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österreichische ärztezeitung 12 30. juni 2006 32 Glomerulonephritis Glomerulonephritis © Contrast

Glomerulonephritis - aerztezeitung.at · tion (der glomerulären Filtrations-rate, GFR) und die renale Langzeitpro-gnose. Krankheitsbilder und wichtigste Symptome A.) Glomeruläre

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ö s t e r r e i c h i s c h e ä r z t e z e i t u n g 1 2 30 . j un i 200632

GlomerulonephritisGlomerulonephritis

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DFP - Literaturstudium

Begriffsklärung

Identische histologische, klinischeund laborchemische Veränderungenkann man auch bei Systemerkrankun-gen finden (zum Beispiel ein nephroti-sches Syndrom durch eine membranö-se Glomerulonephritis im Rahmen ei-nes systemischen Lupus erythemato-des). Das diagnostische und therapeu-tische Procedere ist allerdings andersund daher werden diese, wie auch jeneErkrankungen, die man eher unterdem Begriff „nicht entzündlich/meta-bol/degenerativ“ (zum Beispiel diabeti-sche Glomerulosklerose oder sekundä-re fokale segmentale Glomerulosklero-se) beziehungsweise „dominant intra-vaskulär“ (zum Beispiel hämolytischurämisches Syndrom) zusammenfassenkann, hier nicht besprochen.

Aktuelle Entwicklungen

Die komplexe Klassifikation undNomenklatur der primären Glomeru-lonephritiden hat für klinisch Tätigeoft einen rationalen Zugang verhin-dert. Die Histopathologie gab den Er-krankungen den Namen. Es bestandaber kaum eine Assoziation zu klini-schen Befunden, den Erfolgsaussichteneiner Therapie oder gar der Prognose.

Die Folge war ein weit verbreiteter dia-gnostischer und therapeutischer Nihi-lismus. Nun hat man erkannt, dass dasNierengewebe zwar vielen unterschied-lichen Noxen ausgesetzt sein kann,aber nur wenige histologische Reakti-onsmuster zur Verfügung stehen. Ge-nau diese werden vom Pathologen sehrgenau beschrieben. Sie definieren aberkeine Krankheitsentitäten; erst die In-tegration von Pathologie, Anamnese,Klinik und Laborbefund erlaubt einesinnvolle Diagnose und Therapieent-scheidung.

Eine moderne Einteilung der Glo-merulonephritiden beruht daher pri-mär auf den klinischen Hauptsympto-men Proteinurie und Hämaturie. BeiErkrankungen mit Hämaturie undProteinurie findet man histologisch ei-ne intraglomeruläre Zellvermehrungoder „Proliferation“, welche durch denEinstrom von Makrophagen und/oderneutrophilen Granulozyten bezie-hungsweise eine Hyperplasie von Mes-angiumzellen entsteht. Für die Inflam-mation sind Immunkomplexe im sub-endothelialen Raum (siehe Abb. 1 aufSeite 35) oder im Mesangium verant-wortlich (membranoproliferative bezie-hungsweise mesangioproliferative Glo-merulonephritis). Sauerstoffradikale

und Proteasen schädigen die Kapillar-wand, es kommt zur glomerulären Blu-tung (Hämaturie), aber durch eine Stö-rung der Podozytenfunktion auch zurglomerulären Proteinurie.

Entzündliche Prozesse, die den Po-dozyten, die Schlitzmembran oder densubepithelialen Raum (Abb. 1) betref-fen, führen hingegen nicht zur Leuko-zytotaxis (und damit zur „Proliferati-on“), da der enorme Flüssigkeitsstromim Rahmen der glomerulären Filtrati-on den Aufbau eines chemotaktischenGradienten verhindert. Es resultiert ei-ne Störung der glomerulären Filter-funktion ohne Hämaturie, eine isolier-te Proteinurie (minimal change Ne-phritis – primäre fokale segmentaleGlomerulosklerose, membranöse Glo-merulonephritis).

Diese sehr stark an Klinik und Pa-thophysiologie orientierte Klassifikati-on erlaubt es, aus dem Harnbefund aufden Ort der Inflammation zu schlie-ßen. Auch wenn nach wie vor die glo-meruläre Pathologie für die Nomenkla-tur entscheidend ist, bestimmen sehrunspezifische interstitielle Strukturver-änderungen wie zum Beispiel eine tu-buläre Atrophie oder interstitielle Fi-brose die exkretorische Nierenfunk-

Die moderne Einteilung der Glomerulo-

nephritiden beruht auf den klinischen Haupt-

symptomen Proteinurie und Hämaturie. Im

Folgenden geht es vor allem um die „primä-

ren Glomerulonephritiden“ im Erwachsenen-

alter. Von Gert Mayer und Gabriele

Schratzberger*

tion (der glomerulären Filtrations-rate, GFR) und die renale Langzeitpro-gnose.

Krankheitsbilder und

wichtigste Symptome

A.) Glomeruläre Erkrankungen ohne

Zellproliferation, Leitsymptom

Proteinurie:

1) Primäre Schädigung des Podozyten:a) Minimal Change Nephritis

(MCN):Die glomeruläre Architektur ist

lichtmikroskopisch regulär, die Im-munfluoreszenz üblicherweise unauf-fällig, Varianten mit einer mesangialenAblagerung von IgM oder C1q und ei-ner daraus resultierenden geringenZellproliferation und Hämaturie stel-len Übergänge zur mesangioproliferati-ven Glomerulonephritis dar. Für dieDiagnose ist der elektronenmikrosko-pische Nachweis einer diffusen podo-zytären Fußfortsatzverschmelzung un-erlässlich. Die Erkrankung führt zwarhäufig zu einer massiven selektiven (i.e.nur Albumin betreffenden) Protein-urie, die glomeruläre Filtrationsratebleibt aber erhalten und damit das Ser-umkreatinin normal (ausgenommenbei einem akuten Nierenversagen, wel-ches als Komplikation eines schwerennephrotischen Syndroms auftretenkann).

b) Primäre fokale (nicht alle Glo-merula betreffende), segmentale (in-nerhalb eines Glomerulum nur Ab-schnitte betreffende) Glomerulosklero-se (pFSGS):

Neben der diffusen Fußfortsatzver-schmelzung fällt lichtmikroskopisch inzumindest einem Segment eines Glo-merulums eine reaktionslose (i.e. keineAktivierung von Komplement auslö-sende) Akkumulation von Eiweißmo-lekülen im subendothelialen Raum auf.Dadurch werden „Löcher“ im glome-rulären Filter „abgedichtet“ und der Ei-weißverlust reduziert. Allerdings geht

auch Filtrationsoberfläche für die Ent-giftung verloren, die GFR kann bis zurDialysepflichtigkeit absinken. Wennim Biopsiematerial nur kortikale Ab-schnitte enthalten sind, ist es möglich,dass die histologische Diagnose fälsch-licherweise MCN lautet, da von derSklerose am Beginn vor allem die jux-tamedullären Glomerula betroffensind. Eine ähnliche Fehldiagnose kannsich ergeben, wenn die Biopsie nur we-nige Glomerula enthält und diese nichtoder noch nicht von der Sklerosierungbetroffen sind.

Die Pathogenese der MCN undder pFSGS ist ähnlich. Der Unter-schied besteht wahrscheinlich imAusmaß der Schädigung der Podozy-ten durch einen „Permeabilitätsfak-tor“, welcher bei den „idiopathi-schen“ Formen von T-Lymphozytengebildet wird. Sekundäre Formen derMCN können durch Medikamente(nicht steroidale Antirheumatika wiezum Beispiel Fenoprofen, Ampicillin,Rifampicin, Interferon, Lithium undPamidronat) ausgelöst werden oderals Paraneoplasie (zum Beispiel beiM. Hodgkin) auftreten. Zum Zeit-punkt des Auftretens der Nierener-krankung ist die onkologische Dia-gnose bereits meist gestellt (eineDurchuntersuchung ohne Tumorhin-weis ist nicht sinnvoll). 15 bis 30 Pro-zent aller nephrotischen Syndromeim Erwachsenenalter werden durcheine FSGS verursacht. Neben primä-ren und „sekundären“ genetischenFormen (Defekte von Proteinen desglomerulären Filters wie α-Actinin-4,NPHS2, TRPC6 oder CD2AP) kön-nen auch ein Heroinabusus, einechronische Lithiumtherapie oderLymphome die Erkrankung auslösen.

Die Prognose hängt sehr stark davonab, ob eine Remission der Proteinuriedurch eine Steroidtherapie erreichtwerden kann. Bei Patienten mit MCNstehen Komplikationen des nephroti-

schen Syndroms im Vordergrund; beitherapieresistenter pFSGS droht zu-sätzlich der Verlust der Nierenfunkti-on. Unangenehmerweise tritt diese Er-krankung nach einer Nierentransplan-tation relativ häufig wieder auf.

2) Subepitheliale Immunkomplexablagerungen(membranöse Glomerulonephritis, MGN):

Die Immunkomplexe enthalten einrenales („idiopathische“ Form, 80 Pro-zent der Fälle) oder ein exogenes Anti-gen (zum Beispiel aus Tumoren, Medi-kamenten, Hepatitis B-DNA bezie-hungsweise Hepatitis C-RNA; sekun-däre Form). Veränderungen am Podo-zyten und der Basalmembran führenzur Proteinurie. Die fehlende Leukozy-totaxis verhindert das Auftreten einerHämaturie, allerdings werden dieImmunkomplexe bei Remission derErkrankung auch nur sehr langsam ab-gebaut.

Neben der FSGS ist die MGN diehäufigste Ursache des nephrotischenSyndroms bei Erwachsenen. Männersind etwa doppelt so häufig betroffenwie Frauen, der Altersgipfel der Er-krankung liegt zwischen dem 40. und60. Lebensjahr. Obwohl rund 70 Pro-zent der Patienten zumindest einmalim Lauf der Krankheit eine Proteinu-rie mit mehr als 3,5 g/Tag aufweisen,wird die Diagnose häufig im Rahmender Abklärung einer zufällig diagno-stizierten geringen Proteinurie ge-stellt.

Bei Patienten mit sekundärer MGNbestimmt meist die Grunderkrankungdie Prognose. Die Differentialdiagnosezur idiopathischen Form ist wesentlich,da häufig bei sekundärer Erkrankungeine immunsuppressive Therapie abso-lut kontraindiziert ist. Bei idiopathi-scher MGN liegt das Risiko der termi-nalen Niereninsuffizienz nach fünf Jah-ren bei 14 Prozent, nach 15 Jahren bei40 Prozent. Spontane Voll- (keine Pro-teinurie) oder Teilremissionen -

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(Proteinurie unter 2 g/Tag) sindhäufig (fünf bis 30 Prozent, bezie-hungsweise 25 bis 40 Prozent inner-halb von fünf Jahren).

Risikofaktoren für einen ungünsti-gen Verlauf sind ein über sechs Monatebestehendes nephrotisches Syndrom,das männliche Geschlecht, ein Lebens-alter über 50 Jahre und ein erhöhtesSerumkreatinin zum Zeitpunkt derDiagnosestellung. Histologisch zeigenvor allem eine tubulointerstitielle Fi-brose und eine Atrophie einen progre-dienten Verlauf an. Patienten ohne die-se Veränderungen, einer geringen Pro-teinurie oder einem auch drei Jahrenach der Diagnosestellung stabilenKreatinin haben ebenso wie Frauenund Kinder eine bessere Prognose.

B.) Glomeruläre Erkrankungen mit

Leukozytotaxis, Leitsymptom Hämaturie

und Proteinurie

Bei Typ I MPGN (rund zwei Drit-tel der Fälle, sehr häufig im Rahmeneiner Hepatitis C-Virusinfektion, aberauch bei Kryoglobulinämie, SLE oderEndokarditis lenta) wird durch dieImmunkomplexablagerung sowohl derklassische als auch der alternativeKomplementweg aktiviert (C3 und C4im Serum erniedrigt). Bei der Typ II-Erkrankung (dense deposit disease)wird durch einen Antikörper die C3Konvertase stabilisiert, serologisch be-steht ein isolierter C3-Mangel. Der sel-tene, prognostisch noch ungünstigereTyp III ist durch subepitheliale undsubendotheliale Ablagerungen gekenn-zeichnet.

Die MPGN ist eher selten (vorwie-gend bei Jugendlichen und jüngerenErwachsenen) und führt zu einemlangsamen Verlust der exkretorischenNierenfunktion (rund 50 Prozent sindnach zehn Jahren dialysepflichtig).Spontanremissionen der Erkrankungsind sehr selten, eine Wiederkehr der

Erkrankung in einem Transplantat istvor allem bei der Typ II-Erkrankunghäufig.

2) Mesangiale Immunkomplexformation (me-sangioproliferative Glomerulonephritis):

Zu dieser Gruppe zählt neben denoben erwähnten Varianten der MCNvor allem die häufigste GN, der M.Berger oder IgA Nephritis (zehn bis 40Prozent aller Glomerulonephritiden,sehr starke regionale Schwankungen),bei der IgA-hältige Immunkomplexeabgelagert werden. IgA ist vor allem imBereich von Schleimhäuten für die Im-munantwort verantwortlich, womit dieAssoziation zwischen der Glomerulo-nephritis und Infektionen wie bei-spielsweise des oberen Respirations-traktes erklärt werden kann. Ob eineüberschießende Bildung von (mögli-cherweise defektem) Immunglobulin Aoder eine reduzierte Clearance IgA -hältiger Immunkomplexe zur Glome-rulonephritis führt, ist unklar. ErhöhteIgA-Serumspiegel finden sich bei circa50 Prozent der Patienten. Dieser Be-fund ist weder ausreichend sensitivnoch spezifisch. Möglicherweise ist diemesangiale IgA Ablagerung sogar nurein Epiphänomen, da auch IgG Anti-körper gegen Mesangialzellen beschrie-ben wurden.

40 bis 50 Prozent der Patienten zei-gen eine oder mehrere Episoden mitMakrohämaturie, üblicherweise nacheiner Infektion des oberen Respirati-

onstraktes, wobei die Latenzzeit zwi-schen dem Infekt und der Nephritis imGegensatz zur Poststreptokokken-Glo-merulonephritis nur drei bis fünf Tagebeträgt. Bei 30 bis 40 Prozent der Pa-tienten besteht eine Mikrohämaturieund geringgradige Proteinurie. DieDiagnose wird im Rahmen einerDurchuntersuchung zufällig gestellt;bei weniger als zehn Prozent findetman initial eine massive Nephritis mitÖdemen und einer eingeschränktenNierenfunktion.

Wesentliche Differentialdiagnosensind die prognostisch günstige „thinbasement membrane disease“ (auch als„benigne familiäre Hämaturie“ be-zeichnet) sowie das zumindest beiMännern wesentlich ungünstiger ver-laufende Alport Syndrom. In seltenenFällen ist die IgA-Nephritis mit ande-ren Erkrankungen (HIV-Infektion,Wegener´sche Granulomatose, chroni-sche Lebererkrankungen, Gluten-Un-verträglichkeit, M.Crohn, Dermatitisherpetiformis, Mycosis fungoides,Spondylitis ankylosans etc.) oder ande-ren Glomerulonephritiden (MCN,MN) assoziiert.

Der natürliche Verlauf ist sehr un-terschiedlich. Bei einem Viertel derPatienten tritt eine komplette Remis-sion ein; nach zehn Jahren sind aberauch 15 Prozent und nach 20 Jahren20 Prozent der Patienten dialyse-pflichtig. Nachdem sicher nicht alle

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Ursachen einer sekundären fokalen segmentalenGlomerulosklerose

1) Störung der intrarenalen Hämodynamik als Folge einer Reduktion der Nephronenzahl (zum Beispiel Refluxnephropathie, hypertensive Glomerulosklerose, St. p. Defektheil-ung einer primären Glomerulonephritis, kongenitale Anomalien oder massive chirurgi-sche Reduktion der Nierenmasse)

2) Störung der intrarenalen Hämodynamik ohne primäre Reduktion der Nephronenzahl (zum Beispiel Diabetes mellitus, Sichelzellanämie, Typ I Glykogenspeicherkrank-heiten, Adipositas, Schlafapnoe-Syndrom) Tab. 1

DFP - Literaturstudium

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Patienten mit einer IgA-Nephritisauch bioptisch abgeklärt und somiterfasst werden (zum Beispiel jene, dieeine isolierte Hämaturie aufweisen),ist die exakte Prognose der gesamtenKrankheitsentität wahrscheinlich bes-ser. Der variable Verlauf macht dieEntscheidung zur Therapie oft sehrschwierig, da mit einer relativ hohenNebenwirkungsrate gerechnet werdenmuss. Prognostisch ungünstige Zei-chen sind ein erhöhtes Serumkreati-nin, männliches Geschlecht, ein höhe-res Lebensalter, eine ausgeprägte Pro-teinurie (> 1g pro Tag), eine Hyperto-nie und schwere glomeruläre (zumBeispiel Schwielen oder Halbmond-bildungen) oder interstitielle Struk-turveränderungen sowie möglicher-weise genetische Faktoren (verschiede-

ne Genotypen des ACE-, des Angio-tensinogen- beziehungsweise des Ute-roglobin-Gens). Interessanterweise isteine intermittierende Makrohämatu-rie (trotz der Möglichkeit eines aku-ten, allerdings reversiblen Nierenver-sagens während der Episode) progno-stisch günstiger als eine persistierendeMikrohämaturie und Proteinurie.

Diagnostik

Patienten mit Glomerulonephritiskönnen renale (zum Beispiel Makrohä-maturie, Oligo-Anurie) oder systemischeSymptome (Ödeme, Hypertonie, Ur-ämie) aufweisen. Oft verhindert aber dasFehlen von Beschwerden die für eine suf-fiziente Therapie notwendige frühzeitigeDiagnose. Zufällig (beispielsweise im

Rahmen von Gesundenuntersuchun-gen) erhobenen pathologischen Befun-den (Hämaturie, Proteinurie, gering er-höhtes Kreatinin) muss daher unbedingtnachgegangen werden.

In der Diagnostik von Nierenerkran-kungen muss man zwischen prärenalen,postrenalen und intrarenalen (tubuloin-terstitielle oder glomeruläre) Ursachensowie akuten, subakuten, chronischenund akut auf chronischen Verlaufsfor-men differenzieren. Bei glomerulärenErkrankungen kommt dem Harnbe-fund eine wesentliche Bedeutung zu.Ei-ne Hämaturie oder Proteinurie sindzwar typisch, aber nicht spezifisch. Ery-throzytenzylinder beziehungsweise eineKombination von Hämaturie und Pro-teinuriegrenzen eine renale

Elektronenmikroskopisches Bild eines intakten Glomerulums:

A: Mesangium. Die pathologische Ablagerung von Immunkomplexen in diesem

Bereich ist typisch für das Bild der mesangioproliferativen Glomerulonephritis.

B: Podozyt. Die direkte Schädigung des Podozyten führt zum Verlust der

Fußfortsätze, dem typischen Kennzeichen der minimal change Nephritis beziehungs-

weise der primären fokalen, segmentalen Glomerulosklerose.

C: Normalerweise liegen die Fußfortsätze des Podozyten der Außenseite der glomeru-

lären Basalmembran unmittelbar an. Die pathologische Ablagerung von

Immunkomplexen in diesem Bereich (subepithelial) ist typisch für das Bild der mem-

branösen Glomerulonephritis.

D: Normalerweise liegen die Ausläufer der Endothelzelle der Innenseite der glomeru-

lären Basalmembran unmittelbar an. Die pathologische Ablagerung von

Immunkomplexen in diesem Bereich (subendothelial) ist typisch für das Bild der

membranoproliferativen Glomerulonephritis. Abb. 1

von einer postrenalen Blutung ab.Die korrekte Interpretation des Vor-handenseins oder Fehlens von „dys-morphen“ Erythrozyten in der Pha-senkontrastmikroskopie ist schwierig.Bei einer Proteinurie kann man mittelsHarnelektrophorese eine glomerulärselektive (nur Albumin), eine glomeru-lär unselektive (Albumin und IgG) undeine tubuläre (kleinmolekulare Sub-stanzen wie‚ Beta-2 Mikroglobulin)Form unterscheiden. Unabhängig da-von sollte aber eine Quantifizierungder Proteinurie erfolgen, da die Pro-gnose, aber auch die Abschätzung derTherapieeffizienz ganz wesentlich vonder Menge des Eiweißverlustes abhän-gen.

Ein erhöhtes Serumkreatinin zeigtmit großer Sicherheit eine reduzierteGFR an. Wie eingeschränkt die Funk-tion allerdings tatsächlich ist, kanndaraus nicht abgeleitet werden, daauch die Muskelmasse den Wert be-einflusst. Da auch ein normales Se-rumkreatinin eine reduzierte Nieren-funktion nicht ausschließt, empfiehltes sich, entweder Näherungsformeln(etwa die MDRD Formel, die aus demSerumkreatininwert unter Einbezie-hung von zum Beispiel dem Altersund dem Geschlechts die GFR be-rechnet) zu verwenden oder eineKreatininclearance- beziehungsweisetatsächliche GFR-Messung durchzu-führen. Die weitere laborchemischeDiagnostik ist an das jeweilige Stadi-um der Nierenerkrankung anzupassen(Anämie, PTH, Kalzium-Phosphat-haushalt etc.; siehe dazu auchwww.kidney.org/professionals/kdoqi/cap/index.html)

Der Stellenwert serologischer Mar-ker in der Diagnostik sekundärer Glo-merulonephrtiden (wie zum BeispielANA, dsDNA etc. bei Lupusnephritis,ANCA bei Vaskulitis oder ASLO beipostinfektiöser Glomerulonephritisetc.) wird hier nicht besprochen. Für

primäre Glomerulonephritiden gibt esleider keine ausreichen sensitivenund/oder spezifischen Marker.

Die manchmal – vor allem beiasymptomatischen Patienten – schwie-rigste Aufgabe ist die Differentialdia-gnose zwischen akuten und chroni-schen Erkrankungen. Allerdings ist ge-rade diese besonders wichtig, da eineimmunsuppressive Therapie meist nurbei akut entzündlichen Erkrankungeneingesetzt werden sollte, bei chroni-schen Verlaufsformen aber andereMaßnahmen (zum Beispiel eine massi-ve Blutdruckreduktion, Blockade desRenin-Angiotensin-Aldosteronsystems,RAAS) vorrangig sind. Der Ultraschall,und hier besonders die Frage nach derNierengröße (kleine Nieren = chroni-scher Prozess, allerdings schließen nor-mal große Nieren chronische Prozessenicht aus) stellt ein wesentliches Hilfs-mittel dar. Ein einzelner Serumkreati-ninwert hilft nicht immer, da die GFRakut, aber auch chronisch reduziertsein kann; Verläufe hingegen sind über-aus hilfreich. Zusätzlich deuten Verän-derungen wie eine renale Anämie, einemetabole Azidose, eine Hyper-phosphatämie, eine Hypokalziämieoder ein sekundärer Hyperparathyreoi-dismus eher auf eine chronische Er-krankung hin.

Der „Goldstandard“ in der Diagnos-tik ist die Biopsie. Über die Indikati-onsstellungen wird auch in nephrologi-schen Kreisen immer wieder diskutiert.Unbestritten ist aber, dass fast immereine histologische Abklärung notwen-dig ist, wenn eine immunsuppressiveTherapie zur Anwendung gelangensollte.

Differentialdiagnose

Obwohl das klinische Erschei-nungsbild und das Alter des Patientendie differentialdiagnostischen Mög-lichkeiten einengen, ist trotzdem oft

eine bioptische Abklärung notwendig,da absolut spezifische beispielsweiseserologische Marker für einzelne Glo-merulonephritiden leider nicht zurVerfügung stehen. Da die Behandlungjedoch sehr differenziert erfolgt undzumindest teilweise schwere Neben-wirkungen mit sich bringt, muss dieDiagnose exakt abgesichert werden.Zusätzlich kann aus der Biopsie aucheine Aussage getroffen werden, inwie-weit Prozesse, die beispielsweise zurEinschränkung der exkretorischenNierenfunktion geführt haben, über-haupt reversibel sind. Ist etwa dasKreatinin erhöht und findet sich inder Biopsie eine ausgeprägte Tubulus-atrophie und interstitielle Fibrose,muss von einem irreversiblen Prozessausgegangen werden. Die Entschei-dung zur immunsuppressiven Thera-pie wird in diesen Fällen sicher zu-rückhaltender gestellt als bei Patien-ten, bei denen die Nierenfunktionhauptsächlich aufgrund einer akutenEntzündung eingeschränkt ist.

Als „fokal nephritisch“ bezeichnetman histologisch proliferative Erkran-kungen, die weniger als 50 Prozentder Glomerula betreffen. Im Sedimentfindet man (dysmorphe) Erythrozy-ten, manchmal Erythrozytenzylinderund im Harn eine geringgradige Pro-teinurie. Wesentliche Erkrankungen(inklusive nicht primärer GN), diediese Konstellation hervorrufen kön-nen sind bei Patienten unter 15 Jah-ren die milde postinfektiöse GN, dieIgA Nephritis inklusive PurpuraSchönlein Henoch und andere mesan-gioproliferative GN, die „thin base-ment membrane“ Erkrankung unddas Alport Syndrom. Ist der Patientenzwischen 15 und 40 Jahre alt kommtvor allem die IgA Nephritis oder an-dere mesangioproliferative GN, die„thin basement membrane“ Erkran-kung, der SLE und das Alport Syn-drom in Betracht, bei älteren Indivi-duen primär die IgA Nephritis.

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Bei einer diffus nephritischen Er-krankung (mehr als 50 Prozent derGlomerula mit proliferativen Verände-rungen) ist das Sediment ähnlich wiebei fokalem Geschehen, die Proteinu-rie ist jedoch ausgeprägter. Des Weite-ren finden sich häufiger Ödeme, eineHypertonie und eine eingeschränkteNierenfunktion. Ist der Patient jung(< 15 Jahre) muss man vor allem an diepostinfektiöse Glomerulonephritis unddie MPGN denken, im Alter zwischen15 und 40 Jahren an die postinfektiöseGlomerulonephritis, den SLE, ver-schiedene Formen der rapid progre-dienten Glomerulonephritis (zum Bei-spiel Goodpasture Syndrom etc), die fi-brilläre Glomerulonephritis und dieMPGN, bei älteren Patienten an einerapid progrediente Glomerulonephri-tis, eine Vaskulitis, eine fibrilläre odereine postinfektiöse Glomerulonephri-tis.

Nephrotische Erkrankungen zeich-nen sich durch die Proteinurie bei feh-lender Hämaturie aus. Die Patientenhaben vorwiegend Zeichen eines ne-phrotischen Syndroms. Die Nieren-funktion ist – zumindest bei der Erst-präsentation – meist noch normal oder

nur leicht eingeschränkt. Unter 15 Jah-ren ist die häufigste Ursache eineMCN, gefolgt von FSGS, zwischen 15und 40 eher eine FSGS und erst inzweiter Linie eine MCN oder eineMGN beziehungsweise eine diabeti-sche Nephropathie. Bei älteren Patien-ten kommen eher eine FSGS, eineMGN und eine diabetische Nephropa-thie in Betracht, allerdings können hierauch Amyloidosen oder eine „lightchain deposition disease“ in Fragekommen.

Alle Glomerulonephritiden können– wie viele andere renale Erkrankungen– zur sekundären FSGS führen (sieheTab. 1). Diese ist das histologische(lichtmikroskopisch von der pFSGSnicht zu unterscheidende) Korrelat desVerlustes von Nephronen beziehungs-weise einer intraglomerulären hämody-namischen Umstellung. Das Vas affe-rens wird erweitert, im Vas efferenswird u.a. durch den Einfluss von lokalgebildetem Angiotensin II eine Vaso-konstriktion erzeugt. Beide Vorgängeführen zu einem Anstieg des Filtrati-onsdruckes. Dieser zerstört weitereGlomerula, wodurch ein Circulus vi-tiosus entsteht, bei dem die Nieren-

funktion unabhängig von der Aktivitätder auslösenden Grunderkrankungweiter abnimmt. Eine isolierte sekun-däre FSGS entwickelt sich eher lang-sam und kann zu einer massiven Pro-teinurie führen, wobei allerdings imGegensatz zur pFSGS die Serumpro-teinwerte eher im Normalbereich blei-ben und nicht absinken. Die Differen-tialdiagnose ist wesentlich, aber oftschwierig, da bei diesen „chronischen“,eher degenerativen Erkrankungen ganzandere Therapiemaßnahmen notwen-dig sind. Meist kann man allerdingstherapeutisch pragmatisch vorgehenund ohnehin annehmen, dass bei jederprimären Glomerulonephritis (ev. mitAusnahme der MCN) eine FSGSKomponente vorliegt.

Therapie

Minimal Change Nephritis (MCN)und primäre fokale, segmentale Glo-merulosklerose (pFSGS; siehe Tab. 2und 3)

Die histologische Differentialdia-gnose zwischen den beiden Erkrankun-gen ist oft schwierig. Primäres klini-sches Anliegen ist es, durch eine Ste-

Behandlungsempfehlungen bei Minimal Change Nephritis

Initiale Therapie Prednisolon p.o. 1mg/kg KG/Tag für 16 Wochen (alternativ bis eine Woche nach Remission), dann 1mg/kg KG/jeden zweiten Tag für vier Wochen, dann weitere Reduktion.

Neuerlicher Schub Prednisolon wie oben, ev. Cyclosporin 4 – 6 mg/kg KG/Tag mit niedrig dosierten Steroiden, hohe An-sprechrate aber auch hohe Relapsrate nach Absetzen der Therapie.

Steroidabhängigkeit / frequent relaps Cyclophosphamid (2 mg/kg Kg/Tag) für acht Wochen (abermalige Relapsrate 25 PRozent), Cyclo-sporin wie oben (Relapsrate 63 Prozent), ev. Azathioprin zur Remissionserhaltung.

Primäre und sekundäre Steroidresistenz Versuch mit Cyclophosphamid oder Cyclosporin plus Steroide für drei Monate. Tab. 2

Behandlungsempfehlungen bei primärer fokaler segmentaler Glomerulosklerose

Nephrotisches Syndrom mit weitgehend Prednisolon (1mg/kg KG/Tag) bzw. 2mg/kg KG/jeden zweiten Tag 12 – 16 Wochen bzw. bis ein bis erhaltener Nierenfunktion zwei Wochen nach Remission, danach langsame Reduktion über neun Monate.Steroidresistenz Prednisolon plus Cyclosporin (4 mg/kg KG/Tag, Zieltalspiegel 125 – 225 ng/ml) für sechs Monate,(keine Besserung nach 16 Wochen) dann 25 Prozent Reduktion alle zwei Monate, ev. auch Tacrolimus, ev. Plasmapherese oder Immun-

adsorption.Steroidabhängigkeit Zusätzlich Cyclosporin wie oben oder Cyclophosphamid (2mg/kg KG/Tag für acht Wochen). Tab. 3

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DFP - Literaturstudium

roidtherapie (1 mg/kgKG/Tag) eine Re-mission der Proteinurie zu erreichen(dies gelingt bei MCN häufiger als beipFSGS), da dann die Prognose günstigist. Patienten mit MCN sind von wie-derholten Schüben des nephrotischenSyndroms bedroht. Bei pFSGS mussbei persistierender Proteinurie zusätz-lich mit einem Verlust der Nierenfunk-tion gerechnet werden (50 Prozent nachzehn Jahren vs. zehn Prozent bei jenen40 bis 60 Prozent der Patienten mit ei-ner vollständigen oder partiellen Re-mission der Proteinurie).

Bei MCN und vor allem bei pFSGSstellt eine ausreichend lange (zwölf bis16 Wochen) durchgeführte Therapie si-cher, dass alle steroidsensitiven Fälle er-fasst werden und die Relapsrate (30 bis50 Prozent) reduziert wird. Bei mehr alszwei Proteinurie-Episoden innerhalbvon sechs Monaten („frequent relaps“)oder bei Schüben innerhalb von zweiWochen nach Absetzen der Steroidthe-rapie („Steroidabhängigkeit“) kommenalternative Substanzen (Cyclophospha-mid oder Cyclopsorin A) zum Einsatz.Vor allem bei steroidabhängigen Patien-ten wurden Übergänge in die prognos-tisch ungünstigere primäre fokale seg-mentale Glomerulosklerose beschrie-ben; eine völlige Steroidresistenz ist pri-mär ein Indiz für eine pFSGS. WeiterePrädiktoren für eine Steroidresistenzsind genetisch bedingte Erkrankungs-

formen, eine tubulointerstitielle Fibroseund Atrophie (laborchemisch neben ei-ner glomerulären auch eine tubuläreProteinurie), ein erhöhtes Serumkreati-nin zum Zeitpunkt der Erstdiagnoseund eine Proteinurie > 10 g/Tag. Etwa20 bis 60 Prozent der steroidresistentenPatienten sprechen auf Cyclosporin A(allerdings hohe Relapsrate nach Abset-zen der Therapie) oder Cyclophospha-mid an.

Große Probleme bereiten jene Pa-tienten, bei denen sich auf Basis einerpFSGS zusätzlich oder nach erfolgrei-cher Therapie ausschließlich eine se-kundäre FSGS entwickelt. Lichtmi-kroskopisch sind die Erkrankungennicht zu unterscheiden, beide führenzur Proteinurie und zum Anstieg desSerumkreatinins, bei sFSGS ist aller-dings keine Immunsuppression indi-ziert. Aus diesem Grund sollten Allge-meinmaßnahmen wie eine aggressiveBlutdruckreduktion und eine RAASBlockade bei allen Patienten durchge-führt werden.

Membranöse

Glomerulonephritis

Bei sekundärer MGN (Tab. 4) stehtdie Therapie der Grunderkrankung imVordergrund. Bei der „idiopathischen“Form erschweren die hohe Spontanre-missionsrate, die Toxizität der notwen-digen Immunsuppression und die Pro-

bleme in der Beurteilung eines Thera-pieerfolges (primär Reduktion der Pro-teinurie) das klinische Vorgehen. Beob-achtungen bei medikamenteninduzier-ter sekundärer MGN zeigen, dass esnach Absetzen des auslösenden Agensdrei Jahre dauern kann, bis die subepi-thelial gelegenen Immunkomplexe ab-gebaut werden und die Proteinurie zu-rückgeht. Eine derart langdauernde Im-munsuppression ist aber nicht möglich.

Eine aggressive antihypertensiveTherapie mit RAAS Blockade ist im-mer indiziert. Bei Hypercholesterin-ämie sollten Statine und bei entspre-chenden Risikokonstellationen (St. p.Thromboembolie oder hochdosierteSteroid- bzw. Diuretikatherapie, Se-rumalbumin unter 20 g / l) Antikoagu-lantien verschrieben werden. Eine Ste-roidmonotherapie oder Azathioprin istnicht effizient, sodass bei Risikopatien-ten Steroide und alkylierende Substan-zen oder Cyclosporin A eingesetzt wer-den. Bislang fehlt allerdings noch im-mer der definitive Beweis, dass damitdie Häufigkeit der terminalen Niere-ninsuffizienz reduziert werden kann.

Mesangioproliferative

Glomerulonephritis, IGA

Nephritis Basis der Therapie (Tab. 5) ist eine

aggressive Blutdruckreduktion

Behandlungsempfehlungen bei membranöser Glomerulonephritis

„Asymptomatische“ Proteinurie unter 3,5 g/Tag Regelmäßige Kontrollen„Asymptomatische“ Proteinurie über 3,5 g/Tag oder Engmaschige Beobachtung (bis zu 65 Prozent komplette oder partiellenephrotisches Syndrom mit gutem Ansprechen auf Diuretika. Remission innerhalb von drei bis vier Jahren).Risikopatienten (z.B. eingeschränkte, aber noch weitgehend erhal- • Cyclophosphamid (1,5 mg/kg/Tag) plus 500 mg Prednisolon intrave-tene Nierenfunktion, klinisch schwer beherrschbares nephrotisches nös für drei Tage, , danach 0,5 mg/kg KG jeden zweiten Tag für ma-Syndrom, thromboembolische Komplikationen, progrediente Erkran- ximal zwölf Monate.kung mit Zunahme der Proteinurie und/oder Anstieg des Serum- • 500 mg Prednisolon intravenös für drei Tage, dann 0,5 mg/kg/ Tag kreatinins, über sechs Monate hinaus persistierendes nephrotisches für ein Monat, dann Chlorambucil (0,2 mg/kg/Tag) für ein Monat, Syndrom bei Männern > 50 Jahre, ungünstige histologische Zeichen insgesamt drei Zyklen, i.e. Monate.wie tubulointerstitielle Fibrose und Atrophie. • Cyclosporin 4 – 6 mg/kg/Tag (therapeutische Talspiegel: 120-200 ng/ml)

mit Prednisolon (0,15 mg/kg/Tag) für vier bis sechs Monate. Tab. 4

ö s t e r r e i c h i s c h e ä r z t e z e i t u n g 1 2 30 . j un i 200642

(z.B. bei einer Proteinurie > 1 g/Tagunter 125/80 mm Hg), die unbedingt ei-ne Blockade des Renin-Angiotensin-Al-dosteronsystems (RAAS, ev. sogar durcheine Kombination von ACE-Inhibitorenund Angiotensin II- Rezeptorblockern)beinhalten sollte. Fischöl hemmt dieThrombozytenaggregation und greift indie Interleukinproduktion ein. Solangeentzündliche Veränderungen (histolo-gisch Zeichen der Zellproliferation, kli-nisch persistierende Hämaturie) nach-weisbar sind, ist prinzipiell auch eine Im-munsuppression indiziert. Die Aggressi-vität (Steroide allein oder Kombinationmit zytotoxischen Medikamenten) undDauer der Therapie richtet sich nachdem klinischen und eventuell auch nachdem histologischem Verlauf, wobei derpotentielle Nutzen gegen die Nebenwir-kungsrate abgewogen werden muss. Eineerfolgreiche Therapie reduziert die Pro-teinurie (Zielwerte zumindest unter 500mg/Tag beziehungsweise Reduktion um60 Prozent vom Ausgangswert) und Hä-maturie (kurzfristig nachzuweisen) undstabilisiert die Nierenfunktion. WeitereMaßnahmen sind eine Tonsillektomiebei rezidivierender Tonsillitis (reduziertzumindest die Frequenz von Makrohä-maturieepisoden) und eventuell eine hy-poallergene Ernährung (zum Beispielglutenfreie Diät).

Membranoproliferative

Glomerulonephritis

Bei sekundären Formen (zum Bei-spiel bei Endokarditis, Hepatitis B oder

C, chronisch lymphatischer Leukämieoder SLE) steht die Behandlung derGrunderkrankung im Vordergrund. Dietatsächliche „idiopathische“ Erkrankungist eher selten und es gibt kaum gut ab-gesicherte Therapieempfehlungen.Nachdem eine intraglomeruläre Gerin-nungsaktivierung möglicherweise einepathogenetische Rolle spielt, wird beinephrotischem Syndrom oder progre-dienter Nierenfunktionseinschränkungeine Therapie mit 500 – 975 mg Aspirinund 75 – 225 mg Dipyridamol pro Tagempfohlen. Steroide (120 mg jedenzweiten Tag für zwölf bis 16 Wochen,dann 20 – 30 mg jeden zweiten Tag fürmehrere Jahre) sind bei Erwachsenenweniger erfolgreich als bei Kindern. Zy-totoxische Substanzen verbessern diePrognose nicht entscheidend und solltendaher wegen ihrer potentiellen Toxizitätnicht verwendet werden.

Wichtige Fallgruben bei

Diagnose und Therapie

1) Pathologischen Harnbefunden muss konsequent nachgegangen werden.

2) Ein normales Serumkreatinin schließt eine Reduktion der GFR nicht aus.

3) Alle „inflammatorischen“ Nierener-krankungen können in eine „hämo-dynamisch-degenerative“ Phase (sFSGS) übertreten beziehungsweisegleichzeitig mit dieser bestehen. Da-her sind bei allen Patienten mit GNMaßnahmen zur Therapie der sFSGSindiziert (aggressive Blutdruckreduk-tion, RAAS Blockade etc.).

4) Neben den spezifischen Therapie-maßnahmen muss auch eine an die GFR-Reduktion angepasste stadien-gerechte Begleitdiagnostik bezie-hungsweise Therapie durchgeführt werden (zum Beispiel Anämie etc.).

5) Es gibt kaum ausreichend sensitive und/oder spezifische serologischeMarker für primäre Glomeruloneph-ritiden.

6) Bei Patienten mit Glomerulonephri-tis müssen sekundäre Ursachen bezie-hungsweise Glomerulonephritidenim Rahmen von Systemerkrankun-gen ausgeschlossen werden, da in die-sen Fällen das therapeutische und/oder diagnostische Vorgehen an-ders ist.

*) Univ. Prof. Dr. Gert Mayer, Dr. GabrieleSchratzberger; beide: Universitätsklinik fürInnere Medizin/Klinische Abteilung fürNephrologie, Medizinische UniversitätInnsbruck; Tel. 0512/504/25855; Fax-DW25857;E-Mail: [email protected]

Lecture boardUniv. Doz. Dr. Otto Traindl/KrankenhausMistelbachUniv. Doz. Dr. Fritz Prischl/KrankenhausWelsUniv. Prof. Dr. Rainer Oberbauer/AKH Wien

HerausgeberUniversitätsklinik für Innere Medizin derMedizinischen Universität Innsbruck/KlinischeAbteilung für Nephrologie

Diesen Artikel finden Sie auch im Web unterwww.arztakademie.at/ls

Behandlungsempfehlungen bei IgA-Nephritis

Rezidivierende Makrohämaturie mit nor- Blutdruckreduktion, ACE-Hemmer und/oder Angiotensin II-Rezeptorblocker.maler und stabiler Nierenfunktion und/oder Proteinurie unter 1 g/TagRapid progrediente Nephritis Drei Tage jeweils 500 – 1000 mg Prednisolon intravenös (ev. zusätzlich Plasmapherese),

dann 1 mg/kg Körpergewicht Prednisolon p.o. für 60 Tage mit folgender schrittweiser Re-duktion unter Kontrolle der Befunde.

IgA-Nephritis und MCN mit nephrotischem Zwei bis drei Monate 100-120 mg Prednisolon p.o. jeden zweiten Tag, dann rasche ReduktionSyndrom auf 30-40 mg jeden zweiten Tag für sechs Monate unter Kontrolle der Befunde.Progrediente Erkrankung mit deutlicher ent- Steroide wie oben und Cyclophosphamid (1,5 mg/kg KG/Tag) für drei Monate, dann Wechsel auf zündlicher Aktivität Azathioprin (1,5 mg/kg KG/Tag) oder Mycophenolsäure (2 x 500-–1000 mg/Tag) für ein bis zwei

Jahre unter Kontrolle der Befunde.Progrediente Erkrankung ohne deutliche ent- Blutdruckreduktion, ACE-Hemmer und/oder Angiotensin II- Rezeptorblocker und 12 g Fischöl/Tagzündliche Aktivität unter Kontrolle der Befunde. Tab. 5