Hilfe von Gl. (7.50) berechnet werden, indem direkt die Koordinatendes Punktes A sowie die zugehörigen ersten und zweiten Ableitungen nach der An-triebsgröße verwendet werden, die aus den Gln. (7.44a,b) im Falle des Tellerstößelssowie aus den Gln. (7.49a,b) im Falle des Tellerhebels hergeleitet werden können.Dabei sei darauf hingewiesen, dass sich vor allem für die zweiten Ableitungen teilweiserecht aufwändige Ausdrücke ergeben.

Page 221: Getriebetechnik ||

7 Ebene Kurvengetriebe206

7.4 Übungsaufgaben

Die Aufgabenstellungen und die Lösungen zu den Übungsaufgaben dieses Kapitelsfinden Sie auf den Internetseiten des Instituts für Getriebetechnik und Maschinen-dynamik der RWTH Aachen.

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=aufgaben

http://www.igm.rwth-aachen.de/index.php?id=loesungen

Aufgabe 7.1Kurvengetriebe mit Rollenstößel: Bewegungsgesetze, Übertragungsfunktionen,Geschwindigkeit, Beschleunigung

Aufgabe 7.2Kurvengetriebe mit Rollenschwinghebel: Geschwindigkeitskennwert der normiertenÜbergangsfunktion, Näherungsverfahren von FLOCKE, Übertragungswinkel

Page 222: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe

Die Beschäftigung mit räumlichen Getrieben erfordert ein beträchtliches Maß an Ab-straktionsvermögen, denn wer kann sich schon Bewegungen von Getriebegliedern umund längs windschiefer Achsen vorstellen. Während die Analyse räumlicher Getriebeschon recht weit fortgeschritten ist, steht die Synthese räumlicher Getriebe - mit Aus-nahme der Kurvengetriebe - noch in den Anfängen. Vom Standpunkt des Ingenieurslohnt sich die Beschäftigung mit räumlichen Getrieben allemal: Sie sind in der Regelkompakter und benötigen deshalb weniger Bauraum als ebene Getriebe.

Wir lernen in diesem Kapitel die Grundbewegungen eines räumlichen Getriebeskennen, erfahren etwas über momentane Schraubachsen als dem Pendant derMomentanpole und über die Erweiterung der NEWTON-RAPHSON-Iterationsmethodeauf räumliche Getriebe. Den Abschluss bilden Kinematik-Transformationsmatrizen, diesich bei Industrierobotern - den bekanntesten Anwendungen räumlicher Getriebe mitsehr einfach aufgebauten Gelenken - bereits durchgesetzt haben.

Räumliche Getriebe (Raumgetriebe) sind u.a. dadurch gekennzeichnet, dass sie sehr oftDrehachsen haben, die sich kreuzen, vgl. Abschnitt 2.1.3. Zwei sich kreuzende Achsen(Geraden) haben im Allgemeinen einen sich zeitlich ändernden Kreuzungsabstand(Lot) d = d(t) und einen sich zeitlich ändernden Kreuzungswinkel t , Bild 8.1.

Punkte von Gliedern räumlicher Getriebe beschreiben im Allgemeinen Raumkurven,d.h. Kurven mit doppelter Krümmung.

Räumlichen Getrieben ist eine Raumkinematik zugeordnet, d.h. für die kinematischeAnalyse solcher Getriebe haben sich spezielle mathematische Verfahren der Vektor-und Matrizenrechnung bewährt, die mit Rechnerunterstützung durchgeführt werden.Am anschaulichsten dabei ist die Vektorrechnung, die sowohl geschlossen-analytischeals auch nur iterativ zu erlangende Lösungen liefert.

H. Kerle et al, Getriebetechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9895-1_8,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Page 223: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe208

d

g2

g1

Bild 8.1Zwei im Raum liegende sich kreuzende(windschiefe) Geraden g1 und g2

8.1 Der räumliche Geschwindigkeitszustand einesstarren Körpers

Drei Punkte (F, G, H) eines starren Körpers, die nicht alle auf einer geraden Linieliegen, bestimmen dessen Lage (und Kinematik) im Raum, Bild 8.2 [8.1].

z

x y

F

F

H

H

G

0Gr

rr

Bild 8.2Starrer Körper im Raum

Page 224: Getriebetechnik ||

8.1 Der räumliche Geschwindigkeitszustand eines starren Körpers 209

Die drei Ortsvektoren r rF G, und rH müssen die Starrheitsbedingungen erfüllen, d.h.

r r konstG F 2 . und r r konstH F 2 .

Analog zu Abschnitt 3.1.2.1 lässt sich daraus nach einmaliger zeitlicher Ableitung einräumlicher Winkelgeschwindigkeitsvektor

herleiten, so dass mit F als Bezugspunkt,

Translationspunkt oder Aufpunkt gilt: v v r r r rG F GF GF G F , , (8.1a) v v r r r rH F HF HF H F , . (8.1b)

vF und

bilden zusammen die sog. Kinemate des starren Körpers bezüglich F. Der

vom Punkt F unabhängige Winkelgeschwindigkeitsvektor bestimmt sich folgender-

maßen aus Gl. (8.1a):

v v r rG F G F ;

Linksmultiplikation mit v vH F ergibt

.rrωvvωrrvv

rrωvvvvvv

FGFHFGFH

FGFHFGFH

Der letzte Term verschwindet, weil nach Gl. (8.1b) der Differenzvektor v vH F auf

senkrecht steht; somit verbleibt

v v v vv v r rH F G F

H F G F. (8.2)

Multipliziert man Gl. (8.1a) oder Gl. (8.1b) skalar mit , verschwindet stets der zweite

Summand, daraus folgt:

Satz 1: und die Projektionen

v v vF G H sind zwei von drei Inva-

rianten des räumlichen Geschwindigkeitsfeldes eines starren Körpers.

Lediglich die senkrecht zu stehende Komponente von vF hängt vom gewählten

Translationspunkt F ab und verschwindet für einen Punkt F = S auf der momentanenSchraubachse, d.h. es gilt

Satz 2: Bei der allgemeinen räumlichen Bewegung eines starren Körpers gibt esi.a. keinen momentan ruhenden Punkt, also auch keine einfache Drehachse.

Page 225: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe210

Satz 3: Die allgemeine räumliche Bewegung eines starren Körpers setzt sich ausaufeinanderfolgenden Elementarschraubungen zusammen, die jeweilsparallel zu

ausgerichtet sind.

Jeder Punkt der momentanen Schraubachse (MSA) hat die Geschwindigkeit v p ,

dabei ist p die momentane Steigung der Elementarschraubung, Bild 8.3 (s. auch Richt-linie VDI 2723).

F

F

S

MSA

n

v

v

Bild 8.3F-Kinemate und momentaneSchraubachse (MSA)

Bei gegebener F-Kinemate gilt für einen beliebigen Punkt S der MSA v v p vS F (8.3)

Die vorstehende Gleichung wird zunächst skalar mit multipliziert, wobei der Term

verschwindet; übrig bleibt eine Gleichung für p:

pvF

2. (8.4)

Satz 4: v p ist die dritte Invariante des räumlichen Geschwindigkeitsfeldeseines starren Körpers.

Um den Vektorn zu ermitteln, der senkrecht auf der MSA und

steht, schreibt man

in einem zweiten Schritt in Gl. (8.3) n (: beliebige reelle Zahl) und bildet

das Kreuzprodukt durch Linksmultiplikation mit:

p vF n , d.h.

0 2 vF n n .

Page 226: Getriebetechnik ||

8.2 Der relative Geschwindigkeitszustand dreier starrer Körper 211

Hier verschwindet der vorletzte Term, so dass sich

2F

n ωvωρ

(8.5)

ergibt.

Die gemeinsame Normalen des Winkelgeschwindigkeitsvektors

in F und der

MSA steht also auch senkrecht zu vF .

8.2 Der relative Geschwindigkeitszustand dreier starrerKörper

Zu drei relativ zueinander beweglichen Körpern (Getriebegliedern) 1, 2, 3 (allgemeini, j, k) gehören drei MSA k12, k13 und k23 mit den jeweiligen Invarianten

21 31, und

32 sowie

v v 21 31, und

v32 . Alle drei MSA besitzen eine gemeinsame Normale

n123 , so dass z.B. die Lage der MSA k13 sowie die zugeordneten Invarianten31 und

v31 aus den gegebenen Größen für k12 und k23 eindeutig zu ermitteln sind, Bild 8.4.

k

k

k

v

v

v

z

xy

0=0

d

d

0

0

n

12

12

13

13

23

23

12323

23

13

13

21

21

31

3132

32

Bild 8.4Momentane Schraub-achsen bei der Relativ-bewegung dreier Körper1, 2, 3

Page 227: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe212

Die folgenden Bestimmungsgleichungen sind ohne Beweis angegeben [8.2]:

31 21 32

32 23

21 32 23

0

sin

cos, (8.6)

v

v v v v d

13

21 21 32 32 21 32 32 21 23 21 32 23 23

31

cos sin,

(8.7)

d

v v d d13

21 32 32 21 23 21 32 23 23 322

23

312

sin cos, (8.8)

1321 32 23

31

arccos

cos . (8.9)

Lehrbeispiel Nr. 8.1: Räumliches Drehschubkurbelgetriebe

Aufgabenstellung:Das in Bild 8.5 skizzierte viergliedrige Drehschubkurbelgetriebe ABCD besitzt in A einDrehschubgelenk (f = 2), in B ein Drehgelenk (f = 1), in C ein Kugelgelenk (f = 3) undin D wiederum ein Drehschubgelenk (f = 2). Abgesehen von fid = 1 des Glieds 4 hat dasGetriebe den Freiheitsgrad F = 1.

v

yA 1 2

n

Ha3

z

x

v

14D

f=3a

a0

C

B

c

Bild 8.5Räumliches Drehschubkurbel-getriebe

Page 228: Getriebetechnik ||

8.2 Der relative Geschwindigkeitszustand dreier starrer Körper 213

Für die skizzierte Lage des Getriebes, bei der der Richtungsvektorn senkrecht auf der

Flächendiagonalen BH die relative Drehachse von Glied 3 gegenüber Glied 2 und dieKoppel BC die Raumdiagonale eines Würfels der Kantenlänge a darstellen, sollen dieMSA mit den zugeordneten Winkelgeschwindigkeiten sowie die Geschwindigkeit desPunktes C bzw. D auf Glied 4 ermittelt werden. Außer den Abmessungen ist die Ge-schwindigkeit v des Punktes B in negativer y-Richtung gegeben.

Lösung:Es ist

n b BC a v v vv

B C

C

101

111

0

000

, , , .

Die MSA k12 ist mit AB, d.h. mit der y-Achse gegeben, der Richtungsvektorn gibt

zugleich die MSA k23 an, die Flächendiagonale BH stellt die gemeinsame Normaledieser beiden MSA dar, folglich muss k13 mit

13 auch senkrecht auf BH stehen.

Die Starrheitsbedingung für die Koppel 3 liefert

b v v a

vvC B

C

0111 0

, d.h. v vC .

Nach dem Additionsgesetz für die drei Winkelgeschwindigkeiten gilt 31 32 21 , d.h.

3132

21

32

21

322

101

010

12

2

.

Ferner ist v v r v bC B CB B 31 31 , d.h.

vv a0

0

0

0

12

2111

32

21

32

.

Dies ist ein lineares Gleichungssystem für 21 und 32 ; folglich wird

21 322 2 va

va

, und auch

Page 229: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe214

32 21 312

101

2

010

2

111

va

va

va

, , .

Die Lage der MSA k13 ist z.B. über

n C

n Cv a

1331

312

23

011

genau zu bestimmen,Cn13 ist der Lotvektor von C auf k13; der Steigungsparameter

dazu beträgt momentan

pv aC

1331

312

23

.

8.3 Vektorielle Iterationsmethode

Die im Abschnitt 4.1 für ebene Getriebe vorgestellte analytisch-vektorielle Methodelässt sich problemlos auf räumliche Getriebe übertragen [8.3].

Die Geschlossenheits- und weitere Zwangsbedingungen werden sinngemäß mit Kugel-koordinaten formuliert, Bild 8.6:

z

r

y

x

i

i

i

Bild 8.6Kugelkoordinaten eines Getriebeglied-vektors

ri

Page 230: Getriebetechnik ||

8.3 Vektorielle Iterationsmethode 215

r r e ri i i i

i i

i i

i

cos coscos sinsin

(8.10)

Als Beispiel soll die federgeführte Vorderradaufhängung eines Pkw betrachtet werden,Bild 8.7a. Das zugrunde liegende Getriebe ist mit einem Drehgelenk 15, einem Schub-gelenk 12, einem Drehschubgelenk 46 und vier Kugelgelenken ausgestattet, Bild 8.7b.

Aus der Anzahl g = 7 der Gelenke, der Anzahl n = 6 der Glieder lässt sich entsprechendGl. (4.4) die Anzahl der aufzustellenden unabhängigen Polygonzüge (Schleifen-gleichungen oder Geschlossenheitsbedingungen) ermitteln:

p g n 1 2 .

Die Anwendung der Freiheitsgradgleichung (2.11) liefert

34211276166

fg61n6Fg

1ii

zunächst F = 4 und nach Abzug der beiden identischen Freiheitsgrade der Glieder 3und 6 F = 2. Der Antrieb des Getriebes erfolgt durch die beiden Zug-/Druckfedern inden Gelenken 12 und 46.

Mit Hilfe der Vektorenri wird das vektorielle Ersatzsystem aufgebaut; da hier auch

sehr oft noch systembedingte feste Vektorzuordnungen zu berücksichtigen sind, kanndie Nummerierung der Vektoren von den Gliednummern abweichen, Bild 8.7c.

5 1

23

AB

4E

C

FD

1 y

x

6

z1

Gb)

0

a) G

AB

E

G

910

M1A2B

3C4

D5E 6 F 8

7

c)

M

Bild 8.7Beispiel einer Pkw-Vorderradaufhängung als räumliches Führungsgetriebe mit F = 2

Page 231: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe216

Darüber hinaus ist es vorteilhaft, das vektorielle Ersatzsystem zu wählen, bevor dasräumliche x-y-z-Koordinatensystem festgelegt wird, weil man so die Zahl der variablenBewegungsgrößen nachträglich verringern kann.

Als Bezugspunkt für die Lenkbewegung des Schubgliedes 2 gegenüber dem Gestell 1(z.B. mit Hilfe einer Zahnstange) wurde der Punkt M auf 1 willkürlich gewählt. DieVektoren

r r7 8, undr10 legen den Gestellrahmen fest, mit

r8 ist zudem die Lage der

Drehachse 15 fixiert.

Die beiden Geschlossenheitsbedingungen für die 10 Vektoren lauten:

0ri,p

i

, d.h. (8.11a)

p = 1: r r r r r r r1 2 3 4 5 6 7 0 , (8.11b)

p = 2: r r r r r1 2 3 9 10 0 . (8.11c)

Dies führt über Gl. (8.10) auf 3p = 6 skalare trigonometrische Gleichungen in der Form

0CCrcoscosri,p

iii,p

iii , (8.12a)

0SCrsincosri,p

iii,p

iii , (8.12b)

0ASrsinri,p

iii,p

ii . (8.12c)

In der Tabelle 8.1 sind alle Kugelkoordinaten ri i, und i zusammengestellt worden,konstante Koordinaten (stellungsunabhängige Baugrößen) sind mit c, variable (stel-lungsabhängige) Bewegungsgrößen und damit auch alle unbekannten Koordinaten mitv gekennzeichnet.

i 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

ri v c c c c c c c v c

i c v v v v v c c v c

i c v v v v v c c v c

Tabelle 8.1Übersicht über alle Koordinaten des vektoriellen Ersatzsystems für die Vorderradaufhängung inBild 8.7

Page 232: Getriebetechnik ||

8.3 Vektorielle Iterationsmethode 217

Den 14 v-Größen stehen zunächst einmal nur die 6 Gleichungen (8.11b) und (8.11c)gegenüber. Weitere Zwangsbedingungen lassen sich aus dauernd einzuhaltenden Vek-torzuordnungen zwischen den Einheitsvektoren

ei ableiten. Mit Hilfe solcher Vektor-zuordnungen werden meistens die durch die Art der Gelenke auferlegten Zwangsbe-dingungen berücksichtigt (relative Lage der Gelenkachsen). Im Wesentlichen betrifftdies das Skalarprodukt

e ei k ik cos (8.13)

zweier oder das Vektorprodukt e e ei k j ik sin (8.14)

dreier Vektoren, Bild 8.8 (Kreuzungswinkel ik).

e

e

ei

j

k

ikBild 8.8Vektorzuordnungen

Da beide Bedingungen bezüglich des Winkels ik zweideutig sind, kann die gemein-same Verwendung, die diese Zweideutigkeit ausschließt, vorteilhaft sein.

Hinweis: Falls einer von zwei Einheitsvektoren eine konstante Richtung besitztoder falls zwei Einheitsvektoren

ei und

ek demselben Getriebeglied

zugeordnet sind, reicht i.a. das Skalarprodukt.

Jedes Skalarprodukt in der Form

cos cos cos cos cos sin cos sinsin sin cos

cos

i i k k i i k k

i k ik i k i k

i k ik

CC CC CS CSSA SA

0

(8.15)

liefert eine, jedes Vektorprodukt in der Form

Page 233: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe218

cos sin sin sin cos sin cos cos sin

sin ,

i i k i k k j j ik

i k k i j ikCS SA CS SA CC

0(8.16a)

sin cos cos cos cos sin cos sin sin

sin ,

i k k i i k j j ik

K i i k j ikCC SA CC SA CS

0(8.16b)

cos cos cos sin cos sin cos cossin sin sin i i k k i i k k

j ik i k i k j ikCC CS CS CC SA

0(8.16c)

liefert drei Zwangsbedingungen. Im Fall unseres Beispiels stehen die Vektorenr6 und

r8 einerseits und die Vektoren r r3 4, und

r5 andererseits stets senkrecht zueinander;

außerdem sindr4 und

r9 entgegengesetzt gerichtet:

e e6 8 0 , (8.17a) e e e konst3 5 4 35 35 sin , . , (8.17b)

9 4 9 4 , . (8.17c)

In der Tabelle 8.1 sind neben den Baugrößen c noch die Antriebsfunktionen (Feder-wege) r1 und r9 vorzugeben; die übrigen 12 v-Werte werden endgültig im Vektor

q T 2 2 9 9, , ... , , (8.18)

der Unbekannten zusammengefasst. Andererseits bilden die Kugelkoordinaten ri i, und i der Gln. (8.11b), (8.11c), (8.17a) bis (8.17c) die Komponenten j (j = 1,...,12)des Vektors

der Zwangsbedingungen in der Form der Gln. (8.12a) bis (8.12c) (für

p = 2 !), (8.15), (8.16a) bis (8.16c) und (8.17c).

Daraus lässt sich analog zum Abschnitt 4.1.2 eine Iterationsrechnung

q q qj j J 1

mit der JACOBI-Matrix J q q aufbauen.

Dieselbe JACOBI-Matrix dient als Koeffizientenmatrix zum Aufbau zweier linearerGleichungssysteme

J q bv und J

q ba (8.19)

auf der Geschwindigkeits- bzw. Beschleunigungsstufe für die unbekannten Geschwin-digkeiten qi und unbekannten Beschleunigungen qi .

Page 234: Getriebetechnik ||

8.4 Koordinatentransformationen 219

8.4 Koordinatentransformationen

Bisher wurden hauptsächlich Getriebe aus geschlossenen kinematischen Ketten betrach-tet. Bei der kinematischen Beschreibung von Getrieben aus offenen kinematischenKetten werden oft Koordinatentransformationen benutzt. Diese erlauben, gleicheVektoren in gegeneinander verschobenen und gedrehten Koordinatensystemen darzu-stellen. Während diese Aufgabe bei ebenen Problemen durch Hinsehen erledigtwerden kann, benötigt man bei räumlichen Getrieben (beispielsweise Industrieroboter)Transformationsmatrizen.

Komplexe Transformationen, die eine Drehung um mehrere Achsen darstellen, werdenaus Elementardrehungen um eine Achse durch Multiplikation zusammengesetzt. ImFolgenden werden zuerst die Elementardrehungen beschrieben.

8.4.1 Elementardrehungen

Gesucht ist eine Transformation, mit der ein Vektor in einem um die z-Achse gedrehtenKoordinatensystem dargestellt werden kann.

yje

eyi

jex

exiei zjez =

PPy

i r

Pyrj

rPjrPx

irPxBild 8.9Drehung um die z-Achse

Page 235: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe220

Das Koordinatensystem i wird gebildet aus den Einheitsvektoren

ixe

100, i

ye

010, i

ze

001. (8.20)

Das Koordinatensystem j ist um den Winkel um ize gedreht, so dass i

zjze e

gilt.Für die Basisvektoren j

xe und j

yelässt sich dann schreiben

jxe

cossin

0

, jye

sincos

0

. (8.21)

Betrachtet man nun den VektorrP , so lauten seine Koordinaten im Koordinaten-

system i

iP

iPx

iPy

iPz

rrrr

. (8.22)

Die Koordinaten sind nichts anderes als die Projektionen des Vektors auf die Einheits-vektoren, die das Koordinatensystem aufspannen.

Durch Projektion lassen sich auch die Koordinaten des VektorsrP im Koordinaten-

system j errechnen. Die Projektion erhält man durch Bildung des Skalarprodukts. Fürdie j

Pxr -Koordinate gilt daher

jPx

jx

iP

iPx

iPy

iPz

iPx

iPyr e r

rrr

r r

cossin cos sin

0

. (8.23)

Die jPyr - und j

Pzr -Koordinaten erhält man analog durch Projektion auf die jye - und

jze -Achse:

jPy

jy

iP

iPx

iPy

iPz

iPx

iPyr e r

rrr

r r

sincos sin cos

0

, (8.24)

Page 236: Getriebetechnik ||

8.4 Koordinatentransformationen 221

jPz

jz

iP

iPx

iPy

iPz

iPzr e r

rrr

r

001

. (8.25)

Wie zu erwarten ist, bleibt die z-Koordinate unverändert. Die drei Skalarproduktelassen sich auch durch Multiplikation einer Matrix, deren Zeilenvektoren gleich denEinheitsvektoren des gedrehten Koordinatensystems sind, mit dem Vektor i

Pr

darstellen:

Pzi

Pyi

Pxi

Pyi

Pxi

PziPy

iPx

i

Pi

T

zjy

jx

j

Pj

rcosrsinrsinrcosr

rrr

1000cossin0sincos

reee

r

(8.26)

Diese Transformationsmatrix nennt man die Drehmatrix für die Drehung (Rotation)um die z-Achse. Offensichtlich ist es die Transformationsmatrix, mit der ein Vektorvom Koordinatensystem i auf das Koordinatensystem j transformiert wird:

jP

ji

iPr z r

R , (8.27)

Die Transformationsmatrix, die umgekehrt einen Vektor vom Koordinatensystem j insKoordinatensystem i transformiert, muss die Inverse von j

iR sein, wie man durchMultiplikation mit der Inversen j

iR1 leicht zeigt (E = Einheitsmatrix):

ji

jP

ji

jiiP

iPr r rR R R E 1 1 , (8.28)

ij

jP

iPr rR

. (8.29)

Da die Matrix jiR orthogonal ist, ist die Inverse gerade die Transponierte, die sich

durch Zeilen- und Spaltentausch ergibt:

ji

jiTR R 1 (8.30)

ji

ji

ijR R R

cos sinsin cos

cos sinsin cos

00

0 0 1

00

0 0 1

1 (8.31)

Page 237: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe222

Die Transformationsmatrizen für Drehungen des Koordinatensystems um die anderenAchsen erhält man analog zum Vorgehen bei der Drehung um die z-Achse (vgl.Bild 8.10, 8.11).

jez

ei z

jex

exiyje=eyi

ji yR ( , )

cos sin

sin cos

00 1 0

0

Bild 8.10Drehung um die y-Achse

jez

ei z

jexexi

yje

= eyi

ji xR ( , ) cos sin

sin cos

1 0 000

Bild 8.11Drehung um die x-Achse

Page 238: Getriebetechnik ||

8.4 Koordinatentransformationen 223

8.4.2 Verschiebungen

Ist das Koordinatensystem j gegenüber dem Koordinatensystem i verschoben, muss nurder Verschiebungsvektor i

ijr , der vom Ursprung des Koordinatensystems i zum Ur-

sprung des Koordinatensystems j zeigt, hinzuaddiert werden, Bild 8.12:iP

iij

jPr r r

(8.32)

jex

exi

yje

e

yi

0

0

j

i

iji

iP

Pj

P

Bild 8.12Verschiebung eines Koordinatensystems

8.4.3 Kombination mehrerer Drehungen

Natürlich können Transformationen miteinander kombiniert werden. Man betrachte alsBeispiel die offene kinematische Kette in Bild 8.13 als vereinfachtes Strukturmodelleines Industrieroboters. Zwei gelenkig verbundene Getriebeglieder der Länge L sind je-weils um die Winkel 1 und 2 gegenüber dem vorhergehenden Glied verdreht.Gesucht ist der Ortsvektor 0 rP im ortsfesten Koordinatensystem 0.

Page 239: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe224

P

2O

0O = 1O

2r2P

1

1r120ey

1ey

0ex

1ex

0rP

2ex

2ey

2

Bild 8.13Kombination mehrerer Drehungen

0 rP besteht aus zwei Teilvektoren112r und 2

2r P , deren Koordinaten in den jeweiligen

körperfesten Koordinatensystemen leicht angegeben werden können:

112 0

0

rL

22 0

0

rL

P

(8.33)

Um sie addieren zu können, müssen sie erst in eine gemeinsame Basis überführtwerden, in diesem Fall das Koordinatensystem 0.

Zuerst wird der Vektor 2 2r P in die Basis 1 transformiert, d.h.

12

12 2

22

2 2

2 2

2

2

00

0 0 100 0

r z r

L LLP P

R ,cos sinsin cos

cossin

, (8.34)

dann durch eine weitere Transformation in die Basis 0:

Page 240: Getriebetechnik ||

8.4 Koordinatentransformationen 225

02

01 1

12

1 1

1 1

2

2

2 1 2 1

2 1 2 1

00

0 0 1 0

0

r z rLL

L LL L

P P

R ,cos sinsin cos

cossin

cos cos sin sincos sin sin cos .

(8.35)

Der Vektor 1 12r wird ebenfalls in die Basis 0 transformiert:

012

01 1

112

1 1

1 1

1

1

00

0 0 100 0

r z rL L

L

R ,cos sinsin cos

cossin

. (8.36)

Der Vektor 0 rP ergibt sich also zu:

0 012

02

1 2 1 2 1

1 2 1 2 1

1 1 2

1 1 2

0

0

r r r

L L LL L L

L

P P

cos cos cos sin sinsin cos sin sin cos

cos cos( )sin sin ( ) .

(8.37)

Allgemein lässt sich schreiben:

0 01 1

112

01 1

12 2

22

r z r z z rP P R R R, , , . (8.38)

Koordinatentransformationen werden also durch Multiplikation verknüpft; so lassensich komplexe Drehungen, auch um verschiedene Achsen, darstellen.

Lehrbeispiel Nr. 8.2: Kinematische Analyse des viergliedrigen Drehgelenk-getriebes in Matrizenschreibweise [8.4]

Aufgabenstellung:

Für das vorgelegte ebene Problem werden analog zu Bild 8.13 zunächst geeignete Be-zeichnungen entsprechend Bild 8.14 gewählt.

Page 241: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe226

0 = A = 000

1

C

B

Y = y0

x = X0B = 003

ey0

ex0

ey1ex1

ey2

ex2

ey3

ex3

2

3 =1

A= 02

Bild 8.14Bezeichnungen am viergliedrigen Drehgelenkgetriebe mit Einheitsvektoren in den verschiedenenBasen

Für die gegebenen Abmessungen l A A l AB l B B l A B1 0 2 3 0 4 0 0 , , , und diegegebenen Koordinaten xc, yc des Koppelpunkts C im gliedfesten 2 2e ex y Koordi-natensystem sind bei bekannten Antriebsgrößen , , die Gleichungen für2 3, XC, YC und die zugeordneten zeitlichen Ableitungen für Geschwindigkeit undBeschleunigung ansatzweise anzugeben.

Lösung:

Um die Einfachheit zu wahren, wird nur eine Drehmatrix angegeben, die für alle be-wegten Glieder gegenüber dem Gestell (Glied 0) gültig ist:

0 1 2 3R ii i

i ii

cos sinsin cos

, , , .

(8.39)

Für den Punkt B lassen sich dann zwei Gleichungen in der Form der Gl. (8.38) aufstel-len, nämlich

Page 242: Getriebetechnik ||

8.4 Koordinatentransformationen 227

0 012

02

2

0 013

03

3

0

0

r rl

und

r rl

B

B

R

R .(8.40)

Die Vektoren 012r und 0

13r weisen vom Ursprung 10 zu den jeweiligen Ursprüngen

20 und 30 . Auch sie lassen sich mit Hilfe einer Drehmatrix darstellen; gleichzeitigkann man beide Vektorgleichungen für den Punkt B zur Geschlossenheitsbedingungzusammenfassen (E = Einheitsmatrix):

01

1 02

2 4 03

3

0 0 0 000

R R E Rl l l l

. (8.41)

Diese Gleichung stellt den Vektor der Zwangsbedingungen dar, entsprechend

Gl. (4.5).

Für den Koppelpunkt C ergibt sich analog

XY

rxy

C

C

C

C

012

02

R . (8.42)

Bei der Bildung der zeitlichen Ableitungen 1. und 2. Ordnung für die Gln. (8.41) und(8.42) verschwinden diejenigen für die gliedfesten Koordinaten, da die einzelnenGlieder starre Körper sind, es ist also z.B. dl1/dt = dxC/dt = dyC/dt = 0. Für die Ab-leitungen der Drehmatrizen 0R i entsprechend Gl. (8.39) gilt

00

RR R

ii i

i

id

dt

d

ddd

0

(8.43)

und

02 0

2

0 2

22

22 0 1 2 3

; , , .

RR R

R

ii i

i

i i

ii

d

dt

d

ddd

dd

dd

i

(8.44)

Page 243: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe228

8.4.4 Homogene Koordinaten

Die eingeführten Transformationen unterscheiden zwischen Drehungen und Verschie-bungen. Eine Verschiebung wird durch Addition eines Verschiebungsvektors darge-stellt, d.h.

P1

010

P0 rrr

, (8.45)

während eine Drehung des Koordinatensystems durch Multiplikation mit einer Dreh-matrix ausgeführt wird:

0 001

011

r r rP P R . (8.46)

Der Verschiebungsvektor 0 01r zeigt also die Lage und die Drehmatrix 0

1R die Orien-tierung des Koordinatensystem 1 gegenüber dem Koordinatensystem 0 an, Bild 8.15.

1y

1z

z

y

0

1

x

x

1

e

e

e

0e

0e

e

PrP

rPr 00

01

00

01

Bild 8.15Zwei Koordinatensysteme 0und 1

Beide Transformationen können mit sog. homogenen Koordinaten in einer besonde-ren Transformationsmatrix zusammengefasst werden.

Page 244: Getriebetechnik ||

8.4 Koordinatentransformationen 229

Es handelt sich dabei um eine 44-Matrix mit folgendem Aufbau:

01

01

001

0 0 0 1

TR

r(8.47)

Die Matrix 01T enthält sowohl die Drehmatrix 0

1R und den Verschiebungsvektor001r , jeweils bezogen auf das Koordinatensystem 0. Die ersten drei Elemente der 4.Zeile sind Nullen, das 4. Element dieser Zeile enthält den sog. Maßstabsfaktor t 44 ,der üblicherweise auf den Wert 1 gesetzt wird.

Wird der Maßstabsfaktor ungleich 1 gewählt, so besteht zwischen den kartesischenKoordinaten x, y, z des Ursprungs vom Koordinatensystem 1 und den Elementen desVektors 0 01

r folgender Zusammenhang:

xrt

x001

44, y

rt

y001

44, z

rt

z001

44. (8.48)

Satz: Werden mehrere Transformationen hintereinander ausgeführt, so errechnetsich die Gesamttransformation durch Multiplikation der Einzel-Trans-formationsmatrizen. Auch hier muss die Reihenfolge der Drehungen beachtetwerden.

Der Vorteil der homogenen Koordinaten besteht in der einheitlichen Darstellung derDrehung und Verschiebung, was sehr programmierfreundlich ist. Dafür müssen je-weils einige Koordinaten gespeichert werden, die stets null sind; dies erhöht denSpeicherbedarf.

8.4.5 HARTENBERG-DENAVIT-Formalismus (HD-Notation)

Der HD-Formalismus legt eine spezielle Abfolge von Transformationen fest, die be-sonders für Getriebe auf der Grundlage offener kinematischer Ketten und mit Gelenkenvom Freiheitsgrad f = 1 geeignet ist. Bei Industrierobotern ist er weit verbreitet. DerFormalismus nutzt aus, dass die Bewegungsachsen (Gelenkachsen) immer eine gemein-same Normale haben [8.5].

Page 245: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe230

Bei der Festlegung der gliedfesten Koordinatensysteme gelten folgende Konventionen:

Die jze -Achse liegt in der Bewegungsachse j.

Die jxe -Achse liegt in Richtung der gemeinsamen Normalen

n j der Bewegungs-achsen von Gelenk i und j.

Die jye -Achse wird so gelegt, dass j

xe , j ye

, j ze ein Rechtssystem bilden.

Im allgemeinen Fall sind beim Übergang vom Koordinatensystem i zum Koordinaten-system j folgende Teiltransformationen durchzuführen, Bild 8.16:

Rotation um die ize -Achse mit dem Winkel ij , so dass

jxe schließlich parallel ist

zur Normalen n j ,

Verschiebung um dij in Richtung derize -Achse (sind die Bewegungsachsen i und

j parallel, wird das Koordinatensystem j so gelegt, dass dij = 0 ist).

Verschiebung um lij in Richtung der (gedrehten)jxe -Achse.

Rotation um die (gedrehte) jxe -Achse mit dem Winkel ij , so dass

jze in

Richtung der Drehachse j zu liegen kommt.

ij und dij sind der Winkel und Abstand zwischen den Normalenni und

n j , während

ij und lij der (Kreuzungs-)Winkel und (Kreuzungs-)Abstand der Bewegungsachsen iund j sind.

i

ii

z

jj

dij

lij

ij

ij

nj

ni

e

e

ee

ey

jey

x

i0iGelenk i

Gelenk jj

xz

0j

Bild 8.16Winkel und Strecken bei der HD-Notation

Page 246: Getriebetechnik ||

8.4 Koordinatentransformationen 231

Der Verschiebungsvektor iijr vom Ursprung i 0 der Basis i zum Ursprung j0 der

Basis j, bezogen auf das Koordinatensystem i, ist nach einer Drehung um die ize

-Achse mit ij:

iij

ij ij

ij ij

ij

ij

ij ij

ij ij

ij

rl

d

lld

cos sinsin cos

cossin

00

0 0 10 (8.49)

Die Dreh- oder Orientierungsmatrix lautet nach zwei Drehungen um die jxe -Achse mit

ij und um die ize -Achse mit ij:

ij

ij ij

ij ij ij ij

ij ij

ij ij ij ij ij

ij ij ij ij ij

ij ij

R

cos sinsin cos cos sin

sin cos

cos cos sin sin sinsin cos cos cos sin

sin cos

00

0 0 1

1 0 000

0

(8.50)

Somit ergibt sich als Transformationsmatrix von der Basis j zur Basis i in der HD-Notation:

ij

ij ij ij ij ij ij ij

ij ij ij ij ij ij ij

ij ij ij

lld

T

cos cos sin sin sin cossin cos cos cos sin sin

sin cos

00 0 0 1

(8.51)

In Bild 8.16 ist der Winkel ij variabel (z.B. mit einem Antrieb versehen). Der Winkel ij und die Längen dij und lij sind dagegen konstant. In der Robotertechnik nennt mandie konstanten GrößenMaschinenparameter.

Ist ein Winkel ij variabel, hat man es mit einem Drehgelenk zu tun. Bei einer variab-len Länge dij handelt es sich um ein Schubgelenk.

Lehrbeispiel Nr. 8.3: Vertikalknickarmroboter

Der Industrieroboter in Bild 8.17 ist ein Vertikalknickarmroboter mit dem FreiheitsgradF = 6, der ausschließlich Drehgelenke besitzt.

Page 247: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe232

Die ersten drei Achsen ab Grundgestell sind für die Positionierung, die anderen drei fürdie Orientierung des Endeffektors (meist ein Greifer) vorgesehen.

0

2

1

Bild 8.17Industrieroboter RX90 (Werkbild: Stäubli Unimation Deutschland, Bayreuth)

Im Folgenden werden nur die drei Positionierungsachsen 0, 1, 2 des Roboters be-trachtet. Die kinematische Struktur mit den notwendigen Koordinatensystemen für denHD-Formalismus zeigt Bild 8.18.

Page 248: Getriebetechnik ||

8.4 Koordinatentransformationen 233

Bild 8.18Kinematisches Schema des Lehrbeispiels Industrieroboter RX90

Das Koordinatensystem 0 muss um den Winkel 01 verdreht werden, um die 0x-Achsemit der Normalen

n1 auszurichten. Danach dreht man mit dem festen Winkel

01 = 270 um die1x-Achse. Für die Drehtransformation gilt daher

01

01 01

01 01

01 01

01 01

00

0 0 1

1 0 00 270 2700 270 270

00

0 1 0

R

cos sinsin cos cos sin

sin cos

cos sinsin cos .

(8.52)

Page 249: Getriebetechnik ||

8 Räumliche Getriebe234

Der Verschiebungsvektor 0 01r ist

001

01 01

01 01

01 01

00

0 0 1

00

00

r

d d

cos sinsin cos

, (8.53)

so dass die Gesamttransformation

01

01 01

01 01

01

0 00 0

0 1 00 0 0 1

T

cos sinsin cos

d(8.54)

lautet.

Da die Achsen 1 und 2 parallel sind, ist bei 1 2R kein Maschinenparameter zu be-rücksichtigen. Für 1 2R gilt daher

12

12 12

12 12

00

0 0 1R

cos sinsin cos

(8.55)

Der Verschiebungsvektor von Basis 1 zu Basis 2 ist

112

12 12

12 12

12 12 12

12 12

00

0 0 100 0

rl l

l

cos sinsin cos

cossin

. (8.56)

Die Transformationsmatrix 12T lautet daher

12

12 12 12 12

12 12 12 12

12

00

0 0 1 00 0 0 1

T

cos sin cossin cos sin

lld

. (8.57)

Analog gelangt man zur Transformationsmatrix 23T :

23

23 23 23 23

23 23 23 23

23

00

0 0 1 00 0 0 1

T

cos sin cossin cos sin

lld

(8.58)

Page 250: Getriebetechnik ||

8.4 Koordinatentransformationen 235

Die Multiplikation der drei Matrizen ergibt die Gesamttransformationsmatrix 03T :

03

01122

3

03

003

0 1T T T T R

r

T (8.59)

In der Robotertechnik sind nun zwei Fragen interessant:

1) Zu einem gegebenen Satz Antriebskoordinaten (im Beispiel 01, 12, 23) ist diezugehörige Position und Orientierung des Endeffektors (genauer: des Koordinaten-systems 3) gesucht. Dies nennt man das Direkte Kinematische Problem (DKP),das durch Einsetzen der Winkel 01, 12, 23 in die Matrix 0

3T gelöst wird.

2) Zu einer gegebenen Position und Orientierung des Endeffektors ist der zugehörigeSatz Antriebskoordinaten gesucht. Dies wird als Inverses Kinematisches Problem(IKP) bezeichnet und ist oft schwieriger lösbar als das DKP. Jede Robotersteuerungmuss das IKP in Echtzeit lösen, um den Roboter eine programmierte Bahn verfahrenzu lassen. Dazu müssen die Komponenten der Matrix 0

3T nach den Antriebskoor-dinaten aufgelöst werden, was nur für wenige Roboterstrukturen analytisch möglichist. Ist die analytische Lösung nicht möglich, bieten sich numerische Lösungsver-fahren an, wie das in Abschnitt 4.1 beschriebene NEWTON-RAPHSON-Verfahren.

Page 251: Getriebetechnik ||

Anhang

Praxisbeispiele mit Lösungen

Die auf den folgenden Seiten des Anhangs präsentierten 14 Praxisbeispiele stellen diewichtigste Änderung der vorliegenden 4. Auflage gegenüber der 3. Auflage dar. DieAufgabenstellungen für die Praxisbeispiele beziehen sich auf unterschiedliche An-wendungen im Maschinenbau, für die fachspezifische Bewegungserzeugung und Kraft-übertragung im Mittelpunkt stehen:

A1 Radaufhängungen

A2 Scheibenwischer

A3 Pkw-Verdeckmechanismen

A4 Schaufellader

A5 Hubarbeitsbühnen

A6 Hebebühnen

A7 Schmidt-Kupplung

A8 Mechanische Backenbremsen

A9 Schritt(schalt)getriebe

A10 Rastgetriebe

A11 Pflugschar mit Schlepperanlenkung

A12 Scharniermechanismen

A13 Zangen

A14 Übergabevorrichtung

Während die alten Übungsaufgaben hauptsächlich dazu dienten, den Lehrstoff zuvertiefen und dem Benutzer eine gewisse Überprüfbarkeit seines Verständnisses für dieMethoden der Getriebetechnik zu bieten, sollen die neuen Praxisbeispiele den breiten

H. Kerle et al, Getriebetechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9895-1,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Page 252: Getriebetechnik ||

Anhang 237

Anwendungsbezug für getriebetechnische Lösungen im Maschinenbau aufzeigen undAnregungen für eigene Lösungen bieten. Nicht zuletzt ist es das Ziel der Autoren, mitdem Anhang auf die auch heute noch unvermindert große Bedeutung der Getriebe-technik für die mechanische Bewegungserzeugung hinzuweisen. Auch im Zeitalter derAutomatisierung werden für ständig wiederkehrende Bewegungen oder für die Über-tragung großer Kräfte bzw. Drehmomente ungleichmäßig übersetzende (Ge-)Triebe inder Vielfalt benötigt, wie sie schon Franz Reuleaux (1829 - 1905) als Pionier derMechanisierung auflistete: Schraubentrieb, Kurbeltrieb, Rädertrieb, Rollentrieb,Kurventrieb und Gesperrtrieb.

Page 253: Getriebetechnik ||

Anhang238

A1 Radaufhängungen

Bild A1.1Hinterradaufhängung im Mercedes E-Klasse (Quelle: ATZ, [A1.1, S. 131])

Unter einer Radaufhängung versteht man die bewegliche Verbindung zwischen demFahrzeugaufbau und den Rädern (Bild A1.1). Sie gibt den Rädern eine im Wesentlichenvertikal ausgerichtete Beweglichkeit, um einerseits Fahrbahnunebenheitenauszuweichen und andererseits die im Radaufstandspunkt in horizontaler Richtungwirkenden Reifenkräfte und momente auf den Aufbau zu übertragen [A1.2]. Generellkann zwischen Verbundachse, Einzelrad- und Starrachsaufhängung unterschiedenwerden (Bild A1.2). Die Kinematik der Radaufhängung hat großen Einfluss auf dieFahrsicherheit und den Komfort eines Fahrzeuges [A1.3]. Bei ihrer Auslegung kommtes häufig zu Zielkonflikten dieser beiden Aspekte.

Um Fahrbahnunebenheiten auszugleichen und damit hohe Beschleunigungen des Fahr-zeugaufbaus zu verhindern, muss jeder Radträger eines Straßenfahrzeuges mindestensüber einen Freiheitsgrad (2.3) verfügen. Aus dieser Forderung folgt, dass Einzelrad-aufhängungen den Freiheitsgrad F = 1 besitzen müssen. Werden zwei Räder an einemRadträger befestigt, wie bei einer Starrachse, dann muss dieser Radträger über den Frei-heitsgrad F = 2 (parallel Einfederung und Wanken) verfügen (vgl. Bild A1.2). Auch

Page 254: Getriebetechnik ||

Anhang 239

eine Verbundachse benötigt zwei Freiheitsgrade. Bei dieser beeinflussen sich dieBewegungen der beiden Räder einer Achse gegenseitig. Der Freiheitsgrad einerRadaufhängung lässt sich mit Hilfe der Gleichung (2.13) bestimmen.

Bild A1.2Radaufhängungen [A1.2]: a) Einzelradaufhängung, b) Starrachse und c) Verbundachse

Im Allgemeinen vollführt eine Einzelradaufhängung keine reine vertikale, sondern eineallgemeine räumliche Koppelbewegung (8). Dabei kommt es u.a. zu federwegab-hängigen Spur- und Sturzänderungen des Rades. Der Radsturz beschreibt die Neigungder Radebene zur Fahrbahnsenkrechten und ist positiv, wenn die Radebene nach außengeneigt ist. Er hat Einfluss auf die Seitenführungskraft des Reifens.

Tipp: Ein positiver Sturz erzeugt eine Axialkraft, die das Rad gegen die Radauf-hängung drückt und somit Elastizitäten sowie eventuelle Verschleißzuständeausgleichen kann. Jedoch kommt es beim Abrollen auch zu verstärkten Gleit-bewegungen innerhalb der Radaufstandsfläche.

Bei Personenkraftfahrzeugen werden heutzutage überwiegend Einzelradaufhängungeneingesetzt. Diese bestehen aus den Radträgern, verschiedenen Gelenken, mehrerenLenkern, den Aufbaufedern und -dämpfern. Der Radträger trägt die Radlagerung undmeistens auch die Bremseinrichtung. Er ist mit Gelenken über Lenker (Führungs-glieder) mit dem Fahrzeugaufbau (Gestell) verbunden.

Bei der einfachsten Art der Einzelradaufhängung ist der Radträger direkt über einGelenk mit dem Fahrzeugaufbau verbunden (Bild A1.3a). Da die Aufhängung denFreiheitsgrad F = 1 besitzen muss, kommen im Allgemeinen nur Gelenke, die fünf Be-wegungsfreiheiten sperren (Drehgelenk und Schubgelenk) in Frage (Tafel 2.4).Verbindet man den Radträger über ein Drehschubgelenk (f = 2) mit dem Fahrzeug-aufbau, so muss eine der beiden Bewegungsfreiheiten des Gelenks durch einen zusätz-lichen Stablenker aufgehoben werden (Bild A1.3b). Wird ein Kugelgelenk (f = 3)verwendet, so sind dementsprechend zwei Stablenker nötig (Bild A1.3c). In diesemFalle kann die Bewegung des Radträgers zu jedem Zeitpunkt als reine Drehung um eineAchse durch den Mittelpunkt des Kugelgelenks, das den Radträger mit dem Aufbau

Page 255: Getriebetechnik ||

Anhang240

verbindet, interpretiert werden. Damit bewegen sich alle Koppelpunkte auf konzentri-schen Kugelschalen, deshalb wird diese Aufhängung auch als sphärische Radauf-hängung bezeichnet. Dennoch handelt es sich um ein räumliches Getriebe, da sichnicht alle Gelenkachsen in einem Punkt schneiden (2.1.3).

b c

Bild A1.3Bauarten der Einzelradaufhängungen: a) Drehlagerung, b) Drehschubgelenk und c) sphärischeAufhängung [A1.2]

Sobald der Radträger nicht mehr direkt mit dem Fahrzeugaufbau verbunden ist, bildeter die Koppel eines im Allgemeinen räumlichen Führungsgetriebes (2.1.2). Auchhier existieren zahlreiche verschiedene Konzepte (Bild A1.4).

Bild A1.4Konzepte für Einzelradaufhängungen: a) Trapezlenkerachse, b) Doppelquerlenkerachse,c) Mehrlenkeraufhängung und d) Fünf-Lenker-Aufhängung [A1.2]

Beispielhaft soll im Folgenden eine Doppelquerlenkerachse untersucht werden(Bild A1.5). Das im Allgemeinen räumliche Getriebe wird dabei vereinfacht als ebenerMechanismus betrachtet. Ersetzt man die Kugelgelenke der beiden Querlenker ausBild A1.4b durch Drehgelenke, so ist bei paralleler Anordnung der Gelenkdrehachsender Stablenker nicht mehr nötig. Bild A1.6 zeigt die zu untersuchende Achse in derHeckansicht.

Page 256: Getriebetechnik ||

Anhang 241

Bild A1.5Doppelquerlenkervorderachse im Mercedes AMG SLS

Der Momentanpol M eines Radträgers kann über den Schnittpunkt der Polstrahlendurch die zwei Lenker bestimmt werden (3.1.2.2). Der Radträger dreht sich relativzum Aufbau um diesen Punkt. Zur Bestimmung des Momentanpols des Aufbaus, des sogenannten Wankpols W (auch Rollzentrum genannt), werden die Polstrahlen durchden Momentanpol Ml des linken bzw. Mr des rechten Radträgers und den entsprechen-den Radaufstandspunkten, die getriebetechnisch als Drehgelenke aufgefasst werdenkönnen, eingezeichnet. Der Schnittpunkt dieser beiden Polstrahlen stellt denMomentanpol des Aufbaus um die y-Achse senkrecht auf der Zeichenebene dar.

S

O

z

x

3 2 4

1

P =W12

P =M23 l P =M24 r

P14P13

Bild A1.6Ermittlung des Wankpols W bei einer ebenen Doppelquerlenkerachse [A1.3] (S: Schwerpunkt)

Page 257: Getriebetechnik ||

Anhang242

Ähnliche Untersuchungen können auch für die Nickbewegung des Fahrzeugs um die x-Achse gemacht werden. Statt des Wankpols W ist jetzt die Bestimmung des so genann-ten Längspols erforderlich. Durch die Kinematik der Radaufhängung kann derLängspol des Fahrzeugaufbaus so gewählt werden, dass das Brems- und Anfahrnickengering bleibt.

Im Folgenden werden die Auswirkungen der nichtlinearen Kinematik auf die Rad be-zogene vertikale Federrate beschrieben. Die Kinematik der Radaufhängung beeinflusstden Zusammenhang zwischen der vertikalen Bewegung des Radaufstandspunktes (zR)und der Längenänderung der Aufbaufeder (df). Dieser Zusammenhang wird durch dasÜbersetzungsverhältnis angegeben:

RF

z,R

z,R

RF

R

RR zF

Fvzv

dzzdf

zi .

Die im Allgemeinen nichtlineare Kinematik der Radaufhängung hat zur Folge, dassdieses Übersetzungsverhältnis auch bei linearer Kennung der Aufbaufeder (cA)abhängig von der Bewegung des Rads ist.

In der Fahrzeugtechnik wird häufig die Rad bezogene vertikale Ersatzfedersteifigkeit(cR,z) verwendet. Diese ist durch eine Feder gekennzeichnet, deren Wirkungslinie senk-recht zur Fahrbahn steht und durch den Radaufstandspunkt verläuft. Es gilt:

FR

2AF

RR

F

FRR

F

R

RRF

R

z,RRz,R

FdzdiicFdz

diidzdf

dfdF

Fdzdiidz

dFdz

zizFddzdF

zc

.

Dieser Zusammenhang soll anhand einer ebenen Längslenker-Einzelradaufhängungexemplarisch untersucht werden (Bild A1.7). Bezüglich des fahrzeugseitigen Anlen-kungspunktes des Längslenkers hat die Aufbaufederkraft den Hebelarm b(zR) und dievertikale Radlast den Hebelarm a(zR). Damit gilt für das Federübersetzungsverhältnis:

RR

R zazb

zi

und für die Ableitung nach der vertikalen Radbewegung:

R

R

R

R

R

Rdzdb

bzi

dzda

azi

zzi

.

Page 258: Getriebetechnik ||

Anhang 243

Die Änderung der Hebelarme in Abhängigkeit von der vertikalen Radbewegung lässtsich über die Betrachtung der Geschwindigkeiten (3.1.2.1) bestimmen. Es gilt nachBild A1.6:

z,A

x,A

RR vv

dzdt

dtda

dzda und

z,A

b

RR vv

dzdt

dtdb

dzdb .

Damit lässt sich die Rad bezogene vertikale Ersatzfedersteifigkeit für die betrachteteAufhängung bestimmen. Diese Steifigkeit ist selbst bei linearer Kennung der Aufbau-feder, wegen des nicht linearen Übersetzungsverhältnisses der Radaufhängung, vomFederweg abhängig.

B

A

z

x

A0

FF

vfvB

vA,z vA

vA,x

vb

vf

F AF

a(z)

c (z)=AFdFFAdt

c =FdFFdf

Bild A1.7Kinematische Beeinflussung der Rad bezogenen vertikalen Ersatzsteifigkeit am Beispiel einesLängslenkers

Literatur

[A1.1] Früh, C. u. a.: Komfort bei erlebbarer Dynamik und Agilität. ATZextra 01(2009), S. 128-143

[A1.2] Matschinsky, W.: Radführungen der Straßenfahrzeuge. Berlin HeidelbergNew York: Springer-Verlag, 1998

[A1.3] Leiter, R.; Mißbach, S.; Walden, M.: Fahrwerke. Würzburg: Vogel Buch-verlag, 2008

vb

Page 259: Getriebetechnik ||

Anhang244

A2 Scheibenwischer

Bild A2.1Wischblätter mit Wischarmen (Quelle: www.bosch.de)

Frontscheiben und mitunter auch Heckscheiben werden bei Kraftfahrzeugen, Schienen-fahrzeugen, Schiffen und Flugzeugen mit Scheibenwischern gesäubert (Bild A2.1). DieScheibenwischeranlagen bestehen aus den Komponenten Wischblatt, Wischarm undAntriebseinheit.

Im Allgemeinen enthält die Antriebseinheit das Wischergestänge bzw. Wischergetriebe,das die umlaufende Antriebsbewegung des Elektromotors in oszillierende Bewegungender Wischarme umwandelt. Bei Hochgeschwindigkeitszügen wird die Antriebseinheitnicht elektrisch, sondern pneumatisch angetrieben.

Unterschiedliche Windschutzscheibenformen und größen erfordern individuell ange-passte Scheibenwischer. Dabei können die Scheibenwischer mit einem, zwei oder auchmehr als zwei Wischblättern ausgestattet sein. Meist ist das Wischblatt fest mit demWischarm verbunden. Je nach Führung des Wischarms werden unterschiedliche Wisch-felder erzeugt (Bild A2.2).

Scheibenwischer, deren Wischblätter z.B. über eine Koppel geführt werden(Bild A2.2b, c), sind Führungsgetriebe (2.1.2). Doch größtenteils sind die Wischarmedrehbar im Gestell gelagert. In diesem Fall werden Übertragungsgetriebe (2.1.1) ein-gesetzt. Für die Auslegung ist hier wichtig, einen bestimmten Wischwinkel bzw.Schwingwinkel zu erzeugen (6.1).

Der Schwingwinkel kann im einfachsten Fall mit einer Kurbelschwinge (2.4.2.1)

Page 260: Getriebetechnik ||

Anhang 245

erzeugt werden. Mit zunehmendem Schwingwinkel verschlechtern sich allerdingsdie Übertragungseigenschaften des Getriebes. Als Kenngröße zur Beurteilung diesesÜbertragungsverhaltens eignet sich der minimal auftretende Übertragungswinkel min(6.1.3.1). Bei Schwingwinkeln größer als 100° bis 110° muss auf sechsgliedrigeKurbelgetriebe zurückgegriffen werden ( Tafel 2.5).

1: Wischarm, 2: Wischblatt, 3: Wischfeld

a) Wischarm drehbarim Gestell gelagert

b) Wischarm überTeilgetriebe geführt

c) ParallelführungdesWischblattes

d) HubgesteuerteWischblattführung

Bild A2.2Typische Wischblattbewegungen bzw. Wischfelder

Tipp: Soll mit einem viergliedrigen Drehgelenkgetriebe ein Schwingwinkel erzeugtwerden, dann ist es vorteilhaft, das Getriebe als zentrische (nichtversetzte) Kur-belschwinge (Tafel 2.9) auszulegen, weil dadurch die günstigsten Über-tragungswinkel (6.1.3.1) erreicht werden (Bild A2.3).

1 1

2

34A

B

B0A0

HBild A2.3Zentrische Kurbelschwinge als Basis einesWischergetriebes

Im Falle der zentrischen Kurbelschwinge (Bild A2.3) können bei Vorgabe der Gestell-länge 001 BAl und der Kurbellänge AAl 02 für einen gewünschten Schwing-winkel der Schwinge 4 die restlichen Gliedlängen ABl3 und BBl 04 direktbestimmt werden aus den Gleichungen

2sinllH

24 und 2

422

213 l-lll .

Hierbei kann dann der minimal auftretende Übertragungswinkel μmin über

2

sinllcos H

3

1min

Page 261: Getriebetechnik ||

Anhang246

ermittelt werden. Sind die Übertragungseigenschaften bei großen Schwingwinkeln nichtausreichend, so bieten sich besonders zwei Ausführungsformen sechsgliedriger Drehge-lenkgetriebe an, nämlich das Watt-Dreistandgetriebe (Getriebe 1 nach Tafel 2.5)mit drei im Gestell gelagerten Gelenken und das Stephenson-Zweistandgetriebe(Getriebe 5 nach Tafel 2.5) mit zwei im Gestell gelagerten Gelenken, der sogenannteKreuzlenker (Bild A2.4).

Die Wahl des Kreuzlenkers (Bild A2.4b) kann Vorteile haben, weil hier nur zweiGestellgelenke erforderlich sind. Schwingwinkel von 180° lassen sich ohne Problemeerzeugen. Die rechnerische Behandlung hingegen ist nur mit numerisch arbeitendenProgrammen möglich, da eine Getriebelage nur iterativ zu ermitteln ist. Hier versagt dieAnwendung der Modul-Methode (4.2) oder die Behandlung mit dem Geometrie-programm Cinderella. Für die Auslegung des Getriebes muss in der Regel auf eineOptimierung zurückgegriffen werden. Die Autoren verfügen hier über Tools und Er-fahrungen.

a)

1 1

2

3 4A B

B0A0

4H

1

D0

CD

5

66H

b)

1 1

2

3 45

6

6H

Bild A2.4Sechsgliedrige Drehgelenkgetriebe zurErzeugung großer Wischwinkel a) Watt-Dreistandgetriebeb) Stephenson-Zweistandgetriebe

Das Watt-Dreistandgetriebe kann auch als eine Hintereinanderschaltung zweier vier-gliedriger Teilgetriebe aufgefasst und damit sehr gut analytisch behandelt werden. Eslassen sich sowohl geeignete analytische Beziehungen aufstellen als auch Cinderella-Simulationen durchführen. Da das Watt-Dreistandgetriebe per se schon mit dem erstenviergliedrigen Teilgetriebe A0ABB0 einen Schwingwinkel mitliefert, eignet sichdieses Getriebe besonders auch zur Erzeugung von zwei Wischwinkeln für Gleichlauf-und Gegenlauf-Wischanlagen (Bild A2.5) [A2.1].

Page 262: Getriebetechnik ||

Anhang 247

Die Erzeugung der beiden Wischwinkel durch die Hintereinanderschaltung der beidenTeilgetriebe A0ABB0 und B0CDD0 hat weitere Vorteile. Zum einen lässt sich jedesTeilgetriebe im Rahmen seiner jeweiligen konstruktiven Randbedingungen unabhängigvoneinander auslegen und skalieren. Zum anderen können beide Teilgetriebe unter An-passung der beiden Kopplungswinkel 000 DBA) und CBB) 0 frei zueinanderorientiert werden. Dieses gibt viele Freiheiten zur räumlichen Unterbringung des an-treibenden Motors mit Antriebskurbel 2.

3A B

D0

2

4

1

11

56

A0

B0CD

3 A

BD0

2

4

1

1

15

6B0

C

D

A0

a) Gleichlauf-Wischanlage b) Gegenlauf-Wischanlage(eine mögliche Anordnung)

Bild A2.5Watt-Dreistandgetriebe zur Erzeugung von zwei Wischwinkeln

Tipp:Das Gestänge ist möglichst auf einer Gestellplatte oder Gestellstrebe zu befesti-gen. Damit erhält man ein selbstständiges Bauelement, das montagefreundlichohne zusätzliche Justagen eingebaut werden kann. Außerdem kann mit entspre-chenden Versteifungen sichergestellt werden, dass sich die Abstände der Gestell-gelenke auch unter wechselnden Belastungen genau eingehalten bleiben.

Mit einer kinematischen Analyse (3) können die Geschwindigkeiten und Beschleuni-gungen der Glieder bestimmt werden. Von besonderem Interesse sind hier die Winkel-geschwindigkeits- und Winkelbeschleunigungsverläufe der Wischarme. Anzustreben istein möglichst ausgeglichener Winkelgeschwindigkeitsverlauf der Wischarme, so dassdie Beträge der extremen Winkelgeschwindigkeiten für Hin- und Rückhub jeweilsgleich groß sind. Dieses ist natürlich auch für die Beträge der extremenWinkelbeschleunigungen für Hin- und Rückhub anzustreben, wobei hier auchmöglichst kleine Beschleunigungswerte zu bevorzugen sind. Denn damit reduzierensich die Belastungen durch die Trägheitskräfte und momente (5.1.1).

Mit Hodographenkurven (3.1.1) verschafft sich der Konstrukteur einen guten Über-blick über das Geschwindigkeitsverhalten der Wischanlage.

Page 263: Getriebetechnik ||

Anhang248

Mitunter ist es auch nützlich, die Ruckfunktion (Ableitung der Beschleunigung nachder Zeit) der Wischarme zu ermitteln. Insbesondere sind die maximalen Beträge desRucks ein Maß für die größten Beschleunigungsänderungen. Große Beschleunigungs-änderungen können in den Lagern zu erhöhten Geräuschen führen. Solche Effekte sindsehr unerwünscht.

Toleranzuntersuchungen sind erforderlich, denn eine gesetzlich vorgeschriebeneWischfeldgröße ist sicherzustellen und die Wischblätter dürfen weder mit denScheibendichtungen noch bei den Gegenlauf-Wischanlagen miteinander kollidieren.

Literatur

[A2.1] Dittrich, G.; Braune, R.: Getriebetechnik in Beispielen, 2. Aufl. München/Wien:Oldenbourg 1987, S. 45-48

Page 264: Getriebetechnik ||

Anhang 249

A3 Pkw-Verdeckmechanismen

Bild A3.1Unterschiedliche Bewegungseinrichtungen beim Hardtop des Peugeot 206 CC

Neben dem klassischen Cabriolet mit Stoffverdeck, dem so genannten Softtop,erobern auch Fahrzeuge mit einem Verdeck aus versenkbaren formstabilen Dach-elementen (retractable bzw. faltbare Hardtop) zusehends den Markt.

Sowohl bei Softtops als auch bei faltbaren Hardtops sind für den kompletten Be-wegungsvorgang vom automatischen Öffnen bis hin zur Ablage des Verdeckes dreiwesentliche Teilmechanismen erforderlich, nämlich der Verriegelungsmechanismus,der Verdeckkastenmechanismus und der eigentliche Verdeckmechanismus (Bild A3.1).

Der Verdeckmechanismus ist der zentrale Bewegungsapparat. Er bewegt die verschie-denen Dachelemente und Spriegel aus der geschlossenen Position in die geöffnete Posi-tion und umgekehrt. Beim geöffneten Verdeck befinden sich alle Dachelemente kom-pakt zusammengelegt im Verdeckkasten. Der Verdeckmechanismus hat neben der Er-füllung der Bewegungsaufgabe noch eine zweite Hauptfunktion: er bildet die tragendeStruktur des Verdeckes, die insbesondere im geschlossenen Zustand sämtliche Kräfteaufnimmt.

Unabhängig davon, ob ein Verdeck aus Stoff oder formstabilen Dachelementen besteht,können die Verdecke hinsichtlich ihrer wesentlichen Dachteilung in Zwei-, Drei- und

Verriegelungsmechanismus

Verdeckmechanismus

Verdeckkastenmechanismus

Page 265: Getriebetechnik ||

Anhang250

Vierteiler gegliedert werden (Bild A3.2). Den Zweiteiler (Bild A3.2a) findet man beimklassischen Roadster. Bei viersitzigen Cabriolets muss das Verdeck drei- oder gar vier-teilig ausgeführt werden (Bild A3.2b und A3.2c), damit das zusammengefaltete Ver-deck als kompaktes Package Platz sparend im Verdeckkasten abgelegt werden kann. Inden Heckelementen 1 ist jeweils die Heckscheibe integriert. Die Dachkappe bzw. Dach-spitze bildet den Abschluss zur A-Säule. Je größer die Anzahl der Dachelemente ist,umso komplexer und vielgliedriger wird der erforderliche Verdeckmechanismus.

Bild A3.2Dachteilung in a) Zwei-, b) Drei- und c) Vierteiler

Der Verdeckmechanismus eines Zweiteilers kann, wie in Bild A3.3 dargestellt, rechteinfach aufgebaut sein. Es handelt sich hierbei um ein viergliedriges Drehgelenkge-triebe, bei dem die Schwinge 2 das Heckelement und die Koppel 3 die Dachkappe dar-stellt. Werden die jeweils gegenüberliegenden Getriebeabmessungen in etwa gleichgewählt ( ABBA 00 und BBAA 00 ), entsteht ein Parallelkurbelgetriebe(2.4.2.1). Die Dachkappe 3 führt dann annähernd eine Kreisparallelbewegung aus.

a)

Dachkappe bzw.Dachspitze

Hauptführungs-stange

Hauptsäule(Heckelement)

b)C A3

2

11

A0

B

B0

4

x

z

Bild A3.3Viergliedriger Verdeckmechanismus: a) Getriebeskizze b) kinematisches Schema

Die skizzierte Getriebebauform ist oftmals auch Grundlage von drei- und vierteiligenVerdecken, wobei meist die Hauptsäule als Heckelement und die Koppel als hintererDachrahmen ausgeführt sind. Das Bild A3.4 zeigt den typischen Mechanismus einesdreiteiligen Verdecks. Das viergliedrige Grundgetriebe mit den Gliedern 1, 2, 3 und 4

1 12 2.2 2.12.22.32.1 1

a) b) c)

Page 266: Getriebetechnik ||

Anhang 251

ist seriell mit dem Dachrahmengetriebe (Glieder 3, 5 und 6) gekoppelt, wobei die Kop-pel 3 des Grundgetriebes das Gestell des Dachrahmengetriebes darstellt. Diese seriel-le Anordnung führt zu einem sechsgliedrigen Getriebe und zu einer Vereinfachung derMaßsynthese, weil die Maßsynthese von Grundgetriebe und Dachrahmengetriebe ge-trennt und nacheinander durchgeführt werden kann.

a) Dachkappe

hinterer Dachrahmen

obereFührungsstange

Hauptführungsstange

Haupt-säule

b)C

A36

5

2

11

A0

B

B0

4

x

z

Bild A3.4Sechsgliedriger Verdeckmechanismus:a) Getriebeskizze b) kinematisches Schema

Vom viergliedrigen Parallelkurbelgetriebe als Grundgetriebe wird abgewichen, wennkonstruktive Randbedingungen, bedingt durch Kollisionsfreiheit, Ablageanforderungenoder Dichtungsprobleme, dieses fordern. Mitunter führen auch Designaspekte, wie z.B.das Fugenbild, zu unterschiedlichen Mechanismen. Beispielsweise wird beim PorscheBoxster von vornherein ein sechsgliedriges Kurbelgetriebe als Grundgetriebe gewählt(Bild A3.5).

a)

C

A3

6 5

2

1

1A0

B

B0

4

E D b)

3

6 5

2

1

4D

DD

D

D

DD

c)

Bild A3.5Porsche Boxster-Verdeckmechanismus:a) Kinematisches Schema b) Struktur (D: Drehgelenk) c) Porsche Boxster

Beim Boxster ist die Dachkappe 6 direkt an der Hauptführungsstange 4 im DrehgelenkE angelenkt. Die Hauptführungsstange ist gleichzeitig Teil des viergliedrigen Grund-getriebes A0ABB0, das an der Schwinge 2 angetrieben wird (Bild A3.5a). Mit Hilfe der

Page 267: Getriebetechnik ||

Anhang252

Führungsstange 5, die am Punkt C der Koppel 3 und am Punkt D der Dachspitze 6 an-gelenkt ist, wird die gewünschte Gliedführung der Dachspitze 6 erreicht [A3.1].

Neben der vorgestellten sechsgliedrigen Teilstruktur für das Dachrahmengetriebe sindgrundsätzlich auch die in Bild A3.6 dargestellten sechsgliedrigen Teilstrukturen für dieBewegungsaufgabe geeignet (2.4.1) [A3.2], [A3.3].

8

3

3

65

2 2

11

7

4

83

65

2

78

3

65

2

7

83

6

5

2

7

83

65

2

7

Bild A3.6Mögliche sechsgliedrige Strukturen des Dachrahmengetriebes

Bei viersitzigen Cabriolets ist ein vergleichsweise großer Fahrgastraum vom Softtopabzudecken. Neben sehr komplexen Verdeckmechanismen hat sich vor allem eine acht-gliedrige Struktur durchgesetzt (Bild A3.7), die man z.B. beim Audi TT findet. DieStruktur entspricht der eingangs erläuterten Hintereinanderschaltung eines viergliedri-gen Grundgetriebes als Parallelkurbelgetriebe und eines Dachrahmengetriebes. DasDachrahmengetriebe ist hier sechsgliedrig. Dabei kann wiederum das sechsgliedrigeDachrahmengetriebe als Hintereinanderschaltung zweier viergliedriger Teilgetriebeaufgefasst werden.

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Anhang 253

8

3

6

5

2

11

7

4

Bild A3.7Oft verwendete achtgliedrige Verdeckmechanismusstruktur

Bei den Verdecksystemen kommt der Toleranzuntersuchung eine wesentliche Be-deutung zu [A3.4], [A3.5], [A3.6].

Literatur[A3.1] Hüsing, M.: Verdeckmechanismen von Kraftfahrzeugen mit Stoffdach oder mit

formstabilen Dachelementen. In: Heinzl, J. (Hrsg.): Kolloquium Getriebe-technik 1999, Technische Universität München, Garching, 20. 21. September1999, S. 29-41

[A3.2] Hüsing, M.; Choi, S.-W.; Corves, B.: Cabriolet-Verdeckmechanismen eröffnenneue Perspektiven. In: Konstruktion 55 (2003) 6, S. 37-43

[A3.3] Hüsing, M.; Choi, S.-W.; Corves, B.: Cabriolet-Verdeckmechanismen aus derSicht der Bewegungstechnik. In: VDI-EKV (Hrsg.): VDI-Getriebetagung 2002:Kurvengetriebe, Koppelgetriebe, gesteuerte Antriebe Problemlösungen in derBewegungstechnik, VDI-Berichte Nr. 1707. Düsseldorf: VDI-Verlag 2002,S. 77-99

[A3.4] Hüsing, M.: Cabrio-Verdeckmechanismen toleranzunempfindlich auslegen Empfindlichkeits- und Toleranzanalyse. In: VDI-FVT (Hrsg.): 8. Internationa-ler VDI-Kongress: Berechnung und Simulation im Fahrzeugbau, VDI-BerichteNr. 1283. Düsseldorf: VDI-Verlag 1996, S. 199-214

[A3.5] Hüsing, M.; Corves, B.: Verwendung von Ersatzgetrieben bei der Toleranzun-tersuchung von Führungsgetrieben. In: VDI-EKV (Hrsg.): Bewegungstechnik2008: Koppelgetriebe, Kurvengetriebe und geregelte Antriebe (VDI-Getriebeta-gung 2008, VDI-Berichte Nr. 2050. Düsseldorf: VDI-Verlag 2008, S. 119-130

[A3.6] Hüsing, M.: Vorstellung und Vergleich aktueller Cabriolet-Verdeckmecha-nismen. In: Steinmetz, E. (Hrsg.): Technische Mitteilungen, Organ des Hausesder Technik e.V. Essen 91 (1998) 2, S. 78-87

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Anhang254

A4 Schaufellader

Bild A4.1Schaufellader: Ausführung als Rad- und Kettenlader (Quelle: www.cat.com)

Schaufellader sind Nutzfahrzeuge, welche insbesondere zur Erdreich- und Schüttgutbe-wegung eingesetzt werden (Bild A4.1). Hierbei sind die Fahrzeuge enormen Anforde-rungen hinsichtlich Zuverlässigkeit, Ausfallsicherheit, Fahrerschutz und Leistungs-fähigkeit ausgesetzt. Radlader gibt es in Gewichtsklassen von unter 5 t bis über 200 t.Die hohen notwendigen Betriebskräfte beim Graben werden mit hydraulischenLinearantrieben aufgebracht.

Die Lenkung wird bei Ausführung als Radlader zumeist als hydraulischeKnicklenkung ausgeführt, bei welcher der komplette vordere Fahrzeugteil um einevertikale Drehachse rotiert. Erfolgt die Ausführung als Kettenlader, so findet dieLenkbewegung durch eine Relativgeschwindigkeit der Antriebsketten zueinander statt.

In beiden Fällen kann das Schaufel(führungs)getriebe als ebenes Teilgetriebe(2.1.3) angesehen werden, welches um die Fahrzeughochachse, abhängig von derLenkbewegung, verschwenkt werden kann.

Bei den gängigen Ausführungsformen wird der Hubrahmen 2, welcher drehbar am Auf-bau 1 gelagert ist, von einem Hubzylinder 6, 7 bewegt. Weiterhin werden zwei Haupt-bauformen unterschieden (Bild A4.2). Bei beiden Bauformen ist am Hubrahmen einHebel 3 drehbar gelagert, welcher von einem zweiten Zylinder, dem Kippzylinder 8, 9,angetrieben wird. Die Verbindung zwischen Hebel und Schaufel 5 wird mit einer Kop-pelstange 4 realisiert.

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Anhang 255

a)

1

1

2 34

567

89

1

b)

Bild A4.2Z-Kinematik a) und Parallelkinematik b) von Schaufelladern

Bei der ersten Hauptbauform, der sogenannten Z-Kinematik (Bild A4.2a), dient derHebel 3 als Umlenkhebel. Eine Druckkraft im Zylinder führt hier zu einer Koppelzug-kraft. Dies ist ausschlaggebend für ein hohes Ausbrechkraft-Potenzial der Schaufel, daein Hydraulikzylinder höhere Druck- als Zugkräfte bei gleichem maximalem Betriebs-druck realisieren kann. Die Ausbrechkraft FA ist definiert als die Kontaktkraftzwischen Schaufel und Erdreich in vertikaler Richtung (Bild A4.3). Bei der sogenannten Parallelkinematik (Bild A4.2b) steht dem Nachteil der geringerenAusbrechkraft durch die angenäherte Parallelführung mit nur geringer Drehung einegrößere Hubarmbewegung gegenüber. Dies ist von Vorteil, wenn der Lader mit einerGabel ausgestattet wird, bei welcher keine Drehbewegungen um die Fahrzeugquerachseerwünscht sind.

Die Berechnung des Freiheitsgrads (2.3) für beide in Bild A4.2 skizzierten Strukturenerfolgt nach Gleichung (2.12):

F = 3 · (n 1) 2 · g1 g2 = 3 · (9 1) 2 · 11 0 = 2

Damit wird bestätigt, dass für den Betrieb beider Strukturen zwei Antriebe (Hub- undKippzylinder) erforderlich sind.

Ein weiteres entscheidendes Merkmal bei der Auslegung eines Schaufelladers ist dieKippsicherheit. Diese ist für alle Positionen und für alle zu realisierenden Schaufel-kräfte und -beladungen nachzuweisen. Kritisch sind hier in erster Linie eine hohe Bela-dung der Schaufel sowie eine hohe Ausbrechkraft FA (Bild A4.3). Hier wird nur dieAusbrechkraft berücksichtigt, da diese in der Regel deutlich größer ist als das Gewichtder Schaufelbeladung. Gegebenenfalls müssen allerdings kombinierte Lastfälle, d.h.Belastung durch Beladung und Ausbrechvorgänge, berücksichtigt werden. Für die dar-gestellte Situation ergibt sich für einen Schaufellader mit Gewicht G der folgende Zu-sammenhang:

AAVgesH lFlGlF

Page 271: Getriebetechnik ||

Anhang256

mit Kippsicherheit für FH > 0, die Aufstandskraft an der Hinterachse.

Bild A4.3Skizze zur Berechnung der Kippsicherheit an der Hinterachse (Quelle: www.cat.com)

Für alle Berechnungen muss beachtet werden, dass der Gesamtschwerpunkt von deraktuellen Position des Schaufelgetriebes abhängig ist.

Weiterhin ist ein Abheben der Vorderachse bei Vorschub der Schaufel (Vorschub-kraft FS) auf einer maximal zulässigen Arbeitshöhe zu vermeiden (Bild A4.4):

SSHgesV hFlGlF

mit Kippsicherheit für FV > 0, die Aufstandskraft an der Vorderachse.

Bild A4.4Skizze zur Berechnung der Kippsicherheit an der Vorderachse (Quelle: www.cat.com)

Page 272: Getriebetechnik ||

Anhang 257

Bei der maximal zulässigen Ausbrechkraft ist der maximal zulässige Betriebsdruck derbeiden Arbeitszylinder einzuhalten. Diese Untersuchung ist in der Praxis für alle zuge-lassenen Stellungen durchzuführen. Hier werden mit Hilfe des Gelenkkraftverfahrens(5.2.1) exemplarisch die Zylinderkräfte für eine ausgewählte Stellung bei gegebenerAusbrechkraft FA an der Schaufel untersucht (Bild A4.5). Anzumerken ist hier, dass inder Praxis sowohl Sicherheitsfaktoren als auch Massenträgheits- und Gelenkreibungs-kräfte bei der kinetostatischen Analyse zu berücksichtigen sind.

Schaufel 5

Umlenkhebel 3

Hubrahmen 2

Koppel

SchaufelGelenkHubrahmen

WL, GelenkkraftHubrahmen

WL, Kippzylinder 8,9

WL, Gelenk, AufbauSP

TP

WL, Hubzylinder 6,7

FA F5

FC

WL, G52

FC

F5

G12

G72

WL, G32

G53 G93

G23

G25

G45

G54

G45

G53= =

G32

G23

=

G52

G25

=

WL, FC

G32

G52

= +

Bild A4.5Berechnung der Kräfte in den Hydraulikzylindern mit Hilfe des Gelenkkraftverfahrens(WL: Wirkungslinie)

Page 273: Getriebetechnik ||

Anhang258

Ein weiteres Qualitätsmerkmal bei einem Schaufellader ist der maximal zu erreichendeArbeitsraum der Schaufel. Dieser ergibt sich aus den minimalen und maximalen Aus-fahrwegen der Hydraulikzylinder und kann beispielsweise als Kurvenschar der Schau-felspitze visualisiert bzw. quantifiziert werden. Die Berechnung der Position der Schau-felspitze kann für beliebige Systeme iterativ erfolgen (4.1.1). Neben der iterativenLösung der Gliedlagen gibt es einen Ansatz nach [A4.1], der die kinematischen Zusam-menhänge auf Teilsysteme zurückführt, für die geschlossene symbolische Lösungenbekannt sind. Dieses Verfahren wird dann vor allem für Systeme eingesetzt, derenKomplexität diejenige der beiden hier behandelten Grundformen übersteigt.

Die dynamische Simulation eines Schaufelladers stellt eine anspruchsvolle Problem-stellung dar. Die abzubildenden Effekte reichen von einem Kraftmodell für die Aus-bruchs- und Vorschubkraft, abhängig von Schaufelgeschwindigkeit und weg, über dieModellierung der Kopplung zwischen hydraulischem und mechanischem System bishin zur Beeinflussung des Systemverhaltens durch Bauteilelastizitäten. Alle diesePhänomene, insbesondere beladungs- und positionsabhängige Eigenfrequenzen, stellenan die Regelung des Hydraulikkreislaufs und an die Lebensdauer der Komponentenhohe Anforderungen, denen in einer dynamischen Simulation Rechnung getragenwerden muss. Für diese komplexen Berechnungen eignen sich insbesondereMehrkörper-Simulationsprogramme wie MSC ADAMS in Kombination mitFluidtechnik-Simulationstools wie DSH PLUS.

Literatur

[A4.1] Xia, S.; Geu Flores, F.; Kecskeméthy, A.; Pöttker, A.: SymbolischeGenerierung der kinematischen Gleichungen mehrschleifiger Mechanismen amBeispiel von Ladeschaufelbaggern, 8. Kolloquium Getriebetechnik, Aachen2009. Aachen: Verlagshaus Mainz GmbH, 2009, S. 161-175

Page 274: Getriebetechnik ||

Anhang 259

A5 Hubarbeitsbühnen

Zur Durchführung von Montage-, Wartungs-, In-stallations-, Reparatur- und ähnlichen Aufgabenan schwierig erreichbaren Stellen, z.B.Hochdecken, Glasfassaden, Baumkronen usw., istder Einsatz von mobilen Hubarbeitsbühnen oderso genannten Hubsteigern auch Turmwagen unerlässlich (Bild A5.1). Die Arbeitsgeräte sind invielen Ausführungen und Größen auf dem Markterhältlich und aufgebaut aus mehrerenBaugruppen. Die Bühne, die unter Last in dieerforderliche Arbeitsposition gebracht wird undvon der aus die Arbeiten durchgeführt werden, istmit der Hubeinrichtung gelenkig verbunden. DieHubeinrichtung ermöglicht die Positionierung derBühne an dem gewünschten Ort, kann alsgelenkige oder teleskopische Leiter ausgeführtsein und ist mit einem fahrbaren, ziehbaren oderschiebbaren Untergestell verbunden. DasUntergestell verfügt meist über eine Abstützeinheit mit ausfahrbaren oder ausziehbarenund verriegelbaren Achsen.

Die Arbeitsbühne muss für die Positionierung gehoben bzw. gesenkt, gedreht, ge-schwenkt und verfahren werden können (Bild A5.2). Dabei muss eine eindeutigeFührung der Bühne (2.1.2) jederzeit realisiert werden, damit zum einen die Sicherheitund zum anderen auch der Komfort der auf der Arbeitsbühne tätigen Person jederzeitgewährleistet ist.

Senken, Heben Drehen Schwenken Fahren

Bild A5.2Fahrbare Hubarbeitsbühnen (nach DIN EN 280)

Der Arbeitsraum der Bühne erstreckt sich bei den gezeigten Bewegungsmöglichkeitenim dreidimensionalen Raum. Berücksichtigt man nur die Schwenkbarkeit nach

Bild A5.1Hubarbeitsbühne oder Hubsteiger(Quelle: www.ruthmann.de)

Page 275: Getriebetechnik ||

Anhang260

Bild A5.2, kann der Arbeitsraum in der Ebene dargestellt werden (Bild A5.3). DieHubeinrichtung kann als ebenes Teilgetriebe (2.1.3) einer räumlichen Strukturaufgefasst werden.Die eingesetzten Teilgetriebe müssen je nach An-wendungsfall sehr große Schwingwinkel oder beiteleskopartiger Anlenkung große Hübe erzeugen.

Im Folgenden wird die Bewegungseinrichtungbetrachtet, die das Heben und Senken der eigent-lichen Arbeitsbühne ermöglicht. Bei dem zu er-zeugenden sehr großen Schwingwinkel muss dieBewegungseinrichtung auch kompakt in dieHubarbeitsbühnenstruktur integrierbar sein.

Viergelenkgetriebe (2.4.2.1) bieten mit Aus-nahme der Direktantriebe die einfachste Art, Be-wegungen zu übertragen, und werden bevorzugt in Hubarbeitsbühnen verwendet, weilDirektantriebe oft nicht die gestellten sicherheitsrelevanten Anforderungen erfüllenoder hinsichtlich ihrer Belastbarkeit ungeeignet sind.

Die kinematischen Abmessungen der Viergelenkgetriebe werden durch eine Lagen-(6.2) bzw. Totlagensynthese (6.1) ermittelt.

Tipp: Nach der Lagensynthese muss eine Überprüfung der Bewegungsbereiche(Richtlinie VDI 2127) des Getriebes und der gewünschten Lagenreihenfolgedurchgeführt werden, z.B. unter Verwendung des GeometrieprogrammsCinderella (S. XIV, 1.4.3).

Die Schwingwinkel viergliedriger Getriebe (Tafeln 2.9, 2.10, 2.11) sind begrenztdurch die Vorgabe eines minimalen Übertragungswinkels (6.1.3.1). Am Schieberangetriebene Schubschwingen und Schubschleifen erreichen Schwingwinkel von ca.160° bei einem minimalen Übertragungswinkel von 40°. Kurbelschleifen und Kurbel-schwingen erreichen unter diesen Bedingungen Schwingwinkel von ca. 100° bzw. 90°.

Die Beurteilung eines Mechanismus hinsichtlich seiner Übertragungseigenschaftenallein anhand des Übertragungswinkels durchzuführen, ist aber nicht sinnvoll. So kannz.B. ein Mechanismus mit einem ungünstigen minimalen Übertragungswinkel imBereich der größten Belastung günstigere Übertragungswinkel aufweisen als ein ver-meintlich besserer Mechanismus, der einen größeren minimalen Übertragungswinkelbesitzt.

Zur Ermittlung der Beanspruchung von Gliedern und Gelenken stehen auch weiteregraphische (5.2.1) und rechnerische (5.2.2, 5.2.3) Verfahren zur Verfügung.

Bild A5.3Arbeitsraum einer Hubarbeitsbühne(Quelle: www.ruthmann.de)

Page 276: Getriebetechnik ||

Anhang 261

Tipp: Der minimale Übertragungswinkel von 40° ist ein allgemeiner Erfahrungswert.Wenn Kräfte und Momente, verursacht durch Massenträgheiten, Gelenk-reibung und weiteren Belastungen bekannt sind, werden die Gelenkkräfteanhand der kinetostatischen Analyse (5) bestimmt. Dadurch können dieGrenzen der Bewegungsübertragung aufgezeigt werden.

Größere Abtriebsbewegungen, z.B. Schwingwinkel von mehr als 180°, können ausoben genannten Gründen nur mit Hilfe mehrgliedriger Getriebe realisiert werden.Besonders einfach lassen sich die mehrgliedrigen Getriebe aus einem viergliedrigenGrundgetriebe (2.4.2.1) und einem nachgeschalteten Getriebe aufbauen.

Die nachgeschalteten Getriebe können z.B. aus einem Rädergetriebe (Bild A5.4) odereinem weiteren Viergelenkgetriebe (Bild A5.5) bestehen. Neben einer Vergrößerungder Abtriebsbewegung durch Wahl des Übersetzungsverhältnisses bzw. der Über-tragungsfunktion 1. Ordnung kann dabei auch eine Wandlung der Abtriebsbewegung Drehen in Schieben und umgekehrt realisiert werden.

a)

2

1

1

3v

b)

s

2

1

1

3v

c)

s3

2

1

1

v

d)

3s

s 2

1

1

v

Bild A5.4Rädergetriebe (Quelle: Richtlinie VDI 2727, Blatt 6)(1: Gestell, 2: Antrieb, 3: Abtrieb, sv: vergrößerter Abtriebsweg, v: vergrößerter Abtriebswinkel)

a)

4 2

3

11

v

b)

4

3

2

1 1

v

c)

4 23

sv

1 1

d)

23

1

1

4 sv

e)

4sv s

2

3

1

1

Bild A5.5Viergelenkgetriebe (1: Gestell, 2: Antrieb, 3: Koppel, 4: Abtrieb, sv: vergrößerter Abtriebsweg,v: vergrößerter Abtriebswinkel)

Page 277: Getriebetechnik ||

Anhang262

Bild A5.6 zeigt Einsatzbeispiele für Kurbelgetriebe als Grundgetriebe mit einem nach-geschalteten Rädergetriebe.

a)

s

svsv

s

b)

v

s

v

s

Bild A5.6Getriebekombinationen:a) Schubschleife + Rädergetriebe (Teleskoparm), b) Kurbelschleife + Rädergetriebe

Eine besonders vorteilhafte Anordnung ergibt sich, wenn ein viergliedriges Dreh-gelenkgetriebe über einen Zweischlag angetrieben wird, wobei dieser Zweischlag alsHydraulikzylinder ausgeführt ist. Zum einen bietet sich der Antrieb Hydraulik-zylinder bei den kraftfahrzeuggestützten Hubarbeitsbühnen in idealer Weise an undzum anderen lassen sich sehr große Schwingwinkel erzeugen.

Grundsätzlich kann der Hydraulikzylinder mit der (Antriebs-)Schwinge 2 oder mit derKoppel 3 des viergliedrigen Getriebes über ein Drehgelenk verbunden sein(Bild 5.7a,b). Beide Strukturen können auch zusammenfallen, wenn der Hydraulik-zylinder direkt an das Drehgelenk A A C gekoppelt wird (Bild 5.7c).

Tipp: Zur Reduzierung der Biegebelastung von ternären Gliedern (Glieder mit dreiGelenken) können, wie es im Bild A5.7c gezeigt ist, zwei der drei Gelenkezusammengelegt werden. Die Wirkungslinien der resultierenden Gelenkkräftesind kollinear und erzeugen kein Biegemoment.

Page 278: Getriebetechnik ||

Anhang 263

a)

s

D0

1 11

23

4

56 C AB

B0A0

b)

s

D0

111

23

4

56 A AB

B0A0

c)

s

D0

1 11

23

4

56A A C

B

B0A0

Bild A5.7Möglichkeiten der Kopplung eines Hydraulikzylindersan ein viergliedriges Drehgelenkgetriebe:a) im Gelenk C der Koppel 3,b) im Gelenk A der Schwinge 2,c) im Gelenk A

Durch die Kombination der Getriebe können maximale (Abtriebs-)Schwingwinkel vonüber 270° erreicht werden (Richtlinie VDI 2727, Blatt 6).

Zur Auslegung der häufig verwendeten hydraulischen Antriebe und deren Steuerungspielen die Geschwindigkeiten bei der Bestimmung der notwendigen Volumenströmeeine sehr große Rolle. Die Beschleunigungen sind aus Sicht der Benutzer wichtig, weilzu hohe Beschleunigungsunterschiede sich bei der Bedienerfreundlichkeit undErgonomie negativ bemerkbar machen.

Tipp: Hydraulikzylinder, wie sie häufig in Hubarbeitsbühnen verwendeten werden,sollen möglichst nicht auf Biegung beansprucht werden und sind aus diesemGrund aus zwei binären Gliedern bzw. als Schleifengelenk (2.4) aufgebaut.

Geeignete Hilfsmittel zur Bestimmung derGeschwindigkeit und Beschleunigung desAbtriebsgliedes sind u.a. die Über-tragungsfunktionen 1. und 2. Ordnung(2.1, 3.1, 4.1.3, 4.1.4) und dieHodographen- bzw. Tachographen-kurven (3.1, 4.1.5). Bei der Über-prüfung von Geschwindigkeiten und Be-schleunigungen in einzelnen Getriebestel-lungen sind die graphischen Analysever-fahren (3.2.1) besonders anwendungs-freundlich, überschaubar und nicht zuletztauch mit Hilfe des GeometrieprogrammsCinderella schnell durchführbar.Eine Kraftanalyse ist zur Beurteilung der Kippsicherheit (Bild A5.8) der Arbeitsbühneunbedingt erforderlich und kann zu einer eventuellen Einschränkung der Nennlast inTeilen des Arbeitsraumes führen.

Bild A5.8Kippsicherheit (nach DIN EN 280)

Page 279: Getriebetechnik ||

Anhang264

A6 Hebebühnen

Hebebühnen mit vertikaler Hubrichtung werden vor allem zum Anheben von Kraftfahr-zeugen in Werkstätten sowie zum Beladen in der Logistik eingesetzt. Daneben findensie Anwendung als Arbeitsbühnen bei Tätigkeiten in großen Höhen. Sie können aufverschiedenen kinematischen Konzepten basieren, von denen die wichtigsten imFolgenden kurz beschrieben werden.

Zum Anheben von Kraftfahrzeugen in Werkstätten ist häufig eine mittige hydraulischeLinearführung ausreichend (Bild A6.1a). Um den Unterboden eines Kraftfahrzeugesgrößtenteils zugänglich für Arbeiten zu haben, sind jedoch zwei seitliche Linearführun-gen vorteilhaft (Bild A6.1b). Sie werden normalerweise hydraulisch oder elektro-mechanisch angetrieben.

a) Einstempel-Hebebühne(Quelle: www.jab-becker.de)

b) Zweisäulen- Hebebühne(Quelle: www.blitzrotary.com)

Bild A6.1Hebebühnen in Kfz-Werkstätten

Eine stabile Höhenverstellung von Objekten lässt sich ebenfalls mit Hilfe von Koppel-getrieben erzielen. Im Allgemeinen kann anhand von zwei gleichen ebenen Parallel-führungsgetrieben (6.3.3), die nebeneinander angeordnet und miteinander quer festverbunden sind, eine Plattform parallel verschoben werden. Dies erreicht man am ein-fachsten mit zwei Parallelkurbelgetrieben (2.4.2.1), wobei eine vertikale Bewegungvon einer gleichwertigen horizontalen Bewegung überlagert wird (Bild A6.2a). ImGegensatz zu einer solchen Kreis-Parallelführung stellt eine Geraden-Parallel-führung hinsichtlich des Raumbedarfs eine optimale Lösung dar. Typische Beispielesind Scherengetriebe, die in der Regel bei Hebetischen (Bild A6.2b) und Arbeits-bühnen (Bild A6.2c) eingesetzt werden. Eine wesentliche Hubvergrößerung wird dabeidurch serielle Kopplung mehrerer Einfach-Scherengetriebe erzielt. Der Antrieb erfolgt

Page 280: Getriebetechnik ||

Anhang 265

meist hydraulisch. Manuell betätigte Mini-Hebebühnen werden im Laborbereich ver-wendet.

a) Motorrad-Hebebühnemit Parallelkurbelgetrieben

b) Hebetisch mit zwei parallel arbeitendenScherengetrieben(Quelle: www.kraus.co.at)

c) Arbeitsbühne mit vier seriell arbeitendenScherengetrieben(Quelle: www.genieindustries.com)

Bild A6.2Hebebühnen auf der Basis von Koppelgetrieben

Bei der Auslegung einer Hebebühne zur Höhenverstellung von großen Lasten ist essinnvoll, ein Scherengetriebe als langsam laufendes Getriebe mit strengen Anforderun-gen an die Tragfähigkeit und die Steifigkeit der Konstruktion zu behandeln. Dazu sollzunächst aufgrund der Erfahrungswerte für den minimalen Übertragungswinkel(μmin ≥ μerf) (6.1.3.1) ein entsprechender Antriebswinkel im ausgefahrenen Zustand(φmax = 4050

o) angenommen werden (Bild A6.3a). Mit Hilfe der kinetostatischenAnalyse hier ausgeführt nach dem Schnittprinzip (5.2.2) kann man feststellen,dass im Fall einer konstanten Last (F) in der Mitte der Plattform die dadurchverursachten Lagerbelastungen (Gij) unabhängig vom Antriebswinkel sind. Wird dieReibung in den Schubgelenken vernachlässigt, bestehen die Lagerbelastungen (Gij) nurin vertikaler Richtung (Bild A6.3b). Das benötigte Antriebsmoment (M2) nimmt beimAnheben der Last einer Kosinusfunktion folgend ab (Bild A6.3c). Für große Antriebs-

Page 281: Getriebetechnik ||

Anhang266

winkel wird allerdings das Scherengetriebe schmaler und deshalb weniger stabil. DieSteifigkeit der Konstruktion lässt sich durch eine adäquate Gestaltung der Glieder undder Querverbindungen erhöhen. Ein räumlicher Aufbau muss dabei kollisionsfrei arbei-ten und im eingefahrenen Zustand möglichst platzsparend und kompakt abgelegt sein.a)

A

BA0

CD

a

a

a

a23

65Last

14

b)

12Gy

G23y

G32yG52y G14

yG65y G43

y

G25y G34

yG56y G36

y

G63y

F F 6

0

-F/2

+F/2

+F

-F

+3F/2

c)C

B

AA0

D

a

a

a

a

G25y

G65y

G56yG36

y

G63y

F6

B

D

C

A

C2

34

5

6

12Gy G23

y

G32y

G52y

G34y

G14y

G43y

M2= 4 F a cos

Bild A6.3Kinematisches Schema a) und kinetostatische Analyse b) und c) des einfachen Scherengetriebes

Tipp: Eine Geraden-Parallelführung kann auch mit gespiegelten Bewegungen erzeugtwerden. Dabei lassen sich durch Kombination zweier identischer Zweischläge(4.2) mit einem Bewegungsumkehr-Generator unterschiedliche Geraden-Parallelführungsgetriebe aufbauen (Bild A6.4).

Page 282: Getriebetechnik ||

Anhang 267

BA

D Caa

a) Gegenläufige Spindelnund Zweischläge DDS

BA

A0 B0aa

B

DC

A

A0 B0a

b

d/2

c/2

d/2

c/2

b

a

b) Antiparallelkurbelgetriebeund Zweischläge DDS

c) Zahnräder (Übersetzung i = -1)und Zweischläge DDD

Bild A6.4Geraden-Parallelkurbelgetriebe mit gespiegelten Bewegungen

Eine andere Variante mit angenähertem Übersetzungsverhältnis i = -1 durch ein sogenanntes gegenläufiges Gelenkviereck CC´D´D zeigt Bild A6.5. Das dort abgebildeteGetriebe ist 10-gliedrig und besitzt den Getriebefreiheitsgrad F = 1. Die maximale Hub-höhe wird erreicht, wenn in der höchsten Lage (Bild A6.5b) die Strecklagen der Zwei-schläge A0AC und B0BD ausgenutzt werden. Im unteren Teil des Bildes A6.5 ist dieHebebühne in der Ausgangsposition bzw. niedrigsten Lage gezeichnet (Bild A6.5c)[A6.1, A6.2].

a)C

CD

D

A B

F

A

B

F0

A0B0

b)C

CDD

A B

F

A

BA0B0F0

Bild A6.5Hebebühne mit gegenläufigem Gelenkviereck:a) nicht maßstäbliches kinematisches Schema,b) maximale Hublage, c) Ausgangslage

c)C

C

DD

A BF

A BF0A0 B0

Page 283: Getriebetechnik ||

Anhang268

Auf einem ähnlichen Prinzip basiert ebenfalls eine räumliche parallelkinematischeStruktur (1.3), die in der Literatur als Mechanismus nach Sarrus bekannt ist(Bild A6.6).

Bild A6.6Mechanismus nach Sarrus

Weitere Beispiele für Getriebe zur exakten und angenäherten Geradführung sind aufder Webseite www.dmg-lib.org der Digitalen Mechanismen- und Getriebebibliothekverfügbar.

Literatur

[A6.1] Hain, K.: Getriebebeispiel-Atlas Eine Zusammenstellung ungleichförmigübersetzender Getriebe für den Konstrukteur. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1973,Blatt 10.3.5

[A6.2] Hain, K.; Schumny, H.: Gelenkgetriebe-Konstruktion mit HP Serie 40 und 80,Reihe Anwendung von Mikrocomputern Bd. 9. Braunschweig/Wiesbaden:Verlag Vieweg, 1984, S. 67-69

Page 284: Getriebetechnik ||

Anhang 269

A7 Schmidt-Kupplung

Bild A7.1Schmidt-Kupplung Baureihe: Offset Plus(Quelle: www.schmidt-kupplung.com)

Die Schmidt-Kupplung (Bild A7.1) ist eine Parallelkurbelkupplung und alsEigenname ein Produkt der Firma Schmidt-Kupplung GmbH in Wolfenbüttel. Das erstedeutsche Patent wurde 1963 erteilt.

Kupplungen dienen im Maschinenbau der Leistungsübertragung. Darüber hinaus erfül-len sie je nach Bauart und Anwendungsfall weitere Funktionen [A7.1], [A7.2].Schaltbare und selbstschaltende Kupplungen ermöglichen ein Verbinden und Trennenvon An- und Abtrieb sowie eine Drehmomentbegrenzung. Der Kupplungstyp dernichtschaltbaren Kupplungen hat, wenn man von der starren Kupplung fluchtenderWellen absieht, den axialen, radialen oder angularen (Biegung bzw. Torsion) Ausgleichder An- und Abtriebsachsen zur Aufgabe (Bild A7.2). Dies kann durch Fertigung undMontag bedingt oder durch die Konstruktion beabsichtigt sein. Insbesondere, aber nichtausschließlich bei Verwendung elastischer Komponenten, wird das dynamischeVerhalten des Antriebsstrangs beeinflusst.

Ver-lagerung

a) b) c) d)

Ausgleich axial/längs radial/quer angular/Biegung angular/Torsion

Bauform(Beispiel)

Klauen-,Federlamellen-kupplung

Kreuzschlitz-,Parallelkurbel-kupplung

Kreuzgelenkwelle,Metallbalg-,Zahnkupplung

Schraubenfeder-,Bolzen-, Wulst-,Scheibenkupplung

Bild A7.2Nicht schaltbare Ausgleichskupplungen, a) bis c) drehstarr, d) elastisch

Parallelkurbelkupplungen zeichnen sich durch parallele Führung einzelner Getriebe-glieder mittels viergliedriger Teilstrukturen aus, bei denen die Länge gegenüber-liegender Glieder ähnlich einem Parallelogramm gleich groß ist. Die zueinander ge-führten Glieder werden als Scheiben bezeichnet. Die einfachste Form ist eine Kupplung

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Anhang270

mit zwei Scheiben und einer einfachen Parallelführung. Die betrachtete Schmidt-Kupplung (Bild A7.3) stellt jedoch eine Dreischeibenkupplung mit einer doppeltenParallelkurbel dar [A7.4]. Das Besondere dieser Kupplung ist, dass anders als beieiner Zweischeibenversion der radiale Abstand e (Bild A7.3b) der An- und Abtriebs-welle variiert werden kann. Dies ist sogar im Betrieb möglich. Die Antriebsscheibe 2und die Abtriebsscheibe 8 sind jeweils mit drei Koppeln bzw. Lenkern 3, 4, 4 und 6,6, 7 mit der Zwischenscheibe 5 verbunden. Die Gelenkpunkte der drei Koppeln sindauf einem Kreis mit den Radien rSch um den Mittelpunkt jeder Scheibe unter einemWinkelversatz von 120° zueinander verteilt. Je nach Anforderung wäre auch einegrößere Zahl an Scheiben denkbar, was jedoch einen erhöhten Aufwand und dieNotwendigkeit einer zusätzlichen Lagerung bedingt. Eine Leistungsverzweigung durchden Einsatz von mehr Lenkern ist in Sonderfällen für schwere Lasten üblich (umgesetztwurden beispielsweise bereits Anordnungen mit 12 Koppeln). Zu beachten ist, dass diemaximale Koppellänge im Betrieb zwischen dem Abstand der Gelenkbolzen kollisions-frei umlaufen können muss. Die Position der Zwischenscheibe und die Orientierung derKoppeln passen sich bei Veränderung des Achsabstandes e an [A7.5], [A7.6].

a)

12

3

5

6'64

4'

7 8

1

b)

3 e

6

6'

5

2

1

4

4'

7 81

c)

36

6'

5

2

1

4

4'7

8

Bild A7.3Schmidt-Kupplung: a) Volumenmodell b) schematische Darstellung c) kinematische Kette

Den Hintergrund zu diesem Übertragungsgetriebe (2.1.1) bildet eine Parallelführungdurch ein Getriebe der Viergelenkkette (2.4.2.1). Eine einfache Parallelkurbel, wiesie die Glieder 1-2-3-5 darstellen ist in Bild A7.4a wiedergegeben. Mit Gleichung 2.16lässt sich zeigen, dass diese Struktur durchschlagen kann. Beim Durchlaufen derVerzweigungslage (Bild 2.13) kann sich die Einbaulage ändern und die Parallelitätverloren gehen (Bild A4.7b). Daher werden Parallelkurbelführungen oft nurschwingend betrieben. Um ein Durchschlagen zu verhindern, wird ein weiterer Lenkerverwendet (Bild A7.4c). Ist die Achse der Zwischenscheibe 5 jedoch nicht gestellfest,wie es bei der Schmidt-Kupplung der Fall ist, so ist ein dritter Lenker zurDurchschlagssicherheit erforderlich. Durch die winkelsymmetrische Verteilung der

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Anhang 271

Gelenkpunkte auf den Scheiben wird gewährleistet, dass die Parallelkurbeln nichtgleichzeitig in die Verzweigungslage geraten und das Bewegungsverhalten stetseindeutig definiert ist. Dies lässt die Beschreibung als homokinematische (synchrone,winkelgetreue) Kupplung mit der Übersetzung i = +1 zu [A7.3].

a)

2

1 1

3

5

b)

2

1

13

5

c)2

1 1

3

4

5

Bild A7.4a) Parallelkurbel b) gegenläufige Antiparallelkurbel c) erweiterte Parallelkurbel

Die Darstellung der Schmidt-Kupplung als kinematische Kette (2.4.1), wie sieBild A7.3c zeigt, kann dazu genutzt werden, den Laufgrad (2.3) der Kupplung zubestimmen. Die Anzahl der Glieder ist n = 10. Es treten 14 Drehgelenke auf (g = 14).Da es sich um ein ebenes Getriebe handelt, ist b = 3. Unter Berücksichtigung von j = 2passiven Bindungen mit sj = 1 (Glied 4 und Glied 6) ergibt sich der Freiheitsgrad derSchmidt-Kupplung entsprechend Gleichung (2.13) zu

1213141103sfb1nbF2

1jj

14g

1ii

.

Ohne Berücksichtigung der erforderlichen Gliedabmessungen der jeweils drittenKoppel (4 bzw. 6) als passive Bedingungen ergäbe sich ein Freiheitsgrad von minuseins. Folglich ist die Schmidt-Kupplung nur durch das Erfüllen besondererAbmessungen lauffähig.

Für die Montage bedeutet dies eine Doppelpassung. Die Einhaltung der ausgelegtenToleranzen ist also von großer Bedeutung. Abweichungen führen zu erhöhtem Ver-schleiß bis hin zum Versagen. Der in Bild A7.3b eingetragene radiale Versatz e der An-und Abtriebswellen ist in beliebigen Richtungen einstellbar, ohne dass die kinemati-schen Verhältnisse verändert werden. Zur Gewährleistung der Betriebssicherheitmüssen Streck- und Decklage vermieden werden. Ein geeigneter Verstellbereich für eliegt bei 0,5 · lKoppel < e < 1,9 · lKoppel.

Tipp: Die Schmidt-Kupplung ermöglicht im Vergleich zu anderen Kupplungen einensehr großen Achsabstand e. Nachteilig sind die hohen Anforderungen an dieEinhaltung der Toleranzen bzw. des Fertigungsspiels und die Tatsache, dass wie beschrieben ein Mindestachsabstand e erforderlich ist, um Durchschlagenzu vermeiden.

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Anhang272

Die stets gleiche Orientierung der Lenker (nur translatorisch bewegt) im Betriebbedingt ein stellungsunabhängiges, also konstantes Massenträgheitsmoment JKup(5.1.1) der gesamten Kupplung. Dies kann über die Betrachtung der kinetischenEnergie gewonnen werden, wobei die Massenträgheitsmomente JSch der drei Scheibenund für alle sechs Koppeln nur deren Massen mKop zu berücksichtigen sind. Das Mas-senträgheitsmoment ist unabhängig von der Kinematik der Kupplung. Die auf die An-triebsscheibe 2 reduzierte kinetische Energie der Kupplung lautet mit vKop = rSch · ωan:

2SchKop

3

1iiSchei,Kup

2KopKop

3

1i

2aniSchei,

2anKupredkin,

rm6JJ

vm216J2

1J21E

Im Betrieb der Schmidt-Kupplung werden durch das eingeleitete Drehmoment über dieZapfen der Antriebsscheibe abwechselnd Zug- und Druckkräfte auf die Koppelnausgeübt. Diese wiederum stützen sich entsprechend auf den korrespondierendenZapfen der Zwischen- bzw. Abtriebsscheibe ab und erzeugen dadurch ein gleich großesDrehmoment. Da die Summe der Kräfte jeweils null ist, wird nur ein Drehmomentübertragen. Auch für die mittlere Scheibe muss keine explizite Lagerung vorgesehenwerden, und ein Verstellen des Achsabstandes e im Betrieb geschieht kraftfrei.

Durch die gestaffelte Anordnung der Komponenten ist ein sehr kompakter und ins-besondere in Achsrichtung kurzer Aufbau möglich (vgl. Bild A7.1). Bei Funktions-integration von Kupplungsscheibe und Zahnrad, Getriebeflansch, Bremsscheibe, o. ä. ineinem Bauteil kann der Bauraum weiter reduziert werden. Die kurze Baulänge und diemechanische Bauform bewirken eine hohe Torsionssteife. Die Leistungsübertragunggeschieht kontinuierlich, d. h. ohne Unterbrechungen, Stöße oder geometrisch bedingteSchwankungen.

Bei der Auslegung sind in der Regel folgende Kriterien maßgebend: geforderteLeistung (Drehmoment und Drehzahl) und Größe des radialen Versatzes e; nachrangigsind: Masse, Bauraum oder Massenträgheitsmoment. Die Leistung bestimmt dieBauteilgestaltung und der radiale Versatz die geometrischen Grundabmessungen. Beieiner Auswahl nach Katalog der Fa. Schmidt-Kupplung GmbH sind dies die Vorgaben.Die getroffene Auswahl bestimmt dann die weiteren Kennwerte.Übliche Daten verschiedener Baureihen sind:Drehmomente von 35 - 6610 Nm, Drehzahlen von 600 - 3500 min-1 und maximalerRadialversatz von 23 - 275 mm. Sonderlösungen wurden bereits für Drehzahlen bis6000 min-1 oder Drehmomente bis 250 kNm realisiert.

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Anhang 273

In der Praxis kommen Schmidt-Kupplungen überall dort zum Einsatz, wo eine radialeVerstellung (translatorische Zustellung) bei winkeltreuer Drehmomentübertragung(rotatorische Arbeitsbewegung) gefordert ist. Anwendungsbeispiele sind: Druck-maschinen, Profilieranlagen, Werkzeugmaschinen, Verpackungsmaschinen, Beschich-tungsanlagen, Walzenantriebe, Kalander und Maschinen zum Färben und Mangeln vonTextilien.

a)3

6

5

225 58

1

4

7

8

b) 7

6

54

32

1

c)

8

76

5

4

3

21

d)3

12

4

5

5

6

7

8

Bild A7.5Kupplungsvarianten: a) kinematisches Schema einer einfachen Zweischeiben-Parallelkurbel

b) Kärger-Kupplungc) Winterthur-Lokomotiv-Kupplungd) Alsthom-Kupplung

Es existiert eine Vielzahl von ähnlichen Kupplungen, die je nach Anwendung Vorteilebieten können. Betrachtet man das kinematische Schema in Bild A7.5a, bei dem dierelativen Momentanpole 25 und 58 im Unendlichen liegen (in Richtung derParallelkurbeln 3 und 4 bzw. 6 und 7), so lassen sich daraus mehrere Kupplungen, wiez.B. die Kärger-Kupplung b), die Winterthur-Lokomotiv-Kupplung c) oder dieAlsthom-Kupplung d) ableiten. Die Kärger-Kupplung [A7.7] beispielsweise besitztzwar einen geringeren Verstellbereich und ein alternierendes Massenträgheitsmomentim Vergleich zur Schmidt-Kupplung, jedoch kann sie auch in der Stellung fluchtenderWellen (e = 0) betrieben werden.

Page 289: Getriebetechnik ||

Anhang274

Literatur

[A7.1] Böge, A. (Hrsg.): Handbuch Maschinenbau Grundlagen und Anwendungender Maschinenbau-Technik, 19. Aufl., Wiesbaden: Verlag Vieweg+Teubner,2009, S. I141-I147

[A7.2] Richtlinie VDI 2240: Wellenkupplungen Systematische Einteilung nachihren Eigenschaften. Düsseldorf: VDI-Verlag 1971

[A7.3] Richtlinie VDI 2722: Gelenkwellen und Gelenkwellenstränge mit Kreuzgelen-ken Einbaubedingungen für Homokinematik. Düsseldorf: VDI-Verlag 2003

[A7.4] Haarmann, W.: Aufbau und Wirkungsweise von Dreischeibenkupplungen.Maschinenmarkt 80 (1974) 102, S. 2107-2110

[A7.5] Schraut, R.: Gekoppelte Parallelkurbelgetriebe als Kupplung für Wellen mitAchsversatz. Industrie-Anzeiger 91 (1969) 26, S. 595

[A7.6] Kerle, H.; Haarmann, W.; Klebe, J.: Lageberechnung bei querbeweglichenWellenkupplungen. Antriebstechnik 33 (1994) 7, S. 47-51

[A7.7] Hain, K.: Getriebebeispiel-Atlas Eine Zusammenstellung ungleichförmigübersetzender Getriebe für den Konstrukteur. Düsseldorf: VDI-Verlag 1973,Blatt 2.3.1

Page 290: Getriebetechnik ||

Anhang 275

A8 Mechanische Backenbremsen

Bild A8.1Backenbremsen-Baureihe (Quelle: www.pintschbubenzer.de)

Durch den Einsatz von Bremsen kann die Drehung von Wellen bei Fahrzeugen undMaschinen beeinflusst werden. Dabei sind zwei Fälle möglich: Bremsen könnenentweder eine umlaufende Welle zum Stillstand bringen oder als Haltebremsen beiStillstand eingesetzt werden. Im letzteren Fall arbeiten sie ohne Verschleiß undErwärmung.

Bei mechanischen Bremsen gibt es folgende Bauarten: Kegel-, Lamellen- undScheibenbremsen mit axialer sowie Band- und Backenbremsen mit radialerBetätigungsrichtung. Als Backenbremsen werden diejenigen Bremsen bezeichnet, beidenen Bremsbacken radial von außen oder innen auf eine Trommel Druckkräfteausüben. Die dadurch entstehenden Reibungskräfte verursachen eine Bremswirkung.Ein solcher Bremsvorgang führt allerdings bei einfachen Backenbremsen (mit einerBremsbacke) zu einer großen Belastung der Welle und der Wellenlagerung, so dass inder Regel Doppelbackenbremsen (mit zwei gegenüberliegenden Bremsbacken) als sogenannte Differential-Backenbremsen verwendet werden (Bild A8.2).

Page 291: Getriebetechnik ||

Anhang276

BremstrommelBrems-backe

Brems-backe

Bremstrommel

Brems-backe

Brems-backe

a) Außenbackenbremse b) Innenbackenbremse

Bild A8.2Bauarten der Doppelbackenbremsen

Innenbackenbremsen, auch bekannt als Trommelbremsen, kommen üblicherweise inder Fahrzeugtechnik zum Einsatz. Nach Art der Bremsbackenabstützung unterscheidetman grundsätzlich zwischen Simplex-Bremsen (Bild A8.3a) und Duplex-Bremsen(Bild A8.3b).

a) Simplex-Bremse(Quelle: www.motorradonline.de)

b) Duplex-Bremse(Quelle: www.motorradonline.de)

Bild A8.3Trommelbremsen

Außenbackenbremsen (Bild A8.1) finden heutzutage in leistungsstarken stationärenIndustrieanlagen Anwendung, z.B. in der Fördertechnik. Sie sind aus Sicherheits-gründen im nicht betätigen Zustand durch eine Druckfeder geschlossen und werden imBetrieb durch ein Lüftgerät geöffnet (Bild A8.4) [A8.1]. Im Normblatt DIN 15434werden unter anderem Berechnungsgrundsätze für Industriebremsen angegeben.

Page 292: Getriebetechnik ||

Anhang 277

123 4 5 Bild A8.4Außenbackenbremsenach Normblatt DIN 154351 Trommel2 Bremsbacke3 Hebelsystem4 Druckfeder5 elektro-hydraulisches Lüftgerät

In Hinsicht auf die Bremsbackenführung sind bei Außenbackenbremsen dreiprinzipielle Lösungen bekannt. Eine feste Verbindung der Bremsbacken mit demHebelsystem ist kostengünstig, aber wegen eines ungleichmäßigen Kontaktes mit derTrommel nur bei geringen Bremsmomenten einsetzbar. Eine drehbare Lagerung derBremsbacken am Hebelsystem stellt eine Standardausführung bei Industriebremsen dar(Bild A8.4). Die beste und zugleich teuerste Lösung wird durch entgegengesetzteLinearführungen der Bremsbacken erreicht.

Von K. Hain wird in [A8.2] eine Getriebesystematik zur Bremsbackenführungbeschrieben. Das Gesamtsystem aus Außenbackenbremse und Trommel (Bild A8.5a)kann während des Bremsvorgangs als Getriebe unter Vorspannung mit demFreiheitsgrad F = -1 behandelt werden. Dabei werden die Druckkräfte sowie dieDruckfederkraft durch binäre Glieder ersetzt (Bild A8.5b). Eine entsprechendekinematische Kette lässt sich ableiten (Bild A8.5c).

5

3

2

11

6

7

8 9

10

4

5

3

2

1

1

11

6

7

8 9

10

4

53

2

1

678 9

10

4

a) vereinfachte Darstellung b) kinematisches Schema c) kinematische Kette

Bild A8.5Bremsbackenführung

Darauf basierend wird anhand der Grübler-Formel (2.4) eine Zusammenstellung allerkinematischen Ketten mit dem Freiheitsgrad F = -1 generiert. Verschiedene Varianten

Page 293: Getriebetechnik ||

Anhang278

der kinematischen Ketten werden in Gruppen mit gleicher Glieder- und Gelenkzahleingeteilt. Anschließend werden binäre Glieder durch Kräfte ersetzt, damit Getriebe zurBremsbackenführung bei Außenbackenbremsen aufgebaut werden können. Dieses Ver-fahren wird an Beispielen von sechs- und achtgliedrigen kinematischen Ketten mitjeweils F = -1 in [A8.2] dargestellt und ausführlich beschrieben.

Es gibt nur eine sechsgliedrige kinematische Kette mit F = -1, aus der sich dann eineDoppelbackenbremse entwickeln lässt (Bild A8.6). Weitaus mehr konstruktive Varian-ten liefern achtgliedrige kinematische Ketten.

a)

2

3

5 6

4

1

b)

2

3

56

4

1Bild A8.6Doppelbackenbremse a) Sechsgliedrige kinematische Kette und b) kinematisches Schema(Getriebeschema) der daraus abgeleiteten Doppelbackenbremse

Fazit: Bei der Beurteilung der so entwickelten Getriebevarianten können sich alsoGetriebe mit gleicher Glieder- und Gelenkzahl immer noch wesentlich unterscheiden.Im Fall der Außenbackenbremsen beziehen sich die Unterschiede vor allem auf dieMöglichkeit zur Erzeugung zweier ausgeglichener Druckkräfte. Dieses Differential-prinzip stellt die Hauptanforderung bei der Maßsynthese der Getriebe zur Brems-backenführung dar.

Literatur

[A8.1] Breuer, B.: Bremsenhandbuch − Grundlagen, Komponenten, Systeme, Fahr-dynamik. Wiesbaden: Vieweg 2006, S. 401-411

[A8.2] Hain, K.: Systematik und Kräftewirkungen in Differential-Backenbremsen,Technica, 17 (1968) 10, S. 899-904

Page 294: Getriebetechnik ||

Anhang 279

A9 Schritt(schalt)getriebe

Im Be- und Verarbeitungsmaschinenbau, aber auch in anderen Bereichen der Techniksind häufig Schrittbewegungen erforderlich. Eine solche Schrittbewegung zeichnet sichdadurch aus, dass eine fortlaufende Dreh- oder Schubbewegung periodisch durch Still-stände (Rasten) unterbrochen wird. Die Bilder A9.1 und A9.2 zeigen beispielhaft einenRundschalttisch inmitten eines Bearbeitungszentrums und eine Produktionsanlage mitTransportband, für die solche rotatorischen Schrittbewegungen gefordert sind.

Bild A9.1Schrittbewegung eines Rundschalttisches ineinem Bearbeitungszentrum(Quelle: Expert-Tünkers GmbH)

Bild A9.2Schrittbewegung eines Transportbandes(Quelle: Expert-Tünkers GmbH)

Das schrittweise anzutreibende Glied ist im Gestell gelagert, so dass sowohl einkonstant drehender Antrieb mit nachgeschaltetem Übertragungsgetriebe als auch eineLösung mit Servo-Antrieb für die Bewegungserzeugung genutzt werden kann.

Bei Verwendung von ungleichmäßig übersetzenden Getrieben werden meist konstantdrehende Antriebe eingesetzt, die je nach Getriebestellung eine ungleichmäßige Ab-triebsbewegung erzeugen. Diese Ungleichförmigkeit in der Übertragung wird beiSchrittgetrieben genutzt, um eine fortlaufende und periodische Schritt-Rast-Bewegungzu erzeugen, die entsprechend Bild A9.3 durch die folgenden Größen gekennzeichnetwird:

Page 295: Getriebetechnik ||

Anhang280

Antriebsdrehwinkel

S

Antriebsdrehwinkel für den Schritt

R

Antriebsdrehwinkel für die Rast

Abtriebsdrehwinkel

S

SchrittwinkelR S

S

S

R

Periode Periode

RS

S

Schritt-Perioden-Verhältnis

Bild A9.3Bewegungsplan eines Schrittgetriebes

Die Schrittbewegung in Bild A9.3 ist hierbei nur schematisch im Sinne des aus demKapitel Kurvengetriebe bekannten Bewegungsplanes (7.1). wiedergegeben und solltein der realen Ausführung in den Übergängen zumindest stoßfrei, nach Möglichkeitsogar ruckfrei sein.

Tipp:Die Antriebsvariante mit Servomotor bietet vor allem eine deutlich höhereFlexibilität und ist bei sich häufig ändernden Bewegungsaufgaben zubevorzugen. Trifft jedoch mindestens eine der folgenden Anforderungen auf dieBewegungsaufgabe zu, wird die Verwendung eines ungleichmäßig übersetzendenGetriebes empfohlen:

Große zu bewegende Lasten (z.B. hohe Massenträgheitsmomente)

hochdynamische Bewegung (z.B. hohe Schrittfrequenz)

gleich bleibende Bewegungsaufgabe (z.B. in der Massenproduktion)

hohes Drehmoment im oder in der Nähe des Stillstandes erforderlich(z.B. durch Prozesskräfte)

sicherheitsrelevanter Synchronlauf mit anderen bewegten Komponenten derAnlage erforderlich (z.B. wegen Kollisionsgefahr)

Desweiteren ist je nach Anwendungsfall auch eine Kombination aus beidenVarianten Servomotor und U-Getriebe zielführend.

Page 296: Getriebetechnik ||

Anhang 281

Es existieren verschiedene Möglichkeiten, um eine getaktete Rast des Abtriebsglieds zuerzeugen. Neben kraftschlüssigen Varianten der Bewegungsübertragung, die mitSperren und Freiläufen aufgebaut sind, sind vor allem formschlüssige Bauformen aufdem Markt verfügbar. So kann eine Schrittbewegung beispielsweise entsprechendBild A9.4 auf der Basis von Kurbelgetrieben a) (2.4.2), Getrieben mit Verzahnungen(Rädergetrieben) b) und c) sowie Kurvengetrieben d) und e) (7.1) und Zugmittel-getrieben f) (2.2) erzeugt werden.

a) b) c)

Quelle: Expert-Tünkers GmbH

d) e) f)Bild A9.4Beispiele für Getriebeausführungen zur Erzeugung von Schrittbewegungen

Hinweis:Da bei einem Schrittgetriebe der Abtrieb in der Rastphase stillsteht, obwohl sich derAntrieb weiterbewegt, ergibt sich eine momentane Übersetzung von K = 1/i =ab/an = 0. Dies bedeutet, dass eine Last am Abtrieb in dieser Stellung vollständig insGestell übertragen wird und somit kein Haltemoment im Antrieb erforderlich ist.

Page 297: Getriebetechnik ||

Anhang282

Ausführungsbeispiel: Malteserkreuzgetriebe

Zu den bekanntesten Schrittgetrieben zählen die Malteserkreuzgetriebe, die entspre-chend Bild A9.5 in Außen- und Innenmalteserkreuzgetriebe unterteilt werdenkönnen [A9.1], [A9.2].a)

A0 B0

l2

1

23

A

4

R

S

an

ab

2s

b)

A0 B0

l2

2

3

4

A

R

1an ab

Bild A9.5Malteserkreuzgetriebe mit Außenrad a) und Innenrad b)

Tipp: Das Außenmalteserkreuzgetriebe ist in den meisten Anwendungsfällen diebessere Wahl, da es im Vergleich zum Innenmalteserkreuzgetriebe einendeutlich kleineren Bauraum erfordert und mehr Möglichkeiten zur Anpassungdes Schritt-Perioden-Verhältnisses bietet. Zudem muss beim Innenmalteser-kreuzgetriebe die Treiberwelle stets fliegend (einseitig) gelagert werden.Eine sphärische Anordnung nimmt den geringsten Bauraum ein (2.1.3).

Bei beiden Bauformen greift eine umlaufende Kurbel (2), die am Radius AAl 02 einen als Rolle oder Bolzen ausgeführten Treiber (3) trägt, in die z Schlitze desMalteserkreuzes 4 ein und dreht dieses um den Schrittwinkel S weiter. Das Malteser-kreuz steht still, solange Treiber und Malteserkreuz außer Eingriff sind.

Hinweis:Das Malteserkreuz muss in der Zeit der Rast durch eine Stillstandsicherung gegenunkontrolliertes Verdrehen gesichert werden, da sonst beim Wiedereintritt des Treibersin den Schlitz Kollisionsgefahr besteht! Dies kann durch eine besondere Gestaltung desMalteserkreuzes geschehen.

Gemäß Bild A9.6 kann die Kinematik des Malteserkreuzgetriebes in der Bewegungs-phase mit den Gleichungen der schwingenden Kurbelschleife (6.1) beschriebenwerden. Der Treibereintritt bzw. -austritt und damit die Grenzen des jeweiligen Be-wegungsbereiches sind durch die Totlagen der schwingenden Kurbelschleife bestimmt.

Page 298: Getriebetechnik ||

Anhang 283

A0

A

B0

2

1

3

4R SS

S

S

S

S S S

R

R R R

R R

R

S

S

A0

A0

A

A

B0

B0

R

S2

S2

S2

S2

Bild A9.6Schwingende Kurbelschleife in den beidenTotlagen als Ersatzgetriebe für Malteser-kreuzgetriebe

Bild A9.7Variation der Treiberzahl m

Zur Auslegung der Bewegung eines Außenmalteserkreuzgetriebes können diefolgenden Gleichungen verwendet werden (Winkelangaben im Bogenmaß rad):

Schlitzzahl z 3

Treiberzahl 2zz2m

Schrittwinkel z2*2S

Antriebs-drehwinkel fürSchritt

z2z*2S

Antriebs-drehwinkel fürRast

z2z

m2*2

m2

R

Schritt-Perioden-Verhältnis

mz22z

RS

S

1,00,90,80,70,60,50,40,30,20,102

m=2m=3

m=1

m=1

InnenradAußenrad

Außenrad

z

4 6 8 10 1212 24 36

Bild A9.8Schritt-Perioden-Verhältnis inAbhängigkeit von der Schlitz-zahl z und Treiberzahl m

Page 299: Getriebetechnik ||

Anhang284

Bei der Auslegung ist es möglich, sowohl die Anzahl der Schlitze z als auch der Treiberm (siehe Bild A9.7) unter Berücksichtigung der Bewegungseigenschaften frei, jedochnur ganzzahlig zu wählen. Mit dieser Einschränkung kann das Schritt-Perioden-Ver-hältnis des Malteserkreuzgetriebes nur in diskreten Stufen angepasst werden, die inBild A9.8 dargestellt sind.

Tipp: Eine einfache Möglichkeit, dieses Verhältnis beliebig an die jeweiligen An-forderungen anzupassen, ist die Verwendung eines gleichförmig übersetzendenVorschalt- bzw. Nachschaltgetriebes.

Die Übertragungsfunktionen in der Bewegungsphase können abschnittsweise mit Hilfedes Ersatzgetriebes der Kurbelschleife bestimmt werden und ergeben bei einemMalteserkreuzgetriebe nur für die Position und die Geschwindigkeit einen stetigenVerlauf. Ein Malteserkreuzgetriebe erzeugt eine stoßfreie, jedoch nicht ruckfreieAbtriebsbewegung, da zum Zeitpunkt des Treibereintritts bzw. -austritts eine Differenzin den Beschleunigungen von Treiber und Malteserkreuz besteht. Da der Treiber mitkonstanter Geschwindigkeit auf einer Kreisbahn bewegt wird, besitzt er im Punkt Aeine konstante Beschleunigung in Normalen-Richtung vom Betrag an = an2 l2. BeimEin- und Austritt des Treibers ruht das Malteserkreuz jedoch. Diese Differenz erzeugteinen Sprung in dem Beschleunigungsverlauf, der sich als Ruck auf das Systemüberträgt und dieses je nach Steifigkeit zum Schwingen anregen und zusätzlich belastenkann.

Tipp: Eine lokale (exakt oder angenähert) geradlinige Führung des Treibers währenddes Ein- und Austritts, erzeugt beispielsweise durch eine Koppelkurve(Bild A9.4a) oder Zykloide, kann den Ruck beim Beschleunigen und Verzögerndes Malteserkreuzes vollständig vermeiden [A9.3].

Literatur

[A9.1] Volmer, J. (Hrsg.): Getriebetechnik - Lehrbuch, 2. Aufl. Berlin: VEB VerlagTechnik 1987, S. 406-423

[A9.2] Dittrich, G.; Braune, R.: Getriebetechnik in Beispielen, 2. Aufl. München/Wien:Oldenbourg 1987, S. 265-283

[A9.3] Meyer zur Capellen, W.; Janssen, B.: Spezielle Koppelkurvenrast- und Schalt-getriebe, Forschungsberichte des Landes NRW, Nr. 1226, Köln/Opladen: West-deutscher Verlag, 1964, S. 81-85

Page 300: Getriebetechnik ||

Anhang 285

A10 Rastgetriebe

Bild A10.1Filmkopiergerät (Quelle: www.dmg-lib.org)

Für Prozesse in Maschinen und Geräten (Bild A10.1) werden häufig wechselsinnig ver-laufende Bewegungen benötigt, die periodisch wiederkehrende Rasten enthalten. AlsRast versteht man dabei einen Zustand im Bewegungsverlauf eines Punktes oderGliedes, in dem dessen Geschwindigkeit für ein endliches Zeitintervall gleich null ist.Anwendungen dafür sind Prozesse, bei denen Unterbrechungen für zeitabhängigeArbeitsschritte, wie zum Beispiel die Wärmeeinbringung bei Siegelvorgängen, benötigtwerden. Zur Erzeugung dieser Bewegungen können neben Kurvengetrieben (7.1)auch Kurbel- oder Koppelgetriebe (2.4.2.1) verwendet werden.

Für ein Koppelkurvenrastgetriebe werden im Allgemeinen (ebene) sechsgliedrigeKurbelgetriebe benötigt (Bild A10.2).

23

5

64

1

23

5

64

1

2

3 5

6

4

1Watt-1-Getriebe Watt-2-Getriebe

Wattsche Kette2

2

3

3

5

5

6

6

4

4

1

1

2

3 54

6

12

3

56

4

1Stephenson-1-Getriebe

Stephenson-2-Getriebe

Stephenson-3-Getriebe

StephensonscheKette

a) Wattsche kinematische Ketteund daraus abgeleitete Getriebe

b) Stephensonsche kinematische Ketteund daraus abgeleitete Getriebe

Bild A10.2Ebene sechsgliedrige Kurbelgetriebe

Page 301: Getriebetechnik ||

Anhang286

Ein mögliches Funktionsprinzip solcher Getriebe basiert darauf, dass einKoppelpunkt K eines viergliedrigen Getriebes eine Kurve kK beschreibt, die dasAbtriebsglied eines daran befestigten Zweischlags abschnittsweise ruhen lässt. Da dasAbtriebsglied des Zweischlags auch das Abtriebsglied des Gesamtgetriebes bildet, mussdieses im Gestell gelagert sein. Diese Bedingung erfüllen von den in Bild A10.2dargestellten Mechanismen nur das Watt-2- und das Stephenson-3-Getriebe als sogenannte Dreistandgetriebe.

Im Fall eines Zweischlags mit zwei Drehgelenken ist dafür ein Kurvenabschnitt not-wendig, der einen annähernd konstanten Krümmungsradius (3.3.1) aufweist,welcher der Gliedlänge der Koppel entspricht (Bild A10.3a). Bei einem Schleifen-zweischlag wird für den Koppelpunkt eine angenäherte Geradführung (Bilder 2.17und 2.18) benötigt, wobei diese Gerade mit dem Gestellgelenk fluchten muss(Bild A10.3 b).

KB

A

C

5 3

21

1

1

C0

B0

A0

6 4

kK

y

x

K

B

A 53

2

11

1

C0

CB0A06

4

kKy

x

a) Koppelkurvenrastgetriebe 1. Art mit7 Drehgelenken

b) Koppelkurvenrastgetriebe 1. Art mit6 Drehgelenken und 1 Schubgelenk

Bild A10.3Beispiele für Koppelkurvenrastgetriebe

Dabei gilt, dass die Rast umso exakter eingehalten wird, je besser die Annäherung aneine Kreisbahn beziehungsweise eine Gerade gelingt (Bild A10.4). Ein Maß für Güteder Rast ist die Antriebsrastabweichung nach Richtlinie VDI 2725:

R

RQ

mit der Rastabweichung R und Antriebswinkel für die Rast R .

Page 302: Getriebetechnik ||

Anhang 287

K5

3

C0

6

kK

Krümmungs-kreise

R

K

53

C0

6

kK

R

R

RRQ =

a) Rastabweichung bei an-genäherter Geradführung

b) keine Rastabweichung beiexakter Geradführung

c) Rastabweichung über demAntriebswinkel

Bild A10.4Rastabweichungen

Für die Auslegung der viergliedrigen Teilgetriebe können die Methoden der Lagen-synthese (6.2) eingesetzt werden.

Tipp: Als Geradführungsgetriebe sind eine Reihe von Mechanismen bekannt:Watt-, Evans- oder Tschebyschewlenker (weitere auch auf der Webseitewww.dmg-lib.org der Digitalen Mechanismen- und Getriebebibliothek)

Ein weiteres Funktionsprinzip für Rastgetriebe beruht auf der Hintereinanderschaltungzweier viergliedriger Koppelgetriebe unter Ausnutzung ihrer Totlagen. Kombiniert mandie beiden Teilgetriebe so, dass das Abtriebsglied des ersten zum Antriebsglied deszweiten Teilgetriebes wird (Bild A10.5), spricht man vonmultiplikativer Kopplung.

C

A

5

32

1

1

1

A0

D

B

B0D0

1s

2s

2=-s1

6

4

y

x1

C

AK

5

32 1 1

1

A0

B

B0 C0

Ca

kK

KaKi

5 66

4

y

x

Ci

Ba

Bi

a) Schwingrastgetriebe b) Koppelkurvenrastgetriebe 2. Art

Bild A10.5Koppelkurvenrastgetriebe mit multiplikativer Kopplung

Es entsteht ein neues sechsgliedriges Getriebe, dessen Übersetzungsverhältnis gleichdem Produkt der Übertragungsfunktionen (2.1.1) der beiden Teilgetriebe ist, d.h.

2

s2

1

s1

1

s2dd-

dd

dd

bzw.5

656dd

dd

dd

.

Page 303: Getriebetechnik ||

Anhang288

Die Gliedlängen müssen so gewählt werden, dass beide Teilgetriebe gleichzeitig ihreTotlagen (6.1) erreichen.Im Fall des so genannten Schwingrastgetriebes (Bild A10.5a) geschieht dies, wenn dieLängen AAl 02 bzw. CDl 06 senkrecht auf ABl 04 bzw. CB0 stehen. Bildendabei 00ABA und 00CDB zusätzlich ähnliche Dreiecke, liegt ein Getriebe mit zweiidentischen Rasten und einer punktsymmetrischen Übertragungsfunktion 0. Ordnungvor (Bild A10.6a).

s2

75°

-75°

3,0

0

-7,0

-3,5

ds2d1

35

0

-35

d2s2d1

2

a) Übertragungsfunktion0. Ordnung

b) Übertragungsfunktion1. Ordnung

c) Übertragungsfunktion2. Ordnung

Bild A10.6Übertragungsfunktionen 0. bis 2. Ordnung

Im Fall des Getriebes in Bild A10.5b wird ein Gelenkviereck über einen am Koppel-punkt K angehängten Zweischlag angetrieben und nicht wie sonst umgekehrt. SolcheMechanismen werden als Koppelkurvenrastgetriebe 2. Art bezeichnet. DiesesGetriebe weist zudem zwei mögliche Abtriebsglieder l5 und l6 auf, die je zwei Rastenrealisieren (Bild A10.7).

1

0

-1

d5d

1

0

-1

d6d

a) Abtriebsglied 5 b) Abtriebsglied 6

Bild A10.7Übertragungsfunktion1. Ordnung für dieAbtriebsglieder 5 und 6

Der antreibende Zweischlag A0AK entspricht einer Schubkurbel, wobei die Schubgera-de durch eine angenäherte Geradführung zwischen den Punkten Ki und Ka auf der Kop-pelkurve kK ersetzt wird.

Tipp: Liegen die Punkte A0, Ki und Ka auf einer Geraden, beträgt der Kurbelwinkel zwischen den beiden Totlagen 180°.

Page 304: Getriebetechnik ||

Anhang 289

A11 Pflugschar mit Schlepperanlenkung

1

12

3

45

6

AA0

61

B0B

E

C

D

S

Arbeitsbereich

Transport-stellung

a) Kinematisches Schema b) Modell c) Bewegung der PflugscharBild A11.1Pflugschar-Führungsgetriebe [A11.1](Quelle: www.igm.rwth-aachen.de/getriebemodellsammlung/home/index.php)

Das in Bild A11.1b gezeigte Modell eines Pflugschar-Führungsgetriebes [A11.2]dient in zweifacher paralleler Anordnung als Verbindungsgetriebe zwischen einemAckerschlepper (Gestell 1) und einer mit der Koppelebene 6 fest verbundenen Pflug-schar als Anbaugerät. Es kann als ebenes sechsgliedriges Kurbelgetriebe aus derSTEPHENSONschen Kette (2.4.1) abgeleitet werden. Es besteht aus dem vierglied-rigen Grundgetriebe A0ABB0 und dem durch die Schwingenpunkte C und E geführtenZweischlag CDE. Das Glied 4 wird über einen im Gestell angelenkten Hydraulikzylin-der (Bild A11.2) angetrieben, das Abtriebsglied ist die geführte Koppel 6(Bild A11.1a). In Bild A11.1c ist durch eine Lagenschar die Führungsbewegung derAbtriebsebene veranschaulicht. Innerhalb des Arbeitsbereiches kann die Arbeitstiefedes Pfluges verstellt werden, ohne dass sich der Anstellwinkel 61 wesentlich ändert(angenäherte Parallelführung). Die Forderungen an die Kinematik des Pflugschar-Führungsgetriebes resultieren aus folgenden Vorgaben [A11.3]:

1. Der Druckkegel, der sich während des Pflügens an der Pflugscharspitze bildet, darfseine Lage zur Bodenoberfläche auch bei unterschiedlichen Arbeitstiefen nicht ver-ändern, denn die Druckverteilung im Boden ist ausschlaggebend für die gewünschteForm der Furche.

2. Die Spitze S der Pflugschar sollte aus sicherheitstechnischen Gründen während desTransports möglichst senkrecht zur Fahrbahn stehen.

Eine solche Bewegung wäre durch ein viergliedriges Kurbelgetriebe A0ABB0, bei dem

Page 305: Getriebetechnik ||

Anhang290

die mit der Koppel 3 verbundene Pflugschar durch die Kreisbahnen der GelenkpunkteA und B geführt wird, nicht zu realisieren. Bei der hier vorliegenden Getriebestrukturhingegen bewegt sich der Gelenkpunkt D der beiden Koppeln 5 und 6 auf einer Kurvehöherer Ordnung, so dass die Koppelbewegung höhere Ansprüche erfüllen kann[A11.4].

Zur Berechnung der jeweils interessierenden kinematischen Größen wie Lage, Ge-schwindigkeit und Beschleunigung insbesondere des geführten Gliedes 6 können z.B.die in Kapitel 4 beschriebenen Verfahren zur numerischen Getriebeanalyse herangezo-gen werden (4.1). Hier wie auch bei der Verwendung der Modulmethode (4.2) istzunächst zu klären, wie der Antrieb erfolgen soll. Üblicherweise dient als Antrieb einHydraulikzylinder, der zwischen dem Gestell und dem anfangs ternären und nun qua-ternären Glied 4 angeordnet ist (Bild A11.2).

2

3

41

1

1

A

A0

F0F

B0B

GE8

7

Bild A11.2Hydraulikzylinder als Antrieb des Gliedes 4(Kurbelschleife B0GFF0)

Für eine vorgegebene Ausfahrlänge des Hydraulikzylinders, die den Abstand zwischendem Gestelldrehpunkt F0 und dem Drehgelenk G auf dem Glied 4 bestimmt, kann nunzunächst das Modul DDD (Tafel 4.1) verwendet werden, um die absolute Lage desGelenkes G zu berechnen. Anschließend erfolgt die Berechnung der Lage der GelenkeB und E durch zweimalige Anwendung des Moduls DAN oder des Moduls RKA jenachdem, ob die relative Lage der Punkte B und E gegenüber B0 in kartesischen oderPolarkoordinaten bekannt ist. Als nächstes wird mit Hilfe des Moduls DDD die Lagedes Gelenkpunktes A berechnet, so dass analog zur Berechnung der Punkte B und E desGliedes 4 die absolute Lage des Punktes C berechnet werden kann. Wieder mit demModul DDD erfolgt nun die Lagebestimmung des Punktes D und anschließend die Be-rechnung für den Punkt S.Die Ermittlung des Geschwindigkeitszustandes kann dann sinnvoll und erforderlichsein, wenn z. B. für eine gewisse Zeitvorgabe t für das Anheben des Pfluges von derArbeitsstellung in die Transportstellung die erforderlichen Volumenströme im antrei-benden Hydraulikzylinder ermittelt werden sollen. Dazu muss zunächst in verschie-denen Stellungen eine Einheitsgeschwindigkeit für die Bewegung des Hydrau-likzylinders vorgegeben werden, um anschließend z.B. über grafische Methoden, die ineinem Geometrieprogramm oder in einem CAD-System implementiert werden, die

Page 306: Getriebetechnik ||

Anhang 291

resultierende Geschwindigkeit im Punkt S zu ermitteln. Im vorliegenden Fall kannzunächst über die Zusammenhänge der Relativkinematik (3.2) die Geschwindigkeitdes Gelenkpunktes G bestimmt werden. Nach Gleichung (3.33) ergibt sich

87G71G81G vvv

.

Für diese Gleichung sind die Wirkungslinien aller Geschwindigkeiten bekannt: Die Führungsgeschwindigkeit 71Gv

steht in G senkrecht auf der Verbindungs-linie F0G

Die Relativgeschwindigkeit 87Gv verläuft in Richtung der Verbindungslinie F0G

Die Absolutgeschwindigkeit 81Gv

steht in G senkrecht auf der Verbindungslinie B0G

Weiterhin entspricht der Betrag der Relativgeschwindigkeit 87Gv der vorgegebenen

Kolbengeschwindigkeit, sodass die noch fehlenden Beträge der Führungsgeschwindig-keit 71Gv

und insbesondere der Absolutgeschwindigkeit 81Gv problemlos grafisch

oder rechnerisch bestimmt werden können. Für das weitere Vorgehen besteht die Mög-lichkeit, die Ermittlung weiterhin auf der Basis der Relativkinematik durchzuführen,wobei wieder ausgehend von Gleichung (3.33) die Absolutgeschwindigkeit des Punk-tes S wie folgt formuliert werden kann:

64S41S61S vvv

mit 81G0

041S v

GBSB

v

Dabei steht die Führungsgeschwindigkeit 41Sv in S senkrecht auf der Verbindungslinie

B0S. Um die Richtung der Relativgeschwindigkeit 64Sv festzulegen, ist es erforderlich

nach dem Satz von KENNEDY/ARONHOLD (3.2.1) den Momentanpol P64 zubestimmen. Ist dieser Momentalpol ermittelt, so ist auch die Richtung der Relativge-schwindigkeit 64Sv

in S senkrecht auf der Verbindungslinie P64S bekannt. Weiterhinmuss der Momentanpol P61 ermittelt werden, damit auch die Richtung der Absolutge-schwindigkeit 61Sv

in S senkrecht auf der Verbindungslinie P61S bestimmt werden

kann. Anschließend können dann die beiden noch unbekannten Beträge der Relativ-geschwindigkeit 64Sv

und der Absolutgeschwindigkeit 61Sv problemlos grafisch oder

rechnerisch bestimmt werden. Die sich ergebende Absolutgeschwindigkeit 61Sv ist nun

diejenige Geschwindigkeit, wie sie sich bei der vorgegebenden Einheitsgeschwindigkeitam Hydraulikkolben ergeben würde.

Alternativ zur Berechnung der Geschwindigkeiten mit Hilfe der Relativkinematik ist esauch möglich, nach Bestimmung der Geschwindigkeit des Punktes G die weitere grafi-sche Ermittlung über die Sätze nach BURMESTER oder MEHMKE (3.1.3.2), mitder EULER-Formel nach Gleichung (3.9) bzw. mit Hilfe des Plans der (um 90°) ge-drehten Geschwindigkeiten durchzuführen. Hierzu muss zunächst der Geschwindig-keitszustand des viergliedrigen Grundgetriebes A0ABB0, ermittelt werden, ehe über die

Page 307: Getriebetechnik ||

Anhang292

Betrachtung des Zweischlages CDE letztlich die Geschwindigkeit im Punkt S ermitteltwerden kann.

Soll nun der erforderliche Volumenstrom im Hydraulikzylinder für eine vorgegebeneGeschwindigkeit ist,61Sv am Punkt S berechnet werden, so ist folgende Skalierung vor-zunehmen

87G61S

ist,61Sist,87G vv

vv

Der erforderliche Volumenstrom Q [m3/s] ergibt sich nun aus der Kolbenfläche AKolbenzu

Kolbenist,87G AvQ

Unter Umständen kann diese Gleichung auch dazu genutzt werden, die minimal erfor-derliche Kolbenfläche bei begrenztem maximalen Volumenstrom zu bestimmen. In die-sem Zusammenhang sollte allerdings auch eine Betrachtung der Kräfte erfolgen, dennüber den Hydraulikkolben müssen auch die erforderlichen Antriebskräfte in das Getrie-be eingeleitet werden. Ausgehend davon, dass die Geschwindigkeiten bereits ermitteltwurden, eignet sich für die kinetostatische Analyse (5.2) insbesondere der Leis-tungssatz (5.2.3). Nach den Gleichungen (5.12) und (5.13) kann formuliert werden:

cosFvvF 6ist,61Sist,87GKolben

Bei dieser Gleichung wurde davon ausgegangen, dass nur Kräfte an der Pflugschar undkeine Kräfte an den übrigen Getriebegliedern außer dem Hydraulikkolben angreifenund die Massen der übrigen Getriebeglieder klein gegenüber der Masse der Pflugscharsind. Die Kraft 6F

ist die Resultierende aus der Gewichtskraft der Pflugschar und der

auf den Punkt S wirkenden Prozesskraft durch das Pflügen. beschreibt den Winkelzwischen der Wirkungslinie der Kraft 6F

und der Wirkungslinie der Geschwindigkeit

61Sv . Alternativ kann der Leistungssatz in diesem Fall auch grafisch ausgewertetwerden (5.2.3).

Literatur[A11.1] Hain, K.: Zur Kinematik der Schlepper-Anbaugeräte. Die Landtechnik 5

(1950) 8, S. 292-294[A11.2] Dittrich, G., Wehn, V.: Pflugschar-Führungsgetriebe. Der Konstrukteur 21

(1990) 1-2, S. 21-22[A11.3] Rauh, K.: Aufbaulehre der Verarbeitungsmaschinen. Essen: Verlag

W. Girardet, 1950

[A11.4] Dittrich, G.: Systematik der Bewegungsaufgaben und grundsätzliche Lösungs-möglichkeiten. VDI-Berichte Nr. 576. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1985, S. 1-20

Page 308: Getriebetechnik ||

Anhang 293

A12 Scharniermechanismen

a) Viergliedriges Klappenscharnier b) Kofferraumklappe mitScharnieren und Gas-druckhebern

c) Modell eines sechsgliedrigenScharniers einer Motorhaube

Bild A12.1Scharniermechanismen

Häufig werden Kurbelgetriebe als Scharniermechanismen in mindestens zweifacherAnordnung zum Öffnen und Schließen von Türen und Klappen eingesetzt. Insbe-sondere gilt dies für Motorhauben, Kofferraumklappen und Türen in der Fahrzeug-technik, aber auch für Türen von Möbeln und Schränken. Das in Bild A12.1a gezeigteScharnier auf der Basis eines viergliedrigen Kurbelgetriebes (3.1.2.2) dient indieser oder ähnlicher Ausführung zur Führung einer Motorhaube oder Kofferraum-klappe wie in Bild A12.1b gezeigt. Zusätzlich sind hier die zur Öffnungsunterstützungverwendeten Gasdruckheber zu sehen. Prinzipiell ist auch die Verwendung für eineFahrzeugtür denkbar, falls die besonderen Eigenschaften dieser Lösung gegenübereinem reinen Drehgelenk als Anbindung zwischen Tür und Karosserie genutzt werdensollen. Alternativ kommen als Führungsgetriebe auch sechsgliedrige Getriebe zumEinsatz, wie z.B. das in Bild A12.1c gezeigte Modell eines Scharniermechanismus füreine Motorhaube [A12.1].

Wie aus Bild A12.1b deutlich wird, besteht die Führungsaufgabe darin, die Klappe oderHaube von der geschlossenen in die geöffnete Stellung um etwa 90° zu drehen und da-bei jegliche Kollision mit der im Allgemeinen gewölbten Heck- bzw. Windschutzschei-be zu vermeiden. Mit einem Getriebeentwurf für drei allgemeine Gliedlagen (6.2.3.1)kann neben der geschlossenen und der geöffneten Stellung noch eine weitere Zwischen-position vorgegeben werden, um eine Maßsynthese (6) durchzuführen. Ausgehendvon den zu berücksichtigenden Bauraumrestriktionen an der Karosserie empfiehlt sichdie Dreilagenkonstruktion bei gegebenen Gestellgelenken entsprechend Bild 6.17.Bild A12.2 zeigt eine solche Dreilagenkonstruktion mit der geschlossenen Stellung,einer Zwischenstellung und der um etwa 90° gedrehten geöffneten Stellung. Als Be-zugslage wurde die geschlossene Stellung ausgewählt, die Realisierung erfolgte mitHilfe des Geometrieprogrammes Cinderella (S. XIV, 1.4.3). Die drei vorgegebenen

Page 309: Getriebetechnik ||

Anhang294

Lagen sind jeweils als gestrichelte Koordinatenachsen vorgegeben, so dass sowohl diePosition der Koordinatenursprünge als auch die Winkellage einstellbar ist. Die Gestell-gelenke A0 und B0 können frei verschoben werden. Um die Mittelpunktskonstruktiondurchführen zu können, werden die Gestellgelenke für die Lagen Zwischenstellungund Geöffnete Stellung in die als Bezugslage ausgewählte Geschlossene Stellungübertragen. Die sich ergebenden Koppelgelenke A1 und B1 ergeben die Lage des vier-gliedrigen Klappenscharniers in der geschlossenen Stellung. In Bild A12.2 ist dasScharnier in einer Zwischenstellung zusätzlich eingezeichnet.

Bo

o3

o1

o2

BA

A 1B 1

Bo 1-3 Ao 1-2

Ao 1-3

Ao

Bo 1-2

GeschlosseneStellung

GeöffneteStellung

Zwischenstellung

Bild A12.2Dreilagenkonstruktion bei gegebenenGestellgelenken für ein viergliedrigesKlappenscharnier

Bei dem in Bild A12.1c gezeigten Modell eines sechsgliedrigen Scharniermechanismusfür eine Motorhaube [A12.1] wird die mit der geführten Ebene 6 fest verbundene Klap-pe ebenfalls relativ zum Karosserieaufbau eines Kraftfahrzeuges (Gestell 1) geführt.Das Führungsgetriebe (Bild A12.3a) besteht aus dem viergliedrigen GrundgetriebeA0ABB0 und dem durch den Schwingenpunkt C und den Koppelpunkt D geführtenZweischlag CED. Das geführte Abtriebsglied ist die Koppel 6. Im Falle der manuellenBetätigung ist die Koppel 6 auch gleichzeitig das Antriebsglied gegenüber dem Gestell.

M

C=P45

E=P56

D=P36

B=P34

B =P140

A=P23 A =P120

53

2 1

1

6

4

p

P61P1

P1

1

2

3

4

5

6

a) Kinematisches Schema b) Bewegung des Scharniers c) Schema zur PolermittlungBild A12.3Sechsgliedriger Scharniermechanismus für eine Motorhaube

Page 310: Getriebetechnik ||

Anhang 295

Zu Beginn der Öffnungsbewegung muss an der der Windschutzscheibe nahen Kante(Punkt M) der Motorhaube eine kleine Positionsveränderung erfolgen, damit beimÖffnen keine Kollision mit der Karosserie eintritt. Hauptsächlich führt die Motorhaubejedoch eine Schwenkbewegung mit einer großen Änderung der Orientierung aus. InBild A12.3b ist durch eine Lagenschar die Führungsbewegung der Abtriebsebeneveranschaulicht. Betrachtet man nur die Anfangs- und Endstellung der Motorhaube, sohandelt es sich dabei um die Drehbewegung um einen ideellen Punkt P1, der auch alsDrehpol (3.1.3.4) bezeichnet wird, wobei durch eine reine Drehung um diesen Punkteine Überführung zwischen Anfangs- und Endstellung der Motorhaube möglich ist.Allerdings darf dieser Punkt nicht mit dem Geschwindigkeits- oder Momentanpol P61verwechselt werden (3.1.2.2). Nur bei einer reinen Drehbewegung des geführtenGliedes würden beide zusammenfallen. Im vorliegenden Fall verändert derGeschwindigkeitspol P61 jedoch etwas seine Lage während der Öffnungs- oderSchließbewegung der Motorhaube (Bild 12.3a); er wandert auf der Rastpolbahn oderRastpolkurve p (3.1.3.4), die jedoch während der Öffnungsbewegung in der Nähe desDrehpols P1 bleibt. Um jetzt die Lage des Momentanpols P61 zu bestimmen, ist eserforderlich, zunächst alle offensichtlichen Momentanpole, die sich durch dieverschiedenen Drehgelenke ergeben, zu erkennen. In Bild A.12.3a sind diese Polegekennzeichnet. Ausgehend vom Dreipolsatz von KENNEDY/ARONHOLD (3.2.1)können dann die übrigen Pole bestimmt werden. Dabei kann zum Zwecke derÜbersichtlichkeit die in Bild A.12.3c gezeigte Hilfsfigur verwendet werden [A12.2]. Indieser Hilfsfigur werden die Getriebeglieder mit ihren Nummern als Punkte (Ecken)dargestellt und die jeweiligen Pole zwischen zwei Getriebegliedern als verbindendeLinien (Kanten). Damit erhält man die in Bild A.12.3c dargestellten durchgezogenenLinien. Jedes Dreieck in der Hilfsfigur steht somit nach dem Dreipolsatz für drei aufeinem Polstrahl liegende Pole.

Im vorliegenden Fall muss sich also der Pol P61 als strichpunktiert dargestellte Linie 61in zwei Dreiecken der Hilfsfigur wiederfinden. Dazu müssen jedoch zunächst die zuden gestrichelten Linien gehörenden Pole P31 und P64 ermittelt werden. Aus der Hilfsfi-gur kann über die beiden Dreiecke 134 und 123 abgelesen werden, dass sich der PolP31 als Schnittpunkt des Polstrahls durch P41 und P34 und des Polstrahls durch P21 undP32 ergibt. Analog kann der Pol P64 über die beiden Dreiecke 456 und 346 ermitteltwerden. Schließlich ergibt sich der Pol P61 über die beiden Dreiecke 136 und 146.

Das hier verwendete ebene sechsgliedrige Kurbelgetriebe kann aus der WATTschenKette abgeleitet werden (2.4.1). Weil die Gelenkpunkte D und E nicht wie bei einemviergliedrigen Kurbelgetriebe auf Kreisen, sondern auf Kurven höherer Ordnung ge-führt werden, ist es zur Realisierung von Führungsbewegungen besonders gut geeignet,da die Koppelbewegung höhere Ansprüche erfüllen kann [A12.3].

Page 311: Getriebetechnik ||

Anhang296

Bild A12.4Scharnier für Möbeltüren

Bild A12.4 zeigt, dass die gleiche aus der WATTschen Kette abgeleitete kinematischeStruktur auch als Scharnier an Möbeln, insbesondere Küchenmöbeln verwendet wird,wobei bei dem im Bild gezeigten Beispiel jedoch andere kinematische Abmessungenverwendet wurden. Insbesondere stellt das viergliedrige Grundgetriebe A0ABB0 einParallelkurbelgetriebe dar. Dies bedeutet, dass der Abstand A0B0 = AB keinenEinfluss auf die Abtriebsbewegung des Koppelgliedes 6 hat und somit auf Grundkonstruktiver Randbedingungen gewählt werden kann. Weiterhin ist festzustellen, dassbei dem gezeigten Möbelscharnier die Gelenkpunkte B0BC und ABD nicht exakt aufeiner Geraden liegen.

Literatur

[A12.1] Dittrich, G., Wehn, V.: Öffnungsmechanismus einer PKW-Motorhaube. DerKonstrukteur 20 (1989) 10, S. 23-24

[A12.2] Oderfeld, J.: Ermittlung von Momentanpolen in ebenen Getrieben. Maschi-nenbautechnik 12 (1963) 7, S. 374-375

[A12.3] Dittrich, G.: Systematik der Bewegungsaufgaben und grundsätzlicheLösungsmöglichkeiten. VDI-Berichte Nr. 576. Düsseldorf: VDI-Verlag,1985, S. 1-20

Page 312: Getriebetechnik ||

Anhang 297

A13 Zangen

Bild A13.1Zweigliedrige Zange (Quelle: www.knipex.de)

Zangen werden hauptsächlich benutzt, um die menschliche Hand bei handwerklichenAufgaben zu unterstützen. Hierbei kann man zwischen zwei Arten von Aufgabenunterscheiden: Greifen und Trennen. Sowohl beim Greifen als auch beim Trennenhaben Zangen die Aufgabe, die Handkraft zu verstärken. Darüber hinaus könnenZangen dazu dienen, das Greifen und Trennen von schwer zugänglichen Objekten zuerleichtern, z.B. im Bereich der Feinmechanik oder Medizin. Diese Zangenermöglichen lediglich die Übertragung der Bewegung der menschlichen Hand.

Im Allgemeinen besteht eine Zange (Bild A13.1) aus

einem Griffpaar, mindestens einem Gelenk und einem Zangenkopf.

Den handelsüblichen Zangen liegt häufig ein zweigliedriges Getriebe als so genannterZweischlag zugrunde, dessen Analyse relativ unkompliziert ist, siehe Bild A13.2. Indiesem Bild wurde das Glied 1 als Gestell angenommen. Die Greifkraft F2 errechnetsich aus der Handkraft F1 mit Hilfe des Momentengleichgewichts um den Punkt A0 zu

1

221 ll

FF .

Die Kraftverstärkung oder das Kraftübersetzungsverhältnis dieser zweigliedrigenZange lässt sich somit mit Hilfe des Faktors

1

2ll

k

variieren.

Page 313: Getriebetechnik ||

Anhang298

l1 l2

A0

l1 l2

A0

Bild A13.2Zur Kraftverstärkung einer zweigliedrigen Zange

Es ist klar, dass mit der zweigliedrigen Zange beliebige Übersetzungsverhältnisse unddamit auch Kraftübertragungsverhältnisse eingestellt werden können, wenn man bei derWahl des Abstandes l2 frei ist. Allerdings soll eine Zange auch kompakt und handlichsein, was zumindest dem Abstand l2 Schranken setzt. Erst mit dem Einsatz einesGetriebes mit mehr Gliedern können diese Krafübersetzungsverhältnisse unterBerücksichtigung kompakter Bauweise realisiert werden.

Vor der Untersuchung der Kraftverstärkung soll gezeigt werden, wie die viergliedrigekinematische Kette in Bild A13.3a ergänzt werden muss, um daraus eine viergliedrigeZange zu entwickeln. Hierbei muss man beachten, dass das resultierende Getriebe imunbelasteten Zustand mindestens den Freiheitsgrad F = 1 haben muss, damit eineBewegung der Glieder und somit ein Greifen möglich sind. Nach dem Greifen muss dasGetriebe unter Vorspannung stehen mit F = -1, um das Greifobjekt zu klemmen.

Wie oben erwähnt, braucht man bei einer Zange eine Handkraft und eine Zangenkraftals Greifkraft oder Trennkraft bzw. Schneidkraft. Eine kinematische Kette, die zurEntwicklung einer Zange verwendet wird, muss also mindestens zwei binäre Gliederhaben, die jeweils reine Druck- oder Zugkräfte übertragen. Diese Kräfte sind jeweilsgleich groß, jedoch entgegengesetzt gerichtet und setzen die Zange unter Vorspannung.Beschränkt man sich auf sechsgliedrige kinematische Ketten, so gibt es fünf, die für dieEntwicklung viergliedriger Zangen geeignet sind (Bilder A13.3b-f) [A13.1]. Sämtlichekinematische Ketten bestehen aus sechs Gliedern und acht Gelenken, und dement-sprechend ergibt sich der Freiheitsgrad (2.3) aus Gleichung (2.12) zu

F = 3 · (n 1) 2 · g1 g2 = 3 · (6 1) 2 · 8 0 = -1,

also erwartungsgemäß. Wenn beispielsweise in Bild A13.3b die beiden binären Glieder5 und 6 für die Kraftübertragung entfernt werden, wird die sechsgliedrige Kette auf dieviergliedrige Kette 1-2-3-4 (Bild A13.3a) mit F = 1 reduziert. Dasselbe gilt für dieübrigen Varianten c-f, die in einem weiteren Schritt unter Berücksichtigung konstruk-tiver Gesichtspunkte konkretisiert werden müssen.

Page 314: Getriebetechnik ||

Anhang 299

1

2

3

4

a) 4-gliedrige kinematische Kette1

2 3

5 64

b) 6-gliedrig: Variante 1

1

2 3

56

4

c) 6-gliedrig: Variante 2

1

3

256

4

d) 6-gliedrig: Variante 3

1

2 3

5 6

4e) 6-gliedrig: Variante 4

12

3

5

6

4

f) 6-gliedrig: Variante 5

Bild A13.3Kinematische Ketten für kraftverstärkende Zangen

Tipp: Sowohl Dreh- als auch Schubgelenke können verwendet werden, um diekinematischen Ketten in Bild A13.3 konstruktiv zu gestalten.

Darüber hinaus können die Abmessungen der Glieder so bestimmt werden, dass vorge-schriebene Kraftübersetzungsverhältnisse eingehalten werden. Hierbei können die be-kannten Regeln der Statik herangezogen werden, um zuerst die Kräfte zu bestimmen,die auf die verschiedenen Getriebeglieder wirken. Dann können die Abmessungen soausgewählt werden, dass das Verhältnis zwischen der Handkraft und der Zangenkrafteingehalten wird.

Am Beispiel einer aus der kinematischen Kette in Bild A13.3b abgeleiteten Zange solldiese Vorgehensweise erläutert werden. Diese Zange ist in Bild A13.4 schematisch dar-gestellt.

14

32

B0A

B

A0Bild A13.4Schematische Darstellung einer kraftverstärkenden Zange [A13.2]

Page 315: Getriebetechnik ||

Anhang300

Für die Kräfteuntersuchung kann man zuerst annehmen, dass die Zangenkraft P F2und die Wirkungslinie der Handkraft Q F3 bekannt sind. Am Glied 3 wirken die dreiKräfte Q, G23 und G43 (Bild A13.5). Die Wirkungslinien der Kräfte G43 und Q sindbekannt. Somit ergibt sich der Schnittpunkt S3. Die Wirkungslinie der Kraft G23 mussdurch den Schnittpunkt dieser Kräfte und den Gelenkpunkt B gehen. Darüber hinauskann man das Glied 2 gedanklich freischneiden. An diesem Glied greifen die Kräfte P,G32 und G12 an. Die bekannten Wirkungslinien der Kräfte P und G32 schneiden sich indem Punkt S2. Daraus ergibt sich die Wirkungslinie der Kraft G12, die durch die PunkteS2 und B0 geht. Der resultierende Kräfteplan ermöglicht es, die erforderliche HandkraftQ zu bestimmen. Dieser Kräfteplan kann auch dazu dienen, die Auswirkung einerÄnderung der Abmessungen auf das Kraftübersetzungsverhältnis zwischen der Hand-kraft Q und der Zangenkraft P zu betrachten. Auf diese Weise kann der Konstrukteurgeeignete Abmessungen finden, um ein vorgeschriebenes Kraftübersetzungsverhältniseinzuhalten (5.2.1).

a)

1

4

32

B0A

B

S2

S3

A0

b)

Zangenkraft

Handkraft

P

Q

2

3G12

G43

G = G23 32

Bild A13.5Kräfte an einer viergliedrigen kraftverstärkenden Zange: a) Lageplan b) Kräfteplan

Neben einer größeren Kraftverstärkung ist man oft bestrebt, andere kinematische An-forderungen zu erfüllen. Als Beispiel soll die Synthese einer Zange dienen, deren obereBacke parallel zu der unteren Backe geführt wird. Diese Anforderung ist nur bedingtmit einem viergliedrigen Getriebe möglich [A13.3].

In Bild A13.6 ist eine Zange skizziert, der ein sechsgliedriges Getriebe zugrunde liegt.Das Glied 6 weist eine annähernd parallele Ausrichtung zum Zangengriff 1 (Gestell)während einer Drehung des Zangengriffes 2 um den Punkt A0 auf.

Page 316: Getriebetechnik ||

Anhang 301

2

16

C

B0

3A

45

D

A0E

BC

a) Maßstäbliche Darstellung einer speziellen Zange [A13.3, A13.4]

5

3

2

1

16

A

A0

D

C

E B

B0

4

b) Kinematisches Schema

Bild A13.6Zange mit annähernd parallel geführten Greifbacken

Bild A13.6b zeigt das kinematische Schema des Getriebes. Die Abmessungen desGrundgetriebes A0ACBB0 wurden so festgelegt, dass der Punkt C annähernd eine Ge-radführung ausführt. Dieses Getriebe entspricht einem Tschebyschew-Lenker. Darüberhinaus können die Gelenkpunkte D und E auf den Gliedern 2 und 6 so ausgewähltwerden, dass Glied 6 seine Orientierung nicht ändert. Hierbei können die bekanntenVerfahren zur Lagensynthese herangezogen werden (6.2).

Literatur

[A13.1] Hain, K.: Entwurf viergliedriger, kraftverstärkender Zangen für gegebeneKräfteverhältnisse. Das Industrieblatt 62 (1962) 2, S. 70-73

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Anhang302

A14 Übergabevorrichtung

Eine Übergabevorrichtung erfüllt eine periodisch wiederkehrende Handhabungsauf-gabe, wie sie z.B. bei einer Fließbandfertigung oder in der Verpackungstechnik oft an-zutreffen ist [A14.1]. Ein Beispiel für solch eine Aufgabe ist es, Glasplatten, die aufeinem kontinuierlich laufenden Band ankommen, aufzunehmen und auf einen Förder-wagen zu stapeln (Bild A14.1).

Wenn sich die Handhabungsaufgabe häufig ändert, z.B. weil die Platten aufgrund vonvariierender Form oder Größe unterschiedlich geführt werden müssen, bietet sich einserieller Knickarm-Roboter (Bild 8.17) als Lösung an. Nachteilig an diesen Roboternsind allerdings der hohe Preis, die großen Gestellkräfte und die umfangreicheEinrichtung bzw. Steuerung. Parallelroboter (1.3) sind vor allem bei hoch-dynamischen Bewegungen innerhalb eines kleinen Arbeitsraumes eine sinnvolleAlternative. Bei ebenen Übergabeaufgaben, die nur geringfügig variiert werden, bietetsich der Einfachheit halber ein Koppelgetriebe an. Die mit Hilfe von Getriebenbewegten Übergabevorrichtungen haben bedingt durch den Zwanglauf den Vorzug,das Handhabungsgut mit günstigen Beschleunigungen in kurzen Taktzeiten bewegen zukönnen und dabei exakte Lagensicherungen zu garantieren.

Die Glasplatte muss von dem Koppelglied durch mehrere Lagen geführt werden. DieGreiflage und die Lage, in der die Platte abgelegt wird, müssen genau erfüllt werden.Bei einer (Genau-)Lagensynthese (6.2) können darüber hinaus eine bis drei Lagen,z.B. zur Vermeidung von Kollisionen, hinzugefügt werden (Bild A14.1).

FörderwagenBand

Bild A14.1Lagevorgaben für denÜbergabevorgang

Ein Getriebe, das die Handhabungsaufgabe bei umlaufendem Antrieb erfüllt, ist inBild A14.2 gezeigt. Der Riemen 6 wird als Getriebeglied interpretiert, da er kinematischäquivalent auch durch ein in der Schwinge 4 gelagertes Zwischenrad zwischen denbeiden Riemenscheiben ersetzt werden kann [A14.2], [A14.3]. Mit einerTotlagensynthese (6.1) wird die Kurbelschwinge mit dem erforderlichen Schwing-winkel ermittelt. Die vorzeichenbehafteten (Abtriebs-)Winkel, die die Schwinge 4() und das Übergabeglied 5 (U) während eines Übergabevorgangs relativ zum

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Anhang 303

Gestell 1 überstreichen, ergeben die notwendige (konstante) Übersetzung des Riemen-getriebes, nämlich

U0

0

1

5ψψ

ψrr

.

5r5

r1

32

1

1

6

t

4

Bild A14.2Sechsgliedriges Übergabegetriebe

Alternativ kann man ein viergliedriges Getriebe direkt als Führungsgetriebe verwenden,wie es oftmals in der industriellen Praxis der Fall ist. Mit der Wertigkeitsbilanz(6.2.1) lässt sich ermitteln, welche kinematischen Parameter eines Getriebes imAllgemeinen noch frei gewählt werden können, wenn eine vorgegebene Anzahldefinierter Lagen exakt durchfahren werden muss. Tabelle A14.1 zeigt die Zu-sammenhänge für viergliedrige Getriebe mit Drehgelenken.

Vorgaben Mögliche Sätze von wählbaren Parametern

2 Lagen (6.2.2) (A, B, AA0 , BB0 ) oder (A0, B0, AA0 , BB0 )

3 Lagen (6.2.3) (A, B) oder (A0, B0)

4 Lagen (6.2.4.1) (A0, B0) auf Mittelpunktkurve oder (A, B) auf Kreispunktkurve

5 Lagen (6.2.4.2) 0, 1 oder 6 mögliche Getriebe ergeben sich ausBURMESTERschen Kreis- und Mittelpunkten

Tabelle A14.1Konstruktive Freiheiten in Abhängigkeit von den Lagevorgaben (Wertigkeitsbilanz)

In Bild A14.3 sind zwei viergliedrige Getriebe abgebildet, die aus einer Mehrlagen-synthese (6.2) ermittelt wurden. Im Gegensatz zum sechsgliedrigen Getriebe ausBild A14.2 kann der Antrieb nun aber nicht umlaufen. Entstanden sind eine Doppel-schwinge (2.4.2) und eine schwingende Kurbelschleife (2.4.2).

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Anhang304

( )t ( )t

Bild A14.3Viergliedrige Übergabegetriebe

Die schwingende Antriebsbewegung kann auf verschiedene Weisen erzeugt werden(Bild A14.4).

( )t

a) Drehantrieb b) Linearantrieb c) Vorschaltgetriebe d) Kurvengetriebe

Bild A14.4Erzeugung einer schwingenden Antriebsbewegung

Mit einem Drehantrieb (z.B. Servomotor) oder Linearantrieb (hydraulisch,pneumatisch, elektromagnetisch) kann man die Geschwindigkeits- oder Be-schleunigungsprofile individuell und flexibel wählen (z.B. für Hin- und Rückbewegungunterschiedlich oder Rasten beim Greifen und Ablegen). Allerdings können in denUmkehrlagen hohe Antriebsmomente bzw. -kräfte entstehen: Neben der Trägheit desÜbergabegetriebes und des Handhabungsgutes muss auch die auf die Antriebswelle desMechanismus reduzierte Trägheit des Motors selbst überwunden werden. Dies kanninsbesondere bei Motor-Getriebe-Einheiten mit einer hohen Untersetzung dastatsächliche Nutzmoment des Motors deutlich reduzieren. Eine Antriebsbewegung, dieaufgrund eines stark schwankenden erforderlichen Antriebsmoments von der Soll-bewegung abweicht, kann dann ungewollte Beschleunigungen und Schwingungen imÜbergabegetriebe und dem Handhabungsgut verursachen. Beim Linearantrieb lassensich hohe Kraftspitzen durch eine günstige Wahl des Anlenkpunktes ( 90 )verringern.

Durch ein Vorschaltgetriebe mit konstanter Winkelgeschwindigkeit Ω umlaufendem

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Anhang 305

Antrieb (Bild A14.4c) können Spitzen und Schwankungen im Bedarfsmoment deutlichreduziert werden, insbesondere mit weiteren Maßnahmen zum Leistungsausgleich(z.B. mit einem Schwungrad). Mit einer Totlagensynthese können unterschiedlichschnelle Bewegungen für Hin- und Rücklauf (6.1) sowie ein minimalerÜbertragungswinkel (6.1.3.1) vorgegeben werden. Bei großen Schwingwinkeln( > 90°) lassen sich aber nicht beide Forderungen gleichzeitig erfüllen (Bild 6.10).

Ein weiterer Vorteil des Vorschaltgetriebes ist, dass das Band mit der Übergabevor-richtung mechanisch gekoppelt werden kann, z.B. mit einem Riementrieb zwischendem Antrieb des Bandes und der Kurbel des Vorschaltgetriebes. Damit wird dieeventuell variierende Geschwindigkeit des Bandes mit der Taktzeit der Übergabe-vorrichtung synchronisiert. Dies ist bei den zuvor genannten Lösungen mit Direkt-antrieben mechanisch nicht möglich.

Nachteilig an der Verwendung des Vorschaltgetriebes ist, dass bei konstanter Kurbel-drehzahl in der Greif- und Ablegephase keine Rast möglich ist, wie sie z.B. zumAufbau des Unterdrucks beim Ansaugen nötig sein kann. Dies lässt sich beispielsweisedurch eine Erweiterung um eine weitere Kurbelschwinge (Bild 2.20) oder durch einKurvengetriebe (2.4.2.2) (Bild A14.4d) erreichen. In beiden Fällen kann die Band-geschwindigkeit mit dem Übergabetakt gekoppelt bleiben. Durch die Gestaltung der mitkonstanter Geschwindigkeit umlaufenden Kurvenscheibe kann zusätzlich ein ge-wünschtes Geschwindigkeits- oder Beschleunigungsprofil des Antriebs der Übergabe-vorrichtung in den vier Bewegungsphasen (Greifen-Transport/Vorlauf-Ablegen-Rücklauf) erzeugt werden.

Ein Nachteil bei allen genannten Varianten ist, dass die zugeführten Platten im Momentdes Greifens eine Relativgeschwindigkeit ungleich null zum Übergabeglied besitzen.Bei einer Lagensynthese kann prinizipiell nicht die Geschwindigkeit vorgegebenwerden, mit der die Lagen durchfahren werden. Man kann allerdings versuchen, dieseGeschwindigkeit zu beeinflussen, indem man mehrere Lagen näherungsweise parallelzum Band geschickt vorgibt. Eine hohe Anzahl von vorgegeben Lagen lässt sichallerdings nicht mit einem viergliedrigen Getriebe erreichen (Tabelle A14.1).

Alternativ kann die Zuführung verändert werden: Denkbar ist eine Schubkurbel, diesich beim Greifen in ihrer äußeren Totlage befindet oder die Verwendung einesSchrittgetriebes (A9) zwischen dem Antrieb der Übergabevorrichtung und dem desBandes (Bild A14.5).

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Anhang306

SchrittgetriebeBild A14.5Beispielgetriebe zur Synchronisation bei der Glasplattenaufnahme

Literatur

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Page 326: Getriebetechnik ||

Sachverzeichnis

Absolutbeschleunigung........................... 77Absolutbewegung ................................... 73Absolutgeschwindigkeit.......................... 74Abtriebsfunktion ..................................... 15Abtriebsglied........................................... 21Antiparallelkurbelgetriebe ...................... 38Antriebsfunktion ..................................... 15Antriebsglied........................................... 21Arbeitskurve.......................................... 195Bahnkurve............................................... 56Beschleunigungsgrad .............139, 147, 151Beschleunigungsmaßstab ........................ 64Beschleunigungsplan .............................. 69Beschleunigungspol ...........................62, 70Beschleunigungsvektor ........................... 55Bewegungsabschnitte............................ 184Bewegungsachse ......................4, 7, 17, 229Bewegungsdiagramm............................ 183Bewegungsfunktion ................................ 15Bewegungsgesetz.................................. 183normiertes ......................................... 185stoß- und ruckfrei ............................. 187

Bewegungsgrad....................................... 23Bewegungsplan ..................................... 183Bindungpassive ...........................................28, 29

BOBILLIERSatz von .........................................84, 88

Bogenlänge ............................................. 80BURMESTERSatz von .............................................. 66

BURMESTERsche Kurven................... 167CORIOLISbeschleunigung ................76, 79

COULOMBsche Reibung ............. 117, 127CULMANN-Verfahren ......... 123, 126, 128dALEMBERTsches Prinzip ................................................................. 116, 119, 131

Decklage................................................ 143Diagrammkinematisches...................................... 56

Direktes Kinematisches Problem........... 235Doppeldrehgelenk ................................... 33Doppelkurbel........................................... 38Doppelschieber.................................. 44, 71Doppelschleife......................................... 44Doppelschwinge ...................................... 38Drehachse................................ 4, 17, 18, 49Drehgelenk ............................................ 116Drehmatrix ............................ 221, 226, 228Drehpol.................................................. 157endlicher ............................................. 70momentaner ........................................ 60

Drehschieber............................................ 50Dreigelenkbogen ................................... 124Dreilagenkonstruktion ................... 159, 160Drei-Lagen-Synthese............................. 159Dreipolsatz .............................................. 75Dreistandgetriebe .................................. 137Eingriffsglied........................................... 46Elementarbewegung ................................ 60Elementardrehung ................................. 219Elementargruppe ... 106, 121, 122, 124, 125Elementarschraubung ............................ 210Elementenpaar................................... 22, 27höheres................................................ 23niederes ............................................... 23

H. Kerle et al, Getriebetechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9895-1,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Sachverzeichnis312

Epizykloide ............................................. 71Ersatzgelenkgetriebe ............................... 48Ersatzgetriebe........................................ 173Abmessungen ................................... 174fünfgliedrige ..............................177, 179

Ersatzsystemvektorielles ....................................... 215

EULER-Formel..................................53, 58EULER-SAVARYGleichung von ...............................83, 91

Evolventenverzahnung............................ 72Exzentrizität .....................................39, 155kinematische ....................................... 39statische .............................................. 39

Fachwerk............................................... 121FLOCKENäherungsverfahren von................... 194

Formschluss ............................................ 48Freiheitidentische............................................ 29

Freiheitsgradidentischer .......................................... 31

Führungsbeschleunigung ........................ 77Führungsbewegung ................................. 73Führungsgeschwindigkeit ....................... 74Führungsgetriebe........14, 17, 139, 154, 156räumliches ........................................ 215

Führungsglied ......................................... 21Führungskurve ...................................... 195Fünfgelenkgetriebe ................................. 26Gangpolbahn......................................70, 82Gegenlaufphase......................140, 151, 153Gelenkstoffschlüssiges..................................... 4

Gelenkelement ...................21, 22, 116, 117Gelenkfreiheitsgrad................................. 23Gelenkfünfeck......................................... 26Gelenkkette ............................................. 10Gelenkkraftverfahren ............................ 120Gelenkviereck ......................................... 25Geradführung .......................................... 45

Geschlossenheitsbedingung............................................................. 94, 214, 216, 227

GeschwindigkeitenPlan der gedrehten .............................. 67Plan der um 90° gedrehten ................ 137Satz der gedrehten............................... 87

Geschwindigkeitsmaßstab ....................... 64Geschwindigkeitsplan ............................. 66Geschwindigkeitspol ......................... 59, 85Geschwindigkeitsvektor .......................... 55gedrehter ............................................. 59

Gestell ..................................................... 21Gestelllage............................................. 148Gestellwechsel................................... 34, 47Getriebebeschleunigungsgünstigstes .......................................................... 147, 152, 153

durchschlagendes ................................ 38übergeschlossenes ............................... 28übertragungsgünstigstes ............ 147, 150

Getriebeanalyse ......................................... 2Getriebedynamik ....................................... 2Getriebefreiheitsgrad ............................... 25Getriebefunktion...................................... 15Getriebekinematik ..................................... 2Getriebeorgan .......................................... 20Getriebesynthese ....................... 2, 139, 154Getriebesystematik .................................... 2G-Getriebe........................................... 1, 15Gleichgangkupplung ............................... 49Gleichlaufphase..................... 140, 151, 152Gleiten ............................................... 22, 28Gleitwälzen ................................. 22, 28, 29Gliedlagen ..................................... 154, 155drei allgemeine.................................. 159

Globoid...................................................... 4GRASHOFSatz von ........................................ 38, 42

GRASHOFsche Umlaufbedingung ............................................................... 143, 145

Greifer ....................................................... 4Haftkraft ................................................ 117

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Sachverzeichnis 313

Haftzahl................................................. 117HARTENBERG-DENAVIT-Formalismus.......................................................... 229

HARTMANNkreis.................................. 87HARTMANNsche Konstruktion............. 85Hodografenkurve .................................... 56Hodografenverfahren ............................ 190Homogene Koordinaten ........................ 228Hub ................................................140, 151Industrieroboter........4, 7, 10, 219, 229, 231Inverses Kinematisches Problem .......... 235Iterationsmethode.....................96, 112, 214JACOBI-Matrix .........................................................97, 99, 100, 102, 104, 105, 218

JOUKOWSKY-Hebel ............119, 135, 138Kardangelenk .......................................... 50Keilgetriebe............................................. 30KENNEDY/ARONHOLDSatz von .............................................. 75

Kettekinematische ..........................4, 5, 21, 32offene kinematische...................219, 223STEPHENSONsche............................ 33WATTsche ......................................... 33

Kinemate............................................... 209Kniehebelgetriebe ................................. 106Kniehebelpresse .............................5, 9, 138Kollineationsachse .................................. 85Konchoidenlenker ................................... 45Koppeldreieck....................................... 173Koppelglied............................................. 21Koppelkurven...................44, 103, 161, 178Mehrfache Erzeugung von................ 172

Koppelpunkt.......................................... 173Kraft- und Seileckverfahren...122, 124, 129Kräfteäußere ........................................114, 119eingeprägte ........................114, 122, 131innere ................................................ 114

Krafteck ................................................ 123Krafteckverfahren .................................. 138Kräfteplan ......................120, 122, 123, 128

Kraftschluss............................................. 48Kreispunktkurve .................................... 167Kreuzgelenk ............................................ 50Kreuzschubkurbel............ 44, 127, 140, 142Kreuzungsabstand ................... 18, 207, 230Kreuzungswinkel... 5, 18, 51, 207, 217, 230Krümmung von Bahnkurven ................... 80Krümmungskreis ..................................... 55Krümmungsmittelpunkt..................................................... 46, 47, 55, 61, 62, 81, 109

Krümmungsradius ....................... 46, 55, 80Kugelkoordinate .................................... 214Kurbelgetriebefünfgliedrige...................................... 182

Kurbelschleife ............................... 140, 142schwingende.................................. 42, 43umlaufende.................................... 42, 43zentrische ............................................ 77

Kurbelschwinge............................................................... 38, 140, 142, 144, 146, 149

Kurvengelenk ........................................ 116Kurvengetriebe ................................ 3, 5, 46Kurvenglied............................................. 46Kurvenschrittgetriebe ................................ 8Lagegleichung ........................... 96, 99, 101Lagenhomologe .......................................... 154

Lagensynthese ....................................... 154Lageplan.....66, 78, 120, 122, 123, 128, 136Längenmaßstab........................................ 64Laufgradpartieller .............................................. 34

Leistungssatz ................................. 134, 137Malteserkreuzgetriebe ............................. 45Massendrehmoment....................... 116, 135Massenträgheitsmoment ................ 115, 133Maßsynthese...................................... 2, 139Mechanismus........................................... 32Mechatronik .............................................. 3MEHMKESatz von ........................................ 66, 70

Mehrachsensystem ................................ 5, 8

Page 329: Getriebetechnik ||

Sachverzeichnis314

Mehrfachgelenk ...................................... 33Mehrlagen-Synthese ............................. 166Mittelpunktkurve................................... 167Modulmethode ...................................... 106Momentanpol .....59, 67, 71, 75, 77, 92, 157Nachlaufrechnung ................................. 103NEWTON-RAPHSON-Verfahren .....................................................96, 99, 102, 235

NEWTONsche Reibung........................ 117Normalbeschleunigungsvektor................ 55Normalkraft....................................116, 127Nutkurve ................................................... 5OLDHAM-Kupplung.............................. 52Orientierung .................................4, 17, 232Orientierungsmatrix .............................. 231Ortsvektor ........................................55, 209Parallelgreifer............................................ 4Parallelkurbelgetriebe ........................30, 38Parallelroboter......................................... 10Planetengetriebe...................................... 92Polbahnnormale ...................................... 82Polbahntangente...................................... 82Polbeschleunigung .................................. 62Polstrahlen .............................................. 85Polwechselgeschwindigkeit ...............84, 86Positionierung ..............................4, 17, 232Prinzip der virtuellen Leistungen .......... 134Projektionssatz ........................................ 57Punktlagen .....................................154, 155Punktreihenfolgehomologe .......................................... 154

Rastgetriebe ............................................ 46Rastpolbahn .......................................70, 82Raumgetriebe ........................................ 207Reibkraft ............................................... 127Reibmoment.......................................... 119Reibungskraft.................................116, 128Reibungskreis........................................ 118Reibungszahl..................................117, 127Relativbeschleunigung............................ 77Relativbewegung................................73, 81Relativgeschwindigkeit............74, 117, 128

Relativlagen................................... 154, 165Relativwinkelgeschwindigkeit .............. 119Relativ-Winkellage................................ 155ROBERTSSatz von .................................... 173, 176

Rollen .......................................... 22, 28, 30Rollenhebel ............................................. 48Rollenstößel............................................. 48Rundtaktautomat ....................................... 4Schleifengelenk ....................... 42, 155, 156Schleifengleichung .................. 95, 101, 215Schraubachse........................................... 18momentane................................ 210, 211

Schrauben................................................ 22Schrittgetriebe ........................................... 4Schroten................................................... 22Schubgelenk .......................................... 116Schubkurbel............. 94, 140, 142, 145, 149zentrische ............................ 43, 104, 146

Schubkurbelgetriebe........................ 3, 5, 39räumliches......................................... 212

Schubschleife .......................................... 44Schubschwinge.................................. 42, 43Schwingschleife ...................................... 43Seileck................................................... 123Seileckverfahren..................................... 138Starrheitsbedingung................. 57, 209, 213Steglage ................................................. 148Steigungmomentane........................................ 210

Stellungsinguläre............................................ 105

Strecklage.............................................. 143Strömungsreibung ................................. 117Synthese durch iterative Analyse .............. 3Synthetische Methode ........................... 130Tachografenkurve.................................... 56Tangenteneinheitsvektor ......................... 55Tangentenrichtung................................... 80Tangentenwinkel ..................................... 80Tangentialbeschleunigungsvektor ........... 55Totalschwinge ......................................... 38

Page 330: Getriebetechnik ||

Sachverzeichnis 315

Totlage .................................5, 11, 105, 139Totlagenkonstruktion .............139, 144, 145Totlagenwinkel ......................141, 142, 151Trägheitskraft.........113, 115, 119, 131, 135Transformationsmatrix...........221, 228, 231Translationspunkt.................................. 209Typensynthese ...................................2, 139Übersetzungsverhältnis ............4, 15, 75, 92Übertragungsfunktion ......................15, 162partielle............................................. 104

Übertragungsgetriebe .......................................................14, 139, 154, 158, 164, 165

Übertragungsglied................................... 21Übertragungswinkel .......................................................139, 142, 144, 147, 148, 149

U-Getriebe ................................................ 2Umkehrlage........................................... 139Unfreiheit ................................................ 23Verschiebung ........................................ 223Versetzung .............................145, 155, 165Viergelenkgetriebe.............................25, 37

Wälzen............................................... 22, 30Wellenkupplung ................................ 49, 50Wendekreis.............................................. 90Wendekreisdurchmesser.......................... 84Wendepunkt ................................ 55, 80, 88Wertigkeitsbilanz ...........................................139, 155, 156, 157, 158, 159, 161, 165

Winkelgeschwindigkeitsvektor ....... 58, 209Wirkungsgrad ........................................ 127Wulstkurve ................................................ 5Zangengreifer ........................................ 138Zeitmaßstab ............................................. 64Zentrifugalbewegung............................. 189Zentripetalbewegung............................. 189Zwanglauf ............................................... 25Zwanglaufgleichung.......................... 27, 49Zwangsbedingung ........... 94, 214, 217, 227Zwei-Lagen-Synthese............................ 156Zweischlag .............. 46, 107, 108, 109, 124Zwillingskurbelgetriebe........................... 38Zykloidenverzahnung.............................. 72